Zeugenschutz - Mein Leben für deines von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 3: Jeder für sich allein -------------------------------- Derek hockte sich auf sein Bett und überdachte seine Situation. Vor ihm lagen vier Wochen, eingesperrt irgendwo in der Fremde mit einem offensichtlich verrückten Bundesagenten, der überhaupt nichts dabei fand, ihm ohne sein Wissen ein Schlafmittel zu verabreichen. Doch Derek konnte hier ohne diesen Kerl nicht weg, selbst dann nicht, wenn es irgendwann nötig werden sollte. Er wusste ja nicht einmal mit Sicherheit, in welchem Bundesstaat er sich eigentlich befand, immerhin waren sie zuletzt mit dem Wagen nur noch mehr oder weniger in der Wildnis unterwegs gewesen. Sie könnten beinahe überall sein, zumal Derek nicht wusste wie lange sie gefahren waren, weil er einen Teil der Reise im Dornröschenschlaf verbracht hatte. Dies hier war also praktisch so etwas wie eine Entführung, wenn auch eine, der er dummerweise zuvor zugestimmt hatte! Alle seine Freunde bestätigten Derek immer wieder gern und ungefragt, dass er ein Kontrollfreak sei, aber was war falsch daran, wenn man die Fäden seines Schicksals gern in seinen eigenen Händen behielt? Es war doch überaus leichtsinnig, sich einfach so treiben zu lassen und es anderen zu überlassen, was als nächstes geschehen würde. Wer wusste denn schon, ob die es gut mit ihm meinten? Und selbst wenn sie es täten, so war doch noch lange nicht gesagt, dass deren Vorstellungen von gut sich mit seinen eigenen deckten? Und nun war er irgendeinem bewaffneten, wildfremden Menschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Derek hasste diesen Gedanken. Allerdings erinnerte er sich ebenfalls daran, wie dieser Agent Stilinski ihm am Morgen bereits einmal den Hals gerettet hatte, indem er ihn aus dem Schussfeld geholt und sein eigenes Leben riskiert hatte, um diese Drohne auszuschalten. Wenigstens schien dieser dürre Kerl mit dem viel zu jungen Gesicht tatsächlich wider Erwarten etwas von seinem Job zu verstehen. Das war immerhin ein kleiner Trost, auch wenn Derek sich nach der Nummer mit dem Kaugummi entschieden hatte, Stilinski zu hassen. Kurz gestattete er es sich daran zurückzudenken, wie er überhaupt erst in diese missliche Lage geraten war. Es war im Grunde ein ganz gewöhnlicher Tag gewesen. Er hatte im Restaurant eines Hotels ein Mittagessen mit einigen Produzenten gehabt, um über ein mögliches neues Filmprojekt zu sprechen. Anschließend in der Tiefgarage, als er gerade wieder bei seinem Auto angekommen war, hörte die Schüsse und wurde Zeuge eines Mordes. Derek hatte in diesem Moment keine Ahnung gehabt, wer die beiden Männer waren, hatte weder das Opfer, noch den Kerl erkannt, welcher dieses mit Kugeln beinahe durchsiebt hatte, selbst als es längst leblos am Boden lag. Als der Mörder sich Dereks Anwesenheit gewahr wurde, hatte er sich zu ihm umgedreht und einen kurzen Moment lang haben sie sich in die Augen geschaut. Doch dann war Derek so schnell wie möglich in den Wagen gesprungen und mit quietschenden Reifen davongefahren, denn ansonsten wäre er jetzt auch tot, soviel stand fest. Er war danach sofort zum nächsten Polizeirevier gefahren, um sich als Zeuge zu melden. Heute fragte er sich manchmal, ob das wirklich so eine gute Idee gewesen war? Er hatte damals unter schwerem Schock gestanden. All das Blut und die unglaubliche Gewalt und Kaltblütigkeit dieser Tat verfolgten ihn im Grunde bis heute. Erst später hatte Derek erfahren, dass der Mörder der berüchtigte Deucalion war, welcher eines der gefährlichsten Verbrechersyndikate des Landes unter sich hatte und sein Opfer ein Abgeordneter des weißen Hauses, welcher sich geweigert hatte, einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung von Glücksspiel in den Kongress einzubringen. Es war ein Racheakt gewesen, weswegen der Gangsterboss es sich auch nicht nehmen lassen wollte, dem Mann persönlich das Licht auszuknipsen, anstatt dies von einem seiner Handlanger erledigen zu lassen. Das Opfer war einundvierzig Jahre alt und Vater von drei kleinen Kindern. Derek schüttelte sich leicht, um die beunruhigenden Erinnerungen loszuwerden und erhob sich vom Bett, um seine Tasche auszupacken. Als er sie öffnete, lag gleich zu oberst ein Gegenstand, den er selbst dort nicht hineingelegt hatte. Er hatte jedoch er hatte sofort eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wer es getan haben mochte. Es handelte sich um ein nagelneues Mobiltelefon nebst Ladegerät und das konnte eigentlich nur von Kate stammen. Man hatte ihnen bereits vor Agents Stilinkis kleiner Ansprache im Hauptquartier des FBI eindringlich klargemacht, dass Derek im Zeugenschutzprogramm keinen Kontakt zur Außenwelt haben durfte und es war typisch für Kate, dass sie sich darüber hinwegzusetzen versuchte. Derek nahm das Handy aus der Tasche und bewegte es nachdenklich in seinen Händen. Schließlich entschied er sich dafür es nicht einzuschalten, aber dennoch aufzuladen, um es für den absoluten Notfall in der Hinterhand zu behalten. Er durfte sich dabei bloß nicht von diesem Agent erwischen lassen und musste das Ding stets gut versteckt halten. Agent Stilinski war noch nie zuvor in jenem Safehouse gewesen, in welches er seinen Schützling heute gebracht hatte, dennoch war er mit allen Einzelheiten bestens vertraut; mit der Alarmvorrichtung, der Strom- und Wasserversorgung, dem Brandschutz- und Lüftungssystem. Er hatte die Pläne des Gebäudes wieder und wieder studiert, bis er sie gänzlich verinnerlicht hatte. Damals in seiner Schulzeit hatte ihm dieses Sich-In-Details-Verlieren, welches mit seiner ADHS-Erkrankung einherging oft Schwierigkeiten eingebracht, doch mit dem Älterwerden und unter Aufbringung einer gehörigen Portion Selbstdisziplin hatte er aus einem Problem schließlich eine Tugend gemacht. Anders als dem Kind welches er damals war, gelang es ihm heute, sich nicht mehr zu verzetteln und das Gesamtbild ebenso fest im Blick zu behalten, wie den kleinteiligen Aufbau des Ganzen und damit war er anderen Agents sogar häufig überlegen. Auch seine Impulsivität und damit einhergehend seine übermäßige Risikobereitschaft, sowie dieses allgegenwärtige Gefühl des Getriebenseins, welche typisch waren für sein Krankheitsbild, hatte mittlerweile zu kontrollieren gelernt. Was ihn dies gekostet hatte, ahnte unterdessen wohl niemand. Es waren endlose Stunden der Meditation und der Suche nach dem inneren Fokus nötig gewesen, sowie Methoden der Verhaltenstherapie; alternative Handlungsweisen eingeübt durch ständige Wiederholung, bis sie ihm zur zweiten Natur wurden, dies alles war nötig gewesen für die Erfüllung seines großen Traums, Karriere beim FBI zu machen. Sich selbst auf Dauer so dermaßen kontrollieren zu müssen und sich beinahe niemals gehen lassen zu können war selbstverständlich ein Kraftakt, doch Stiles war es die Sache wert. Der Agent machte seinen Rundgang durch das Haus, inspizierte alles genauestens auf Mängel, oder mögliche Manipulationen. Es kostete ihn beinahe zwei Stunden doch am Ende war er mit dem Ergebnis zufrieden und er konnte sich endlich ein wenig entspannen. Sein Schützling war in Sicherheit und er hatte einen guten Job gemacht. Es war für Stiles wichtig, sich dies immer wieder vorzusagen, ebenso wie seine Übergenauigkeit in der Ausübung seiner Pflichten, denn auch wenn er alles daran setzte es niemanden jemals spüren zu lassen; sein Perfektionismus war in einer tiefsitzenden Unsicherheit begründet. Er konnte nichts dagegen tun, dass ihn dann und wann das Gefühl beschlich, ein Betrüger zu sein, sich seinen verantwortungsvollen Job lediglich ergaunert zu haben, doch diesem im Grunde nicht würdig zu sein. Um seinen heutigen Feierabend einzuleiten, machte Stilinski sich eine Kleinigkeit zu Essen zurecht und dachte kurz darüber nach, Hale ebenfalls etwas zu bringen, doch dieser hatte mehr als deutlich gemacht, dass er nicht gestört werden wollte und solange er nicht freiwillig aus seinem Unterschlupf hervorkäme, würde Stiles sich ihm auch nicht aufdrängen. Der Agent spürte ein kleines Schuldgefühl an sich nagen, weil er den Schauspieler vorhin ohne sein Wissen schlafen geschickt hatte. Er war durchaus imstande einzusehen, das dies nicht gerade als eine vertrauensbildende Maßnahme angesehen werden konnte, doch was hätte er anstatt dessen tun können? Die Autofahrt war der Plan B gewesen, von dem alle gehofft hatten, dass er nicht nötig werden würde, doch als es dann doch so kam, hatte Stiles genau das getan, was vorher mit den Kollegen besprochen worden war; er hatte nur seine Pflicht erfüllt. Und welche anderen Optionen hätte er denn schon gehabt? Mit Hale das Staatsgeheimnis des geheimen Zugangs des FBI-Hauptquartiers zum Straßenverkehrsnetz teilen, bloß weil dieser so ein ehrliches Gesicht hatte? Oder etwa ihn höflich bitten, sich freiwillig von ihm betäuben zu lassen? Wohl eher nicht! Aber vier Wochen lang nur einen einzigen Menschen um sich herum zu haben und noch dazu ausgerechnet einen, der stinksauer auf einen war, das entsprach auch nicht gerade Stiles Vorstellung von Spaß. Aber dies hier war nun einmal sein Job, also hieß es die Zähne zusammenzubeißen. Er nahm sich vor, nach diesem Auftrag endlich mal wieder Urlaub zu nehmen und dann mit seinem besten Kumpel Scott einen drauf machen. Es war schon viel zu lange her, dass sie das zuletzt getan hatten. Mit diesem Vorsatz hochzufrieden verspeiste der Agent sein Tomatenomelette nach südfranzösischer Art, welches er sich gezaubert hatte und ging direkt danach zu Bett, um nach diesem langen Tag endlich seinen wohlverdienten Schlaf zu finden. Derek saß auf dem Bett und las in einem Buch, welches er sich für seine Zeit im Versteck mitgenommen hatte um sich zu beschäftigen, doch leider musste er feststellen, dass er sich nicht konzentrieren konnte. Grund dafür war sein laut knurrender Magen, denn er hatte seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen. Und nun begann es in seinem Zimmer auch noch nach Eiern und würzigen Kräutern zu duften, weil der Agent sich offenbar soeben sein Abendessen zubereitet hatte. Derek rang mit sich aufzustehen und in der Küche ebenfalls nach etwas Essbarem für sich zu suchen, doch sein Stolz hinderte ihn daran. Er hatte angekündigt, den Agent heute nicht mehr sehen zu wollen, also blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als hungrig zu bleiben. Er klappte geräuschvoll das blöde Buch zu, knipste seine Nachttischlampe aus und versuchte zu schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)