Abschied von Onlyknow3 (Karl May) ================================================================================ Kapitel 1: Winnetou ------------------- Das muntere Treiben im Dorf wurde nun langsam leiser und auch für Mark war es nun ein Zeichen, das Zelt zu verlassen und zu seiner Familie zurück zu gehen. Auch ich fühlte Müdigkeit, die sich langsam meiner bemächtigen wollte während ich über das nachdachte, was ich von Mark über Scharlih und seine Kindheit erfahren hatte. [style type="italic"] „Wenn es wieder einmal Probleme mit seinem Vater gab, ist Karl früher zu unserer Tante geflüchtet. Später dann auch mal mit mir in die Wälder, die wir dann durchstreiften. Dabei hat er seine Liebe zur Natur und zum Schreiben und Zeichnen entdeckt. … Er wollte die ganze Welt bereisen und hat jeden Groschen, den er damals auch schon durch das Schreiben verdiente gespart. Seine erste Reise führte ihn vor etwa zwei Jahren hierher in den Westen und nun ...“, Mark hatte den Kopf geschüttelt, als er auf das Lager blickte, auf dem Scharlih nun schon seit Tagen mit dem Tode rang. [/style] Über diese Gedanken musste ich tatsächlich eingeschlafen sein, denn das Dorf und somit auch ich erwachte. Mein erster Blick glitt zu der Lagerstätte, die mein Blutsbruder soeben verlassen wollte. Ich sprang auf und schaffte es im letzten Augenblick, ihn zu stützen. „Scharlih sollte noch nicht aufstehen“, tadelte ich und blickte ihn an. „Ich weiß mein Bruder, aber ich habe ein dringendes Bedürfnis und du hast noch geschlafen. Den hattest du offenbar auch sehr dringend nötig.“ Scharlih ließ sich zurück auf die Felle sinken und anschließend half ich ihm beim Verrichten dieses Bedürfnisses. Nachdem er sich noch ein wenig frisch gemacht und ich den Verband gewechselt hatte, stellte ich beide Schalen vor den Zelteingang und ließ diesen offen. „Was ist geschehen?“ „Wie fühlt sich mein Bruder?“, erkundigte ich mich, da ich die letzten Ereignisse noch nicht erzählen wollte und blickte ihn forschend an. Beides war eine große Kraftanstrengung für ihn gewesen. „Dank deiner Fürsorge, sehr viel besser. Was ist geschehen? Ich erinnere mich noch an einen Knall, dem ein stechender Schmerz folgte ehe mich Dunkelheit umfing.“ „Mein Bruder sollte etwas essen, damit er weiter zu Kräften kommt.“ „Ein Knall … stechender Schmerz … Dunkelheit“, murmelte Scharlih immer wieder und riss plötzlich die Augen auf „was ist mit Mark und seiner Familie?“ „Sie sind hier, mein Bruder braucht sich keine Sorgen zu machen. Und nun solltest du etwas Essen. Winnetou wird ihm anschließend alles erzählen.“ „Du erzählst, während ich esse.“ Ich nickte nachgebend, denn er musste essen und das würde er nicht tun, solange er nicht wusste, was geschehen war und so legte ich die Felle so, dass mein Blutsbruder sich an diese lehnen konnte. Anschließend reichte ihm zuerst einen Tee und dann eine Brühe mit Pemmikan. „Scharlih wurde von einer Kugel getroffen, aber Winnetou war schnell bei dir und konnte sie entfernen. Mein Bruder bekam Fieber, weshalb wir uns seit neun Tagen im Dorf von Roter Büffel befinden. Mark und seine Familie sind hier. Es geht ihnen gut.“ Scharlih seufzte erleichtert. Ich stand auf, ging zum Zelteingang, wechselte ein paar Worte mit einem Krieger, der sich in der Nähe unseres Zeltes aufhielt und ging zu meinem Blutsbruder zurück, der weiter die Brühe zu sich nahm. „Was ist mit den Kriegern, die uns begleitet haben?“ „Einige von ihnen gingen den Weg in die Ewigen Jagdgründe.“ Scharlih senkte kurz den Kopf. „Und die Soldaten im nahe gelegenen Fort?“ Ich reichte Scharlih ein Blatt Papier. „Mr Shatterhand, Häuptling Winnetou, wie sehr es mich freut, Ihnen mitteilen zu können, dass die Warnung noch zur rechten Zeit eintraf. Wir haben das Fort sichern und eine größere Gruppe der Ogellallah gefangen nehmen können. Vermutlich werden wir diese umsiedeln. Ich wünsche Old Shatterhand eine schnelle Genesung. Mit freundlichen Grüßen Kommandant Tom Wilkens“, las Scharlih dann auch laut vor und sah mich anschließend an. „Es waren Scharlihs letzte Worte, die Soldaten zu warnen, ehe er für Tage in die Dunkelheit gezogen wurde. Winnetou hat einige Krieger dorthin geschickt und diese sind wohlbehalten vor zwei Sonnen zurückgekommen.“ Kurz darauf vernahm ich Schritte, die vor dem Zelteingang innehielten und auch Scharlih schien diese gehört zu haben, denn er richtete seinen Blick auf diesen. Weitere Schritte näherten sich, verharrten einen Moment vorm Eingang und kurz darauf betrat Roter Büffel gefolgt von Mark das Zelt. „Roter Büffel ist erfreut, Old Shatterhand wach zu sehen“, Mark nickte bestätigend. „Ich danke Roter Büffel. Vor allem für seine Gastfreundschaft.“ „Old Shatterhand und auch Winnetou sind gern gesehene Freunde in den Zelten der Schoschonen und dürfen bleiben, solange sie möchten.“ Nach einem erneuten Dank meines Blutsbruders verließ Roter Büffel das Zelt auch schon wieder. „Roter Büffel ist Häuptling und hat sich um andere Belange zu kümmern als um einen Kranken“, erklärte Scharlih Mark auf dessen irritierten Blick, „aber nun verrate mir: wie geht es dir und deiner Familie. Habt ihr alles gut überstanden?“ „Besser als du Karl, denn dank euch, sind wir mit dem Schrecken davon gekommen. Die ersten Tage stand es richtig schlecht um dich und erst die letzten fünf Tage durfte ich dich besuchen. Winnetou ist ein wirklich besserer Arzt als unsere Quacksalber in Deutschland und da zahlst auch noch einen Batzen Geld für. Winnetou hingegen wollte nicht einmal meinen Dank dafür das er dein Leben gerettet hat.“ Scharlih sah kurz zu mir und richtete sich wieder ein wenig mehr auf. „Ich hoffe, du hast es ihm nicht übel genommen, aber so ist Winnetou nun einmal.“ Mein Bruder zögerte kurz, ehe er weiter sprach. „Mark, habt ihr euch schon Gedanken über eure Zukunft gemacht, denn in eure Hütte am Mountain Falls werdet ihr nicht zurück kehren können, da die Ogellallah vermutlich alles niedergebrannt haben.“ „Nein, haben wir nicht, denn wir sind sicher, dass sie unsere Hütte nicht kennen. Wir wurden ja nicht zuhause überfallen, Karl. Wir waren auf dem Heimweg von einer Siedlung in der Nähe von Fort Utah, etwa zwei Tagesritte von hier entfernt.“ „Old Shatterhand braucht jetzt Ruhe, damit er sich erholt“, unterbrach ich nun das Gespräch, da Scharlih die Augen kaum noch offen halten konnte. Mark wünschte weiter gute Besserung und verließ nun ebenfalls das Zelt. Scharlihs Kopf berührte noch nicht einmal die Felle und er schlief schon. Da Scharlih meine Hand festhielt, setzte ich mich an sein Lager. Auch ich musste wohl eingeschlafen sein, denn ich erwachte, als der Griff sich um meine Hand lockerte. Alarmiert sah ich zu meinem Blutsbruder, aber dessen Brustkorb hob und senkte sich und so stand ich leise auf und trat das erste Mal seit einigen Tagen wieder nach draußen. Dass Scharlih für länger erwacht war ließ mein Herz wieder leicht werden und ich atmete mehrere Male tief und endlich auch wieder befreit auf. Mein Weg führte mich zu den Pferden, wo ich von Iltshi und auch Hatatitla freudig begrüßt wurde. „Old Shatterhand ist erwacht?“, vernahm ich dann die Stimme Til-Latas, der mit den anderen Apachen in der Nähe der Pferde geblieben war und nun näher trat. „In einigen Tagen werden wir zum Pueblo zurückkehren können“, erwiderte ich und streichelte die beiden Hengste. Nach einigen Minuten drehte ich mich um und ging ins Zelt zurück. Ich blickte zum Lager, auf dem Scharlih noch immer schlief. Als ich das nächste Mal erwachte, fiel durch den geschlossenen Zelteingang noch kein Tageslicht Ich blickte zu der Bettstatt meines Blutsbruders aber diese war verlassen. Nachdem ich mich aufgesetzt hatte sah ich Scharlih, wie er neben seinem Lager stand und vorsichtig ein paar Schritte tat, wobei er aber weiterhin direkt neben der Lagerstätte blieb und sich immer wieder leicht daran abstützte. „Kann Winnetou irgendetwas für seinen Bruder tun?“, fragte ich während ich aufstand und zu ihm ging. Scharlih zuckte zusammen, ehe er mich entschuldigend ansah, denn offenbar hatte er nicht mitbekommen, dass ich erwacht war. „Ich weiß, dass Winnetou sich wünscht, dass ich noch ein wenig liegen bleibe, damit ich mich weiter erhole. Aber immer wenn ich mich aufsetze, überkommt mich dieser Schwindel und langsam möchte ich auch wieder damit anfangen, meine Beine wieder damit vertraut zu machen, meinen Körper zu tragen. Aber für jetzt reicht es mir erst einmal“, erklärte mir mein Bruder und legte sich zurück. Nun begann das morgendliche Ritual, welches ich nun schon seit neun Tagen durchführte, wobei ich diesmal nur den Verband zu wechseln brauchte. Sein Bedürfnis verrichtete er allein und auch beim Essen benötigte mein Bruder keine Hilfe mehr. „Kommt herein.“ Auch Scharlih hatte offenbar vernommen, dass jemand vor dem Zelteingang stehen geblieben war und bat diese nun herein. Mark trat ein, gefolgt von seiner Familie, die Scharlih erleichtert umarmte. Sie sprachen ein paar Worte in einer Sprache, die ich nicht verstand. „Ob ich dennoch den Orient weiter erkunden will, wenn ich wieder gesund bin? Ich weiß es nicht, da ich meinen Hafen gefunden habe“, Scharlih hatte in die Sprache der Bleichgesichter gewechselt, die auch ich verstand und sah mich dabei auch noch an. „Was ist mit euch Mark? Habt ihr euch überlegt, was ihr nun machen wollt? Ich hoffe doch, ihr zieht in eine Gegend, die sicherer ist.“ „Ähm … ja … also … wir haben lange darüber gesprochen und möchten zurück zum Mountain Falls und unser Haus dort wieder aufbauen.“ „Heißt das also, dass ich Hatatitla umsonst diesen halsbrecherischen Ritt zugemutet und mir auch umsonst eine Kugel eingefangen habe? Nicht zu vergessen in der Gefahr, in der Winnetou, die anderen Häuptlinge und die Krieger gewesen sind?“ „Denkt Häuptling Winnetou etwa auch, dass wir woanders sicherer wären?“ „Old Shatterhand gibt nur den Rat, das Haus nicht wieder aufzusuchen, da die Ogellallah die Bleichgesichter von ihren Jagdgründen vertreiben wollen. Es ist nicht die Entscheidung Winnetous und auch nicht die von Old Shatterhand, wo Mark und seine Familie leben sollen. Dieser ist erwachsen und kann die Entscheidung selbst treffen. Nur sollte Mark daran denken, dass sein Bruder beinahe sein Leben verloren hätte, um das Leben von Mark und seiner Familie zu retten.“ „Und ich hoffe, dass Anna weiß, dass es von nun an noch gefährlicher dort sein wird.“ Mark war gegangen, eine Squaw brachte uns Essen, ich schloss den Eingang des Zeltes um nicht mehr gestört zu werden. Als es an der Zeit war, rollte ich meine Decke neben Scharlihs aus. Dieser zog mich in seine Arme. „Danke mein Bruder. Vor allem dafür, dass du mich nicht einfach hast gehen lassen. Ich habe dich und auch deine Tränen die ganze Zeit gespürt.“ Er sah mich an, dann fuhr er leise fort „das wird aber unser Geheimnis bleiben, denn auch ich Liebe dich.“ Ich erwiderte seinen Blick und versank für einen Moment in diesen blauen Augen. Dann spürte ich plötzlich seine Lippen auf meinen. Während der zwei Tage, die wir noch im Dorf von Roter Büffel verweilten, besuchte Scharlih Hatatitla regelmäßig. Beide hatten sich vermisst, was Hatatitla aber deutlicher zum Ausdruck brachte als Scharlih. Als wir dann aufbrachen, begleitete uns die Familie von Mark. Dieser hatte sich bei Scharlih entschuldigt, noch einmal mit seiner Squaw gesprochen und gemeinsam hatten sie entschieden, sich doch woanders etwas Neues aufzubauen. Als wir die offene Prärie erreichten, wandten wir uns nach Süden, während es Mark und seine Familie Richtung Westen zog. Nach einem letzten Gruß gaben wir unseren Pferden die Zügel frei und jagten über die Ebene. Ich erwachte. Kapitel 2: Eine Spur -------------------- Kap. 2 Sicht Old Shatterhand Durch einen Auftrag für ein Detektivbüro, hatte ich über Umwege wieder amerikanischen Boden betreten, wo der Frühling langsam Einzug hielt. Da ich diesen Auftrag nun beendet hatte und Winnetou mich nicht vor dem Sommer erwartete, beschloss ich meinen Halbbruder Mark und seine Familie zu besuchen, die am Fuße der Rocky Mountains eine neue Heimat gefunden hatten. Von dort aus wollte ich dann weiter zum Pueblo reiten. Auf meinem Ritt begegnete ich einigen Jägern, die mich, nachdem wir uns vorgestellt hatten, wobei ich mich ihnen als Charly vorstellte, um Erlaubnis baten, sich mir ein Stück anschließen zu dürfen. Der Jüngste von den Jägern, er mochte vielleicht gerade einmal sechzehn oder siebzehn Jahre zählen, sah mich genauer an, wobei sein Blick an meinen Gewehren hängen blieb, die im Futteral an meinem Sattel hingen. Auf den Zuruf eines älteren Mannes, wendete er sein Pferd und so kam es also, dass sie mich auf einem Teilstück der eher ereignislosen Reise begleiteten. Sie waren nicht sonderlich gesprächig und blieben überwiegend für sich, was mir ganz Recht war. Wir entdeckten durchaus auch Spuren von Indianern, die die Jäger als älter datierten als ich selber und da ich mich nicht unbedingt auf deren Aufmerksamkeit verlassen wollte, teilte ich mich üblicherweise für die Wachzeit ein, zu der die Indianer normalerweise anzugreifen pflegen, wogegen niemand meiner Begleiter etwas einzuwenden hatte. Auch meine Begleiter waren gute Reiter, weshalb wir gut voran gekommen waren und bereits am Ende des fünften Tages erreichten wir die Ausläufer der Rocky Mountains. Wir beschlossen, noch ein letztes Mal ein gemeinsames Lager aufzuschlagen, ehe sich unsere Wege dann am nächsten Tage trennen würden. Während einer meiner Begleiter auf die Jagd ging, sicherte ein anderer das Lager und wir zurück gebliebenen sammelten Holz und kümmerten uns um die Pferde. Nach dem Essen stand ich auf, drückte mich unter dem Vorwand der Abendtoilette wie die Abende zuvor in die Büsche und suchte, das letzte Tageslicht ausnutzend, nach Spuren. In dem Umkreis den ich um unser Lager absuchte, entdeckte ich keinerlei Spuren die mich zu besonderer Vorsicht veranlassen würden. Nachdem ich den Ort, an dem ich in die Büsche verschwunden war, wieder erreicht hatte, kehrte ich ans Feuer zurück. Am ersten Abend wollte man schon nach mir suchen, weil ich, deren Meinung nach, zu lange weg geblieben war, aber wie die Abende danach wurde meine Rückkehr einfach nur zur Kenntnis genommen. Während die erste Wachablösung sich bereits schlafen legte, blieben wir anderen noch ein wenig sitzen und unterhielten uns. Wobei, das ja nicht ganz richtig war, denn die anderen hörten sich offenbar sehr gerne selber reden und erzählten ihre spannendsten Geschichten. Ich stellte hin und wieder einige Fragen, erreichte dadurch, dass man noch etwas weiter in der Erzählung ausholte und somit schien es niemanden wirklich zu stören, dass ich mich nicht zu einem meiner Erlebnisse äußern wollte. Ein Blick zum Himmel sagte mir, dass es noch etwa fast zwei Stunden war, bis ich meine Wache antreten sollte, weshalb ich mich auf die Seite drehte und versuchte, weiter zu schlafen. Aber ich war hellwach. Ein unbestimmtes Gefühl hielt mich davon ab, wieder in den Schlaf zu finden, weshalb ich es aufgab und aufstand. Unsere Wache saß mit dem Rücken zum Feuer und lauschte in die Dunkelheit. Als ich mich näherte, setzte er sich ein wenig aufrechter hin und drehte den Kopf in meine Richtung. „Wenn Ihr möchtet, löse ich euch jetzt schon ab.“ Ich war neben ihn getreten und schaute in die selbe Richtung wie er. Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln und konnte sehen, wie es in ihm arbeitete. Nach einem kurzen Zögern nahm er mein Angebot an, gähnte einmal herzhaft, stand auf und legte sich anschließend bei seinen Sachen zum Schlafen nieder. Ich lauschte auf verräterische Laute, die Gott sei Dank ausblieben und sorgte dafür, dass das Feuer nicht gänzlich ausging. Als es anfing zu dämmern und ich mehr sehen konnte, umrundete ich unser Lager und warf, als ich keine Spuren entdecken konnte, frisches Holz in die Glut um das Feuer wieder anzufachen. Nach dem Frühstück, welches aus den erwärmten Überresten vom Abend bestand, packten wir unsere Sachen, sattelten die Pferde, verwischten unsere Spuren und brachen auf. Während des Ritts war ich erneut damit beschäftigt, dieses merkwürdige Gefühl, dass mich aus dem Schlaf geholt hatte, zu ergründen, da es mich seither nicht wirklich los ließ. Ich bemerkte erst, dass wir dem Lake Mountain, wo sich unsere Wege trennen würden, schon nahe gekommen waren, da meine Begleiter die Richtung änderten. Eine Verabschiedung fand nicht statt, lediglich ein kurzes Zügeln der Pferde, ein Nicken, ein kurzer Gruß und schon ritten sie weiter. Lediglich der Jüngling, den ich frühzeitig von seiner Wache abgelöst hatte, blieb noch einen Augenblick länger stehen. Nachdem er mich ein letztes Mal gemustert hatte, wobei sein Blick noch einmal zu meinen Gewehren streifte, schien es, als wollte er etwas sagen, aber ein Ruf aus Richtung der anderen hinderte ihn daran. Stattdessen grinste er, dankte mir, dass ich wegen seiner Wache nichts gesagt hatte, hob noch einmal die Hand, wendete sein Pferd und galoppierte den anderen hinterher. Auch ich setzte meinen Weg nun fort. Nicht einmal eine halbe Stunde, nachdem ich die ersten Zeltspitzen am Horizont erblickt hatte, ritt ich in das Dorf. Mein Kommen war angekündigt worden, denn der Häuptling erwartete mich vor seinem Zelt. In gebührendem Abstand ließ ich mein Pferd anhalten und stieg ab. „Ich grüße Avaht-niha, den Häuptling der Schoschonen und Freund der Apachen“, ergriff ich das Wort. „Avaht-niha grüßt Old Shatterhand, seinen weißen Freund und Häuptling der Apachen“, entgegnete dieser, drehte sich anschließend um und ging in sein Zelt. Ich nahm die stumme Einladung des Häuptlings an und folgte ihm in sein Zelt, nachdem ich einem Krieger die Zügel meines Pferdes übergeben hatte. „Winnetou hat die Jagdgründe der Schoschonen gestern verlassen. Wenn Old Shatterhand wünscht, kann Avaht-niha dem Häuptling einen Boten nachschicken“, begann der Häuptling nach dem Ritual des Pfeife rauchen. „Ich danke Avaht-niha, aber der Bote wird nicht benötigt.“ „Was führt Old Shatterhand dann in die Jagdgründe der Schoschonen?“ „Ich möchte meinen Bruder besuchen, der ein paar Tagesritte von hier entfernt wohnt und anschließend von dort zum Rio Pecos reiten. Da ich die Schoschonen um Avaht-niha schon lange nicht mehr besucht habe und mein Pferd ein wenig Erholung braucht, möchte ich um die Gastfreundschaft der Schoschonen bitten.“ Zwei Tage nahm ich diese in Anspruch und brach dann wieder auf, nicht ohne von den Schoschonen mit Proviant versorgt worden zu sein. Ich versuchte den Ritt weitestgehend zu genießen. Hin und wieder hielt ich an und fertigte von Plätzen, die ich als besonders schön empfand, Zeichnungen an. Schon am Ende des ersten Tages war ich auf Spuren von unbeschlagenen Pferden gestoßen. Ich stieg ab und untersuchte sie genau. Es waren keine Wildpferde, denn dafür war sie zu gleichmäßig und zu tief. Es müssen also Indianer sein. Die Spuren waren zu dieser Zeit etwa einen Tage alt und sie ritten in die Richtung, in die auch ich unterwegs war. Im Gegensatz zu mir schienen sie es eilig zu haben, weshalb nun auch ich mein Tempo ein wenig erhöhte. Als es zu dämmern begann, suchte ich nach einem geeigneten Lagerplatz und sicherte die Umgebung ab. Ich hatte nur wenig aufgeholt, aber dennoch war es sicherer. Da ich mich nicht unbedingt auf die Wachsamkeit meines Pferdes verlassen konnte, es war nun einmal nicht Hatatitla oder Iltshi, war mein Schlaf nicht besonders tief und als die Morgendämmerung anbrach, war ich bereits wieder im Sattel. Das Gefühl von vor ein paar Tagen hatte mich noch immer nicht losgelassen und je näher ich meinem Ziel kam, desto stärker nagte es an mir. Dass Winnetou etwas passiert war, schloss ich aus, denn er befand sich mit seinen Kriegern auf dem Weg zurück zum Pueblo, was in entgegengesetzter Richtung lag – und außerdem würde sich das anders anfühlen, da war ich mir sehr sicher. Es waren Stunden vergangen als ich mein Pferd erneut zügelte, abstieg und die Spur noch einmal betrachtete. Es waren nicht einmal mehr drei Stunden, die die Indianer nun noch Vorsprung hatten. Ich versuchte heraus zu finden, wieso sie ihr Tempo so verlangsamt hatten und ging die Spur ein großes Stück zu Fuß entlang. Offenbar war ein Reiterloses Pferd aus einem unbestimmten Grund stehen geblieben und hatte sich immer wieder auf der Stelle gedreht. Diese Erkenntnis brachte mich aber nun auch nicht weiter, weshalb ich wieder aufstieg und meinen Weg fortsetzte. Die Spuren waren frisch, etwa eine Stunde alt und die Dämmerung setzte langsam ein. Stirnrunzelnd blickte ich noch einmal in die Richtung, in die ich weiter reiten wollte und entdeckte am Horizont ein paar Baumwipfel. Es wäre fahrlässig, nicht zu überprüfen, ob sie dort rasten würden. Ich hielt noch einen Moment inne um die Windrichtung zu überprüfen, ritt einen Bogen und näherte mich von der Wind abgewandten Seite. Um nicht schon von Weitem gesehen zu werden, denn die Indianer würden, sofern sie wirklich dort waren, Wachen aufgestellt haben, stieg ich vom Pferd, band es in gebührendem Abstand an einen Baum und machte mich zu Fuß auf den Weg, dabei jede Deckung ausnutzend. Auf dem Weg dorthin hatten meine Augen kein Problem mit der zunehmenden Dunkelheit, weshalb ich gut voran kam. Ich umrundete einen Baum und blieb wie angewurzelt stehen, denn in einigen Metern Entfernung saß ein Indianer. Entdeckt hatte er mich nicht, denn er schaute gerade in die andere Richtung, weshalb ich mich wieder hinter den Baum zurück zog. Unter mir knackte es, wenn auch nur sehr leise. Offenbar war ich auf einen trocknen Zweig getreten. Aber der Indianer schien es gehört zu haben und sah in meine Richtung. Erleichtert stieß ich einen Pfiff aus. „Ich grüße meinen Bruder Til-Lata“, sagte ich, während ich hinter dem Baum hervor trat. „Til-Lata grüßt seinen weißen Häuptling Old Shatterhand“, erwiderte dieser, während er näher trat. „Kleines Wiesel mag sein Messer wegstecken“, fuhr er fort und sah an mir vorbei. Irritiert drehte ich mich um und erblickte einen jungen Krieger, der in der Nähe des Baumes stand, hinter dem ich Deckung gesucht hatte und nun sein Messer wieder wegsteckte. Besagter Krieger war kein Apache, wie ich erkannte. „Kleines Wiesel ist vom Stamme der Assiniboines“, beantwortete Til-Lata meine unausgesprochene Frage. „Der Assiniboines?“ „Was führt Old Shatterhand in dieses abgelegene Tal, wo er doch eigentlich in seiner fernen Heimat sein sollte?“, überging Winnetous Jugendfreund die Frage. „Sollten die Mescaleros nicht auf dem Weg in ihre Jagdgründe und somit Richtung Süden sein?“ „Old Shatterhand wird alles am Feuer erfahren. Er möge mir folgen, während Kleines Wiesel sein Pferd holt.“ Kleines Wiesel war verschwunden, ehe Til-Lata überhaupt zu Ende gesprochen hatte und so blieb mir nur, letzterem zu folgen. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Sicht Winnetous Wir hatten von den Bleichgesichtern, welchen wir vor wenigen Stunden begegnet waren, erfahren, dass die Ogellallah den Bärenjäger Bachmann und seine Familie überfallen und verschleppt hatten. Die Bleichgesichter hatten das mitangesehen, aber die Ogellallah waren in der Überzahl, weshalb sie ihnen nicht zu Hilfe kommen konnten. Im Gegenteil, sie wurden fast selber von den Ogellallah gefangen genommen, weil einige Krieger sie aufgespürt hatten. Ihnen war verletzt die Flucht gelungen. „Roter Büffel kennt den Bärenjäger Bachmann?“ Wir saßen nun am Feuer und unterhielten uns über das, was die Bleichgesichter erzählt hatten. „Vor einigen Sommern kam das Bleichgesicht und bat um Erlaubnis, sein Haus auf unserem Land bauen zu dürfen. Er kam immer wieder in unser Dorf und tauschte Felle oder andere Sachen der Bleichgesichter.“ „Die Ogellallah haben das Kriegsbeil ausgegraben. Roter Büffel wusste nichts davon?“, Grauer Bär sah ihn an. „Die Ogellallah haben das Kriegsbeil nicht gegen die Schoschonen ausgegraben“, entgegnete dieser und wollte aufstehen. „Die tapferen Krieger der Schoschonen um Roter Büffel sind zu wenige, um den Bärenjäger und seine Familie zu befreien“, erriet ich seine Gedanken und blickte weiter ins Feuer, dennoch hielt der Häuptling in seiner Bewegung inne. „Winnetou und seine Krieger werden ihn begleiten“, erklärte ich. „Ebenso wie Tah-scha-tunga und seine Krieger.“ „Auch Grauer Bär wird mit seinen Kriegern der Spur der Ogellallah folgen.“ Am nächsten Morgen brachen wir auf. Die Ogellallah hatten zwei Tage Vorsprung, aber Roter Büffel schien zu wissen, wohin sie wollten. Wir gönnten den Pferden und uns nur die nötigste Rast. Am zweiten Tag wurde unser Ritt aber doch ein wenig behindert. Wir wollten aufbrechen, aber Hatatitla, der bis hierher frei mitgelaufen war, rührte sich nicht von der Stelle. Ich untersuchte ihn genau, aber ihm fehlte nichts. Wir saßen also auf und setzten unseren Weg fort. Hatatitla folgte anschließend dann doch, aber auch nur zögerlich. Immer wieder blieb er stehen oder lief in eine andere Richtung. Nur durch scharfe Worte meinerseits kehrte er zu uns zurück. Einer der Apachen, der bei unseren Pferden war, kam nach einiger Zeit zwischen den Bäumen hervor, sah zu mir und nickte, als er bemerkte, dass ich ihn wahr genommen hatte. Kurz darauf stand ich auf und ging zu den Pferden. Iltshi graste entspannt und kam näher, als er mich bemerkte. Eine Zeitlang widmete ich mich diesem und beobachtete seinen Bruder. Dieser graste ebenfalls, hob aber immer wieder den Kopf und spitzte die Ohren. Sein ganzes Verhalten war mir fremd. Ich legte meine Stirn an Iltshis, meine Hände an seinen Kopf und schloss die Augen. Wie lange ich diesen Moment genossen hatte, weiß ich nicht, aber nachdem ich mich von Iltshi gelöst hatte, ging ich zu seinem Bruder. Dieser ließ zwar zu dass ich ihn streichelte, aber er war alles andere als entspannt. Dass sein Verhalten damit zu tun hatte, dass er Scharlih vermisste, glaubte ich nicht, denn es war leider nicht das erste Mal, dass Scharlih wieder in seine Heimat gereist war. Ich seufzte und drehte mich um, um ins Lager zurück zu kehren. Wenn Hatatitla auch am nächsten Tag dieses Verhalten zeigte, müsste ich ihn schlimmstenfalls von zwei Kriegern nach Hause bringen lassen. Ich trat wieder ans Feuer, setzte mich und tat es den anderen Häuptlingen nach, die bereits aßen. Nach dem Essen kam die Sprache wieder auf die Ogellallah, wobei wir aber schon kurz darauf wieder unterbrochen wurden, da jemand aus dem Wald heraus trat. Kapitel 3: Am Hancock-Berg -------------------------- Kap. 3 Sicht Old Shatterhand Durch die Bäume konnte ich das erste Feuer erkennen, auf das Til-Lata und ich nun zuschritten. Als wir nun in den Lichtschein traten, sah ich mich um. Ich erkannte einige Krieger vom Stamme der Mescalero, dann welche vom Stamme der Utah und von den Schoschonen. Aber die anderen Krieger, die mit ihnen an den Feuern saßen, kannte ich nicht, zählte sie aber zu den Assiniboines. Til-Lata deutete auf das Feuer, an welchem die Häuptlinge saßen, drehte sich um und verschwand wieder zwischen den Bäumen, während ich in die gewiesene Richtung ging. „Ich grüße den Roten Büffel, Häuptling der Schoschonen, sowie den Utah-Häuptling Grauer Bär und Tah-scha-tunga, den Häuptling der Assiniboines und auch meinen Freund und Blutsbruder Winnetou.“ Die Angesprochenen sahen auf und erhoben sich. „Tah-scha-tunga ist erfreut, die Bekanntschaft Old Shatterhands zu machen “, grüßte dieser, da wir uns noch nie begegnet waren. Wir setzten uns wieder, Winnetou entzündete seine Pfeife und ließ diese für das Begrüßungsritual herum gehen. Ich nahm Hufgeräusch wahr und dachte, dass Kleines Wiesel mit meinem Pferd gekommen war, als ich plötzlich von hinten angestupst und an geschnaubt wurde. „Nicht nur Winnetou ist erfreut, seinen Blutsbruder wieder zu sehen“, spielte dieser auf die Begrüßung durch Hatatitla an. „Winnetou hatte sich entschlossen, Hatatitla mitzunehmen, da dieser nicht im Pueblo bleiben wollte. Heute wollte er gar nicht mehr weiter. Offenbar hat er gespürt, dass du hier bist.“ Ich liebkoste ihn kurz und schickte ihn weg. Da Hatatitla sich aber auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht rührte, entschuldigte ich mich, stand auf und ging mit ihm zurück Richtung Weide. „Auch Winnetou ist erfreut, seinen Blutsbruder zu sehen, aber er hatte dies nicht vor dem Sommer erwartet. Was führt meinen Bruder in dieses Tal?“ Winnetou war uns gefolgt. „Sollten meine Brüder nicht auf dem Weg Richtung Süden sein?“, erkundigte ich mich, nachdem ich erzählt hatte, wieso ich hier war. „Bleichgesichter erzählten, dass die Krieger der Ogellallah den Bärenjäger Bachmann und seine Familie überfallen und gefangen genommen haben. Roter Büffel und seine Krieger wollen sie befreien, da sie Freunde der Schoschonen sind und Winnetou, Grauer Bär und Tah-scha-tunga ritten mit ihren Kriegern mit ihnen.“ „Geht es Scharlih nicht gut?“, erkundigte sich mein Bruder und sah mich fragend an. „Wie lange sind sie schon in Gefangenschaft?“ „Wir begegneten den Bleichgesichtern vor drei Tagen und ritten am nächsten Morgen los.“ „Drei Tage?!? Ist Winnetou sich sicher?“, erkundigte ich mich und bereute die Frage im selben Moment, denn Winnetous Miene verfinsterte sich leicht. „Natürlich ist Winnetou sich sicher.“ „Verzeih mir, mein Bruder. Es ist nur … der Bärenjäger ist mein Bruder. Seine Mutter hatte ihren Mann verloren und mein Vater nahm sich ihrer mitsamt ihres Sohnes an.“ Winnetou legte mir eine Hand auf den Arm. „Wir werden sie befreien, Scharlih.“ „Weiß Winnetou, wohin man sie bringt?“. „Winnetou vermutet, dass man sie zur Opferstätte bringt. Den genauen Ort kennt Winnetou nicht, aber Roter Büffel.“ Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich und wollte zum Lager zurück gehen, als ich Kleines Wiesel entdeckte, der offenbar mit meinem Pferd zurück war und mit einem weiteren Krieger meine Sachen zum Lager trug. Ich eilte zu ihm und wollte ihm die Sachen abnehmen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte „was hat mein Bruder vor?“. „Mark und seine Familie retten.“ „Wir werden ihn alle begleiten. Sobald es hell wird, reiten wir weiter.“ „Das könnte zu spät sein.“ „Es ist dunkel, der Mond gibt zu wenig Licht. Es wäre zu gefährlich für uns.“ Winnetou hatte Recht. Es würde Mark nicht helfen, wenn ich mich verirrte oder Hatatitla sich schlimmstenfalls das Bein brechen würde, weil wir ein Hindernis nicht gesehen haben. Und ich hatte ja nicht einmal einen Plan. „Wir reiten bei Tagesanbruch“, versprach Winnetou noch einmal und gemeinsam kehrten wir ans Feuer zurück. Wir legten uns schlafen, aber mir gelang es erneut nicht, in diesen zu finden. Nach einiger Zeit gab ich es auf und nahm aus meiner Satteltasche Stift und Papier und begann zu schreiben. Am nächsten Morgen brachen wir zeitig auf. Ich ritt nun Hatatitla und mein bisheriges Pferd wurde am Zügel mitgeführt. So ritten wir Meile um Meile und rasteten nur um den Pferden eine Pause zu gönnen. Am Morgen des dritten Tages lösten sich mehrere Schoschonen-Krieger aus unserer Gruppe und ritten in eine andere Richtung, während wir weiter dem Roten Büffel folgten. Einige Stunden nach Tagesanbruch hielt Roter Büffel sein Pferd an und stieg ab. Seine Krieger taten es ihm nach und kurz darauf standen alle neben ihren Pferden. „Etwa eine Stunde in diese Richtung befindet sich die Opferstätte“, erklärte Roter Büffel und deutete in eine Richtung. „War mein roter Bruder schon einmal dort?“ Dieser schüttelte den Kopf. „Also kann uns keiner etwas über den Ort und seine Gegebenheiten sagen? … dann werden Winnetou und ich den Ort auskundschaften.“ „Dann mögen sie aber warten, bis die Krieger, die Roter Büffel ausgesandt hat um nach Spuren zu suchen, zurück sind.“ Wir stimmten zu und warteten. Nach etwa drei Stunden kamen die Krieger zurück und berichteten, dass sie Spuren entdeckt haben, die aus nordwestlicher Richtung Richtung Opferstätte führten. Somit konnten wir davon ausgehen, dass die Ogellallah mit ihren Gefangenen hier waren. Winnetou und ich nickten und machten uns dann auf den Weg. Die Sonne berührte schon den Horizont, als wir ins Lager zurück kehrten. Die Krieger saßen wieder in Gruppen zusammen, hatten aber keine Feuer entzündet. Wir setzten uns zu den Häuptlingen und besprachen unseren Befreiungsplan. Anschließend nahmen wir noch eine kleine Stärkung zu uns und legten uns zur Ruhe, da wir noch ein wenig warten mussten, bis die Nacht etwas weiter fortgeschritten war. Mich hielt es aber nicht auf dem Lager und entfernte mich von diesem. Zumindest konnte ich jetzt dieses Gefühl zuordnen, dass genau an dem Tag einsetzte, an dem die Ogellallah Mark und seine Familie überfallen hatten. „Winnetou sollte sich ausruhen.“ Ich spürte seine Anwesenheit, ehe er überhaupt neben mich trat. „Meinen Bruder bedrückt etwas.“ Es war keine Frage seinerseits, sondern eine Feststellung. „Als ich das von Mark erfahren hatte, dachte ich, wir würde nicht rechtzeitig kommen.“ „Wir werden ihn und seine Familie befreien.“ Winnetou sah mich eindringlich an „das ist aber nicht alles, was meinen Bruder bedrückt.“ „Mein Bruder sei unbesorgt, mir geht es gut.“ Ganz zufrieden war Winnetou mit der Antwort nicht, aber da ich mich auf den Weg zurück zum Lager machte, drehte auch er sich um und schloss sich mir an. Zurück im Lager wickelten wir uns in unsere Decken und versuchten noch ein wenig zu schlafen, bis es Zeit zum Aufbruch war. Einige Zeit später brachen wir auf und erreichten unseren Zielort ohne Probleme. Wir blickten in das Tal hinunter. Die Ogellallah hatten ein großes Feuer entzündet. Die Gefangenen lagen etwas abseits, weit genug voneinander entfernt um sich nicht gegenseitig befreien zu können, aber unbewacht. Wir hatten zwei Lassos zusammengeknotet und banden nun ein Ende an einen Baum. Ich nahm das Lasso und stemmte mich an mehreren Stellen mehrmals kräftig dagegen um zu sehen, ob es hielt. Anschließend sah ich Winnetou noch einmal an und begab mich dann zur Kante, um den Abstieg zu beginnen. Ich versuchte, mich am Seil hinab zu lassen, ohne meine Füße gegen die Felswand stemmen zu müssen, und kam auch die ersten Meter gut voran. Dann auf einmal ging alles sehr schnell. Einige kleinere Steine rieselten an mir vorbei, während ich mich weiter am Seil hinunter ließ. Plötzlich erklangen Schüsse und ich spürte einen Schmerz. Mit Mühe und Not hielt ich mich noch am Seil, als ich einen weiteren Schmerz spürte. Es wurde alles schwarz um mich. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Sicht Winnetous Auch ich sah auf, als ich Scharlihs Stimme vernahm. Während ich mich, wie auch die anderen erhob, ließ ich mir meine Überraschung nicht anmerken. Nach einer kurzen Begrüßung, wo ich dem Drang, ihn in die Arme zu schließen widerstand, setzten wir uns wieder und ich entzündete mein Kalumet, um es zur Begrüßung herum gehen zu lassen. Ich hatte so viele Fragen, durfte sie ihm aber jetzt nicht stellen, weshalb ich ganz froh war, dass Hatatitla zu uns kam, um Scharlih ebenfalls zu begrüßen. Da er sich nicht fortschicken ließ, stand Scharlih auf um ihn zurück zu den anderen Pferden zu bringen und ich folgte ihm kurz darauf. Dort erklärte er mir, wieso er hier war und anschließend ergriff ich das Wort. „Geht es Scharlih nicht gut?“, er war blass geworden und seine gesamte Haltung hatte sich verändert, als ich ihm erzählt hatte, wieso wir hier waren. „Drei Tage?!? Ist Winnetou sich sicher?“ Kurz war ich überrascht aufgrund der Frage, denn Scharlih unterstellte mir somit, dass ich ihm nicht die Wahrheit sagen würde. Ich hatte mich schnell wieder in der Gewalt, aber Scharlih muss es dennoch gesehen haben, denn er entschuldigte sich sofort bei mir und erklärte mir, wieso er nachgefragt hatte. Somit konnte ich verstehen, wieso mein Blutsbruder auf einmal so durcheinander war und ohne einen Plan direkt aufbrechen wollte. Ich brauchte einige Zeit, um ihn zu überzeugen, nicht jetzt zu reiten, sondern auf den Morgen zu warten. Obwohl ich so viele Fragen hatte und noch ein wenig Zeit mit Scharlih allein verbringen wollte, kehrten wir ins Lager zurück. Dort erklärte ich den anderen Häuptlingen, was Scharlih mir gesagt hatte und dass wir früh aufbrechen würden. Auch ich wickelte mich in meine Decke und versuchte zu schlafen. Scharlih hatte mir nicht alles gesagt, das konnte ich spüren. Ich fragte mich nur warum. Am nächsten Morgen brachen wir zeitig auf, wobei Scharlih nun Hatatitla ritt, denn auch wenn sein bisheriges Pferd durchaus gute Muskeln hatte, war die Frage, ob es diesen Gewaltritt, den wir vor uns hatten, mit Reiter durchhalten könnte. Aus diesem Grund führten wir es am Zügel mit. Wir sprachen nicht viel und als sich am Morgen des dritten Tages einige Schoschonen-Krieger von uns entfernten, wusste ich, dass wir in der Nähe des Opferplatzes sein mussten. Einige Stunden später hielt Roter Büffel sein Pferd an und stieg ab. Ein sicheres Zeichen für uns, dass wir nun am Ziel waren. Da Roter Büffel uns nichts darüber sagen konnte, wie es an und um den Opferplatz aussahen, beschlossen Scharlih und ich, den Ort auszukundschaften. Wir warteten nur auf die Rückkehr der ausgesandten Krieger, die bei ihrer Rückkehr erklärten, Spuren von Indianern gefunden zu haben. Somit konnten wir also davon ausgehen, dass die Ogellallah bereits hier waren. Scharlih und ich machten uns auf den Weg. Wir trennten uns und erkundeten die Umgebung. Als ich mich nach Stunden dem verabredeten Ort näherte, wartete Scharlih bereits auf mich. Auf dem Weg zurück zu den anderen, arbeiteten wir einen Plan aus, den wir dann am Feuer mit den Häuptlingen teilten. Wir nahmen noch eine Stärkung zu uns und legten uns dann zur Ruhe, da wir noch warten mussten, bis die Nacht weiter fortgeschritten war. Ich bemerkte, wie Scharlih sich von seinem Lager entfernte und folgte ihm. „Winnetou sollte sich ausruhen“, vernahm ich Scharlihs Stimme, noch ehe ich ganz bei ihm war. „Meinen Bruder bedrückt etwas.“ „Als ich das von Mark erfahren hatte, dachte ich, wir würde nicht rechtzeitig kommen.“ „Wir werden ihn und seine Familie befreien. … Das ist aber nicht alles, was meinen Bruder bedrückt.“ Irgendetwas hielt Scharlih zurück. „Mein Bruder sei unbesorgt, mir geht es gut.“ Wieso glaubte ich ihm nicht? War es die Weise, wie er versuchte, das Gespräch zu beenden, indem er sich wieder zum Lagerplatz umdrehte? Kann sein, aber er wollte mich offenbar nicht an seinen Gedanken teilhaben lassen und so ging ich mit ihm zurück zum Lagerplatz und wickelte mich in meine Decke, fand aber lange keine Ruhe. Eigentlich war ich sogar dankbar, dass wir jetzt aufbrechen konnten, denn so konnte ich die Gedanken, die mich wegen Scharlih beschäftigten, erst einmal zur Seite schieben. Wir erreichten unser Ziel, eine Anhöhe, ohne Probleme. Scharlih und ich legten uns in der Nähe der Kante auf den Boden und schoben uns langsam vor bis wir hinunter sehen konnten. Die Ogellallah hatten ein Feuer entzündet, dessen Schein nicht bis zu der Stelle gelangte, an der wir hinunter wollten. Die Gefangenen lagen etwas abseits. Scharlih und ich verständigten uns darauf, dass er, sobald er unten war, versuchen würde, zu den Gefangenen zu gelangen. Wir sollten unterdessen, wenn es nötig wäre, die Ogellallah ablenken. Wir schoben uns vom Rand zurück und richteten uns auf. Wir erklärten noch einmal den Plan, Scharlih band die zusammengeknoteten Lassos an einem nahen Baum fest, prüfte den Halt und sah mich noch einmal an, ehe er sich über den Rand schwang. Irritiert sah ich ihm nach. Irgendetwas stimmte nicht. Aber ich hatte nicht genug Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, trat nun an den Abgrund, nahm das Seil und folgte Scharlih. Nicht einmal die Hälfte des Abstiegs war geschafft, als ich Schüsse hörte und Kugeln, die dicht neben mir einschlugen. Pfeile und weitere Kugeln flogen an mir vorbei, während ich weiter nach unten kletterte. Plötzlich spürte ich, wie das Seil unter mir weniger Widerstand bot. Scharlih konnte doch unmöglich schon den Boden erreicht haben, weshalb ich nach unten sah. Für einen Moment blieb mir das Herz stehen, als ich meinen Blutsbruder fallen sah. Ich beeilte mich nun, hinunter zu kommen. Dort nahm ich den Henrystutzen und schoss, bis die Krieger neben mir waren. Ob und wie viele Ogellallah ich getroffen hatte, wusste ich nicht. Auch von der anderen Seite fielen die Krieger ein und somit überließ ich ihnen die Gefangennahme der Ogellallah und kniete mich neben Scharlih, der mich aus seinen blauen Augen ansah. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz und alles um mich herum wurde schwarz. Kapitel 4: Ein letzter Gruß --------------------------- Kap. 4 Sicht Winnetous Ich erwachte. Viel zu früh, wie bisher jede Nacht seit wir die Ogellallah besiegt und die Gefangenen befreit hatten. Aber seit einigen Tagen war ich dann nicht mehr schweißgebadet. Das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, trieb mich an die frische Luft, weshalb ich das Zelt verließ. Es war noch ruhig, das Lager schlief noch. Meine Gedanken schweiften, während ich mich in den Sand setzte und den Sonnenaufgang beobachtete. Monate waren seit der Befreiung und dem Abschied vergangen. Jemand hatte Mister Henry und auch Emery eine Nachricht zukommen lassen, denn beide waren gekommen um sich zu verabschieden. Auch ich hatte mich, mit einer langen Zeit der Trauer von meinem Blutsbruder verabschiedet. Anschließend hatte ich mit Emery ein Schiff bestiegen, mit dem Wissen, Intschu - tschuna und Nscho - tschi wieder zu sehen, auch wenn es eine Zeit dauern würde. Mittlerweile erhellte die Sonne den Himmel soweit, dass ich den Brief von meinem Blutsbruder lesen konnte. [style type="italic"] Mein geliebter Bruder, wenn du diesen Brief hier liest, hat mein Gott mich zu sich geholt. Dieses hier schrieb ich an dem Abend, an dem wir uns unverhofft wieder getroffen haben. Seit Tagen beschlich mich ein Gefühl, welches ich mir zuerst nicht erklären konnte und erst durch das Wissen um die Gefangenennahme meines Bruders Mark durch die Ogellallah verstanden habe. Wir haben schon oft dem Tod ins Auge gesehen und waren ihm entkommen, aber ich ahnte, nein eher wusste ich, dass ich dieses Mal nicht das Glück erfahren würde. Ich bitte dich mir zu verzeihen, dir nichts von meiner Ahnung erzählt zu haben, aber du hättest alles versucht, um mich abzuhalten meine Familie zu befreien und wärst vielleicht selber dabei gestorben. Du weißt aber auch, dass mich nichts davon hätte abhalten können. Dort, wo du mir einst das Leben geschenkt hast, am Ufer des Pecos, möchte ich meine letzte Ruhe finden. Ich weiß, das ist viel verlangt, aber mag mein Bruder mir noch einen allerletzten Gefallen erweisen? Mir ist bewusst, dass das Pferd eines Häuptlings traditionell mit diesem begraben wird, aber ich möchte, dass Hatatitla am Leben bleibt, damit mein Bruder noch etwas hat, was ihn an mich erinnert. Mein Bruder mag mir auch verzeihen, dass ich ihn auf der geplanten Reise in den Orient zu Halef nun doch nicht begleiten kann. Wie gerne hätte ich dir diese andere Welt gezeigt. Aber ich denke, dass Emery dich gerne begleitet, egal wann du bereit dazu bist. Auch wenn mein Bruder voller Trauer ist und meint, dass die Tage nur noch düster sind, soll er Gewiss sein, dass die Dunkelheit irgendwann vergeht und die Tage wieder heller werden. Es werden vermutlich Monde, Sonnen und auch Sommer vergehen, aber es wird passieren. In ewiger Liebe dein Scharlih [/style] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)