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Schattensaphir

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo und willkommen zu meiner ersten Fanfic auf animexx :)
Viel Spaß beim Lesen :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo,
pünklich zum Wochenende das erste Kapitel der Protagonistin.
Ab hier beginnt die eigentliche Geschichte, hoffe das Kapitel gefällt euch.
Viel Spaß beim Lesen :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Halli hallo :)
Wieder einmal pünktlich zum Wochenende ein neues Kapitel.
Viel Spaß mit Ohnezahns Waldausflug. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Halli hallo liebe Leser :)
So, endlich geht es weiter. Ich hatte die letzten Wochen leider nicht so viel Zeit, um ein neues Kapitel hochzuladen (vielleicht war auch ein kleines bisschen Faulheit dabei).
Wie auch immer, viel Spaß mit dem Kapitel :) Komplett anzeigen

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Badezeit

„Los, Ohnezahn! Schneller! Sie dürfen uns nicht entkommen!“, ruft Hicks, ein talentierter Drachentrainer und der Sohn von Haudrauf dem Stoischen, dem Häuptling von Berk. Ohnezahn, sein Drache und bester Freund, ist ein Nachtschatten. Ein schwarzer Drache, der in so ziemlich allem der Beste ist. Ohnezahn passt seine Schwanzflosse den Windströmungen an und beschleunigt sein Tempo.

„Hicks! Da!“ Astrid, eine Wikingerin mit ihrem Tödlichen Nadder Sturmpfeil, fliegen von rechts näher an Hicks und Ohnezahn heran. Sie zeigt mit dem Finger auf den Fuß eines Berges, wo eine Höhle anfängt.

„Wenn sie da reinlaufen, finden wir sie nicht mehr.“, meint Fischbein. Sein Gronckel Fleischklops nickt zustimmend und versucht mit ihren kleinen Flügeln mitzuhalten.

„Du vielleicht nicht, aber ein Wikinger mit so guten Augen wie ich, findet sie sogar mit geschlossenen Augen.“, prahlt Rotzbakke und überholt mit Hakenzahn, einem Riesenhaften Albtraum, die anderen.

Hicks rollt nur mit den Augen und taucht unter die Baumkronen. Ohnezahn findet schnell die zwei Fliehenden und holt sie mit ein paar Flügelschlägen ein. „Bleibt stehen! Es bringt doch sowieso nichts, wenn ihr flieht.“, versucht Hicks sie zu überreden, als Antwort bekommt er nur Lachen.

Der junge Wikinger seufzt und lenkt seinen Drachen nach rechts. Wendig wie eine Schlange fliegt Ohnezahn zwischen den Bäumen durch und erscheint vor ihnen auf dem Weg. Mit ausgebreiteten Flügeln landet er und versperrt ihnen den Weg. Von einer Staubwolke begleitet bremsen sie und versuchen in eine andere Richtung zu flüchten. Aber von rechts und links kommen bereits Astrid und Fischbein und gegenüber von Hicks Rotzbakke. Die vier kreisen die Ausreißer ein und sie sehen sich nach einem Fluchtweg um.

„Wenn du sie ablenkst, könnte ich einen Tunnel graben.“, schlägt einer vor.

„Und mit was?“, entgegnet seine Schwester. „Mit deinen Zähnen?“

„Klar.“, antwortet er selbstverständlich und zuckt mit den Schultern. „Mit was denn sonst? Mit den Händen? Nein, nein, nein. Damit würde es niemals klappen. Außerdem wären sie dann dreckig.“

„Jetzt gebt schon auf. Wir haben euch umkreist.“, meint Astrid und verschränkt die Arme.

„Nur dank meines genialen Plans.“, bemerkt Rotzbakke.

Wieder rollt Hicks nur mit den Augen. „Dann kommt mal mit.“

„Niemals!“, entscheidet Taffnuss sofort.

„Uns bekommen keine zehn Yaks zurück nach Berk vor Morgen.“, stimmt Raffnuss zu.

„Aber Haudrauf wird ziemlich wütend sein, wenn wir euch nicht zurückbringen.“, fleht Fischbein.

„Na gut. Dann eben nicht.“, sagt Astrid augenzwinkernd zu Hicks. „Dann wartet hier allein im Wald bis morgen. Ihr wisst ja wo Berk ist, oder?“

„Ach, Astrid. Natürlich wissen sie das. Das sind doch Raffnuss und Taffnuss.“, spielt Hicks mit.

„Genau!“, stimmt Raffnuss sofort zu.

„Hä? Was redet ihr denn da? Natürlich bringen wir sie jetzt zurück nach Berk.“ Rotzbakke versteht nicht, was die anderen vorhaben.

„Nein, Rotzbakke. Wir …“ Hicks zögert kurz. „Ach was soll´s. Schnappt sie euch!“

Sofort stürmen die Drachenreiter los, um die Zwillinge zu schnappen. Hakenzahn und Fleischklops stoßen zusammen und fallen auf den Boden. Taffnuss duckt sich lachend unter Hakenzahns Flügel weg und entkommt so den beiden. Aber nicht lange. Kurze Zeit später hat Sturmpfeil seine Arme gepackt und fliegt mit ihm Richtung Berk. Auch Raffnuss ist nicht lange frei. Ohnezahn umfasst ihren Bauch mit den Vorderbeinen und steigt höher. Raffnuss klettert daraufhin auf Ohnezahns Rücken und lässt sich miesgelaunt in den Sattel plumpsen. Auch Taffnuss hängt nicht gerade fröhlich in Sturmpfeils Klauen.

„Jetzt kuck doch nicht so mürrisch, Raffnuss. Genieß den Flug.“, sagt Hicks und steigt noch ein Stückchen höher. Raffnuss schnaubt nur.

Wenige Minuten später landen die Drachenreiter auf dem Marktplatz von Berk. Kotz und Würg, der Wahnsinnige Zipper der Zwillinge, wartet bereits dort. Auch Haudrauf und Grobian, der ehemalige Waffenschmied und heutige Zahnarzt und Sattelbauer für Drachen, warten dort. Neben ihnen, eine große Wanne, randvoll gefüllt mit Wasser.

Haudrauf tritt vor. „Habt ihr sie endlich wieder eingefangen? Dann wird es jetzt Zeit.“

„Ja. Sie haben´s wirklich nötig.“, meint Hicks und hält sich die Nase zu, um seine Aussage zu unterstreichen. Auch Ohnezahn rümpft die Schnauze.

„Hey! So schlimm ist das auch nicht.“, beschwert sich Raffnuss und klettert von Ohnezahn.

Taffnuss stellt sich zu ihr. „Wie wär´s, wenn wir noch einmal abhauen? Irgendwann haben sie bestimmt keine Lust mehr uns zu suchen.“ Die Zwillinge lachen hinterhältig.

„Das könnt ihr vergessen.“, meint Astrid, die das Gespräch mitbekommen hat. „Los, Sturmpfeil. Versperr ihnen den Weg mit einer Stachelmauer.“

Der Nadder stellt die Stacheln auf, schwingt den Schwanz und wirft die Stacheln ab. Sie bilden zwischen den Zwillingen und dem Wald eine Barriere, an der sie nicht so leicht vorbeikommen.

„Spaßverderberin.“, murmelt Raffnuss.

„Na gut, Vater. Dann überlassen wir sie jetzt euch.“, sagt Hicks und gibt Ohnezahn das Zeichen loszufliegen. „Du weißt ja, ich muss noch dies und das erledigen. Wir sehen uns dann später.“

Ein Nachtschatten auf der Flucht

Schwer atmend fliege ich über die Spitzen der Bäume. Leise wie eine Eule gleite ich über den Wald und genießt den schönen Sonnenuntergang. Ich mache keinen einzigen Laut, was nicht schwer ist, wenn man ein Nachtschatten ist. Nur eine schwere Eisenkette, die an meinem rechten Hinterbein befestigt wurde, klirrt im Wind. Der Himmel färbt sich rosa und die Wolken bekommen einen leuchtend orangen Rand. Ein paar wenige Sterne funkeln bereits am Himmel und der Mond ist schon hinter den Bergen aufgegangen. Allmählich bereitet sich alles auf die Nacht vor. Ein leichter Wind weht über die Inseln weit unter mir. Ein Schwarm Schrecklicher Schrecken huscht am Boden des Waldes herum und aus dem Wasser taucht für einen Augenblick ein Donnertrommler auf.

Ich breite die Flügel aus und gleitet auf dem Wind. Den Kopf lege ich schief und lausche. Die gerissene Eisenkette klirrt und erschwert es mir Geräusche zu vernehmen. Meine empfindlichen Ohren zucken aufmerksam und darauf konzentriert Verdächtiges herauszufiltern.

Plötzlich höre ich ein donnerndes Geräusch. Meine Pupillen formen sich zu Schlitzen und ich drehe mich schnell um, bereit einen Schuss abzufeuern. Ich suche mit den Augen nach der Ursache des Geräusches. Meine Augen suchen die Umgebung ab. Mein Blick bleibt an einem rollenden Stein hängen, der polternd den Berg hinab rollt. Erleichtert atme ich aus und schluckt den Schuss hinunter.

Aber als ich mich wieder umdrehen will stürmt in dem Moment ein großer, lila Drache hinter dem Berg hervor und faucht kampflustig und wütend in meine Richtung. *Nein! Er hat mich gefunden!* Hektisch drehe ich mich um und versuche so schnell wie möglich steil nach oben zu fliegen. Immer wieder werfe ich Blicke über die Schulter zurück und erkenne panisch, dass der Skrill immer näherkommt. Seine Augen funkeln wütend und um seinen Körper sprühen Funken. An den Beinen des Skrills sind weiß-schwarze Rüstungsstücke angebracht mit einem Symbol darauf, das eine Axt und einen Schild vor einem Blitz darstellt. Ich erkenne dieses Symbol. Eine Welle der Angst und Wut durchflutet meinen Körper und gibt mir einen zusätzlichen Kraftschub. Schneller als vorher steige ich Meter für Meter in die Lüfte.

Endlich breche ich durch die Wolkendecke und ändere meinen Flugwinkel, sodass ich jetzt waagrecht weiterfliege. Mit einem Auge sehe ich immer wieder hinter mich und warte ab, bis der Skrill ebenfalls über der Wolkendecke ist. Mit weit geöffnetem Maul, seine Zähne blitzen und Blitze sprühen um ihn, fliegt er auf mich zu. Sofort lege ich die Flügel an und stürze mich kopfüber in die Tiefe. Ich kneife die Augen zusammen und der Wind treibt mir Tränen in die Augen. Verschwommen nehme ich die Felsformationen, die aus dem Wasser ragen, und den Wald wahr. Die Flügel eng an den Körper gepresst stürze ich der Wasseroberfläche entgegen.

Plötzlich fliegt ein bläulicher Blitz knapp an mir vorbei. Erschrocken weiche ich zur Seite aus und entkomme so nur knapp einem weiteren Blitz. Die Luft knistert noch neben mir vor Elektrizität. Der Skrill kommt immer näher und holt mich schnell ein. Meine Panik steigt noch weiter an. *Ich will nicht wieder zurück!*. Mein Herz rast und bringt mein Blut zum Rauschen. Panisch suche ich die Insel nach einer Fluchtmöglichkeit ab. Ein dunkles Loch, dicht über der Wasseroberfläche, ist der perfekte Ort, um dem Skrill zu entkommen. Darin wird er mich nicht finden. Mit dem schwarzen Schuppenkleid sollte ich gut darin verschwinden können. Ich falte die Flügel noch enger an den Körper, um schneller zu werden, und breite sie kurz vor der Wasseroberfläche wieder aus. Der Wind in meinen Schwingen bremst den Sturzflug und so fliege ich wieder waagrecht weiter, die Augen fest auf die Höhle gerichtet. Meine Beine durchbrechen die Wasseroberfläche und lassen sie kräuseln. Eine dünne Nebelwand spritzt mir ins Gesicht und benetzt meine Haut. Ein Schatten legt sich auf meine Augen und das Wasser unter mir. Der Skrill fliegt jetzt über mir und wieder zischt ein Blitz an mir vorbei und lässt das Wasser verdampfen.

Der lila Drache streckt die Krallen nach mir aus, die messerscharf in der untergehenden Sonne glänzen. Ich habe schon einmal Bekanntschaft mit diesen Krallen gemacht und auf ein zweites Mal kann ich gerne verzichten. Also schlage ich noch einmal kräftig mit den Flügeln und verschwinde dann in der Höhle. Mein Verfolger zischt wütend und folgt mir ohne zu Zögern in die Dunkelheit. Ganz nach Plan. Geschickt weiche ich den Felssäulen elegant aus und schlängele mich durch die Höhle. Der Skrill folgt mir unbeholfen und stößt immer wieder an die Felsen. Dabei brüllt er nur noch wütender und erzeugt mehr Funken um seinen Körper. Hier ist seine Größe sein Nachteil.

Die Höhle führt immer tiefer in den Berg hinein, führt leicht nach oben und das Meer wird von einem steinigen Boden abgelöst. Immer wieder stoße ich einen Ruf aus, Schallwellen breiten sich kreisförmig aus und so kann ich jede Kleinigkeit erkennen, so als würde in die Höhle Sonnenlicht eindringen. Knapp weiche ich einem großen Felsen aus, drehe mich um mich selbst und lege die Flügel an. Auf der anderen Seite des Felsens steigt der Verlauf der Höhle steil an. Ich schlage kräftiger mit den Flügeln und erreiche einen großen Raum. Ohne lange zu überlegen fliege ich hinter einen großen Felsen, lande leise und breite die Flügel zu einem Schild aus, hinter dem ich mich verstecke.

Mit angehaltenem Atem lausche ich nach dem Skrill. Laut brüllend kommt er in den Raum geflogen und blickt sich hektisch um. Wütend und frustriert faucht er und schießt wahllos Blitze in alle Richtungen. Einer lässt einen Regen aus Steinen auf meine Flügel rieseln. Die Augen ängstlich aufgerissen warte ich ab bis der Skrill seine Jagd aufgibt. Wenn ich mich jetzt bewege, dann werde ich nur wieder in dem Käfig landen, von dem ich gerade erst entkommen bin. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, aber schließlich faucht er noch einmal und fliegt dann weiter die Höhle entlang. Sein Brüllen klingt als Echo zwischen den Felswänden wieder. Langsam schwinden die Geräusche. Das Flügelschlagen wird leiser, das Brüllen verklingt und schließlich ist nichts mehr zu hören, außer dem Meer und dem eigenen Blut in meinen Ohren.

Langsam lasse ich die Flügel sinken und blinzele in die Dunkelheit hinein. Nirgendwo bewegt sich etwas. Vorsichtig lege ich meine Schwingen an und schleiche hinter den Felsen hervor. Mein Herz schlägt so schnell, dass es gegen meine Brust hämmert. Erleichtert atme ich aus und fliege den Weg zurück, den ich gekommen bin. Sicher ist sicher. Schließlich will ich es nicht riskieren dem Skrill noch einmal zu begegnen. Obwohl ich nicht glaube, dass er die Jagd so schnell aufgibt. Er wird wiederkommen.

Draußen ist die Sonne bereits vollständig untergegangen und der fast volle Mond leuchtet silbern über den Inseln und taucht alles in ein gespenstisches Licht. Erschöpft lasse ich mich vom Wind tragen und gleite leise über die Baumwipfel. Bei jedem noch so kleinen Geräusch zucke ich zusammen. Die Beine hängen müde nach unten und meine Flügelschläge werden anstrengender und langsamer. Jede Bewegung löst eine Welle der Erschöpfung und Schmerzen aus. Meine Augen fallen immer wieder zu und weigern sich wieder aufzugehen. Die Flughöhe ist drastisch gesunken. Ich kann mich nur noch mit Mühe knapp über den Baumwipfeln halten.

Erneut fallen mir die Augen zu, aber kurz darauf werde ich von einem Glutkessel geweckt, der irgendwo im Meer geschrien hat. Vor mir ragt plötzlich ein Baum auf und ich drohe dagegen zu fliegen. Erschrocken schreie ich auf und versuche mit hektischen Flügelschlägen und rudernden Beinen dem Baum auszuweichen. Aber ich bin einfach zu müde und die Tanne ist schon zu nah. Ungebremst krache ich gegen den Baum. Äste brechen ab, Zweige peitschen mir entgegen, Nadeln stechen mir schmerzhaft in die Haut. Unsanft lande ich auf dem Boden, bedeckt mit Zweigen, Nadeln und Tannenzapfen.

Mein ganzer Körper schmerzt und an manchen Stellen quillt Blut aus Wunden hervor. Die Eisenkette reibt an meinem Bein und verwundet die Stelle immer mehr. Erschöpft und schweratmend bleibe ich unter den Zweigen und Nadeln bedeckt liegen. Ich lasse die Augen geschlossen und versuche erst gar nicht aufzustehen. Ich weiß, dass mein Körper eine Pause braucht. Immerhin bin ich die vergangenen drei Tage fast pausenlos durchgeflogen. Pausenlos auf der Flucht gewesen. Auf der Flucht vor den Menschen die mich gefangen gehalten haben. Mein ganzes Leben lang gefangen gehalten, eingesperrt in einem Käfig mit dem einzigen Wunsch zu fliehen. Aber den hätten die Menschen mir fast auch noch genommen. Zum Glück konnte ich davor fliehen.

Meine Atmung verlangsamt sich und bald darauf bin ich im Mondlicht, unter einer Decke aus Ästen, Zweigen, Nadeln und Tannenzapfen, eingeschlafen und bekomme nichts mehr mit.

Ein fantastischer Fund im Wald

Ohnezahn dreht sich auf seiner Steinplatte im Kreis und wärmt die Stelle mit einem Plasmastrahl auf. Eine kleine Flammenspur hinterlässt er dabei. Wie eine Katze knetet er den Stein und legt sich anschließend auf die Flammen. Er macht es sich gemütlich, gähnt herzhaft und beobachtet Hicks, der an seinem Schreibtisch sitzt und im Kerzenschein in das Buch der Drachen zeichnet.

Durch das quadratische Loch in der Decke über Ohnezahn leuchtet das Mondlicht in das Zimmer und Sterne blinken am Nachthimmel. Es ist schon spät. Endlich legt Hicks den Stift beiseite, klappt das Buch zu und streckt sich, um sich anschließend zu seinem Drachen umzudrehen. „Na, Ohnezahn? Wie wär´s, wenn wir jetzt schlafen gehen und morgen weiter nach neuen Drachen suchen?“

Der Nachtschatten gibt ein zustimmendes Gurren von sich und legt seinen Kopf auf die Pfoten. Hicks nimmt die Kerze und geht hinüber zu seinem Bett, wo er sie auf dem Nachttisch abstellt und selbst unter die Decke krabbelt. „Gute Nacht, Ohnezahn.“

Ohnezahn sagt „Gute Nacht“ in Drachensprache und schließt die grünen Augen. Seinen Schwanz legt er auf die Schnauze. Hicks bläst die Kerze aus, sofort wird es dunkel im Zimmer bis der Mond die plötzliche Finsternis erhellt und dreht sich auf die Seite. Das gleichmäßige Atmen, das keine fünf Minuten später zu hören ist, zeigt dem schwarzen Drachen, dass sein Reiter eingeschlafen ist. Auch Ohnezahn beginnt von Fischen zu träumen.
 

Irgendwann, in später Nacht, kreischt irgendwo im Wald ein Drache panisch auf. Gefolgt von Krachen und Knacken von Bäumen. Der laute Schrei, der plötzlich abbricht, hallt durch die Stille. Ohnezahn, mit seinem empfindlichen Gehör, schreckt auf. Er ist wieder hellwach. Mit aufgerichteten Ohren versucht er das Geräusch erneut zu hören. Er weiß, dass er es sich nicht eingebildet hat. Es klang viel zu real, viel zu echt. Die Neugier hält ihn wach. Er will wissen was das war. Wer das war.

Leise steht er auf und beobachtet dabei Hicks, um ihn nicht zu wecken. Leichtfüßig springt er aus dem Fenster und landet im Gras neben dem Haus. Ohnezahn blickt auf Berk zurück. Alles ist ruhig. Die Drachen schlafen friedlich auf den Dächern sitzend. Vereinzelt brennen kleine Feuer, tauchen das nächtliche Dorf in orangen Flammenschein. Der Mond erhellt mit seinem kalten Licht am fast wolkenlosen Himmel die Nacht. Ohnezahn kann alles erkennen.

Der Nachtschatten wendet seinen Blick von Berk ab und tappt auf den Wald zu. Er beschleunigt sein Tempo und kurze Zeit später springt er durch zwischen den Bäumen umher, die Ohren gespitzt und nach Geräuschen lauschend. Das Knacken von brechenden Ästen gelangt an sein Trommelfell und zeigt ihm die Richtung.

Ohnezahn will wieder in Berk sein, bevor Hicks aufwacht und bemerkt, dass er fort ist, weshalb er seine Sätze vergrößert, dabei sogar seine Flügel nutzt. Nicht zum ersten Mal wünscht er sich alleine fliegen zu können. Auch wenn es ihn die meiste Zeit über nicht stört, da Hicks sowieso immer an seiner Seite ist. Aber in Momenten wie diesen wäre es so viel einfacher über den Baumwipfel zu sein, als darunter.

Er weicht Bäumen aus, duckt sich unter Ästen hindurch und hört das Trampeln von Wildschweinen irgendwo im Wald, die er aufgeschreckt hat. Langsam verringert er seine Geschwindigkeit wieder bis er gemütlich durch den Wald trabt. Immer wieder hält er an, reckt den Kopf in die Höhe und versucht einen verräterischen Geruch zu finden.

Der Geruch eines Drachen, vermischt mit Angst, Blut und Trauer, hängt in der Luft. Ohne zu zögern macht sich Ohnezahn auf den Weg. Er nähert sich der Quelle des Geruchs. Leise kann er jetzt auch das Atmen des Drachen hören. Stoßweise und flach. Der Drache scheint nicht besonders gut in Form zu sein. Langsam, um ihn nicht zu erschrecken, schleicht Ohnezahn näher. Vorsichtig bleibt er hinter einer Buschreihe stehen und stellt sich auf die Hinterbeine, um darüber sehen zu können. Plötzlich erstarrt er. Wie versteinert bleibt er so stehen, die Ohren aufgestellt, den Blick fest auf den Drachen gerichtet.

Fassungslos, verwirrt und unsicher starrt er den Drachen an. Er liegt unter Ästen, Zweigen und Nadeln bedeckt am Fuß der Tanne. Die Spitze ist abgebrochen und liegt auf dem rechten Flügel. Die schuppige Haut ist an mehreren Stellen offen, getrocknetes Blut bildet eine verklebte Kruste auf den Wunden. An einem der Beine ist eine Eisenkette befestigt, die Stelle darunter ist wund.

Aber das, was Ohnezahn am meisten zum Erstarren bringt, ist, dass der fremde Drache kein normaler Drache ist. Auch keine neue Art. Es ist ein Nachtschatten!

Nachdem er seinen ersten Schock überwunden hat, lässt er sich wieder auf alle Viere fallen und geht langsam um den Busch herum. Schleichend, und in einem fünf Meter großen Abstand, kauert er sich auf den Boden und betrachtet den ersten Nachtschatten den er sieht.

Sie ist kleiner als Ohnezahn, vermutlich auch jünger, aber scheint schon eine Menge durchgemacht zu haben.

Ohnezahn möchte ihr gerne helfen. Sie wieder gesundmachen oder wenigstens von den Ästen befreien. Aber er wagt nicht sie anzufassen. Wer weiß, wie sie dann reagieren wird?

Am Horizont kündigt das erste Rot den Morgen an und lässt die Spitzen der Baumkronen in Flammen stehen. Die Berge werden in rotes Licht getaucht und scheinen zu leuchten. Ohnezahn nimmt das nur nebenbei wahr. Alle seine Sinne sind auf den verletzten Drachen fixiert. Nach einem schnellen Blick zum Meer merkt er, dass es Zeit wird zurück nach Berk zu gehen. Der Nachtschatten seufzt und blickt noch einmal auf den weiblichen Nachtschatten. Sie schläft immer noch und ihr Atem geht immer noch stoßweise. Wahrscheinlich ist sie auch noch krank.

Nur schwer kann er sich abwenden und schleicht zurück in den Wald. Er bleibt noch einmal stehen und blickt zurück auf die Lichtung. Er nimmt sich fest vor, so schnell wie möglich zurückzukommen und ihr etwas zu fressen mitzubringen. Er muss seinen Fund unbedingt Hicks zeigen. Der Wikinger wird wissen, was zu tun ist.

Ohnezahn wendet sich ab und beschleunigt sein Tempo bis er durch den Wald rennt.

*Hoffentlich ist sie dann noch da.*

Einfach nur weiter

Blinzelnd öffne ich meine Augen. *Wo bin ich?*

Vor mir zeigt sich eine kleine Lichtung, umringt von Büschen und Bäumen. An einer Seite fällt die Lichtung steil zu einer Klippe ab, wo am Ende Wellen dagegen schlagen, die ich hören kann. Die aufgehende Sonne spiegelt sich im Meer und lässt die Oberfläche glitzern.

Schmerzhaft erinnert mich mein Körper daran, was letzte Nacht passiert ist. Ich hebe meinen Kopf und schüttele ihn von Ästen und anderen Dingen frei. Dann drehe ich mich auf die Seite, wobei die Äste, Zweige und Nadeln von mir fallen. Anschließend breite ich den linken Flügel aus und lasse die Dinge auf den Boden rieseln. Jetzt fehlt nur noch das was am meisten schmerzt. Mit den Zähnen packe ich den Ast, der auf meinem rechten Flügel liegt und werfe ihn mit einer schnellen Kopfbewegung über die Klippe, wo er mit einem Platsch im Meer verschwindet.

*Hoffentlich ist mein Flügel nicht verletzt.* Langsam versuche ich den Flügel zu bewegen und kreische sofort vor Schmerzen auf. Ich kneife die Augen zusammen und presse die Zähne aufeinander. Vorsichtig drehe ich meine Schnauze und schnüffele an der Stelle, wo es am meisten weh tut. Eine Beule hat sich dort gebildet und eine rötliche Färbung ist deutlich auf dem schwarzen Schuppenkleid zu sehen. *Na toll. Und was jetzt?*

Niedergeschlagen seufze ich und lege den Kopf auf die Pfoten. Wie soll ich jetzt fliegen können? Der Skrill wird bestimmt zurückkommen und wenn ich nicht vor ihm flüchten kann, bringt er mich zurück in den Käfig. Zurück zu dem trostlosen und hoffnungslosen Ort. Zurück zu einer Reihe von Folterungen. Und dort will ich nie wieder hin!

Mit zitternden Beinen richte ich mich auf und lege vorsichtig und langsam die Flügel an. Dabei beiße ich die Zähne zusammen, halte den Schmerz aber aus. Langsam verebben die Schmerzwellen und ein gleichmäßiges Pochen breitet sich aus. Die Kette raschelt an meinem Bein und erinnert mich an das, was mich erwartet, wenn die Menschen und ihre Drachen mich finden.

Hier kann ich nicht bleiben. Ich muss hier weg. Schon nach dem ersten humpelnden Schritt knurrt mein Magen. Eine Leere in meinem Bauch erinnert mich daran, dass ich schon seit Tagen nichts mehr zwischen den Zähnen hatte. Wenn man den Ast nicht mitzählt. Aber wie soll ich nur Fische fangen, wenn ich nicht einmal mehr fliegen kann? Egal. Darum kümmere ich mich später. Jetzt muss ich erst einmal weiterkommen. Humpelnd mache ich mich auf den Weg. Langsam schlängele ich mich an den Bäumen vorbei und weiche Büschen und Sträuchern aus.

Nach ein paar Metern bleibe ich überrascht stehen. Meine Nase zuckt und zeigt mir die Stelle, an der der Geruch am stärksten ist. Es riecht so, als wäre ein Drache hier gewesen, während ich geschlafen habe. Ein panischen Kribbeln macht sich in mir breit. Haben sie mich etwa schon gefunden? Aber wieso haben sie mich nicht gleich mitgenommen? Wahrscheinlich wollen sie mich in eine Falle laufen lassen.

Aber so dumm bin ich nicht. Also drehe ich mich wieder um und gehe in eine andere Richtung davon. Hoffentlich ist das der Weg weg von Menschen und Drachen.
 

Auf der Flucht erreiche ich nach einiger Zeit einen schmalen Bach. Ich bleibe am Ufer stehen, drehe aufmerksam den Kopf in alle Richtungen und kontrolliere den Himmel. Aber nachdem alles ruhig bleibt kauere ich mich bequemer auf den Boden und senkt den Kopf, bis meine Schnauze das Wasser berührt. Gierig trinke ich schnell ein paar große Schluck Wasser. Ich fühle mich nicht sicher, wenn ich zu lange auf einem Fleck stehen bleibe.

Ein müder und kränklicher Drache starrt mich aus dem Bach heraus an. Die blauen Augen sind trüb und die schwarzen Schuppen matt und mit Wunden übersät. So sehe ich aus? So kaputt? Mit tropfender Schnauze wende ich mich von dem fröhlich plätschernden Bach und meinem Spiegelbild ab und gehe weiter durch die fremde Umgebung.

Unterwegs lecke ich mir ein paar Mal über die Lippen, um die Wassertropfen zu entfernen und lasse die Ohren aufmerksam gespitzt. Jede Stunde bewege ich meine Flügel, zucke aber jedes Mal wieder zusammen. Es wird wohl eine Weile dauern, bis ich wieder fliegen kann. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Jetzt bin ich dem Skrill noch hilfloser ausgeliefert als ich es vorhin schon war. Ein Drache der nicht fliegen kann, kann auch nicht fliehen. Der letzte Funken Hoffnung, den ich hatte, erlischt gerade.
 

Die Sonne setzt ihre Reise über den Himmel fort und ist fast am Ende des Horizonts angelangt. Meine Lunge brennt vor Erschöpfung. Ich bin es nicht gewohnt lange zu laufen und ganz gesund bin ich bestimmt auch nicht. Ein Rascheln im Unterholz schreckt mich aus meinen Gedanken auf. Sofort bleibe ich stehen, hebe ein Vorderbein, bereit um zu flüchten und strecke den Kopf nach oben, um besser sehen zu können. Ein Busch beginnt zu rascheln und die Zweige bewegen sich. Gespannt starre ich den Strauch an und wage es nicht mich zu bewegen. Das Rascheln wird lauter, Schritte sind zu hören und ein leises Schnauben. Plötzlich teilt sich der Busch und ein Schrecklicher Schrecken mit roten Schuppen kommt herausgesprungen.

Erleichtert atme ich aus, lasse die Pfote wieder sinken und entspanne mich langsam. Mein Herz beruhigt sich ebenfalls und schlägt ruhiger gegen die Brust, aber immer noch nicht entspannt. Es wird wohl nie wieder entspannt schlagen können. Aber das hat es auch noch nie. Bestimmt weiß mein Herz gar nicht, wie man sich entspannt. Genauso wie der Rest meines Körpers. So lange ich denken kann, bin ich immer mit Angst aufgewacht und mit Panik und neuen Wunden eingeschlafen.

Der kleine Drache blickt neugierig zu mir auf und atmet meinen Geruch ein. Interessiert kommt er näher geflattert und landet auf einem niedrigen Ast über mir. Der kleine Drache legt den Kopf schief und betrachtet mich.

Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus und ich lege die Ohren an. Es gefällt mir nicht, von dem Schrecklichen Schrecken angestarrt zu werden. Ich lasse den Blick auf den Boden sinken und lege die Flügel noch enger an, wobei ich schmerzhaft zusammenzucke, was ich natürlich zu unterdrücken versuche. Leider gelingt es mir nicht wie geplant.

Mit einem hellen Schrei stürmt ein zweiter Schrecklicher Schrecken vom Himmel und rammt den Roten. Beide fallen vom Baum und landen auf dem Boden. Keiner der Beiden kümmert sich mehr um mich. Sie sind zu sehr mit ihrem Spiel beschäftigt und rangeln spielerisch über den Waldboden.

Unschlüssig betrachte ich die beiden eine Weile. Schließlich nutze ich die Gelegenheit und schleiche mich schnell davon. Hinter einer Baumreihe entdecke ich, am Rand der Klippe, einen großen, mit Moos bedeckten Felsen. Daneben stehen zwei dichte Tannen und bilden einen überdachten, schattigen Platz zum Verstecken. Humpelnd mache ich mich auf den Weg und senke den Kopf um nach Geruchsspuren zu suchen. Aber ich finde keine, die verdächtig wären. Nur eine Spur Wildschwein und die Schrecklichen Schrecken.

Dann drehe ich mich ein paar Mal um mich selbst und lege mich dann, an den Stein gelehnt, ins Gras. Meinen Schwanz rolle ich zu meinem Kopf und vergrabe meine Schnauze unter der Schwanzflosse. Zum Glück ist diese bei dem Sturz unbeschadet geblieben. Ein geschwollener Flügel verheilt schneller und leichter wie die verletzlichere Schwanzflosse. Die wäre vermutlich gerissen, wenn der Ast darauf gelandet wäre. Wie ein Schild versperrt die Flosse mein Gesicht vor dem Wald. Erschöpft, hungrig und müde schließe ich die Augen. Wenn ich ausgeruhter bin, komme ich schneller vorwärts. Wenn mich keiner entdeckt, während ich schlafe. Hoffentlich heilt mein Flügel schnell.

Ansonsten liegen meine Fluchtchancen im einstelligen Bereich. Mit rasselndem Atem verfalle ich in einen traumlosen Schlaf.

Das verändert alles

„Was ist nur los mit ihm?“, fragt Astrid und landet mit Sturmpfeil neben Hicks in der Drachentrainingsakademie.

„Ich weiß es nicht.“, gesteht Hicks und blickt zu seinem Nachtschatten. „Er ist heute schon den ganzen Tag so unruhig. Und er sieht immer zum Wald.“

„Vielleicht überlegt er ja wegzulaufen.“, mischt sich Rotzbakke ein. Hakenzahn kommt mit Rotzbakke am Rücken in die Akademie geflogen. Dicht gefolgt von Fischbein und den Zwillingen.

„Warum sollte Ohnezahn weglaufen wollen?“, fragt Raffnuss verwirrt ihren Bruder.

„Na, weil er nicht wegfliegen kann.“, antwortet Rotzbakke mit einem fiesen Grinsen im Gesicht.

Astrid dreht sich zu dem Riesenhaften Albtraum um. „Rotzbakke! Das ist nicht lustig!“

„Schon gut. Schon gut.“ Rotzbakke hebt beschwichtigend die Hände. „Ist doch nicht meine Schuld, dass er nicht fliegen kann.“

„Rotzbakke!“ Astrid funkelt ihn wütend an.

„Vielleicht will er einen Spaziergang machen?“, schlägt Taffnuss vor. „Ich mach gern Spaziergänge im Wald. Nur ich, der Wald und ein oder zwei kleine Feuer.“ Sein Gesicht bekommt einen verträumten Ausdruck.

„Du gehst ohne mich in den Wald?“, fragt seine Schwester vorwerfend und schupst ihn aus dem Sattel. Auf dem Hinterteil landet er am Boden.

„Hey!“ Er starrt seine Schwester sauer an. Lächelt dann aber und legt sich auf den Boden. „Ist eigentlich ganz gemütlich hier unten.“

„Ich weiß nicht was mit Ohnezahn los ist.“ Hick geht zu seinem Freund und legt ihm die Hand auf den Kopf. Ohnezahn blickt ihn mit runden Pupillen an. „Was ist los, Ohnezahn? Geht’s dir nicht gut?“

Ohnezahn deutet mit dem Kopf wieder in den Wald. Er möchte zu dem Nachtschatten. Er will wissen was mit ihr passiert ist. Aber er will Hicks noch nicht zu ihr bringen. Das könnte sie nur verschrecken, wenn ein Mensch vor ihr steht. Aber er kann ihr bestimmt helfen, wenn sie verletzt ist.

Den halben Tag haben sie schon in der Akademie trainiert. Zielschießen. Loopingflug. Und die Wikinger haben in zweier Teams gekämpft. Er will zu dem Nachtschatten! Unruhig geht er im Kreis, hält immer wieder an und blickt von Hicks zum Wald und wieder zurück.

Hicks seufzt. „Wir werden wohl den restlichen Tag aussetzen. Ich will herausfinden was mit Ohnezahn los ist.“ Der junge Wikinger setzt sich auf Ohnezahns Rücken und fliegt mit ihm aus der Akademie.

„Wir dürfen aussetzen?“, fragt Raffnuss fassungslos.

„Hätten wir das früher gewusst, hätten wir ständig ausgesetzt. Komm, Raff, wir gehen jetzt.“ Taffnuss steht auf und geht auf den Ausgang zu. Raffnuss folgt ihm mit Kotz und Würg.

„Wartet!“, ruft ihnen Astrid hinterher. „Hicks will nur herausfinden, was mit Ohnezahn heute los ist.“

„Und wir trainieren weiter.“, fügt Fischbein hinzu. Als Antwort stöhnen nur die Zwillinge und lassen die Arme und Köpfe hängen.

Ohnezahn und Hick fliegen über Berk und steuern auf den Wald zu. „Komm, Ohnezahn. Warum bist du so aufgeregt?“

Der Nachtschatten deutet mit dem Kopf Richtung Wald und brüllt aufgeregt. Ohnezahn hat seine Meinung geändert. Der Drache sah verletzt aus, und wenn das stimmt, dann kann nur ein Mensch richtig weiterhelfen. Jetzt kann er Hicks den anderen Nachtschatten zeigen! Ohnezahn schießt vor Aufregung einen Plasmastrahl ab. Bläulich schießt er durch die Luft und explodiert.

„Es scheint ja was richtig Großes zu sein.“, meint Hicks. „Dann los!“

Die zwei beschleunigen das Tempo und fliegen bald über die Baumwipfel. Der Drache hat den Blick auf den Boden gerichtet und versucht die Stelle wieder zu finden, wo er den weiblichen Nachtschatten gesehen hat.

Kurz darauf sind sie über der Lichtung und landen. Ohnezahn sieht sich um und stellt fest, dass der Nachtschatten weg ist. Hat er sich alles nur eingebildet?

„Hier ist es?“ Hicks klettert von Ohnezahns Rücken und sieht sich auf der Lichtung um. „Aber hier ist nichts. Bist du dir sicher, Ohnezahn?“

Ohnezahn dreht seinen Kopf zum jungen Drachenreiter und brüllt zustimmend. Der Nachtschatten legt seine Flügel an und geht, mit der Nase dicht am Boden, im Kreis über die Lichtung. Nirgendwo ist der Geruch zu finden. Der weibliche Nachtschatten muss schon länger von hier fortgegangen sein. Aber Ohnezahn gibt nicht auf! Er schnaubt und schüttelt den Kopf. Dann hebt er den Kopf und entdeckt etwas. Seine Ohren stellen sich auf und der Drache geht zu einer Tanne. An dessen Fuß liegt ein Stapel aus Ästen und Zweigen. Schnell springt Ohnezahn zu der Stelle und schnüffelt an den Ästen. Der Geruch des Nachtschattens hängt überall zwischen den Ästen.

Ohnezahn setzt sich, dreht den Kopf zu Hicks, der in den Büschen auf der anderen Seite der Lichtung sucht, und ruft Hicks zu sich. Der Junge dreht sich um und kommt zu seinem Drachen. Neugierig inspiziert er die abgebrochenen Äste und Krallenspuren an der Rinde. Hicks legt eine Hand auf die Krallenspuren und scheint zu Überlegen. Ohnezahn beobachtet ihn und wartet ab, was er davon hält.

„Hm. Diese Krallenspuren ... Irgendwo habe ich diese Spuren schon einmal gesehen.“ Hicks blickt auf und sieht Ohnezahn an. Seine Augen bleiben bei seinen Krallen hängen. „Ohnezahn? Leg mal deine Krallen in die Spuren.“, sagt Hicks und geht ein paar Schritte zurück.

Der Drache geht vor und hebt eine Klaue. Die Krallen passen perfekt in die Kratzspuren in der Rinde.

Hicks schnappt nach Luft und fällt rückwärts ins Gras. Mit großen Augen starrt er auf Ohnezahns Krallen in der Kratzspur. „Das … das …“ Er schluckt einmal. „Das sind Nachtschattenspuren! Es gibt einen zweiten Nachtschatten auf Berk! Das wolltest du mir die ganze Zeit sagen!“

Pläne schmieden

Sterne glitzern am Himmel und der Mond erleuchtet den Wald. Leise schleiche ich durch die Bäume. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit ein Licht am Ende des Waldes gesehen. Es schien orange zu leuchten und erhellte den Rand des Waldes. Das Licht sah warm und einladend aus. Und da ich zu neugierig bin, kann ich nicht wiederstehen. Trotzdem bleibt ein Gefühl zurück, dass es eine Falle der Menschen sein könnte.

Ich steuere darauf zu, achte aber auf jedes Geräusch und zucke bei jedem Knacken der Zweige zusammen und bereite einen Plasmastrahl vor. Mein Flügel ist noch immer verletzt und geschwollen und in meinem Magen herrscht gähnende Leere. Ich habe noch immer nichts Essbares gefunden. Außerdem verlassen mich bereits die Kräfte und auch der Mut sinkt gleichzeitig. Der Skrill wird irgendwann zurückkommen und mich finden. Ich hatte ein paar Zwischenfälle, in denen ich daran gezweifelt habe, ob es sich lohnt zu fliehen. Vielleicht sollte ich mich einfach fangen lassen. Doch dann habe ich das Licht entdeckt und ein kleines Hoffnungslicht ist aufgegangen. Und da habe ich beschlossen nicht aufzugeben! Ich werde nie wieder zulassen, dass man so mit mir umgeht. Auch wenn der Skrill jede Minute kommen könnte und mich mitschleppen. Aber ich werde nicht kampflos aufgeben. Nie wieder gehe ich zurück in den Käfig! Lieber möchte ich im Kampf sterben, als mich kampflos einem Leben aus Folter zu ergeben.

Am Rand des Waldes, auf einer Klippe, enden die Bäume und eine weite Wiese erstreckt sich vor mir. Mein Blick wandert über die Klippen, über die Wiese bis hin zu der Quelle der orangen Lichter. Viele Hütten stehen dort verteilt, dazwischen mehrere Fackeln, dessen Feuer das orange Licht erzeugt. Unschlüssig sitze ich mit gespitzten Ohren da und betrachtet überlegend das Dorf. Unter der Klippe schlagen die Wellen gegen die Felsen und leise Drachengeräusche kommen aus dem Dorf.

Werden dort auch Drachen gefangen gehalten? Ein kalter Schauer lässt mich zittern. Aber die Drachen klingen nicht gefangen. Vielleicht sind die Menschen ja nicht gemein. Vielleicht sperren sie Drachen nicht in Käfige und ketten sie fest. Vielleicht zwingen sie sie nicht für sie Tag für Tag zu arbeiten und bestrafen die Drachen, wenn sie etwas falsch machen oder wenn sie einfach Lust dazu haben. Aber das ist unmöglich. Menschen sind grausame, selbstsüchtige Geschöpfe, die Drachen niemals als Freunde ansehen werden.

Das Knurren meines Magens unterbricht meine Gedanken. Ich muss bald etwas essen. Im Dorf gibt es bestimmt was zu essen. Wenn ich leise bin, kann ich vielleicht etwas finden.

Zögernd verlasse ich den sichereren Wald und gehe geduckt und mit angelegten Flügeln und Ohren am Rand der Klippe entlang über die Wiese. Ganz wohl fühle ich mich bei meinem Vorhaben nicht. Aber habe ich eine andere Wahl? Wenn ich nicht verhungern möchte, muss ich schnell etwas essen. Und das Menschendorf zu plündern ist die einfachste Lösung. Außerdem haben die Menschen es verdient, dass sie weniger zu essen haben. Eine Wolke schiebt sich vor den Mond und verhüllt alles in Schwärze. Nur die Fackeln spenden Licht und lassen Schatten tanzen.

Desto näher ich dem Dorf komme, desto mehr unterschiedliche Drachen kann ich hören und mehr vom Dorf erkennen. Es gibt Drachen im Dorf, aber sie sind weder gefesselt noch in Käfige. Unsicher verstecke ich mich hinter dem nächsten Haus und spähe verwirrt um die Ecke.

Auf den Dächern sitzen Tödliche Nadder nebeneinander und scheinen zu schlafen, Gronckel liegen zusammengedrängt neben einem Turm, wo oben eine große Schale liegt mit einem knisternden Feuer darin. Vor einem Haus ist eine Art Käfig gebaut worden, nur, dass der Käfig aus Holz besteht und auf einer Seite offen ist, sodass der blaue Tödliche Nadder darin jederzeit gehen kann.

Verunsichert bleibe ich stehen und weiß nicht was ich tun soll. Mein ganzes Leben habe ich Drachen eingesperrt und versklavt gesehen. Aber hier sind die Drachen frei, haben bequeme Ställe und können sich frei bewegen. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich bin so verwirrt, bleibe lieber in Sicherheit der Schatten verborgen und beobachte das schlafende Dorf. Oder ist das nur eine Fassade? Wenn die Drachen ihnen vertrauen, dann schlagen die Menschen bestimmt erst zu. *Das ist sicher eine Falle!* Das klingt realistischer wie ein Dorf voll mit Menschen, die mit Drachen friedlich Seite an Seite leben.

Eine rasche Bewegung erregt meine Aufmerksamkeit. Ein Schrecklicher Schrecken huscht über den Marktplatz und schlüpft in eine Scheune, dessen Doppeltür einen Spalt offensteht. Kurze Zeit später kommt er mit einem Fisch im Maul wieder heraus und verschwindet zwischen den Häusern. Interessiert verfolge ich ihn mit den Augen, die Ohren aufmerksam gespitzt. *Dort gibt’s Fische!* Beim Gedanken an was zu essen, knurrt mein Magen.

Meine Pupillen sind geweitet, sodass ich gut in der Dunkelheit sehen kann. Wenn ich mich jetzt hinter den Häusern versteckt halte und den Fackeln aus dem Weg gehe, könnte ich unbemerkt zur Scheune gelangen.

Entschlossen und angestachelt vom Hunger hebe ich den Kopf und prüfe die Luft. Der Geruch nach Fisch und Fleisch liegt in der Luft, die Quelle ist der Schuppen. Aufmerksam prüfe ich die Umgebung. Jetzt nur keinen Fehler erlauben. Aber ich kann keine Menschen erkennen. Ob sie alle schlafen? Das ist schwer zu glauben. Irgendwo verstecken sich bestimmt welche und warten auf ahnungslose Drachen, die sich unvorsichtig der Falle nähern. Aber der Hunger ist zu groß. Ich muss es wagen.

Als sich nichts bewegt schleiche ich geduckt hinter das nächste Haus und spähe um die Ecke. Im Schatten sollte ich gut verborgen sein, dank meiner schwarzen Schuppen. Ich schleiche zum nächsten Haus, das neben der Essenskammer steht. Der Futtergeruch ist hier stärker. Wieder knurrt mein Magen und ich muss den Drang unterdrücken ohne Vorsicht in die Scheune zu springen, um endlich fressen zu können. Wenn es wirklich eine Falle ist? Aber dem Schrecklichen Schrecken ist auch nichts passiert.

Also wage ich es. Ich atme einmal tief ein und aus und schleiche dann zur Tür. Nach einem kurzen Blick auf den Marktplatz strecke ich meine Schnauze in den Spalt und schupse die Tür weiter auf. Schnell schlüpfe ich hinein und verschwinde darin.

Im Inneren sind rechts und links Regale angebracht worden. Auf diesen sind Kisten mit Gemüse nebeneinandergestellt worden. Gemüse ist nicht unbedingt mein Lieblingsfutter. Außerdem stehen auf der anderen Seite weitere verschlossene Kisten, aus denen der intensive Geruch nach Fleisch kommt. Unter den Regalen reihen sich Fässer mit Fischen aneinander. Gegenüber der Tür ist unter dem Dach ein Fenster, durch das Mondlicht scheint und ein blaues Quadrat auf den Boden malt.

Der Geruch hier in der Scheue lässt mir das Wasser im Maul zusammenlaufen. Etwas überrumpelt von dem ganzen Essen bleibe ich vorerst im Gang stehen und blicke von einem Fass zum nächsten. Dann springe ich vor, werfe eines der Fässer mit der Pfote um, wobei die Eisenkette klirrt und beginne gierig die auf dem Boden verstreuten Fische zu verschlingen.
 


 

„Was!?“

„Es ist wahr.“, berichtet Hicks aufgeregt. „Es gibt einen zweiten Nachtschatten auf Berk!“

Früh am nächsten Tag erzählt Hicks seinen Freunden von den Krallenspuren in der Rinde. Sie stehen in der Akademie und hören gespannt zu.

Rotzbakke, der neben dem Eingang lehnt, hat ungläubig die Arme verschränkt. „Ein Nachtschatten. Na klar, Hicks. Du willst dich doch nur für gestern rächen!“

„Was war denn gestern?“, fragt Raffnuss verwirrt und gibt ihrem Bruder einen Schups, sodass er über eine Kiste fällt und auf dem Boden landet.

„Nein, Rotzbakke. Das ist wahr.“, erklärt der Häuptlingssohn. „Deshalb war Ohnezahn gestern auch so aufgeregt. Er wollte mir zeigen, was er gefunden hat.“

„Das ist ja fantastische, Hicks!“, meint Astrid. „Wenn es wirklich einen zweiten Nachtschatten gibt, bedeutet das, dass Ohnezahn nicht der letzte ist.“

„Ja.“ Hicks sieht zu seinem Drachen hinüber, der am Klippenrand steht und mit gespitzten Ohren in den Wald sieht.

„Aber Hicks.“, mischt sich Fischbein ein. „Wenn es wieder ein Trick ist? Du weißt doch, dass Alvin es schon einmal versucht hat. Mit einem ähnlichen Trick.“

Hicks sieht nachdenklich nach unten. „Hm. Da hast du Recht.“

„Stimmt. Alvin hat das letzte Mal sogar eine Karte gezeichnet. Vielleicht versucht jetzt jemand was Ähnliches.“ Astrid verschränkt die Arme. „Armer Ohnezahn. Es wäre bestimmt toll für ihn, wenn es wirklich einen zweiten Nachtschatten gäbe.“

„Aber ich glaube, dass es dieses Mal wirklich einen Nachtschatten da draußen gibt.“, sagt Hicks zuversichtlich. „Ohnezahn wäre doch sonst nicht so aufgeregt. Ich kenne ihn.“

„Na gut, Hicks. Nehmen wir an, dass es tatsächlich einen zweiten Nachtschatten gibt, wo könnten wir ihn vermutlich finden?“, fragt die Wikingerin.

„Fischbein?“ Hicks gibt die Frage weiter.

Der etwas „kräftigere“ Wikinger setzt sein Nachdenkgesicht auf und murmelt: „Vermutlich versteckt er sich irgendwo in einer Höhle. Oder er hat Hunger und jagt gerade. Oder er schläft und kommt nur nachts raus.“

„Oder“, mischt sich Rotzbakke ein und kommt zu der Gruppe. „Oder er ist schon weggeflogen, weil er gesehen hat wie viele dumme Wikinger es in diesem Dorf gibt.“ Er lacht über seinen eigenen Witz.

„Du redest von dir, oder Rotzbakke?“, fragt Astrid den Jungen.

Dieser nickt. „Natürlich.“ Dann bekommt er ein verwirrtes Gesicht. „Moment, was?“

„Damit hat er aber nicht ganz Unrecht. Natürlich könnte der Nachtschatten auch weitergeflogen sein.“, überlegt Fischbein.

„Dann müssen wir hoffen, dass er noch hier ist.“, entscheidet Hicks.

„Und ihn trainieren.“, fügt Fischbein hinzu.

„Frage.“ Taffnuss komm wankend auf die Freunde zu. Mit einer Hand reibt er sich den Kopf und in der anderen hält er seinen Helm. „Wenn wir den Nachtschatten gefunden haben, erhebe ich Anspruch darauf sein Trainer zu sein.“ Dann senkt er die Stimme und hält sich eine Hand vor den Mund, sodass eine Mauer zwischen ihm und seiner Schwester entsteht. „Ich kann nicht länger mit einem Mädchen fliegen. Au!“

Raffnuss hat ihm eine Kopfnuss verpasst. „Das Mädchen will auch nicht länger mit dir fliegen. Außerdem wäre ich eine viel bessere Trainerin für einen Nachtschatten.“

„Leute. Leute!“, versucht Hicks die Zwillinge davon abzuhalten aufeinander los zu gehen. „Niemand bekommt den Nachtschatten. Wir haben alle schon einen Drachen und wir wissen noch nicht einmal, wo er überhaupt ist. Vielleicht ist er ja wirklich schon weitergeflogen.“

„Hicks!“ Ein Wikinger kommt durch den Eingang gestolpert und lehnt sich nach vorne, um wieder Luft zu bekommen. „Der Weg ist einfach viel zu weit um zu Fuß zu gehen.“, murmelt er.

Hicks geht ihm entgegen. „Ist irgendetwas passiert?“

Der Wikinger richtet sich auf, seine Wangen sind gerötet vom Laufen. „Dein Vater sucht dich. Er wartet bei der Vorratsscheune auf dich. Anscheinend hat irgendein Drache sie letzte Nacht ausgeraubt.“

„Was?“, fragt Astrid und klettert in den Sattel von Sturmpfeil.

„Wirklich? Bist du dir sicher, dass es ein Drache war?“, fragt Hicks nach.

„Auf jeden Fall sind überall Kratzspuren und die Körbe sind zerstört.“, berichtet er.

„Oh, Thor. Was ist jetzt wieder los?“ Hicks setzt sich auf Ohnezahn und die Gruppe macht sich auf den Weg ins Dorf.
 


 

Nach dem köstlichen Mitternachtssnack letzte Nacht setze ich jetzt meinen Weg weiter fort. Ich gehe vorsichtig durch den Wald. Mein Magen ist jetzt angenehm voll und deshalb suche ich nun einen sicheren Ort, wo ich mich vor dem Skrill verstecken und mich ausruhen kann. Die Sonne steht warm am Himmel und vereinzelte weiße Wolken ziehen vorbei. Ein Donnertrommler schreit irgendwo im Meer und ein zweiter antwortet ihm.

Der Wind lässt die Blätter rascheln und leise höre ich das rauschende Geräusch eines Flusses vor mich. Durstig mache ich mich instinktiv auf den Weg und schlängele mich durch den Wald. Meine Flanke streift einen Farn und vor Schreck zucke ich zusammen und drehe mich schnell um. Als ich bemerke, dass es nur eine harmlose Pflanze ist, atmete ich erleichtert aus. Hoffentlich hat das niemand gesehen. Und wo muss ich jetzt lang? Der Farn ist schuld, dass ich meinen Kurs verloren habe. Ich recke die Nase in die Luft. Jetzt kann ich das Wasser wieder riechen und plätschern hören.

Also mache ich mich weiter auf den Weg und entdecke kurz darauf eine Lichtung durch die ein schmaler Fluss fließt. Schnell humpele ich ans Ufer und beginne zu trinken. Die kühle Flüssigkeit gibt mir neue Kraft und ich fühle mich gleich besser. Ich könnte mir vorstellen hier zu bleiben. Wenn mich keiner jagen würde. Wenn nicht die Gefahr bestünde, dass ich zurück in einen Käfig muss. Wenn ich nicht von den Menschen im Dorf erwischt werden würde. Wenn ich nicht täglich Angst haben müsste. Es spricht doch so viel dagegen.

Als ein Busch hinter mir raschelt erweckt er meine Aufmerksamkeit und ich drehe mich so hin, dass ich die Quelle des Geräusches sehen kann. Ein braunes Tier mit bösen Augen und großen Stoßzähnen kommt aus dem Unterholz getrottet. Das Wildschwein beobachtet mich mit einem kampflustigen Blick und lässt mich nicht aus den Augen, während es näherkommt und bedrohlich grunzt.

Ich mache einen Buckel und gehe langsam rückwärts. Mein Herz beschleunigt meinen Puls und ich halte angespannt den Atem an. Auch ich lasse das Tier nicht aus den Augen. Ich habe noch nie ein Wildschwein gesehen, weiß aber instinktiv, dass sie sehr gefährlich sein können. Meine Pupillen formen sich zu Schlitzen. Ich hätte gerne meine Flügel noch ausgebreitet, um bedrohlich auszusehen, aber die Verletzung lässt das nicht zu. Also müssen die Zähne und Klauen reichen.

Plötzlich quiekt das Wildschwein und stürmt in überraschend schnellem Tempo auf mich zu. Hinter ihm wirbeln Erde und Steinchen durch die Luft. Das Tier schnaubt und steuert meinen Kopf an.

Ich weiche noch weiter zurück und bereite einen Plasmaschuss vor. Dann ziele ich auf das Wildschwein und schieße auf ihn als es nur noch wenige Meter von mir entfernt ist. Es wird getroffen und fliegt, wie die Erde zuvor, durch die Luft und landet mit einem dumpfen Geräusch am Boden. Verschreckt quiekt es, rappelt sich auf und rennt schnell zurück in den Wald. Triumphierend sehe ich ihm noch so lange nach, bis die Farne sich nicht mehr bewegen. Dann entspanne ich mich wieder und trinke noch einmal.

Als ich meinen Kopf wieder hebe lasse ich meine Augen über die Lichtung schweifen. *Hier kann ich nicht bleiben. Man würde mich zu leicht entdecken.* Nach kurzem Zögern entschließe ich mich dazu über den Fluss zu springen und auf der anderen Seite weiter zu gehen. Vor mir ragt der Berg auf und genau darauf steuere ich zu. Wo ein Berg ist, da sind auch Höhlen. Und in einer Höhle kann man sich ausruhen und verstecken.

Leise folge ich einem verschlungenen Pfad durch den Wald und erreiche endlich den Fuß des Berges. Wie eine bedrohliche Mauer erstreckt er sich zum Himmel empor. Neben dem Berg fühle ich mich wie ein Schrecklicher Schrecken. Ich gehe ein Stück weiter am Berg entlang, bis ich einen Spalt zwischen den Felsen erkenne. Leichtfüßig springe ich auf einen der Felsen, wobei ich mein Hinterbein mit der Kette nicht belaste und schnuppere am Eingang. Nur der leichte Geruch von Schrecklichen Schrecken und Gronckel ist zu finden. Leise springe ich auf der anderen Seite des Felsens in den Gang und folge ihm, die Ohren aufmerksam gespitzt und die Augen geweitet. Vor jeder Kurve halte ich inne und spähe zuerst vorsichtig in den nächsten Gang hinein.

Die Wände links und rechts werden immer Höher und scheinen bald das Tageslicht auszuschließen. Manchmal wird der gewundene Pfad schmäler, sodass meine Flügel die Wände berühren und ich vor Schmerz die Zähne zusammenbeißen muss, oder der Weg ist so breit, dass ich gemütlich hindurchgehen kann.

Plötzlich ragt vor mir eine Wand aus einzelnen Felsbrocken in die Höhe, die vermutlich von einem Erdrutsch dort aufgetürmt wurde. Unentschlossen, ob ich darüber klettern soll oder umkehren, bleibe ich davorstehen und betrachte die Wand. Mit gesenktem Kopf untersuche ich die Felsen nach Gerüchen, die Gefahr bedeuten könnten oder wie ich hier weiterkomme. *Es muss noch einen anderen Weg geben.*

Suchend hebe ich den Kopf wieder an und sehe mich um. Ich springe auf einen der unteren Felsen und gehe zur Klippenwand. Versteckt hinter einem Felsen, sodass der Eingang schwer zu erkennen ist, führt ein Loch in die Felswand hinein. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass kein anderer Drache darin ist, werfe ich noch einmal einen Blick über die Schulter, ob mich jemand beobachtet und schlüpfe dann hinter den Felsen. Das könnte ein gutes Versteck sein. Wenn der Eingang schon versteckt liegt, wäre es von der Luft aus bestimmt kaum zu erkennen.

Im Inneren ist es Dunkel und ich kann nur so weit sehen, wie das Tageslicht in die Höhle hineingeht. Aber da ich ein Nachtschatten bin, macht mir die Dunkelheit nichts aus. Ich kann bis in die hinterste Ecke der kleinen Höhle sehen und gehe dann bis zum Ende, das eine Kuppel formt. Am hinteren Teil rolle ich mich zusammen und sehe aus dem Eingang nach draußen. Von hier aus kann ich den Rand der Klippe gegenüber sehen, auf der ein Baum wächst, dessen Äste im Wind hin und her tanzen. Nur kurz ausruhen. Dann muss ich weiter.
 


 

„Hallo, Vater.“, grüßt Hicks während er mit Ohnezahn auf dem Markplatz landet.

„Jetzt sieh dir das an.“, sagt der Häuptling und deutet mit einer Hand auf die Vorratsscheune. Die Tür steht offen und innen kann man viele umgeworfene Fässer, zerstörte Körbe und verstreute Essensreste sehen. „Irgendein Drache hat sich heute Nacht aus unserer Vorratsscheune bedient. Und jetzt haben wir nichts mehr zu essen!“

„Ich hab schon Mangelerscheinungen, weil ich das Frühstück auslassen musste.“, beklagt sich Grobian, der neben Haudrauf steht. Wie um seine Aussage zu unterstreichen knurrt sein Magen.

„Kein Drache auf Berk würde die Vorratskammer plündern.“, versichert Hicks. „Das muss ein wilder Drache gewesen sein.“

Haudrauf verschränkt die Arme. „Dann finde diesen Drachen und sorge dafür, dass so was nie wieder vorkommt.“

„Und sagt am besten niemanden was davon.“, bemerkt Grobian. „Die Wikinger reagieren nicht gerade erfreut darauf zu hören, dass ihr gesamten Essen weg ist.“

„Alles klar. Sie können sich auf uns verlassen.“, versichert Astrid.

Haudrauf nickt und geht mit Grobian zur großen Halle davon.

„Na kommt, dann sehen wir uns mal den Tatort an.“, meint Hicks und geht, gefolgt von seinen Freunden, in die Scheune.

Rotzbakke drängelt sich vorbei und kniet sich vor einen Fisch. „Nein. Mein Lieblingsfisch. Den klaue ich mir doch immer vorm Schlafengehen. Ich meine, den esse ich am liebsten, wenn ich ihn haben darf.“, verbessert er sich und schleicht sich rückwärts aus der Scheune. Mit dem Rest Fisch in der Hand.

„Wieso darf ein Drache so ein Chaos veranstalten?“, fragt Raffnuss.

„Und wir nicht?“, fügt ihr Bruder hinzu. „Das nächste Mal machen wir das und schieben es auf die Drachen.“, flüstert er seiner Schwester ins Ohr, beide fangen an hinterhältig zu kichern.

„Hm.“ Hicks kniet sich auf den Boden und betrachtet den zerstörten Korb. Dann steht er auf und sieht die Krallenspuren in den Balken, die das Dach stützen. „Die sehen so aus, wie die Spuren die Ohnezahn im Wald gefunden hat.“

„Heißt das, dass der Nachtschatten hier im Dorf war?“, fragt Astrid.

„Dann ist er doch noch nicht weggeflogen.“, stellt Fischbein fest. „Zum Glück. Jetzt können wir einen zweiten Nachtschatten in unser Team aufnehmen!“

„Aber wenn er noch hier ist, dann müssen wir ihn schnell finden, bevor mein Vater von der Sache Wind bekommt.“, entgegnet Hicks besorgt. „Er wäre bestimmt nicht erfreut darüber zu hören, dass ein wilder Nachtschatten unser Vorratslager plündert.“

„Und was schlägst du vor?“, möchte die Wikingerin wissen und verschränkt die Arme vor der Brust.

„Warum fragt uns nie jemand was wir vorschlagen?“, fragt Raffnuss schmollend.

„Und wir hätten wunderbare Vorschläge.“, stimmt Taffnuss zu.

Hicks, Astrid und Fischbein sehen die Zwillinge auffordernd an. Aber gleichzeitig glaubt keiner von ihnen daran, dass die zwei Geschwister eine brauchbare Idee zusammenbekommen. „Na dann, Raff, Taff, was wäre euer Vorschlag?“, gibt Hicks ihnen die Chance.

Überrascht blinzeln die Geschwister in die Runde. Schließlich ergreift Raffnuss das Wort: „Meinst du das ernst? Klasse!“

„Also“, fährt ihr Bruder fort. „Wir haben uns gedacht, dass wir zuerst ein Netz brauchen. Dann noch ein Versteck, ein Fass, einen Fisch und einen Besen.“

„Wir verstecken uns in einem Fass …“, beginnt Raffnuss zu erklären wie der Plan ablaufen sollte.

„… vor uns liegt ein großer, dicker Fisch. Nicht so ein magerer, dünner Fisch. Den würde doch kein Drache anrühren.“

„Den würden wir noch nicht einmal anrühren.“ Raffnuss schaudert angeekelt und fährt dann fort: „Jedenfalls, der Fisch ist der Köder und wenn der Nachtschatten kommt werfen wir das Netz auf ihn und zwingen ihn alles wieder aufzuräumen. Mit dem Besen!“

Stolz auf ihre Idee verschränken sie die Arme und verbeugen sich. Aber der Applaus bleibt aus. Die Zuschauer sehen eher verwirrt und doch nicht verwundert aus. Sie sind es schon gewohnt, dass die Zwillinge so sind.

„Tolle Idee.“, meint Fischbein. „Damit könnt ihr vielleicht einen Schrecklichen Schrecken fangen.“

„Ja, und der würde euch den Besen auf die Helme schlagen.“, ergänzt Astrid.

Hicks hat nur halb zugehört und betrachtet die zerstörten Fässer und Holzbalken. „Teilweise kann man ihre Idee verwenden.“, beginnt Hicks und richtet sich wieder auf. Verwunderte Gesichtsausdrücke stehen jetzt vor ihm. „Wir füllen die Fässer wieder mit Fischen und richten alles wieder so her wie es vorher war.“

„Na toll. Jetzt müssen wir hinter dem Drachen aufwischen.“ Taffnuss lässt demonstrativ die Arme hängen.

„Dann ist der Besen doch überflüssig.“, meint Raffnuss und ist enttäuscht, dass ihr Plan nicht mehr funktioniert.

„Jedenfalls, wenn der Nachtschatten heute wieder kommt um Fische zu fressen, dann warten ein paar von uns hier versteckt und überraschen ihn, wenn er hereinkommt. Der Rest von uns wartet draußen.“ Während Hicks ihnen den Plan erklärt, kommt irgendwann auch Rotzbakke dazu und Hicks muss wieder von vorne beginnen. Den Rest des Tages verbringen die jungen Drachenreiter damit, alles für die Nacht vorzubereiten.

Menschen, Fallen, Nachtschatten ... Hilfe!

Der Mond steht hoch am Himmel und ein paar Sterne funkeln neben der silbernen Sichelscheibe. Wolken ziehen am Nachthimmel entlang und verdecken an manchen Stellen die Sicht auf die Sterne. Ein kühler Wind weht durch den Wald und lässt die Blätter rascheln. Die nächtliche Stille ist seltsam. Sie klingt viel zu friedlich im Vergleich zu den letzten Tagen, den letzten Jahren. Ich bin es nicht gewohnt, dass alles ruhig ist und friedlich. Es wirkt bedrohlicher. So, als würde hinter dem nächsten Baum der Skrill lauern.

Ich verdränge den Gedanken und humpele weiter durch den Wald. Ich bin gerade auf den Weg zum Dorf, um meinen Mitternachtsimbiss zu holen. Den Tag habe ich in der kleinen Höhle verbracht, geschlafen und mich etwas ausgeruht, damit mein Flügel verheilen kann. Aber ich glaube es hat nichts gebracht. Er tut noch genauso weh wie zuvor. Und mein Magen knurrt wieder. Da ich den Tag über aber nichts Anstrengendes erledigt habe, habe ich nicht so viel Hunger wie nach ein paar Tagen auf der Flucht zu sein. Also habe ich es nicht so eilig zum Menschendorf zu kommen.

Wenn ich Glück habe, dann kann ich wieder ein paar Fische fressen und unbemerkt abhauen bevor die Menschen etwas davon mitbekommen. Doch da ich gestern schon einmal dort war, bin ich dieses Mal noch vorsichtiger. Ich weiß, dass es nicht klug ist an einem Ort zweimal zu gehen, wenn man vor allem und jedem flüchtet. Doch der Hunger und die Tatsache, dass ich nicht fliegen kann, zieht mich zurück zu der Scheune.

Am Rande des Waldes bleibe ich wieder stehen und sehe eine Weile auf das Dorf. Heute liegt es wieder ruhig da. Die Feuerstellen flackern genau wie gestern und die Drachen sitzen an den Schlafplätzen. Ich glaube immer noch, dass es nicht sein kann, dass die Drachen hier friedlich und frei leben können. Es kann einfach nicht sein. Menschen sind nicht so.

Nachdem mein Magen mich daran erinnert, dass ich hungrig bin, hebe ich eine Pfote und schleiche geduckt durch das Gras den Hang hinab. Die Grashalme rascheln unter meinen Pfoten und streichen an meinen Flügeln entlang. Dank des Windes ist das Geräusch des Grases nicht zu hören. Aber dafür kitzelt es meine Nase und ich muss mich konzentrieren nicht zu niesen.

Wie gestern halte ich hinter dem Haus neben der Scheune an und spähe auf den Marktplatz. Langsam lasse ich meinen Blick über die freie Fläche schweifen, die mir keinen Schutz vor den Drachen der Verfolger bietet oder den Bewohnern dieses Dorfes. Auf dem Zentrum des Dorfes ist alles ruhig. Also sehe ich weiter. Die Drachen scheinen alle zu schlafen. Alle außer einem. Angespannt spanne ich die Muskeln an und halte den Atem an. Der blaue Tödliche Nadder in dem hölzernen Stall hebt den Kopf, gähnt einmal und legt sich dann wieder hin.

Allmählich entspanne ich mich wieder. Ich schüttele mich einmal kurz, um mich etwas aufzuwärmen, und erreiche dann die Scheune. Wie gestern steht ein Spalt offen. Ich hab Glück. Wie in Zeitlupe hebe ich die rechte Vorderpfote und gleichzeitig das linke Hinterbein, damit die Kette nicht über den steinernen Boden klirrt. Die Flügel noch weiter an den Körper gepresst, wobei eine erneute Schmerzwelle durch meine Muskeln zuckt und das Pochen wiederkommt, nähere ich mich der Tür. So gut es geht ignoriere ich das gleichmäßige Hämmern in meinem Flügel und schleiche geduckt, mit aufmerksam gespitzten Ohren und geweiteten Augen, auf das Tor des Schuppens zu, aus dem ein köstlicher Fischgeruch herausströmt.

Vor dem Tor bleibe ich stehen. Irgendetwas stimmt nicht. Ich kann es fühlen. Meine Ohren zucken und meine Nase filtert einen eigenartigen Geruch heraus. Irgendwoher kommt mir der Duft bekannt vor, bekannt und doch fremd. Mit einem Auge spähe ich in die Scheune hinein, ohne die Tür zu berühren. Ich kann ein paar Fässer mit silbrigen Fischen erkennen. Heute scheint kein Mondlicht herein. Eine Wolke muss sich vor den Mond geschoben haben. Jetzt ist das Innere in komplette Dunkelheit gehüllt. Aber dank meiner guten Sehkraft kann ich trotzdem etwas erkennen.

Alles bleibt ruhig. Bin ich umsonst so skeptisch? Der Duft der Fische lässt meinen Magen seinen eigenen Kommentar abgeben. Und das ist mehr als deutlich. Er hat Hunger und will diese Fische. Ohne mich von der Stelle zu rühren strecke ich den Kopf nach vorne und stecke die Schnauze in den Spalt. Ich öffne die Tür soweit, dass mein Kopf hindurchpasst und sehe wieder hinein. Es ist immer noch alles ruhig.

Aber trotzdem sagt mir mein Instinkt, dass ich wegrennen soll. Nur mein Magen ist da anderer Meinung. Unschlüssig was ich tun soll bleibe ich erst einmal stehen und atme den salzigen Geruch der Fische ein. Sie riechen immer noch nach Meer. Ich würde mir meine eigenen Fische fangen, wenn ich fliegen könnte. Und ich weiß nicht, wie lange das noch dauern wird. Also, je schneller ich fertig bin, desto schneller komme ich zurück zu meiner Höhle.

Langsam setze ich eine Pfote in den Schuppen hinein. Meine Ohren sind aufmerksam gespitzt und meine Muskeln angespannt. Gestern war ich nicht so vorsichtig. Aber gestern hatte ich auch nicht diesen Drang zu flüchten. Meine Instinkte sagen mir, dass etwas nicht stimmt. Und meine Instinkte haben mich noch nie im Stich gelassen. Also, was hält mich davon ab von hier zu verschwinden? Vielleicht der verlockende Anblick eines Fasses, gefüllt mit frischgefangenen Fischen, die nur einen Meter von mir entfernt stehen?

Warte! Ich glaube, dass ich gerade eine kurze, kaum wahrnehmbare Bewegung gesehen habe. Ich gehe noch einen Schritt weiter hinein und starre angestrengt in diese Richtung. Meine Sinne sind geschärft und meine Muskeln bereit um zu flüchten. Ich prüfe so leise wie möglich die Luft und versuche jeden Geruch darin herauszufinden. Hinter mir kommt etwas Licht von den Feuerstellen herein. Mein Schatten zeichnet sich vor mir auf den Boden ab, aber das Licht reicht nicht aus, um die komplette Scheune zu erhellen.

„Los! Jetzt!“

Plötzlich schreit jemand vor mir. Drei Menschen springen hinter den Fässern an der Wand hervor. Panisch kreische ich auf und mache reflexartig einen Sprung rückwärts. Dabei schlage ich mir den Kopf an der Holztür an, die Stelle beginnt daraufhin schmerzhaft zu pochen. Ich beiße die Zähne zusammen und unterdrücke die aufkommenden Kopfschmerzen. Mein Herzschlag beschleunigt sich, ich höre mein eigenes Blut in den Ohren rauschen.

Und dann springen aus dem Schatten neben der Scheune drei weitere Menschen. Ich knurre panisch mit gefletschten Zähnen. Ohne lange zu überlegen springe ich einen weiteren Satz rückwärts. Dabei lande ich auf meinem verletzten Fuß. Für den Bruchteil einer Sekunde kneife ich die Augen zusammen. Für Schmerzen ist jetzt keine Zeit! Schnell drehe ich mich um und sprinte los. Humpelnd überquere ich die freie Fläche auf dem Marktplatz, geradewegs durch die Mitte des Menschendorfes. Es ist mir egal, wer mich sehen könnte. Ich bin schon aufgeflogen. Meine Krallen kratzen über den Boden. Die Kette reibt an meinem Bein und trägt nicht gerade dazu bei, dass ich schneller laufen kann. Die Häuser verschwimmen um mich herum. Alles was jetzt noch in meinem Kopf ist, ist ein einziges Wort: Lauf!

Ohne den Kopf zu drehen weiß ich, dass die Menschen mich verfolgen. Ich kann die Schritte und Stimmen hören. Aufgeregt und irgendetwas rufend, ich kann es nicht verstehen da meine Sinne zu sehr auf die Flucht konzentriert sind, folgen sie mir. *Lasst mich doch einfach in Ruhe!* Ich richte meine Augen fest auf den Rand des Waldes. Vielleicht kann ich sie zwischen den Bäumen abhängen. Ich kann die Wiese, die das Dorf vom Wald trennt, sehen. Die langen Grashalme tanzen im Wind.

Ein Nadder fliegt erschrocken von dem Lärm davon und ein Gronckel versteckt sich hinter einem Haus. Aber das ist mir egal. Was habe ich den Menschen nur getan? Ich kann nicht darüber nachdenken. Die Schmerzen scheinen mit jedem Schritt größer zu werden. Die Kette klirrt. Mein Kopf pocht. Meine Krallen kratzen über die Erde, die die Steine auf dem Marktplatz ablösen.

„Schnell! Wenn er wegfliegt finden wir ihn nie wieder!“, ruft ein Menschenmädchen hinter mir.

Endlich erreiche ich den Rand der Wiese. Das Gras streift an meinen Beinen entlang und kitzelt mich am Bauch. Instinktiv breite ich die Flügel aus, stelle die Schwanzflosse richtig, um mich in die Luft zu bringen, und mache einen Satz nach oben. Aber soweit komme ich gar nicht. Bereits beim Ausbreiten der Flügel durchzuckt mich eine gewaltige Schmerzwelle. Ich schreie vor Schmerzen und Frustration auf. Dann bleibt mir wohl nichts Anderes übrig als zu laufen, oder zu humpeln. Die Schwingen wieder an den Körper gepresst, um wenig Widerstand zu bieten, versuche ich meine Beine dazu zu zwingen, schneller zu laufen.

„Ich glaube er kann nicht fliegen.“, bemerkt einer der Menschen. „Er ist bestimmt verletzt!“

Panik steigt in mir auf und bringt mein Herz dazu, gegen meine Rippen zu hämmern. Jetzt haben sie auch noch bemerkt, dass ich nicht fliegen kann! Ich bin ihnen hilflos ausgeliefert. Was soll ich tun? Ich kann nicht fliegen und wenn sie mich erst einmal eingeholt haben, dann töten sie mich. Vielleicht ist es aber auch besser so. Besser als zurück in den Käfig zu müssen. Ich werde immer langsamer. Mein Bein knickt jedes Mal ein, wenn ich damit aufkomme. Ich werde jetzt sterben! Dieser Gedanke lässt mich einfach nicht los.

„Los, Ohnezahn! Versuch ihn einzuholen!“, höre ich eine weitere Stimme. Wie viele sind jetzt eigentlich hinter mir? Ich glaube, es ist besser es nicht zu wissen.

Plötzlich schießt rechts an mir ein schwarzer Schatten vorbei. Erschrocken kreische ich auf und mache einen Satz nach links. Mein Kopf schwenkt wie von selbst in die Richtung und für einen Moment stockt mir der Atem. Ich starre in die Richtung des Schattens und vergesse völlig, dass ich auf der Flucht bin. Aber das kann nicht wahr sein. Das ist bestimmt nur eine Halluzination. Der Mann hat doch immer gesagt, dass er alle Nachtschatten getötet hat. Und doch überholt mich gerade einer von der ausgestorbenen Drachenart. Er ist schnell und hat mich in wenigen Sekunden überholt.

Ich schüttele kurz den Kopf und kehre zur jetzigen Situation zurück. Nachtschatten oder nicht, ich muss hier weg. Ich bin noch weiter zurückgefallen. Die Menschen sind schon ganz nah. Und vor mir, etwas versetzt, läuft der Nachtschatten. Wird er auch von ihnen gejagt? Vielleicht kann er mir helfen zu fliehen. Oder zu kämpfen. Zu zweit haben wir eine bessere Chance gegen die Menschen.

Aber dann bleibt der Nachtschatten plötzlich stehen. Ohne Vorwarnung bremst er ab und hält direkt vor meiner Schnauze an. Erneut kreische ich erschrocken und überrascht auf. Ich stemme meine Krallen in die Erde und versuche abzubremsen. Schlitternd werde ich langsamer, reiße Erde und Gras aus und lande nur wenige Zentimeter vor dem Drachen auf dem Boden. Meine Beine verheddern sich in dem langen Gras. Mit einem Ruck reiße ich mich los und rapple mich auf die Pfoten. Es hängt immer noch Erde und Gras zwischen den Krallen.

Verwirrt und empört schnaube ich und richte dann meinen Blick auf den anderen Nachtschatten. Er ist größer als ich und hat keine blauen, sondern grüne Augen, die freundlich in meine sehen. Der Drache hat sich auf die Hinterbeine aufgerichtet und die Flügel ausgebreitet, sodass er eine lebendige Barriere zwischen mir und meinem Fluchtweg bildet.

(Was soll das?!), fauche ich ihn an. Meine Zähne sind schon seit dem Auftauchen der Menschen aus ihrem Versteck gekommen. (Wir müssen hier weg! Oder willst du von ihnen getötet werden?)

Aber der Nachtschatten sieht mich einfach nur weiter an. Er sieht weder ängstlich noch panisch oder wütend aus. (Beruhige dich erst einmal. Sie wollen dir nichts tun.)

*Warte mal. Steht er etwa auf der Seite der Menschen?* Fassungslos starre ich zu ihm hinauf. (Wir müssen hier weg!), versuche ich es noch einmal.

Auch dieses Mal schüttelt er leicht den Kopf. (Sie wollen dir nur helfen. Du bist verletzt.)

„Gut gemacht, Ohnezahn!“, ruft der Junge.

Ich drehe meinen Kopf in die Richtung der Menschen und erkenne zu meinem Entsetzen, dass sie schon gefährlich nahe sind. Viel zu nah für mich! Ich knurre einmal kurz in ihre Richtung und wende mich dann wieder dem Nachtschatten zu. Dieses Mal sehe ich ihn flehend an. (Bitte, lass mich vorbei.)

(Du brauchst keine Angst zu haben. Vertrau mir. Sie werden dir nichts tun.)

Vertrauen? Ich soll ihm vertrauen? Man muss sich Vertrauen erst verdienen, bevor man das sagen kann! Also bleibt die Panik. Ein Knacken hinter mir lässt mich zusammenzucken und mein Kopf schnellt instinktiv in die Richtung. Die Menschen haben uns inzwischen erreicht und stellen sich jetzt in einem Halbkreis, mit mir als Mittelpunkt, auf. Na toll. Jetzt bin ich wirklich in eine Falle getappt. Ich kann nicht wegfliegen und komme auch nicht an diesem Nachtschatten vorbei. Was soll ich tun?

Ein dünner Wikinger braunen Haaren hebt die Hände und bringt die anderen dazu stehen zu bleiben. Misstrauisch drehe ich ihm meine unverletzte Seite entgegen und mustere ihn mit zusammengekniffenen Augen, wobei ich einen Schritt auf den Nachtschatten zugehe. Der Drache wirkt weniger bedrohlich als die Menschen. Menschen töten ohne Grund und haben Spaß daran Drachen zu foltern. Also, wieso scheint dieser Nachtschatten auf der Seite der Menschen zu stehen? Sie müssen ihn irgendwie hypnotisiert haben oder so. Anders kann ich es mir nicht erklären.

„Hab keine Angst, Kleiner.“, beginnt er mit ruhiger Stimme. Dabei hebt er die Hände etwas an und kommt langsam auf mich zu, die Anderen bleiben im Halbkreis stehen. „Ich will dir wirklich nur helfen.“

Ich ziehe die Lippen hoch und knurre ihn bedrohlich an. Er soll wegbleiben. Er soll mich in Ruhe lassen. Aber es scheint nicht annähernd so wirksam zu sein, wie ich erhofft habe. Der Junge bleibt zwar stehen, aber scheint nicht aufzugeben.

„Hey, beruhige dich. Du bist verletzt, nicht wahr? Wir tun dir nichts. Wir wollen dir nur helfen.“, versucht er es weiter.

Als würde ich ihm das glauben. Ich senke den Kopf etwas, funkle ihn drohend an und knurre erneut. Und dann wagt es der Mensch tatsächlich noch weiter auf mich zu zugehen! Schnell sammle ich Plasma in meinem Maul und feuere einen Warnschuss vor seine Füße ab, sodass dort jetzt eine Mulde in der Erde ist. Erschrocken weicht er zurück.

Der Nachtschatten hinter mir knurrt plötzlich ebenfalls. Aber nicht wegen des Jungen, er knurrt mich an! Mit schlitzförmigen Pupillen sieht er mich warnend an und zeigt mir seine Zähne. (Lass ihn in Ruhe!)

(Wieso hilfst du ihnen?), verlange ich zu wissen. (Sie werden dich irgendwann verraten und töten!) *Du wurdest manipuliert! Sie haben irgendetwas mit dir gemacht!*

Plötzlich fühle ich eine Berührung an meiner Schwanzflosse. Panik steigt in mir auf. Mein Herz schlägt noch schneller, vermutlich bekomme ich jetzt einen Herzinfarkt. Ich drehe meinen Kopt zur Schwanzflosse und noch bevor ich etwas erkennen kann schnappe ich in die Richtung. Meine Zähne klappen in der Luft wieder zusammen. Vor meiner Schnauze steht ein weiterer Wikinger mit langen blonden Haaren. Sein Gesichtsausdruck ist nicht wie erwartet erschrocken und verängstigt, sondern eher begeistert und fasziniert. Und erneut bekomme ich ein warnendes Knurren seitens des Nachtschattens.

„Wow. Den muss ich haben! Hicks, ich beanspruche ihn hiermit für mich.“, behauptet er.

*Vergiss es! Niemand wird mich jemals besitzen!*

Dann erscheint ein weiterer Mensch in meinem Blickfeld und drängt den ersten aus dem Weg. Beide sehen sich sehr ähnlich, man könnte sie für die gleiche Person halten, wenn es dunkel ist und man keine Nachtschattenaugen hätte.

„Warum sollst du ihn bekommen? Es heißt doch Ladies first.“, meint diese.

Verwirrt sehe ich von einem zu anderen und wieder zurück. Die Beiden fangen jetzt an sich zu streiten und zu schupsen. Nervös sehe ich zwischen ihnen hin und her und weiche überfordert zurück. Nur leider steht dort immer noch der Nachtschatten. Ich stoße mit meiner Flanke an ihn und springe erschrocken in die Luft.

„Leute!“, unterbricht der Junge mit den braunen Haaren das Gezanke. „Schluss jetzt. Das ist nicht hilfreich!“

Jetzt richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Menschen. Auch er wendet sich nun mir zu. Unbewusst senke ich den Kopf etwas, hebe die Flügel leicht an und lasse ihn keine Sekunde aus den Augen. Ängstlich lege ich die Ohren flach an und knurre erneut. Ich habe das Gefühl, dass sie sich nicht so leicht einschüchtern lassen, wie die Wachen, die meinen Käfig bewachen sollten.

Auch wenn der Junge gesagt hat, dass die Zwillinge ruhig sein sollen, sind sie genau das Gegenteil. Sie werden immer lauter. Und gleichzeitig steigt meine Panik an und ich beginne schneller zu Atmen. Noch einmal hebt er den Arm und wagt es erneut einen Schritt näher zu kommen. Dieses Mal knurre ich nicht, sondern weiche lieber zurück. Wenn ich ihn angeknurrt hätte, wäre der Nachtschatten nur wieder dazwischen gegangen. Aus irgendeinem Grund beschützt er diesen Menschen. Ich will einfach nur hier weg. Wieso bin ich eigentlich hierhergekommen? Die paar Fische waren es nicht wert jetzt zu sterben. Oder schlimmeres.

„Ganz ruhig.“ Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen kommt er tatsächlich noch näher und streckt seine Hand langsam nach mir aus!

Panisch sehe ich mich um. Natürlich nicht, ohne ihn im Augenwinkel zu behalten. Aber es scheint nirgendwo eine Lücke zwischen den Menschen zu geben. Sie bilden einen geschlossenen Halbkreis. Der einfachste Weg wäre der Fluchtweg in die Luft, aber ich kann nicht fliegen. Ich fühle, wie die Panik in mir größer und größer wird. Auch wenn ich eigentlich keine Hoffnung darauf habe, dass der Nachtschatten seine Meinung geändert hat, drehe ich mich noch ein letztes Mal zu dem Drachen um. Flehend blicke ich zu ihm hinauf. (Bitte, lass mich gehen.)

(Es geschieht dir nichts. Sie helfen dir nur.)

Wieder diese Antwort. Was haben sie nur mit dir gemacht?

Inzwischen ist der Junge nur noch einen Meter von mir entfernt. Und dort bleibt er stehen. Etwas verwirrt beobachte ich ihn misstrauisch. Aber ich beruhige mich nicht im geringsten, eher werde ich noch verängstigter. Mein Gehirn sucht einen Ausweg, findet aber keinen. Der Menschenjunge dreht seinen Kopf weg und streckt mir gleichzeitig seine Handfläche entgegen. Mit so einer Geste habe ich jetzt nicht gerechnet. Verunsichert starre ich ihn an. Um mich herum beginnt aufgeregtes Getuschel. Alle scheinen auf etwas zu warten, etwas von mir zu erwarten. Überfordert mit der ganzen Situation ziehe ich meinen Kopf zurück. Und jetzt melden sich auch meine Schmerzen wieder. Es fühlt sich so an, als würde ein kleines Männchen von innen gegen meinen Schädel schlagen. Außerdem pocht mein Flügel wieder und die Haut unter der Eisenkette brennt höllisch. Mein Herzschlag steigt an, bestimmt explodiert es gleich. Aber wenigstens bin ich dann von den Menschen weg. Doch der Wille zu überleben ist stärker. Ich drehe meinen Kopf immer wieder in die unterschiedlichsten Richtungen, in der verzweifelten Hoffnung doch noch einen Fluchtweg zu finden.

*Es muss einen Ausweg geben!*

Plötzlich verschwimmt alles vor meinen Augen. Mein Sichtfeld wird unscharf und beginnt sich zu drehen. Die Geräusche klingen gedämpfter, so als würde jemand in ein Erdloch reden. Meine Beine geben unter mir nach. Ich kippe um und lande unsanft auf der kalten, harten Erde. Ich fühle noch irgendetwas unter meinem Kinn und sehe schemenhafte Gestalten auf mich zulaufen, gemischt mit aufgebrachtem Stimmengewirr. Dann wird alles schwarz.

*Bleibt weg.*


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich weiß im Prolog geschieht jetzt nicht sonderlich viel, aber dafür folgen spannendere Kapitel bald ;) Bis dahin würde ich mich über eure ersten Gedanken freuen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, wird die Nachtschattendame noch da sein, wenn Ohnezahn zurückkommt?
Oder ist sie bis dahin verschwunden?
Hm ... Die Antwort wird´s wohl erst im nächsten Kapitel geben. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  Lunaria-the-Hedgehog
2020-05-31T09:16:03+00:00 31.05.2020 11:16
Ohh
die Arme

Bekommt sie später auch eine Reiterin?
Wenn ja darf ich dich mal was fragen?

Dürfte ich vielleicht ihre Reiterin sein?

Antwort von:  tears-girl
05.06.2020 15:56
Hallo :)
Erst einmal vielen Dank für dein Review. Hat mich echt gefreut. :)
Also zu deinen Fragen:
Ich habe geplant aus der Geschichte eine Trilogie zu machen. Ich will jetzt nicht zu viel verraten, aber im ersten Teil wird sie "wild" bleiben. Danach ... wer weiß? ;) Aber ich kann leider nicht darauf antworten, ohne ein paar Spoiler zu Teil 2 und/oder Teil 3 zu liefern. Tut mir leid. Aber ich kann sagen, ich hab schon alles mehr oder weniger komplett durchgeplant.
Trotzdem noch viel Spaß bei der Story.
lg tears-girl :)
Von:  Lunaria-the-Hedgehog
2020-05-31T09:00:00+00:00 31.05.2020 11:00
Ôh mann~
Wie geil deine Story ist^^

Rotzbakke ist so ein Idiot
^^

mach weiter so


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