Schattensaphir von tears-girl ================================================================================ Kapitel 5: Pläne schmieden -------------------------- Sterne glitzern am Himmel und der Mond erleuchtet den Wald. Leise schleiche ich durch die Bäume. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit ein Licht am Ende des Waldes gesehen. Es schien orange zu leuchten und erhellte den Rand des Waldes. Das Licht sah warm und einladend aus. Und da ich zu neugierig bin, kann ich nicht wiederstehen. Trotzdem bleibt ein Gefühl zurück, dass es eine Falle der Menschen sein könnte. Ich steuere darauf zu, achte aber auf jedes Geräusch und zucke bei jedem Knacken der Zweige zusammen und bereite einen Plasmastrahl vor. Mein Flügel ist noch immer verletzt und geschwollen und in meinem Magen herrscht gähnende Leere. Ich habe noch immer nichts Essbares gefunden. Außerdem verlassen mich bereits die Kräfte und auch der Mut sinkt gleichzeitig. Der Skrill wird irgendwann zurückkommen und mich finden. Ich hatte ein paar Zwischenfälle, in denen ich daran gezweifelt habe, ob es sich lohnt zu fliehen. Vielleicht sollte ich mich einfach fangen lassen. Doch dann habe ich das Licht entdeckt und ein kleines Hoffnungslicht ist aufgegangen. Und da habe ich beschlossen nicht aufzugeben! Ich werde nie wieder zulassen, dass man so mit mir umgeht. Auch wenn der Skrill jede Minute kommen könnte und mich mitschleppen. Aber ich werde nicht kampflos aufgeben. Nie wieder gehe ich zurück in den Käfig! Lieber möchte ich im Kampf sterben, als mich kampflos einem Leben aus Folter zu ergeben. Am Rand des Waldes, auf einer Klippe, enden die Bäume und eine weite Wiese erstreckt sich vor mir. Mein Blick wandert über die Klippen, über die Wiese bis hin zu der Quelle der orangen Lichter. Viele Hütten stehen dort verteilt, dazwischen mehrere Fackeln, dessen Feuer das orange Licht erzeugt. Unschlüssig sitze ich mit gespitzten Ohren da und betrachtet überlegend das Dorf. Unter der Klippe schlagen die Wellen gegen die Felsen und leise Drachengeräusche kommen aus dem Dorf. Werden dort auch Drachen gefangen gehalten? Ein kalter Schauer lässt mich zittern. Aber die Drachen klingen nicht gefangen. Vielleicht sind die Menschen ja nicht gemein. Vielleicht sperren sie Drachen nicht in Käfige und ketten sie fest. Vielleicht zwingen sie sie nicht für sie Tag für Tag zu arbeiten und bestrafen die Drachen, wenn sie etwas falsch machen oder wenn sie einfach Lust dazu haben. Aber das ist unmöglich. Menschen sind grausame, selbstsüchtige Geschöpfe, die Drachen niemals als Freunde ansehen werden. Das Knurren meines Magens unterbricht meine Gedanken. Ich muss bald etwas essen. Im Dorf gibt es bestimmt was zu essen. Wenn ich leise bin, kann ich vielleicht etwas finden. Zögernd verlasse ich den sichereren Wald und gehe geduckt und mit angelegten Flügeln und Ohren am Rand der Klippe entlang über die Wiese. Ganz wohl fühle ich mich bei meinem Vorhaben nicht. Aber habe ich eine andere Wahl? Wenn ich nicht verhungern möchte, muss ich schnell etwas essen. Und das Menschendorf zu plündern ist die einfachste Lösung. Außerdem haben die Menschen es verdient, dass sie weniger zu essen haben. Eine Wolke schiebt sich vor den Mond und verhüllt alles in Schwärze. Nur die Fackeln spenden Licht und lassen Schatten tanzen. Desto näher ich dem Dorf komme, desto mehr unterschiedliche Drachen kann ich hören und mehr vom Dorf erkennen. Es gibt Drachen im Dorf, aber sie sind weder gefesselt noch in Käfige. Unsicher verstecke ich mich hinter dem nächsten Haus und spähe verwirrt um die Ecke. Auf den Dächern sitzen Tödliche Nadder nebeneinander und scheinen zu schlafen, Gronckel liegen zusammengedrängt neben einem Turm, wo oben eine große Schale liegt mit einem knisternden Feuer darin. Vor einem Haus ist eine Art Käfig gebaut worden, nur, dass der Käfig aus Holz besteht und auf einer Seite offen ist, sodass der blaue Tödliche Nadder darin jederzeit gehen kann. Verunsichert bleibe ich stehen und weiß nicht was ich tun soll. Mein ganzes Leben habe ich Drachen eingesperrt und versklavt gesehen. Aber hier sind die Drachen frei, haben bequeme Ställe und können sich frei bewegen. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich bin so verwirrt, bleibe lieber in Sicherheit der Schatten verborgen und beobachte das schlafende Dorf. Oder ist das nur eine Fassade? Wenn die Drachen ihnen vertrauen, dann schlagen die Menschen bestimmt erst zu. *Das ist sicher eine Falle!* Das klingt realistischer wie ein Dorf voll mit Menschen, die mit Drachen friedlich Seite an Seite leben. Eine rasche Bewegung erregt meine Aufmerksamkeit. Ein Schrecklicher Schrecken huscht über den Marktplatz und schlüpft in eine Scheune, dessen Doppeltür einen Spalt offensteht. Kurze Zeit später kommt er mit einem Fisch im Maul wieder heraus und verschwindet zwischen den Häusern. Interessiert verfolge ich ihn mit den Augen, die Ohren aufmerksam gespitzt. *Dort gibt’s Fische!* Beim Gedanken an was zu essen, knurrt mein Magen. Meine Pupillen sind geweitet, sodass ich gut in der Dunkelheit sehen kann. Wenn ich mich jetzt hinter den Häusern versteckt halte und den Fackeln aus dem Weg gehe, könnte ich unbemerkt zur Scheune gelangen. Entschlossen und angestachelt vom Hunger hebe ich den Kopf und prüfe die Luft. Der Geruch nach Fisch und Fleisch liegt in der Luft, die Quelle ist der Schuppen. Aufmerksam prüfe ich die Umgebung. Jetzt nur keinen Fehler erlauben. Aber ich kann keine Menschen erkennen. Ob sie alle schlafen? Das ist schwer zu glauben. Irgendwo verstecken sich bestimmt welche und warten auf ahnungslose Drachen, die sich unvorsichtig der Falle nähern. Aber der Hunger ist zu groß. Ich muss es wagen. Als sich nichts bewegt schleiche ich geduckt hinter das nächste Haus und spähe um die Ecke. Im Schatten sollte ich gut verborgen sein, dank meiner schwarzen Schuppen. Ich schleiche zum nächsten Haus, das neben der Essenskammer steht. Der Futtergeruch ist hier stärker. Wieder knurrt mein Magen und ich muss den Drang unterdrücken ohne Vorsicht in die Scheune zu springen, um endlich fressen zu können. Wenn es wirklich eine Falle ist? Aber dem Schrecklichen Schrecken ist auch nichts passiert. Also wage ich es. Ich atme einmal tief ein und aus und schleiche dann zur Tür. Nach einem kurzen Blick auf den Marktplatz strecke ich meine Schnauze in den Spalt und schupse die Tür weiter auf. Schnell schlüpfe ich hinein und verschwinde darin. Im Inneren sind rechts und links Regale angebracht worden. Auf diesen sind Kisten mit Gemüse nebeneinandergestellt worden. Gemüse ist nicht unbedingt mein Lieblingsfutter. Außerdem stehen auf der anderen Seite weitere verschlossene Kisten, aus denen der intensive Geruch nach Fleisch kommt. Unter den Regalen reihen sich Fässer mit Fischen aneinander. Gegenüber der Tür ist unter dem Dach ein Fenster, durch das Mondlicht scheint und ein blaues Quadrat auf den Boden malt. Der Geruch hier in der Scheue lässt mir das Wasser im Maul zusammenlaufen. Etwas überrumpelt von dem ganzen Essen bleibe ich vorerst im Gang stehen und blicke von einem Fass zum nächsten. Dann springe ich vor, werfe eines der Fässer mit der Pfote um, wobei die Eisenkette klirrt und beginne gierig die auf dem Boden verstreuten Fische zu verschlingen. „Was!?“ „Es ist wahr.“, berichtet Hicks aufgeregt. „Es gibt einen zweiten Nachtschatten auf Berk!“ Früh am nächsten Tag erzählt Hicks seinen Freunden von den Krallenspuren in der Rinde. Sie stehen in der Akademie und hören gespannt zu. Rotzbakke, der neben dem Eingang lehnt, hat ungläubig die Arme verschränkt. „Ein Nachtschatten. Na klar, Hicks. Du willst dich doch nur für gestern rächen!“ „Was war denn gestern?“, fragt Raffnuss verwirrt und gibt ihrem Bruder einen Schups, sodass er über eine Kiste fällt und auf dem Boden landet. „Nein, Rotzbakke. Das ist wahr.“, erklärt der Häuptlingssohn. „Deshalb war Ohnezahn gestern auch so aufgeregt. Er wollte mir zeigen, was er gefunden hat.“ „Das ist ja fantastische, Hicks!“, meint Astrid. „Wenn es wirklich einen zweiten Nachtschatten gibt, bedeutet das, dass Ohnezahn nicht der letzte ist.“ „Ja.“ Hicks sieht zu seinem Drachen hinüber, der am Klippenrand steht und mit gespitzten Ohren in den Wald sieht. „Aber Hicks.“, mischt sich Fischbein ein. „Wenn es wieder ein Trick ist? Du weißt doch, dass Alvin es schon einmal versucht hat. Mit einem ähnlichen Trick.“ Hicks sieht nachdenklich nach unten. „Hm. Da hast du Recht.“ „Stimmt. Alvin hat das letzte Mal sogar eine Karte gezeichnet. Vielleicht versucht jetzt jemand was Ähnliches.“ Astrid verschränkt die Arme. „Armer Ohnezahn. Es wäre bestimmt toll für ihn, wenn es wirklich einen zweiten Nachtschatten gäbe.“ „Aber ich glaube, dass es dieses Mal wirklich einen Nachtschatten da draußen gibt.“, sagt Hicks zuversichtlich. „Ohnezahn wäre doch sonst nicht so aufgeregt. Ich kenne ihn.“ „Na gut, Hicks. Nehmen wir an, dass es tatsächlich einen zweiten Nachtschatten gibt, wo könnten wir ihn vermutlich finden?“, fragt die Wikingerin. „Fischbein?“ Hicks gibt die Frage weiter. Der etwas „kräftigere“ Wikinger setzt sein Nachdenkgesicht auf und murmelt: „Vermutlich versteckt er sich irgendwo in einer Höhle. Oder er hat Hunger und jagt gerade. Oder er schläft und kommt nur nachts raus.“ „Oder“, mischt sich Rotzbakke ein und kommt zu der Gruppe. „Oder er ist schon weggeflogen, weil er gesehen hat wie viele dumme Wikinger es in diesem Dorf gibt.“ Er lacht über seinen eigenen Witz. „Du redest von dir, oder Rotzbakke?“, fragt Astrid den Jungen. Dieser nickt. „Natürlich.“ Dann bekommt er ein verwirrtes Gesicht. „Moment, was?“ „Damit hat er aber nicht ganz Unrecht. Natürlich könnte der Nachtschatten auch weitergeflogen sein.“, überlegt Fischbein. „Dann müssen wir hoffen, dass er noch hier ist.“, entscheidet Hicks. „Und ihn trainieren.“, fügt Fischbein hinzu. „Frage.“ Taffnuss komm wankend auf die Freunde zu. Mit einer Hand reibt er sich den Kopf und in der anderen hält er seinen Helm. „Wenn wir den Nachtschatten gefunden haben, erhebe ich Anspruch darauf sein Trainer zu sein.“ Dann senkt er die Stimme und hält sich eine Hand vor den Mund, sodass eine Mauer zwischen ihm und seiner Schwester entsteht. „Ich kann nicht länger mit einem Mädchen fliegen. Au!“ Raffnuss hat ihm eine Kopfnuss verpasst. „Das Mädchen will auch nicht länger mit dir fliegen. Außerdem wäre ich eine viel bessere Trainerin für einen Nachtschatten.“ „Leute. Leute!“, versucht Hicks die Zwillinge davon abzuhalten aufeinander los zu gehen. „Niemand bekommt den Nachtschatten. Wir haben alle schon einen Drachen und wir wissen noch nicht einmal, wo er überhaupt ist. Vielleicht ist er ja wirklich schon weitergeflogen.“ „Hicks!“ Ein Wikinger kommt durch den Eingang gestolpert und lehnt sich nach vorne, um wieder Luft zu bekommen. „Der Weg ist einfach viel zu weit um zu Fuß zu gehen.“, murmelt er. Hicks geht ihm entgegen. „Ist irgendetwas passiert?“ Der Wikinger richtet sich auf, seine Wangen sind gerötet vom Laufen. „Dein Vater sucht dich. Er wartet bei der Vorratsscheune auf dich. Anscheinend hat irgendein Drache sie letzte Nacht ausgeraubt.“ „Was?“, fragt Astrid und klettert in den Sattel von Sturmpfeil. „Wirklich? Bist du dir sicher, dass es ein Drache war?“, fragt Hicks nach. „Auf jeden Fall sind überall Kratzspuren und die Körbe sind zerstört.“, berichtet er. „Oh, Thor. Was ist jetzt wieder los?“ Hicks setzt sich auf Ohnezahn und die Gruppe macht sich auf den Weg ins Dorf. Nach dem köstlichen Mitternachtssnack letzte Nacht setze ich jetzt meinen Weg weiter fort. Ich gehe vorsichtig durch den Wald. Mein Magen ist jetzt angenehm voll und deshalb suche ich nun einen sicheren Ort, wo ich mich vor dem Skrill verstecken und mich ausruhen kann. Die Sonne steht warm am Himmel und vereinzelte weiße Wolken ziehen vorbei. Ein Donnertrommler schreit irgendwo im Meer und ein zweiter antwortet ihm. Der Wind lässt die Blätter rascheln und leise höre ich das rauschende Geräusch eines Flusses vor mich. Durstig mache ich mich instinktiv auf den Weg und schlängele mich durch den Wald. Meine Flanke streift einen Farn und vor Schreck zucke ich zusammen und drehe mich schnell um. Als ich bemerke, dass es nur eine harmlose Pflanze ist, atmete ich erleichtert aus. Hoffentlich hat das niemand gesehen. Und wo muss ich jetzt lang? Der Farn ist schuld, dass ich meinen Kurs verloren habe. Ich recke die Nase in die Luft. Jetzt kann ich das Wasser wieder riechen und plätschern hören. Also mache ich mich weiter auf den Weg und entdecke kurz darauf eine Lichtung durch die ein schmaler Fluss fließt. Schnell humpele ich ans Ufer und beginne zu trinken. Die kühle Flüssigkeit gibt mir neue Kraft und ich fühle mich gleich besser. Ich könnte mir vorstellen hier zu bleiben. Wenn mich keiner jagen würde. Wenn nicht die Gefahr bestünde, dass ich zurück in einen Käfig muss. Wenn ich nicht von den Menschen im Dorf erwischt werden würde. Wenn ich nicht täglich Angst haben müsste. Es spricht doch so viel dagegen. Als ein Busch hinter mir raschelt erweckt er meine Aufmerksamkeit und ich drehe mich so hin, dass ich die Quelle des Geräusches sehen kann. Ein braunes Tier mit bösen Augen und großen Stoßzähnen kommt aus dem Unterholz getrottet. Das Wildschwein beobachtet mich mit einem kampflustigen Blick und lässt mich nicht aus den Augen, während es näherkommt und bedrohlich grunzt. Ich mache einen Buckel und gehe langsam rückwärts. Mein Herz beschleunigt meinen Puls und ich halte angespannt den Atem an. Auch ich lasse das Tier nicht aus den Augen. Ich habe noch nie ein Wildschwein gesehen, weiß aber instinktiv, dass sie sehr gefährlich sein können. Meine Pupillen formen sich zu Schlitzen. Ich hätte gerne meine Flügel noch ausgebreitet, um bedrohlich auszusehen, aber die Verletzung lässt das nicht zu. Also müssen die Zähne und Klauen reichen. Plötzlich quiekt das Wildschwein und stürmt in überraschend schnellem Tempo auf mich zu. Hinter ihm wirbeln Erde und Steinchen durch die Luft. Das Tier schnaubt und steuert meinen Kopf an. Ich weiche noch weiter zurück und bereite einen Plasmaschuss vor. Dann ziele ich auf das Wildschwein und schieße auf ihn als es nur noch wenige Meter von mir entfernt ist. Es wird getroffen und fliegt, wie die Erde zuvor, durch die Luft und landet mit einem dumpfen Geräusch am Boden. Verschreckt quiekt es, rappelt sich auf und rennt schnell zurück in den Wald. Triumphierend sehe ich ihm noch so lange nach, bis die Farne sich nicht mehr bewegen. Dann entspanne ich mich wieder und trinke noch einmal. Als ich meinen Kopf wieder hebe lasse ich meine Augen über die Lichtung schweifen. *Hier kann ich nicht bleiben. Man würde mich zu leicht entdecken.* Nach kurzem Zögern entschließe ich mich dazu über den Fluss zu springen und auf der anderen Seite weiter zu gehen. Vor mir ragt der Berg auf und genau darauf steuere ich zu. Wo ein Berg ist, da sind auch Höhlen. Und in einer Höhle kann man sich ausruhen und verstecken. Leise folge ich einem verschlungenen Pfad durch den Wald und erreiche endlich den Fuß des Berges. Wie eine bedrohliche Mauer erstreckt er sich zum Himmel empor. Neben dem Berg fühle ich mich wie ein Schrecklicher Schrecken. Ich gehe ein Stück weiter am Berg entlang, bis ich einen Spalt zwischen den Felsen erkenne. Leichtfüßig springe ich auf einen der Felsen, wobei ich mein Hinterbein mit der Kette nicht belaste und schnuppere am Eingang. Nur der leichte Geruch von Schrecklichen Schrecken und Gronckel ist zu finden. Leise springe ich auf der anderen Seite des Felsens in den Gang und folge ihm, die Ohren aufmerksam gespitzt und die Augen geweitet. Vor jeder Kurve halte ich inne und spähe zuerst vorsichtig in den nächsten Gang hinein. Die Wände links und rechts werden immer Höher und scheinen bald das Tageslicht auszuschließen. Manchmal wird der gewundene Pfad schmäler, sodass meine Flügel die Wände berühren und ich vor Schmerz die Zähne zusammenbeißen muss, oder der Weg ist so breit, dass ich gemütlich hindurchgehen kann. Plötzlich ragt vor mir eine Wand aus einzelnen Felsbrocken in die Höhe, die vermutlich von einem Erdrutsch dort aufgetürmt wurde. Unentschlossen, ob ich darüber klettern soll oder umkehren, bleibe ich davorstehen und betrachte die Wand. Mit gesenktem Kopf untersuche ich die Felsen nach Gerüchen, die Gefahr bedeuten könnten oder wie ich hier weiterkomme. *Es muss noch einen anderen Weg geben.* Suchend hebe ich den Kopf wieder an und sehe mich um. Ich springe auf einen der unteren Felsen und gehe zur Klippenwand. Versteckt hinter einem Felsen, sodass der Eingang schwer zu erkennen ist, führt ein Loch in die Felswand hinein. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass kein anderer Drache darin ist, werfe ich noch einmal einen Blick über die Schulter, ob mich jemand beobachtet und schlüpfe dann hinter den Felsen. Das könnte ein gutes Versteck sein. Wenn der Eingang schon versteckt liegt, wäre es von der Luft aus bestimmt kaum zu erkennen. Im Inneren ist es Dunkel und ich kann nur so weit sehen, wie das Tageslicht in die Höhle hineingeht. Aber da ich ein Nachtschatten bin, macht mir die Dunkelheit nichts aus. Ich kann bis in die hinterste Ecke der kleinen Höhle sehen und gehe dann bis zum Ende, das eine Kuppel formt. Am hinteren Teil rolle ich mich zusammen und sehe aus dem Eingang nach draußen. Von hier aus kann ich den Rand der Klippe gegenüber sehen, auf der ein Baum wächst, dessen Äste im Wind hin und her tanzen. Nur kurz ausruhen. Dann muss ich weiter. „Hallo, Vater.“, grüßt Hicks während er mit Ohnezahn auf dem Markplatz landet. „Jetzt sieh dir das an.“, sagt der Häuptling und deutet mit einer Hand auf die Vorratsscheune. Die Tür steht offen und innen kann man viele umgeworfene Fässer, zerstörte Körbe und verstreute Essensreste sehen. „Irgendein Drache hat sich heute Nacht aus unserer Vorratsscheune bedient. Und jetzt haben wir nichts mehr zu essen!“ „Ich hab schon Mangelerscheinungen, weil ich das Frühstück auslassen musste.“, beklagt sich Grobian, der neben Haudrauf steht. Wie um seine Aussage zu unterstreichen knurrt sein Magen. „Kein Drache auf Berk würde die Vorratskammer plündern.“, versichert Hicks. „Das muss ein wilder Drache gewesen sein.“ Haudrauf verschränkt die Arme. „Dann finde diesen Drachen und sorge dafür, dass so was nie wieder vorkommt.“ „Und sagt am besten niemanden was davon.“, bemerkt Grobian. „Die Wikinger reagieren nicht gerade erfreut darauf zu hören, dass ihr gesamten Essen weg ist.“ „Alles klar. Sie können sich auf uns verlassen.“, versichert Astrid. Haudrauf nickt und geht mit Grobian zur großen Halle davon. „Na kommt, dann sehen wir uns mal den Tatort an.“, meint Hicks und geht, gefolgt von seinen Freunden, in die Scheune. Rotzbakke drängelt sich vorbei und kniet sich vor einen Fisch. „Nein. Mein Lieblingsfisch. Den klaue ich mir doch immer vorm Schlafengehen. Ich meine, den esse ich am liebsten, wenn ich ihn haben darf.“, verbessert er sich und schleicht sich rückwärts aus der Scheune. Mit dem Rest Fisch in der Hand. „Wieso darf ein Drache so ein Chaos veranstalten?“, fragt Raffnuss. „Und wir nicht?“, fügt ihr Bruder hinzu. „Das nächste Mal machen wir das und schieben es auf die Drachen.“, flüstert er seiner Schwester ins Ohr, beide fangen an hinterhältig zu kichern. „Hm.“ Hicks kniet sich auf den Boden und betrachtet den zerstörten Korb. Dann steht er auf und sieht die Krallenspuren in den Balken, die das Dach stützen. „Die sehen so aus, wie die Spuren die Ohnezahn im Wald gefunden hat.“ „Heißt das, dass der Nachtschatten hier im Dorf war?“, fragt Astrid. „Dann ist er doch noch nicht weggeflogen.“, stellt Fischbein fest. „Zum Glück. Jetzt können wir einen zweiten Nachtschatten in unser Team aufnehmen!“ „Aber wenn er noch hier ist, dann müssen wir ihn schnell finden, bevor mein Vater von der Sache Wind bekommt.“, entgegnet Hicks besorgt. „Er wäre bestimmt nicht erfreut darüber zu hören, dass ein wilder Nachtschatten unser Vorratslager plündert.“ „Und was schlägst du vor?“, möchte die Wikingerin wissen und verschränkt die Arme vor der Brust. „Warum fragt uns nie jemand was wir vorschlagen?“, fragt Raffnuss schmollend. „Und wir hätten wunderbare Vorschläge.“, stimmt Taffnuss zu. Hicks, Astrid und Fischbein sehen die Zwillinge auffordernd an. Aber gleichzeitig glaubt keiner von ihnen daran, dass die zwei Geschwister eine brauchbare Idee zusammenbekommen. „Na dann, Raff, Taff, was wäre euer Vorschlag?“, gibt Hicks ihnen die Chance. Überrascht blinzeln die Geschwister in die Runde. Schließlich ergreift Raffnuss das Wort: „Meinst du das ernst? Klasse!“ „Also“, fährt ihr Bruder fort. „Wir haben uns gedacht, dass wir zuerst ein Netz brauchen. Dann noch ein Versteck, ein Fass, einen Fisch und einen Besen.“ „Wir verstecken uns in einem Fass …“, beginnt Raffnuss zu erklären wie der Plan ablaufen sollte. „… vor uns liegt ein großer, dicker Fisch. Nicht so ein magerer, dünner Fisch. Den würde doch kein Drache anrühren.“ „Den würden wir noch nicht einmal anrühren.“ Raffnuss schaudert angeekelt und fährt dann fort: „Jedenfalls, der Fisch ist der Köder und wenn der Nachtschatten kommt werfen wir das Netz auf ihn und zwingen ihn alles wieder aufzuräumen. Mit dem Besen!“ Stolz auf ihre Idee verschränken sie die Arme und verbeugen sich. Aber der Applaus bleibt aus. Die Zuschauer sehen eher verwirrt und doch nicht verwundert aus. Sie sind es schon gewohnt, dass die Zwillinge so sind. „Tolle Idee.“, meint Fischbein. „Damit könnt ihr vielleicht einen Schrecklichen Schrecken fangen.“ „Ja, und der würde euch den Besen auf die Helme schlagen.“, ergänzt Astrid. Hicks hat nur halb zugehört und betrachtet die zerstörten Fässer und Holzbalken. „Teilweise kann man ihre Idee verwenden.“, beginnt Hicks und richtet sich wieder auf. Verwunderte Gesichtsausdrücke stehen jetzt vor ihm. „Wir füllen die Fässer wieder mit Fischen und richten alles wieder so her wie es vorher war.“ „Na toll. Jetzt müssen wir hinter dem Drachen aufwischen.“ Taffnuss lässt demonstrativ die Arme hängen. „Dann ist der Besen doch überflüssig.“, meint Raffnuss und ist enttäuscht, dass ihr Plan nicht mehr funktioniert. „Jedenfalls, wenn der Nachtschatten heute wieder kommt um Fische zu fressen, dann warten ein paar von uns hier versteckt und überraschen ihn, wenn er hereinkommt. Der Rest von uns wartet draußen.“ Während Hicks ihnen den Plan erklärt, kommt irgendwann auch Rotzbakke dazu und Hicks muss wieder von vorne beginnen. Den Rest des Tages verbringen die jungen Drachenreiter damit, alles für die Nacht vorzubereiten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)