Schattensaphir von tears-girl ================================================================================ Kapitel 3: Einfach nur weiter ----------------------------- Blinzelnd öffne ich meine Augen. *Wo bin ich?* Vor mir zeigt sich eine kleine Lichtung, umringt von Büschen und Bäumen. An einer Seite fällt die Lichtung steil zu einer Klippe ab, wo am Ende Wellen dagegen schlagen, die ich hören kann. Die aufgehende Sonne spiegelt sich im Meer und lässt die Oberfläche glitzern. Schmerzhaft erinnert mich mein Körper daran, was letzte Nacht passiert ist. Ich hebe meinen Kopf und schüttele ihn von Ästen und anderen Dingen frei. Dann drehe ich mich auf die Seite, wobei die Äste, Zweige und Nadeln von mir fallen. Anschließend breite ich den linken Flügel aus und lasse die Dinge auf den Boden rieseln. Jetzt fehlt nur noch das was am meisten schmerzt. Mit den Zähnen packe ich den Ast, der auf meinem rechten Flügel liegt und werfe ihn mit einer schnellen Kopfbewegung über die Klippe, wo er mit einem Platsch im Meer verschwindet. *Hoffentlich ist mein Flügel nicht verletzt.* Langsam versuche ich den Flügel zu bewegen und kreische sofort vor Schmerzen auf. Ich kneife die Augen zusammen und presse die Zähne aufeinander. Vorsichtig drehe ich meine Schnauze und schnüffele an der Stelle, wo es am meisten weh tut. Eine Beule hat sich dort gebildet und eine rötliche Färbung ist deutlich auf dem schwarzen Schuppenkleid zu sehen. *Na toll. Und was jetzt?* Niedergeschlagen seufze ich und lege den Kopf auf die Pfoten. Wie soll ich jetzt fliegen können? Der Skrill wird bestimmt zurückkommen und wenn ich nicht vor ihm flüchten kann, bringt er mich zurück in den Käfig. Zurück zu dem trostlosen und hoffnungslosen Ort. Zurück zu einer Reihe von Folterungen. Und dort will ich nie wieder hin! Mit zitternden Beinen richte ich mich auf und lege vorsichtig und langsam die Flügel an. Dabei beiße ich die Zähne zusammen, halte den Schmerz aber aus. Langsam verebben die Schmerzwellen und ein gleichmäßiges Pochen breitet sich aus. Die Kette raschelt an meinem Bein und erinnert mich an das, was mich erwartet, wenn die Menschen und ihre Drachen mich finden. Hier kann ich nicht bleiben. Ich muss hier weg. Schon nach dem ersten humpelnden Schritt knurrt mein Magen. Eine Leere in meinem Bauch erinnert mich daran, dass ich schon seit Tagen nichts mehr zwischen den Zähnen hatte. Wenn man den Ast nicht mitzählt. Aber wie soll ich nur Fische fangen, wenn ich nicht einmal mehr fliegen kann? Egal. Darum kümmere ich mich später. Jetzt muss ich erst einmal weiterkommen. Humpelnd mache ich mich auf den Weg. Langsam schlängele ich mich an den Bäumen vorbei und weiche Büschen und Sträuchern aus. Nach ein paar Metern bleibe ich überrascht stehen. Meine Nase zuckt und zeigt mir die Stelle, an der der Geruch am stärksten ist. Es riecht so, als wäre ein Drache hier gewesen, während ich geschlafen habe. Ein panischen Kribbeln macht sich in mir breit. Haben sie mich etwa schon gefunden? Aber wieso haben sie mich nicht gleich mitgenommen? Wahrscheinlich wollen sie mich in eine Falle laufen lassen. Aber so dumm bin ich nicht. Also drehe ich mich wieder um und gehe in eine andere Richtung davon. Hoffentlich ist das der Weg weg von Menschen und Drachen. Auf der Flucht erreiche ich nach einiger Zeit einen schmalen Bach. Ich bleibe am Ufer stehen, drehe aufmerksam den Kopf in alle Richtungen und kontrolliere den Himmel. Aber nachdem alles ruhig bleibt kauere ich mich bequemer auf den Boden und senkt den Kopf, bis meine Schnauze das Wasser berührt. Gierig trinke ich schnell ein paar große Schluck Wasser. Ich fühle mich nicht sicher, wenn ich zu lange auf einem Fleck stehen bleibe. Ein müder und kränklicher Drache starrt mich aus dem Bach heraus an. Die blauen Augen sind trüb und die schwarzen Schuppen matt und mit Wunden übersät. So sehe ich aus? So kaputt? Mit tropfender Schnauze wende ich mich von dem fröhlich plätschernden Bach und meinem Spiegelbild ab und gehe weiter durch die fremde Umgebung. Unterwegs lecke ich mir ein paar Mal über die Lippen, um die Wassertropfen zu entfernen und lasse die Ohren aufmerksam gespitzt. Jede Stunde bewege ich meine Flügel, zucke aber jedes Mal wieder zusammen. Es wird wohl eine Weile dauern, bis ich wieder fliegen kann. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Jetzt bin ich dem Skrill noch hilfloser ausgeliefert als ich es vorhin schon war. Ein Drache der nicht fliegen kann, kann auch nicht fliehen. Der letzte Funken Hoffnung, den ich hatte, erlischt gerade. Die Sonne setzt ihre Reise über den Himmel fort und ist fast am Ende des Horizonts angelangt. Meine Lunge brennt vor Erschöpfung. Ich bin es nicht gewohnt lange zu laufen und ganz gesund bin ich bestimmt auch nicht. Ein Rascheln im Unterholz schreckt mich aus meinen Gedanken auf. Sofort bleibe ich stehen, hebe ein Vorderbein, bereit um zu flüchten und strecke den Kopf nach oben, um besser sehen zu können. Ein Busch beginnt zu rascheln und die Zweige bewegen sich. Gespannt starre ich den Strauch an und wage es nicht mich zu bewegen. Das Rascheln wird lauter, Schritte sind zu hören und ein leises Schnauben. Plötzlich teilt sich der Busch und ein Schrecklicher Schrecken mit roten Schuppen kommt herausgesprungen. Erleichtert atme ich aus, lasse die Pfote wieder sinken und entspanne mich langsam. Mein Herz beruhigt sich ebenfalls und schlägt ruhiger gegen die Brust, aber immer noch nicht entspannt. Es wird wohl nie wieder entspannt schlagen können. Aber das hat es auch noch nie. Bestimmt weiß mein Herz gar nicht, wie man sich entspannt. Genauso wie der Rest meines Körpers. So lange ich denken kann, bin ich immer mit Angst aufgewacht und mit Panik und neuen Wunden eingeschlafen. Der kleine Drache blickt neugierig zu mir auf und atmet meinen Geruch ein. Interessiert kommt er näher geflattert und landet auf einem niedrigen Ast über mir. Der kleine Drache legt den Kopf schief und betrachtet mich. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus und ich lege die Ohren an. Es gefällt mir nicht, von dem Schrecklichen Schrecken angestarrt zu werden. Ich lasse den Blick auf den Boden sinken und lege die Flügel noch enger an, wobei ich schmerzhaft zusammenzucke, was ich natürlich zu unterdrücken versuche. Leider gelingt es mir nicht wie geplant. Mit einem hellen Schrei stürmt ein zweiter Schrecklicher Schrecken vom Himmel und rammt den Roten. Beide fallen vom Baum und landen auf dem Boden. Keiner der Beiden kümmert sich mehr um mich. Sie sind zu sehr mit ihrem Spiel beschäftigt und rangeln spielerisch über den Waldboden. Unschlüssig betrachte ich die beiden eine Weile. Schließlich nutze ich die Gelegenheit und schleiche mich schnell davon. Hinter einer Baumreihe entdecke ich, am Rand der Klippe, einen großen, mit Moos bedeckten Felsen. Daneben stehen zwei dichte Tannen und bilden einen überdachten, schattigen Platz zum Verstecken. Humpelnd mache ich mich auf den Weg und senke den Kopf um nach Geruchsspuren zu suchen. Aber ich finde keine, die verdächtig wären. Nur eine Spur Wildschwein und die Schrecklichen Schrecken. Dann drehe ich mich ein paar Mal um mich selbst und lege mich dann, an den Stein gelehnt, ins Gras. Meinen Schwanz rolle ich zu meinem Kopf und vergrabe meine Schnauze unter der Schwanzflosse. Zum Glück ist diese bei dem Sturz unbeschadet geblieben. Ein geschwollener Flügel verheilt schneller und leichter wie die verletzlichere Schwanzflosse. Die wäre vermutlich gerissen, wenn der Ast darauf gelandet wäre. Wie ein Schild versperrt die Flosse mein Gesicht vor dem Wald. Erschöpft, hungrig und müde schließe ich die Augen. Wenn ich ausgeruhter bin, komme ich schneller vorwärts. Wenn mich keiner entdeckt, während ich schlafe. Hoffentlich heilt mein Flügel schnell. Ansonsten liegen meine Fluchtchancen im einstelligen Bereich. Mit rasselndem Atem verfalle ich in einen traumlosen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)