Geschenkte Geschichten von Rosa-canina ================================================================================ Kapitel 3: Die Bienenprinzessin ------------------------------- Die Bienenprinzessin Es war einmal ein Königreich voll Blüten, regiert von einer weisen und schönen Königin. Dies war die Königin der Bienen, und sie wurde von ihrem Volk geliebt, denn sie regierte gerecht und ließ Milde und Umsicht walten, wo immer sie konnte. Ihr Leben hatte sie ihrem Volk gewidmet, und so sollte es auch die Prinzessin, ihre einzige Tochter, tun. Als die Königin merkte, dass ihre Kräfte schwanden und sie nicht viel länger zu leben hätte, rief sie ihre Vertrauten zu sich. Sie beauftragte die, die ihr am nächsten standen damit, die Prinzessin zu schützen und zu einer guten Königin zu erziehen. Sie ließ sich von der Amme das kleine Mädchen noch ein letztes Mal an ihr Bett bringen, küsste das schlafende Kind auf die Stirn, und schlief für immer ein. Die Trauer um die Königin war groß und im ganzen Land trug man noch lange Zeit schwarz. Die Prinzessin wurde im Schloss von den besten Soldaten bewacht, und die Berater und Vertrauten der toten Königin taten ihr bestes, um das Land weiter zu regieren. Sobald das Mädchen das rechte Alter erreicht hätte, so beschlossen sie, würde man sie zur neuen Königin krönen. Unter den Vertrauten der Königin jedoch war eine Frau, die nicht war, wie sie zu sein vorgab. Sie war in dem Glauben erzogen worden, eine entfernte Verwandte der Königsfamilie zu sein, welcher der Thron zustünde, sollte die Königin ohne mündige Erbin versterben. Und so schmiedeten diese Frau und ihre Familie den Plan, die Prinzessin aus der Welt zu schaffen. Statt dessen wollten sie erwirken, dass das Land nun von einer der Ihren regiert würde. Als die Amme der Prinzessin eines Abends neben dem Bettchen des Kindes einschlief, schlich die Frau in die Kammer und nahm das Kind fort. Sie gab es an einen gedungenen Mörder, der es weit fort bringen und dann töten sollte. Die Prinzessin sollte nie wieder gefunden werden. Als die Amme am nächsten Morgen neben dem leeren Bett erwachte, war die Sorge zu Recht groß. Man konnte nicht glauben, dass das Kind verschwunden war, war es doch so gut bewacht. Das ganze Schloss und die umliegenden Ländereien wurden durchkämmt, doch nirgends gab es eine Spur des Kindes. Im Schloss begann man, sich gegenseitig zu verdächtigen. Jeder Soldat glaubte, die anderen hätten ihre Wacht nicht ernst genommen. Jeder Bedienstete dachte, einer der anderen hätte das Kind aus der Wiege geraubt. Die meisten Verdächtigungen jedoch trafen die Amme, die nicht gut genug auf das Kindlein aufgepasst hätte. Schließlich sahen die Vertreter der Königin keinen anderen Weg, als die Amme für ihr Verfehlen in den Kerker zu werfen, und mit ihr alle Soldaten, die in jener Nacht Wache gehalten hatten. Der gedungene Mörder hatte sich jedoch bis zum Morgen mit dem Kind in einem vergessenen Stall versteckt und nutzt das Durcheinander, um unerkannt aus dem Schloss zu entrinnen. Wie geheißen wollte er die Prinzessin weit fort bringen, und ritt mit dem Kind im Arm los. Niemand wusste, wohin genau er zu reiten plante, es hatte niemanden interessiert. Er kam durch einige Städte, viele Dörfer und noch mehr Wälder, und bevor das Volk erfahren hatte, dass die Prinzessin entführt sei, erreichte er das Nachbarreich. Dort machte er Rast in einer Schänke am Straßenrand, und als er betrunken war vergaß er, dass er das Kind bei sich hatte und töten sollte. Während er seinen Rausch ausschlief fand der Schankwirt das kleine Bündel und brachte es seiner Frau. Die Kunde über die verschwundene Prinzessin hatte dieses Reich noch nicht vernommen, und es hätte auch niemand geglaubt, dass es sich bei diesem Findelkind um eine Kind königlichen Blutes handeln könnte. Als der Mörder wieder zu sich kam und merkte, dass das Kind nicht mehr bei ihm war, war ihm das nur recht. Der Wirt und seine Frau jedoch nahmen sich dem Mädchen an und zogen es auf, als wäre es ihr eigenes Kind. Sie hatten es lieb und versuchten ihm das Leben so schön wie möglich zu machen, besaßen aber nicht viel und waren nicht reich, und so musste das Kind, als es älter wurde, den Eltern in allen Dingen zur Hand gehen. Im Reich ihrer Mutter hingegen wurde das Leben schlecht. Die neue falsche Königin besaß keine der Tugenden, unter denen das Land einst erblüht war. Sie regierte kalt und eisern und ließ jeden, der Zweifel an ihrer Herrschaft äußerte hinrichten. Aus einst blühenden Landschaften wurde trockene Ödnis, das Volk litt Hunger. Während dessen lebte die Königin im Überfluss, denn von allem was das Land abwarf nahm sie sich den größten Teil. Niemand wagte, es laut auszusprechen, doch im Stillen hegte man ein klein wenig Hoffnung, dass die Prinzessin eines Tages zurückkehren und das Land befreien würde. Das Mädchen wurde älter ohne je von ihrer Herkunft erfahren zu haben. Sie lebte ein einfaches, aber glückliches Leben und es zeigte sich, dass die ein Händchen für alles Blühende hatte. Als sie eines Tages im Garten der Schänke nach dem Rechten sah, erblickte sie auf der Straße eine Gruppe zerlumpter Gestalten, die teils ohne Schuhe, teils ohne rechte Kleidung, aber alle ohne Hoffnung in den Augen des Weges kamen. Sie sah Kinder mit vor Hunger riesigen Augen und Frauen, die von Männern gestützt wurden, die kaum mehr Kraft aufbieten konnten. Da der Garten unter ihrer Pflege große Überschüsse einbrachte, bat das Mädchen ihre Eltern, der Gruppe etwas zu Essen geben zu dürfen. So kam die Gruppe ins Gasthaus und erzählte bei ihrem Mahl von den Schrecken im Nachbarreich. Das Mädchen lauschte mit Schrecken und in den folgenden Tagen sah sie immer häufiger größere und kleinere Gruppen, die über die Straße kamen. Und immer wieder berichteten diese Gruppen von den selben Untaten. Doch auch dieses Königreich konnte so viele hungrige Mäuler nicht satt bekommen, und so ließ der König verkünden, dass niemand mehr über die Grenze gelassen werden sollte. Als eines Abends ein letzter alter Mann in die Gaststätte kam, sagte er kurz vor seinem Aufbruch „Ach wenn doch die Prinzessin zurück käme.“ Das Leid im Königreich der Bienen wurde mit der Zeit nur schlimmer, und letztlich schwand dort jegliche Hoffnung je wieder von einer rechtmäßigen und gerechten Königin regiert zu werden. Doch die Amme, welche noch immer im Kerker des Schlosses saß, spürte, dass die Prinzessin lebte. Und so fasste sie den Plan, das Kind suchen zu lassen. Die Jahre vergingen auch für das Mädchen im Gasthaus und sie wuchs zu einer klugen und hilfsbereiten jungen Frau heran. Von Zeit zu Zeit dachte sie noch an das, was der alte Mann gesagt hatte. Auch sie wollte glauben, dass die Prinzessin noch lebte. Eines Tages, als sie gerade ihrer Arbeit im Haus nachging, landete ein Vogel am Fenster und ließ einige Beeren neben sie fallen. Der Vogel kam von da ab jeden Tag und brachte ihr immer wieder Beeren und andere Geschenke. Sie wunderte sich über das Zutrauen des Tieres, hatte sie dieses Verhalten doch noch nie bei einem wilden Vogel gesehen. Eines anderen Morgens fand sie einen Schmetterling in ihrer Kammer. Er war schwach und die Farben seiner Flügel waren blass, doch er lebte und sie hatte Hoffnung, dass sie ihm helfen könnte. Sie brachte Blumen in die Kammer und hoffte er würde aus ihren Blüten trinken und so wieder zu neuer Kraft kommen. Am Abend saß der Schmetterling noch immer an ihrem Fenster, doch es schien als ginge es ihm besser. Und so ging es einige Tage, sie brachte dem Schmetterling Blumen und freute sich über den Besuch des Vogels, und als sie eines Abends die Geschenke des Vogels in ihre Kammer brachte und den Schmetterling beobachtete, da steckte sie sich gedankenverloren eine der Beeren in den Mund. In der Nacht schlief sie unruhig und immer wieder tauchten Bilder von einem Schloss, einer leeren Wiege, einer Frau in einem dunklen Raum, und einer trostlosen Landschaft vor ihr auf. Am nächsten Morgen fühlte sie sich seltsam, und als wieder der Vogel neben ihr am Fenster landete, da konnte sie verstehen, was er sang. „Sie ist es!“, rief er, „Sie ist es!“ Und der Schmetterling flatterte in den schönsten Farben, die sie je gesehen hatte, neben ihm und auch er wisperte „Sie ist es! Sie ist die Prinzessin der Bienen!“ Das Mädchen verstand nicht, wie sie die verlorene Prinzessin sein könnte, war sie doch festen Glaubens die Tochter des Wirts und seiner Frau zu sein. Doch wie diese die Veränderung in dem Mädchen sahen und die Unsicherheit in ihren Augen lasen, konnten sie nicht anders und erzählten, wie sie sie gefunden hatten. So sehr sie sich auch freute, dass sie die Prinzessin war, die dem Bienenvolk die Hoffnung zurückgeben konnte, so wenig wusste sie, wie sie es anstellen konnte, den Thron von der Verräterin zurückzufordern. Sie hatte keine Unterstützung und keine Soldaten, sie konnte noch nicht einmal über die Grenze gehen. Sie würde vor dem König vorsprechen müssen und auf seine Hoffnung bauen. Der Weg in die Hauptstadt war lang, und sie war noch nie weiter als bis zum Markt von zu Hause fort gewesen. Und doch machte sie sich auf den Weg, und wie sie durch die Dörfer kam traf sie dort das Geflohenen des Bienenvolk wieder, welche sich an das Mädchen aus dem Gasthaus erinnerte und ihr Hilfe anboten, wo sie nur konnten. Nach drei Tagen und drei Nächten stand sie schließlich vor dem Palast des Königs, die Wachen jedoch durften sie nicht passieren lassen. Der König, so sagten sie, würde erst in einer Woche wieder Hof halten, und bis dahin könne sie nicht auf eine Audienz hoffen. Ratlos ging die Prinzessin an einen Brunnen, an dem sie sich niedersetzte um auszuruhen. Sie hatte kaum genug Geld für ein Zimmer in einer Herberge, doch umzukehren kam nicht in Frage. Sie lies den Blick schweifen und sah eine Frau, die mühsam ihren Garten umgrub. Die Frau trug den Arm in einer Schlinge und versuchte doch, dem Boden etwas abzuringen. Kurzentschlossen ging die Prinzessin zu der Frau und bot ihre Hilfe an. Die Frau nahm dankbar an, musste ihr jedoch mitteilen, dass sie für diese Hilfe nicht bezahlen könnte. „Ich möchte kein Geld,“ erklärte das Mädchen, „aber wenn du mir für ein paar Tage einen Schlafplatz geben könntest, wäre mir sehr geholfen. Ich brauche nicht viel, nur ein Dach über dem Kopf, bis ich mit dem König sprechen kann.“ Als nach einer Woche der König wieder Hof hielt begab sich die Prinzessin früh zum Palast, sie wollte bald gehört werden, damit sie mit der Erlaubnis des Königs über die Grenze gehen könnte. Doch beinahe jeder Mut verließ sie, als sie schließlich vortreten durfte. Der König war kein schlechter Mann, doch ihr kamen Zweifel, dass er ihr Glauben schenken würde. „Mein König,“ traute sie sich zu sagen, „ich erbitte nicht viel. Lasst mich nur die Grenze zum Königreich der Bienen passieren. Ein kleines Vögelchen hat mir gesungen, dass ich dort Gutes tun könnte.“ Die Mine des Königs ließ keine Regung erahnen als er sagte: „Soso, zu den Bienen willst du.“ Dann schwieg er eine Weile. „Ich könnte dir einen Geleitbrief ausstellen, schließlich hätte ich nicht viel zu verlieren. Du jedoch riskierst deine Freiheit und dein Glück. Was für ein König wäre ich, wenn ich dich in dein Verderben schicken würde?“ Das Mädchen musste also unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen. Als sie am Abend wieder in der Hütte der Frau am Feuer saß, da klopfte jemand an die Tür. Draußen stand eine Fremde. „Ich kann dir helfen.“, sprach diese, „lass mich nur ein, damit ichs dir erklären kann.“ Einige Tage später erreichten zwei Gestalten in langen Mänteln die Grenze. Die Wachen ließen sie passieren und in den Tagen darauf kamen die beiden Wanderer durch viele Wälder, einige verlassene Dörfer, leere Städte und vorbei an vielen kargen Feldern. Und je näher sie dem Schloss der falschen Königin kamen, desto trostloser wurden die Landstriche, kaum ein Dorf war mehr bewohnt. Das Schloss selbst allerdings erstrahlte in einer ungeahnten Pracht, bezahlt mit dem Leid jener, die vergebens auf die Gnade der Königin gehofft hatten. Vor dem Tor warteten Unzählige, die ihre Abgaben zur Königin bringen sollten. Überall um das Schloss standen Wachen und überprüften jeden einzelnen von ihnen. Verkleidet als Bauern und mit dem Korb eines Jungen, der erschöpft am Straßenrand gesessen hatte, näherten sich die Prinzessin und ihr Begleiter dem Tor. Die Wachen durchwühlten die Äpfel im Korb, doch schöpften keinen Verdacht. Und als die Prinzessin den Schlosshof betrat, da begannen die Blumen die Köpfe zu heben und erstrahlten in ungekannten Farben. Vögel fanden sich auf den Mauern ein und stimmten gemeinsam ein Lied an. Gestört von dem Tumult im Hof trat die Königin auf ihren Balkon und erkannte in dem Mädchen die totgeglaubte Prinzessin. Bei der Begleitung der Bienenprinzessin handelte es sich um niemand geringeren als die Prinzessin des Nachbarreichs. Sie hatte ihren Vater um einen Geleitbrief bestohlen und sich dann aufgemacht, dem Mädchen, das da so mutig vorgetreten war, zu helfen. Sobald ihr Vater erfuhr, dass sie fortgegangen war, schickte er seine Soldaten aus, seine Tochter wohlbehalten zurückzubringen. Sie hatten die Spur der Prinzessinnen aufgenommen und gerade als die Königin ihre Wachen auf die beiden hetzen wollte, erreichten die Soldaten das Schloss. Als die falsche Königin sah, dass ihre Wachen der Armee, die sie auf Seiten der rechtmäßigen Prinzessin wähnte, deutlich unterlegen waren, und bemerkte, dass auch das Volk in der jungen Frau auf dem Hof die Ähnlichkeit zu ihrer alten Königin erkannte, wusste sie sich keinen Ausweg mehr. Sie stürzte sich vom Balkon und nahm sich so das Leben. Die Bienenprinzessin jedoch wurde noch am selben Tag zur neuen Königin gekrönt und unter ihr erblühte das Land wieder zu seiner alten Pracht. Und wenn sie nicht gestoben ist, so regiert sie noch heute das Reich der Bienen weise und gerecht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)