Coma-Boy and his pack von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: Stiles – Der Kampf im Inneren ---------------------------------------- Ein Mensch als Teil einer Gruppe übernatürlicher Wesen lebte gefährlich. Und selbst wenn er sich mit einem Baseballschläger bewaffnete, hatte er den Mächten des Bösen nicht wirklich viel entgegenzusetzen. Ein Mensch als Teil einer Gruppe übernatürlicher Wesen war ein ständiger Schwachpunkt, machte sie alle angreifbar, musste stets beschützt werden, ganz egal wie tapfer besagter Mensch war und wie sehr von der eigenen Unzerstörbarkeit überzeugt. Und nun war das eingetreten, was sie alle immer befürchtet hatten; Scott, Derek, Malia, Lydia und natürlich auch Noah Stilinski. *** Der Junge wusste nicht, wo sich sein Körper in diesem Moment befand. Auch hatte er keine Ahnung, was um ihn herum momentan vor sich ging, da draußen in der realen Welt. Er erinnerte sich nicht mehr daran, dass er Freunde hatte, einen Vater, einen Herzensbruder und sogar jemand Besonderen, der ihn so sehr liebte. Er hatte auch vergessen, dass er von einem unbekannten, feindlichen Wesen angegriffen worden war und daraufhin dauerhaft sein Bewusstsein verloren hatte. Doch jenes fremden Wesens war er sich nur allzu deutlich bewusst. Es hatte sich in seinem Inneren eingenistet und war nun ein Teil von ihm, so wie ein Parasit, oder ein furchterregender, todbringender Fötus. Stiles lief durch einen Wald, welcher aus den seltsamsten, versteinerten Bäumen bestand. Pflanzen wie diese hatte er noch nie zuvor gesehen. Sie waren riesig, einschüchternd und wirkten feindselig. Das Licht war trübe, wie eine immerwährende Dämmerstunde. Kein Lichtstrahl drang zu Boden und gelbliche Nebelschwaden waberten über den Boden. Weit über ihm hingegen, in den Kronen der Steinbäume war ein furchtbares Heulen zu vernehmen. Vielleicht stürmte es dort? Vielleicht war es aber auch viel, viel schlimmer? Vielleicht lebte dort oben etwas? Und höchstwahrscheinlich war es etwas Abscheuliches und Feindseliges. Der Junge hatte keine Ahnung, wie er an diesen Ort gelangt war. Vielleicht war er immer schon hier gewesen? Vielleicht war er bereits hier geboren worden? Er konnte sich nicht erinnern Überhaupt gab es sehr wenig, was er mit Bestimmtheit wusste. Er erinnerte sich an ein Wort, doch er wusste nicht mehr was es bedeutete. Stiles. Was war ein Stiles? War es etwas, dass er finden musste? Etwas dass er verloren hatte? Irgendwie ahnte er, dass alles wieder gut werden konnte, wenn ihm diese eine Sache doch bloß wieder einfallen würde. Aber er wusste auch, dass es nur dann wieder gut werden würde, wenn er dem fremden Wesen entkommen konnte und darum rannte er; rannte um sein Leben. Ein paar Mal hatte er den Widersacher bereits von Weitem gesehen. Er hatte immer wieder ein anderes Antlitz getragen, doch der Junge wusste dennoch, es war stets ein und derselbe Feind. Beim ersten Mal hatte er bloß wie ein riesiger, wabernder Schatten ausgesehen; ein Schatten aus samtigem, tiefem Schwarz; wie ein schwarzes Loch, welches den Jungen zu verschlingen drohte. Dann wieder hatte der Gegner die Gestalt einer dunkelgrauen Spinne gehabt, größer als ein Kalb, mit acht flinken Beinen, welche die Distanz zwischen sich und dem Jungen rasend schnell zu verringern vermochten. Der Junge erkannte den Feind an den acht pechschwarzen Augen, in denen er das reine, seelenlose Böse ausmachen konnte und er rannte schneller. Manchmal sah sein Gegenspieler auch aus wie eine Person, doch sie war dunkel, strukturlos und ohne ein Gesicht. Diese Erscheinungsform fürchtete der Junge beinahe am meisten, doch er wusste, auch dies war nicht das wirkliche Antlitz seines Antagonisten. Darunter lag noch etwas anderes; eine Physiognomie, so erschreckend und grausig, dass seine menschlichen Sinne überhaupt nicht in der Lage waren, es zu erfassen! Und so rannte der Junge Tag und Nacht, ohne je zu rasten, obwohl seine Lungen und Muskeln zeitweise so sehr brannten, dass er es kaum ertrug, weil er wusste, in jenem Moment wo er stehenbliebe, wäre es mit ihm vorbei. Kapitel 2: Melissa – Professionelle Distanz ------------------------------------------- Melissa McCall blickte hinab auf die schmale, bleiche Gestalt in dem Krankenhausbett. Der Junge der hier vor ihr lag hätte ebenso gut auch ihr eigener Sohn Scott sein können. Mit dieser Angst lebte die Mutter jeden Tag und wie oft war es schon viel zu knapp gewesen? Und im Grunde machte es kaum einen Unterschied, dass es dieses Mal Stiles getroffen hatte, denn der war immerhin auch beinahe so etwas wie ein Sohn für sie. Die beiden Jungen hatten bereits im Kindergarten Freundschaft geschlossen und seither passte im Grunde kein Blatt Papier mehr zwischen sie. Sie gehörten einfach zusammen, waren wie Brüder, glichen einander in so vielem, waren gleich groß, gleich schwer, ihre Geburtstage lagen weniger als einen Monat auseinander, sie mochten beide Comics, diese seltsamen Computerspiele, welche für Melissa überhaupt keinen Sinn machten und hatten denselben bescheuerten Humor. Selbst die großen Veränderungen, welche in den letzten Jahren in Scott Leben stattgefunden hatten; seine Verwandlung in einen Werwolf und dann schließlich seine Transzendenz hin zu einem höheren Wesen, einem wahren Alpha hatte diese beiden Freunde nicht trennen können. Stiles hatte immer hinter ihrem Sohn gestanden, war loyal gewesen, der Wind unter Scotts Flügeln. Ohne einen Freund wie ihn wäre Scott mit Sicherheit nicht der Alpha, der er heute war; dessen war Melissa sich vollkommen sicher. Stiles mochte nur ein schwacher Mensch sein, so wie sie selbst und die anderen im Rudel ahnten sicherlich nicht, was es für jemanden wie sie beide bedeutete, immer wieder den übernatürlichen Gefahren ausgesetzt zu sein, ohne mit der erforderlichen Macht ausgestattet zu sein, doch Stiles war davor niemals zurückgeschreckt. Er hatte zu seinen Freunden gestanden und sich auch in die aussichtslosesten Schlachten gewagt. Melissa wusste, was das bedeutete. Sie hatte ebenfalls mehr als einmal der Gefahr ins Auge geblickt. Und überlebt, denn sie wusste, wofür sie kämpfte, genau wie Stiles es immer gewusst hatte! Ihr war schmerzlich bewusst, dass Scott nun von seiner Mutter erwartete, dass sie Stiles wieder auf die Beine bringen würde. Etwas anderes kam für ihren Sohn überhaupt nicht in Frage. Scott brauchte seinen Wahlbruder an seiner Seite. Er war sein Halt und vielleicht war Stiles sogar noch mehr für Scott? Möglicherweise war er gar sein Anker, war er doch neben Melissa selbst die einzige wirkliche Konstante in dessen Leben? Das Problem war nur, dass Melissa keine Ahnung hatte, was sie für Stiles tun sollte? Sie wusste ja nicht einmal, was ihm fehlte. Gestern kam Derek Hale mit dem bewusstlosen Jungen auf dem Arm in die Notaufnahme geprescht, uncharakteristisch emotional, geradezu aufgelöst. Er hatte den Ärzten gegenüber behauptet, Stiles bereits in diesem Zustand aufgefunden zu haben und hatte unbeherrscht verlangt, man sollte sich sofort um den Jungen kümmern. Melissa war hinzugekommen und ihr hatte er heimlich anvertraut, dass es ein Angriff eines geisterhaften übernatürlichen Wesens gewesen war, dem Stiles zum Opfer gefallen war. Melissa war insgeheim überrascht gewesen, wie erschüttert Derek gewirkt hatte. Eigentlich hatte sie stets den Eindruck gehabt, der Werwolf könne Stiles überhaupt nicht leiden? Die Ärzte hatten getan was sie konnten, doch sie standen vor einem Rätsel. Es war nicht so, dass Stiles tatsächlich in einem Koma lag. Vielmehr glich sein Zustand eher einer Art Schlaf, mit dem Unterschied, dass er scheinbar einfach nicht aufwachen konnte. Sie hatten den armen Jungen auf alle möglichen Arten von Drogen, oder Gifte untersucht, doch natürlich erfolglos. Sie hatten sein Hirn gescannt und seine Hirnströme gemessen und dennoch keine Erklärung für seinen Zustand gefunden. Sie wussten lediglich mit Sicherheit dass er schlief und vermutlich auch träumte. Und dass sein armes, junges Herz raste, wie das eines Marathonläufers! Seine Nebennieren arbeiteten auf Hochtouren, denn die Stresshormone Adrenalin und Cortisol in seinem Blut überstiegen alle Werte, die Melissa jemals gesehen hatte. Was immer er durchlitt, Stiles musste grauenhafte Angst haben. Dauerhaft würde sein Körper diese Belastung gewiss nicht aushalten. Melissa war bewusst, dass von ihr erwartet wurde, professionelle Distanz zu wahren und nach außen vor ihren Kollegen versuchte sie auch diesen Anschein zu erwecken, aber insgeheim gelang es ihr nicht. Sie war betroffen, ganz persönlich und beinahe so, als läge hier ein Mitglied ihrer Familie. Und wenn man es recht bedachte, dann war es im Grunde ja auch so. Einen Moment lang nahm sie an Stiles Bettseite Platz, nahm die Hand des Jungen in ihre eigene und dann sagte wesentlich sie munterer, als sie sich fühlte: „Na komm´ schon, mein Junge, wach doch einfach auf! Du willst mich als deine Krankenschwester doch nicht dumm aussehen lassen, oder?“ Im nächsten Moment hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Was war denn das für eine Botschaft an jemanden in Stiles Situation? Es ging hier schließlich nicht um sie, um ihr Ego, oder um ihre dumme Berufsehre! Sie legte sanft eine Hand auf die Stirn des Jungen, so wie sie es früher bei Scott getan hatte, um zu sehen, ob er Fieber hatte und schob sanft hinterher: „Bitte finde nachhause, Stiles! Wir alle vermissen dich!“ Kapitel 3: Malia – Vom Menschsein --------------------------------- Wütend blickte Malia hinab auf das Krankenbett mit ihrem besten Freund darin. Sie musst den Impuls in sich niederringen, Stiles zu packen, zu schütteln und ihn anzubrüllen, um ihn aufzuwecken. Dem Menschen in ihr war klar, dass dies nicht helfen würde, doch sie war nun einmal den größten Teil ihres Lebens ein Tier gewesen. Und manchmal wünschte sie sich diese Zeiten zurück! Als Kojote wäre diese Sache hier leichter zu ertragen gewesen. Sie hätte bei ihrem Freund ausgeharrt um Wache zu halten, bis dieser tot war und aus Treue und Verbundenheit heraus vielleicht auch noch ein wenig darüber hinaus, um Aasfresser fernzuhalten. Doch irgendwann wäre sie dann hungrig geworden und die Fährte eines Kaninchens, welches vor Kurzem vorüber gehoppelt war würde so verführerisch duften, dass sie ihm nachsetzen musste. Sie würde vielleicht nicht unbedingt vergessen, dass sie einmal einen Freund gehabt hatte, aber es würde dann nicht mehr wehtun ihn verloren zu haben. Als Kojote hatte sie stets im Jetzt und Hier gelebt. Das war schön gewesen! Jetzt sah sie sich einigen heftigen, verwirrenden, beunruhigenden Gefühlen gegenüber. Sie bereute Dinge, welche in der Vergangenheit passiert waren so sehr, dass sie ihr nachts den Schlaf raubten. Ein Teil von glaubte immer glaubte immer noch verantwortlich für den Tod ihrer Adoptivmutter und ihrer Stiefschwester Kylie zu sein. Und die Zukunft lag vor Malia, wie ein finsterer, heulender Abgrund. Würde sie in Mathe bestehen und jemals einen Schulabschluss machen? Und was kam danach? Welche Art Job konnte ein Kojotenmädchen mit stark herabgesetzter Impulskontrolle denn wohl machen? Würde sie sich jemals wieder verlieben, eines Tages heiraten und eine Familie gründen? Nichts davon konnte sie sich wirklich vorstellen. Sie hatte sich darauf verlassen, dass Stiles da sein würde, immer an ihrer Seite und dass sie all diese Dinge mit ihm besprechen konnte; dass er ihr helfen würde, so wie er es von Anfang an getan hatte. Stiles war dabei gewesen, als Scott sie wieder ins Menschsein zurückgeholt hatte. Er hatte ihre Wut darüber abbekommen und war trotzdem nicht geflüchtet. Er hatte ihr versprochen, das alles wieder gut werden würde. Er hatte ihn den langen, sorgenvollen Nächten an ihrer Seite gelegen, als das kleine Löffelchen in ihren Armen, weil es so für sie beide am besten funktioniert hatte. Er hatte ihr den ersten Kuss ihres Lebens gegeben! Stiles war mehr Mensch, als jeder den sie kannte und von ihm wollte sie lernen, wie es ging, verdammt nochmal! Als Stiles ihr dann eines Tages aus heiterem Himmel gesagt hatte, dass sie kein Paar mehr sein konnten, da hätte sie ihm am Liebsten die Kehle mit ihren Zähnen herausgerissen. Es hatte eine Weile gedauert bis er ihr erklären konnte, was mit ihm los war. Dann hatte es noch einen Moment gedauert, bis sie es verstanden hatte, doch dann war sie irgendwie stolz gewesen, denn sie war die einzige, die Stiles Geheimnis kannte. Nicht einmal Scott hatte er sich anvertraut. „Ich habe mich in jemanden verliebt. Ich... ich denke ich bin schwul, Malia!“ hatte Stiles gestammelt und seine Augen hatten diesen hellen Karamellton angenommen, als sie sich mit Tränen füllten: „Ich wollte dir niemals wehtun. Und ich wollte diese Gefühle auch überhaupt nicht haben, aber sie gehen einfach nicht weg!“ Als sie diese Worte gehört hatte, war Malia immer noch wütend gewesen, aber andererseits konnte sie auch diesen Geruch nicht ertragen, welcher von Stiles damals ausgegangen war: Verzweiflung, Scham, Traurigkeit. Sie wollte, dass er aufhörte so zu riechen und so hatte sie ihn in den Arm genommen, ihn festgehalten und ihm versprochen, dass alles wieder gut werden würde, so wie er es schon so viele Male für sie getan hatte. Sie hatte nie erfahren wer es war, in den Stiles sich verliebt hatte und ob dieser andere Junge wohl seine Gefühle erwiderte. Und nun würde sie es wohl auch nicht mehr, denn es schien nicht so, als ob Stiles diese Sache überleben konnte. Malia konnte es riechen: Stiles roch wie ein gejagtes Tier, welches um sein Leben rannte, auch wenn die Flucht ausweglos war und sein Herz bald versagen würde. Malia wollte auf irgendetwas einschlagen, in etwas ihre Zähne schlagen, Rache üben an demjenigen, der ihrem besten Freund das angetan hatte. Am liebsten würde sie zu Derek gehen und ihn zu einem Kampf herausfordern. Er war es doch wohl, der mit Stiles zusammen gewesen war, als der Angriff dieses fremden Wesens stattgefunden hatte. Und der Idiot hatte es nicht geschafft, ihn zu beschützen, also war es doch seine Schuld, richtig? Es wäre nur fair, wenn sie ihn dafür leiden lassen würde! Stiles hatte Malia stets geholfen, diese gewalttätigen Impulse zu kontrollieren, sogar in einer Vollmondnacht. Er war nicht vor ihr zurückgewichen, obwohl er der Wucht des Tieres in ihrem Inneren doch überhaupt nichts entgegen zu setzen gehabt hatte. Doch genau das hatte ihr dabei geholfen, die Bestie zu kontrollieren, denn schließlich durfte sie ihren Freund, ihren wunderbaren, tapferen, zugleich so starken und verletzlichen Freund nicht verletzen. Der Kojote durfte nie wieder jemandem schaden, den Malia liebte. Das durfte einfach nicht geschehen. Wie sollte sie es in dieser Welt bloß schaffen, ohne diesen Freund, der ihr mehr bedeutete, als jeder andere und in den sie all ihre Hoffnung gesetzt hatte? Sie legte sich ein weiteres Mal an Stiles Seite, sorgfältig darauf bedacht keines der Kabel und keinen der Schläuche abzureißen, die mit dessen Körper verbunden waren, legte den Arm um ihn und flüsterte in sein Ohr: „Ich brauche dich, Stiles!“ Kapitel 4: Noah – Ein stilles Haus ---------------------------------- Seit gestern Abend saß Sheriff Noah Stilinski bereits vollkommen regungslos auf der Kante des verwaisten Bettes seines Sohnes und lauschte. Ohne seinen Jungen war dies Haus kein Zuhause; es waren bloß vier Wände, Boden, Decke, Möbelstücke und ein Haufen Kram; kalt, unbelebt und bedeutungslos. Und dann diese Stille! Sie war der sicherste Hinweis, dass Stiles nicht im Haus war, denn von diesem Jungen ging immer Energie aus, selbst dann noch, wenn er schlief. Er war beinahe wie eine Art Summen. Wenn Noah nachhause kam, und sei es auch spät in der Nacht, er spürte es immer, ob Stiles zuhause war, oder nicht. Als Stiles noch ein kleiner Junge war, war es für Claudia und Noah beinahe unmöglich gewesen, ihn zu bremsen. Dieses Kind steckte so voller Leben und Energie, es hatte so viele kreative, spaßige und zumeist auch gefährliche Ideen, dass man ihn ständig im Auge behalten musste. Am Liebsten hätte Noah ihn damals dauerhaft in Luftpolsterfolie verpackt und mit Knieschonern und einem Helm versehen, um zu verhindern, dass ihm etwas zustieß. Doch dann war Claudia gestorben. Mit einem Mal waren sie nur noch zu zweit gewesen, Stiles hatte seine Mutter verloren und Noah selbst seine Gefährtin, seine große Liebe. Dies war eine sehr dunkle Zeit gewesen. Damals war mit dem neunjährigen Stiles etwas passiert. Er blieb selbstverständlich dasselbe Energiebündel, welches er immer schon gewesen war, doch es war, als habe er seine Heftigkeit, all das Ungestüme, welches ihn ausmachte zu einem kleinen festen Ball zusammengefasst und in seinem Inneren verstaut, so wie man einen gewaltigen Fallschirm nach dem Sprung aus einem Flugzeug wieder zu diesem kleinen Paket zusammenpackte, von dem man dann gar nicht mehr glauben mochte, was sich da tatsächlich im Inneren verbarg. Noah war sich überdeutlich bewusst, dass dies ein Geschenk war, welches sein Kind ihm machen wollte. Stiles hatte gespürt, dass der Verlust den Vater beinahe umgebracht hatte und so hatte er sich zurückgenommen, so gut er es eben konnte. Noah wusste, welchen Preis Stiles dafür bezahlte, doch ganz gleich, was er tat, es gelang ihm nicht, seinem Sohn diese Bürde wieder zu nehmen. Und war Stiles zu diesem nervösen, sich ständig an der Schwelle der Explosion befindlichen jungen Mann geworden, der unter Schlafstörungen litt und täglich seine ADHS-Tabletten nehmen musste. Manchmal ging der Fallschirm noch auf und das schien stets wie eine Befreiung für den Jungen zu sein, doch hinterher besann er sich immer darauf, seine Energie wieder zu zügeln. Aber nun war schlagartig alles anders. Gestern Nachmittag hatte dieser grimmige, junge Mann vor Noahs Tür gestanden; Derek Hale, der Werwolf, wie Noah mittlerweile wusste; mit angespannten Kieferknochen, geballten Fäusten, angezogenen Schultern und er hatte stammelnd erklärt: „Sir, es tut mir leid... Ihr Sohn... Wir wurden angegriffen, draußen im Reservat. Es war ein... Wesen? Ich habe versucht es zu bekämpfen, doch... ich konnte gar nichts tun!“ Dann hatte der große, starke Kerl tatsächlich den Kopf eingezogen, als erwarte er Schläge. Noahs Blut hatte sich augenblicklich in Eiswasser verwandelt, als er diese Worte vernahm: „Was ist mit Stiles?“ hatte er viel gefasster gefragt, als er sich gefühlt hatte: „Wo ist er jetzt?“ „Ich habe ihn ins Krankenhaus gebracht. Er ist gerade nicht bei Bewusstsein.“ hatte Derek erwidert und dann noch einmal versichert: „Es tut mir wirklich wahnsinnig leid Sir!“ ehe er sich umgedreht hatte und so schnell wie möglich verschwunden war. Noah war so unter Schock gewesen, dass er Derek nicht einmal zu den näheren Umständen befragt hatte, wie er es getan hätte, wenn dies hier ein Fall für den Sheriff gewesen wäre, denn diesem Moment war er einfach nur ein Vater, welcher um sein Kind bangte. Er hatte sich daraufhin sogleich in seinen Wagen gesetzt und war hinüber ins Beacon Hills Memorial gefahren, wo sein Sohn lag und tief und fest schlief, wie Dornröschen. Nur war dies hier kein friedlicher Schlaf. Vielmehr wirkte Stiles, als habe er schreckliche, furchterregende Träume. Nur leider ließ er sich daraus einfach nicht aufwecken, ganz gleich, was man auch versuchte. Er reagierte nicht auf Noahs beruhigende Worte und auch nicht auf dessen streichelnde Hände. Die Ärzte nahmen Stiles immer wieder zu Tests mit und Melissa war bei Noah geblieben, um ihm alles zu erklären. Als ihre Schicht zu Ende war, hatte sie gesagt: „Komm´ doch einfach mit mir Noah! Ruh´ dich aus! Du kannst hier gar nichts ausrichten, aber morgen früh kannst du ja wieder kommen. Und falls sich zwischenzeitlich etwas ändern sollte, wird man dich auf der Stelle informieren!“ Noah hatte einfach so gehorcht, wie ein Automat. Melissa hatte ihn zuhause abgesetzt und dort war er direkt hinüber in Stiles Zimmer gegangen, wo er nun immer noch saß, in der Hoffnung, seinem Sohn hier näher zu sein. Doch im Grunde hatte er hier nur umso deutlicher gespürt, dass Stiles nicht hier war. Melissa hatte gesagt, er solle morgen wiederkommen und nun war der neue Tag da, also erhob sich Noah, ging unter die Dusche, tauschte die zerknitterten Kleider vom Vortag gegen eine frische Uniform und ging in die Küche. Sein Blick fiel auf eine halbvolle Flasche Whiskey. Noah stellte sich vor, wie er sich ein Glas bis zum Rand mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit füllte und es dann in einem Zug hinunter schüttete. Der Alkohol wurde sich den Weg seine Kehle hinab in seinen Magen brennen, in seine Blutbahn gelangen und sehr bald wurde sich dieses falsche Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit einstellen. Noah schüttelte entschieden den Kopf. Was dachte er sich nur? Stiles brauchte ihn gerade bei vollem Bewusstsein und er durfte sich nicht so gehen lassen. Er griff sich also stattdessen eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und leerte sie in einem Zug, denn er hatte seit einer Ewigkeit nichts zu sich genommen. Etwas zu essen traute Noah sich dennoch nicht, denn er fürchtete, nichts bei sich behalten zu können. Er verließ das Haus, stieg in seinen Dienstwagen und startete den Motor. Als das Krankenhaus in Sicht kam, schauderte es ihn. Wie oft war er dienstlich bereits hier gewesen und immer ging es dabei um furchtbare menschliche Dramen. Noah musste auch daran denken, wie er Stiles hierher gebracht hatte, damals als sie dachten, er leide an frontotemporaler Demenz. Auch damals hatte ein fremdes Wesen seinen Sohn angegriffen und von ihm Besitz ergriffen. Und nicht zuletzt war seine geliebte Frau an diesem Ort gestorben und er war in diesem Moment nicht einmal bei ihr gewesen. Kurz geriet Noah in Panik. Was wenn es Stiles genauso ergangen war, während er nutzlos eine ganze Nacht lang bloß herumgesessen hatte. Seine Füße bekamen mit einem Mal Flügel, als er hinüber zum Krankenzimmer seines Sohnes rannte. Dort angekommen atmete er auf. Sein Junge lag immer noch in genau demselben Zustand da wie gestern Abend, als er gegangen war. Noah setzte sich auf den Stuhl neben dem Krankenbett und nahm Stiles Hand in seine eigene. Beinahe überrascht stellte er fest, dass es nun nicht mehr die Hand eines Kindes war, sondern die eines jungen Mannes. Es war, als würde es Noah erst jetzt, in diesem Moment klar werden. Er blickte hinauf in Stiles abgekämpftes Gesicht, welches zugleich sehr jung wirkte und auch schon den Erwachsenen erahnen ließ, zu welchem sein Sohn gerade heranreifte. Der Vater spürte, wie ihm die Kehle zu eng wurde: „Hey Stiles! Hier ist Daddy!“ sagte Noah leise: „Halt durch, mein Kleiner! Kämpf´ weiter! Ich kann dich nicht auch noch verlieren.“ Kapitel 5: Stiles – Ferne Stimmen --------------------------------- Das Rennen war zur zweiten Natur des Jungen geworden. Dies war nun sein Leben; er war die Beute und die Kreatur auf seinen Fersen der Jäger. Die Rollen waren verteilt, so war die Ordnung der Dinge. Nur in ganz seltenen, schwachen Momenten dachte der Junge daran, aufzugeben und sich einfach fangen zu lassen, doch noch fürchtete er sich zu sehr vor dem, was dann kommen würde. Und es war nicht der Tod, vor dem er Angst hatte, es war das Sterben. Er wusste, es würde fürchterlich werden! Doch nun war da etwas Neues, was der Junge beinahe noch mehr fürchtete, als seinen Verfolger und das waren diese Stimmen! Noch waren sie zu weit weg, um sie wirklich zu verstehen. Das einzige was der Junge heraushören konnte, war immer wieder dieses eine Wort, dieses verdammte Wort, an dessen Bedeutung er sich partout nicht erinnern konnte, von dem er jedoch genau wusste, dass es wichtig war: Stiles! Woher der Junge wusste, dass die Stimmen böse waren? Sie waren schmeichelnd, liebevoll, sanft und freundlich! Aber Freundlichkeit gab es in seiner Welt nicht, also war dies der Beweis, dass jene Personen, die da redeten ihn täuschten und in Wirklichkeit etwas Furchtbares mit ihm vorhaben mussten; etwas das grauenerregender war als der Tod selbst. Und so rannte der Junge nun ebenso vor ihnen davon, wie vor seinem Jäger, halb blind vor Angst, immer weiter durch das ewige Halbdunkel des versteinerten Waldes, ganz gleich wie er schöpft er inzwischen war und wie sehr seine Knochen und Muskeln schmerzten. Bloß einmal ließ der Junge sich doch ganz kurz ablenken, denn eine diese Stimmen klang einen Moment lang so verführerisch und vertraut, dass er ihr beinahe vertraute. Er achtete nur eine Sekunde lang nicht auf den Weg und dann war da diese Baumwurzel. Er schlug der Länge nach hin und ein reißender Schmerz schoss von seinem Fuß aus, das gesamte Bein hinauf und ließ ihn Sterne sehen. Fluchend und keuchend versuchte der Junge sich aufzurichten, doch es schmerzte so wahnsinnig, also hielt er einen Moment lang inne und versuchte wieder ein wenig zu sich zu kommen. Er lauschte. Da war das Geräusch seines rasenden Herzens und seines pfeifenden Atems. Dann das Heulen des Windes hoch über ihm in den Baumwipfeln. Die Stimmen waren in diesem Moment vollständig verstummt, doch der Junge hörte etwas anderes, etwas dass ihn zu Tode ängstigte und das waren die Schritte seines Widersachers, welche bereits ganz nah waren. Und dann sah er ihn. Er hatte eine menschenähnliche Gestalt und war dennoch weit davon entfernt, ein Mensch zu sein. Er hatte eine tiefschwarze, ledrige Echsenhaut, große, schwarze, ölig glänzende Augen, mächtige, messerscharfe Krallen an Händen und Füßen und ein ganzes Maul voll von den gewaltigsten Reißzähnen. Dem feindlichen Wesen entströmte ein furchtbarer Gestank nach Fäulnis und Tod. Der Junge stieß eine Schrei des Entsetzens aus, rappelte sich auf, doch da war es bereits zu spät. Die Klauen des Monsters bohrten sich tief und schmerzhaft in Brust und Bauch des Jungen und die Kiefer des Ungeheuers klappten auf und zu, in dem Versuch, sich etwas von dem rosigen, zarten Fleisch seines Opfers zu schnappen. Doch noch war der Junge nicht vollkommen am Ende. Er ignorierte seinen Schmerz und seine Furcht in diesem Moment und er kämpfte! Er schlug um sich und hielt sich das Maul mit den mörderischen Fängen mit Händen und Füßen vom Leib. Die Kämpfenden gingen zu Boden, rangen miteinander und mit einem Mal erkannte der Junge die einzige verwundbare Stelle seines Gegners. Blitzschnell holte er aus und stach dem Wesen mit seinen Fingern mit aller Kraft in die riesigen, tintenschwarzen Augen. Das Monster heulte auf vor Schmerz und zog seine Klauen aus dem Fleisch des Jungen, um seine seine verletzten Sehorgane schützend mit den eigenen Händen zu bedecken. Der Junge war frei! Selbst schwer verletzt rappelte er sich, dennoch auf und rannte wieder. Für diesen Moment hatte er es geschafft, auch wenn er irgendwie bereits wusste, dass sein Feind sich rasch erholen und die Jagd dann weiter gehen würde. Doch etwas war eigenartig? Der Junge spürte ganz plötzlich gar keine Schmerzen mehr. Immer noch rennend, nahm er sich kurz die Zeit, seine Wunden zu inspizieren. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass unter seinem zerfetzten, blutgetränkten Shirt bereits jetzt schon wieder alles verheilt und vernarbt war. Wie war das möglich? Kapitel 6: Scott - Herzensbruder -------------------------------- Scott lag auf seinem Bett und starrte an die Decke. Er war heute nicht in die Schule gegangen, denn er fühlte sich überhaupt nicht gut. Sicher, als Werwolf wurde er nicht krank, aber er fühlte sich dennoch so, als sei eine Grippe im Anzug: Er war matt, seine Glieder schmerzten und er war in wirklich düsterer Stimmung. Und hier zu liegen und absolut nichts zu tun, erschien ihm da das einzig Richtige zu sein. Jedenfalls wenn seine Mum nicht gewesen wäre! Denn die hatte ihn heute Morgen so seltsam angeschaut, als er ihr mitteilte, er könne leider nicht in die Schule gehen. Dennoch hatte Melissa McCall dann glücklicherweise dort angerufen und ihn entschuldigt. Und nun lag Scott einfach so da, regungslos, genau wie sein bester Freund Stiles es in diesem Augenblick in einem Krankenhausbett nur wenige Kilometer entfernt von ihm ebenso tat. *** Nachdem Scott von dem Angriff auf Stiles erfahren hatte, war er sofort zu Derek nachhause gefahren, um sich von ihm berichten zu lassen, was genau vorgefallen war. Wie sich zeigen sollte, kam er gerade noch rechtzeitig, denn als er eintraf, hatte dieser gleichgültige Mistkerl eine Reisetasche in der Hand und wollte ganz offensichtlich eilig irgendwo hin verreisen. Das sah Derek doch wieder einmal ähnlich! Erst darin versagen, Stiles zu beschützen und dann einfach so seelenruhig in den Urlaub abdüsen, als sei weiter gar nichts geschehen! Scott hatte eine ganze Ladung Vorwürfe auf seinen Beta abgefeuert, doch dieser bekam wie üblich die Zähne nicht auseinander. Kein Wort der Entschuldigung oder der Erklärung, wieso er es überhaupt erst so weit hatte kommen lassen. Derek hatte einfach bloß dagestanden, wie eine Statue, als ginge ihn das alles überhaupt nichts an. Und so hatte Scott sich von ihm schließlich einfach nur die Fakten berichten lassen: Der Angriff sei völlig unerwartet geschehen, nein, das Wesen, welches Stiles attackiert hatte sei Derek nicht bekannt und es sei sowieso alles sehr schnell gegangen. Dann hatte Derek Scott noch beschrieben, wo im Wald sich die Sache ereignet hatte und machte nun Anstalten, zu verschwinden: „Das ist echt schwach, Mann! Ich bin verdammt enttäuscht von dir!“ hatte Scott ihm noch hinterhergerufen. Diese Worte von seinem Alpha zu hören, hätte einem Werwolf eigentlich durch und durch gehen müssen, doch Scott nahm keine entsprechenden chemischen Signale von dem Älteren wahr. Natürlich war Derek auch schon seit einer Ewigkeit ein Profi darin, vor jedem, sogar vor einem anderen Werwolf zu verbergen, was er wirklich fühlte. Scott war noch eine Weile wie angewurzelt stehengeblieben. Dann hatte er das Tor des Lofts wütend und mit Wucht hinter sich zugeworfen, war die fünf Etagen nach unten gerannt, auf seinen Roller gestiegen und zu Deaton hinübergefahren: „Was ist zu tun?“ wollte Scott von seinem Arbeitgeber, Freund und Druiden wissen, nachdem er diesem alles berichtet hatte, was er wusste: „Was brauchen wir? Irgendein seltenes Moos, welches nur auf dem Gipfel des Himalaya gibt? Irgendwelche Kräutertränke? Zaubersprüche? Soll ich bei Neumond irgendeinen dämlich Tanz mit Gesang am Nemeton aufführen? Was? Was kann ich tun, um meinem Freund zu helfen?“ Deaton hatte wie üblich diesen mysteriösen Gesichtsausdruck und hatte dann bedauernd erklärt: „Wir können Stiles nicht helfen, Scott. Dieses Mal nicht!“ Der Alpha hatte den Druiden fassungslos angestarrt. Er war sich sicher gewesen, dass sein alter Freund Rat wüsste, so wie sonst auch. Scott würde irgendeine Prüfung bestehen müssen und die Belohnung dafür war das Leben seines Freundes. So lief es doch sonst auch immer, oder etwa nicht? „Das kann nicht sein, Deaton! Nein, im Ernst: Was muss ich tun? Ich mache es! Ich tue alles, auch wenn es schmerzhaft, oder gefährlich ist. Total egal!“ Deaton hatte traurig mit dem Kopf geschüttelt: „Es tut mir wirklich leid, mein Junge, aber diese Prüfung muss dein Freund allein bestehen. Er muss sich an das erinnern, was er bereits weiß, dann wird er aufwachen. Wenn ihm das nicht gelingt, wird er wohl leider sterben.“ Das war so etwas von frustrierend, so etwas von nicht hilfreich! Scott gab ein leises Knurren von sich. „Ich weiß, das ist auch für dich eine schwere Prüfung, Scott.“ stellte Deaton fest: „Aber diesen Kampf muss Stiles allein kämpfen.“ Scott hatte daraufhin die Fäuste geballt und seine Augen rot aufblitzen lassen: „Tut mir leid, Doc, aber das kann ich nicht akzeptieren. Es gibt immer noch eine Sache, die ich für Stiles tun kann.“ „Wenn du Stiles in seinem jetzigen Zustand beißt, dann wirst du ihn mit Sicherheit umbringen.“ hatte Deaton versichert: „Bitte versuche das nicht!“ Scott konnte es einfach nicht fassen, dass es ihm nicht möglich sein sollte, Stiles zu helfen und darum fuhr er als nächstes hinüber ins Reservat, genau zu der Stelle, die Derek ihm beschrieben hatte, um dort das mysteriöse Wesen zu stellen, welches seinen besten Freund angegriffen hatte. „HEY DU ARSCHLOCH! WARUM KOMMST DU NICHT RAUS UND ZEIGST MIR DEINE HÄSSLICHE FRESSE, HM? HAST DU VIELLEICHT ANGST, DICH MIT EINEM IN DEINER GRÖßE ANZULEGEN?“ hatte er gebrüllt, sich verwandelt, einen Kampfruf geheult und sich wie wild nach allen Seiten gedreht und gewendet, doch es war zwecklos. Was immer das auch für ein Wesen gewesen war, es war längst nicht mehr hier. Scott brüllte hier lediglich Bäume an! Es wäre ihm so viel besser gegangen, wenn er seine Klauen in seinen Gegner hätte schlagen und damit alles wieder hätte gutmachen können. Natürlich hätte er nun zu Stiles ins Krankenhaus fahren können, um nach ihm zu sehen, doch er hatte sich einfach zu sehr geschämt, nutzlos und hilflos wie er war seinem Freund gegenüber zu treten, auch wenn dieser momentan gar nicht bei Bewusstsein war. Und so war er nachhause gefahren, hatte sich ins Bett gelegt und war dort einfach liegengeblieben. *** Gegen Mittag klopfte es an Scotts Zimmertür und ohne ein „Herein“ abzuwarten trat Melissa McCall ein und ließ ihren Sohn wissen: „Ich fahre jetzt los zu meiner Schicht.“ Sie trug ihre Schwesternuniform. „Ist okay, Mum. Ich komme schon klar. Ich bleibe einfach hier liegen, okay?“ erwiderte Scott matt. Melissas Gesicht verdüsterte sich: „Nein, nicht okay! Überhaupt nicht okay! Ich bin nämlich nicht hier, um dich über meinen Weggang zu informieren, Sohn. Dies hier ist dein Weckruf. Du hast dich hier nun schon lange genug eingeigelt, wie ein feiger, kleiner Alpha. Schwing´ gefälligst deinen mickrigen Hintern aus dem Bett, zieh´ dir eine Jeans an und dann komm´ mit mir. Wie lange willst du dich noch davor drücken, Stiles zu sehen? Auf geht’s!“ „Du verstehst das nicht, Mum. Ich kann überhaupt nichts für Stiles tun! Ich habe doch schon längst mit Deaton gesprochen und der war da sehr deutlich. Er hat sogar gesagt, wenn ich Stiles beißen würde, dann würde ihn das umbringen. Nein sorry, ich bleibe hier!“ erklärte Scott fest. Doch am Gesicht seiner Mutter konnte er erkennen, dass sie sich von ihrem Vorhaben nicht würde abbringen lassen: „Jetzt hör mir mal gut zu, du Genie!“ knurrte sie und bewarf Scott mit seiner Hose: „Du verlässt dich mittlerweile so sehr auf die Welt des Übernatürlichen, dass du scheinbar vergessen hast, was es heißt ein Mensch zu sein. Stiles braucht in diesem Moment nicht seinen Alpha, er braucht seinen FREUND! Er muss deine Stimme hören, deine Nähe spüren. Das ist leider das einzige, was du gerade für ihn tun kannst. Also komm´ jetzt! Ich will nicht zu spät zur Arbeit kommen. Und weil auch mächtige, übernatürliche Wesen auf ihre Mutter hören mussten, wälzte Scott sich aus dem Bett, zog sich an und stieg zu Melissa ins Auto. Vor der Tür von Stiles Zimmer bedurfte es noch eines kleinen Stupsers der Mutter, um ihren Nachwuchs zum eintreten zu bewegen: „Meine Schicht fängt an. Ich sehe dann später nach euch beiden.“ versprach sie und ließ Scott mit dem Patienten allein zurück. Scott schloss die Tür hinter sich und dann überrollte es ihn, wie eine heftige Woge; der gallenbittere Geruch von Panik und Verzweiflung. Irgendwie hatte Scott sich vorgestellt, dass Stiles hier ganz friedlich schlafend liegen würde, aber das, was er hier vor sich sah wirkte viel mehr so, als habe sein Freund den furchterregendsten Alptraum seines Lebens. Stiles Herz ging viel zu schnell, ebenso wie sein Atem, seine Extremitäten zuckten und sein liebes Gesicht war bleich und kaltschweißig. Stiles starb! Warum wollte seine Mutter denn bloß, dass er sich das hilflos mit ansah, fragte sich Scott unzufrieden? „Hey Bro...!“ murmelte er, ohne sich zunächst zu trauen näher zu kommen. Dann erinnerte sich Scott an das, was seine Mutter gesagt hatte: Stiles müsse seine Nähe spüren! Und so nahm Scott auf dem Stuhl neben dem Krankenbett Platz und ergriff zaghaft die zuckende Hand seines geliebten Freundes. Was dann geschah, traf Scott überraschend: Stiles hatte Schmerzen! Er hatte sogar ganz unglaubliche Schmerzen, in etwa so, als würde er in Flammen stehen dabei waren überhaupt keine äußeren Verletzungen an ihm zu entdecken. Dicke schwarze Linien zogen sich über den Arm des jungen Werwolfs. Der Schmerz blendete Scott und war beinahe mehr, als er ertragen konnte und dennoch sog er in begierig in sich auf, bis zum Letzten. Deaton und seine Mum hatten sich geirrt. Es gab doch eine Sache, die der wahre Alpha für seinen Freund tun konnte und die der Bruder ihm mit Freude abnahm. Als es vollbracht war, wirkte Stiles wenigstens einen ganz kleinen Moment lang gelöst und friedlich. Scott atmete auf. Kapitel 7: Derek – Die Schuld zur zweiten Natur ----------------------------------------------- Derek starrte den bräunlichen Wasserfleck auf dem Deckenpanel aus Styropor über sich an. Er sah aus, wie die starke Vergrößerung eines Bärtierchens, erkannte er plötzlich. Die ganze Zeit hatte er sich bereit das Hirn zermartert, woran er ihn bloß erinnerte und nun war es ihm endlich eingefallen. Es hatte ihn bereits vollkommen verrückt gemacht! Stiles war ein Wissenschafts-Nerd. Von ihm wusste er überhaupt erst, was ein Bärtierchen war, wie diese aussahen und was es für erstaunliche Kreaturen waren. Er plapperte eben ständig über dieses Zeug. Früher hatte Derek das genervt. Irgendwann dann nicht mehr, da hatte er bloß noch so getan, jedoch nach innen hin gelächelt. Wäre Stiles gerade hier bei ihm gewesen, dann hätte er ihm längst sagen können, wonach dieser verflixte Fleck aussah. Aber Stiles war nicht bei ihm. Diese ausgediente Krankenhauspritsche, die Derek zu seinem Bett auserkoren hatte und auf der er gerade lag mochte nicht besonders bequem sein, aber seine Ansprüche in Sachen Komfort waren ja auch nie sonderlich hoch gewesen. Er hatte schon in einer Ruine gelebt, in einem alten Güterbahnhof und nun in einem zugigen, unrenovierten Loft mit einem riesigen Loch in der Wand im fünften Stock eines Fabrikgebäudes ohne Fahrstuhl. Sich eine Weile im Keller eines Krankenhauses zu verstecken, würde ihn da mit Sicherheit nicht umbringen. Er war direkt wieder hierher gekommen, nachdem er Stiles hier eingeliefert, dem Sheriff alles erzählt und dann zuhause ein paar Sachen zusammengepackt hatte. Auf den Zusammenstoß mit Scott hätte er natürlich verzichten können. Andererseits hatte der ja auch nichts zu ihm gesagt, was Derek nicht bereits selbst gewusst hatte. Es war wieder einmal alles seine Schuld? Ja, war ihm bereits bekannt! Und dass sein Alpha und sein Rudel von ihm dachten, ihm seien sie alle egal und er würde sie im Stich lassen? Das war ja ebenfalls nichts neues! Doch nein, Moment mal, da gab es ja doch einen im Rudel, der nicht so von ihm dachte! Aber der lag nun zwei Stockwerke über ihm in einem Krankenbett und kämpfte um sein Leben. Weil Derek ihn im Stich gelassen hatte! Sorry Kleiner, hättest du mal besser auf deine Freunde gehört! Derek musste neuerdings sehr oft an Paige denken. Sie war die Erste gewesen. Sie war so jung, süß und unschuldig gewesen, wie Stiles es irgendwie heute immer noch war. Doch damals war auch Derek selbst noch so gewesen, ein Junge. Ein Kind! Dennoch war er Schuld an ihrem Tod gewesen. Es waren weder Peter noch Ennies gewesen, die Paige am Ende des Tages auf dem Gewissen gehabt hatten; ER war es. Und die Farbe seiner Augen gab Derek Recht. Sie hatten ihr unschuldiges Gold ein für alle Mal verloren. Dann war seine Familie gestorben und wieder einmal war es seine Schuld gewesen. Er hatte sich in das falsche Mädchen verliebt und ihr vertraut. Er hatte sie alle auf dem Gewissen und ihre anklagenden Geister waren in jedem Augenblick um ihn. Und nun war es eben Stiles. Jeder, den er liebte starb. Er trug einen Fluch in sich. Derek hatte weder gegessen, noch geschlafen, seit er hier unten im Keller das Phantom des Beacon Hills Memorials spielte. Er brachte eben einfach keinen Bissen herunter, obwohl er sich ein paar Snacks mitgebracht hatte. Und schlafen verbot er sich. Er ruhte lediglich gelegentlich, so wie jetzt gerade, doch er hatte sich eine Aufgabe gestellt und die würde er erfüllen. Er hielt Wache. Er wollte da sein wenn... Er wollte... also wenn es vorbei wäre, dann würde er aus seinem Versteck hervorkommen und durch seinen donnernden Ruf der nächsten Welt verkünden, dass hier ein echter Krieger zu ihnen stieße. Das war womöglich das Letzte, was er für ihn tun konnte. Aber vielleicht würde das ja auch gar nicht notwendig werden, sagte er sich hin und wieder? Es war seltsam, wenn nicht gar lächerlich, doch selbst nach allem, was Derek in seinem Leben bereits erlebt hatte gab es in ihm immer noch diese winzige, kindliche Stimme die behauptete, es könne ja auch immer noch alles wieder gut werden. Er hasste diese Stimme! Sie machte den Verlust am Ende nur noch grauenvoller. Derek wusste mittlerweile, was es gewesen war, das Stiles dort draußen im Wald angegriffen hatte. Er hatte die letzten zwei Tage nicht anderes getan, als sämtliche, in seinem Besitz befindlichen Bücher uns Schriften über das Übernatürliche zu studieren und war schließlich in einer alten Schriftrolle, die er dafür zunächst aus dem Sanskrit übersetzen musste, fündig geworden. Bei dem Wesen handelte es sich um einen körperlosen Dämon, Rakshasa genannt. In der indischen Mythologie galten diese Dämonen als die Gegenspieler des Göttlichen, als Unruhestifter und als das Böse. Derek hatte aber auch herausgefunden, dass diese Wesen letztlich, bei allem Unheil welches sie anrichteten schließlich nach der Auflösung des Bösen suchen würden. Nur um sicherzugehen hatte er noch einmal Deaton angerufen und sich seine Erkenntnis bestätigen lassen. Dieser ließ ihn wissen, dass er bereits zu demselben Schluss gekommen war. Leider waren sie sich auch beide einig darin, dass es Stiles Kampf gegen dieses Wesen war und dass man ihm dabei nicht helfen konnte. Derek hatte es verstanden, warum dieses Wesen Stiles gewählt hatte, um sich in seinem Inneren einzunisten und nicht in ihm. In seinem eigenen Herzen hatte sich die Finsternis bereits zu weit ausgebreitet. Dort war nichts mehr von dem, wovon ein Dämon sich ernähren mochte. Bei Stiles war das anders. Stiles war freundlich und voller Leben. Als der Angriff geschah, hatte Derek natürlich versucht zu kämpfen, denn das machte ihn eben aus, doch wie bekämpfte man das körperlose Böse? Dieses Ding war aus dem Nichts aufgetaucht, wies zwar die vagen Umrisse eines riesigen Menschen auf, doch es bestand im Grunde aus nichts weiter, als einer Art pechschwarzen Qualm. Der Dämon hatte sein Opfer von hinten im Genick gepackt und über einen Meter hoch in die Luft gehoben. Stiles hatte panisch geschrien, gestrampelt und mit den Armen um sich geschlagen, während der schwarze Qualm nach und nach in seine Augen, seine Ohren, seine Nase, seinen Mund und seine Haut gesickert war. Am Ende war nichts mehr davon übrig geblieben und Stiles war bewusstlos zu Boden gestürzt und seitdem nicht wieder aufgewacht. Das Ganze hatte nicht einmal zwanzig Sekunden gedauert. Derek warf sich nicht selbst vor, dass er das Wesen nicht hatte bekämpfen können. Das war nicht seine Schuld gewesen. Was hätte er denn schon gegen es unternehmen können, schließlich hatte dieses Ungeheuer gar keinen Körper? Nein, er warf sich andere Dinge vor. Er warf sich vor, dass Stiles überhaupt dort gewesen war. Er warf sich vor, dass er nach Paige und allem nicht klüger geworden war, sondern zugestimmt hatte, als Stiles ihn angerufen und gesagt hatte: „Wir müssen endlich über diese Sache zwischen uns beiden reden! Treffen wir uns im Wald! Bitte, Derek!“ Solange hatte Derek dieses Gespräch erfolgreich vermieden und gehofft, dass Stiles es selbst das Thema nie anschneiden würde. Aber als er es dann doch getan hatte, war Derek dennoch so unheimlich glücklich gewesen. Er war eben ein Idiot! Und er war so aufgeregt gewesen! Er hatte sich davor gefürchtet, dass es bei diesem Treffen am Ende doch wieder zu nicht mehr als diesen rauen, kleinen Frotzeleien zwischen ihnen kommen würde, wie sonst auch immer und dass das , was zwischen ihnen entstanden war, doch wieder nicht zur Sprache kommen würde. Und weil Derek nicht gut mit Worten war, insbesondere dann, wenn es um seine eigenen Gefühle ging, hatte er sich vorher genau zurechtgelegt, was er sagen würde. Er war viel zu früh da gewesen, war nervös und immer nervöser geworden, während er wartete. Dann war Stiles endlich auf der Lichtung erschienen, sie hatten einander angeschaut und ab da war klar gewesen, dass Worte vollkommen überflüssig waren. Mit einem Mal war zwischen ihnen alles klar gewesen. Der Augenblick ihrer Begegnung war beinahe schon lächerlich vollkommen: Sie waren auf einander zu geschritten, blieben direkt vor einander stehen und blickten sich tief in die Augen, unfähig noch irgendetwas anderes auf der Welt zu sehen. Ihre Fingerspitzen berührten sich und über die feinen Nervenenden begannen ihre Körperzellen miteinander zu kommunizieren. Endlich! Fingerglieder legten sich auf Fingerglieder, Handteller auf Handteller. Da entstand diese Energie zwischen ihnen, welche ihre Körper und ihre Gesichter erwärmte und welche die Luft zwischen ihnen flimmern ließ. Es zog sie näher zu einander, viel, viel näher, bis Brustkorb auf Brustkorb lag, Herz an Herz und Stirn an Stirn. Es war ein sanftes aufeinander zu Schmelzen, um endlich eins zu werden Schließlich fanden sich endlich auch ihre Lippen. Es war der intimste Kuss, den Derek in seinem Leben je erhalten hatte. Er offenbarte alles; jedes Geheimnis, jede verborgene Unsicherheit. Aber das war okay, weil sie beide es waren! Es war genau so, wie es sein sollte. Derek hatte diesen Kuss in seinem gesamten Körper gespürt und jede seiner Zellen wollte mehr davon. Doch dann lösten sich ihre Lippen und der Traum war vorüber. Das nächste, was Derek sah, war Stiles in den Fängen dieses Monsters. Und das war die andere Sache, die Derek sich vorwarf: Er hatte sich ganz und gar auf diese Sache eingelassen und alles um sie herum vergessen. Er hatte nicht aufgepasst und nur so konnte der Dämon ihnen überhaupt so nahe kommen! Wäre er wacher gewesen, hätte seine Sinne eingesetzt, dann hätte er Stiles vielleicht wenigstens rechtzeitig in Sicherheit bringen können? Doch nun war es zu spät! Die Nacht war mittlerweile heraufgezogen. Derek lauschte. Im Krankenhaus war es mittlerweile recht still geworden. Es gab keine Besucher mehr, es war weniger Personal vor Ort und die meisten Patienten schliefen. Es war soweit! Derek verließ sein Versteck, so wie er es in der vergangenen Nacht bereits getan hatte, schlich sich ungesehen zu Stiles Zimmer, trat ein, nahm einen Platz in einer Ecke ein, wo er von der Nachtschwester nicht sofort entdeckt werden würde, falls diese zu einer Kontrolle hereinschaute und betrachtete von dort aus seinen abgekämpften, sterbenden Gefährten. Ihm nahe zu sein tat weh! Ihm nahe zu sein tat gut! Kapitel 8: Peter – Ach wie gut, dass niemand weiß... ---------------------------------------------------- Natürlich hatte Peter wieder einmal als Letzter erfahren, was mit Stiles geschehen war und das auch bloß zufällig, weil er seine geliebte Tochter getroffen hatte, als diese gerade auf dem Weg ins Krankenhaus gewesen war. Das war doch wieder einmal typisch! Diese unhöfliche Bande schloss ihn aus allem aus! Vermutlich weil sie meinten, ihn würde das ohnehin nicht interessieren. Nun... es interessierte ihn aber. Dieser Stiles war wirklich ganz okay für einen Menschen; irgendwie süß, schlauer als gut für ihn war und mit dieser Spur Todesverachtung, die Peter so attraktiv fand. Stiles sagte seine Meinung, selbst wenn er einen großen, bösen Wolf vor sich hatte, der ihn zerbrechen könnte wie ein Zweig, wenn er es nur wollte. Selbst damals, als Peter noch auf dem Kriegspfad gewesen war und alles gekillt hatte, was ihm im Weg stand, hatte dieser Junge sich ihm bereits entgegengestellt, seine freche Klappe zu weit aufgerissen und versucht, seine Freunde vor ihm zu schützen. Das hatte Peter irgendwie imponiert. Im Grunde war es Peter natürlich ganz Recht, das diese kleinen Loser aus seinem Rudel nicht wussten, dass sie ihm im Grunde überhaupt nicht vollkommen gleichgültig waren. Das bewahrte ihn zumindest davor, dass ständig irgendwer an seine Tür aus einem dämlichen Grund an seiner Tür klopfte, etwa weil er einen Splitter im Pfötchen hatte, oder Liebeskummer, oder was auch immer und ging ihm damit auf die Eier. Aber diese Sache mit Stiles? Peter war froh, dass er davon erfahren hatte. Er wollte da sein, falls es mit dem kleinen Kerl zu Ende ging. Doch im Grunde war frühzeitige Verzagtheit nicht Peter Hales Sache. Er wusste, dass dieser Junge ein Kämpfer war. Der würde nicht einfach still und heimlich abtreten, sondern stattdessen seinem Gegner die Zähne zeigen. Und vielleicht würde Stiles am Ende sogar als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen, wie schon so viele Male zuvor, als die Wetten ebenso haushoch gegen ihn gestanden hatten. Natürlich konnte Peter nicht einfach so in Stiles Krankenzimmer spazieren und ihm die kleine, kraftlose Flosse halten. Er war schließlich nicht seine Großmutter! Und überhaupt... wie hätte das denn ausgesehen? Außerdem ging es da oben doch ohnehin schon zu, wie im Taubenschlag: Jeder machte dem Sterbenden noch einmal seine Aufwartung. Peter belauschte die traurigen, flehenden Worte, die Stiles Besucher an ihn richteten, beinahe wie einen Abgesang. Idioten! Sie sollten dem Jungen doch besser cheerleadermäßig irgendwelche Kampfparolen von der Seitenlinie zubrüllen, wenn sie ihm wirklich helfen wollten! Irgendwas, damit der kleine Spinner wusste, dass er verdammt nochmal durchhalten musste. Peter hatte jedenfalls nicht die Absicht, einen Strauß schlaffer Tulpen anzuschleppen, um dem Patienten dann ein paar letzte Worte ins Ohr zu flennen. Anstatt dessen saß er bereits seit drei Tagen in seinem Wagen auf dem Krankenhausparkplatz, abgelegen genug, um nicht gleich von jedem Idioten entdeckt zu werden, aber doch so platziert, dass er das Kommen und Gehen hier gut überblicken konnte. Mit einem Ohr war er ständig bei dem Patienten und überprüfte dessen Lebensfunktionen; sicherer und zuverlässiger, als eine dieser dummen, piependen Maschinen um ihn herum. Dass sein Neffe sich im Krankenhauskeller verschanzt hatte, hatte Peter selbstverständlich auch spitzbekommen. Ihm war längst klar gewesen, dass diese traurige Entschuldigung für einen Werwolf sich in den Jungen verliebt hatte, auch wenn dieser alles tat, damit das bloß keiner mitbekam. Warum bitteschön versuchte dieser Feigling das zu verheimlichen? Man musste schon blind sein, wenn man das nicht merkte. Allein schon diese demonstrativ zur Schau gestellte Ablehnung, das Anknurren, die kleinen Handgreiflichkeiten, die unter Geiferspritzen geäußerten Drohungen. Man musste echt kein Genie sein, um die Leidenschaft zwischen diesen beiden zu spüren. Warum also konnte Derek nicht einfach sagen: Ich liebe Stiles, findet euch damit ab, Leute? Dann könnte er jetzt ganz ungeniert den ganzen Tag bei seinem Schätzchen hocken und ihn mit Kuhaugen anglotzen. Anstatt dessen hockte er im Keller bei den Ratten. Derek war eben derselbe feige Hosenscheißer wie immer schon! Peter verbot es sich zu schlafen, denn er wollte mitbekommen, was vor sich ging. Ein paar Tage hielt er das schon problemlos durch. Lediglich nachts verließ er das Auto, um nach Stiles zu sehen. Er ging selbstverständlich nicht in sein Zimmer, denn da hockte ja Derek, der Trauerkloß, aber vorletzte Nacht war Peter an der Fassade des Krankenhauses hochgeklettert, um einen Blick durch das Fenster zu wagen. Es waren ja auch bloß zwei Stockwerke. Für ihn war das ein Kinderspiel. Und vergangene Nacht hatte er auf dem Dach des Krankenhausanbaus seinen Posten eingenommen, von wo aus er genau in Stiles Zimmer schauen konnte. Der Junge sah abgekämpft aus, so als ob er es nicht mehr lange machen würde. Irgendwie passte Peter das überhaupt nicht und in Gedanken intonierte er „Go Sti-les, go Sti-les!“, so als säße er auf den Rängen am Lacrossefeld und feuerte ihn an. Was fiel diesem kleinen Idioten ein, jetzt schlappzumachen, dachte Peter zornig. Das war doch einfach lächerlich! Wollte er einfach im Schlaf sterben, wie ein so Waschlappen? Dafür war er einfach zu gut! „Go Stiles!“ murmelte er leise vor sich hin. Und wenn Peter zu dieser Art Ehrlichkeit vor sich selbst fähig gewesen wäre, dann hätte er gewusst, warum er Stiles nicht gehen lassen konnte. In Peters innerer Dunkelheit war Stiles eines der wenigen Lichter. Dieses Licht drohte nun zu verlöschen. Nichts fürchtete Peter mehr, als das. Kapitel 9: Lydia – Die Banshee und der Tod ------------------------------------------ Lydia war beinahe neuntausend Kilometer von Zuhause entfernt und befand sich inmitten in der Öffentlichkeit, als völlig unerwartet die Banshee in ihr erwachte. Ihr zweiwöchiger Schüleraustausch in Paris neigte sich da gerade beinahe seinem Ende zu. Es war neun Uhr am Morgen hier in Europa und zum Abschluss des Sprachaustausches machte die Schulklasse einen Ausflug in den Louvre. Lydia hatte sich sehr darauf gefreut, all die Werke der großen Meister einmal im Original zu sehen. Sie wartete soeben mit ihren französischen Mitschülern in der Schlange vor der seltsamen Glaspyramide, die den Eingang des Gebäudes bildete, als es losging: Ihrer Kehle entfuhr ein markerschütternder Schrei. Sie wusste sofort, dass etwas Furchtbares geschehen war. Ihr Freund Stiles war angegriffen worden. Lydia konnte spüren, wie er um sein Leben kämpfte. Sie brauchte einen kleinen Moment, um wieder voll und ganz ins Hier und Jetzt zurückzukehren und sie wurde sich bewusst, dass ihre Mitschüler und auch alle anderen Wartenden in der Schlange sie entsetzt anstarrten: „Araignée!“ stammelte sie eilig: „ Jái peur des Araignées. Il y avait une araignée.“ Die Umstehenden blickten sie verwirrt, ungläubig, teilweise auch verständnisvoll an. Sich mit einer Spinnenphobie herauszureden war vielleicht auch nicht die cleverste Idee, aber auf die Schnelle war ihr eben nichts besseres als Erklärung eingefallen, warum sie hier so unvermittelt herumbrüllte. Schlagartig hatte Lydia überhaupt kein Interesse mehr an dem Museumsbesuch, obwohl dieser im Grunde doch ihr zu Ehren stattfand, aber ihr blieb in diesem Moment auch nichts anderes übrig, als es einfach hinter sich zu bringen. Sie wanderte unruhig die Ausstellungshallen ab, gab vor, sich für die Kunst zu interessieren, doch gedanklich war sie ganz woanders. Sie musste nachhause und das so schnell wie möglich und sie überlegte hin und her, wie sie das anstellen konnte. Wenn daheim in Beacon Hills ihr Freund starb, dann musste sie dort sein um zu sehen, ob sie etwas tun konnte. Sie musste ihren Freunden beistehen und... vielleicht blieb ihr am Ende auch nichts weiter übrig, als einfach bloß Lebewohl sagen. Lydia war dankbar, als der Museumsbesuch endlich hinter ihr lag und sie griff als erstes zu ihrem Handy, als sie sich wieder unter freiem Himmel befand. Malia berichtete ihr knapp, was daheim geschehen war und Lydia versprach: „Ich komme so schnell, wie ich kann!“ Sie erklärte ihrer Gastfamilie, dass es einen familiären Notfall gegeben habe und sie umgehend nachhause fliegen müsse und das war nicht einmal eine Lüge gewesen, denn Stiles fühlte sich für sie wirklich wie eine Art Bruder an. In Windeseile hatte Lydia ihre Koffer gepackt, hatte sich ein Taxi genommen und war zum Flughafen gefahren, nur um dort zu erfahren, dass sie vor morgen Abend keinen Flug bekommen würde und auch dann würde sie keine Direktverbindung haben. Zunächst würde sie über acht Stunden lang von Paris nach Toronto fliegen, hätte dort wiederum einen halben Tag lang Aufenthalt und würde dann erst die Maschine nach Los Angeles nehmen können; Flugdauer fünfeinhalb Stunden. Von dort wäre sie dann mit dem Auto in eineinhalb Stunden daheim in Beacon Hills. Diese Tour würde mörderisch werden, aber Lydia war das gleichgültig. Sie wollte zu ihrem Freund! Als sie eine Weile eingenickt war, während sie auf einer der unbequemen Bänke am Flughafen versuchte, die Nacht herum zu bringen, hielt ein Taschendieb sie offenbar für ein leichtes Opfer. Der Kerl war gerade dabei, ihre Handtasche an sich zu bringen, als Lydia erwachte. Sie war sofort hellwach und auf den Füßen. Mit dem, was als nächstes geschah, hatte der kleine Ganove sicherlich sicherlich gerechnet. Er versuchte, das Mädchen von sich zu stoßen und mit seiner Beute zu entkommen, doch sein Opfer war sehr viel tougher, als es aussah. Von Parrish hatte Lydia zu kämpfen gelernt und das tat sie nun und vermöbelte den Kerl, der mehr als einen Kopf größer und beinahe doppelt so schwer war, wie sie selbst nach allen Regeln der Kunst. Lydia war es gewohnt, sich den Mächten des Bösen entgegenzustellen. Ein kleiner Handtaschenräuber war da im Grunde kein würdiger Gegner mehr für sie. Am Ende hatte der Dieb keine Wahl, als entsetzt und ohne seine Beute Reißaus zu nehmen. Einige andere Reisende waren auf den Vorfall aufmerksam geworden und applaudierten Lydia, doch diese nahm einfach wieder nur ihren Sitzplatz ein und tat so, als sei nichts geschehen. Später im Flugzeug hatte Lydia dann endlich Gelegenheit wirklich ein wenig Nachtschlaf nachzuholen. Und mit dem Schlaf kamen die Träume. Lydia fand sich an einem seltsamen Ort wieder. Es war düster hier, so wie kurz nach Sonnenuntergang und dies hier schien eine Art Wald zu sein, auch wenn die Bäume aussahen, als seien sie schon lange tot und versteinert. Alles um sie herum wirkte unwirtlich und bedrohlich. Und dann entdeckte Lydia aus dem Augenwinkel die monströse, dunkle Gestalt, die auf die zukam und sie rannte! Sie erwachte mit einem entsetzten Schrei und als sie die Augen öffnete, blickte sie in das Gesicht eines freundlich, aber auch besorgt dreinblickenden Flugbegleiters: „Entschuldigen sie. Alptraum!“ murmelte sie, um ihn loszuwerden, doch sie wusste, dies war nicht nur ein Traum gewesen. Oder zumindest war es nicht ihr eigener Traum, es war das, was Stiles momentan erlebte und für ihn war es real; ein wirkliche Bedrohung seines Lebens. Und ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Lydia erinnerte sich daran, wie es früher war, bevor sie und Stiles Freunde geworden waren. Wenn sie auf sich selbst zurückblickte, dann mochte sie die Person nicht besonders, die sie damals gewesen war. Sie hatte seinerzeit alles daran gesetzt, jeden davon zu überzeugen, dass sie etwas Besseres sei, als jeder andere. Sie war das beliebte Mädchen, jemand zu deren Partys jeder gern eingeladen werden wollte; jemand mit dem Jungs sich gern umgaben, um damit ihr eigenes Ansehen zu erhöhen. Was war sie nur für eine dumme, eitle Gans gewesen? Durch Menschen wie Stiles hatte sie damals geflissentlich hindurchgeblickt, als wären sie unsichtbar, denn im Grunde waren sie eine Bedrohung für ihre damalige Lebensweise. Sich mit solchen zu umgeben, war der Garant für gesellschaftlichen Abstieg. Alles was für Lydia damals gezählt hatte, war ihr Ansehen, dabei war das alles so furchtbar hohl gewesen! Sie bestand zu dieser Zeit ihres Lebens lediglich aus Fassade. Alles was sich dahinter möglicherweise verbarg, hatte sie vor jedem, insbesondere sich selbst sorgfältig verborgen. Stiles war es trotzdem gelungen, Lydia in ihrem Wesen zu erkennen und er hatte sie für all´ das geliebt, was niemand über sie wissen durfte. Er hatte erkannt, wie schlau sie im Grunde war und er hatte sich nicht davon bedroht gefühlt, wie all die anderen Jungs, die es nicht ertragen hätten, ein Mädchen um sich zu haben, dass sie locker in die Tasche stecken konnte. Er war eben selbst auch ziemlich schlau. Wenn Stiles nicht gewesen wäre, dann hätte sie sich höchstwahrscheinlich in jenem Moment das Leben genommen, als sie erfuhr, wer sie wirklich war. Sie war eine Banshee, ein Freak, das Mädchen, das Visionen hatte, furchterregende Schreie ausstieß und regelmäßig über Leichen stolperte. Doch sie war eben nicht der einzige Freak. Heute hatte sie Freunde, die ebenfalls allesamt anders waren als alle anderen. Und ihre Zuneigung bedeutete Lydia heute so viel mehr, als die oberflächliche Anhimmelei vom Rest der Welt, die ihr früher so wichtig gewesen war. Sie gehörten zusammen, wie eine Familie. Wie ein Rudel. Und Stiles war das Herz, welches sie alle zusammenhielt. Lydia ballte die Fäuste. Sie wollte jetzt einfach nur bei ihm sein! Kapitel 10: Derek... und alle anderen! -------------------------------------- Es war wieder einmal Nacht geworden im Beacon Hills Memorial und Derek war aus seinem Kellerversteck hervorgekommen, um nach seinem Gefährten zu sehen. Stiles war schwächer, als noch in der Nacht zuvor. Er schwitzte wie im Fieber, sein Gesicht war bleich wie Kalk, sein Herz schlug noch unruhiger, als gewöhnlich und sein Körper wirkte mager und eingefallen. Es konnte nun nicht mehr lange dauern! Derek pfiff mittlerweile darauf, ob die Nachtschwester ihn hier erwischte, zumal heute Melissa McCall Dienst hatte. Sie würde es schon verstehen, warum er hier war und würde ihn nicht hinauswerfen. Und Derek musste Stiles nun einfach nah sein; so nah wie möglich, denn dies hier war vermutlich seine allerletzte Chance dazu. Und so zog er sich eben einen Stuhl an das Bett, setzte sich und betrachtete den schlafenden jungen Mann vor sich zärtlich. Derek dachte zurück an den dürren Jungen mit dem Buzzcut und den unmöglichen Klamotten, der Stiles noch vor drei Jahren gewesen war, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, draußen im Beacon Hills Reservat bei der Ruine seines Elternhauses. Ein tollpatschiger Sechzehnjähriger mit großen hellbraunen Kinderaugen, Himmelfahrtsnase, weichen, jugendlichen Gesichtszügen und einer unverschämten, großen Klappe. Gott, wie hatte Stiles Derek damals auf die Palme gebracht mit seinen dummen Ideen, seiner Selbstüberschätzung und seiner unwahrscheinlichen Frechheit! Der Werwolf hatte ständig das Bedürfnis gehabt, dem Jungen wehzutun, um ihn in seine Schranken zu weisen. Doch hatte das auf Stiles etwa Eindruck gemacht? Nicht im geringsten! Er hatte Null Respekt vor dem großen, starken, ach so überlegenen Werwolf. Derek hatte das wahnsinnig gemacht. Und es hatte ihn erregt. Als Derek das irgendwann klargeworden war, hatte ihn das zutiefst verstört und er hatte versucht, sich von Stiles fernzuhalten. Gelungen war ihm das nie, den sie beide zogen einander nun einmal magnetisch an. Vor Dereks Augen war Stiles zu einem Mann herangewachsen; immer noch zu dünn, zu vorlaut und mitunter zum Schreien lustig, aber markanter heute, erwachsener, männlicher, souveräner und in seinem Wesen auch ein wenig düsterer von Zeit zu Zeit. Und aus der verwirrenden, unterschwelligen körperlichen Anziehung Dereks Stiles gegenüber, war beinahe unmerklich Liebe geworden; unerwartet, unerwünscht und dennoch unleugbar. Und Stiles fühlte tatsächlich ebenso für ihn? Derek konnte das im Grunde immer noch nicht ganz fassen. Was wäre wohl aus ihnen beiden geworden, wenn es den Angriff nicht gegeben hätte? Nun würde er es wohl nie erfahren. Wären sie tatsächlich ein Paar geworden? Derek hatte nie etwas gegen Homosexuelle gehabt, er hätte nur nie geglaubt, dass er selbst irgendwann solche Gefühle entwickeln könnte. Er nahm Stiles kraftlose Hand in seine eigene und es fühlte sich ganz natürlich und vertraut an, ganz so, als hätte er dies schon sehr oft getan, in sehr, sehr vielen verschiedenen Leben. Derek lauschte aufmerksam, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war. Dann beugte er sich zu dem Schlafenden hinab und küsste ihn zart auf die Lippen. Ein letztes Mal! Verdammt, das war bitter! Er bettete seinen Kopf auf Stiles Brust, weil er einen Moment lang nichts weiter hören wollte, als dessen Herzschlag. Und weil Derek vollkommen übermüdet war, schlief er nach einer Weile einfach ein. *** „Was ist denn hier los, zur Hölle?“ Malia traute ihren Augen kaum, als sie Stiles Krankenzimmer betrat und ihren Cousin halb auf ihrem Ex-Freund ruhend vorfand. Sie und Scott hatten soeben die vollkommen übermüdete Lydia vom Flughafen abgeholt, welche trotz ihrer langen Reise darauf bestanden hatte, anstatt sich zuerst zu duschen und umzuziehen, sofort ins Krankenhaus zu fahren: „Ich fasse es ja nicht?“ stimmte Lydia nun kopfschüttelnd mit ein, welche das Zimmer direkt nach Malia betreten hatte. Derek war inzwischen aus seinem Schlaf hochgeschreckt, war weiß wie eine Wand vor Schreck und behauptete stammelnd: „Ich... ich habe nichts gemacht! Ich bin doch bloß... eingeschlafen, versteht ihr? Weiter nichts!“ „Was erzählst du denn da für einen Blödsinn. Du bist doch immer schon verrückt nach dem Jungen gewesen. Wieso stehst du nicht einfach dazu?“ mischte sich nun Peter ein, welcher offenbar gerade die Hausfassade hinaufgeklettert war und nun durch das Fenster einstieg, welches lediglich angelehnt gewesen war. „Wo kommst du denn her?“ fragte Derek erschrocken: „Nun lenk´ nicht ab! Du wolltest den Kids doch gerade erklären, was da zwischen Stiles und dir läuft.“ behauptete Peter und hockte sich in Ermangelung eines weiteren Stuhl auf Stiles Bettkante: „Ich wollte nichts dergleichen tun, weil es euch nichts angeht! Und nun beweg´ deinen Hintern vom Krankenbett! Du wirst noch irgendwelche Schläuche abreißen, du Trampel!“ pöbelte Derek zurück. Malia ging unterdessen ein Licht auf: „Scheiße! Also bist DU der Junge, in den sich Stiles verliebt hat? Wie lange läuft das denn schon mit euch beiden.“ „Waah...?“ machte Derek dümmlich: „Da läuft überhaupt nichts. Ehrlich nicht!“ „Warum lügst du denn? Nun, wo die Katze schon aus dem Sack ist, kannst du doch endlich dazu stehen.“ warf Peter genervt ein: „Dich hat niemand gefragt!“ knurrte Derek. An Malia gewandt erklärte er beinahe schüchtern: „Das mit Stiles und mir ist doch noch ganz neu, verstehst du. Wir hatten uns gerade erst gefunden, als... na ja... dieser Angriff passiert ist.“ „Was haben sie mit meinem Jungen zu schaffen, Hale?“ polterte der Sheriff, welcher nun ebenfalls das Krankenzimmer betreten hatte. Alle fuhren überrascht zu ihm herum. Derek traf beinahe der Schlag. So hatte Noah Stilinski sicher nicht davon erfahren sollen, welche Beziehung zwischen Stiles und ihm selbst entstanden war. Er sprang so hektisch von seinem Stuhl auf, dass dieser rückwärts umkippte und geräuschvoll zu Boden fiel: „Ich... uhm... gar nichts, Sir!“ stotterte er. Herbeigerufen von dem Krach eilte nun auch Melissa in Begleitung von ihres, welcher soeben eingetroffen war, um nach seinem besten Freund zu sehen, in Stiles Zimmer: „Was ist den das für ein Radau?“ herrschte die Krankenschwester die Anwesenden an: „Das hier ist ein Krankenhaus und kein orientalischer Basar!“ Derek wäre am liebsten aus dem Fenster gehechtet, um sich tief in den Wäldern zu verstecken. Kapitel 11: Stiles – Die Waffe des Menschen ------------------------------------------- Seit der Junge seinem Feind vor einer Weile mit knapper Not lebend entkommen war, war er besser auf der Hut. Er dachte nicht mehr viel nach, sondern er rannte ganz einfach. Leben bedeutete flüchten, das hatte er nun begriffen und er ignorierte alles, was ihn ablenkte, insbesondere die fernen Stimmen. Er dachte auch nicht mehr über das Wort nach, dessen Bedeutung ihm einfach nicht einfallen wollte, denn er hatte die Hoffnung aufgegeben, dass sich jemals etwas an seiner Existenz verändern könnte. Überleben, das war es, worauf es ankam! Nichts anderes zählte. Das Ungeheuer war weiterhin unermüdlich hinter ihm her, doch dem Jungen gelang es, es stets weit genug auf Abstand zu halten. Er blendete einfach alles aus, was ihn quälte; seine schmerzenden Füße, seine brennenden Lungen und sein rasendes, kurz vor dem Kollaps stehendes Herz. So ging es scheinbar ein Ewigkeit. Doch völlig unvermutet und aus dem Nichts heraus veränderte sich irgendwann etwas. Etwas geschah mit dem Körper des Jungen und das war zu bedeutend, um es zu ignorieren. Es begann mit seinen Lippen, auf denen sich nun eine wohlige Wärme ausbreitete und so ein lustiges, angenehmes Kribbeln. Der Junge tat etwas, was er seiner Erinnerung nach noch niemals getan hatte, weil es dazu nie einen Grund gab: Er lächelte! Dann spürte er die Wärme auf seiner Brust und sie breitete sich von seinem Herzen ausgehend in seinem gesamten Leib aus. Plötzlich war da Zuversicht, wo vorher Verzagtheit gewesen war, Erinnerung an das Gefühl von Freude, wie aus einem anderen Leben. Vielleicht waren Flucht, Dämmerlicht, Schmerz und Todesangst ja doch nicht alles, was existierte! Vielleicht gab es da ja doch noch etwas anderes? Dann waren auf einmal die fernen Stimmen zurück und diesmal waren sie lauter als je zuvor, beinahe als seien sie direkt neben ihm. Sie klangen so unwahrscheinlich vertraut und der Gejagte konnte plötzlich nicht mehr anders, als auf sie zu lauschen. Und nun fiel auch wieder dieses geheimnisvolle Wort: Stiles! Nun ließ es den Jungen mit einem Mal nicht mehr los. Er wusste, was es bedeutete. Es lag ihm auf der Zunge. Verdammt nochmal, es musste ihm doch wieder einfallen! Dann wusste er es plötzlich: Stiles? Das war sein Name! Er war Stiles Stilinski! Und nun fiel ihm auch wieder ein was Stiles Stilinski in seinem Wesen ausmachte: Er war niemand, der vor den dunklen Mächten davon lief; nein im Gegenteil, er rannte auf sie zu, stellte sich ihnen entgegen. Und er besiegte sie, zur Hölle! Stiles blieb schlagartig stehen. Ein gewinnendes Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Nein, er würde nicht mehr rennen. Es wurde nun endlich Zeit, diesem widerlichen Mistvieh den Arsch aufzureißen! Aus dem Augenwinkel konnte Stiles sehen, dass neben ihm wie aus dem Nichts auf einmal ein Objekt aufgetaucht war. Er wandte seinen Kopf in diese Richtung und das was er dort sah brachte ihn zum Lachen. Es war ein Baseballschläger, von welchem ein goldenes Licht ausging, welches die ewige Dämmerstimmung an diesem Ort erhellte. Stiles ergriff die Waffe und drehte sich zu seinem Widersacher um: „Also gut, komm´ her, Arschloch! Ich laufe nicht mehr vor dir weg. Jetzt wollen wir doch mal sehen, wie stark du wirklich bist!“ knurrte der Junge angriffslustig. Sein Feind, momentan in der Gestalt einer riesigen Spinne, stand genau vor ihm und Stiles stellte zufrieden fest, dass er innehielt, anstatt auf der Stelle anzugreifen. Dann jedoch setzte die Spinne zum Sprung an. Stiles holte mit seiner Keule aus und traf das Biest direkt auf seine acht Augen. Das Tier ging zu Boden, lag nun reglos auf dem Rücken, die acht widerlichen, haarigen Beine verkrümmt. „Und was ist jetzt? Habe ich etwa gewonnen?“ fragte Stiles sich selbst halblaut, denn im Grunde konnte er nicht glauben, dass es so einfach gewesen sein sollte. Da veränderte sein Feind seine Gestalt und wurde zu einem zwei Meter langen, schwarzen, ölig glänzenden Tausendfüßler, welcher nun auf den Jungen zu gekrochen kam: „Mein Gott, bist du widerlich!“ rief Stiles aus und schwang erneut seinen Prügel. Es gelang ihm, sich das Monster vom Leib zu halten und er landete einige heftige Treffer, ehe das riesige Gliedertier sich endlich nicht mehr regte. Es dauerte jedoch nicht lange, ehe sein Gegner eine weitere Metamorphose vollzog und er erstand dieses Mal als riesiger, pechschwarzer Löwe mit langer, wehender Mähne und mächtigen Reißzähnen wieder auf. Ein ohrenbetäubendes Brüllen ließ den Wald erzittern: „Denkst du etwa, jetzt hätte ich Angst vor dir, du blöder Penner?“ brüllte Stiles kämpferisch, auch um sich selbst Mut zu machen: „Ich habe gegen Alphas gekämpft, gegen einen Nogitsune und einen Kanima. Dagegen bist du gar nichts, ein Niemand, verstehst du? Komm´ doch her und hol dir noch mehr Schläge ab! Ich werde dich am Ende doch besiegen!“ Der Löwe griff an. Es erforderte viele Schläge, um ihn zu erledigen und dessen Krallen hatten Stiles ein paar Mal gefährlich erwischt, doch noch stand er! Der Löwe hingegen regte sich nicht mehr. Da fiel Stiles auf, dass die Landschaft um ihn herum irgendwie jlangsam verschwamm, undeutlicher und unwirklicher wurde. Sein Feind wurde schwächer, wurde ihm klar! Stiles musste noch Dutzende Inkarnationen desselben Feindes bekämpfen; einen Drachen, eine Art riesigen Menschenaffen, eine meterlange Schlange, eine monströse Hornisse, einen Raubvogel mit einem mörderischen Schnabel und viele andere, doch es wurde jedes Mal leichter, einen Sieg zu erringen und dann war plötzlich alles vorbei. Der steinerne Wald verblasste vollständig, sein Feind löste sich in harmlosem, dunklem Rauch auf und nun erschien es Stiles, als würde er aus den tiefsten Tiefen des Ozeans aufsteigen und unaufhaltsam der Wasseroberfläche entgegenstreben. *** „Scheiße! Also bist DU der Junge, in den sich Stiles verliebt hat? Wie lange läuft das denn schon mit euch beiden.“ Die Stimme von Malia drang an Stiles Ohr. „Waah...? Da läuft überhaupt nichts. Ehrlich nicht!“ Das war Derek, erkannte Stiles. „Warum lügst du denn? Nun, wo die Katze schon aus dem Sack ist, kannst du doch endlich dazu stehen.“ Peter war auch hier? Wie eigenartig! Nun vernahm Stiles wieder die Stimme von Derek. Sie klang recht verzweifelt: „Dich hat niemand gefragt!“ Das ging in Peters Richtung: „Das mit Stiles und mir ist doch noch ganz neu, verstehst du. Wir hatten uns gerade erst gefunden, als... na ja... dieser Angriff passiert ist.“ Das war offenbar an Malia adressiert. „Was haben sie mit meinem Jungen zu schaffen, Hale?“ Dad! Sein Vater war auch da! Ein Poltern war zu hören und dann stammelte Derek: „Ich... uhm... gar nichts, Sir!“ Zuletzt hörte Stiles noch die Stimme von Melissa McCall: „Was ist denn das für ein Radau? Das hier ist ein Krankenhaus und kein orientalischer Basar!“ Stiles öffnete die Augen und krächzte mit so viel Nachdruck, wie ihm möglich war: „Leute, lasst gefälligst Derek in Ruhe! Er hat nichts Böses getan.“ Alle Blicke richteten sich auf den Patienten in seinem Bett. „Bro! Du bist wach!“ rief Scott aus. Im selben Moment ertönte die erleichterte Stimme des Sheriffs: „Junge! Gott sei Dank!“ Alle beide stürzten auf das Krankenbett zu, dicht gefolgt von Malia und Lydia. „Ich dachte wirklich, wir hätten dich verloren!“ rief die erdbeerblonde Banshee aus und küsste Stiles auf die Stirn. „Mensch, siehst du Kacke aus!“ stellte Malia fest und Peter knuffte Stiles nicht eben sanft in den Oberarm und sagte anerkennend: „Gut gekämpft, Prinzessin! Ich wusste, du schaffst es!“ „Ich muss doch sehr bitten, meine Herrschaften!“ ertönte nun der strenge Ruf von Melissa McCall aus dem Hintergrund: „Alle weg von dem Patienten und raus hier! Ich muss Stiles erst einmal gründlich untersuchen und dann dürft ihr Wiedersehen feiern, ist das klar?“ Widerwillig zogen Freunde und Familie sich nach und nach zurück. Dass Derek direkt nach Stiles Erwachen klammheimlich verschwunden war, hatte in dem Durcheinander niemand bemerkt. Kapitel 12: Stiles und Derek – Kampf oder Flucht ------------------------------------------------ Stiles musste drei weitere Tage zur Beobachtung im Krankenhaus verbleiben, weil man ganz sichergehen wollte, dass er wieder vollständig in Ordnung war, auch wenn die Ärzte immer noch nicht begriffen hatten, was ihm zuvor überhaupt gefehlt hatte. In dieser Zeit war ständig einer von Stiles Freunden bei ihm, sogar bei Nacht, denn Schlafen war immer noch ein riesiges Problem für Stiles. Er hatte nach allem was er hinter sich hatte, Angst davor die Augen zuzumachen; Angst vor den Träumen und auch Angst dovor, nicht mehr aufwachen zu können. Normalerweise waren nächtliche Besuche in der Klinik selbstverständlich verboten, doch man machte in Stiles Fall eine Ausnahme, weil Melissa beim Chefarzt ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte. In der ersten Nacht blieb Noah Stilinski da und hielt die Hand seines Sohnes, bis dieser eingeschlafen war. Erst dann machte auch er selbst auf dem Feldbett, welches man freundlicherweise für ihn bereitgestellt hatte, die Augen zu. In der nächsten Nacht hielt der wahre Alpha bei seinem besten Freund Wache und er hatte einen ganzen Rucksack voll mit Comics und ungesunden Snacks dabei, als wären sie beide wieder sechs Jahre alt und würden eine Pyjama-Party feiern. Scott war eben einfach der Beste! In der Nacht Nummer drei kam Malia und legte sich direkt zu Stiles ins Bett, denn sie behauptete, sie würde irgendeinen Koyoten-Vodoo beherrschen, welcher in heilen und ihm sämtliche Restdämonen austreiben könne. Stiles glaubte zwar nicht daran, aber es war trotzdem schön, dass seine Freundin da war und über ihn wachte. Mitten in der Nacht, als beide gerade eingenickt waren, stieß auch noch Peter zu ihnen, auch wenn ihn niemand eingeladen hatte. Er klatschte in die Hände und behauptete munter: „Fein, fein! Na das sieht doch mal gemütlich aus!“ Mit diesen Worten schob er die beiden noch ein wenig enger zusammen und quetschte sich dazu, wodurch Stiles zu einem Burger-Pattie in der Mitte eines Hale-Tate-Vater-Tochter-Sandwiches wurde. Irgendwie war das nicht einmal das Schlechteste. All seine Freunde waren das ein oder andere Mal bei Stiles im Krankenhaus aufgetaucht, um nach ihm zu sehen, sogar Deaton, der ihm einen furchtbar stinkenden Kräutertrank gegen seine Schlafstörungen und Ängste gebraut hatte und der dann darauf bestand, dass der Patient diesen vor seinen Augen bis zum letzten Tropfen austrank. Nur einer ließ sich nicht blicken und das war Derek! Ein paar Mal hatte Stiles sein Telefon in der Hand gehabt und darüber nachgedacht ihn einfach anzurufen, doch dann hatte er es sich aus Stolz verboten. Als der Sheriff am Morgen des vierten Tages nach der Abschlussvisite der Ärzte endlich kam, um Stiles nachhause zu holen, waren Peter und Malia schon wieder gegangen. Zuhause angekommen nahmen Vater und Sohn erst einmal ein ausgedehntes Frühstück miteinander, bei welchem der Sheriff seinen Nachwuchs keine Sekunde lang aus den Augen ließ: „Das ist gruselig, Dad. Hör auf damit! Ich bin wirklich wieder okay!“ versicherte Stiles irgendwann mit einem kleinen, verunsicherten Grinsen. Sein Vater nickte, doch sein ernster, nachdenklicher Blick blieb weiterhin auf dem Jungen haften. Weil er das Schweigen nicht gut aushielt, fragte Stiles wenig später: „Wenn das für dich okay ist, würde ich nach dem Frühstück gerne kurz verschwinden?“ „Ach ja?“ fragte sein Vater knapp „Ich möchte mich gern mit jemandem treffen, um etwas Wichtiges zu klären.“ fügte Stiles unbehaglich hinzu: „Derek.“ erwiderte Noah. Es war eine Feststellung und keine Frage: „Also ist es wahr? Du und er ihr seid... was? Ein Paar vielleicht?“ Stiles Ohren glühten und er zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern, als wolle er in sich selbst verschwinden: „Ich weiß es auch nicht? Genau das würde ich ja gern klären. Bist du deswegen böse auf mich, Daddy?“ Er klang jung und ängstlich bei dieser Frage: „Nein Stiles, ich bin doch nicht böse.“ versicherte der Sheriff rasch: „Aber überrascht bin ich schon irgendwie. Damit habe ich einfach nicht gerechnet. Ich meine... was war denn zum Beispiel mit Malia?“ Stiles zuckte hilflos mit den Achseln: „Ich habe damit auch nicht gerechnet, Dad. Aber es ist dennoch so und... es ist sehr mächtig. Ich konnte mich einfach nicht länger dagegen wehren. Ich muss herausfinden, was diese Gefühle bedeuten.“ „Aber wieso denn ausgerechnet Derek Hale? Er ist doch so... ich meine diese ganze Sache mit der schlechten Laune und den Augenbrauen und so...? Es ist ja nicht schlimm, dass es ein Mann ist Stiles, aber kann es nicht einer sein, der... ich weiß nicht... netter ist?“ erwiderte Noah skeptisch: „Sei lieber froh, dass ich mich nicht in Peter verliebt habe?“ erwiderte Stiles grinsend, in dem Versuch, mit unpassendem Humor die Situation aufzulockern Sein Vater sah mit einem Mal so aus, als habe er einen entzündeten Backenzahn. „Mach´ dir bitte keine Sorgen um mich, Dad. Derek tut mir nichts. Er und ich haben uns schon so oft gegenseitig das Leben gerettet. Er ist ein wirklich guter Kerl. Er ist nur ein furchtbarer Einzelgänger und er ist... so traurig. Aber ich glaube, das kann ich wieder hinkriegen.“ fügte Stiles hinzu. Sein Vater zuckte unzufrieden mit den Schultern: „Du bist kein kleiner Junge mehr, Stiles. Du bist achtzehn Jahre alt, du bist jetzt ein Mann. Ich kann dich wohl kaum daran hindern, dass du zu Derek gehst und tust, was immer du tun musst, aber erinnere diesen schlechtgelaunten Werwolf doch vielleicht bei Gelegenheit daran, dass ich eine Waffe trage und ein ausgezeichneter Schütze bin, in Ordnung?“ Stiles lachte und versprach: „Falls das Gespräch darauf kommt, werde ich es nebenbei einfließen lassen.“ Er stellte seinen Teller in die Spülmaschine und machte Anstalten aufzubrechen. „Warte noch!“ forderte Noah, erhob sich von seinem Stuhl und schloss seinen Sohn fest in die Arme: „Ich hab´ dich lieb, Junge! Vergiss´ das nie!“ versicherte er verlegen. Stiles atmete in der Umarmung seines Vaters auf und erwiderte: „Ich dich auch!“ Dann machte er sich los und verschwand. Noah blickte ihm stirnrunzelnd hinterher. Stiles war mit großen, energischen Schritten entschlossen losmarschiert, doch als er nun vor dem dem hohen, düsteren, einschüchternd wirkenden, alten Fabrikgebäude ankam, verließ ihn irgendwie der Mut. Der Camaro stand vor dem Haus, also war Derek höchstwahrscheinlich zuhause. Stiles blickte nach oben zu dem großen Balkon und dem riesigen Fenster, welche zum Loft gehörten, fasste sich ein Herz und betrat das Treppenhaus. Nachdem er mühsam die fünf Etagen erklommen hatte, beruhigte Stiles erst einmal wieder seinen Atem. Er spürte in diesem Augenblick deutlich, dass er noch nicht wieder vollkommen fit war, nachdem er tagelang einfach nur dumm im Bett herumgelegen hatte, aber für das, was er jetzt vorhatte brauchte er Luft und ein souveränes Auftreten. Als er das große, schwere Tor zum Loft aufriss, fürchtete er heimlich, dass Derek ihn längst gehört, gerochen, gespürt, oder was auch immer getan hatte, wodurch diese Werwölfe immer so gut Bescheid wussten und einem armen kleinen Menschenkind wie ihm selbst stets einen Schritt voraus waren. Er fürchtete weiter, dass Derek deswegen mit einem beherzten Sprung durch das Fenster der längst überfälligen Aussprache entkommen war, doch so war es zum Glück nicht. Derek lag nackt und bis zur Hüfte zugedeckt in seinem großen, breiten Bett und schien erst wach geworden zu sein, nachdem Stiles sich zu Zugang zu seinem Zuhause verschafft hatte: „Oh gut, du lebst noch!“ knurrte Stiles anstelle einer Begrüßung, schnappte sich den erstbesten Gegenstand, den er in die Finger bekam; in diesem Fall einen heruntergebrannten Kerzenstumpf und bewarf Derek damit: „Ich dachte schon du seist tot, nachdem du es nicht für nötig gehalten hast, einfach mal zu mir zu kommen, um nach mir zu sehen.“ Derek fing das Geschoss im Flug auf, legte es beiseite und erwiderte kühl: „Warum hätte ich zu dir kommen sollen? Ich habe doch gesehen, dass du diese Sache überlebt hast. Mehr musste ich nicht wissen.“ „Du Arsch!“ bellte Stiles und es flogen weitere Gegenstände; ein leerer Kaffeebecher, eine Box mit Taschentüchern und ein dickes Buch in Dereks Richtung: „Ich wäre beinahe gestorben, verdammte Scheiße! Und als ich dann endlich wieder in Ordnung war, da hat es derjenige, den ich am dringendsten sehen wollte nicht einmal für nötig gehalten, mich anzurufen. Was stimmt eigentlich mit dir, du blöder Penner? Ich hasse dich!“ „Hör auf Sachen nach mir zu werfen, Stiles!“ knurrte Derek: „Denkst du etwa, mir wäre es leicht gefallen, nicht zu kommen? Ich tue das doch ausschließlich für dich!“ „Was ist los? Du tust das für mich? Bist du bekloppt? Was ist das denn nun wieder für ein Bullshit?“ pöbelte Stiles: „Erklär´ mir das und wehe du erzählst Mist, denn dann werfe ich als nächstes diesen Stuhl nach dir!“ „Also gut, beruhige dich wieder, in Ordnung Stiles?“ erwiderte Derek beschwichtigend: „Ich versuche hier nur, die Angelegenheit sachlich zu betrachten und der vernünftige Erwachsene von uns beiden zu sein, okay? Denk´ doch mal nach! Wir beide küssen uns zum ersten Mal und Sekunden später wirst du beinahe umgebracht. Also wenn das kein deutliches Zeichen des Himmels ist, dass wir zwei es besser bleiben lassen sollten, dann weiß ich es auch nicht? Du bist ein Mensch, Stiles. Du bist zerbrechlich, wehrlos, sterblich... ! Du hast in meiner Welt einfach nichts verloren. Sie ist zu gefährlich für dich. Denkst du etwa, ich könnte es ertragen eines Tages dein Blut an meinen Händen zu haben. Ich liebe dich Stiles und deswegen sollte ich mich so weit von dir fern halten, wie nur irgend möglich. Ich bringe nichts als Unglück. Ich denke übrigens darüber nach, die Stadt zu verlassen, damit du sicher bist. Es mag zunächst schwer für uns beide werden, aber es wäre einfach das Beste!“ „Also gut, du hast es so gewollt!“ pöbelte Stiles und hielt drohend das Sitzmöbel über seinen Kopf: „Stell´ den Stuhl wieder hin und komm´ endlich zur Vernunft, Stiles! Versuch´ doch wenigstens eine Minute lang rational über das nachzudenken, was ich gerade gesagt habe, dann wirst du einsehen, dass ich Recht habe!“ erwiderte Derek so beruhigend wie möglich. Tatsächlich stellte Stiles das Möbelstück wieder hin und atmete tief durch: „Also gut, ich habe dir zugehört, nun bist du an der Reihe, also spitz´ gefälligst mal die Ohren, du Spinner, denn ich habe dir ein paar wichtigen Dinge zu sagen. Das erste und wichtigste ist folgendes: Ich bin hier nicht das Fräulein in Not und du nicht der Werwolf in schimmernder Rüstung, dessen Aufgabe es ist, mich zu retten, kapiert? Ich bin schlau und stark und mittlerweile recht gut darin, mich selbst zu retten, wie ich gerade erst wieder bewiesen habe. Zweitens: Meine Freunde sind Werwölfe, Werkoyoten und Banshees und meine Heimatstadt ist Beacon Hills. Die Gefahren des Übernatürlichen gehören nun mal einfach zu meinem Leben dazu. Und nur zu deiner Information: Manchmal ist es da ganz nützlich, wenn ein großer, starker, schlecht gelaunter Werwolf zufällig in der Nähe ist, um mich zu retten, wenn ich es doch mal nicht selbst hinbekomme. Das funktioniert aber nur, wenn du hier bist und nicht irgendwo in Timbuktu, geht das in deinen Holzkopf hinein? Und drittens: Ich liebe dich, Mann und das bedeutet, dass ich dich nicht einfach so gehen lassen werde. Ich würde dir folgen, dich aufspüren, wo immer du dich versteckst, bis du endlich zur Vernunft kommst und begreifst, dass ich dein Schicksal bin, verstehen wir uns, Kumpel?“ Der nächste Gegenstand, der in Dereks Richtung flog, war Stiles roter Kapuzenpullover. „Hey, was wird denn das, Stiles. Zieh dich wieder an!“ rief Derek entsetzt, doch da hatte der Jüngere, mittlerweile nur noch in seine Boxershorts gekleidet, bereits sein Bett geentert und ließ sich auf den Hüften des Älteren nieder: „Halt´die Klappe, Großer.“ forderte Stiles sanft: „Weißt du es nich, wie sonnenklar alles gewesen ist in jenem Moment, als wir uns da draußen im Wald geküsst haben?“ Er beugte sich zu Derek hinunter und verschloss ihre Lippen miteinander. Ihr Kuss brachte für einen kurzen Moment die ganze Welt zum Stillstand: „Ich... uhm... ich erinnere mich.“ bestätigte Derek leise. Eine Weile blickten die beiden Männer einander einfach nur schweigend in die Augen: „Ich habe Angst!“ murmelte Derek irgendwann: „Weiß ich doch, Idiot!“ entgegnete Stiles zärtlich: „Ich will nicht schon wieder jemanden verlieren, den ich liebe.“ fügte der Werwolf unbehaglich hinzu. Stiles legte den Kopf in den Nacken und lachte leise: „Du bist echt unverbesserlich!“ schalt er Derek sanft: „Wie wäre es denn damit, wenn wir beide erst einmal leben würden, bevor wir sterben, hm? Der Tod kommt irgendwann sowieso. Wir können ihn nicht aufhalten, ganz gleich was wir tun, oder unter welchem Stein wir uns verstecken, aber eines weiß ich ganz genau: Zusammen sind wir stärker! Ich kann mich um dein verkorkstes, kleines Herz kümmern, das verspreche ich. Und ich werde an jedem Tag meines Lebens neue Wege finden, um dich zum Lachen zu bringen. Was sagst du zu diesem Deal?“ „Du bist wirklich ziemlich schlau.“ stellte Derek ungewöhnlich kleinlaut fest: „Merkst du das auch endlich? Ich bin das Hirn und du die Muskeln.“ erwiderte Stiles lachend. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck und er schnurrte lüstern: „Apropos... du bist so verdammt heiß, weißt du das eigentlich?“ Seine Fingerspitzen fuhren über Dereks breite Brust, die Schultern und die muskulösen Arme: „Was tust du denn da, Stiles? Wir hatten doch noch nicht einmal ein richtiges Date?“ fragte Derek: „Das holen wir bei Gelegenheit nach. Dann wirst du mich zum Essen ausführen, mir den Stuhl zurecht rücken, den Wein aussuchen und die Rechnung bezahlen, wie ein Gentleman, aber jetzt werden du und ich ausprobieren, was daran Spaß macht, wenn zwei Jungs zusammen in einem Bett sind!“ bestimmte Stiles. Derek schluckte hart, nickte und bestätigte: „Also gut, du bist der Boss!“ „Gut dass du es endlich einsiehst.“ antwortete Stiles selbstbewusst, drückte den Werwolf in die Matratze und küsste ihn erneut. -ENDE- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)