Fremder Feind von Varlet ================================================================================ Kapitel 20: Jodie Starling -------------------------- James Black und Andre Camel standen in dem kleinen Zwischenraum zwischen den beiden Verhörzimmern in der Niederlassung des FBIs und beobachteten Jodie durch die Scheibe. Auf der anderen Seite des Raumes schirmte ein Spiegel den Raum vor den Blicken von Verdächtigen, Anwälten und Zeugen ab. Außerdem gab es den Agenten die Möglichkeit die Personen erst einmal zu beobachten. Anschließend blieb während einer Befragung häufig ein Agent im Zwischenraum, beobachtete die Mimik und Gestik des Befragten und gab seinem Kollegen über ein Mikrofon weitere Hinweise oder Fragestellungen. „Oh mein Gott“, murmelte James „Ich habe zwar Fotos von ihr gesehen…aber ich hätte nicht gedacht dass sie ihrer Mutter so ähnlich sieht…“ „Sir?“ Camel sah seinen Vorgesetzten an. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht vorher Bescheid gegeben habe. Als mich Agent Akai zur Unterstützung dazu holte, war ich auch sehr überrascht, dass sie noch am Leben ist. Ich wollte es Ihnen sagen, aber nachdem ich damals diesen Fehler gemacht habe, wollte ich Akai jetzt nicht in den Rücken fallen.“ „Ist in Ordnung“, entgegnete James ruhig. „Ich kann es irgendwie verstehen. Wahrscheinlich hätte ich an Ihrer Stelle genau so gehandelt und ohne Beweise ist es schwer jemanden zu überzeugen. Und wie ich Sie einschätze, haben Sie alles getan was notwendig war um Jodies Leben zu schützen.“ Camel nickte. „Danke, Sir.“ Shuichi öffnete die Tür zum Zwischenraum und sah die beiden Männer an. „Ich habe mit den Detectives vom NYPD alles geklärt und möchte jetzt Jodie das Ergebnis mitteilen. Wenn Sie möchten, können Sie dabei sein.“ James nickte und folgte Akai nach draußen. „Agent Camel, wenn Sie wollen, können Sie zurück in Ihr Büro“, sagte er und betrat mit dem anderen FBI Agenten das Verhörzimmer. Jodie saß alleine und angespannt in dem Raum. Dennoch kannte sie sich bereits gut genug aus um zu wissen, dass sie über den Spiegel beobachtet wurde. Teilweise fühlte sie sich sogar etwas heimelig, da es keine große Veränderung zu Japan gab. Außerdem war es für Jodie in Ordnung beobachtet zu werden, immerhin gehörte sie zu den Feinden des FBIs. Die Amerikanerin war erleichtert, dass Shuichi die Lage im Hotelzimmer sehr schnell erfasst und entsprechend reagiert hatte. Hätte er den Fall nicht so schnell an sich gerissen, hätte es auch ganz anders für sie enden können. Als Shuichi in seinem Wagen seinen Vorgesetzten informiert hatte, wurde Jodie unweigerlich nervös, da alles auf einmal so schnell ging und sie ihre Vergangenheit immer noch nicht in ihrer gesamten Komplexität verstanden hatte. Der Nachteil daran war allerdings, dass sie die ganze Zeit über warten durfte, zuerst in Shuichis Büro und anschließend im Verhörzimmer. Außerdem gab es noch Agent Camel, der versuchte ihr die Situation so einfach wie möglich zu machen, was aber auch hieß, dass er gefühlt jede halbe Stunde in den Raum kam und sie nach ihren Bedürfnissen fragte. Aber wie würde es gleich weiter gehen? Würde das FBI ihre Taten unter den Teppich kehren oder würde sie mit einer Strafe rechnen müssen? Und was war mit Shuichi? Würden seine Handlungen ebenfalls Konsequenzen haben? Als die Tür des Verhörzimmers geöffnet wurde, zuckte Jodie zusammen, auch wenn sie eigentlich für solche Situationen ausgebildet wurde. „Jodie“, begann Shuichi und nahm neben ihr Platz. „Wie geht es dir? Hat man sich hier gut um dich gekümmert?“ „Ganz gut“, antwortete Jodie ruhig. „Ich habe etwas zu Essen und zu Trinken bekommen und…ansonsten war es ganz ruhig.“ Der FBI Agent nickte. „Ich verstehe. Jodie? Das ist mein Vorgesetzter, James Black. Du hast Vermouth damals in seiner Verkleidung schon einmal gesehen. Er ist…war außerdem der Partner von deinem Vater.“ Jodie musterte den älteren Mann. „Ich…ähm…wie war er so…also mein Vater?“, fragte sie leise. James setzte sich Jodie gegenüber. „Agent Starling war ein fantastischer Agent. Er hat immer den Ausgleich zwischen seiner Arbeit bei uns und seiner Familie gefunden. Er hat sie wahnsinnig geliebt und wollte immer dafür sorgen, dass es seiner Frau und Tochter an nichts fehlte. Weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Deswegen hat er oftmals auch schwierige Aufträge übernommen und über seine Grenzen hinaus gearbeitet. Er war ein guter Mann und einer meiner ältesten Freunde. Seine Frau war ein sehr liebevoller Mensch. Sie hat sich um alles und jeden gekümmert, selbst um die Tiere auf der Straße. Am liebsten hätte sie alle mit nach Hause genommen und gerettet. Sie war wirklich jemand, der sofort zur Stelle war, wenn ein anderer Hilfe brauchte“, erzählte er. „Starling hat kurz vor seinem Tod gegen die Organisation ermittelt und sich als Bodyguard von Sharon Vineyard bei ihnen mehr oder minder eingeschlichen. Wir gehen davon aus, dass sie die Wahrheit erfahren hat und daraufhin ihm und seine Frau aus Rache das Leben genommen hat.“ „…und mich entführte“, murmelte Jodie. „Vor etwa einem Jahr hat Ver…Chris das Verbrechen mir gegenüber gestanden. Sie sagte, sie hätte es nicht gekonnt ein Kind in den Flammen sterben zu sehen…“ „Ich verstehe“, gab James von sich. „Nun denn…wir müssen trotzdem überprüfen, ob Sie wirklich seine Tochter sind.“ „Black“, kam es von Akai. „Vermouth hat bereits gestanden. Und Sie selbst haben gesagt, dass die Ähnlichkeit zu verblüffend ist.“ „Das mag sein“, stimmte der FBI Agent zu. „Allerdings bin ich auch ein Mensch, der die Schlussfolgerungen und Indizien mit Beweisen belegt haben muss.“ Er sah zu Jodie. „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß, ich mute Ihnen viel zu, aber ich würde gern einen Vaterschaftstest durchführen lassen.“ Jodie schluckte. „Haben Sie denn seine DNA?“ „Unsere Agenten geben regelmäßig eine Blutprobe ab. In diesem Zuge wird auch eine DNA-Probe genommen und entsprechend aufbewahrt. Wenn von Ihrer Seite nichts dagegen spricht, sollte ein Test möglich sein. Natürlich nur, wenn es auch in Ihrem Interesse ist.“ „Ja…“, gab Jodie von sich. „Machen Sie den Test. Ich will die Gewissheit haben…schwarz auf weiß.“ „In Ordnung“, nickte James. „Ich werde gleich alles Weitere veranlassen.“ „Und…was passiert mit Shuichi?“, fragte Jodie leise. „Er hat mich…damals und…auch jetzt…nur schützen wollen.“ „Machen Sie sich um den mal keine Sorgen, der ist hart im nehmen“, antwortete James. „Es hat mich zwar überrascht, dass er den Ackerman Fall einfach so und ohne Rücksprache übernommen hat, aber er weiß schon was er tut.“ „Und er ist anwesend“, kam es trocken von Akai. James schmunzelte. „Sie wissen, wie ich das meine. Aber Spaß bei Seite. Sie wollten uns über den Ackerman Fall aufklären.“ Akai nickte. „Detective Rogers hat mir die bisherigen Ermittlungsergebnisse zur Verfügung gestellt und ich konnte sie entsprechend auswerten. Ackerman ist einige Stunden nachdem Jodie und ich über Board gefallen sind, ebenfalls ins Wasser gestürzt und ertrunken. Einige Gäste hatten seinen Sturz gesehen oder seine Hilferufe gehört. Es sind zwar einige Gäste auch nachgesprungen, aber für Ackerman war es bereits zu spät. Die Polizei hat es für einen schrecklichen Unfall gehalten. Seine Frau wurde daraufhin von Freunden der Familie nach Hause gebracht und fand dort einen Brief ihres Mannes. In dem Brief hat er sich bei ihr für alles entschuldigt und gestanden was vor über einem Jahr zwischen ihm und Jodie passiert ist. In dem Brief führte er weiterhin aus, dass er sie jetzt wieder getroffen hatte und sie ihm möglicherweise wieder auflauern würde. Er hatte auch ein Bild von dir“, erzählte Shuichi. „Ich nehme an, er hat den Brief geschrieben, weil er sich nach der Nacht im Gefängnis sah.“ „Du meinst…er hatte geahnt, dass ich auf dem Schiff sein würde und…hatte geplant mich umzubringen?“ „Es ist nicht auszuschließen. Aber wir können ihn nicht mehr Fragen. Jedenfalls hat sich seine Frau dann erinnert, dass sie dich auf dem Schiff sah und sofort die Polizei informiert.“ James hatte aufmerksam zugehört. „Dann hat sie also geglaubt, dass der Tod ihres Mannes durch Jodie verursacht wurde.“ „Genau“, entgegnete Shuichi. „Die Polizei hat daraufhin das Personal überprüft und selbstverständlich niemanden ausfindig gemacht, der auf Jodies Beschreibung passen könnte. Deswegen wurde sie zur Fahndung ausgeschrieben. Aufgrund der Beziehung zu Japan nahm man an, dass man dich möglicherweise im Hotel findet. Als wir dort waren, hat dich der Rezeptionist erkannt und das NYPD informiert.“ „Deswegen waren sie so schnell dort“, murmelte Jodie verstehend. „Unser Glück war Ackermans Paranoia. Auf dem Schiff waren überall Kameras, die erst heute Mittag ausgewertet wurden. Es war erkennbar, dass er den Triumph über dich gefeiert und zu viel getrunken hat. Durch das Schaukeln des Schiffes hat er letzten Endes den Halt verloren und ist über Board gegangen. Sein Tod war also tatsächlich ein Unfall. Außerdem war auf dem Video zu sehen, wie er dich gewürgt und vom Schiff gestoßen hat.“ „Und…wie geht es jetzt weiter?“, wollte Jodie wissen. „Mit dem Anwalt von Ackermans Frau haben wir ausgemacht, dass der Tod ihres Mannes weiterhin nur als Unfall in den Akten geführt wird und keine weiteren Details an die Presse weitergegeben werden. Außerdem verzichtest du auf eine Anzeige wegen Körperverletzung und versuchten Mordes, sowie auf das Schmerzensgeld was dir zustünde. In Anbetracht, dass wir sonst auch die Organisation im Nacken hätten, halte ich das für ein gutes Vorgehen. Ich hoffe, das war auch in deinem Interesse.“ Jodie nickte. „Ja, ja…natürlich…ich möchte nicht, dass…mich die Presse in ihrem Fokus hat…ansonsten…kann das nicht schön enden.“ „Wir können über diesen Ausgang froh sein.“ Jodie sah zu James. „Und was machen wir jetzt wegen mir und der Organisation?“ „Wir werden erst einmal den Test machen und das Ergebnis abwarten.“ James blickte zu Shuichi. „Ich denke, Sie können erst einmal bei Agent Akai bleiben und ich nutze die Zeit um mir etwas Einfallen zu lassen. In einer Woche treffen wir uns wieder.“ Angespannt saß Jodie in Shuichis Büro. Auch wenn sie wusste, wie das Testergebnis ausfiel, spielten ihre Gedanken verrückt. Jodie malte sich alle möglichen Szenarien aus und ging dabei immer vom Schlimmsten aus. „Dein Boss hat keine Andeutungen gemacht, wie der Test ausgegangen ist?“ Akai schüttelte den Kopf. „Er hat am Telefon nur gesagt, dass das Ergebnis da ist und ich dich mitbringen soll.“ Jodie schluckte. „Ich bin irgendwie aufgeregt.“ „Das musst du nicht sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Vermouth damals gelogen hat.“ Jodie nickte. Als die Tür zum Büro aufging, stand sie automatisch auf. „Bleiben Sie ruhig sitzen“, sagte James und zog sich einen Stuhl vom benachbarten Arbeitsplatz heran. Er setzte sich und beobachtete Jodie. „Ich habe den Brief noch nicht geöffnet“, fügte er hinzu und holte den Umschlag aus seiner Mantelinnentasche. „Ich…ich bin irgendwie nervös…ich mein, ich weiß…wie das Ergebnis sein müsste…aber trotzdem…ich…“ „Ich kann Sie sehr gut verstehen“, nickte James. „Machen wir ihn zusammen auf. Fühlen Sie sich dazu in der Lage?“ Jodie blickte auf Shuichi. „Soll ich lieber gehen?“, wollte der Agent wissen. Jodie schüttelte den Kopf. „Bitte bleib“, wisperte sie und sah dann auf den Briefumschlag. Sie atmete tief durch. „Wir können ihn öffnen.“ „In Ordnung“, entgegnete Black und öffnete den Briefumschlag. Er las sich die Zeilen durch. „…die Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft beträgt 99.999%...“ „Das heißt…“ James nickte. „Das heißt, dass Sie Jodie Starling sind.“ Jodie hielt sich die Hände vors Gesicht. „Ich bin…ich bin…“ „Ja“, murmelte der Ältere. „Wir haben Sie endlich gefunden.“ Jodie brauchte einen Moment um sich zu fangen. „Und…und wie geht es jetzt weiter?“ „Nun ja“, fing James an und runzelte die Stirn. „Sie haben die Möglichkeit den Namen Saintemillion zu behalten oder abzulegen und Starling anzunehmen. Das bleibt Ihnen überlassen. Außerdem haben Sie das Recht auf die Rücklagen Ihrer Familie.“ „Rück…rücklagen?“ Black nickte. „Ihr Vater war immer um Ihr Wohl bedacht. Nach dem Mord haben wir alle Konten soweit einfrieren lassen. Als berechtigte Erbin haben Sie auf diese nun Zugriff. Sie können sich von dem Geld eine Wohnung oder ein Haus kaufen oder Sie investieren es anderweitig in Ihre Zukunft.“ Jodie blickte zu Shuichi. „Ich…glaube…eine neue Wohnung…ist nicht nötig. Außer du…du willst mich los werden.“ „Auf gar keinen Fall“, kam es sofort von Shuichi. „James, ich denke, es ging Jodie mit ihrer Frage hauptsächlich um die Organisation. Wir wissen alle, dass sie sie jagen werden und müssen entsprechende Maßnahmen ergreifen.“ „Machen Sie sich darüber keine Gedanken. Die Organisation ist zwar auch im Ausland tätig, aber ihr eigentliches Handlungsgebiet ist Japan. Und…“ Er sah zu Jodie. „Ich kann Sie zwar nicht einfach zur FBI Agentin ernennen, aber wir haben einen Arbeitsvertrag vorbereitet. Sie können – natürlich nur wenn Sie wollen – als externe Beraterin für uns tätig sein. Das heißt, sollten auf Sie Anschläge verübt werden, geht die Aufklärung sofort in unseren Zuständigkeitsbereich über. Dadurch sind Sie zwar nicht komplett vor der Organisation geschützt, aber ihre Handlungsfähigkeit wird um einiges eingeschränkt werden. Selbstverständlich ist das nur eine Option und wenn Sie lieber das Land verlassen wollen oder Ihren eigenen Weg gehen möchten, stehen wir Ihnen nicht im Wege.“ „Ich hatte in der Organisation nicht viele Freiheiten was mein eigenes Schicksal angeht“, begann Jodie. „Aber ich kenne mich mit Verbrechen aus und damit, wie man sie am besten vertuscht. Ich würde deswegen gerne für Sie…also für das FBI arbeiten.“ Und was konnte sich Jodie auch mehr wünschen? Sie hatte eine neue Aufgabe bei der sie nicht ihre weiblichen Reize spielen lassen musste, einen Freund, den sie liebte und ein neues Leben. Eigentlich konnte es nicht besser laufen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)