Fremder Feind von Varlet ================================================================================ Kapitel 12: Schadensbegrenzung ------------------------------ „Aua“, murmelte Jodie. „Du tust mir weh“, fügte sie leicht quengelnd hinzu. Amuro lockerte seinen Griff und betrat mit Jodie den Aufzug. Als er sie los ließ, rieb sie sich den Arm. Dabei hatte er nicht einmal richtig zugepackt. Mies gelaunt wartete er bis die Türen aufsprangen und marschierte auf seine Zimmertür zu. Er öffnete diese und schob Jodie dann unsanft rein. Wütend schloss Amuro die Tür und beobachtete die junge Amerikanerin. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“ Jodie ging in die Mitte des Raumes. Sein Zimmer ähnelte ihrem, allerdings lagen auf seinem Bett bereits ein Laptop und ein paar Unterlagen herum. „Ich weiß immer noch nicht, was du meinst“, gab sie leise von sich und sah sich im Zimmer um. Automatisch versuchte sie alle möglichen Fluchtwege in Erfahrung zu bringen. „Ach ja?“, kam es von Amuro. Er ging an Jodie vorbei und nahm den Laptop vom Bett. Einige Sekunden tippte er auf der Tastatur, ehe er ein Video startete und den Bildschirm seiner neuen Partnerin vor das Gesicht hielt. Mittlerweile kam er sich wie ein unterbezahlter Babysitter vor. Shuichi schüttelte den Kopf. „Was willst du hier?“, fragte er kühl. „D…dai…“, wisperte Jodie. „Du bist…Dai…Shuichi…“ „Was?“ Shuichi sah sie schockiert an. „Hör auf damit“, fügte er an. Er ging auf sie zu und ballte die Faust. „Hör auf so zu tun, als wärst du Jodie. Hör auf, Chris Vineyard!“ „Ich kann das nicht…“, flüsterte sie, drehte sich um und lief los. Die gesamte Strecke wurde aufgezeichnet und nachdem Jodie stehen blieb, stand sie schon bald einer zweiten Person gegenüber. Einem Mann, denn ihre Erinnerungen noch nicht zuordnen konnten. „Was soll das?“, wisperte Jodie leise und kämpfte gegen ihre Tränen. „Warum nur? Warum?“ Langsam setzte sie sich wieder in Bewegung und stieß prompt mit einer anderen Person zusammen. „Aua…“ Jodie landete unsanft auf ihrem Hintern und sah nach oben. „Oh, Entschuldigung“, begann der Mann. „Ich hab Sie gar nicht…“ Er verstummte plötzlich und starrte sie an, als hätte er einen Geist gesehen. „Du“, fing er an und schluckte. „Du bist…du bist hier…“, gab er bleich von sich. Er schüttelte den Kopf. „Nein, das kann nicht…das kann nicht sein…“, wiederholte er. Er schüttelte den Kopf. „Lass mich…lass mich in Ruhe…“ Er drehte sich um und lief los. Jodie blieb zurück und stand auf. „Wer war das?“, fragte sie sich selbst. Bourbon beendete die Videoaufnahme, klappte den Laptop zu und legte ihn zurück auf das Bett. „Also? Was hast du dazu zu sagen?“ Jodie schluckte. „Ich…“, fing sie leise an und realisierte erst jetzt, dass sie von der Organisation überwacht wurde. Jodie sah runter auf ihre Handtasche. „Ihr…ihr habt mich…“, wisperte sie. „Das diente nur zu deiner eigenen Sicherheit“, entgegnete Amuro. „Es war meine Entscheidung und wie ich jetzt gesehen habe, war es auch die Richtige.“ Bourbon verschränkte die Arme vor der Brust. „Was dachtest du dir nur dabei? Wolltest du, dass uns Akai auf die Spur kommt?“ „Ich…“ Jodie wich einen Schritt nach hinten und sah sich hilfesuchend um. „Ich…ich konnte doch nicht wissen, dass er ausgerechnet dort sein würde“, begann sie. „Du weißt, dass ich mich hier nicht auskenne.“ Amuro schüttelte den Kopf. „Bevor du an einem fremden Ort nach draußen gehst, solltest du dich über die Umgebung informieren. Um Akai besser im Blick zu haben, habe ich absichtlich ein Hotel in der Nähe seiner Arbeitsstelle ausgesucht. Hättest du nur einmal auf die Karte gesehen, hättest du gewusst, dass jede andere Richtung für deinen kleinen Ausflug besser gewesen wäre. Nur deswegen war er in der Nähe und hat dich gesehen. Willst du, dass er vorbereitet ist?“ Jodie sah auf den Boden. „Jetzt schau nicht so. Es ist zu spät um sich Vorwürfe zu machen. Wir müssen uns jetzt so schnell wie möglich etwas Einfallen lassen.“ Amuro dachte nach. „Am besten bleibst du die nächsten Tage in deinem Zimmer. Lass dir das Essen nur vom Zimmerservice bringen und verlass nicht den Raum. Sollte er dich finden, kannst du über die Durchgangstür und mein Zimmer entkommen. Hast du das verstanden?“ Jodie sah wieder nach oben. „Glaubst du, er wird mich hier suchen?“, wollte sie wissen. „Akai ist nicht dumm. Wenn er dich gesehen hat, wird er auch nach dir suchen. Die logischste Schlussfolgerung ist, dass du dich in der Nähe eingemietet hast. Aber mach dir keine Sorgen, ohne einen richterlichen Beschluss oder eine Anordnung durch das FBI wird er an der Rezeption keine Informationen bekommen. Glücklicherweise hat er derzeit nichts gegen dich in der Hand. Also machen wir das Beste draus.“ „Es tut mir leid“, wisperte Jodie. „Ich hab mir wirklich nichts dabei gedacht. Ich wollte…einfach nur an die frische Luft und bin immer geradeaus gegangen. Erst als ich ihm gegenüber stand, merkte ich meinen Fehler.“ Bourbon schüttelte abermals den Kopf. „Lass gut sein. Wie gesagt, wir müssen jetzt Schadensbegrenzung betreiben. Ich werde versuchen es so aussehen zu lassen, dass er sich deine Anwesenheit nur eingebildet hat. In einigen Tagen jährt sich der Tag an dem er versucht hat…“ Bourbon brach ab. Jodie nickte und blickte wieder auf den Boden. „Ich weiß“, sagte sie leise. „Bald ist es ein Jahr her.“ „Kommst du damit klar?“, wollte das Organisationsmitglied wissen. „Geht schon“, nickte Jodie und atmete tief durch. „Das sollte für mich jetzt nicht das Problem darstellen. Wir müssen…schauen, dass Akai keinen Hinterhalt vermutet. Deswegen glaube ich auch, dass es besser wäre, wenn er glaubt, dass es nur Einbildung war. Außerdem hat er gedacht, er stünde Chris gegenüber. Vielleicht kann uns das ja auch helfen, wenn wir ihn in die Falle locken wollen.“ „Gut möglich“, entgegnete Bourbon. „Aber eine andere Sache macht mir etwas mehr Sorgen.“ Er beobachtete Jodie. „Der Mann, der dich sah. Er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen. Wer war er? Woher kennst du ihn?“ „Ich…ich weiß es nicht“, antwortete Jodie betrübt. „Es wirkte so, als würde er mich kennen. Aber…aber ich kenne ihn nicht. Ich hatte zwar das Gefühl, dass ich ihn schon einmal gesehen habe, aber ich kann ihn einfach nicht zuordnen.“ „Mhm…“, grübelte Amuro. „Vielleicht gehört er auch zum FBI? Ich könnte doch damals auch zu ihm Kontakt gehabt haben“, sagte sie. „Tut er nicht“, kam es sofort von dem Organisationsmitglied. „Würde er es, hätte er ganz anders auf deine Erscheinung reagiert. Stattdessen sah es aber so aus, als hätte er vor dir Angst gehabt.“ „Mhm…jetzt wo du es sagst.“ „Gut, ich werde versuchen ihn zu identifizieren. Aus dem Video kann ich ein Foto extrahieren und es nach Japan schicken. Spätestens morgen werden wir mehr Wissen.“ Er beobachtete Jodie. „Und du gehst jetzt auf dein Zimmer und bleibst dort bis ich dir andere Anweisungen gebe. Hast du verstanden? Oh und versuch bitte nicht die Kamera an deiner Tasche zu entfernen. Das würde ich merken und meine Reaktion darauf möchtest du nicht sehen. Außerdem musst du dir keine Sorgen machen, ich werde dich weder im Badezimmer beobachten noch während du schläfst.“ „Das heißt, andere Gegenstände sind nicht mit einer Kamera ausgestattet oder verwanzt?“, wollte Jodie wissen. „Genau“, log Amuro. Jodie wurde etwas Rot. „Ich würde…ich würde gern noch eine Sache wissen.“ „Mhm? Und was?“, fragte Amuro. „Als ich auf Akai traf…ich hatte das Gefühl, dass zwischen ihm und mir…mehr war als nur die Arbeit. Und daher hab ich mich gefragt…“ Amuro sah sie nachdenklich an. „Das stimmt“, begann er zögerlich. „Ich war mir bisher allerdings nicht sicher, ob ich dir davon erzählen sollte. Deswegen habe ich mich dagegen entschieden. Wir können ein schlechtes Gewissen von dir nicht gebrauchen.“ Jodie schluckte. „Habe ich…habe ich ihn geliebt?“ „Das kann ich dir nicht sagen“, antwortete er ruhig. „Die einzige Person, die das mit Bestimmtheit sagen kann, bist du selbst. Ich weiß nur, dass du dich ein paar Mal mit ihm getroffen hast und die Vermutungen angestellt hast, dass er ein Verräter ist. Aber er konnte deine Zweifel geschickt aus dem Weg räumen und hat dich um den kleinen Finger gewickelt. Dabei hat er dir Gefühle vorgespielt. Aber irgendwann hast du die Wahrheit herausgefunden und gewusst, dass er dich nur für seine Zwecke benutzt hat. Allerdings…“ Jodie schluckte. „…war es bereits zu spät…“ Bourbon nickte. „Er fühlte sich in Zugzwang und musste schnell handeln. Und kurz darauf waren wir froh, dass wir dich retten konnten.“ „Ich verstehe. Ich bin also Schuld, dass meine Eltern…“, gab Jodie leise von sich und schüttelte den Kopf. Sie versuchte die Gedanken zu entfernen. „Danke, dass du es mir erzählt hast. Ich werde jetzt in mein Zimmer gehen.“ Amuro nickte. „Wenn du reden willst, solltest du lieber Vermouth anrufen. Man sagt mir nach, das ich nicht sonderlich sensibel bin.“ Jodie versuchte gezwungen zu lächeln. „Gute Nacht“, murmelte sie und verließ das Zimmer. Amuro streckte sich und sah ihr nach. Er seufzte und setzte sich auf sein Bett. Manchmal hasste er seinen Beruf, aber er hatte geschworen Japan und seine Bewohner zu beschützen. Egal wie und egal zu welchem Preis. Und aus diesem Grund musste er nun handeln, auch wenn es hieß, dass er Menschen belügen musste. Außerdem hatte er Jodie nur die halbe Wahrheit erzählt, da zu einer guten Lüge immer ein Teil Wahrheit gehörte. Amuro griff nach dem Laptop und klappte ihn auf. Er ließ das Video ein weiteres Mal abspielen und stoppte rechtzeitig um mit seinem Handy ein Foto vom Gesicht des Mannes zu machen. Unverzüglich schrieb er eine Nachricht an Vermouth. Kennst du diesen Mann? Dass sie nicht sofort Antworten würde, war ihm klar, aber nach zwei Stunden wurde er langsam nervös und spähte immer wieder aus dem Fenster um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen. Als das Telefon endlich klingelte, wirkte er erleichtert. „Ich bin dran“, meldete er sich bei seinem Gesprächspartner. „Der Mann heißt Leon Ackerman“, begann Vermouth. „Er ist vor sieben Jahren zum Studieren nach Japan gegangen und hat dort seine jetzige Ehefrau kennen gelernt. Natürlich liebt er sie nicht wirklich, aber da ihre Familie Geld hat, hat er dort eingeheiratet und macht sich seitdem ein schönes Leben.“ Vermouth leckte sich über ihre Lippen. „Sein eigentliches Beuteschema sind blonde Amerikanerinnen. Aus diesem Grund haben wir Jodie damals auf ihn angesetzt. Sie hat ein paar…nennen wir es mal…verwerfliche Fotos gemacht und ihn um einiges an Geld erleichtert.“ „Verstehe“, gab Bourbon von sich. „Wusstest du, dass er mittlerweile in den Staaten ist?“ „Ja“, antwortete sie. „Er lebt in New York. Selbstverständlich behalten wir jedes Opfer im Auge und wissen, wo sich wer aufhält. Der gute Ackerman hatte so große Angst, dass Jodie seiner Frau die Wahrheit steckt, dass er ihr Heimweh vorspielte. Aus Liebe ist sie schließlich mitgegangen. Warum fragst du?“ „Und du hast es nicht für notwendig gehalten, mir vorher diese Information zu geben?“ „New York ist groß.“ „Scheinbar nicht groß genug“, gab er von sich. „Er ist Jodie begegnet.“ „Oh. Was für ein interessanter Zufall.“ „Findest du?“, wollte Bourbon wissen. „Sie hat ihn nicht erkannt, aber er wusste genau, wem er gegenüber steht. Es könnte noch zu einem Problem werden, sollte er glauben, dass sie wieder an sein Geld will.“ „Das stimmt“, antwortete die Schauspielerin. „Aber du weißt ja, was in einem solchen Fall zu tun ist. Vorsicht ist besser als Nachsicht.“ Das Organisationsmitglied schmunzelte. „Wir sollen ihn zum Schweigen bringen, verstanden.“ „Gut.“ Vermouth grinste. „Ich verlasse mich auf dich. Gab es sonst etwas Auffälliges? Wie geht es unserer Kleinen?“ „Bestens“, gab Bourbon von sich. „Es läuft alles nach Plan. Wir sind jetzt im Hotel und werden die nächsten Tage ausgiebig nutzen. Akai wird schon sehr bald Geschichte werden.“ „Ausgezeichnet. Ich wusste, dass man sich auf dich verlassen kann“, sagte sie. „Und Bourbon? Ich weiß, ich muss es dir nicht sagen, aber mach keine Fehler.“ „Hältst du mich für einen Anfänger?“, wollte er wissen. „Ich melde mich, sollte es doch noch Komplikationen geben“, fügte er hinzu und legte auf. Amuro ballte die Faust. Nicht nur, dass er sich um Shuichi Akai kümmern musste, jetzt hatte er noch das Problem mit Leon Ackerman. Akai konnte er noch vertreten, schließlich würde sein Tod den Aufstieg bedeuten. Und der Aufstieg würde heißen, dass er weitere Hintermänner kennen lernte. Und irgendwann konnte er die Organisation endgültig vernichten. Bourbon tippte über die Tastatur und suchte alle Informationen über Leon Ackerman heraus. In seinem Kopf bildete sich ein Plan. Kleine Puzzleteilchen, die langsam das große Gesamtbild ergaben. „So könnte es gehen“, sagte er zu sich selbst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)