Fremder Feind von Varlet ================================================================================ Kapitel 2: Am Hafen ------------------- James beobachtete den FBI Agenten und zog sein Handy aus der Jackentasche. „Sind Sie sicher, dass Sie das machen wollen?“ Akai seufzte. „Ja, das habe ich doch bereits gesagt. Ich kenne meinen Körper besser als die Ärzte und ich weiß, was ich mir zumuten kann und was nicht. Also bitte organisieren Sie die Fahrt, ansonsten sehe ich mich gezwungen, das Krankenhaus auf eigene Verantwortung zu verlassen.“ Black verengte die Augen. Die Drohung hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Er räusperte sich. „Ich sehe dennoch ein Problem darin, dass Sie heute an den Hafen fahren. Sie sind gerade erst wieder wach geworden und brauchen noch einige Zeit. Es würde mich beruhigen, wenn Sie heute noch im Bett bleiben und wir Sie erst morgen an den Hafen fahren würden.“ Akai ballte die Hände zu einer Faust. Er hatte bereits genug Zeit verschwendet und sollte jetzt noch einen weiteren Tag warten. Der FBI Agent biss sich auf die Unterlippe. „Und bevor Sie gleich damit argumentieren wollen, dass wir einen Tag verschwenden, denken Sie doch bitte an Ihre Gesundheit. Außerdem haben Sie bereits ein paar Tage hier gelegen. Ob Sie nun einen Tag später an den Hafen kommen oder nicht, ändert nichts an dem, was Geschehen ist“, fügte Black hinzu. „Denken Sie das nicht auch?“ Akai fühlte sich in die Ecke gedrängt und ihm wollte partout nichts als Erwiderung einfallen, was hilfreich gewesen wäre. Sein Kopf war leer. „Von mir aus“, versuchte er relativ anteilnahmslos zu entgegnen. James nickte erleichtert. „Also gut, dann bestelle ich Agent Camel für morgen dreizehn Uhr hierher.“ Akai sah ihn mürrisch an. „Morgens werden Sie noch untersucht und Sie müssen zeitig das Mittagessen einnehmen um auch bei Kräften zu sein. Deswegen können wir erst am Nachmittag fahren.“ „Von mir aus“, gab Akai von sich. Er blieb ruhig, auch wenn er geradewegs in eine Falle seines Bosses lief. Dreizehn Uhr – Nachmittag. Er würde nicht wieder nachgeben. Shuichi zog sich in dem kleinen Badezimmer seines Krankenzimmers um und betrachtete sein Äußeres im Spiegel. Sein Gesicht zeigte bereits die Anzeichen eines drei-Tage-Barts - etwas das ihm, in seinen Augen, nicht stand. Akai öffnete den Kulturbeutel, welchen er von seinem Vorgesetzten bekam und rasierte sich die Haare ab. Er wusch sich das Gesicht und schaute seinem Spiegelbild ein weiteres Mal zu. „Ich hab überlebt“, sagte er leise zu sich selbst und seufzte. Aber warum hatte er das? Warum hatte er sie alleine gelassen und nicht dafür gesorgt, dass sie zuerst in Sicherheit war? Er hatte doch bemerkt, dass es ihr nicht gut ging, dass sie verletzt war und in ihr Verderben lief. Und doch hatte er so gehandelt. Aber hätte er jetzt die Möglichkeit etwas anders zu machen, er hätte es getan. Akai lehnte seinen Kopf gegen den Spiegel und schlug mit der Faust ganz leicht gegen diesen. Passte er nicht auf, zersprang der Spiegel und das Glas grub sich in seine Hand. Was danach passieren würde, wusste er: Die Ärzte sowie Black würden ihm Selbstmordgedanken unterstellen und an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Warum hatte er auch nur diesen Fehler gemacht? Er hatte sie in sein Herz gelassen und nun dafür bezahlt. Jeder Blick von ihr hatte ihn insgeheim verzaubert und zum Nachdenken gebracht. Er hatte viel zu sehr auf sein Herz gehört und seine Arbeit vernachlässigt. Ihre traurigen Blicke und die Art und Weise wie sie sich nach ihren gemeinsamen Nächten an ihn gekuschelte hatte, trugen dazu bei, dass er die Regeln des FBIs verletzte. Sich während eines verdeckten Einsatzes auf den Feind einzulassen oder sich gar in diesen zu verlieben, war strengstens untersagt. Shuichi seufzte. Aber jetzt war alles zu spät. Jodie war nicht mehr am Leben – sie konnte es nach der Begegnung mit Vermouth nicht mehr sein – und er musste nach vorne sehen. Er musste leben und gegen die Organisation kämpfen. Wenn nicht er, wer dann? Nur er konnte sie jetzt noch vernichten. Der Ansporn reichte, aber er hatte die Rechnung nicht mit seinen Vorgesetzten gemacht. Wie würde Black jetzt entscheiden? Würde er überhaupt weiter in Japan bleiben dürfen? Oder würde er seinen Dienst quittieren und auf eigene Faust gegen die Organisation ermitteln? Wenn er so darüber nachdachte, wäre dies seine letzte Option – und das nur um Jodies Tod zu rächen. Akai blickte ein weiteres Mal in den Spiegel, drehte anschließend den Wasserhahn auf und wusch sich das Gesicht ein weiteres Mal. Er würde seine Arbeit schon bald wieder aufnehmen. In wenigen Stunden war es endlich so weit. Er würde am Hafen Spuren und Indizien suchen, er würde das Lager der Organisation finden und sie mit diversen Verbrechen in Verbindung bringen. Sein Gesicht wäre das letzte, was die Organisation sehen würde, wenn er erst mit ihnen fertig war. Shuichi kniff die Augen zusammen. Er durfte nicht jetzt schon an das Ende der Organisation denken, wenn sie noch ganz am Anfang standen. Doch der Grundstein war bereits gelegt und mit Jodies Tod hatten sie sich einen starken Feind erschaffen. Akai atmete tief durch und verließ das Badezimmer. Er nickte seinem Vorgesetzten zu. „Camel noch nicht da?“, wollte er wissen. „Agent Camel ist bereits auf dem Weg. Es dauert sicher nicht mehr lange.“ Akai setzte sich wieder auf das Bett und sah auf die Tür. „Ich hoffe, Sie wollen damit keine Zeit schinden. Falls doch, seien Sie gewiss, dass es mich nicht aufhalten kann. Ich habe mich bereits gestern darauf eingelassen, dass wir erst heute an den Hafen fahren“, fing er an. „Und sollten Sie mir diesen Wunsch nicht erfüllen, werde ich mich eigenständig auf den Weg dorthin machen. Wie gestern bereits gesagt, ich habe keine Probleme damit mich aus dem Krankenhaus zu entlassen.“ Agent Black seufzte auf. „Ich kann verstehen, was in Ihnen vorgeht. Auch ich war vor Jahren als verdeckter Ermittler tätig und habe Menschen kennen gelernt, die mir ans Herz gewachsen sind. Und auch ich musste den Schmerz des Verlustes durchleben, deswegen glauben Sie meiner Erfahrung und überstürzen Sie es nicht.“ Black zog sein Handy hervor und sah auf die Uhr. „Agent Camel hat soeben auf dem Krankenhausparkplatz seinen Wagen abgestellt. Er wird in wenigen Sekunden hier oben sein.“ Shuichi stand auf. „Wir können ihm entgegen gehen“, sagte er. Black beobachtete ihn. „Ich möchte trotzdem meinen Unmut darüber ausdrücken, dass wir gleich an den Hafen fahren werden. Aber ich werde Sie dennoch darin unterstützen.“ „Jaja…ich weiß…eine Woche nur rumliegen…“, gab Akai von sich. „Ich bin der Schrecken eines jeden Arztes…“ „Agent Akai“, begann James. „Schon gut. Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich soll auf das hören, was der Arzt sagt.“ Es klopfte an der Tür und Camel betrat unverzüglich den Raum. „Guten Tag“, grüßte er und sah zu Akai. „Agent Akai, ich bin froh, dass Sie wieder aufgewacht sind und dass es Ihnen in der kurzen Zeit so gut geht.“ Gut? Es ging ihm nicht gut, aber er verbarg seine wahren Gedanken und Gefühle. „Das bin ich auch“, sprach Shuichi. „Lassen Sie uns keine Zeit vergeuden und losfahren.“ Camel sah zu Black. „Sir?“ Black nickte. „Ich komme auch mit.“ „Sind Sie sicher, dass Sie das Krankenhaus so schnell verlassen wollen, Agent Akai?“, wollte Camel wissen. Akai verdrehte die Augen. Nicht er auch noch. „Selbstverständlich bin ich das“, gab der Agent von sich. „Und ehe Sie fragen, mein Zustand ist stabil. Ich bin mir bewusst, was ich meinem Körper zumuten kann und was nicht. Und wenn wir am Hafen waren, kehre ich wieder zurück ins Krankenhaus.“ Agent Camel nickte. „J…ja… Dann wollen…wir mal…“ Shuichi nahm seine Jacke und zog sie an. Er verließ sein Krankenzimmer und ging in Richtung Ausgang. James und Camel folgten ihm widerwillig. „Wo steht Ihr Wagen?“, wollte der Agent wissen. „Auf dem Besucherparkplatz C-23“, antwortete Camel. „Es war gar nicht so einfach um diese Uhrzeit noch einen leeren Platz zu finden. Ich musste dreimal eine Runde fahren.“ „Verstehe.“ Shuichi orientierte sich durch die Schilder und kam am Wagen an. „Bitte schließen Sie auf.“ Camel nickte und öffnete die Wagentür. „Nehmen Sie doch bitte Platz.“ Das musste man dem Agenten nicht zweimal sagen. Ohne auf seinen Vorgesetzten zu achten, nahm Akai auf dem Beifahrersitz Platz. „Ich hoffe, dass macht Ihnen nichts aus, Sir.“ „Schon gut“, antwortete Black und setzte sich nach hinten, während Camel auf dem Fahrersitz Platz nahm. Er schnallte sich an und startete den Motor. Sogleich parkte er aus und fuhr in Richtung Hafen. Je näher sie dem Hafen kamen, desto unwohler fühlte sich Shuichi. Zum ersten Mal verspürte er während seiner Arbeit ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Was würde er am Hafen vorfinden? Würde die Erinnerung auf ihn niederprasseln? Würden ihm seine Erinnerungen einen Streich spielen oder würde alles wie immer sein? Eine posttraumatische Belastungsstörung durfte er auf gar keinen Fall zulassen. Deswegen half nur die Konfrontation. „Haben Sie sich die anderen Lagerräume genauer angesehen oder waren sie in den letzten Tagen hier und haben Beobachtungen angestellt?“, wollte Akai wissen. James wirkte überrascht. „Nein, das haben wir nicht“, antwortete er. „Wir waren zwar am nächsten Tag am Hafen, aber nachdem wir sahen, dass alle Spuren beseitigt waren, haben wir diesen Ort wieder verlassen und sind nicht erneut hergekommen.“ Akai schnaubte. Das FBI hatte ihre Chance vermasselt und jetzt war es zu spät. „Die Organisation hat dort ein Lager. Vermutlich hatten sie aber Sorge, dass Jodie es mir erzählt haben muss und haben alles verschwinden lassen.“ Black sah ihn überrascht an. „Sie hat es mir erst während der Flucht erzählt, deswegen konnte ich Sie nicht vorher informieren“, kam es von Akai. „Aber Sie hätten auch selbst darauf kommen können. Warum hätten wir sonst die Flucht in Richtung Hafen angetreten…“ Camel schwieg und fuhr bis zum Ort des Geschehens. Er stellte den Motor aus und schnallte sich ab. „Wir sind da.“ Akai sah aus dem Fenster. Hier war es also passiert. Hier hatte er Jodie ihrem Schicksal überlassen. Shuichi schluckte und sah in die Vergangenheit. Als der erste Schuss fiel, blieb er stehen. Kurz danach machte er sich sofort auf den Weg zurück. Akai zog seine Waffe heraus. Er war bereit. Jodie taumelte nach dem ersten Schuss. Shuichi machte einen Schritt nach vorne, stoppte dann aber und hielt nach Calvados Ausschau. Dann sah er den roten Punkt auf Jodies Brust. Gerade als er seine letzten Reserven mobilisierte, fiel der zweite Schuss und Jodie ging zu Boden. Akai atmete schwer. Er fühlte die Benommenheit, hielt sich aber noch auf den Beinen. Doch je mehr Zeit verstrich, desto schwerer wurde es für ihn und schließlich hatte er keine andere Wahl als nachzugeben. Shuichi spürte, wie er vom Ort des Geschehens weggeschleift wurde. „N…nein…“, murmelte er. Langsam öffnete Shuichi die Wagentür und stieg aus. Seine Beine fühlten sich schwer an und er machte nur langsam Schritte nach vorne. Camel und Black stiegen ebenfalls aus. „Agent Ak…ai…“, murmelte Camel, als Black ihm die Hand auf die Schulter legte und den Kopf schüttelte. Camel nickte verstehend. Shuichi ging zu der Stelle an der sich der Wagen überschlug. Er sah auf den Boden. Tatsächlich waren alle möglichen Spuren verschwunden und es gab nichts, was auf sein Auto hinwies. Langsam kniete er sich auf den Boden und berührte die Stelle. „Jodie“, sprach er leise und ballte seine Faust. „Ich bitte um Verlängerung meines Aufenthaltes hier.“ Black sah ihn irritiert an. „Agent Akai“, fing er an. „Ich muss die Organisation ein für alle Mal zur Strecke bringen. Ich bin der einzige, der das tun kann.“ „Abgelehnt“, sagte James energisch. „Ich habe bereits mit den Vorgesetzten in den Staaten gesprochen. Der Auftrag wird abgebrochen, wir kehren in einer Woche nach New York zurück.“ Akai sah zu ihm hoch. „Dann machen Sie das alleine. Ich werde hier bleiben und mich um die Organisation kümmern.“ „Agent Akai, ich kann verstehen, dass Sie hier bleiben wollen und wenn es wirklich Ihr Wunsch ist, müssen Sie Ihre Kündigung einreichen. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann Ihnen nichts anderes sagen. Wenn Sie jetzt wegen Rache hier bleiben und unüberlegte Handlungen durchführen, helfen Sie Niemandem. Wäre dann nicht der Tod der Frau umsonst gewesen? Oder möchten Sie ihr in den Tod folgen?“, wollte Black wissen. Shuichi schluckte. „Wir werden in New York weitere Informationen sammeln und versuchen die Organisation weiterhin im Auge zu behalten. Und eines Tages wird es Ihnen sicherlich wieder möglich sein nach Japan zurück zu kehren und Ihre Rache zu nehmen. Aber bis dahin sollten Sie Ihr Leben weiterführen. Können Sie das?“ Akai biss sich auf die Unterlippe. Sein Boss hatte Recht. Was brachte es, wenn er versuchte gegen sie anzukommen und mit seinem Leben bezahlte, nur weil er unachtsam und voller Trauer war? „Ja.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)