Ein Foul der Liebe von Lost_Time ================================================================================ Kapitel 2: Ein Unglück kommt selten allein ------------------------------------------ Die Straße auf der anderen Seite seines Wohnblocks war leer gewesen. Abgesehen von den Autos mit all den Menschen, die in ihren Feierabend fuhren. Abgesehen von den Leuten, die sich mit ihren Liebsten trafen zu einem Ausflug in die Stadt oder sonst wohin. Von Kim jedoch war weit und breit nichts zu sehen gewesen. War wohl zu erwarten gewesen, er hatte einfach zu lange gebraucht, um ihr zu folgen. Er hatte nur noch ein paar Minuten verstreichen lassen, ehe er hinaus gekommen war und natürlich hatten Ashley und Ringo noch auf ihn gewartet. Während Ringo sich mit einem bösen Blick hatte einschüchtern lassen, war Ashley nicht ganz so leicht abzuschütteln. Auf dem Weg zum Treppenhaus – und auch schon, als er nach seinen Wohnungsschlüsseln hatte angeln müssen, mal wieder – hatte sie ihn belagert. Angeschrien, beschwörend auf ihn eingeredet. Irgendwie war es das Gefühl nicht los geworden, dass sie mehr an der Beziehung hing als er. Wenn man es überhaupt eine ernsthafte Beziehung schon nennen konnte. Sie dateten sich seit einigen Wochen und waren sich körperlich auch etwas näher, als nur Händchen halten gekommen. Allerdings war nicht das eingetreten, was sich Danny erhofft hatte, als er mit Ashley begann seine Freizeit zu verbringen. Er hatte es dennoch weiter laufen lassen, immer wieder mit der Hoffnung, dass es sich noch in die gewünschte Richtung entwickeln würde. Hey Kim. Ich nochmal, es tut mir wirklich Leid, wie es gestern gelaufen ist. Es ist okay, wenn du nicht mit mir sprechen magst. Aber bitte gib mir ein kurzes Zeichen, dass alles gut bei dir ist, ja? Ich bin für dich da. Verschlafen schickte Danny die What‘s App Nachricht an Kim ab. Seine SMSen vom Vorabend waren unbeantwortet geblieben, was zugegeben ein ungutes Gefühl in ihm auslöste. Vielleicht machte er sich auch zu viele Sorgen, wäre auch nichts Neues. Kurzzeitig kam ihm in der Nacht der Gedanke, dass Kim sich erdrückt von den beiden fühlen musste. Von Alex ihrem eigentlichen Bruder und von ihm, dem Aushilfsbruder. Dabei lag ihm genau das fern. Neben den Nachrichten an Kim waren noch einige böse von Ashley eingegangen. Auf sämtlichen Kanälen, die ihr bei ihm zur Verfügung standen. Diese Frau war wirklich sehr anhänglich und irgendwie konnte sie das Ende nicht akzeptieren. Ein Ende, die sie selbst gesetzt hatte. Er musste Alex und Kim wirklich noch danken für diese recht frühzeitige Erlösung von ihr. Dies würde aber definitiv später erfolgen und nicht in den nächsten Tagen, vielleicht auch gar nicht. Es kam ganz darauf an, wie sich diese ganze Sache nun auflösen würde, wenn sie es denn tat. Sein Handy gab ein erneutes Pling von sich und verkündete, dass Ashley Rivers ihren Beziehungsstatus auf Facebook auf Single geändert hatte. Danny beschloss es ihr gleich zu tun. Später. Jetzt hatte er dafür keine Zeit. Butler hatte heute früh ein „Minitraining“, sowie eine Besprechung angesetzt und beide Sachen waren keine guten Gelegenheiten zu spät zukommen. Generell war es nie eine gute Idee zu spät zukommen. Danny zog sein Trikot, sowie passende Hose dazu, an und warf sich seine Trainingsjacke über die Schultern, während er ins Badezimmer ging. Dort hingen seine, mittlerweile trockenen Sachen, immer noch achtlos über den Duschwänden. Um diese würde er sich auch kümmern. Später. Zwei volle Hände mit kalten Wasser ins Gesicht sorgten dafür, dass vorerst seine müden Augen wacher wurden. Der Reflex sie immer wieder zufallen zulassen verschwand. Anschließend stylte er ein wenig lustlos seine Haartolle auf dem Kopf und sprühte seine Achseln mit Deodorant ein. Ein prüfender Spiegelblick überzeugte ihn, dass er sich so zumindest raus in die Welt trauen konnte. Der Brünette zog seine Jacke an und stopfte sein Handy, nachdem er es zur Stummheit verdonnerte, in seine Jackentasche. Im vorbeigehen an der Kommode griff er dieses Mal gleich nach seinem Schlüssel in der Schüssel – oder Schale wie ihn irgendwie alle Frauen darauf hinwiesen, da es sich dabei wohl um einen Unterschied handelte, den er partout nicht erkennen oder sich merken konnte – und verließ dann seine Wohnung. „Morgen Williams“, begrüßte ihn Butler etwas erstaunt. „Morgen Mister Butler“, erwiderte Danny und blickte sich genauso verwundert um, als er auf dem Platz noch niemanden sah. In der Umkleide, wo er seine Jacke verstaut hatte, hatte er sich noch nicht wirklich gewundert, im Gegenteil er hatte sich sogar beeilt, weil er dachte, er sei zu spät dran. Nun jedoch… . „Bist früh dran. Zufall oder kann ich mich jetzt immer darauf einstellen, dass du eine Stunde früher da bist?“ Butler verteilte einige Kegel auf dem Trainingsplatz. Danny hatte sich unaufgefordert die anderen geschnappt und trottet ihm nun hinterher, um ihn weiter damit zu versorgen. Seine Worte sorgten für ein kurzes Stirnrunzeln bei dem Jüngeren. Hatte er sich wirklich so verguckt auf dem Wecker? Oder hatte er sich am Vortag nur verhört und sich die Zeit falsch gemerkt? Oder hatte er sie nach dem ganzen Hickhack falsch aus dem Gedächtnis abgerufen? Was auch immer es war, er war zumindest nicht zu spät. „Ich denke Zufall“, antwortete er seinem Trainer. Butler schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich jedoch anders, wie es schien und so arbeiteten sie weiter schweigsam nebeneinander her. Als die Hütchen verteilt waren, ging es an den Behang des einen Tores mit einigen Zielscheiben. Diese eher weniger fordernde Aufgabe entlockte dem Williams einen herzhaften, leisen Gähner. Seine Augen begannen wieder müde zu werden. Sie fingen leicht zu brennen an, von dem Reflex des Zufallens ganz abgesehen. „Kurze Nacht, Williams?“, fragte Butler wie aus dem Nichts, was Danny hochschrecken lies. „Ähm… ach jein. Vielleicht ein bisschen.“ „Ich rate dir die nächsten Tage mehr zu schlafen. Ich brauche einen wachen Stürmer.“ „Geht klar, Chef. Sie werden beim Training nachher sehen, dass mich die eine kurze Nacht nicht beeinflusst.“ „Das glaube ich dir gerne. Es geht mir auch nicht um diese eine Nacht, sondern um die folgenden.“ Danny nickte verstehend und unterdrückte einen weiteren Gähner. „Danny? Was zum Geier? Haha, dass ich das mal erleben darf. Den Tag muss ich mir gleich ankreuzen. Haha.“ Der Brünette drehte sich um, während er die Zielscheibe festhielt, welche Butler gerade am Tor befestigte. Sein einer Innenverteidiger James Morrison kam auf ihn zu. Normalerweise immer der erste der Mannschaft, der erschien und somit normalerweise auch Butler half. „Hi James.“ „Wer hat dich aus dem Bett gestoßen? Warst du nicht zärtlich genug zu ihr oder wie?“, grinste dieser schelmisch und gab ihm einen leichten Ellenbogenstoß in die Seite. „Pff. Ich bin immer zärtlich. Ich wollte mich heute auch mal bei Butler einschleimen, wie du sonst.“ „Natürlich. Erfolgreich? Ich hab zu dem Zeitpunkt schon drei Lobe und eine Verlängerung meiner Pause um fünf Minuten gehabt. Was hast du raus geholt?“, lachte der andere. „Ihr sprüht ja vor Energie, dann wollen wir die noch etwas weiter anheizen. Vier Runden um den Platz laufen und zwar zügig!“, befahl Butler, welcher mit dem Tor fertig war und dem Gerede zugehört hatte. „Geht klar“, meinte Danny und begann zu Grinsen. In Morrisons Richtung zog er eine Grimasse, die dieser erwiderte, als Butler außerhalb ihrer Sichtweite war. Vier Runden, eine halbe Stunde Aufwärmen, 50 Torschüsse, 45 Minuten Dribbling Übungen, eine Stunde Taktik Übungen und acht weiteren Straflaufrunden – laut Butlers Aussage waren die Herren heute Schwatzfreudiger als die Damenfußballerinnen – später war das Minitraining beendet. Ausgepowert, aber immer noch etwas aufgedreht, wuschen sich die Männer die verschwitzen Körper unter der Dusche. Lautes Lachen und Rufe schallten von allen Wänden des Umkleidebereichs. „Geiles Training. Aber Danny nicht vergessen: „Deine Kopfbälle müssen noch präziser werden““, lachte Steven Wade, einer der Mittelfeldspieler und äffte dabei den Ton und die Geste ihres Trainers nach. Danny lachte halbherzig und beantwortete das Ganze mit einer doppelten Bejahung. Was deutlich machte, dass ihm das Ganze ziemlich am frisch geduschtem Hintern vorbei ging. Mit einem Handtuch um die Hüfte und einem weiteren Handtuch die Haare trocknend – wozu hatte er sie sich überhaupt gestylt, war wieder die Frage – ging er zu seinem Spind herüber. Er öffnete die Tür und wühlte in seinen Sachen herum. Etwas war anders als sonst. Von der Sache mit Kim mal abgesehen, an die er aber zugegeben die ganze Trainingszeit nicht hatte denken müssen. Dafür hatte Butler gesorgt. Gerade ihn hatte er auf dem Kieker gehabt. Gut oft lag er im Fokus, was an seiner Art und Weise lag, aber heute war es stärker als sonst. Jeden noch so kleinen Fehler hatte Butler angezählt. Er hatte ihn immer wieder zur Seite genommen und auf ihn eingeredet oder hatte einfach seine Unzufriedenheit bezüglich Danny quer über den Platz gebrüllt. Danny fragte sich wirklich, was dem Mann über die Leber gelaufen war. „Na ich wusste es doch. Danny hat einen doppelten Boden in seinem Spind und versteckt Bierchen vor uns Jungs.“ Die Stimme nah bei seinem Kopf, ließ ihn herum wirbeln. Dies wiederum verleitete den Spind dazu einen Großteil des Inhalts auf den Boden zu kotzen. „Alter, Juan! Was soll der Scheiß?“, giftete er diesen zornig an und bückte sich um sein Ersatzshirt, seine Jogginghose, sowie seine Wasserflasche aufzuheben. Sein Oberkörper glitzerte, durch die immer noch anhaftenden Wassertropfen, im Licht und eine leichte Gänsehaut flackerte auf, als ein kühler Luftzug aus den Duschräumen in die Umkleide huschte. „Hey, hey, war doch nur ein Spaß, Danny. Was biste denn so gereizt gleich.“ Sein Haarhandtuch wanderte zu seinem Oberkörper und trocknete nun diesen ab. Mit verzogenen Mundwinkeln und ohne Antwort wandte er sich zu seinem Spind. Er zog aus diesem die Reserveunterwäsche aus einem kleinen Beutel und stopfte die herausgefallenen Sachen achtlos in den Spind zurück. „Lass ihn, er hatte heute ‘nen scheiß Tag, Juan. Er war heute erster, musste Butler helfen und dann hat er ihn ja heute ziemlich runter gebügelt. Warst anscheinend sein Liebling.“ Morrison lächelte leicht. „Scheint so“, murmelte er. Ein kräftiger Schulterschlag folgte und Danny biss sich auf die Innenseite seiner Lippe. Kein Schmerz zeigen, niemals bei den Jungs. Im Hintergrund öffnete sich eine Tür, was aber die meisten auf Grund des immer noch dominanten Gemurmels nicht mitbekamen. Er selbst registriert es auch nur halb. „Ach, morgen ist alles wieder besser. Sorry, Danny. Tust mir echt leid, dass du heute Butlers Tageskandidat warst. Wahrscheinlich hat er Stress mit seiner Frau, oder sie lässt ihn aktuell nicht ran.“ Gelächter flackerte auf, doch Danny konnte es nur ein müdes Grinsen abgewinnen. Ein Räuspern, recht leise, sorgte für plötzliche Totenstille. Der akustische Abbruch holte Danny in die Gegenwart und während er sich nun seine Jogginghose anzog, wandte er sich um. Butler stand im Raum. Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte er Juans Worte ziemlich gut vernehmen können. „Wie ich sehe herrscht immer noch viel Energie hier. Besonders bei Mister Neykurj. Sie haben Glück, dass ich noch mit dem Vorstand einen Termin habe, sonst könnten sie alle noch ein paar Runden drehen. Neykurj, du wirst im Anschluss zu meiner Ankündigung dennoch ein paar Runden laufen. Ich denke zehn dürften reichen.“ „Aber Trainer, ich -“ „Ja, ist ein bisschen wenig. Zwölf sind besser. Danke für den Hinweis. Wer auch nur auf die Idee kommt zu lachen, kann sich Mister Neykurj anschließen“, klärte Butler kurz die Fronten. Die Köpfe der anderen senkten sich und jeder bemühte sich an etwas sehr unlustiges zu denken. Als die gewünschte Ruhe nun eingetreten war, räusperte sich Butler ein weiteres Mal. „Mein Herren, wie sie sich denken können, hat sich etwas kurzfristiges ergeben. Der Vorstand war von ihrer letzten Leistung nicht wirklich überzeugt. In der Championsleague sind sie hervorragend aber in der eigenen Liga sehr wechselhaft. Der Vorstand wünscht mehr Routine, mehr Kontrolle. Auf Grund dessen wurde ich gebeten weitere Spiele, sogenannte Freundschaftsspiele, für sie zu organisieren mit anderen Mannschaften. In drei Tagen erwarten wir hier im Stadion die Mannschaft von Paris Saint-Germain. Ich erwarte Siege meine Herren und bei der besagten Mannschaft fangen wir an damit.“ Während Butlers Worte noch eine Weile im Raum stehen blieben, krampfte sich etwas in Dannys Magengegend zusammen. Paris Saint-Germain. Ausgerechnet gegen die. Es war nicht so, dass er sie fürchtete. Nein, es lag eher daran, dass er sie hasste. Besser gesagt eine Person aus der Mannschaft. Terry Williams. Sein älterer Bruder. Zwischen beiden begann eine Art Feindschaft, seit dem sich herauskristallisiert hatte, dass sie eine Schwäche für Fußball hatten. Danny hatte eine Art Talent und Terry ein unbrechbaren Ehrgeiz. Ob es Neid bezüglich seines Talents war oder einfach seinem Ehrgeiz geschuldet, wusste der Brünette nicht. Doch schon in der Kindheit begann Terry einen Wettkampf für sie beide, wer der Beste war. Die meisten Siege hatte dabei laut seiner Mutter Terry eingefahren. Leicht schüttelte er den Kopf und schaute wieder auf. Erst jetzt bemerkte der Williams, dass einige Augenpaare, darunter auch die von Butler, auf ihn gerichtet waren. Hatte er was verpasst? „Alles klar?“, fragte er. „Das frage ich dich, Danny“, erwiderte Butler und musterte ihn eindringlich. „Ja. Ja, klar alles bestens. Machen wir die Versager platt.“ Mit einem künstlichen, strahlenden Lächeln und einer hochgereckten Faust, versuchte er Kampfgeist und Siegessicherheit auszustrahlen. Ein kurzer Moment der Stille, doch dann, bevor sein Lächeln beginnen konnte zu verblassen, erhob sich James Morrison plötzlich und tat ihm die Geste gleich. „Natürlich machen wir sie fertig. Wer sind die Besten?“ „WIR!“, kam es einstimmig und etwas euphorischer als nötig vom restlichen Team. „Okay, okay. Sehr gut. Dann sehen wir uns morgen um sieben Uhr zu einem weiteren Training. Meine Herren, kein Alkohol, keine kurzen Nächte und haltet euch mit der Eroberung der Damenwelt etwas zurück. Verstanden?“ Selbstverständlich hatten sie verstanden. Danny hatte aktuell eh kein gesteigertes Interesse an der Damenwelt. Ashley war sauer und weg, genauso wie Kim, um welche er sich immer noch sorgte. Mit dem Dreckwäschebeutel über der Schulter trottete er in Richtung Zuhause. Der Tag war bisher ziemlich gebraucht. Wie erwartet war er nun nach dem Training wach und erneut ins Bett fallen kam nur bedingt in Frage. Sein Inneres war aufgewühlt, seine Gedanken nicht zu fassen und die bloße Vorstellung jetzt gleich auf dem Bett oder Sofa zu liegen, machte ihn hibbelig. Mit einem beherzten Stoß öffnete er die Tür. Der Wäschesack bekam seinen Strafplatz neben der Kommode. Darum würde er sich kümmern. Später. Jetzt wollte er nur noch eines. Er griff seine Kopfhörer vom Computertisch im Schlafzimmer und verkabelte sie mit seinem Handy. Während er die Musikplaylist raus suchte, fiel die Tür wieder ins Schloss und ein Klacken war zu vernehmen, als der Schüssel sich drehte. Butler war sowieso immer der Meinung, sie sollten mehr für ihre Kondition tun. Dann würde er dies heute sogar mal tun. Wenn Butler das sehen würde, er würde ihn zum Arzt schleppen und diesen fragen, was nicht mit dem Williams stimmte. Die Straßen zogen nur an ihm vorbei, die Menschen um ihn verschwammen zu bunten Punkten und den einsetzenden Regen hatte er nicht mal wirklich wahrgenommen. Die Musik, die über seine Ohren seinen Kopf mit Rhythmus flutete, hatte schon längst die Kontrolle über seinen gesamten Körper erlangt. Wohin er lief? Er wusste es nicht, seine Beine schienen ein eigenes Ziel zu haben und es war ihm auch egal. Sein Atem ging gleichmäßig schnell und tief. Seine Arme bewegten sich im gegensätzlichen Takt der Beine. Der Wunsch beim Joggen seine Gedanken ordnen zu können, sie zu Ende zu denken, war jedoch nicht in Erfüllung gegangen. Im Gegenteil, auch dort hatte die Musik die Oberhand und einen wahren Gedankenstrudel entfacht. Kim flackerte immer wieder auf darin, aber auch Terry nahm einen viel zu großen Platz dort ein. Es kam mal wieder alles auf einmal. Das Schicksal – sofern man daran glaubte - war wohl wirklich eine verbitterte alte Hexe. Sie schien sich mit Butler gegen ihn verbündet zu haben. Blödsinn. Erneut wurde Terry ausgespuckt von dem Strudel. Wieso musste es ausgerechnet diese Mannschaft sein? War es ein schlechter Scherz von Butler? Wollte er ein erneutes Bruderduell? Hatte ihm das damalige nicht gereicht? Wollte er wissen, ob Danny sich weiter entwickelt hatte und Terry weiterhin das Wasser reichen konnte? Nein, im Ernst, wie hoch war die verfickte Wahrscheinlichkeit, dass von allen Mannschaften auf diesen verfluchten Planeten, es ausgerechnet diese sein musste? Es war doch wirklich zum Knochen kotzen. Da war Kimmy! Sein Blick war teilnahmslos umher geschweift, wobei sein Augenwinkel rechts eine Person nebensächlich ausmachte, die ihm bekannt vor kam. Ruckartig fuhr er nach rechts um, die Frau mit ihrem Schirm ignorierend, die fast in ihn hinein gelaufen wäre und sich entsprechend tonlos empörte. „KIMM-, KIM!“, schrie er herüber und rannte los. Quietschende Reifen und ein leichter Stoß gegen sein Bein ließen ihn zur Seite taumeln. Ein lautes Hupen von der anderen Seite konnte sich dann endgültig durch die Musik in seinen Ohren drängen und forderte seine volle Aufmerksamkeit. Der Strudel aus nicht zu greifenden Gedanken verebbte augenblicklich, fiel zusammen wie ein instabiles Kartenhaus. Seine Hand fand halt auf einer nassen, warmen und recht glatten Oberfläche. Das Rauschen in seinen Ohren war so laut, dass es die Musik in den Hintergrund drängte. Für einen Moment herrschte Stille, dann brach jedoch ein Schwall von Stimmengewirr auf ihn nieder. Welches mit einem unliebsamen Ruck an seinem Ohr, das Rauschen und die Musik übertönte. „Um Himmelswillen, habe ich Sie verletzt?“, fragte eine Frau panisch und stieg zittrig aus ihrem Wagen. „Sind Sie verrückt geworden, junger Mann? Sie können doch nicht einfach so auf die Straße rennen!“, schrie eine Männerstimme dicht hinter ihm, dessen Hand nun den einen Knopfkopfhörer los lies, sodass dieser achtlos herunter hing. „Kimmy“, murmelte Danny und wandte den Kopf in die Richtung, in welche er hatte gehen wollen. Da, da stand sie. Brünett, zierlich und… gepierct? Tätowiert? Nein. Nein, dass war nicht Kimmy. Das war nur irgendwer. Die junge Frau hatte sich, wie einige andere, zu der Szene umgedreht. „Hey? Hören Sie überhaupt zu?“, donnerte die Männerstimme auf ihn ein. Danny blinzelte leicht, ehe sich von der gepiercten und tätowierten Person los reißen konnte, welche sich nun wieder zum Gehen umwand. „Was? Wie?“, fragte er dann verwirrt. Der Mann hinter ihm schnaufte genervt auf, doch bevor er seine Frage im wahrscheinlich barscheren Ton erneut formulieren konnte, kam ihm die Frau aus dem anderen Wagen zu vor. „Sind Sie verletzt? Brauchen Sie einen Arzt?“ „Nein, nein. Alles in Ordnung, ich bin nicht verletzt. Tut mir leid für den Ärger und Schreck, ich… ich war unaufmerksam.“ „Mit den Dingern im Ohr ja auch kein Wunder. Ich sage es immer wieder, diese Jugend heutzutage...“ „Hey ist das nicht Danny Williams?!“ Die Kinderstimme ließ ihn kurz erstarren. Nein, es war keine Seltenheit mehr für ihn erkannt zu werden auf der Straße. Normalerweise freute er sich auch darüber, aber gerade konnte er es absolut nicht gebrauchen. Der eben noch verärgerte Mann sah ihn nun forschend an und räusperte sich. „Ähm… sind… sind Sie wirklich Mister Danny Williams von Liverpool? Wissen Sie, dass… also eben… .“ „Nein, nein. Haha. Es passiert immer wieder, dass man mich mit dem verwechselt. Ich sollte mir echt mal eine andere Frisur zu legen. Es tut mir wirklich leid. Ich werde mehr aufpassen. Versprochen.“ Ein wenig eilig schlängelte sich Danny aus der Situation heraus und noch bevor der kleine Junge ihn hätte auffliegen lassen können, verschmolz er mit der Menschenmasse auf der Seite wo noch zuvor seine vermeintliche Kim gestanden hatte. Nach diesem Vorfall hatte er dann doch die Kontrolle über seine Beine zurück gefordert. Statt weiterhin einem unbekannten Weg zu einem ihm unbekannten Ziel zu folgen, war er wieder zurück gekehrt in sein Appartement. Endlich wieder müde und erschöpft schloss er die Tür hinter sich. Auf seinem Handy war leider immer noch nichts von Kim eingegangen. Er schloss die Playlist auf diesem, legte es samt Kopfhörer auf den Wohnzimmertisch und schleppte dann halbherzig den Wäschebeutel vom Flur ins Badezimmer vor die Waschmaschine. Seine erneut nassen Sachen, sowie die Kleidung von gestern und aus dem Sack, bekamen eine gratis Fahrt durch die Waschtrommel. Halbherzig widmete er sich dann seinem Kühlschrank und stellte nüchtern fest, dass er sich morgen wohl wieder dem Einkauf widmen musste. Für heute würde es sicherlich noch reichen. Irgendwas mischte er immer zusammen. Manchmal musste es nicht schmecken, sondern einfach nur satt machen. Mit seinem bunt gewürfelten, ziemlich späten Mittagessen, ließ er sich wieder auf sein Sofa Plumpsen. Die Füße wanderten automatisch auf den Tisch vor sich und eine kleine Handbewegung später rieselte das Fernsehprogramm irgendeines Senders auf ihn nieder. Nebenbei tätschelte sein Daumen das Handydisplay hin und her. Auf der Suche nach irgendwelchen News, irgendetwas. Ein Lied seines Handys hatte ihn aus seinen Träumen zurück geleitet. Um ihn herum war es dunkel, nur schwache Lichtstrahlen von den außerhalb stehenden Laternen drangen in seine Wohnung. Schlaftrunken fuhr er sich über seine Augen, welche noch immer Schwierigkeiten hatten offen zu bleiben. Irgendwann nach dem Essen schien es ihn wohl übermannt zu haben. Er vermutete, dass es während der Nachrichten gewesen sein musste, zumindest meinte er sich daran zu erinnern, dass Russland und die USA sich wieder in der Wolle zu haben schienen. War eigentlich auch nichts Neues mehr. Das Lied war wieder verstummt und nun leuchtete das Handy nur noch schwach. Bevor es vollkommen abdunkelte, griff Danny nach diesem und wischte mit dem Daumen ein helleres Displaylicht herbei. Ein Anruf in Abwesenheit war eingegangen. Wer konnte es sein? Um diese Zeit. Laut Telefon war es bereits 22 Uhr, eigentlich höchste Zeit für ihn vom Sofa ins Bett umzuziehen, wenn er morgen weniger Gähnen wollte. Noch bevor er seiner Neugier nachgehen konnte, sang das Telefon erneut auf und der Name auf dem Display ließ ihn unruhig werden. Hektisch nahm er den Anruf an. „Kimm.. Kim? Alles in Ordnung? Was ist los?“ Laute Geräusche drangen an sein Ohr, bis schließlich eine zartere Stimme in den Vordergrund drang. „Dan-ny? Bischt du des?“ „Ja. Ja, Kim, ich bin‘s Danny. Was ist los?“ Am anderen Ende schluchzte die Brünette leicht auf. Es dauerte eine Weile und Danny befürchtete, dass sie ihn nicht verstanden haben könnte. Bei der Unruhe im Hintergrund kein Wunder. Um Himmelswillen, wo steckte sie denn? „Denschy, kannse misch helfen. Ise weiß nüsch wie… wo… isch will nach hauese.“ War sie betrunken? Oder hatte sie etwa… . Nein daran wollte er gar nicht erst denken. Schnell widmete er sich wieder Kim. „Klar helfe ich dir. Wo bist du denn?“ Wieder dauerte es eine Weile bis sie antwortete. „Weiß nisch.“ „Bist du in einem Pub?“ „Ja…. Weiß nich.“ „Sitzt du an einem Tresen?“ „Ja. Hihihi“, kicherte sie, wie ein kleines Mädchen. „Gib mir mal den Barkeeper.“ „Okaysch.“ Danny hörte, wie der Hintergrundpegel klarer wurde, als der Hörer fort gegeben wurde. Dumpf hörte er noch Kims Stimme, wie sie jemanden – wahrscheinlich lauter als notwendig – sagte, sie wolle das Telefon wieder haben. „Beim Beschwipsten Schwan, wer ist da?“ „Ähm hallo. Ich bin Daniel Williams. Ich-.“ „Danny, du Ente. Gibt es dich auch noch.“ Der Mann am anderen Ende lachte amüsiert. Bei Danny selbst dauerte es eine Weile, bis es Klick im Kopf machte und er der Stimme, samt Pub Namen endlich jemanden zuordnen konnte. „Jeffrey, Mensch ich hab dich fast nicht mehr erkannt.“ „Liegt daran, dass du zu selten hier bist. Wann kommst du mal wieder vorbei. Spendier dir auch ‘nen Trink.“ „Hm, vorbei kommen, werde ich wohl gleich. Nur der Trink muss warten bis zum Ende der Saison. Du weißt ja.“ „Ja, ja, dein Fußball schon klar. Ihr spielt zur Zeit aber echt für die Tonne in der Heimatliga, ihr verhagelt mir das Geschäft.“ „Wir arbeiten an Besserung versprochen.“ „Na hoffentlich.“ „Sag, ist die Dame von der du das Telefon hast alleine bei euch?“ „Die Kleine? Na ja sie kam mit einem Mann, aber der ist… aktuell nicht da. Sie hat glaube ich sich auch etwas übernommen.“ „Ja, das fürchte ich auch. Wäre super wenn du ihr nichts mehr gibst.“ „Kann ich machen, aber was springt dafür mich raus? Kennst du sie eigentlich? Ist sie dein neuer Zeitvertreib?“ „Quatsch, sie ist die Schwester eines Freundes und… ich soll sie etwas im Auge behalten. Sag, hat Aaron heute Dienst?“ „Tja, du hast Glück wie immer, Dan. Ja, Aaron hat Dienst. Wieso?“ „Sag ihm bitte er soll auf Kim aufpassen, bis ich da bin und sie abhole. Kannst ihm sagen, dass wir dann quitt sind. Er versteht es schon, keine Bange. Und was für dich raus springt, wenn du ihr den Zapfharn verwehrst. Ein anonymer Tipp, dass in drei Tagen Liverpool gegen Paris Saint-Germain ein Freundschaftsspiel austrägt. Top Secret, du verstehst. Wollen sie wohl erst kurz vorher bekannt geben.“ Das Lächeln hörte Danny deutlich durch den Hörer, als sein Gesprächspartner antwortete. „Oh ich verstehe sehr gut. Besten Dank Danny. Dafür stell ich ihr gerne den Hahn ab. Dass mit Aaron mache ich auch klar. Aber trödel nicht, heute ist viel los.“ „Bestimmt nicht Jeffrey.“ Schon während des letzten Teils des Telefonats war er bereits aufgestanden und hatte sich seine Jacke im Flur gegriffen. Wenige Sekunden später fiel die Tür ins Schloss. Es hatte doch knappe 25 Minuten gedauert, statt wie sonst 15 Minuten. Es war Feierabend und was noch viel schlimmer war, es war Freitag. Das bedeutete, dass ein Großteil der Leute bereits dabei war das wohl verdiente Wochenende einzuläuten. Ein wenig zu tun hatte Danny nun schon, um nicht erkannt zu werden. Tagsüber wurde er oft nur von Kindern erkannt und auch nur von denen, die noch kein Handy besaßen und wie gebannt auf dieses starrten. Von Erwachsenen erhielt er so gut wie nie Aufmerksamkeit, sie waren zu sehr beschäftigt mit ihrem Alltag. Doch jetzt wo sich die Nacht über die unruhige Stadt legte und der Alltag vertrieben wurde, waren die Leute nicht mehr nur mit sich beschäftigt. Nein, nun achteten sie mehr auf ihre Umgebung. Wieso hatte er das dämliche Käppi nur wieder nicht mitgenommen? So unauffällig wie möglich verschwand er in seiner Jacke, blickte zu Boden und versuchte somit jeglichen Blickkontakt mit Passanten zu meiden. Wenn er jetzt erkannt werden würde, würde er noch später beim Schwan ankommen und er wollte weder Jeffreys, noch Aarons Geduld überbeanspruchen. Dies trieb seine Füße etwas schneller voran. Die Straßen schienen immer voller zu werden, je näher er dem Schwan kam und bald musste Danny einen Schlängelweg durch die Gassen einschlagen, um noch länger unerkannt zu bleiben. Erschöpft vom Tag und diesem dezenten Spießrutenlauf, erreichte Danny endlich den Pub Zum Beschwipster Schwan. Aarons kurzer Wink sorgte dafür, dass dessen Jungs ihn nicht durchsuchten und er schnell eintreten konnte. Dieser lotste ihn sogleich in einen kleinen Nebenraum, wo Kim schlafend in einem Stuhl saß. „Ist alles okay mit ihr?“ „Klar, der Rausch braucht nur etwas Schlaf, damit der Kater morgen ausgeruht Maunzen kann“, scherzte Aaron, „Sie ist nicht so trinkfest oder?“ „Ich fürchte nicht, nein. Danke, auch an Jeffrey noch mal.“ „Sie hat Akzent, sie kommt nicht von hier, oder?“ „Nein, Amerika.“ „Woher kennst du sie?“ „Ist das ein Verhör?“ „Vielleicht, kriegst bei den richtigen Antworten auch ein Käppi von mir. Damit die Leute deine Visage nicht sehen müssen.“ „Erpressungen liegen dir nach wie vor. Sie ist die Schwester eines Freundes. Guck mich nicht so an, sie ist wirklich nur eine Freundin. Wirklich!“ Danny seufzte genervt und kratzte sich am Hinterkopf. Wie zum Geier bekam er Kim nun weg? Es half nichts, er musste sie wecken und wachhalten. Irgendwie. „Und sie heißt Kim?“ „Ja.“ „Hm, kommt mir bekannt vor. Model?“ „Nein.“ „Ah, Schauspielerin!“ „Nope.“ „Ähm… okay… Designerin? Influencer?“ „Fast. Nationalfußballspielerin“, antwortete Danny kurz grinsend und mit einem Funken Stolz in der Stimme. „Ach, nein. Warte Kim… hier.. Hunter… Kim Hunter?“ „Genau und es wäre super, wenn du weniger ihren Namen herumbrüllen würdest.“ Aaron verzog kurz das Gesicht zu einer Grimasse und widmete sich dann einem Schrank, um in diesen herum zu kramen. „Ich denke, dann wirst du mehr als nur ein Käppi brauchen was?“ Der Dunkelhäutige mit dem künstlerisch rasierten Haar am Kopf hielt ihm zwei dunkelblaue Käppis hin, welche einen Comicschwan zeigten, welcher Sterne um den Kopf hatte und ein volles Glas mit einer – definitiv alkoholischen – Flüssigkeit im Flügel hielt und dabei dessen Inhalt auf dem Käppi Schirm verschüttet hatte. „Wenn ich damit erkannt werde, dann -“ „Hat der Laden definitiv mehr Gäste, da hast du ganz Recht“, lachte Aaron amüsiert. „Ihr seid solche Werbezuhälter“, stöhnte Danny resigniert auf, bevor er zu erst Kim und dann sich selbst die Kopfbedeckung aufsetzte. „Und ihr die schönsten Werbehuren, die wir heute finden konnten“, fügte Aaron hinzu, „Bis bald.“ Nachdem Aaron verschwunden war, hatte Danny sein Bestes gegeben um Kim wieder wach zu bekommen und dazu zu bringen auf eigenen Beinen zu stehen. Ein Vorhaben welches sich als ziemlich schwierig herausstellte. Resigniert überlegte er, nachdem auch das Zwicken in die Seite sie nicht Erwecken konnte, ob sie wirklich nur ihren Rausch ausschlief oder sie nicht doch schon eine Alkoholvergiftung ins sich trug und in einem Krankenhaus besser aufgehoben war. Doch dann kam Kim endlich zu sich. Wirklich glücklicher machte es ihn jedoch auch nicht. „Dan..ny?“, fragte sie lallend, kniff die Augen dabei zusammen und versuchte ihn zu fokussieren. „Ja, ich bin es, Kim. Ich bring dich zurück zu deinem Lager. Du musst mir nur sagen, wo es ist.“ „Wo issen Franky?“, fragte sie ohne auf seinen Aufforderung einzugehen. „Ich… ich weiß nicht. Kim, wo ist dein Trainingslager? Du kriegst Mords-Ärger, wenn du morgen früh nicht in deinem Bett liegst.“ Würde sie wahrscheinlich sowieso, dachte er bei sich, mit dem Alkoholpegel würde sie morgen wirklich keinen schönen Tag haben. „Hey Kim? Kim?“, fragte er und tätschelte ihre Wange, als sie begann weg zu dämmern. „Wal- ter Street“, nuschelte sie hervor und schloss die Augen, kurz darauf hörte man ein leises, gleichmäßiges Atmen. Walter Street? Hatte Kims Team tatsächlich im Titanic Hotel eingecheckt? Das war zumindest das einzige was in der Nähe dieser Straße lag. Aber günstig war es eigentlich nicht unbedingt. Aber was wusste er schon. Manche Clubs und gerade Nationalmannschaften konnten sich manchmal einiges leisten. Danny lugte aus dem Nebenraum heraus und winkte Aaron erneut zu sich. Mit dessen Hilfe hatte er nach kurzer Zeit Kim auf seinem Rücken liegen. Mit einem Blick in den Spiegel und Aarons wahrheitsgemäßer Aussage, dass Kims Käppi so saß, dass sie so schnell niemand erkannte, machte er sich dann auf den Weg in Richtung des Hotels. Immer noch waren die Straßen ziemlich voll und Danny bemühte sich trotz des gesenkten Blicks, niemanden anzurempeln. Die Metro Station fiel flach für ihn. Sie war zu voll, das Gedränge könnte Kim, welche immer noch schlief, verletzen. So musste er den Weg zum Hotel wohl zu Fuß zurücklegen, was ziemlich anspruchsvoll werden würde, obwohl Kim jetzt nicht sonderlich schwer war. Er selbst war ziemlich müde noch und der Weg würde sich irgendwann schon beginnen zu ziehen. Als ob das alles nicht schon schlimm genug war, meldete sich der englische Wettergott zurück auf seinem Thron. Erst hatte er es gar nicht mitbekommen, doch die Regentropfen wurden immer mehr und immer größer, ebenso begann ein stärkerer Wind zu wehen. Na klasse, jetzt wurden sie auch noch nass. Hoffentlich erkältete sich Kim nicht. Einen Vorteil hatte das Wetter allerdings auch. Die Straßen wurden leerer und die wenigen, die auf ihnen blieben sahen zu Boden und versanken unter ihren Regenschirmen. Noch ein paar Straßen und dann hatte er es geschafft. Plötzlich wehte der Wind ihm und Kim die Käppis vom Kopf und verteilte sie hinter ihnen. „Verdammter Mist“, fluchte Danny und sah ihnen nach. Er überlegte, ob er die beiden zurückholen sollte und vor allem wie. Kim war immer noch am schlafen, schien den Regen nicht zu bemerken. Bevor Danny sich zu einer Entscheidung durchringen konnte, hörte er wie jemand Kims Namen rief. Ein Blick in die Richtung aus der die Stimme kam, zeigte ihn jemanden in zerschlissener Jeansjacke, darunter ein weißes Shirt, eine schwarze zerschlissene Hose und nassen schwarzen mittellangen Haaren auf sie zu steuern. `Fuck´, dachte Danny bei sich und überlegte, wie man diesen Fan, wie es schien, schnell los werden konnte. Kurz dachte er darüber nach, wie schnell er noch rennen konnte, um dem Fan zu entkommen, da hatte dieser die beiden schon erreicht. Abschätzig und schweigend musterte der ältere Mann ihn und Danny tat es ihm gleich. Der Regen prasselte weiter auf die drei nieder. „Hi“, meinte der Mann schließlich und sein Blick huschte zu Kim. „Hi“, erwiderte Danny ernst und beobachtete den anderen. Sobald er ein Handy zücken würde, würde er ihn… keine Ahnung was, aber irgendwas würde er definitiv machen. Der andere schien jedoch keine Anstalten in diese Richtung unternehmen zu wollen. Erneutes Schweigen stieg auf, bevor sich der ältere Mann wieder zu Wort meldete. „Gib sie mir.“ Als er die Hände nach Kim ausstreckte drehte sich Danny blitzschnell nach rechts und tapste ein paar Schritte zurück in eine Pfütze hinein. Sein nasser Fuß war ihm dabei herzlich egal. „Das könnte dir so passen, was. Wer glaubst du, wer du bist?“ „Ihr Freund.“ „Ja-ha klar, und ich bin der Weihnachtsmann“, spottete Danny. Der andere lachte auf, was Danny kurz irritierte. „Na ja, dann bist du wohl der Nachwuchs von dem weißen Rauschebart. Gut, mir egal, wenn du willst kannste mich von der Geschenkliste streichen für dieses Jahr. Trotzdem gibst du mir jetzt Kim, Danny,“ sagte der Mann mit einem amerikanischen Akzent. „Wer bist du?“, fragte er mit einer Mischung aus Argwohn und Überraschung. „Ach komm, meine Maus hat dir sicher von mir erzählt. Mein Name ist Franklin Walker. Aber bei dir hat sich mich sicher nur mit Franky vorgestellt.“ Auf dem Gesicht von diesem breitete sich ein selbstgefälliges Grinsen aus. Das war also Franky. Der Franky. Dass er älter war, sah man ihm durch aus an, aber nicht, dass es ganze zwei Jahrzehnte waren. Danny wusste nicht, ob er den Kerl wegen Alexs Erzählungen scheiße fand oder ob es wirklich an dessen Ausstrahlung lag. „Freut mich. Mich scheinst du ja zu kennen. Ich werde dir Kim trotzdem nicht geben, ich bringe sie zu ihrer Unterkunft zurück.“ Der Schwarzhaarige begann zu lachen und gestikulierte schließlich in die Richtung wo die Walter Street lag. „Du willst zum Titanic Hotel?“ Danny nickte. „Tja, da ist aber meine „Unterkunft“, also kannst du sie mir auch gleich geben.“ Der Liverpoolstürmer fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen, als sein Gehirn diese Information verarbeitete. Hatte Kim ihn etwa nicht richtig verstanden? Kurz verloren in Gedanken spürte er plötzlich, wie Gewicht von seinem Rücken verschwand. Er starrte Franklin an, welcher ihm Kim abgenommen hatte und diese nun in seinen Armen hielt. „Nochmal danke, dass du sie zu mir bringen wolltest. Sie wird sich freuen das zu hören. Mach‘s gut“, verabschiedete er sich. Überrumpelt blickte Danny dem Kerl hinterher, welcher ihm den Rücken zu kehrte und sich von ihm entfernte. Es dauerte ein paar Sekunden ehe der Williams dem anderen schnellen Schrittes folgte. Mit verwunderten Gesichtsausdruck sah Franky diesen an. „Was noch?“ „Warum hast du sie allein gelassen in dem Pub?“ „Das geht dich nichts an. Ich frag dich ja auch nicht, wieso du sie auf dem Rücken herum getragen hast.“ Der Wind wehte den beiden Männern Regentropfen ins Gesicht, lediglich die junge Hunter schien weiterhin nichts zu merken „Sie hat mich angerufen, ich sollte sie abholen“, gab Danny von sich und fragte sich, wieso sie Franky nicht angerufen hatte, obwohl sie ja zu diesem gewollt hatte. Er traute dem Kerl nicht über den Weg und machte keine Anstalten von seiner Seite zu weichen. „Hat sie? Komisch, wahrscheinlich hat sie sich nur verwählt und wollte mich anrufen. Ich hatte ihr gesagt, dass sie es machen soll, falls er Probleme geben sollte.“ „Du kannst Kim nicht betrunken in einer Bar zurücklassen. Sie wusste nicht mal wo sie war!“ „Also als ich ging, war sie noch nicht so betrunken, nur angeheitert. Was sie in meiner Abwesenheit macht, kann ich doch nicht voraus ahnen.“ Danny verzog verärgert das Gesicht. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Kim von sich aus so viel getrunken hätte. Sie kannte sicher ihre Grenzen. Oder nicht? Missmutig blickte er herüber zu Franky, welcher Kim mit einer Leichtigkeit in den Armen trug die Danny innerlich kochen ließ. Genau wusste er nicht, wieso es ihn rasend vor Wut machte, vielleicht war es auch nur die Tatsache, dass er Frankys Aussage nichts mehr entgegen bringen konnte. „Du, nimm‘s nicht persönlich, aber wir brauchen wirklich keinen Bodyguard. Ich kriege sie allein bis ins Hotel“, sagte Franky nach einer Weile. Vor ihnen zeichnete sich schon das Titanic Hotel ab, dennoch dachte der Jüngere nicht im Traum daran jetzt zu gehen. Ihn interessierten auch nicht die erstaunten Blicke, als die drei völlig durchnässt in das noble Hotel eintraten. Allein Franky war sicherlich schon ein irritierender Anblick in dieser Umgebung für einige Gäste. Schweigend stiegen sie in den Fahrstuhl und Franky drückte mit dem Zeigefinger auf die Taste um in den vierten Stock zu gelangen. Kaum hatte sich die Fahrstuhltür geschlossen, wanderte Dannys Blick zu Franky herüber, welcher genauso groß war wie er. Franky erwiderte den Blick, in seinen Augen spiegelte sich eine Mischung aus Missgunst und Verärgerung wieder, doch das Schweigen blieb bis der Fahrstuhl sein Ziel erreichte. Kaum hatten die Türen sich geöffnet, stürmte der Ältere plötzlich los. Es kam so unerwartet, dass Danny in aller Eile ins Straucheln kam, als er ihm versuchte zu folgen. Wie konnte dieser Kerl mit Kim im Arm so schnell sein? Er hastete ihnen nach, bekam aber die Tür zum Zimmer vor der Nase zu geschlagen. Wann zum Geier hatte er die Chipkarte für dieses Hotelzimmer heraus geholt. Zornig trommelte Danny gegen die Tür. „Mach sofort auf!“, schrie er diese an. Was die anderen Hotelgäste dachten war egal. Es dauerte einen Moment bis er das Gefühl identifiziert hatte. Es war die Sorge um Kim, die diese Aktion auslöste. Angst um ihre Karriere, redete er sich ein. Gerade holte er erneut aus um auf die Tür einzuschlagen, als diese sich öffnete. Eine Hand schloss sich fest und bestimmend um seinen Unterarm, um ihn dann unsanft und mit einer unerwarteten Kraft ins Zimmer zu zerren. Die Tür fiel dafür erstaunlich leise zu. „Was soll der Affenzirkus da draußen. Bist bescheuert, was?“, knurrte Franky und funkelte ihn wütend an. „Was hast du mit Kim vor, sie muss zurück in ihr Quartier.“ Dannys Blick huschte durch das Zimmer und fand Kim schließlich schlafend auf dem Doppelbett. Es beruhigte ihn, wenn auch nur für einen kleinen Moment. „In dem Zustand? Gute Idee.“ Danny verzog das Gesicht, als er sich eingestehen musste, dass Franky Recht hatte. „Ich bring sie morgen schon rechtzeitig zurück. Meine Maus und ich sind schon geübt in so was.“ Geübt? War so etwas schon öfter passiert? Hatte sich Kim so verändert ohne, dass er es bemerkt hatte. „Ihr geht es gut. Ist dein Möchtegern-Beschützer-Ego nun beruhigt oder machst du gleich nochmal Terror vor der Tür? Wenn letzteres der Fall ist, ruf ich gleich den Sicherheitsdienst, der wirft dich mit Freuden raus“, sagte Franky und in seinem Unterton verbarg sich ein hinterlistiges Grinsen. „Wehe dir du tust ihr auch nur irgendwas, dann wirst du mich richtig kennenlernen“, drohte Danny mit erhobenen Zeigefinger, während er widerwillig Richtung Hotelzimmertür ging. Eine Drohung, die sein Gegenüber nicht wirklich ernst nehmen würde. Danny selbst würde es wahrscheinlich auch nicht tun. Mit Nachdruck wurde die Tür von Franky hinter ihm geschlossen. Vorsichtig massierte er sich die Stirn, welche nach Abfall der Anspannung den angestauten Kopfschmerzen freien Lauf ließ. Ziemlich angepisst von der ganzen Situation machte er sich frustriert auf den Weg zu den Fahrstühlen. Schlimmer konnte dieser Tag wohl kaum noch werden. Doch auch in diesem Fall hatte sich der Williams deutlich getäuscht. Gerade als er den Fahrstuhlknopf gedrückt hatte und feststellte, dass dieser noch eine Weile brauchen würde um anzukommen, hörte er eine, nein, zwei ziemlich vertraute Stimmen. `Gott, warum hasst du mich. Vielleicht sehen sie mich ja nicht´, dachte er bei sich, wollte sich aber im selben Moment gleich selbst auslachen. Sofern er keinen Unsichtbarkeitsmantel, wie Harry Potter, besaß, würde es schwer werden. „Ach schau einmal an wer da ist.“ „Ich hab dir ja eben gesagt, die Welt ist ein Dorf. Hi Bruder, na was treibt dich denn hier her?“ „Hi Terry“, antwortete der Ertappte. Er blickte zu der Person neben seinem Bruder und war überrascht tatsächlich Ashley neben ihn zu sehen. `Doch kein Kind von Traurigkeit´, dachte er bei sich und nickte ihr nur zu. „Was machst du hier?“, bohrte der Ältere der beiden Williams noch einmal nach. „Geht dich nichts an.“ „Haha, ich verstehe. Hey ist doch keine Schande, Brüderchen, zu zugeben, dass einen die Frau vor dir Tür gesetzt hat“, lachte Terry. „Ich hab dir ja gesagt, dass dieses Teenie-Gör nicht gut genug für dich ist. Aber glaube nicht, dass ich zu dir zurückkomme.“ Danny bremste sich, um nicht scharf Luft einzuziehen. Stattdessen biss er sich so stark auf die Innenseite seiner Unterlippe, dass er bald darauf den metallischen Geschmack von Blut wahrnahm. Terry grinste breit und schickte Ashley zum Zimmer vor. Als Erklärung dafür faselte er irgendwas von einem Bruder-zu-Bruder-Gespräch. Als seine Ex außer Hörweite war, warf sein Bruder ihn ein forschenden und schelmischen Blick zu. „Na, wie heißt sie?“ „Wie heißt wer?“ „Na die Dame, die meinen armen kleinen Bruder nicht ran lässt.“ „Ich hatte kein Date oder Sonstiges. Ich habe nur eine gute Freundin und einen Bekannten besucht.“ Auch wenn er Franky dazu nicht zählen wollte, klang es immer noch besser, wenn er nicht nur Kim erwähnte. Terry schnalzte abfällig mit der Zunge. „Du bist wirklich ein miserabler Lügner. Warst du schon immer. Dabei könntest du wirklich mal ehrlich zu deinem Bruder sein.“ Mit einem leisen Ping-Ton meldete sich endlich der gerufene Fahrstuhl. Das hatte aber wirklich gedauert. Eigentlich wollte Danny, ohne ein weiteres Wort oder einen weiteren Blick an seinen Bruder zu verschwenden, in den Lift steigen und verschwinden. Aber er war einfach nicht so ein Arsch wie dieser, weswegen er vor dem Drücken auf den Knopf inne hielt. „Du Terry, was ich dir sagen wollte. So unter uns Brüdern. Ashley ist ziemlich anhänglich.“ Dabei hob er den leicht gesenkten Kopf wieder an und blickte direkt zu dem Älteren herüber. Welcher leise, aber wahrhaftig amüsiert, zu lachen begann. Danny selbst blieb ernst, bis der andere aufhörte. „Du lügst, Danny, wieder einmal.“ Der Angesprochene schwieg, fixierte seinen Bruder nur mit ernsten Blick weiterhin. „Du lügst~“, sagte Terry erneut und dehnte das letzte Wort, dann veränderte sich sein Blick und die eben noch versteckte Unsicherheit trat hervor, „Oder? Danny, du lügst? Sag mir, dass du lügst.“ Danny selbst drückte in diesem Moment den Knopf für das Erdgeschoss. „Eigentlich müsstest du es mir doch sagen können, wenn ich ein so schlechter Lügner bin. Oder?“ „Danny! Warte! Sag mir, dass du lügst“, hörte er die Stimme seines Bruders, welcher panisch auf den Lift zu hielt. Kaum hatte dieser sich geschlossen, breitete sich ein siegreiches Grinsen auf dem Gesicht des jüngeren Williams aus. So sah er seinen Bruder gerne, leider nur viel zu selten. Wenigstens irgendwas Gutes an diesem beschissenen Tag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)