This bird can fly with broken wings von Flordelis ================================================================================ Der Vogel aus dem goldenen Käfig und die mürrische Katze -------------------------------------------------------- [LEFT]Das Chaostor gab ein zischendes Geräusch von sich, dann schloss es sich und verschwand. Ein Anblick, den sie schon so sehr gewohnt war, dass sie sich mit einem zufriedenen Lächeln, das sie direkt hinter ihrem Fächer verbarg, davon abwenden konnte. Auftrag erledigt. Ihr Blick streifte dabei über die nähere Umgebung, nur um sicherzugehen, dass kein weiterer Feind auf sie lauerte. Allerdings entdeckte sie dabei nur eine Kleinigkeit, die ihr auffällig erschien: eine Katze, die sich gerade mit der Pfote genüsslich über das Ohr fuhr. Bellona lächelte über diesen friedlichen Anblick, der sich nur selten in der Nähe der Unbekannten finden ließ. Plötzlich bemerkte das Tier wohl, dass es beobachtet wurde, denn es sprang auf und verschwand flink hinter den Felsen. Ehe Enttäuschung sich in ihr ausbreiten konnte, wandte sie sich Sez zu, ihrem Mitstreiter.[/LEFT] [LEFT]Ihr ewig schlecht gelaunter Begleiter, der sich als mürrische Katze sicher mindestens genauso prächtig machen würde wie auf dem Schlachtfeld, klopfte sich den Staub vom Mantel. Die Vorstellung, dass er dies mit Schnurrhaaren im Gesicht tat, ließ sie leise kichern.[/LEFT] [LEFT]Sez, ihr Begleiter, dessen Miene mal wieder vermuten ließ, dass seine Hauptmahlzeit aus Zitronen bestand, sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Was ist?«[/LEFT] [LEFT]Mit einer knappen Bewegung ihres Handgelenks klappte sie ihren Fächer zusammen und deutete damit auf sein Gesicht. »Ich musste mir gerade vorstellen, wie du als Katze aussehen würdest. Als übelgelaunte Katze natürlich.«[/LEFT] [LEFT]Diese Aussage diente wiederum seiner deutlichen Verwirrung. »Wie kommst du darauf?«[/LEFT] [LEFT]»Hmm. Ich weiß auch nicht.« Ihm von ihrer Beobachtung zu erzählen war sicher vergebens, schließlich sähe er darin nur eine versteckte Bedrohung – oder gar nichts, was sie mehr enttäuschen würde. Deswegen schob sie eine Frage hinterher: »Aber würdest du mir nicht zustimmen?«[/LEFT] [LEFT]Seine Antwort darauf bestand aus einer Mischung, die nach einem Schnauben und einem desinteressierten »Aha« klang. Dabei wandte er sich von ihr ab und wechselte sofort das Thema: »Wir haben den Auftrag erledigt. Gehen wir zurück?«[/LEFT] [LEFT]Bellona blickte nach Westen, wo die Sonne bereits untergegangen war und einen violetten Schein hinterlassen hatte. Je weiter sie den Kopf in den Nacken legte, desto mehr Sterne entdeckte sie.[/LEFT] [LEFT]»Du hast vielleicht keine Probleme, nachts etwas zu sehen, Kätzchen, ich aber schon.«[/LEFT] [LEFT]Sez knurrte leise. »Dann übernachten wir hier. Soll ich ein Lager aufschlagen?«[/LEFT] [LEFT]»Wenn du so liebenswürdig wärst.« Sie klimperte verspielt mit ihren Wimpern, was er wieder einmal nicht im Mindesten registrierte. Stattdessen ging er sofort an die Arbeit, indem er ihr Gepäck nach den gewünschten Gegenständen untersuchte.[/LEFT] [LEFT]Ihn dabei beobachtend fiel ihr wieder einmal auf, wie sehr er sich gewandelt hatte seit ihrer ersten Begegnung. Er verstand immer noch nicht alles, was Menschen machten oder wie sie miteinander interagierten, aber er gab sich mehr Mühe dafür und sie rechnete ihm das hoch an – vor allem weil sie die Verantwortung für ihn übernommen hatte. Solange aber niemand ihm mit dem Tod drohte, war er wirklich umgänglich, zu dumm, dass es mehrere Personen gab, die ihn tot sehen wollten. Glücklicherweise dürfte das schwer werden für seine Feinde, Sez war stark und notfalls gab es auch noch sie. So konnte sie unbesorgt sein.[/LEFT] [LEFT]Sie setzte sich auf einen nahen Felsen, Sez war derweil mit dem Zelt fertig und kümmerte sich nun um das Lagerfeuer, worin er in den letzten Monaten viel Erfahrung gesammelt hatte.[/LEFT] [LEFT]»Wir sollten auch etwas kochen«, brachte Bellona vor.[/LEFT] [LEFT]Er sah nicht einmal von dem Holz auf, als er mit einem lapidaren »Bin dabei« antwortete. Sie könnte sich wirklich keinen besseren Begleiter wünschen.[/LEFT] [LEFT]Mit einem zufriedenen Ausatmen ließ sie sich nach hinten sinken, bis sie auf dem Rücken lag und in den Himmel starrte. Immer mehr Sterne schlichen sich auf den dunkler werdenden Untergrund, der ihr noch nie so nahe erschienen war. Als müsste sie nur noch die Hand danach ausstrecken, um sich eine glitzernde Scherbe für sich selbst zu greifen.[/LEFT] [LEFT]In dieses Gefühl vertieft vergaß sie alles um sich herum – dennoch erschrak sie nicht, als sie plötzlich spürte, wie jemand sich neben sie legte. Der Geruch verwies auf Sez, also musste sie sich keine Sorgen machen.[/LEFT] [LEFT]»Was wärst du dann?«, fragte er.[/LEFT] [LEFT]»Hmm?«[/LEFT] [LEFT]»Wenn ich eine Katze wäre.« Sie konnte sein Augenrollen regelrecht hören. »Welches Tier wärst du dann?«[/LEFT] [LEFT]Sie lachte. »Musst du diese Frage wirklich stellen? Man nennt mich doch schon längst einen Vogel mit gebrochenen Flügeln.«[/LEFT] [LEFT]So hatte sie sich auch gefühlt, als sie noch bei ihrer Familie gewesen war. Als sie in einem immer kleiner werdenden goldenen Käfig gelebt hatte, darauf wartend, an irgendjemanden verheiratet zu werden, um dann immer an dessen Seite zu sein, zu lächeln und zu nicken, aber nie etwas zu sagen, niemals die Welt zu entdecken und zu kämpfen, egal wie groß ihre Fähigkeiten wären. Zu jener Zeit wäre sie am liebsten gestorben, statt weiter von den adeligen Traditionen erdrückt zu werden.[/LEFT] [LEFT]Sez hatte es während ihrer ersten Begegnung schon nicht verstanden, auch diesmal schwieg er für einen Moment, seine Verwirrung war fast greifbar. Doch dann fiel ihm daran wohl etwas auf: »Das ist jetzt lange her. Warum sagst du das immer noch?«[/LEFT] [LEFT]Derart viel Zeit war seitdem nicht vergangen. Jedenfalls nicht in Relation zu jener Dauer, die sie in diesem Käfig, mit den gebrochenen Flügeln verbracht hatte.[/LEFT] [LEFT]Sie drehte sich auf die Seite, um Sez ansehen zu können. Sein Blick war immer noch starr in den Himmel gerichtet, wie immer war seine Miene ausdruckslos. Sie mochte das an ihm, es war besser als all dieses falsche Lächeln, wenn man gleichzeitig schon das Messer vorbereitete, das man seinem Gegenüber in den Rücken zu rammen gedachte.[/LEFT] [LEFT]»Um damit etwas zu beweisen«, antwortete sie ihm.[/LEFT] [LEFT]Seine Mundwinkel zuckten, bereit, die Frage zu stellen, aber sie nahm es ihm vorweg: »Ich kann auch mit gebrochenen Flügeln fliegen. Das sollen ruhig alle sehen und verstehen. Deswegen beharre ich nach wie vor darauf.«[/LEFT] [LEFT]Sie hatte ihren goldenen Käfig verlassen, die kümmerlichen Flügel ausgebreitet und war trotz allem geflogen. Und das alles war ihr nur dank Sez gelungen. Ohne ihn hätte sie nie den Mut und die Zuversicht gefunden. Sie hätte ihm dafür gedankt, aber sie glaubte nicht, dass er Wert darauf legte oder gar verstand, was seine Rolle darin gewesen war.[/LEFT] [LEFT]Also richtete sie sich stattdessen wieder auf. Sitzend erkannte sie nun, dass sie länger vertieft gewesen sein musste, denn über dem Lagerfeuer hing ein Topf, dem bereits ein angenehmer Geruch entstieg. Sie wandte sich Sez zu und setzte ihre süßeste Stimme auf: »Was kochst du heute für uns, Kätzchen?«[/LEFT] [LEFT]Er setzte sich derweil auch wieder aufrecht hin. Der Anflug eines Lächelns umspielte seine Lippen – mehr der Schatten einer Parodie eines Lächelns –, dann antwortete er mit monotoner Stimme: »Irgendeinen Vogel, den ich vorhin gefangen habe.«[/LEFT] [LEFT]Bellona lachte, etwas, das sie früher nur hinter vorgehaltenem Fächer hätte tun dürfen, nun aber vollkommen frei tat. »Soll ich das etwa als Drohung verstehen? Vergiss nicht, dass ich dich bislang immer besiegt habe~.«[/LEFT] [LEFT]Seine Mundwinkel zuckten wieder, doch statt einer Antwort erhob er sich wieder vom Felsen. »Das Essen dauert noch eine Weile.«[/LEFT] [LEFT]»Oh~.« Bellona sprang auf. »Soll ich das als Aufforderung verstehen?«[/LEFT] [LEFT]Er holte bereits mit der Hand aus, um die dunkle Klinge entstehen zu lassen. Das war alles, was sie wissen musste; sie stellte sich selbst mit aufgeklapptem Fächer in Kampfposition, ihre Augen funkelten vor Aufregung. »Zeig mir, wie gut du bist~.«[/LEFT] [LEFT]Er folgte ihrer Aufforderung sofort und stürmte auf sie zu, einen Schweif dunkler Energie hinter sich herziehend. Ein Gefühl freudiger Erregung ergriff von ihr Besitz, während sie ihren Fächer hob, um mit einem eigenen, magischen Angriff zu kontern. Sie fühlte sich schwebend, lebendig, frei. Genau wie es immer hätte sein sollen.[/LEFT] [LEFT]Das war alles, was sie brauchte, für den Rest ihres Lebens.[/LEFT] [LEFT]Freiheit.[/LEFT] [LEFT]Und Sez.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)