Sir Peter Wolfstöter - Der Prächtige von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 2: Prüfung des Geistes ------------------------------ Peter betrat einen leeren, rechteckigen Raum, der gleich aufgebaut war wie der Eingangsbereich. Schwarzer Marmor spiegelte das Licht dutzender Fackeln wider, die dem verwaisten Platz etwas Gespenstisches beifügte. Es herrschte absolute Stille. Nichts rührte sich. Das Tor hinter Peter war wie von Geisterhand zugefallen, und so wie es aussah, würde er wohl über diesen Weg auch nicht zurückkehren können. Zögernd machte der Teenager einige Schritte nach vorne. „Ein Krieger muss im Geiste geschult sein. Taktiken, Pläne, Improvisationen; das alles bedeutet nichts, solange dein Geist nicht rein ist. Ich frage dich nun, Peter Pevensie, willst du die Prüfung des Geistes durchlaufen?“, hallte eine tiefe Stimme von überall her auf Peter ein. Was für eine lapidare Frage. Er musste es tun, wie sollte er sonst hier herauskommen? „Ja, ich will mich der Prüfung des Geistes unterziehen!“, rief der Adamssohn. Aus dem Nichts erschienen Rauchsäulen. Schwarze Nebelschwaden irrten wild umher, einen Tanz ausführend, der so absurd wirkte, dass ihm ein menschliches Auge nicht folgen konnte. Über Peter sammelte sich die dunkle Materie, nur um dann, einem Prisma gleichend, auseinanderzuspringen. An jeder Seite erschienen drei schemenhafte Wesen, die Spalier zu einem großen Eisentor standen. Sechs lange Streben versperrten den Weg ins Ungewisse. Ungläubig rieb sich der Heranwachsende die Augen. Woher war das Tor gekommen? Zögernd trat er auf die erste Gestalt zu, einen alten, buckligen Zwerg. Er wirkte mürrisch, und seine Zipfelmütze hing ihm ins Gesicht. Seinen langen Bart, der fast bis zum Boden reichte, hatte er in den Gürtel geklemmt, welcher die Stofftunika und Hose beisammenhielt. Nachdenklich kniff der Zwerg das rechte Auge zusammen, und prüfte Peter eingehend. Die rechte Hand strich dabei über den weißen Rauschebart. „Es reckt sich zum Himmel, wird oft genannt das Dach der Welt. Ein Einzelner davon, so manche Ebene entstellt. Vieh und Hirte, beide lieben den Ort, doch regelmäßig müssen sie fort. Was ist es?“, fragte der Zwerg mit dröhnender Stimme. Rätsel. Etwas, das Peter mehr hasste als alles andere. Nachdenklich fuhr er sich durchs Haar. Etwas, dass sich zum Himmel reckte. Dach der Welt. Hier in Narnia, oder in der Realität? Was entstellte eine Ebene? Vieh und Hirte, die gerne an diesem Ort waren, aber weiterziehen mussten? Ein Feld vielleicht? Eine Scheune? Peter schüttelte den Kopf. Beides war unpassend. Das Dach der Welt. „Kleiner, wir haben nicht eine halbe Ewigkeit Zeit“, blaffte ihn der Zwerg an. Peter starrte auf den bärtigen Griesgram hinab und tippte sich dabei ans Kinn. Sein Gesprächspartner strich sich grummelnd über den Bart. Zwerg – Berg. Peter ging ein Licht auf! Zwerge hausten der Legende nach in Bergen! Sie waren riesig, schälten sich oft aus einer Landschaft heraus, und Vieh trieb man oft in höhere Gefilde! „Du fragst nach einem Berg!“, rief der Adamssohn triumphierend aus. Tatsächlich nickte der Zwerg und mit einem lauten Knall verschwand eine der Streben, welche das Tor blockierten. Beflügelt von seiner Lösung, schritt Peter zum nächsten Schemen. Hierbei handelte es sich um einen stattlichen Zentauren. Er hatte das Antlitz eines Mannes in seinen besten Jahren, mit einem gepflegten Dreitagebart. Die muskulösen Arme hatte das Mischwesen vor der Brust verschränkt. Sein Unterleib war pechschwarz, und er scharrte mit den Vorderhufen. Trotz allem lächelte der Zentaur. Seine Stimme klang melodisch, fast schon einladend, als er Peter fragte: „Viele suchen es, aber nur wenige vermögen es zu finden. Der Tod ist oft der Begleiter, und das Gesuchte dessen treuer Streiter. Egal ob arm, oder reich, am Ende macht das Gesuchte sie alle gleich. Wer Schlimmes tut, dem Schlimmes wiederfährt, wer Gutes tut, der Gutes erhält. Was ist es?“ Peter seufzte schwer. Dieses Rätsel war noch schwieriger als das Letzte. Außerdem fiel ihm keine Brücke ein, die zwischen dem Gesuchten, und dem Zentauren passen würde. Nachdenklich schritt der Jüngling auf und ab, die rechte Hand am Kinn. Es wird oft gesucht, aber selten gefunden. Der Tod begleitet es. Es schien auch nicht zu differenzieren. Handelte man schlecht, so bekam man Schlechtes zurück, das Gleiche galt für Gutes. Genervt rieb Peter sich die Augen. Seine Gedanken schweiften ab. Weg von diesem tristen Ort, diesen Prüfungen, nach Hause. Er vermisste den gebackenen Apfelkuchen seiner Großmutter, den sie immer auf die Fensterbank zum Auslüften stellte. Als der Krieg kam, schüttelte sie nur lächelnd den Kopf, als man sie evakuieren wollte. „Ich bin schon alt, und habe mein Leben redlich gelebt. Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, dann wird mich der Krieg verschonen. Wenn nicht, dann warte ich eben auf euch alle. Auch die Besatzungssoldaten müssen irgendwann sterben, genauso wie ich, ihr, wir alle. Egal ob arm, oder reich, am Ende besucht uns alle der Tod, und wiegt ab: Haben wir mehr Gutes, oder mehr Schlechtes getan? Dann wird gerecht entschieden, davon bin ich überzeugt.“ Schlagartig riss Peter die Augen auf. Seine Großmutter hatte ihm die ersehnte Antwort gebracht. „Gerechtigkeit!“ Der Zentaur nickte lächelnd, und die zweite Strebe löste sich lautstark, und versank im Boden. „Das hast du gut gemacht, Peter. Du wählst deine Antworten mit Bedacht, und handelst nicht überstürzt.“ Peters Wangen glühten vor Stolz. Tatsächlich! Er hatte zwei Fragen bereits absolviert. Das gab ihm Auftrieb. Zumal der Zentaur sehr nett gewesen war. Die nächste Gestalt war ein großer Fuchs, der genüsslich gähnte. Er kratzte sich mit den Pfoten hinter den Ohren und starrte zu Peter hinauf. Seine Zungenspitze lugte aus dem Maul hervor. Er schüttelte sich kurz, bevor das rotbraune Wesen mit einer verschlagenen, aber durchaus freundlich wirkenden Stimme seine Aufgabe präsentierte: „Wenn man so wie ich ist, dann hat man es. Die meisten Wesen besitzen es nicht. Damit kannst du unmöglich wirkende Aufgaben bewältigen. Es macht mich dem Wolf überlegen, obwohl er viel stärker ist als ich. Was habe ich?“ Ein Fuchs hatte es. Peter musterte das Wesen eingehend, welches nur erneut gähnte und sich gelangweilt am Bauchfell kratzte. Was besaß ein Fuchs, was die meisten anderen nicht besaßen? War er vielleicht schneller als der Wolf? Kleiner? Konnte man Größe besitzen? „Was hast du…?“, fragte Peter sich selbst, und klopfte dabei auf seine linke Faust. Sein Großvater hätte diese Rätsel mit links lösen können. Er knobelte sehr gerne, und hatte sie früher mit seinen Rätselreimen bespaßt. „Ich bin einfach nicht so ein schlauer Fuchs, wie mein Großvater. Der hätte deine Aufgabe schon längst gelöst“, sagte Peter und seufzte. Der Fuchs lachte und richtete sich auf. „Ich denke, ich kann das so gelten lassen, zumal du mich ja sehr gelobt hast“, kicherte er. Lautstark verschwand eine weitere Strebe. „Schlauheit“, nickte das Tier und bedeutete einem verdutzen Peter, sich der anderen Seite des Raumes zuzuwenden. Peters nächster Rätselpartner war ein Faun. Er hatte entfernt Ähnlichkeit mit Herrn Tumnus, was aber wohl auf die bockartigen Beine zurückzuführen war. Entgegen seines Artgenossens, trug dieser Faun eine schwere, silberne Rüstung, und ein großes Schwert am Rücken. Seine Stimme hatte fast schon etwas Meckerndes, als er seine Frage stellte: „Ohne es, kann keiner von uns leben. Sorgsam geht damit jedoch keiner um. Es ist selbstverständlich für alle. Stirbt es, so sterben wir alle. Die Schöpfung braucht es, auch wenn es manchmal grausam sein kann. Was ist es?“ Der Junge betrachtete den Faun eingehend. Seine Gedanken schweiften wieder ab. Was war eigentlich der Unterschied zwischen einem Faun und einem Satyr? Seine Mutter hatte ihm mal, als er vier Jahre alt war, ein Märchen vorgelesen. Ein böser Zauberer wollte einen Wald verhexen, um so die Dorfbewohner zu vertreiben. Viele Fabelwesen, unter anderem Satyre und Faune, lehnten sich auf. Flora und Fauna wehrten sich gegen den bösen Zauberer. „Mit der Natur spaßt man nicht“, hatte ihm seine Mutter lächelnd gesagt, und einen Gute Nacht Kuss verpasst. Natur? Konnte es das sein? Die Natur brauchte jeder, und, wenn Stürme und Hochwasser auftraten, so wirkte sie manchmal grausam. „Die Natur?“, fragte Peter zögernd. Der Faun nickte nur, und eine weitere Strebe verschwand. „Zwei Fragen noch“, ging es dem Adamssohn durch den Kopf. Er brauchte nur mehr zwei Antworten, um weiterzukommen. Bisher hatte er seine Aufgaben mit Bravour gelöst. Was würde wohl die nächste Frage sein? Vor ihm bäumte sich ein riesiger Vogel auf. Dessen Federspitzen schienen zu brennen, während sich das Wesen im Gefieder herumpickte. Es schien Peter gar nicht zu beachten. Der grau-goldene Schnabel suchte im Federkleid nach etwas. „Was ich suche, reinigt, schmerzt aber auch. Es zerstört, bringt aber auch Leben hervor. Es zu kontrollieren ist schwer, das Machen ganz einfach. Was suche ich?“ Reinigung? Schmerzen? Etwas, dass zerstört, aber auch Leben hervorbringt? Wider die Natur? Ein Wald, mit einem Bach? Aber was schmerzte an einem Wald? Bisher hatte jedes Rätsel, mit Ausnahme des Zentauren, mit dem Fragensteller zu tun. Peters Blick fiel dabei auf das Federkleid des Vogels. Dessen Tun störte ihn ungemein beim Denken. Konnte das Ding nicht einmal kurz stillhalten? Mal abgesehen davon: Warum ging das Federvieh nicht in Flammen auf? Es brannte eindeutig. Das Feuer musste doch ungemein schmerzen. Erleichtert atmete Peter aus und lächelte. „Feuer“, antwortete er. Der Vogel reckte den Kopf gen der Decke und kreischte laut. Die vorletzte Strebe löste sich. Peter wanderte mit klopfendem Herzen zu seiner letzten Frage. Ein ruppiger Stier auf zwei Hufen schnaubte lautstark. Seine Nüstern blähten sich auf, während das zottelige, pechschwarze Fell, ordentlich durchgeschüttelt wurde. Die weiße Plattenrüstung verpasste dem Wesen einen sehr starken Kontrast. Der große Falchion am Rücken, genauso wie die Streitaxt, und das Schwert an seiner linken Seite, verliehen ihm einen einschüchternden Charakter. „Nun denn, Adamssohn, deine letzte Frage. Überlege dir die Antwort gut, denn liegst du falsch, gehst du in die absolute Schwärze“, murrte der Minotaurus und verschränkte seine Arme vor der Brust. Peter schluckte schwer, nickte dann aber. „Also gut“, begann das Tierwesen mit donnernder Stimme, „Es zu beherrschen, ermöglicht einem, die Welt zu verändern. Es ist eine Kunst für sich. Manche leben nur dafür. Alle deine bisherigen Rätsel spielen eine Rolle darin. Ein Berg kann ein unüberwindliches Hindernis sein. Die Natur es oft aufhalten. Feuer kann ihm nutzen. Wer schlau ist, beherrscht es perfekt, ist seinem Kontrahenten überlegen. Man kann es gerecht führen, oder auch nicht. Das ist aber Ansichtssache.“ Gerade der letzte Satz wurde verächtlich ausgesprochen. Erstaunlicherweise wusste Peter dieses Mal die Antwort sofort. Diese eine Sache hatte sie alle getrennt, ihm und seinen Geschwistern Kummer bereitet. Es veränderte die Welt gerade, und hatte sie bereits ein dutzend Mal verändert. „Was du suchst, das ist der Krieg“, antwortete Peter mit fester und überzeugter Stimme. Die letzte Strebe verschwand, und der Minotaurus nickte. „Durchschreite das Tor, Peter Pevensie, zu deiner nächsten Prüfung. Dein Geist ist scharf, deine Zunge weise.“ Damit verschwanden alle Schemen wieder ins Nichts, und Peter betrat, mit einem mulmigen Gefühl, die nächste Prüfung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)