Final Wish von Daelis ================================================================================ Kapitel 1: Painful Path ----------------------- Das einst grüne Gras hatte sich rot gefärbt und die Erde war getränkt mit Blut. Kaum hörte Shirou noch das leise Röcheln eines Sterbenden nur wenige Zentimeter neben seinem eigenen, zerschlagenen Körper. Er wusste, er würde sterben. Nicht irgendwann oder in weiter Ferne, sondern hier und jetzt. Der Schmerz hatte ihn überwältigt und in die Knie gezwungen, nachdem er bereits so viele seiner Freunde, seiner Verbündeten hatte grauenhaft und hoffnungslos sterben sehen. Kleine Kinder waren auf dem Boden zertreten worden, junge Mädchen geschändet und schließlich achtlos zu den Sterbenden gestoßen, die zwischen Toten und Leichenteilen darauf warteten, dass sie ihren letzten Atemzug taten. Er hatte diese Menschen angeführt, hatte mit strahlenden Augen und aufrechten Herzens die Worte Gottes gelebt und jeden aufgefordert, es ihm gleichzutun. Auch jetzt noch hatte ihn der Glaube an die schützende Hand des Herrn nicht verlassen. Wenn es Gottes Wille war, dann starb er hier in dem Wissen, so viele Leben auf dem Gewissen zu haben, verlustig beider Arme, die man ihm abgetrennt hatte. Nicht ein einziges Leben hatte er retten können. Nicht eines. Das alles konnte er akzeptieren, doch was ihn krank machte, seine Wut selbst auf am Abgrund des Todes noch entfachte, war, dass nach ihrer Rebellion nichts bleiben würde. Einige Menschen würden trauern und um ihre Verstorbenen weinen, einige Tage oder vielleicht Wochen würde man hinter vorgehaltenen Händen von den Kämpfen sprechen, doch dann würde die Geschichte all diese Leben verschlucken und sie würden vergessen, während sich nichts änderte. Die Mächtigen würden weiterleben wie bisher, die Gottesfürchtigen müssten weiterhin um ihre Leben bangen, die Armen weiterhin hungern und die Menschen würden weiter einander ausnutzen, missbrauchen, quälen und verraten, um sich ihre eigenen Vorteile zu sichern. Jedes verlorene Leben, jede Pein, jede Seelenqual wäre umsonst. Nein, das durfte nicht sein. Es musste Erlösung geben. Nicht nur für ihn oder die seinen, sondern für alle Menschen. Für jede einzelne Seele im Laufe der Jahrtausende. Für jeden einzelnen Menschen. “Bitte Gott, gib mir eine weitere Chance”, wandte er sich stumm an den Allmächtigen, dessen Namen er höher hielt als jeden anderen. Wenn nicht an Gott, an wen könnte er sich in dieser Lage noch wenden? Güte und Vergebung erbat er, nicht weniger. “Nächstes Mal werde ich das größere Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ich werde alle Hindernisse, Feinde und Schwierigkeiten aus dem Weg räumen.” Er öffnete den Mund, wollte die Worte laut aussprechen, doch dazu war er zu schwach. Nur ein Seufzer kam über seine Lippen, als er schließlich die Augen schloss und im Geiste seine Worte an den Herrn richtete. “Nächstes Mal werde ich alles Gute in der Welt erreichen. Eine Welt, in der jeder glücklich ist, gut und perfekt. Ich werde alles Böse auslöschen und eine neue, reine Welt erschaffen.” Wie erstaunt war er gewesen, als Gott seine Worte wahrlich erhörte. Zwar hatte man ihn zu Lebzeiten schon als einen Heiligen verehrt, doch er hatte sich nie herausgenommen, Gottes Stimme vernommen zu haben. Es wäre eine Lüge gewesen, Blasphemie. Doch wie, wenn nicht so, könnte er bewerten, was ihm widerfuhr, als er vom Heiligen Gral selbst als Servant gerufen wurde, um über den Heiligen Gralskrieg zu wachen? Gott hatte ihn erhört und ihm die zweite Chance geschenkt, um die er so inbrünstig gebeten hatte. Dieses Mal… Dieses Mal würde er keinen Fehler machen und niemand würde ihn stoppen. Das hatte er sich geschworen. Sorgfältig hatte er den großen Gralskrieg überwacht, in den er gerufen worden war. Shirou hatte beobachtet, hatte gelernt, sich vorbereitet. Es galt, nichts zu überstürzen und so hatte er Jahrzehnte im Verborgenen ausgeharrt, stets der katholischen Kirche und Gott treu, bis der nächste Krieg anbräche, den zu gewinnen, er entschlossen war. Vierzehn Servants waren beschworen worden von vierzehn Mastern, doch es war ihm gelungen, die Fraktion, der er zugeteilt worden war, völlig einzunehmen dank der Fähigkeiten Semiramis’, die ihm als Assassin zur Seite stand. Den ihm unterstellten Servants hatte er seine Pläne nicht anvertraut und selbst Assassin, die ihm ans Herz gewachsen war, hatte nur wenig gewusst. Doch sie hatte akzeptiert und respektiert, dass sein Ziel der Heilige Gral war und er davon niemals abrücken würde, gleich welcher Feind sich ihnen in den Weg stellte. Bedingungslos hatte sie ihm ihre Treue geschenkt und schließlich, wie sich zeigte, sogar Zuneigung. Für ihn allerdings hatte es dafür keinen Platz gegeben. Sein Ziel musste allein der Gral sein. Nicht für sich, nicht für kleingeistige Wünsche oder Ziele, sondern für das Wohl der gesamten Menschheit, das größte aller Ziele. Der Heilige Gral würde ihm seinen Wunsch erfüllen. Den Wunsch, mit dem im Herzen er Gott um eine zweite Chance angefleht hatte, die dieser ihm gewährte. Wenn es nicht Gottes Wille war, was er tat und dass er die Menschheit von aller Schlechtigkeit erlöste, so würde der Herr ihn aufzuhalten wissen und niederstrecken. Daran zweifelte Shirou nicht einen Augenblick und so zögerte er auch nicht, sich selbst aufs Schlachtfeld zu begeben, als die Kämpfe hitziger wurden. Hoffnung hatte ihn durchflutet, als sie gemeinsam in den Hängenden Gärten Babylons, der fliegenden Stadt, die das Noble Phantasm seines Servants war, die schwarze Fraktion konfrontiert hatten. Alles hatte nach einem Sieg ausgesehen. Er hatte sogar den Ruler dieses Krieges, Jeanne D’Arc getötet, auch wenn nicht ohne Reue. Es war nichts persönliches gewesen, auch wenn er ihre Naivität lästig gefunden hatte, mit der sie auf die Welt blickte, unfähig zu erkennen, wie selbstzerstörerisch und gnadenlos die Menschheit sich selbst gegenüber war. Dennoch verabscheute er Jeanne nicht. Sie war wie er eine tiefgläubige Person und er hoffte inständig, sie würde erkennen, dass ihr Opfer allein dem Wohl der gesamten Menschheit gedient hatte und es ihm nicht nachtragen. Ihm war schlicht keine Wahl geblieben, um die Hand nach dem Heiligen Gral auszustrecken. Letzten Endes jedoch hatte er sein Ziel nicht erreichen können. Um Semiramis und ihn herum waren die Hängenden Gärten zerfallen, während sie beide nur warteten, wohl wissend, dass der Krieg für sie vorüber war und nur der Tod auf sie wartete, sodass sie zum Thron der Helden zurückkehren würden, bis man sie erneut beschwor und wieder Magier um den Heiligen Gral kämpfen würden, um ihre egoistischen, kleinen Wünsche zu erfüllen. Warum er in diesem letzten Moment, den Blick gen Morgensonne gerichtet, dennoch Frieden und Zufriedenheit hatte erfahren können, hatte Shirou bis heute nicht wirklich verstanden. Immerhin hatte er wieder versagt, hatte die Menschheit nicht erlösen können. Er hatte nichts erlangt und wieder, als wolle die Geschichte sich nur wiederholen, um ihn zu quälen, hatte er nichts verändert und sein Tun würde in der Vergessenheit verschwinden wie so viele Taten im Laufe der Geschichte. Vielleicht war es einfach nur die Schönheit des Augenblicks gewesen, vielleicht auch Semiramis, in deren Blick so viel Hingabe lag, dass es schwer zu erfassen gewesen war, dass diese ihm allein gelten sollte und nicht einem höheren Ziel wie dem, das er angestrebt hatte. Lange ließ der Gral ihn nicht warten. Schon im nächsten Krieg war es wieder an ihm die Rolle eines Servants einzunehmen. Es hatte sich beinahe angefühlt wie ein Schlag ins Gesicht, hatte ihn vor Fragen gestellt. Sollte er noch einmal sein Ziel anstreben? Hatte man ihn deshalb so bald wieder hergerufen? Oder war auch das nur ein Teil des selbstzerstörerischen Kreislaufs, in dem die Menschheit gefangen war? Antworten auf diese Fragen hatte der Krieg ihm nicht gebracht, der schnell vorangeschritten war. Nicht, weil die Master einander schnell ausgelöscht hätten, sondern vielmehr, weil ein einziger Mann es geschafft hatte, sie davon zu überzeugen, den Gral aufzugeben. Ein Mann, der überzeugt war, auch ohne Servant gewinnen zu können. Geld war geflossen, das hatte Shirou schnell bemerkt und nicht gewusst, wie er dazu stehen sollte. Bestechung war ihm nicht fremd, doch zu sehen, dass selbst der Gral mit all seiner Macht einigen Magierin weniger bedeutete als Geld, war frappierend. Unverwandt hatte er den Kopf der Yakuza-Gruppe, seinen Master, zu Wort gestellt. Der hatte nur gelacht, hatte mit einem Grinsen auf den Zügen argumentiert, dass es doch besser so wäre. So würde, meinte er, immerhin jemand den Gral erhalten, der ihn wirklich wollte und das mit möglichst wenig Blutvergießen. War das denn nicht besser als ein Krieg, der dutzende Leben kostete? Shirou hatte damals nicht geantwortet. Ein Teil von ihm hatte dem zustimmen müssen, deshalb hatte er geschwiegen. Missfallen war es ihm dennoch, was er bezeugen musste, denn die ausscheidenden Master hatten ihren Servants kurzerhand den Selbstmord befohlen. Zwölf Helden tot. Gestorben durch die eigene Waffe. Ermordet von ihrem Master, für den zu kämpfen sie geschworen hatten, als sie gerufen worden waren. Sie waren die Opfer dieses Krieges. Unschuldige, die nicht verdienten, was ihnen widerfuhr. Das konnte nicht Gottes Wille sein. Shirou konnte nicht anders als sich zu schämen, dass er nicht eher eingegriffen hatte. Als Ruler wäre das seine Aufgabe gewesen, doch dieses Mal war es nicht seine Pflicht gewesen. Außerdem hatte seine eigene Vergangenheit seinen Geist zu sehr gefangen gehalten, sodass er versäumt hatte, das Rechte zu tun. War es vermessen, auch dieses Mal um eine zweite Chance zu bitten? Womöglich. Er selbst hatte diese Tragödie geduldet. Als sich die ersten zwei Servants selbst das Leben nahmen, hatte er es hingenommen. Zwei Master waren nicht viel auf die Gesamtheit gerechnet und es kam immer mal wieder vor, dass Master ihre Befehlszauber für diesen Befehl verwandten, wenn sie einen Servant nicht unter Kontrolle bekamen. Nach sieben Vorfällen hatte er Einspruch erhoben, doch der Yakuza hatte ihn nur mit einem Lächeln empfangen und seine Mahnungen ignoriert. Weitere Servants waren durch die eigenen Klingen gefallen und wieder hatte Shirou den Gangster aufgesucht. Dieses Mal mit grimmiger Miene. “Was ist es, das du dir wünschst?” Shirou hatte geschwiegen. “Wir alle”, hatte der Mann mit den markanten Gesichtszügen ausgeführt, “wollen irgendetwas. Wonach verlangt es einen Heldengeist? Geld wohl kaum. Macht? Nein, das kann es nicht sein. Was verlangt jemand wie du?” Shirou hatte einige Tage mit sich gehadert. In diesen Tagen war ein weiterer Servant gestorben. Lancer hatte sich selbst aufgespießt und damit ausgeschieden. Es zeigte sich bereits jetzt, wer siegen würde. Nur zwei Master wagten offen, jeden Handel auszuschlagen und beide waren zu jung und unerfahren. Shirou hatte fast Mitleid mit ihnen. Sie waren Idealisten, die daran glaubten, den Gral erringen zu können. Der erste von ihnen, eine junge Frau namens Ruri, starb durch die Kugel eines Yakuza-Angehörigen. Ihr Servant verlosch ohne ein letztes Wort. Schließlich hatte sich Shirou, wenn auch nicht gerne, dem Yakuza und seinen Plänen gänzlich angeschlossen. Jedoch nicht, ohne sich zuvor dessen Wunsch anzuhören, der erstaunlich banal und unwichtig schien, bedachte man, welch Ziele er selbst für erstrebenswert hielt. Doch diese Meinung hatte Shirou für sich behalten und schweigend zugelassen, dass der Mafioso auch seine letzten Feinde aus dem Weg räumte. Alles nur für ein Versprechen, das ihm der Mann gegeben hatte. Wenn er den Gral errang, würde auch Shirou ein Wunsch vom Gral gewährt. Außerdem würde Kuro dafür Sorge tragen, dass Shirou im nächsten Krieg beschworen wurde. Entweder als Teilnehmer oder Ruler, das war Shirou gleich. Er wollte nur mit einen Augen sehen, welche Früchte sein Wunsch trug. Seine zweite Chance, um wieder gut zu machen, was er in diesem Krieg versäumt hatte. Die Geschichte wiederholte sich. Die Ironie seines Lebens ließ ihn auch im Tode, als Geist, nicht los. Dieser Gedanke hatte ihm so manch bitteres Lächeln auf die Züge gelegt, doch nie hatte er ihn aufgehalten. Wann immer er haderte, hatte Shirou die Finger um das goldene Kreuz um seinen Hals gelegt und sich daran erinnert, dass Gott seine Hand schützend über ihn hielt und ihm diesen Weg erlaubte. “Führe mich zu meiner Erlösung”, flüsterte Shirou leise, als alles getan und die Wünsche gesprochen waren. Sein Blick war gen Himmel gerichtet, als seine Gestalt in goldenem Funkeln verlosch und seine Seele den Weg zurück zum Thron der Helden fand, um dort auszuharren bis eine Stimme ihn erneut auf Erden rief. Kapitel 2: Salvation -------------------- Atemloses Keuchen, ein versonnenes Lächeln, zwei Gestalten erhellt vom Licht weniger Kerzen. Geflüstert, fast wie ein Gebet drang sein Name an sein Ohr wie eine flüchtige Erinnerung daran, dass sie beide in der kleinen Wohnung hinter der Kapelle auf dem Bett lagen, sie ausgestreckt unter ihm, die Hände um seinen Nacken geschlungen. Sie reckte sich ihm entgegen, die vollen Lippen eine stille Einladung, der er nicht widerstehen konnte und wollte. Zart wie die Blütenblätter einer Strelitzie. Diese Blume hatte er von ihrem ersten Treffen an, mit ihr in Verbindung gebracht. Nicht, weil sie die Herkunft teilten oder sie diese Blüte bei sich getragen hätte, sondern vielmehr ob der Bedeutung willen. Einzigartigkeit. Nicht weniger könnte er über die Frau sagen, deren Fingerspitzen nun seinen Nacken kitzelten und jeden Gedanken an Pflanzen oder Symbolik erfolgreich vergessen machten. Shirou lächelte, als er den Kuss brach und ihnen beiden eine Atempause gönnte. In seiner Brust raste sein Herz, schlug fest und hart gegen seine Rippen, obwohl er keiner Anstrengung nachgegangen war, außer der, ihrem Blick stand zu halten und in ihrer Anwesenheit zu sein. Wann immer sein Blick auf sie fiel, stockte sein Atem für einen winzigen Moment, so perfekt war sie in seinen Augen. Womöglich nicht in den Augen der Welt. Es waren nicht auf Hochglanz getrimmte Modemagazine, deren Cover sie zieren würde und auch keine Laufstege, die man ihr anriete. Die Schönheit, die Shirou sah, lag weniger in der warmen, freundlichen Erscheinung der Frau in seinen Armen als vielmehr in ihrem Wesen. Sie war alles, worum er gebeten hatte und so unendlich viel mehr. Der Gral hatte in sein Herz geblickt, als er seinen Wunsch geäußert hatte, daran konnte kein Zweifel mehr bestehen. Das magische Relikt hatte die Person gefunden, die alle Kriterien erfüllte, die absolut und unausweichlich geschaffen war für das Ziel, das Shirou verfolgte. Er vermochte es nicht zu erreichen, war ungeeignet. Sie jedoch, sie tat es aus eigenem Antrieb, aus Überzeugung, weil ihr gutes Herz sie dazu trieb. Sie war das Ideal, nach dem er strebte und dessen Inkarnation durch Zeit und Raum vom Gral hierher zu ihm geführt worden war. “Du grübelst”, drang ihre Stimme leise an sein Ohr und entlockte ihm ein Schmunzeln. Wie fiel es ihr nur so leicht, ihn zu durchschauen, wenn er doch jeden anderen zu täuschen mochte? Selbst Kuro hatte sich von seinem Lächeln täuschen lassen und bis zuletzt nur seinen eigenen Wunsch gesehen, ignorant für die Weitsicht, die Shirous Wunsch bedeutete. Sie jedoch, sie sah ihn an und sofort schien es ihm, als wisse sie genau, was in seinem Kopf vorging, als kenne sie jeden seiner Gedanken. “Verzeih”, wisperte er schließlich zurück, ihre Hand ergreifend, um diese sanft zu küssen, ehe er erneut ihre Lippen mit seinen einfing. Wären die Umstände andere, Shirou hätte vermutlich Zweifel gehabt - oder nein: Er hätte nicht einmal in Erwägung gezogen, diesen Schritt zu gehen, hätte Abstand gehalten und sich als Ruler seiner Pflicht und seinen größeren Zielen gewidmet. Doch sie war nicht wie Semiramis eine Frau, die er schätzen lernte, sondern die Perfektion, die er für unmöglich gehalten hätte, läge sie nicht hier neben ihm ausgestreckt auf dem weißen Laken seines Bettes in der kleinen Wohnstube hinter der örtlichen Kapelle. Sie war die Erfüllung eines Traumes, sein höheres Ziel und er war bereit, zu tun, was immer nötig war, um sie in ihrem Streben zu unterstützen und zu schützen, selbst wenn das bedeutete, dass er sich die Hände schmutzig machen musste, damit ihre rein und weiß blieben. Sie musste das Symbol leuchtender Hoffnung sein, das er nicht sein konnte. Ein nachdenkliches Lächeln huschte über seine Lippen, als er ihren Hals hinab küsste, der Schönen ein Keuchen entlockend. War es nicht irgendwie ironisch, dass sie beide hier beisammen lagen? Er mit den blutbefleckten Händen und sie, die in gewisser Weise von ihm die Rolle des Messias zugeschrieben erhalten hatte? Natürlich würde er das nie so aussprechen, würde sie nie so nennen, doch nichts anderes war sie letztlich und um nicht weniger hatte er den Gral gebeten. Einen Erlöser für die Servants, die sonst keine Hoffnung kennen konnten, wenn sich ihre Master nicht als guten Herzens erwiesen. Und mit welcher Bravour hatte sie diese Rolle bereits erfüllt, ehe er auf den Plan getreten war! Zu Shirous Ärger war er dieses Mal nicht direkt als Ruler in den Krieg gerufen worden, doch dank der vorsorglichen Planung sorgten die Vertragserben Kuros dafür, dass sich dies änderte. Ein wenig hatte es ihm um Hatschepsut Leid getan, doch es war ein nötiges Opfer. Anders als die ägyptische Königin würde er nicht neutral in diesem Krieg sein, sondern weiter sein Ziel verfolgen, den Kämpfenden in den Schlachten beizustehen und damit auch ihr, dem einen Master, der in Servants keine Werkzeuge, sondern vielmehr die Menschen sah, die sie einst gewesen waren, selbst wenn so manch Heldengeist selbst vergessen zu haben schien, dass sie mehr waren als Diener, beschworen für den Kampf. Shirou atmete tief durch und lenkte seinen Blick und seine volle Aufmerksamkeit wieder auf die Frau an seiner Seite. Wie von selbst hatte seine Hand den Weg zu ihrer Körpermitte gefunden, ihre Seiten entlang streichelnd, als wäre sie eine zerbrechliche Gestalt, die jeden Moment entschwinden könnte, wenn er nur blinzelte oder nicht sanft genug wäre. “Du bist ein Geschenk Gottes”, flüsterte er kaum hörbar an ihr Ohr und doch laut genug, denn ein leises Lachen entkam ihr, als sie nun die Hände an seine Wangen legte. “Nicht Gott bestimmt meine Entscheidungen. Das tue ich ganz alleine.” Sein Lächeln blieb sanft. Sie mochten in dieser Sache verschiedener Meinungen sein, doch es änderte nichts daran, mit welchen Augen er sie sah und was er in ihrem Tun sah. Wie gerne hätte er behauptet, dass dies alles war. Dass er sie schätzte ob ihrer Stärke und ihrer Entschlossenheit, dass er sie ehrte ob ihres Sanftmuts und ihrer Freundlichkeit, dass er sie liebte, weil sie die Inkarnation all dessen war, was er für nötig hielt, damit die Servants, nicht ihre Master, ihren Seelenfrieden finden würden. Einen Frieden, der keinen Wunsch an den Gral bedurfte und wenn doch, so würde sie ihnen den Weg weisen. An ihrer Seite würden sie alle gewinnen, die sonst nur verloren hatten und stets die Leidtragenden der Gralskriege gewesen waren. Doch all das war nichts im Vergleich zu dem Brennen in seiner Brust, den schlaflosen Nächten, in denen nur ihr Bild genügt hatte, um ihn wach zu halten, während ihm nichts blieb außer seinem pochenden Herzschlag zu lauschen, während alles in ihm sich danach verzehrte, sie wiederzusehen. Der Gral hatte nicht nur den Menschen gefunden, der in das Profil passte, nach dem für alle Servants gestrebt hatte, sondern auch den unausgesprochenen Wunsch hinter seinen Worten erhört, als Shirou um Erlösung gebeten hatte. Wortlos küsste er ihre Hand noch einmal, direkt dort, wo üblicherweise die Befehlszauber eines Masters in tiefstem Rot prangten. Die Gewalt, die sie über ihn hatte, bedurfte eines solchen nicht. Sie hielt sein Herz in ihren Händen. Auch wenn er das nie so ausgesprochen hatte, so müsste sie das doch zweifellos wissen. Federleicht wanderten seine Fingerspitzen über ihre unbekleidete Gestalt, ihre Arme entlang, schließlich ihre Beine, während er sich über sie beugte. Es bedurfte keiner Worte, damit sie beide wussten, wohin dieser Moment sie führen würde. Eigentlich hatte er nie geglaubt, einmal einer Frau so nahe zu kommen. Er hatte nicht zufällig die Verkleidung als Priester gewählt, hatte sich bewusst dafür entschieden, dass für ihn immer und zu jeder Zeit sein Glaube an vorderster Stelle stehen sollte, seine Hingabe zu Gott, eben jenem Herren, der ihr Schicksal und seines verwoben hatte. Und so wie ihrer beider Schicksale verbunden waren, waren es auch ihre Seelen und würden es ihre Körper sein. Nie zuvor in seinem Leben hatte Shirou eine Frau begehrt - oder einen Mann. Solches Verlangen war ihm fremd gewesen. Für ihn hatte es stets nur höhere Ziele gegeben, kein so einfaches Streben nach Sinnlichkeit, keine solch egoistischen Wünsche. Bis zu dem Tag, an dem er begriffen hatte, dass Erenya beides war. Die Erfüllung des höheren Zieles, das er anstrebte und ebenso die Erlösung, nach der er selbst für seine eigene Seele, gefangen im Lauf der Zeit, gefleht hatte. Dass er diese ausgerechnet auf diese Weise finden würde, in Liebe, war so einfach, so klar und doch so unerwartet, dass er sich im ersten Moment noch dagegen gesträubt hatte. Natürlich hatte er sie sofort gemocht, schließlich hatte er genau sie gesucht oder zumindest einen Menschen wie sie. Den einen Hoffnungsstrahl unter tausenden und abertausenden von Menschen. So unwahrscheinlich, dass dieser eine Mensch existierte, hatte der Gral bewiesen, wie groß seine Macht war und hatte die Grenzen von Raum und Zeit überwunden, um die Person hierher zu bringen, die ihm und den anderen Servants ein leuchtender Erlöser sein sollte. Wann war aus seiner Sehnsucht auch die ihre geworden? Womit hatte er dieses Glück verdient, das ihm Gottes Gnade zugedacht hatte in Gestalt dieser Frau, die so warm, weich und einladend unter seinen Händen erzitterte, während seine Finger über ihren Bauch abwärts tanzten. Er begehrte sie. Nicht nur als Messias, nicht nur als Licht in seinem Leben, als sein Schicksal, sondern auch als die, die sie war. Ihr Lächeln zog ihn in seinen Bann, ließ ihn innehalten und alle anderen Überlegungen für einen Augenblick verstummen. “Shirou.” Von ihren Lippen klang sein Name wahrlich wie von Engeln gesprochen. Er wollte antworten, ihr sagen, dass er sie brauchte, dass er sie wollte und sie liebte, doch kein Ton wollte ihm über die Lippen kommen. Statt auszusprechen, was ohnehin keine Worte zu erklären vermochten, ließ er Taten sprechen. Behutsam glitt seine Hand zwischen ihre Schenkel, strich über glatte Haut und schließlich einladende Wärme. Erfahrung in diesen Dingen hatte er keine, doch vollstes Vertrauen darauf, dass sie ihn wissen ließe, sollte er etwas tun, das ihr nicht behagte, nicht gefiel oder womöglich sogar Schmerzen bereitete. Dass sein eigener Körper mehr als bereit war, sich mit ihr zu vereinigen, daran gab es keinen Zweifel. Beinahe schmerzhaft pochte es zwischen seinen Beinen, wo sich alle Hitze seines Körpers zu sammeln schien und ihn daran erinnerte, dass er trotz all seiner Ideale und hohen Ziele, ein Mann mit all den körperlichen Gelüsten war, die Teil einer irdischen Existenz waren. Etwas, das Shirou nur selten vor Augen hatte, jetzt jedoch umso klarer, da erneut ein Keuchen ihrerseits erklang. Einen winzigen Moment lang zögerte Shirou, dann hob sie sich ihm entgegen und sein Finger drang widerstandslos in sie ein. Es war ein Rausch, der sie beide verband. Ihre Hände in seinem Haar, während ein Lächeln ihre Züge umspielte, dann ihre Lippen auf seinen, während Shirou an nichts anderes denken konnte, als daran, dass er sich wünschte, eins mit ihr zu werden. So egoistisch es war, so sehr es allem widersprach, wofür er einstand, wollte er doch insgeheim, dass sie nur ihm gehörte. Ihm allein. Er wollte, dass sie nur seinen Namen flüsterte, nur ihn sah und kein anderer sie auf die Weise ansah, auf die er sie sah. Zu wissen, mit welchen Blicken andere Servants sie jedoch längst angesehen hatten, ließ sein Blut kochen auf eine Weise, die in Shirou zugleich Scham weckte. Wer war er, so zu empfinden und sich heraus zu nehmen, sie für sich allein zu beanspruchen? Sie mochte die Erfüllung seines Wunsches sein, doch der war dem Wohl aller Servants geschuldet, nicht seinem persönlichen Glück. Atemlos löste sie den Kuss, um ihm ein Lächeln zu schenken, das alle Zweifel beiseite zu wischen wusste. Als hätte sie gewusst, welche Gedanken ihn peinigten und welche Schuldgefühle sie wecken würden, wenn er Zeit hatte, darüber zu grübeln. So aber widmete sich Shirou allein der Lust, die ihn überrascht Aufstöhnen ließ, als sich ihre Hand ihren Weg über seinen Brustkorb hinab zu seinem Geschlecht bahnte, um dieses zu umfassen. Für ihn, der sonst stets die Kontrolle über eine Situation hatte, war es umso befremdlicher, diese nun gänzlich zu verlieren. Doch nichts von seiner Selbstbeherrschung vermochte lange stand zu halten, als geschickte Finger sein Glied auf und ab glitten, ihm damit weitere hilflose Seufzer entlockend. Es kostete ihn bereits alle Konzentration, sich nicht völlig in dieser Lust zu verlieren, sondern die Geste zu erwidern. Auf seinen Unterarm gelehnt, kniete er gebeugt über ihr, immer wieder die Süße ihrer Lippen kostend, während er seine Finger langsam in ihr bewegte, prüfend gar, schließlich den Zeigefinger krümmte und zu seiner Freude mit einem Stöhnen belohnt wurde, das ihm die Richtigkeit seiner Geste verhieß. Weiteren Ansporns bedurfte es für ihn nicht. Küsse verteilte er federleicht über ihren Körper, als er sich der Schönen entzog, aus Furcht sonst verfrüht den Höhepunkt zu erreichen, von dem er sich wünschte, sie könnten ihn gemeinsam erfahren. Vielmehr konzentrierte er sich nun darauf, sie mit geschickten Fingern dazu zu bringen, sich unter ihm zu winden, weil er ihr ihren Höhepunkt ebenso verwehrte, wie sich selbst den seinen. Die Feuchtigkeit ihres Inneren klebte an seinen Fingern, glitt bis über sein Handgelenk und verströmte einen subtilen Duft, der ihm erst bewusst wurde, als er die Innenseites ihres Oberschenkel mit Küssen versah. Er hätte sich nie als lüstern empfunden, doch jetzt flüsterte eine Stimme in seinem Hinterkopf, dass diese gemeinsamen Momente nicht die letzten sein würden. Mit jedem Mal, dass sie einander zuwandten, würde er sie besser kennen, jeden Zentimeter ihrer Haut, jede noch so kleine Neigung ihres Körpers, bis er sie gut kannte, dass er haargenau wüsste, wie er sie in Sekunden dazu bringen könnte, sich lüstern unter ihm auszubreiten, während er sich stundenlang mit nicht weniger zufrieden gab, als sie in dieser Lust zu genießen. Die Sünde der Wollust konnte er darin nicht erkennen, war er doch ein Mann Gottes und Erenya ein Geschenk des Herrn, zu ihm gesandt ob seines Wunsches. Sie war so frei von Sünde, wie es ein sterbliches Geschöpf nur sein konnte und sein Verlangen war ehrlich und nicht von körperlicher Gier, sondern von einer Zuneigung getrieben. Er wollte nicht ihren Körper, sondern ihre Seele, ihr innerstes Sein. Sein Blick suchte ihren und wieder brauchte es kein Wort, damit er verstand. Zuerst verbanden sich ihre Lippen, dann ihre Körper. Sie verschmolzen förmlich miteinander. Nie zuvor hatte sich Shirou so vollkommen, so vollständig gefühlt. Einige kostbare Augenblicke verharrte er, genoss dieses Gefühl, in dem er sich hätte verlieren können, lockte nicht eine Erfüllung, die tiefer ging. Ihr Name perlte von seinen Lippen, so leise, dass er ungehört verhallte, übertönt von seinem Keuchen und schließlich ihrem, als er sich langsam in ihr bewegte. Auf einem Arm stützte sich Shirou ab, doch die freie Hand schob er unter sie, die Schöne gegen sich pressend, als könnte er ihr so noch näher sein. Erste, noch zögerliche Stöße wichen bald einem schnellen Rhythmus. Shirou ahnte, dass sich seine Unerfahrenheit hier zeigen mochte, doch es änderte nichts, an dem verzehrenden Gefühl in seinem Innersten, das nach mehr verlangte. Mehr von ihr, mehr mit ihr, mehr von dem Rausch, der seinen Körper in Flammen zu setzen schien, dass er jeden Gedanken an die kommenden Tage und die Pflichten, die mit ihnen kämen, völlig vergaß. Allein das Geräusch ihrer Körper, die sich verbanden, sich trennten, um sich dann wieder anzunähern und erneut eins zu werden, durchbrach die Stille, begleitet von atemlosen Keuchen und lauter werdendem Stöhnen zweier Stimmen. Shirous Hand verkrallte sich im Laken ohne, dass er es überhaupt bemerkte, während sein Atem immer schneller wurde, ebenso wie seine Bewegungen. Vergessen war die Furcht, ihr weh zu tun, vergessen alle Unsicherheit, während seine Stöße unregelmäßig wurden bis ihn schließlich der Höhepunkt überrollte wie eine Flutwelle an Hochgefühl, das seinen gesamten Körper einnahm. Dass die Frau unter ihm, sein Hoffnungsschimmer in der Finsternis der Welt, nicht anders empfand, zweifelte er ob ihres unterdrückten Stöhnens nicht, dass noch immer abgehackt über ihre Lippen drang, während er unerbittlich weiter in sie stieß, damit auch sie ihren Höhepunkt erreichte und voll auskosten konnte. In gewisser Weise bereitete ihm das noch mehr Vergnügen als sein eigener Orgasmus. Zu sehen, wie sie sich seinen Berührungen entgegen hob, sich ihr Leib unter seinen Händen und Stößen wand, erfüllte ihn mit einer Zufriedenheit und einem Hochgefühl, das weit über ein körperliches Befinden hinaus ging. Seine eigene Lust entfachte es erneut, als sich ihr heißes Inneres enger um sein Glied schloss, wie um ihn anzuspornen, jetzt nicht innezuhalten, sondern fortzufahren, sie dem Orgasmus entgegen treibend. Eine Einladung, der Shirou nur zu gerne folgte. Mit einem Aufstöhnen, das schon fast japsend klang, erbebte ihre Gestalt schließlich unter ihm und er konnte spüren, wie die Lust sie ebenso überflutete wie ihn zuvor. Er hatte es nicht gewusst, doch jetzt kam es ihm so klar, so einfach, so logisch vor. Der Gral hatte den Wunsch erfüllt, den er in sich getragen hatte, nicht auf den Wortlaut bauend, sondern in sein Herz horchend. Der Gral hatte ihm die eine Frau gebracht, die ihn lehren würde, dass er nicht über den Menschen stand, gleich welch hohe Ziele er anstrebte und zugleich war sie die eine, die zu begehren er sich erlauben konnte. Sein Messias. Shirou hatte keinen Zweifel daran, dass sein ganzer Lebens- und Leidensweg ihn hierher zu ihr hatte führen müssen, direkt in ihre Arme, zu seiner Erlösung. Leise wisperte er ihren Namen, andächtig wie den einer Heiligen. Abrupt öffnete er die Augen. Sein Blick fiel auf die graue Decke des kleinen Schlafzimmers der Wohnung, die er derzeit bewohnte, getarnt als Pater Kotomine. Stille herrschte und er konnte weder in der kleinen Wohnung noch in der Kirche, an die sie grenzte jemanden wahrnehmen. Kein Master, kein Servant. Sie war nicht hier. Alles war nur ein Traum gewesen, wenngleich einer, der sichtbare Spuren hinterlassen hatte, wie er ohne Scham feststellte. Nichts, was eine Dusche nicht fort waschen könnte. Viel tiefer hingegen gingen die Spuren, die der Traum in seiner Seele hinterlassen hatte, in seinen Gedanken. War es das, was er wirklich begehrte? Eben im Traum hatte er keine Zweifel gekannt, hatte nach ihr verlangt und sich nach ihr verzehrt. Geblieben war nun ein Gefühl von Leere, eine Kälte, die er nicht leugnen konnte, so gerne er es getan hätte. War dies ein Zeichen Gottes, damit er endlich erkannte, was er tief in seinem Innersten längst wusste? Lautlos kletterte er aus dem Bett und steuerte die Dusche an, wo er den Traum noch einmal Revue passieren ließ. Träume und Gedanken dieser Art waren unüblich für ihn, gelinde ausgedrückt. Natürlich war er schönen und begehrenswerten Frauen begegnet, doch keine hatte solches Verlangen in ihm ausgelöst, solch eine Unruhe. Selbst als er schließlich, geduscht und angekleidet, den Altarraum betrat, hatten seine Gedanken sich nicht beruhigen können. Noch immer huschten Bilder des Traumes vor seinem inneren Auge hin und her, als wollten sie ihn daran erinnern, dass es Zeit würde, Eingeständnisse zu machen. Shirou hob den Blick zu dem großen Kreuz über dem Altar, suchte den lidlosen Blick des gekreuzigten Jesus daran und wandte an den Herrn sein stilles Gebet. “Mein Herr, mein Vater, dies ist mein Weg. Ich werde an ihrer Seite stehen und darin meine Erlösung finden.” Er hielt inne. Seine Erlösung finden? Nein. Die hatte er längst gefunden. Sie war hier, war zu ihm gekommen. Ein Lächeln legte sich auf Shirous Lippen, als er sich umdrehte, um den Gast in der Kirche zu begrüßen. “Erenya.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)