Symphony of Misery von Last_Tear ================================================================================ Kapitel 1: Raindrops -------------------- So viele Jahre sind vergangen und trotzdem bist du immer noch bei mir, wie du es versprochen hast. An meiner Seite, immer bereit mich auf zu fangen oder von dummen Dingen abzuhalten. Damals, an jenem schicksalhaften Tag an dem ich eigentlich nichts weiter tun wollte als sterben, war es allein deine Anwesenheit die mich zurück gehalten und gerettet hat. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen und mit einem leisen Seufzen schließe ich die Augen, während ich versuche das alles zurück zu drängen. Ich möchte jetzt nicht daran denken was war, oder hätte sein können. Es zählt nur das was echt ist und offenbar ist unsere Beziehung das. Sonst hättest du mich längst verlassen, unsere Streitigkeiten hätten uns auseinander gebracht anstatt noch näher zusammen. Ein leises Murren von deiner Seite des Bettes zieht meine Aufmerksamkeit auf sich und ich muss lächeln, bevor ich dir einen Kuss auf die Lippen drücke und mich dann zur Seite rolle, dass ich aufstehen kann. Eigentlich ist es viel zu früh um wach zu sein, die Sonne ist vor nicht mal einer halben Stunde erst aufgegangen und doch ist es mir unmöglich weiter zu schlafen, weswegen ich aufstehe und leise unser Schlafzimmer verlasse. Nach einem kurzen Zwischenstopp in der Küche bei dem ich mir einen Kaffee gemacht habe, lasse ich mich mit diesem auf dem kleinen Balkon nieder und kann nur erneut seufzen. Dieses Mal allerdings ist es ein entspannter Laut und ich strecke meine Beine aus, dass ich die nackten Füße gegen das noch kühle, eiserne Balkongeländer pressen kann. Es ist wunderschön hier und ich bin irgendwie doch ganz froh, dass du mich dazu überredet hast, die Wohnung zu behalten. Sie ist vielleicht nicht perfekt, die Nachbarn tuscheln immer hinter vorgehaltener Hand miteinander wenn sie uns zusammen sehen, die nächste Bahnstation ist wahnsinnig weit entfernt, was sowohl im Sommer als auch im Winter eine Qual ist, aber es ist unsere Wohnung. Auch wenn ich sie am Anfang gehasst habe und gerade so viel Zeit wie nötig hier verbracht, sprich geschlafen habe - durch dich ist es zu einem Ort geworden, an den ich liebend gerne zurück kehre, den ich zuhause nennen kann und der sich auch danach anfühlt. Aber ich bin immer noch unsicher, ob es nicht einfach an dir liegt. Immerhin, mein Herz hat Ruhe bei dir gefunden und ich bin mir sicher, dass es dir genau so geht. Trotz unseren vielen Streitereien, Meinungsverschiedenheiten und wie man es noch so nennen will. Keiner hätte am Anfang gedacht, dass es funktionieren könnte auf Dauer. Nicht mal ich selbst, immerhin man findet einen Mann wie dich nur ein Mal in seinem Leben und dann muss man selbst entscheiden was man mit ihm anfängt. Während ich einen Schluck von meinem Kaffee nehme, muss ich schmunzeln - kaum zu glauben dass ich das alles fast verpasst hätte. Fast. Heißt es nicht, Engel kommen zu einem wenn man es am Wenigsten erwartet? Der Asphalt glänzte verführerisch, von den Wassermassen welche aus dem Himmel kamen längst überflutet, dass es wirkte, als starre man auf einen zugefrorenen See. Ein paar Lichter wurden in diesem Wasser reflektiert, ließen es glitzern und in verschiedenen Farben scheinen. Es lud direkt dazu ein, sich zu ertränken, wirkte es doch wie ein Portal in eine andere Welt, eine voller Wunder und ohne Schmerzen in der es nichts gab, vor dem man sich fürchten musste und in der man ewig leben konnte. Eine perfekte Welt, ohne Fehler, Makel oder Hass. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, all das bereits in dieser Welt zu finden, nur leider vergeblich. Ich hatte alles getan, alles versucht um die Menschen zu beschützen, welche ich so geliebt hatte und dabei vollkommen vergessen, mich selbst zu schützen. Für mein Alter trug ich bereits zu viele Narben mit mir herum, körperlich und seelisch und der Tod meines Vaters hatte mir den Rest gegeben. Wir waren uns sehr nahe gestanden, er hatte mir eigentlich alles beigebracht was ich hatte wissen müssen und von jetzt auf gleich war er mir genommen worden. Vollkommen unerwartet - er hatte einfach tot in seinem Bett gelegen, offenbar war es sein Herz gewesen, welches ihn zuerst aufgegeben gehabt hatte. Danach hatte ich zumindest noch meinen Freund gehabt, meinen Partner, den Mann mit dem ich für den Rest meines Lebens hatte zusammen leben wollen. Aber auch dieser war mir genommen worden - offiziell durch Selbstmord, inoffiziell wusste ich es so viel besser. Sein Bruder hatte unsere Beziehung nie gut geheißen, ich war ihm immer ein Dorn im Auge gewesen und nachdem er an mich nicht heran gekommen war, hatte er den einfachsten Weg gewählt gehabt. Hätte ich Beweise gehabt, hätte ich ihn zumindest zur Rechenschaft ziehen können…Meine Mutter war bereits kurz nach meiner Geburt verstorben und so war mit mit meinem Lebensgefährten auch noch der letzte Halt genommen worden. Deswegen war ich auch seit heute Morgen unterwegs - ich hatte ihnen allen Blumen gebracht und mich verabschiedet, dafür gebetet, dass wir uns im Himmel wieder sehen können, welcher weinte, seit ich aufgestanden war. Allerdings hatte ich nicht gedacht, dass es einen Unterschied machen würde, ob ich selbst vollkommen durchnässt wäre oder nicht als ich mich auf den Boden hatte sinken lassen - ich war erschaudert, unbewusst und hatte schließlich nur noch lachen können. Über die Gesellschaft, meine Situation oder einfach die Welt an sich vermochte ich in diesem Moment längst nicht mehr zu sagen und als meine Tränen begannen, sich mit dem Regen zu vermischen wurde mir bewusst, dass es vorbei war. Das hier war das Ende und danach würde ein neuer Anfang folgen. Erfrieren war keine so schreckliche Todesart wie immer behauptet wurde, angeblich schlief man friedlich dabei ein und genau das war mein Ziel. Einzuschlafen und nie wieder aufzuwachen. Diese Welt zu verlassen welche mir so viel Unglück bereitet hatte. Das war auch der Grund, wieso ich eine schmutzige Seitengasse gewählt hatte - hier würde mich niemand finden und wenn doch, würde es vermutlich längst zu spät sein. Niemand der sich darum kümmerte, ob noch ein Penner verstarb oder nicht. Auch wenn meine Klamotten dafür wohl zu gepflegt waren, zu ordentlich, die Jeans das einzige Kleidungsteil war, welches Löcher aufwies. Irgendwann begann das Geräusch des Regens etwas beruhigendes anzunehmen, sich zu entwickeln und eine Melodie zu formen, welche ich leise mit zu summen begann. Die Melodie meines Todes. Unterbrochen wurde diese erst Stunden später als ich mir längst sicher war, den Weg in den Himmel hinter meinen geschlossenen Augen sehen zu können. Es wirkte alles so wahnsinnig friedlich, dass ich sicherlich zusammen gezuckt war, als ein lautes „Hey!“ ertönte. „Hey, lebst du noch?“ Ungewillt die Augen zu öffnen, versuchte ich die Stimme zu ignorieren, was mir bei der sanften Berührung an meiner Wange schon schwerer fiel. Die unsichtbare Stimme schien einen Körper zu besitzen. Einen warmen Körper…Ich war erschaudert, diese kurze Berührung hatte gereicht um mir zu zeigen, dass ich noch nicht tot war und schließlich hatte ich die Augen geöffnet um ihm zu sagen, dass er verschwinden sollte, weil er mich zu sehr irritierte und davon abhielt, friedlich zu gehen. Hätte ich geahnt, wie nahe der Andere war, hätte ich es mir wohl zwei Mal überlegt. So aber traf sich unser Blick direkt, seine braunen Augen starrten in meine und schienen mich direkt anzulächeln, noch bevor er es selbst tat. „Hallo, Schönheit.“ Erst nach und nach waren mir Details bewusst geworden - dass seine Haare leicht gelockt waren und vor Nässe trieften, dass er eine dunkle Lederjacke trug und etwas in seinem Blick lag, das mich davon abhielt, weg zu sehen. Allerdings waren mir die Augen wieder zugefallen bevor ich noch mehr hatte erkennen können und im nächsten Moment war ich hochgehoben worden - ein leiser Protestlaut war mir noch über die Lippen gekommen, dann hatte mein Körper nach gegeben und ich war in eine wunderschöne Schwärze versunken, das Letzte, was ich bewusst wahr genommen gehabt hatte, war der schwache Geruch nach Leder und etwas dass ich nicht zuordnen konnte, aber sicherlich Aftershave sein musste. Das oder Duschgel. Leise Schritte lassen mich langsam aufsehen und den Blick vom Horizont nehmen aber noch bevor ich mich umdrehen kann, hast du die Arme um mich gelegt und mir einen Kuss in den Nacken gedrückt, dich neben mich sinken lassen und dir meine Kaffeetasse gegriffen, welche vergessen neben mir steht. „Na, Prinzessin? Konntest du wieder nicht schlafen?“ Wie gut, dass du keine Antwort erwartest und ich den Kopf auf deine Schulter sinken lassen kann, alles was passiert ist dass du mich enger an dich ziehst, während du den mittlerweile kalten Kaffee trinkst, den ich übrig gelassen hatte. „Taiji?“ „Mhm?“ Ich muss lächeln als du zu mir siehst und unsere Blicke sich treffen - eins hat sich seit unserer ersten Begegnung nicht geändert - dein Blick. Als wäre ich das Schönste was du je gesehen hast und ich kann gar nicht anders als dich zu küssen - es ist einfach perfekt. Du bist perfekt. „Ich liebe dich.“ Schmunzelnd erwiderst du den Kuss und streichst mir nebenbei sanft über die Wange, dass ich gar nicht anders kann, als leise zu seufzen. Deine Berührungen sind so schön, so beruhigend, genau das was ich brauche. „Was hältst du von Frühstück?“ Jetzt murre ich leise auf und küsse dich lieber erneut - nein. Das ist eine blöde Idee. Eine sehr blöde Idee. Dafür müsste ich mich ja bewegen! Und ich sitze doch gerade so gut, davon ab willst du das doch nur nutzen um mich zu überreden, etwas zu mir zu nehmen, aber ich will nicht. Ich kann nicht. Alles in mir sträubt sich dagegen, davon abgesehen ist es doch noch viel zu früh dafür. Der Kuss hält nicht lange, aber zumindest hat es gereicht, dass du die gleiche, absurde Frage nicht erneut stellst und mit einem zufriedenen Lächeln schließe ich langsam die Augen und beginne erneut abzudriften in meine Gedankenwelt. Wir müssen nicht reden um zusammen glücklich zu sein. Es reicht, dass wir uns bewusst sind und der Anwesenheit des Anderen. Als du beginnst mit meinen Haaren zu spielen, muss ich schließlich lächeln und wieder an das denken, was Heath damals gesagt hatte, als du mich deinen Freunden vorgestellt hast. Die Schöne und das Biest. Er hatte keine Ahnung, dass ich Beides sein konnte, aber er war der Erste mit dem ich mich gut verstand, der Erste nach dir, bei dem ich mich traute, mit zu fahren - Motorräder sind mir immer noch etwas suspekt wie ich zugeben muss, aber irgendwann werde ich mich schon daran gewöhnen. Hoffe ich. „Wenn wir Beide schon wach sind und du nichts essen willst, was hältst du davon, wenn wir an den Strand fahren?“ Statt einer Antwort küsse ich dich erneut, was dich zum Lachen bringt - ob du überhaupt eine Ahnung hast, wie sehr ich dich liebe? Wenig später sind wir beide umgezogen und ich klammere mich an dir fest, als du den Motor deines geliebten Zweirads startest und wir der aufgehenden Sonne entgegen fahren. Ich werde es nie in Worte fassen können, wie dankbar ich dafür bin, dass du mich gerettet hast, Taiji. Egal wie oft wir uns noch streiten werden. Ohne dich würde alles keine Bedeutung mehr haben und ich bin wahnsinnig froh, dass du mich niemals aufgeben wirst. Wer soll mich denn sonst ertragen können? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)