Auf geheimer Mission von UrrSharrador (Klassenfahrt nach New York) ================================================================================ Kapitel 2: Der Geist der Toilette --------------------------------- Bevor Nekomaru sich auf die Suche nach dem Hamster machen konnte, galt es zuerst, sich auf die Suche nach zwei anderen Dingen zu machen. Zum einen wollte er Akane darüber in Kenntnis setzen, was sie vorhatten. Zum anderen suchte er eine Toilette. Die im Zimmer war bei so vielen Leuten, die mitgespielt hatten, ständig besetzt gewesen, und letzten Endes hatte sie irgendwer – vermutlich Hiyoko, nur so aus Spaß – mit Toilettenpapier verstopft und unbrauchbar gemacht. Während Nekomaru also abwägte, welche von beiden Sachen dringender war, kam er bei Akanes und Pekos Zimmertür vorbei und entschied, zuerst seiner Erzrivalin und Trainingspartnerin Bescheid zu sagen. Da er es nicht so mit Anklopfen hatte, stieß er einfach die Tür auf. „Akane!“ Im Zimmer fand er den Gymnastikchamp nicht vor, dafür aber eine reichlich seltsam anmutende Szene. Auf dem Boden zwischen den zwei Betten lag auf einer Schilfmatte Peko Pekoyama, mit Blick auf die Balkontür, alle Viere von sich gestreckt, ihr Bambusschwert in der einen Hand und den Schwertsack in der anderen. Sie rührte sich nicht, aber ein leises Stöhnen entrang sich ihren Lippen. „Peko! Was ist passiert?“, rief Nekomaru und hechtete zu ihr. „Kann nicht …“, murmelte sie wie benebelt. „Was ist los? Was kannst du nicht?“ „Kann … mich … nicht … bewegen“, brachte sie durch zusammengebissene Zähne hervor. „Zu … hart … trainiert … Alle … Muskeln … entweder erledigt oder … verkrampft.“ „Peko, ich bin stolz auf dich!“, lobte Nekomaru sie inbrünstig. „Wer hoch hinaus will, muss hart trainieren! Aber es ist trotzdem auch wichtig, sich zu schonen.“ „Kann … mich nicht … bewegen“, presste sie erneut hervor. „Nur keine Panik! Du bist genau an den Richtigen geraten! Ich zeige dir die Spezial-Massagetechnik von Nekomaru Nidai!“ Er rieb seine Fingerspitzen aneinander, um sie aufzuwärmen. Zwei Minuten später war Peko wieder auf den Beinen und topfit, Nekomaru hatte ihre Toilette benutzen dürfen, und die beiden machten sich auf die Suche nach Akane, um sich auf die Suche nach Gundhams Hamster machen zu können.   „Ich halte das für keine gute Idee“, sagte Hajime. „Halte den Mund, Unglückseliger“, knurrte Gundham. Die beiden lugten um die Ecke in den zweiten Flügel des Hotels. Die Familie, die sie unten in der Lobby gesehen hatten, kam eben vom Abendessen und schloss die Tür auf. Gundham hatte sich erinnert, dass sie ihn in beim Einchecken so komisch angestarrt hatten. Er meinte, sie könnten für Cham-Ps Verschwinden verantwortlich sein. „Das kleine Mädchen muss ein Gnom sein, der sich als Mensch getarnt hat“, war er überzeugt. „Ich spüre seine Boshaftigkeit bis hierher.“ „Selbst ich glaube langsam, dass wir einen Riesenärger kriegen, wenn Usami-sensei dahinterkommt, dass wir den anderen Gästen nachspionieren“, meinte Hajime unglücklich. „Wem sagst du das“, brummte Fuyuhiko, der hinter ihnen wartete und sich nicht dazu herabließ, wie in einem schlechten Film um die Ecke zu spähen. „Schlimm genug, dass Mahiru euer Vorhaben mit angehört hat. Die verpetzt uns garantiert.“ „Seid unbesorgt“, sagte Gundham mit einem heiseren, listigen Kichern. „Ich habe mir eine Möglichkeit überlegt, ihre verräterische Aura zu bannen. Sie wird den Fängen der Dunklen Königin nicht entkommen.“   „Was soll ich hier? Ich dachte, wir helfen diesen Kindsköpfen beim Suchen?“, fragte Mahiru, während Sonia sie auf eine Tür am Ende des Flurs zuschob. „So ist es. Und ich muss darauf bestehen, dass du da drin suchst.“ Die Prinzessin schob einen Schlüssel ins Schloss. „Wieso?“ Sonia zog die Tür auf und beförderte Mahiru in die Besenkammer. „Verzeih mir, Mahiru, aber es ist am besten so.“ „Was soll das – hey!“ Aber Sonia hatte schon die Tür zugeschlagen und mit dem Schlüssel, den Gundhams andere Hamster vom Haken hinter dem Empfangstresen stibitzt hatten, abgesperrt.   „Die Zeit ist reif“, verkündete Gundham, als die Familie in ihr Zimmer ging. Er ließ Maga-G zu Boden, der durch den Flur huschte und einen dünnen Nagel in den Türrahmen legte, gerade als das Mädchen die Tür zuzog. Die drei Hope’s-Peak-Schüler schlichen dem Hamster hinterher, warteten, bis die Geräusche im Vorraum verstummt waren, und zogen dann die Tür auf, die sich nicht richtig geschlossen hatte. Maga-G bekam einen Sonnenblumenkern und versteckte sich wieder in Gundhams Kleidung. „Scheiße, ich kann immer noch nicht glauben, was ich hier mit euch mache“, brummte Fuyuhiko. „Ich fühl mich wie im falschen Film.“ „Schweig, Gnom“, befahl Gundham. „Wenn du mich noch einmal Gnom nennst, reiß ich dir deine verdammte …“ Hajime musste seinem Freund die Hand auf den Mund pressen, ehe dieser wirklich laut werden konnte. Sie standen in einem kleinen Vorraum, von dem mehrere Türen abzweigten – das Zimmer der Familie war ein wenig größer als jene, die die Schulklasse erhalten hatte. „Liebling, hast du auch die Tür zugesperrt?“, drang aus dem mittleren Raum die Stimme der Mutter. Sie redete englisch, aber die Freunde verstanden sie gut. „Ja-ha“, hörte man das kleine Mädchen. „Sieh lieber nochmal nach.“ Die Kleine stöhnte genervt, und die drei Eindringlinge zuckten zusammen. Hajime war es, der den Geistesblitz hatte – er bugsierte die anderen beiden zu der Tür auf der rechten Seite. Ein blitzweißes Badezimmer offenbarte sich dahinter. Sie schlossen die Tür und atmeten tief durch. Von draußen hörten sie, wie der Schlüssel zur Wohnung herumgedreht wurde. Sie hatten es geschafft und waren dem Entdecktwerden noch einmal entkommen. „Papa, hat der Mann von der Rezeption das Klo schon repariert?“ Oder doch nicht. „Ja, mein Schatz. Die haben gesagt, dass die Spülung wieder funktionieren sollte, wenn wir heimkommen.“ „Okay!“ Die drei suchten gleichzeitig einen Fluchtweg aus ihrem aufkeimenden Dilemma. Wer fragte schon nach der Klospülung, wenn er nicht vorhatte, sie in den nächsten Momenten zu benutzen? Sie rannten sich gegenseitig fast über den Haufen auf der Suche nach einem Ausweg. Die Dusche hatte einen milchigen Sichtschutz, aber ob jemand drin stand, würde man trotzdem sehen. Fuyuhiko streckte schon die Hand nach dem Schlüssel aus, aber Hajime zerrte ihn weg. „Bist du verrückt?“, zischte er. „Wenn die Tür nicht aufgeht, obwohl offensichtlich niemand drin ist, holen sie den Hausmeister!“ „So gewinnen wir immerhin Zeit“, zischte der Yakuza zurück. „Rasch“, sagte Gundham und zerrte ein großes Handtuch – nein, ein Badetuch, weiß und plüschig – aus dem Schrank. Die Schritte des Mädchens erreichten die Tür. Es blieb keine Zeit mehr, sich etwas anderes zu überlegen. Als die Türklinke sich neigte, kauerten sich Hajime und Fuyuhiko links und rechts neben die Kloschüssel; auf dem heruntergeklappten Klodeckel hockte Gundham und zog das Badetuch über sie drei, das gerade groß genug war, um von vorne einen dichten, weißen Schleier zu bilden. Das Tuch war außerdem dünn genug, dass man hindurchsehen konnte. Die Tür ging auf, das Mädchen trat ein und starrte den großen, weißen Höcker an, der wie eine Beule anstelle der Toilette prangte. Die Kleine machte große Augen, aber anstatt zu schreien, schloss sie die Tür hinter sich. „Bist du ein Geist?“, fragte sie interessiert, so als wäre es gar nichts allzu Ungewöhnliches, Gespenster in fremden Häusern anzutreffen. „Du wagst es, mich einen Geist zu nennen?“, schnarrte Gundham, ehe sich Hajime etwas Besseres einfallen lassen konnte. „Ich bin der Höchste Oberherr des Eises, Gebieter über die Dunkelheit, Meister der Devas der Vernichtung und Erhabener Herrscher der Unterwelt!“ Immerhin waren seine Englischkenntnisse hervorragend. „Ist das viel anders als ein Geist?“, fragte die Kleine unschuldig. „Du zwergwüchsiger Dämon …“ Fuyuhiko hieb Gundham kräftig in die Rippen, sodass er aufächzte. Die ganze Konstruktion ihres Geisterkörpers geriet für einen Moment ins Wanken. Es musste einigermaßen seltsam ausgesehen haben. Das Mädchen legte fragend den Kopf schief. „Was machst du hier?“ „Ich wohne hier“, behauptete Hajime. „Ich bin der Geist der Toilette. Weil die Spülung nicht richtig funktioniert hat, habe ich überlegt, ob ich, äh, ausziehen soll. Aber jetzt geht sie wieder und ich bin zurückgekommen.“ Er warf seine Arme in die Höhe und setzte ein „Buhuu“ dazu – was keine sehr schlaue Idee war, da er ja nur ein Drittel des scheinbaren Geistes ausmachte und die Geste daher recht einseitig wirkte. „Aha“, sagte die Kleine. „Kannst du nicht auch woanders wohnen? Ich muss mal.“ „Wir … Ich meine, ich gehe, sobald ich meinen Freund gefunden habe.“ Hajime fand, er könnte Kindergärtner werden – seiner Meinung nach hatte er es total drauf, mit dem Mädchen zu reden. „Was denn für ein Freund? Noch ein Geist?“ „Nein, ein Hamster.“ „Ah! Wie niedlich!“ Das Mädchen klatschte begeistert in die Hände. „Wo ist er denn?“ „Das weiß ich nicht“, gestand Hajime. „Deshalb bin ich ja hier. Um ihn zu suchen.“ „Ich dachte, du bist hier, weil du hier wohnst?“ „Ja, das auch, aber im Moment suche ich ihn und dann kann ich ausziehen“, beeilte er sich zu sagen. Fuyuhiko konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. Gundham schaltete sich ein. „Wenn du weißt, wo sich mein Deva aufhält, sag es, und du wirst verschont.“ Das Mädchen legte den Kopf auf die andere Seite. Sie sah aus wie ein kleiner Vogel, der eine Brotkrume auf der Straße abschätzig mustert. „Wieso klingt deine Stimme plötzlich anders?“ „Das ist, weil ich … gerade im Stimmbruch bin“, behauptete Hajime. „Was ist ein Stimmbruch?“ Scheiße!, fuhr es ihm durch den Kopf. „Bist du jetzt endlich fertig mit Herumblödeln?“, kam es genervt von Fuyuhiko, der nicht mehr an sich halten konnte „He, Kleine. Wir suchen einen Nager, hast du einen gesehen?“ Das Mädchen stand nur mit offenem Mund da und versuchte wahrscheinlich zu begreifen, warum nun eine dritte Stimme aufgetaucht war. „Schatz, mit wem redest du da?“, hörte man nun zu allem Überfluss die Mutter, die in den Vorraum getreten war – wohl um nachzusehen, ob die Eingangstür tatsächlich richtig abgesperrt war. „Ich unterhalte mich nur mit dem Geist der Toilette“, sagte sie. „Er sucht seinen Freund, einen Hamster.“ Einen Moment fürchtete Hajime schon, jetzt würde auch noch die Mutter hereinplatzen – aber sie schien die fantasievollen Eskapaden ihrer Tochter gewohnt zu sein. „Ach so. Beeil dich, wir wollen schlafen gehen.“ „Jaha!“ Sie wandte sich wieder an die drei, als hätte das vorige Gespräch nicht stattgefunden. „Kannst du da weggehen? Ich muss wirklich aufs Klo.“ „Sie erinnert mich gerade an Nekomaru“, flüsterte Fuyuhiko. „Seid still, beide, ich regle das“, zischte Hajime ihnen zu. „Ähm, ja, kein Problem! Sag uns nur schnell, ob du einen Hamster gesehen hast, irgendwo hier im Hotel.“ „Hab ich!“, verkündete die Kleine strahlend. „Wo?“ Gundham sprang auf, sodass das Badetuch wehte und Hajime fühlte, wie seine und Fuyuhikos Beine kurz sichtbar wurden, ehe der Yakuza ihn wieder zu Boden ziehen konnte. „Ganz unten, wo man in das Hotel reingeht. Bei der Sitzecke, in der Schachtel mit den Bilderbüchern“, erklärte sie. „Danke“, seufzte Hajime. „Dann werden wir, ich meine, ich werde jetzt von hier ausziehen. Aber ich bin ein Geist, darum muss ich dabei zaubern.“ Die Augen des Mädchens begannen zu leuchten. „Und während dem Zaubern darf mir kein Mensch zuschauen.“ Die Augen des Mädchens wurden traurig. „Dreh dich bitte um und mach die Augen zu. Und zähl bis zehn – nein, besser bis hundert. Am besten, du stellst dich dafür in die Dusche. Dann kann ich verschwinden.“ „Bis hundert kann ich es aber nicht mehr halten“, klagte die Kleine. „Willst du heute noch auf die Toilette oder nicht?“, blaffte Fuyuhiko sie an. Das Mädchen schluckte, unterdrückte tapfer die Tränen des Schocks, plötzlich so angeschrien zu werden, und trat folgsam in die Dusche. Sie verdeckte die Augen mit den Händen. „Eins, zwei, drei …“ Als sie sicher waren, dass sie nicht hersah, wabbelte der dreiköpfige Geist unter dem Badetuch zur Tür. „Deine erstickende Aura hat das Mädchen zum Weinen gebracht“, stellte Gundham fest, als sie sahen, dass ihr nun doch Tränen über die Wangen kullerten, während sie brav weiterzählte. „Halt die Klappe! Vergiss nicht, für wen wir das hier alles tun! Außerdem hast du sie noch vor zehn Minuten einen Gnom genannt!“ „Ich habe mich geirrt. Sie mag von einem Irrlicht besessen sein, aber ein böser Gnom ist sie nicht.“ „Verschieben wir das auf später“, sagte Hajime. „Seid leise.“ Der Geist entschwand durch die Badezimmertür, vergewisserte sich kurz, dass die Eltern des Mädchens nicht in der Nähe waren, schloss die Tür wieder auf und schlüpfte auf den Gang. Dort erschreckte er noch eine alte Frau fast zu Tode, die eben in ihr Zimmer gehen wollte und augenblicklich anfing, an Geister zu glauben, und später am Abend, als die Mutter des Mädchens routinemäßig ein zweites Mal die Tür kontrollierte, fand sie sie mit einem Mal unverschlossen vor und überlegte, ob sie nicht auch an Geister glauben sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)