Like Stardust von Maya (College!AU) ================================================================================ Kapitel 3: Reunion ------------------ Hallo ^^ Ja, es hat länger gedauert als versprochen. That's life. Aber hier ist endlich das letzte Kapitel! Like Stardust Kapitel 03 – Reunion Teil: 3/3 Warning: College!AU, Boys Love (?) Rating: P16 Personen: Jeongguk, Namjoon, Taehyung, Seokjin, Yoongi und Hoseok (BTS), Jimin (BTS, mentioned), Yugyeom (GOT7, cameo), Seongja & Ahri (OC, cameo), Youngjun (HIGH4, cameo), Yein (Lovelyz, cameo) Pairings: Jeongguk x Taehyung (?) Disclaimer: Keiner der hier erwähnten Musiker gehört mir und ich verdiene kein Geld hiermit Viel Spaß beim Lesen! Maya „Du kannst schlafen, mit wem du willst, aber nicht in diesem Zimmer!“, machte Jeongguk klar und ließ sich von Taehyungs Sticheleien nicht beeindrucken, „Das ist hier ab heute eine Sex-freie Zone!“ Er unterstrich die Aussage mit einer energischen Handbewegung. Als Jeongguk nach dem Abendessen in ihr gemeinsames Zimmer zurückgekehrt war und dem Rothaarigen gesagt hatte, dass sie dringend miteinander sprechen mussten, war er noch davon überzeugt gewesen, ruhig seinen Standpunkt darlegen zu können. Doch wurde er kurz darauf eines Besseren belehrt und erneut kämpfte er mit diesem lästigen Pochen in seiner Schläfe. Er hatte noch nie zuvor Probleme mit Migräne gehabt, doch seit er sich mit Taehyung das Zimmer teilte, fühlte er sich ständig so, als wolle ihm jemand den Schädel spalten. Man sollte dem jungen Mann ein Etikett auf die Stirn tackern, mit dem Warnhinweis, dass es bei längerer Ausgesetztheit zu gesundheitlichen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Reizbarkeit und Schlafstörungen kommen konnte. Er wusste nicht, was es war, aber irgendetwas an Taehyung reizte ihn, dass es ihm schwer fiel, seine Fassung zu bewahren. Während er anderen gegenüber meist gelassen bleiben und eine emotionale Distanz schaffen konnte, gelang es Taehyung mit seiner bloßen Anwesenheit, ihn aus der Reserve zu locken und all seine hässlichen Seiten zum Vorschein zu bringen... „Oh, Kookie, das war einmal“, gurrte Taehyung und spielte den Vorfall weiter herunter. Er saß auf seinem Bett und sah aus großen, unschuldigen Augen zu ihm auf. Jeongguk war nicht gerade ein Sherlock Holmes, wenn es darum ging, andere Leute zu durchschauen, doch selbst ihm entging das amüsierte Funkeln nicht. „Es kommt nicht wieder vor, großes Ehrenwort!“ Der Kunst-Student rollte mit den Augen. „Das hast du auch zu den unangemeldeten Besuchen von Jimin gesagt. Und zu dem Geschirr im Zimmer, meinen Klamotten, die du dir ständig leihst, dem Taekout im Kühlschrank-“ „Das hab ich doch weggeworfen?“ „Nein, hast du nicht. Und mittlerweile ist es grün und pelzig – Essen sollte nicht grün und pelzig sein.“ Taehyung schenkte ihm sein boxähnliches Grinsen. „Ich werf es morgen Früh weg, versprochen.“ „Ernsthaft, Hyung, ich glaub es lebt. Immer wenn ich die Tür aufmache, starrt es mich an.“ Der Rothaarige brach in schallendes Gelächter aus und warf sich rücklings auf die Matratze. In dem Moment wurde Jeongguk klar, dass er diese Diskussion verloren hatte. Mit einem tiefen Seufzen, setzte er sich auf die Bettkante und sah dem Älteren dabei zu, wie er sich lachend den Bauch hielt und mit den Beinen strampelte. „Mensch, Kookie!“, japste Taehyung und rollte sich kichernd und glucksend auf die Seite, um den Jüngeren anzusehen, „Das ist irgendein verdorbenes Lebensmittel und nicht das Ding aus dem Sumpf!“ „Sieht aber so aus“, knurrte er. „Okay, okay, ich werf es weg.“ Und tatsächlich stand der Rothaarige mit einem breiten Grinsen auf und verschwand aus dem Zimmer. Jeongguk hörte, wie er auf seinem Weg in die Küche gutgelaunt andere Studenten grüßte und einige Worte mit ihnen wechselte. Vom ersten Tag an, hatte Taehyung sich mit den anderen Bewohnern ihrer Etage auf Anhieb verstanden. Er war dieser Typ Mensch, der einfach aus dem Nichts auftauchte und sich sofort mit allen anfreundete, scherzte und lachte und bei allen beliebt machte. Selbst Jeongguk fiel es schwer – auch jetzt, genervt und mit Kopfschmerzen –, ihm wirklich böse zu sein. - In den darauffolgenden Tagen gab Taehyung sich erstaunlicherweise große Mühe, Jeongguk nicht unnötig zu verärgern. Er räumte sein Geschirr in die Spülmaschine, setzte zum Musikhören die Kopfhörer auf und wenn er sich mit Jimin unterhalten wollte, dann traf er sich mit ihm außerhalb des Zimmers, sodass Jeongguk ungestört arbeiten konnte. Natürlich konnte Taehyung sich nicht von jetzt auf gleich komplett ändern und so kam es auch weiterhin vor, dass der Rothaarige ihn zutextete, wann immer er konnte, sich seine Oberteile lieh, nachts kochte und backte und geistesabwesend durchs Zimmer lief. Aber jetzt, da Taehyung versuchte Ordnung zu halten und seinen Mitbewohner nicht unnötig zu stören, brachten ihn diese Dinge weit weniger auf die Palme als zuvor und er erwischte sich dabei, wie er begann die Gesellschaft des anderen von mal zu mal mehr zu genießen. Jeongguk konnte es sich nicht erklären. Doch Taehyungs Erzählungen vom Universum, seine unnützen Fakten und sein ulkiges Lachen waren zu einer Art kontinuierlichem Hintergrundgeräusch geworden, wenn er in ihrem Zimmer an der Leinwand stand oder auf seinem Bett saß und wahllos in seinem Skizzenbuch kritzelte. Taehyung lachte über spontane Aktionen wie das eine Mal, als er ein Straßenschild geklaut hatte oder philosophierte darüber, wofür man eigentlich den kleinen Zeh brauchte, da der doch ziemlich sinnlos sei. Er war außerdem der festen Überzeugung, dass es Leben im All gab – und nach einem dreißigminütigen Vortrag über das Alter des Universums, die Anzahl ihrer Galaxien und Sterne und potentiellen Planeten in einer möglichen habitablen Zone, war Jeongguk der Auffassung, dass es seinem Wohlergehen abträglich wäre, einer anderen Meinung zu sein. Auch hatte Jeongguk sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Taehyung im Bett lag, wenn er aus seinen Vormittags-Lesungen kam und mitten in der Nacht aufstand. Aber nur, weil er sich daran gewöhnt hatte, hieß das nicht, dass er weniger genervt davon war, wenn er von dem Älteren geweckt wurde. Es war eine Mittwochnacht, als Taehyung ihn jedoch nicht unabsichtlich durch sein Aufstehen weckte, sondern ihn an der Schulter packte und wach rüttelte. Verwirrt schlug Jeongguk die Augen auf und das erste was er sah, war das strahlende Lächeln des Älteren, der ganz aufgeregt schien. „Kookie!“, rief er, „Kookie, steh auf und zieh dich an!“ Irritiert warf der Kunst-Student einen Blick auf seine Uhr und blinzelte einige Male, um seine Sicht zu klären. Nachdem die verschwommenen Umrisse endlich Schärfe angenommen hatten, riss er die Augen auf. „Hyung! Es ist kurz nach drei!“ Frustriert drehte er sich zur Wand und zog sich die Decke über den Kopf, entschlossen, seinen Mitbewohner zu ignorieren und weiterzuschlafen. Doch Taehyung ließ sich davon nicht beeindrucken. Er gluckste fröhlich, zog an Jeongguks Decke und versuchte seinen brummigen Zimmergenossen zum Aufstehen zu bewegen. Der Kunst-Student jedoch hatte andere Pläne und klammerte sich an den Stoff, um ihn dort zu behalten, wo er hingehörte. Verdammt, er brauchte seinen Schlaf! Bockig rollte er sich ein und brachte den anderen damit nur noch mehr zum lachen. „Steh auf! Ich muss dir was zeigen!“ „Kann das nicht bis morgen warten?“ „Nein!“ Und mit einem Ruck, landete Jeongguk auf dem Boden zu seinen Füßen. „Hyung!“, begann der Jüngere, doch wieder einmal kam er nicht dazu, seinem Unmut Luft zu machen. Als er nach oben sah und Taehyungs euphorisches Gesicht sah, bekam er keinen Ton raus. Selbst im Halbdunkel ihres Zimmers, schienen die Augen des anderen zu glühen, seine Wangen waren gerötet und sein Atem ging schneller als gewöhnlich. Jetzt, wo er ihn genauer betrachtete, konnte er sehen, dass Taehyung wohl gerade von draußen kam und er spürte die frische Nachtluft, die den Astronomie-Studenten umgab und auf ihn niederfiel wie sanfter Sommerregen. Sein Atem stockte, als Taehyung ihm mit seinen langen Fingern durch die Haare fuhr und sagte: „Zieh dich an, ich verspreche, es wird dir gefallen.“ Seine Stimme war ruhiger als zuvor, doch die Aufregung ließ sie vibrieren und jagte Jeongguk einen Schauer über den Rücken. Und so zog er sich an und ließ sich von Taehyung an der Hand aus dem Wohnheim und über den Campus führen. Er erkannte schnell, wohin die Reise gehen sollte – das Gebäude, welches das naturwissenschaftliche Institut der Universität beherbergte, lag direkt vor ihnen und Taehyung hielt gerade darauf zu. Jeongguk wusste, dass die obere Etage den Physik-Fachkräften und -Studenten zur Verfügung standen, während im Erdgeschoss die Biologen ihre Kursräume und eine kleine Grünanlage hatten. Genau diese durchquerten die beiden und als Jeongguk den hellen Schein sah, der die Pflanzen zum leuchten brachte, sah er gen Himmel und erkannte, dass Vollmond war. Hier, mitten in der Großstadt, konnte man die Sterne nicht sehen, aber es war eine wolkenlose Nacht und der Mond zeigte sich in seiner ganzen Pracht. Als Taehyung seine Finger mit seinen verhakte, riss er sich von dem Anblick los. „Nicht träumen, Kookie“, schmunzelte der Ältere und rieb ihre Nasen aneinander. Jeongguk war so verdutzt, dass er an Ort und Stelle verharrte. Doch blieb ihm keine Zeit, seine Gedanken zu ordnen und versuchen zu begreifen, was hier gerade vorging, denn Taehyung drehte sich schwungvoll um seine eigene Achse und zog ihn weiter. „Komm!“, forderte er ihn auf, „Rauf aufs Dach!“ „Aufs Dach?“, stieß Jeongguk hervor, als er dem Rothaarigen hinterher stolperte, „Was wollen wir denn auf dem Dach?“ Doch Taehyung antwortete ihm nur mit einem geheimnisvollen Zwinkern und heiterem Gelächter. Er ließ Jeongguks Hand nicht für eine Sekunde los, während er durch die Gänge des Gebäudes trabte, die Stufen empor hüpfte und schließlich die Tür zum Dach aufstieß. Jeongguk war noch nie auf dem Dach des naturwissenschaftlichen Komplexes gewesen, doch unterschied es sich nicht im Wesentlichen von den anderen Dächern der Universitätsgebäude. Der einzige Unterschied war, dass hier drei beeindruckende Teleskope standen – alle leicht verschieden in Größe und Bauweise. Das größte von ihnen war mit einer Plane bedeckt, ebenso wie das Teleskop daneben, doch das dritte stand offen da und war scheinbar von jemandem in Position gebracht worden. Der Astronomie-Student versicherte sich nur kurz, dass alles so war, wie er es zurückgelassen hatte und schob Jeongguk dann vor das Instrument. „Hier“, forderte er ihn auf, „Sieh durch!“ Der Ältere strahlte ihn erwartungsvoll an und erneut machte er auf ihn den Eindruck eines kleinen Jungen, begeisterungsfähig und erpicht darauf, andere an seiner Freude teilhaben zu lassen. Jeongguk lächelte belustigt und schüttelte leicht den Kopf über seinen Mitbewohner, ehe er sich vorbeugte und endlich einen Blick durch das Teleskop warf. Und dann stand die Erde mit einem Mal still. Hatte Jeongguk bei seinem letzten Blick in den Himmel keine Sterne und nur den Mond gesehen, so war das Bild, was sich ihm jetzt bot, eine wahre Explosion von Lichtern. Ihm fehlten die Worte, um die Schönheit vor seinen Augen zu beschreiben, doch es sah aus, als hätte eine Blume ihre Blüten geöffnet und ein Dutzend Sterne in einem leuchtenden Nebel aus ihrem Innern entlassen. Er spürte sein Herz in der Brust schneller schlagen und zugleich stockte ihm der Atem, sein Kopf fühlte sich leicht und leer an. Es war, als hätte jemand die Welt aus den Angeln gehoben und er schwebe umgeben von funkelnden Lichtern im Nichts… „Wunderschön, nicht wahr?“, hauchte Taehyung neben ihm hielt ihn bei sich auf der Erde. Als Jeongguk sich schweren Herzens vom Teleskop abwandte, sah er in die leuchtenden Augen seines Mitbewohners und glaubte, in ihnen noch die Spieglung der Sterne zu sehen. Der Ältere lächelte ihn an und Jeongguk erwiderte es. Dies schien dem anderen Antwort genug und Jeongguk sah erneut durchs Teleskop. Er war schlicht überwältigt von dem Anblick. … Und wenn er hundert Jahre an seiner Leinwand stünde; niemals wäre er in der Lage, dieses magische Schauspiel in ein Bild zu bannen, welches auch nur ansatzweise so atemberaubend schön wäre. „Wusstest du, dass wir zu 97 Prozent aus Sternenstaub bestehen?“, fragte Taehyung da und veranlasste den Kunst-Studenten, ihm einen Seitenblick zuzuwerfen, doch Taehyung sah verträumt in den Himmel und redete weiter. „Klingt romantischer als es eigentlich ist, da das nicht nur uns betrifft, sondern alles auf der Welt – aber es ist eine schöne Vorstellung. … Es könnte erklären warum- Hast du dich schon mal gefragt, warum du manchmal Menschen triffst, von denen du glaubst, dass du sie schon ein Leben lang kennst? Menschen, zu denen du dich unwillkürlich hingezogen fühlst? … Was, wenn der Sternenstaub, aus dem ihr besteht, vom selben Stern stammt und sich gegenseitig anzieht? Durch eine Supernova getrennt, Millionen Lichtjahre durchs All geschleudert und auf der Erde wieder vereint...“ Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen und das Mondlicht tänzelte über sein Gesicht. Und Jeongguk stand einfach nur da und starrte ihn an. War das derselbe Mensch, der Girl Group Songs singend durchs Zimmer hüpfte und dabei mit ihm über die Relevanz von Dosenhirn nach dem Eintreten einer Zombie-Apokalypse diskutieren wollte? Derselbe Mensch, der einen Kopfstand machte, wenn er nicht weiter wusste, um die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten? Ein Straßenschild mitgehen ließ und es in den Vorgarten stellte, weil man ja nie wusste, ob man es nicht mal brauchen würde? Bücher über den Yeti und das Monster von Loch Ness las und anschließend der Meinung war, dass sie mit einem guten PR-Manager besser beraten wären? Jeongguk konnte nicht glauben, dass genau dieser Mensch hier neben ihm auf dem Dach der Universität stand und ihm eine wissenschaftliche Grundlage für die Existenz von Seelenverwandten lieferte, die tatsächlich einleuchtend klang. Die meiste Zeit vermittelte Taehyung den Eindruck eines verrückten Wissenschaftlers, doch in diesem Moment erkannte Jeongguk, dass auch in ihm ein Künstler steckte. Ein Künstler, der die Schönheit der Natur mit anderen Augen sah als er. Jeongguk betrachtete das Licht der Sonne, das durch die Zweige der Bäume schien und Muster aus Schatten auf dem Boden hinterließ und Taehyung betrachtete die Sterne, die in bunten Nebeln im All funkelten und ihre eigenen Bilder auf einer unendlich weiten schwarzen Leinwand malten. Im Endeffekt betrachteten sie beide dasselbe, sie suchten nur nicht am selben Ort. - Nach ihrer Sternenbeobachtung auf dem Dach des naturwissenschaftlichen Instituts, nahm das Verhältnis zwischen Jeongguk und Taehyung eine weitere Wendung. Hatte Jeongguk die Anwesenheit seines neuen Mitbewohners zuvor lediglich akzeptiert und sich an seine Eigenheiten gewöhnt, unterhielten sich die beiden nun wann immer möglich und der Kunst-Student leistete ihm sogar einmal nachts in der Küche Gesellschaft, als der Ältere mal wieder spontane Lust auf selbstgebackene Pizza bekommen hatte. Jeongguk wusste nun, dass Taehyung genau wie Yoongi aus Daegu kam, dass er zwei jüngere Geschwister – Eonjin und Jeonggyu – und einen Hund namens Soonshim hatte, dass sein Lieblingsgericht Japchae war, dass er drei Jahre lang Saxophon gespielt hat und dass er Jimin bereits seit der High School kannte und sie seitdem beste Freunde waren. Doch von diesem Small Talk abgesehen, wusste Jeongguk noch mehr. Sie hatten einige Stunden damit zugebracht, über Kunst und die Wunder des Universums zu sprechen und so erfuhr er auch von Taehyungs Begeisterung für Trabanten und Exoplaneten und seinem Traum, einmal eine Erde 2.0 zu entdecken. Oder natürlich außerirdisches Leben. Er hatte eine ausgesprochen lebhafte Fantasie und erzählte Jeongguk in den schillerndsten Farben, wie Leben auf anderen Planeten oder ihren Monden aussehen könnte. Und er zeigte dem Kunst-Studenten einen Bildband über Astro-Photographie und zusammen begeisterten sie sich für die unzähligen Sternenhaufen und Nebel und staunten über ihre fantastischen Farben und Formen. Taehyung hatte im Rahmen seines Studiums sogar schon selbst einige Bilder mit dem Teleskop der Uni gemacht – doch so schön diese Aufnahmen auch waren, so reichten sie nicht an das atemberaubende Erlebnis heran, sie mit eigenen Augen zu betrachten. Der Astronomie-Student erzählte ihm von den verschiedenen Okularen und Filtern und Jeongguk vertiefte sich mit ihm in ein Gespräch über Photographie und holte seine Kamera heraus, um einige Testbilder zu machen und Taehyung an Beispielen zu zeigen, wovon er sprach. Rückblickend konnte Jeongguk kaum glauben, dass er sich anfangs so gegen Taehyung gesträubt hatte. Ja, Taehyungs unbekümmerte Art war anstrengend und er machte häufig den Eindruck, als würde er nichts wirklich ernst nehmen, aber dafür war er fast immer fröhlich und guter Dinge und schaffte es, Jeongguk von seiner Arbeit abzulenken und dafür zu sorgen, dass er auch mal Pause machte und sich etwas Spaß gönnte. Es hatte ihm widerstrebt, als Taehyung ihn das erste Mal von seiner Skulptur weggezerrt und zum Mario Kart spielen genötigt hatte, doch erwies sich das im Nachhinein als ausgezeichnete Idee; Jeongguk hatte so herzhaft gelacht, wie schon lange nicht mehr. Taehyung war ein grauenhafter Fahrer und spielte, weil es ihm Spaß machte und nicht, um zu gewinnen. Wenn er als Sechster ins Ziel kam, hatte er nur Mitleid mit seinen armen Schildkröten, weil die so traurig waren, aber sonst machte er sich nicht viel Gedanken – er lenkte mit ganzem Körpereinsatz, rempelte Jeongguk an, hielt ihm die Augen zu und gluckste und kicherte wie ein kleines Kind. Es war erfrischend und Jeongguk lernte diese Momente zu lieben. Manchmal leisteten ihnen auch Jimin und Hoseok dabei Gesellschaft, doch Jeongguk genoss die Zweisamkeit und die Gespräche mit Taehyung (davon abgesehen, dass diese drei Glücksbärchis mit der Zeit ziemlich anstrengend wurden). Es war nach einem weiteren lockeren Austausch über verschiedene Objektive, als Jeongguk sich endlich getraut hatte, Taehyung zu fragen, ob dieser ihm bei seinem Projekt helfen könne. Der Astronomie-Student hatte kurz in seiner Tätigkeit inne gehalten und langsam geblinzelt, während er über die Frage nachgedacht hatte. Jeongguk hatte mit seiner Kamera in der Hand dagesessen, das Herz bis zum Hals schlagend, ein Kribbeln im Nacken, und hatte kaum gewagt zu atmen. In Gedanken hatte er sich bereits für die Absage gerüstet, doch die kam nicht. Stattdessen hatte sich Taehyung zu ihm umgedreht, ihn angelächelt und einfach „Klar!“ gesagt. So kam es, dass sie nun – einige Tage später – gemeinsam im Atelier über Jeongguks Kamera gebeugt standen und sich die Fotos ansahen, die der Kunst-Student in den letzten paar Stunden geschossen hatte. Wenn Jeongguk ehrlich war, dann glaubte er, dass er schon lange keine so guten Bilder mehr gemacht hatte. Sie hatten am Nachmittag angefangen, als die Sonne genau über dem Oberlicht des Ateliers gestanden hatte, waren dann weiter über den nun im Mai blühend-grünen Campus gewandert und hatten sogar die Erlaubnis erhalten, kurz ins Schwimmbad zu gehen, welches mit einer flachen Glaskuppel und einer großzügigen Fensterfront ausgestattet war. Das Sonnenlicht hatte alles in einem klaren Blau erstrahlen lassen und Taehyungs roter Haarschopf hatte regelrecht geleuchtet – Jeongguk hatte fast vergessen zu atmen, als er die Kamera ans Auge gehalten und immer wieder abgedrückt hatte. Der Astronomie-Student hatte sich als wunderbares Model erwiesen, welches kaum Anweisungen benötigte und ihm Motive lieferte, die eine Natürlichkeit ausstrahlten, die selbst Jeongguk staunen ließ. Er hatte anfangs nicht geglaubt, dass Taehyung die nötige Geduld oder Ernsthaftigkeit an den Tag legen würde, doch er hatte sich geirrt und von einigen „Spaßfotos“ abgesehen, wirkten die Bilder auf seiner Kamera wie von einem professionellen Fotoshoot – auf einigen sah sein Mitbewohner so lasziv aus, dass er direkt beschlossen hatte, diese nicht für sein Projekt zu wählen. Er hatte das Gefühl, dass diese Fotos nicht für die breite Öffentlichkeit (oder einen Dozenten!) bestimmt waren... Jetzt, gegen Abend, waren sie noch einmal zum 'Fine Arts' Gebäude zurückgekehrt und hatten noch einige Bilder zum Abschluss in dem gedimmten Licht der untergehenden Sonne gemacht. Eine Großaufnahme von Taehyung im Profil fand Jeongguk besonders gelungen. Die Sonne war direkt hinter ihm, zwischen einigen Bäumen, und ließ es beinahe so aussehen, als würde ihn ein flammender Heiligenschein umgeben – das sollte definitiv mit in seine Mappe. Taehyung stand neben ihm, während Jeongguk an der Kamera die Bilder durchging und staunte nicht schlecht. Und Jeongguks Brust schwoll mit jedem weiteren Kompliment des Älteren mehr an vor Stolz. Nachdem Taehyung sich schließlich verabschiedete, um zu einem Seminar zu gehen, machte sich auch Jeongguk auf den Rückweg. Er wollte noch vor dem Schlafengehen die Bilder auf seinen Computer ziehen, sich alle in Großformat ansehen und schon einmal eine grobe Auswahl treffen. Er überquerte gerade den großen Vorplatz vorm Hauptgebäude, als er endlich die Augen von der Kamera löste und sie in seiner Tasche verstaute und dabei mit jemandem zusammenstieß. „Oh!“, entkam es ihm, noch bevor er aufsah, „Verzeihung.“ Ihm rutschte das Herz in die Hose, als er den Blick hob und die Person erkannte, die er angerempelt hatte. Mit vom Tanzen leicht zerzaustem Haar, stand Yein vor ihm. Sie trug Turnschuhe, eine schwarze Yoga Pants und ein bauchfreies Shirt, welches ihr über eine Schulter rutschte – da sie unter dem Outfit noch immer ihren Leotard anhatte, blieb jedoch alles züchtig bedeckt. Als sich ihre Blicke trafen, strich sich die Tänzerin verlegen über ihr Haar und klemmte es hinter ihr Ohr. „Nein, nein“, sagte sie und lächelte entschuldigend, „Mir tut es leid, ich hab nicht aufgepasst.“ Unschlüssig standen sich die beiden gegenüber, keiner wusste wirklich, was er sagen sollte und so zupften sie unruhig an ihren Klamotten und ließen ihre Augen über den Campus schweifen. Jeongguk hatte sich vor dem Tag gefürchtet, an dem er Yein alleine über den Weg laufen würde. Es war nicht unbedingt so, dass er nicht mit Mädchen sprechen konnte, doch Yein hatte offensichtlich Interesse an ihm – so blind war nicht mal er – und damit war er schlichtweg überfordert. Yein war bildschön, freundlich, eine talentierte Tänzerin – aber er empfand nun mal nichts für sie und er hatte noch nie zuvor jemandem offen einen Korb geben müssen. Also tat er, was er am besten konnte: Dem Problem aus dem Weg gehen und es weitestgehend ignorieren, bis es sich von allein in Wohlgefallen auflöste. „Also“, holte ihn da Yeins Stimme aus seinen Gedanken, „Was machst du noch so spät hier auf dem Campus, Oppa?“ „Fotos“, antwortete er und deutete auf seine Kameratasche, „Für ein Projekt. … Eh... und du?“ Yein lächelte schüchtern und strich sich erneut die Haare aus dem Gesicht. „Morgen fallen einige Stunden bei mir aus, also habe ich heute Abend etwas länger gemacht. Dann erlaube ich mir morgen mal ein wenig... Freizeit.“ Sie sah zu ihm auf und Jeongguk hatte das ungute Gefühl, dass dies nun der Moment war, an dem jemand für gewöhnlich die Gelegenheit beim Schopfe packen und das Mädchen für morgen zum Mittagessen einladen würde. „Oh, verstehe.“ Schweigen. Yein verlagerte unruhig ihr Gewicht von einem aufs andere Bein und spielte mit dem Riemen ihrer Sporttasche. Jeongguk wäre am liebsten einfach weitergelaufen, doch so unhöflich war er nun auch nicht, dass er die Jüngere einfach stehen ließ. „Was – Was hast du morgen vor?“, fragte sie schließlich und Jeongguk befeuchtete sich nervös die trockenen Lippen. Er spürte, wie sich die Muskeln im Nacken und in den Schultern verspannten und er ließ seine Schuhspitze über den Boden schaben. „Ich meine“, führte Yein weiter aus und zuckte unkoordiniert mit den Schultern, „Wenn du – Wenn du nichts dagegen hast – Also – Wir könnten doch morgen zusammen was unternehmen? Es gibt da ein neues Café im Einkaufscenter.“ Jeongguk musste Yein in Gedanken dazu gratulieren, dass sie den Mut aufgebracht hatte, ihn tatsächlich zu fragen. „Weißt du“, wich er aus, „Eigentlich habe ich morgen zu tun. Für das Projekt... Uni-Kram halt... Also...“ Während er vor sich hin stammelte, sah er Yeins Gesicht in sich zusammenfallen. Ihr Lächeln erstarb, die Schultern sackten nach unten und ihre Finger krallten sich in den Taschenriemen. Sie sah kurz zur Seite, blinzelte einige Male und schien tief durchzuatmen, bevor sie sich wieder ihm zuwandte und ein schiefes Lächeln zustande brachte. „Verstehe“, sagte sie und Jeongguk knabberte auf seiner Unterlippe, ehe er ein „Tut mir leid“ hervorwürgte. Sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet und er spürte eine seltsame Enge in der Brust. Er wandte den Blick ab, ließ ihn über den Boden schweifen, und zupfte sich am Ohrläppchen. Seine Fingerspitzen waren feucht. „Ist schon okay, Oppa. Ich habe auch ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass sich jemand wie du für mich interessiert“, erwiderte die Tänzerin und Jeongguk hätte ihr am liebsten gesagt, dass sie sich nicht so klein machen sollte und dass sie ein tolles Mädchen, eine wunderbare Frau, sei – doch seine Kehle war wie zugeschnürt. „Na ja“, lachte sie leise, doch für den Kunst-Studenten klang es wie ein verstecktes Schniefen, „Ich musste es versuchen...“ „Yein...“ „Gibt – Gibt es eine andere?“ Jeongguk packte seine Tasche etwas fester als nötig, spürte das Material der Kamera durch den Stoff unter seinen Fingern und etwas in ihm schlug einen Salto – vielleicht sein Herz, vielleicht aber auch sein Magen... Oh Gott, hoffentlich musste er sich jetzt nicht übergeben... Seine Kopfhaut prickelte und auch ohne Spiegel wusste er, dass seine Ohren in der Dämmerung nahezu glühen mussten. „Wa-? N-nein! Nein, es... gibt keine andere.“ Er schluckte und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Wenn er Yein schon absagen musste, dann hatte sie mehr als sein dümmliches Gestotter verdient. „Yein, es gibt keine andere“, wiederholte er und sah ihr ins Gesicht, „Wirklich.“ Yein sah ihn für eine Weile schweigend an, suchte in seinen Augen nach der Wahrheit und Jeongguk versuchte, sie so aufrichtig anzusehen wie er konnte. Die Augen der Tänzerin wirkten groß und dunkel und in dem Licht einer nahen Laterne glänzten sie übermäßig stark. Würde sie weinen? Jeongguk hoffte inständig, dass Yein nicht in Tränen ausbrechen würde. Aber schließlich lächelte sie und legte zaghaft ihre Hand auf seinen Oberarm. „Wer immer es ist, kann sich glücklich schätzen, Oppa.“ Sie drückte kurz seinen Bizeps und ging dann ohne ein weiteres Wort davon. Jeongguk war zu perplex, um noch etwas zu erwidern und als er sich schließlich wieder rühren konnte und sich in die Richtung drehte, in die Yein gegangen war, war sie bereits nicht mehr zu sehen. Aufgewühlt fuhr er sich durch das dunkle Haar und atmete einige Male tief durch, um die Enge in seiner Brust zu vertreiben und sein Herz zu beruhigen. Seine Finger kribbelten und sein Magen rebellierte und er hatte das dringende Bedürfnis, sich ins Bett zu legen und diesen Augenblick aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Er hatte gerade einem der beliebtesten Mädchen der Universität eine Abfuhr verpasst und konnte beinahe die stechenden Blicke ihrer Verehrer in seinem Nacken spüren – obwohl das natürlich Unsinn war. Dennoch fühlte er ein nagendes Gefühl der Schuld. Er umklammerte seine Kameratasche und setzte sich langsam wieder in Bewegung. Es gab keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Schließlich hatte er Yein nicht angelogen, es gab keine andere... - Die erste Juniwoche neigte sich bereits dem Ende zu, als Jeongguk krank wurde. Jeongguk wurde nie krank. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal krank gewesen war; er bekam nicht mal einen Schnupfen. Man konnte also mit Fug und Recht behaupten, dass es ihn regelrecht überrumpelte, als er nachts wach wurde und sich fühlte, als ob jemand einen Sack Zement über ihn ausgeschüttet hatte. Er bekam kaum Luft, seine Nase saß zu und als er durch den Mund versuchte einzuatmen, schnürte ihm der Druck auf der Brust beinahe die komplette Sauerstoffzufuhr ab. Ein jämmerliches Pfeifen war die Folge. Er setzte sich auf, um einen Schluck zu trinken und bereute seine Aktion sofort, als er plötzlich husten musste und es sich so anfühlte, als würde sein Gehirn dabei gegen die Schädeldecke schlagen. Doch schließlich schaffte er es, etwas Wasser zu trinken und der Schmerz in seiner Kehle wurde ein wenig gelindert. Er warf einen Blick zu Taehyungs Bett und erkannte, dass der Ältere noch immer schlief und so versuchte er, leise zu sein. Er schlug die Bettdecke zurück und stand auf, schlich hinüber zur Tür und verließ das Zimmer. Anschließend durchsuchte er den Medizinschrank in der Wohnheimküche nach Kopfschmerztabletten, schluckte zwei Pillen und kehrte ins Bett zurück, in der Hoffnung, dass der Spuk am nächsten Tag wieder vorbei sein würde. Doch diese Hoffnung fand ihr jähes Ende, als er am Morgen in ihrem kleinen Bad stand und der Toilette sein Innerstes ausschüttete. Jeongguk fühlte sich grauenhaft. Er zitterte am ganzen Körper und er spürte den Schweiß zwischen seinen Schulterblättern die Wirbelsäule hinunterlaufen. Nachdem er seinen Mageninhalt in die Keramikschüssel entleert hatte, fühlte sich sein Magen etwas besser an, doch für einen Augenblick war er nicht in der Lage, die Kraft aufzubringen, um aufzustehen. Er schreckte zusammen, als es an der Badezimmertür klopfte. „Kookie?“, hörte er Taehyungs Stimme durch das Holz, Besorgnis schwang in ihr mit, „Kookie, ist alles okay? Es klingt, als ob du kotzen würdest.“ „Die Toilette und ich teilen gerade einen privaten Moment, Hyung, störe uns nicht“, versuchte der Kunst-Student zu scherzen, doch im nächsten Moment machte sein Magen einen schwindelerregenden Hüpfer und er würgte. „Scheint als sei eure Beziehung nicht die beste“, versuchte Taehyung das Gespräch aufrecht zu erhalten, doch er klang nicht belustigt. Jeongguk fehlte die Kraft, zu antworten und übergab sich stattdessen erneut. Danach hörte er nichts mehr von Taehyung und er war froh darüber, dass er wieder für sich allein war. Er hatte kein Zeitgefühl, doch als er sich irgendwann mit zitternden Händen am Waschbecken hochzog, kam es ihm vor, als wären Stunden vergangen. Und nach einem Blick in den Spiegel, stellte er fest, dass er so aussah wie er sich fühlte; wie auf die Straße gerotzt. Er verzog angewidert das Gesicht und betätigte die Klospülung, bevor er den Wasserhahn aufdrehte und versuchte, sich etwas herzurichten. Das kalte Wasser im Gesicht fühlte sich himmlisch an und er seufzte erleichtert auf, wiederholte den Vorgang einige Male, ehe er den Hahn zudrehte und die Hände abtrocknete. Als er das Bad verließ, kühlte das Wasser in seinem Gesicht angenehm seine Haut und er fühlte sich schon um einiges besser. Zurück im Zimmer, sah er sich um, doch Taehyung war nicht zu sehen. Etwas wie Enttäuschung machte sich in ihm breit, was Jeongguk wunderte, da es keinen Grund gab, enttäuscht zu sein. Er rang das seltsame Gefühl nieder und schlurfte erschöpft zu seinem Bett, um sich wieder hinzulegen. Kaum, dass sein Kopf das Kissen berührte, sank sein gesamter Körper mit einem Seufzen tiefer in die Matratze und er schloss die Augen. Seine Augenlider erschienen ihm mit einem Mal zu schwer, um sie offen zu halten. Er stöhnte und zog die Stirn kraus, als nur Sekunden später die Tür aufflog und Taehyung ins Zimmer kam. Ohne Umschweife kam er auf Jeongguks Bett zu und beugte sich über ihn. „Kookie“, raunte er und legte ihm sachte eine Hand auf die Schulter, „Geht's dir besser? Kann ich irgendwas tun?“ Taehyungs Gegenwart war sonderbar wohltuend und die Wärme, die von seiner Hand aus durch den Stoff drang, schien das Rumoren in seiner Magengegend zu mildern. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Toilette und ich zu verschieden sind. Wir gehen jetzt getrennte Wege.“ Der Kunst-Student schaffte es zu lächeln, als Taehyung tatsächlich lachte. Wenn Taehyung lachte, schien alles irgendwie besser, leichter, beschwingter – der Astronomie-Student sollte sich nicht sorgen müssen. Jeongguk öffnete seine Augen einen Spalt breit und warf einen Blick auf Taehyungs Gesicht, betrachtete die Lachfalten in den Augenwinkeln und die gekräuselte Nase und seufzte, als ihm die Augen wieder zufielen. Er war einfach zu müde. „Ernsthaft jetzt“, meinte der Ältere dann, „Kann ich was machen? Dir was bringen?“ „Wolltest du dich nicht mit Jimin-hyung treffen?“, wandte Jeongguk ein und kuschelte sich tiefer unter die Decke. Doch Taehyungs Hand blieb auf seinem Oberarm liegen. „Stoffel“, erwiderte der Rothaarige liebevoll und schaukelte seinen Mitbewohner leicht, „Du bist krank und brauchst jemanden, der sich um dich kümmert. Das ist wichtiger. Jimin hat dafür Verständnis.“ Taehyung wollte wegen ihm – für ihn – seine Verabredung mit Jimin, seinem besten Freund und Bruder um Geiste, absagen? Etwas flatterte in seiner Brust und sein Magen machte einen Hüpfer, der dieses Mal nichts mit seiner Übelkeit zu tun hatte. Ja, er und Taehyung waren sich in den letzten Wochen näher gekommen und er konnte den ausgeflippten Astronomie-Studenten jetzt ehrlich als seinen Freund bezeichnen, doch Jimin und Taehyung waren beinahe unzertrennlich und dass Taehyung es als wichtiger erachtete, für Jeongguk da zu sein und ihn zu pflegen, als zu seinem Treffen mit Jimin zu gehen, berührte ihn. Es war ein anderes Gefühl als Seokjins mütterliche Fürsorge, Namjoons brüderliche Anteilnahme oder Yugyeoms freundschaftliches Mitempfinden. Taehyung war neben Yugyeom und Seongja sein erster richtiger Freund, den er nicht durch Namjoon kennen gelernt hatte und nun tatsächlich seine Gesellschaft der eines anderen vorzog. Noch dazu jemandem, der Taehyung selbst unglaublich wichtig war. Das bedeutete ihm mehr, als er in Worte fassen konnte und er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. „Schlaf ein bisschen“, lächelte der Rothaarige und richtete sich auf, um nach seinem Handy zu greifen, „Ich ruf Jimin an und sag ihm, dass ich nicht kommen kann.“ Taehyung verließ den Raum, um zu telefonieren und Jeongguk blieb einen Moment allein. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen und schwelgte kurz in Erinnerungen. Nur zu gut erinnerte er sich an den Tag, an dem er und Yugyeom gemeinsam das Zimmer bezogen hatten – und ebenso gut erinnerte er sich an den Tag vor fast zwei Monaten, als Yugyeom ausgezogen war. Wie leer das Zimmer ohne ihn gewesen war. Jetzt hingen Bilder von Sternen, Galaxien und Planeten an der Wand, ein Modell des Mondes stand auf dem Nachttisch, Bücher über Astronomie reihten sich im Regal ein und ein Modell des Sonnensystems baumelte über dem Bett mit der Star Wars-Bettwäsche. Es sah so ganz anders aus, als vorher mit Yugyeom. Und dennoch nicht auf unangenehme Weise... „So, da bin ich wieder!“, rief Taehyung gut gelaunt und ließ seinen Hintern genau auf R2-D2 fallen, „Ich soll dir von Jiminnie gute Besserung wünschen. Je nach dem, wie es dir morgen geht, will er zum Mario Kart spielen vorbeikommen.“ Der ältere Student lachte heiter über seinen besten Freund. „Er hat die Hoffnung, dass du krank vielleicht mal zu schlagen bist!“ Jeongguk stimmte in das Lachen ein, musste aber husten und griff zu seinem Wasser. Jeongguk wusste, dass Widerstand zwecklos war und ergab sich Taehyungs Fürsorge. Der kochte tatsächlich Suppe und sorgte dafür, dass der Jüngere stündlich ein Glas Wasser trank und alle drei Stunden etwas Suppe und Brot zu sich nahm. Jeongguk glaubte, dass er noch nie in seinem Leben sooft zur Toilette gemusst hatte. Aber das Fluten seines Körpers mit Flüssigkeit schien zu wirken, denn er fühlte sich weniger schwindelig, die Kopfschmerzen ließen nach und sein Magen beruhigte sich. Der Astronomie-Student hatte sich neben ihn ins Bett gekuschelt und zusammen sahen sie über Laptop den ganzen Tag Animes oder unterhielten sich über Alles und Nichts, wenn Jeongguk nicht gerade schlief – und ihm fielen öfter die Augen zu, als ihm lieb war. Doch trotz der Besserung seiner Symptome, war er nichtsdestotrotz erschöpft und Taehyungs Nähe und die Wärme lullten ihn immer wieder ein und ließen ihn in den Schlaf gleiten. Doch wann immer er aufwachte, war Taehyung an seiner Seite. Als er mitten in der Nacht erneut die Augen aufschlug, sah er direkt in das schlafende Gesicht des Älteren. Taehyung hatte sich nicht die Mühe gemacht, die paar Schritte zu seinem eigenen Bett zu gehen, um dort zu schlafen, sondern war bei Jeongguk liegen geblieben und hatte es sich neben ihm gemütlich gemacht. Es entlockte ihm ein Lächeln, als Taehyung im Schlaf mit der Nase wackelte. Trotz aller Albernheit, fand er noch immer, dass sein Mitbewohner unverschämt gut aussah. Als er ihn unter dem Mond hatte stehen sehen, war er sprachlos gewesen, genau wie an dem Tag, als er hier eingezogen war. Mittlerweile wusste er, dass es nicht einfach an seinem roten Haar lag und wie das Licht mit den Strähnen spielte, sondern an den ausdrucksstarken Augen. Vom ersten Moment an hatten sie ihn fasziniert und jedes Mal, wenn sie vor Belustigung funkelten, wollte Jeongguk nach seiner Kamera greifen und ein Foto machen, den Anblick für die Ewigkeit festhalten. Seine Augen sprachen Bände, jede Gefühlsregung war in ihnen sichtbar – und dennoch überraschte er ihn immer wieder. So wie mit seiner Geschichte über den Sternenstaub. Da blinzelte Taehyung verschlafen und drehte sich auf den Rücken, um herzhaft zu gähnen. Jeongguk blieb still liegen und beobachtete, wie der andere sich über die Augen rieb und sich streckte und schließlich wieder zur Seite rollte – wo er verharrte und ihn perplex ansah. „Oh“, sagte er und seine Augen waren beinahe komisch rund, „Tut mir leid, hab ich dich geweckt?“ „Nein, ich war schon wach“, antwortete Jeongguk mit gedämpfter Stimme und imitierte damit Taehyungs eigene Lautstärke, obgleich kein Grund bestand, zu flüstern. Da bogen sich Taehyungs Lippen zu einem breiten Lächeln und er schien mit einem Mal aufgeregt. „Klasse, dann kann ichs dir noch heute zeigen!“ Bevor Jeongguk auch nur über eine Frage nachdenken konnte, rollte Taehyung sich auf den Bauch und streckte sich, um mit seiner Hand hinter das Kopfende zu greifen. Der Kunst-Student hörte ein Geräusch, als ob ein Stecker in die Steckdose gesteckt wurde und im nächsten Moment leuchtete plötzlich die Zimmerdecke. „Was-?“ Seine Gesichtszüge entgleisten, Mund und Augen fielen ihm auf und er starrte in ein Meer aus Lichtern. Es dauerte einige Sekunden, bis er begriff, dass es sich dabei um Lichterketten handelte – irgendwie hatte Taehyung, während er selbst tief und fest geschlafen hatte, sie über sein Bett gespannt, sodass sie ein künstliches Sternenzelt über ihm bildeten. Vergeblich rang der Jüngere nach Worten. Sich wie ein kleines Kind freuend, kuschelte sich Taehyung wieder neben ihn und sah mit einem Grinsen hinauf an die funkelnde Decke. Er schien von seinem Werk begeistert und von Jeongguks Reaktion mehr als zufrieden und seine Hände fanden die des Jüngeren, um sie zu umklammern. „Nicht so schön wie echte Sterne, aber hier in der Stadt kann man sie ohne Teleskop ohnehin nicht richtig sehen, also ist das eine schöne Indoor-Alternative. … Und man kann dabei gemütlich im Bett liegen!“ Taehyungs Augen glänzten, als sich ihre Blicke fanden und ihre Knie spielerisch aneinanderstießen. Jeongguks Haut prickelte und erneut spürte er diese Wärme in seiner Brust, als der Ältere ihre Finger miteinander verhakte. Er befeuchtete seine trockenen Lippen und lächelte, imitierte des anderen Ausdrucks von kindlicher Freude. Der Kunst-Student hatte gelernt, dass Taehyung seine Freundschaft und Zuneigung auf ganz besondere Weise zeigte, meist indem er andere einfach an den Dingen teilhaben ließ, die ihn selbst glücklich machten. Wie ein Gespräch über all die Sterne im Universum. Selbstgebackene Kekse mitten in der Nacht. Wie Lichterketten über dem Bett. „Es ist wunderschön“, flüsterte Jeongguk, „Danke.“ Die beiden Männer tauschten noch einen letzten Blick und sahen dann schweigend wieder hinauf zur Decke. Jeongguk betrachtete die warmen Lichter über ihm und dachte an Taehyungs Geschichte über den Sternenstaub. Vielleicht war wirklich irgendwo, weit weit entfernt, das Leuchten eines Sterns erloschen und hatte im Augenblick seines Todes ein Meer aus Lichtern hinaus ins All auf die Reise geschickt, in der Hoffnung, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, wieder zusammen zu finden und erneut zu erstrahlen. … Taehyung hatte recht, es war eine romantische Vorstellung; 'Durch eine Supernova getrennt, Millionen Lichtjahre durchs All geschleudert und auf der Erde wieder vereint...' War das möglich? Da sprang der rothaarige Mann auf einmal aus dem Bett und riss ihn unsanft aus seinen Gedanken. „Ich mach mir was zu Essen“, beantwortete er Jeongguks unausgesprochene Frage, „Soll ich dir noch etwas Hühnersuppe bringen?“ „Noch ein Löffel und mir wächst ein Federkleid.“ „Ach, Kookie!“, gluckste der Ältere amüsiert, bevor er sich selbst abwürgte und plötzlich so aussah, als würde ihm etwas Wichtiges einfallen, „Apropos 'Cookie': Ich hab ein tolles neues Rezept für Wookie-Kekse!“ Damit drehte er sich um und verließ mit federnden Schritten das Zimmer, um die Küche aufzusuchen. Jeongguk blinzelte ein paar Mal irritiert. Doch dann schüttelte er den Kopf, schnaufte und sah wieder an die Decke. So merkwürdig Taehyung auch sein mochte, er würde nichts an ihm ändern wollen. Und so schlief er unter dem improvisierten Sternenzelt, zu dem Geruch von frischen Keksen und dem Lächeln von Taehyung vor seinem geistigen Auge friedlich wieder ein. Wissend, dass Taehyung wieder an seiner Seite sein würde, wenn er das nächste Mal wach wurde. Vielleicht... Vielleicht waren sie wirklich wie Sternenstaub. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)