Spirit of Dragon von Proinos ================================================================================ Kapitel 2: Das Erwachen ----------------------- Der schöne Sonnenschein täuscht über die Kälte des anbrechenden Tages hinweg. Ich mache mich auf den Weg zur Schule. Es hatte gestern Nacht noch aufgehört zu schneien, weshalb die Schule nicht ausfiel. Schade, ich hätte nichts gegen einen freien Tag gehabt, nach der ganzen Aufregung von gestern. Also stapfe ich durch den Schnee in Richtung Schultor, wo meine Freundinnen schon wie verabredet auf mich warten. Sie sehen alle ziemlich durchfroren aus. Dies ist allerding nicht das einzige was ich sehe. Sie haben immer noch den Schimmer, der sie aussehen lässt als wären sie zu heiß gelaufene bunte Glühbirnen. Sie sind alle da, die kleine Braungelockte Tessa, die Blauhaarige Isa, die Brünette Cathlin mit der Wuschelfrisur und die große Schwarzhaarige Elly, was eine Abkürzung für Elisabeth ist. Ich bin mir sicher, auch ich habe immer noch einen orange-beigen Lichtschein, welchen ich immer nur in meinen Spiegelbildern sehe. Warum sehen die anderen das alles nicht? Damit sind meine Hoffnungen, die gestrigen Ereignisse nur geträumt zu haben, zu Nichte gemacht. „Es bleibt dabei, dass alle heute zu mir kommen, oder?“ Isa reißt mich aus meinen Gedanken. „Dann können wir die Theorie von dem Typen überprüfen.“ Bin ich die einzige die bemerkt, dass neben den Füßen der Blauhaarigen kleine Eisskulpturen entstehen? „Macht bestimmt Spaß zu experimentieren.“ Wir wollen uns heute Nachmittag bei dem Schlaumeier zu Hause treffen. Weil ihre Eltern nicht da sind, können sie uns nicht fragen, auf was verrückte Ideen wir kommen. Die Ereignisse von gestern müssen ein für alle Mal geklärt werden. Nachdem der Dieb verschwunden war und wir uns aus dem Schnee wieder aufgerappelt hatten, waren wir alle zu verwirrt gewesen, um über das Geschehene zu reden. Ich konnte kaum schlafen, weil ich die ganze Zeit darüber nachgedacht habe. „Außerdem sind noch einige offene Fragen zu klären.“ Ich bin nicht die Einzige, die auf ein paar Antworten hofft, wenn wir unsere Überlegungen austauschen. Nur hatten wir vor der Schule dafür nicht genug Zeit. Am Nachmittag ist es nicht mehr so kalt wie am Morgen, obwohl ich bezweifle, dass es an der Sonne liegt, die noch immer am wolkenlosen Himmel scheint und jedenfalls nicht spürbar wärmt. Wir fünf Mädchen sind bei der Intelligenzbestie zu Hause. Tess und ich haben es uns in Isas Zimmer auf dem Bett gemütlich gemacht. Cath hat auf dem drehbaren Schreibtischstuhl Platz genommen und Elly läuft ungeduldig auf und ab, während wir alle auf die Gastgeberin warten, die unseren ersten Versuch vorbereitet. Es war ihre Idie gewesen, die gestrigen Ereignisse praktisch zu ergründen. Dann kommt sie auch schon mit einem Arm voller Kerzen ins Zimmer und fordert uns auf, auf dem Boden Platz zu nehmen. „So, Versuch Nummer eins.“ Isa stellt vor jeden eine Kerze. „Wie wir alle gesehen haben, ist der Müllcontainer explodiert. Ich denke das war Elly, aber ...“ Sie musste es nicht aussprechen, wir alle wollten den Beweis. „Wir sollten einfach alle probieren eine Kerze anzuzünden.“ Die Blauhaarige mit den lila Augen, in denen der Forschergeist aufblitzte, ließ sich zu meiner Rechten nieder. „Die Regeln sind einfach, alles ist erlaubt, solange es nicht auf herkömmlichen Weg passiert.“ Nun sitzen wir alle schweigend in einem Kreis und starren die Kerzen an, die vor uns stehen. Es passiert absolut nichts, außer das mir langsam die Stille auf die Nerven geht. Auch Cath wird langsam unruhig und fängt an auf ihrem Platz herumzurutschen. Muss man vielleicht mehr machen als nur ein Ziel anzustarren? „Es passiert nichts.“ Tessas nüchterne Feststellung unterbricht die Stille. „Was hat Elly letztes Mal gemacht?“ Isa ist nicht gewillt aufzugeben. Die Schwarzhaarige sieht sie überrascht an. „Ich habe nur meinen Zeigefinger ausgestreckt und auf den Taschendieb gezeigt, bevor diese Stichflamme aufgetaucht ist.“ „So in etwa.“ Elly deutet mit ausgestrecktem Finger auf die Kerze, welche daraufhin zu brennen beginnt. Wir alle starren ungläubig auf den brennenden Kerzendocht. Das kann doch nicht wahr sein, der hatte Recht, man kann Feuer manipulieren und aus dem Nichts entstehen lassen. Elly, die größte von uns, tanzt wie Rumpelstilzchen um uns herum und freut sich wie ein Honigkuchenpferd. „Ich hab’s geschafft! Ich hab’s geschafft!“ Auch wir anderen sind ganz aus dem Häuschen. Keiner kann mehr ruhig sitzen und ich hoffe, dass ich das alles nicht nur träume, denn jetzt hatte auch mich die Experimentierlaune gepackt. „Und jetzt wir.“ Wir übrigen strecken unsere Finger aus und deuten optimistisch auf unsere eigenen Kerzen, mit wenig Erfolg. Es fangen keine weiteren Feuer. „So wird das nichts!“ Cath sieht uns resigniert mit ihren braunen Augen an. Die Braungelockte hingegen bleibt diplomatisch. „Wir können ja erstmal zum nächsten Versuch kommen.“ Angestachelt vom ersten Erfolg wollen wir alle nicht so einfach aufgeben. „Der Typ konnte uns einfach so beiseite wehen.“ Isa holt eine Streichholzschachtel und zündet die restlichen Kerzen an. Sie versucht Ruhe zu bewahren, aber jeder kann das spitzbübische Glitzern in ihren Augen sehen. „Darum ist der zweite Versuch das Löschen der Kerzen.“ Alle setzen sich wieder hinter ihre Kerzen und das Spiel beginnt von vorn. „Aber nicht einfach auspusten.“ Ich starre in die Flamme meiner Kerze und frage mich wie ich es am besten anstellen kann, um sie zu löschen. Was mache ich hier eigentlich? Das ist doch total lächerlich! Verstohlen schaue ich mich um. Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber diese Auren meiner Freundinnen, wie ich diesen schimmernden Schein beschlossen habe zu nennen, flackern auf einmal schneller. Ist das die Aufregung? Dann bemerke ich Tessas Blick. Wir grinsen uns an und schauen schnell wieder auf unsere Kerzen. Auf einmal ist ein lautes Klatschen zu hören! Als ich wieder aufsehe bemerke ich, dass die Kerze der Schwarzhaarigen nicht mehr brennt. „Das war damit auch nicht gemeint, du Schummlerin!“ Isa sieht Elly wütend an. Die Angesprochene hatte anscheinend direkt über ihrer Kerze in die Hände geklatscht, wodurch der entstandene Luftzug die Flamme löschte. „Ich hab nicht geschummelt!“ Ihre grauen Augen starren angesäuert zurück, während sie tief Luft holt, um richtig loszulegen. „Lasst es gut sein!“ Cath greift ein bevor noch ein ausgewachsener Streit vom Zaun brechen kann, und macht eine wegwerfende Handbewegung. Dabei kommt ein Wind auf, von der Brünetten ausgehend, und weht durch das Zimmer direkt auf die Streithähne zu. Das zu langgewordene Pony von Elly wird zerrzaust und nicht nur Caths Kerze geht dabei aus. Die Einzigen, die noch brennen, sind die von Tessa und mir. Elly streicht sich ihre Haare glatt und starrt Cath ungläubig an. Diese sieht genauso überrascht aus wie wir anderen. Sie hatte es doch tatsächlich geschafft einen Luftzug in einem windstillen Raum zu erzeugen und die brennenden Kerzen zu löschen! Daraufhin bricht ein kleines Chaos aus, in der jeder durcheinanderschreit. Man versteht nicht ein Word, das gesagt wird. Ich bin nicht die Einzige, die aufgesprungen ist, aber Cath hat in ihrem Übereifer glatt ihre Kerze umgestoßen, sodass sich das noch heiße Wachs auf dem ganzen Fußboden verteilt. Zum Glück liegt in Isas Zimmer kein Teppich. Während Isa und Cath die entstandene Sauerei beseitigen, versuche ich mich wieder zu beruhigen. „Ich würde sagen, jeder kann nur ein Element beherrschen.“ Ich zucke mit den Schultern, aber so locker wie diese Geste eigentlich wirken sollte kommt sie nicht rüber. „Elly manipuliert Feuer und Cath Luft.“ Unsere Klassenbeste ist wirklich genial. Ihre Experimente lieferten wirklich Ergebnisse, auch wenn in etwas anderer Weise als wir gedacht hätten. Obwohl keiner mehr schreit und alle sich langsam wieder beruhigen, scheint vor Spannung noch immer das ganze Zimmer zu knistern. Die Braungelockte pustet ihre noch brennende Kerze aus und ich tue es ihr gleich. Anschließend sammeln wir alle Kerzen vorsichtig ein, um das noch flüssige Wachs nicht auch noch zu verschütten, und Isa bereitet den nächsten Versuch vor. Wir waren darüber eingekommen, dass beim nächsten Experiment Elly und Cath nicht mehr mitzumachen brauchen. Darum lagen nur drei Steine auf dem Boden. Die Feuerkontrolleurin nimmt unterdessen auf dem Drehstuhl Platz und die Luftkontrolleurin macht es sich auf dem Bett gemütlich. Beide beobachten uns übrigen gespannt. Man merkt, dass sie am liebsten auch mitgemacht hätten. „Gut, kommen wir zu Versuch drei: Einen Stein ohne Berührung bewegen.“ Und wieder sitzen wir stumm im Kreis und wieder passiert zuerst nichts. Vielleicht braucht man ja eine besondere Handbewegung? So hatte ich mir unsere Experimente wirklich nicht vorgestellt, erst unerträgliches Warten und dann immer wieder ein Durcheinander, weil es doch funktioniert hat. Dasselbe scheint Tessa durch den Kopf gegangen zu sein, denn sie haut mit ihrer geschlossenen Faust auf ihren Oberschenkel. „Verdammt!“ Da tut sich endlich etwas. Der Stein der Kleinsten hüpft über den Boden als ob ihn jemand auf einer Wasseroberfläche hatte springen lassen wollen. Tessa starrt einen Moment auf den Stein, der jetzt bei Isa liegt, dann springt sie auf, „Ja! Er hat sich bewegt!“ Sie sieht aus wie ein Flummi, der außer Kontrolle geraten ist. „Beruhig dich, du Hupfdohle!“ Elly sieht ihrer Freundin belustigt zu, kann aber nicht aufhören zu grinsen. Diesmal haben wir anderen uns besser unter Kontrolle, auch wenn man meinen könnte wir hätten irgendwas genommen, da wir alle von einem Ohr zu anderen grinsen. „Welches Element fehlt jetzt noch?“ Isa schaut uns nachdenklich an, aber die Grauäugige hat bereits die Leitung übernommen und den nächsten Versuch vorbereitet. „Wir hatten Feuer, Luft und Erde. Also kommt jetzt Wasser dran.“ Elly stellt zwei Schüssel mit Wasser auf den Boden. „Ich hab schon mal welches geholt.“ Sie grinst die Lilaäugige und mich an und setzt sich wieder auf den Stuhl, während sich die Braungelockte zu Cath aufs Bett gesellt. Ich sitze mich mit dem Rücken zum Schreibtisch vor eine der Schüsseln und die Blauhaarige sitzt mit der anderen Schüssel mir direkt gegenüber. Die drei anderen sehen uns gespannt an. „Versuch Nummer vier: Das Wasser manipulieren.“ Isa und ich strecken unsere Hände über den Wasserschüsseln aus, in der Hoffnung damit etwas zu erreichen. Diesmal geht alles schnell, wobei zwei Dinge wiedermal gleichzeitig passieren als wir uns konzentrieren. Es ist ein Krachen zu hören als ob Eis brechen würde und das Wasser in Isas Schüssel wird hart und spiegelglatt. Außerdem fällt in dem Moment ein Lichtstrahl der bereits untergehenden Sonne, welche schon fast hinter dem Horizont verschwunden ist, durch das Fenster am Schreibtisch vorbei auf meine Wasserschüssel. Dabei wird das Licht komplett gespiegelt, sodass es aussieht als ob das Licht die Wasseroberfläche überhaupt nicht berührt. Aber das ist sicher nur eine optische Täuschung. Damit hat wohl keiner gerechnet, dass wir zwei verschiedene Reaktionen hervorrufen. Das gespiegelte Licht meiner Wasserschüssel wird so umgelenkt, dass es der großen Brünetten voll ins Gesicht scheint. „Hey!“ Cath blinzelt mich geblendet an. „Oh, ‘schuldigung!“ Ich fuchtle mit den Händen und weiß im ersten Moment nicht was ich tun soll. Die Entscheidung wird mir allerdings abgenommen als der Lichtstrahl einfach meiner Handbewegung folgt und einen Bogen durch das ganze Zimmer beschreibt. „Wie hast du das gemacht?“ Cath wirkt total irritiert. „Keine Ahnung.“ Ich bin nicht die Einzige, die vollkommen ratlos ist. Wenn ich die anderen gefragt hätte wie sie es denn gemacht haben, wären ihre Antworten zwar ähnlich ausgefallen, aber ich wusste ja nicht einmal was das für ein Element sein sollte. Es ist einfach so passiert. Die Experimente hatten uns in diesem Punkt nicht wirklich weitergeholfen. Ich sitze noch genauso stocksteif da wie zuvor und kann mich nicht rühren. In meinem Kopf herrscht ein einziges Durcheinander. Meinen Freundinnen scheint es ähnlich zu gehen, denn diesmal ist niemand aufgesprungen und vollführt einen Freudentanz, aber davon bekomme ich nicht viel mit. Ich starre einfach weiter auf meine Wasserschüssel und versuche das alles zu verstehen. „Okay, fassen wir zusammen: Ich bin Erde, Elly Feuer, Cath Luft und Isa Wasser, weil sich in ihrer Wasserschüssel nur noch Eis befindet.“ Tessa versucht wieder etwas Ordnung in unsere Gedanken zu bringen, in dem sie unsere Versuchsergebnisse auswertet. „Amy konnte den Lichtstrahl mit bloßen Händen umlenken. Sie ist Licht.“ Gegen diese logische Schlussfolgerung hat niemand etwas einzuwenden. „Von diesem Element hat der Typ zwar nichts gesagt, aber es erklärt so einiges.“ Ich bin froh, dass ich nicht den Verstand verliere und wenn doch, dann nicht allein. „Was willst du damit sagen?“ Die anderen sehen mich verwirrt an und ich erinnere mich, dass ich vergessen habe ihnen etwas zu sagen. „Seit gestern sehe ich bunte Schimmer um euch herum. Ich denke, das sind Auren, die anzeigen welches Element diejenigen beherrschen.“ Zu dem Schluss war ich gerade erst gekommen. „Feuer hat eine rot-schwarze, Wasser eine blau-graue, Erde eine grün-braune, Luft eine violett-weiße und Licht eine orange-beige Aura.“ Noch während ich damit Tessas Auswertung bestätige, fällt mir etwas anderes dazu ein. „Und der Taschendieb hatte eine in violett-weiß.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)