Thirst von Morwen (Alucard x Trevor Belmont) ================================================================================ Thirst ------ „Du solltest schlafen.“ Trevor, der mit halb geschlossenen Lidern vor sich hingedöst hatte, setzte sich ruckartig auf, als er die leise Stimme vernahm. Mit einiger Verspätung registrierte sein übermüdeter Verstand ihren Besitzer, und er entspannte sich wieder, als er die vertraute Gestalt des Vampirs erblickte, der in diesem Augenblick aus den Schatten trat und sich neben ihm auf dem staubigen Boden niederließ. Das Zimmer um sie herum lag im Dunkeln, nicht einmal die Glut im Kamin erhellte es länger. Das Feuer war mittlerweile heruntergebrannt und die Wärme, die die glühenden Holzscheite verbreiteten, schwand mit jeder Minute mehr dahin. Wenn sie nicht bald Holz nachlegten, würde das Feuer gänzlich erlöschen. Ächzend beugte sich Trevor vor und griff über Syphas Kopf hinweg nach einem Scheit, um es in die Glut zu werfen. Die Sprecherin hatte sich neben ihm unter einer Decke vor dem Kamin zusammengerollt und schlief tief und fest den Schlaf der Gerechten. Fast beneidete Trevor sie darum. Für einen Moment geschah nichts, doch dann sprangen die Funken über und Flammen leckten an dem Holz empor, das bald darauf knisternd und knackend zu lodern begann. Mit einem zufriedenen Seufzen lehnte sich Trevor wieder zurück und streckte die nackten Füße in Richtung des wiedererwachenden Feuers aus, um seine Zehen zu wärmen. Alucard runzelte die Stirn, doch er ersparte sich einen Kommentar, wofür Trevor dankbar war. Sie waren tagelang durch Eis und Schnee gewandert, und erst in dem verlassenen Bauernhof, den sie in dieser Nacht als Unterkunft gewählt hatten, hatten sie es zum ersten Mal seit einer Woche wieder gewagt, ein Feuer zu entfachen. Trevor würde einen Teufel tun, sich den Luxus warmer Luft an seinen durchgefrorenen Füßen entgehen zu lassen. Er sah kurz zu dem Vampir hinüber, dessen Blick auf die flackernden Flammen im Kamin gerichtet war. Wie so oft war Alucards Gesicht eine undurchdringliche Maske und es war unmöglich zu sagen, woran der andere Mann in diesem Moment dachte. „Ich traue dem Frieden nicht“, gab Trevor schließlich zurück. Ein Schauer lief über seinen Rücken, als sich die goldenen Augen des Vampirs auf ihn richteten. „Du solltest trotzdem ruhen“, sagte Alucard leise. „Du bist nur ein Mensch, dein Körper hat seine Grenzen.“ Trevor schnaubte. „Ich weiß nicht, ob das ein Kompliment sein soll oder eine Beleidigung.“ „Es war lediglich eine Feststellung, Trevor Belmont“, entgegnete Alucard, und erneut lief ein Schauer über Trevors Rücken, der jedoch nichts mit der Kälte zu tun hatte, sondern mit der samtweichen Stimme, mit der der andere Mann seinen Namen aussprach. Er drehte das Gesicht zur Seite und sah wieder ins Feuer, er konnte den Blick dieser Augen plötzlich nicht mehr ertragen. „Was ist mit dir?“, fragte er dann. „Du bist halb Mensch, solltest nicht auch du Müdigkeit spüren?“ Alucard lachte leise. „Ich habe ein Jahr lang geschlafen“, erwiderte er. „Glaub mir, Müdigkeit ist das letzte, was ich spüre.“ Die Aussage weckte Trevors Neugier. In der für seine Familie üblichen Tradition war er von klein auf zum Monsterjäger erzogen worden und hatte jahrelang die verschiedenen Arten studiert. Einem Vampir-Hybriden war er bislang jedoch noch nicht begegnet. „Doch du kannst schlafen, wenn du dich dazu entscheidest?“, bohrte er weiter. „Ich kann“, sagte Alucard geduldig. „Alle paar Wochen muss ich es sogar. Doch für gewöhnlich komme ich den Rest der Zeit ohne Schlaf aus.“ „Mmh“, machte Trevor. Es war das erste Mal, seitdem sie sich begegnet waren, dass der andere etwas über sich selbst preisgab, anstatt sämtliche Fragen in dieser Richtung höflich, aber nachdrücklich abzublocken. Trevor ließ sich rückwärts auf das Lager aus Decken und Fellen sinken, das vor dem Feuer ausgebreitet war, und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Was noch?“, fragte er dann. „Du verträgst Sonnenlicht, so viel ist klar. Aber was ist mit Kreuzen oder Weihwasser? Und wie sieht es mit der Blutsaugerei aus?“ Alucard überlegte einen Moment. „Weihwasser und die heiligen Symbole schmerzen, doch sie sind nicht tödlich“, sagte er. „Und der Schmerz ist anhängig vom Glauben desjenigen, der ihn verursacht. Nur jene, die einen tiefen Glauben an Gott besitzen, können mir tatsächlich Schaden zufügen.“ Er sah in die Flammen und ein seltsamer Ausdruck trat in seine goldenen Augen. „Was das Blut angeht... Ich brauche es nicht zum Überleben“, fuhr er fort. „Es verstärkt für kurze Zeit meine Kräfte oder hilft mir, mich bei schweren Verletzungen schneller zu regenerieren, doch ich bin nicht abhängig davon.“ Plötzlich richtete sich sein Blick auf Trevor. „Doch der Durst...“, sagte er leise, „... der Durst ist immer da.“ Trevor starrte regungslos zurück, als würde der brennende Blick des Vampirs ihn festhalten, und für einen Moment sprach keiner von ihnen ein Wort. Dann senkte Alucard den Kopf. „Ich werde Wache halten“, sagte er und erhob sich. „Schlaf, Trevor Belmont. Die Monster werden früh genug zurückkehren.“ Er schlang den Mantel fest um seine Schultern und schritt an Trevor vorbei hinaus in die Nacht. Trotz seiner Müdigkeit sollte es jedoch lange dauern, bis der andere Mann endlich Schlaf fand.   ~*~   „Beweg deinen Hintern, Belmont!“, rief Sypha und schleuderte mehrere Feuerbälle in Trevors Richtung, die ihn nur um Haaresbreite verfehlten und stattdessen den Schwarm von Harpyien hinter ihm trafen, welche daraufhin kreischend auseinanderstoben. Sie hatten ihr Lager an diesem Tag in einem alten Turm aufschlagen wollen und erst zu spät gemerkt, dass er bereits bewohnt war... sehr zum Missfallen der Harpyien. „Was glaubst du, was ich hier tue!“, brüllte er zurück und rannte ohne innezuhalten weiter, um wie Sypha hinter einer verfallenen Mauer Schutz zu suchen. In der kurzen Zeit, die es ihn gekostet hatte, in Deckung zu gehen, hatte sich der Schwarm erneut formiert, und einen Moment später stürzte er sich schon wieder geschlossen auf sie. In letzter Sekunde beschwor Sypha einen Wall aus Eis herauf, und viele der Harpyien, die nicht rechtzeitig ausweichen konnten, prallten dagegen und fielen mit gebrochenem Genick zu Boden. Die Handvoll, die überlebten, flatterten schreiend davon. Trevor erledigte sie eine nach der anderen mit der Peitsche, bevor sie weitere Monster anlocken konnten, und schließlich war die kalte Winterluft um sie herum wieder still, während der Schnee zu ihren Füßen mit Blut getränkt war. „Ekelhaft“, kommentierte Sypha mit angewiderter Miene und streifte die blutverklebten Sohlen ihrer Stiefel an der Mauer ab. Auch Trevor war nicht begeistert davon, Überreste der Harpyien von seinem Mantel pflücken zu müssen, und warf Alucard, der nur wenige Meter entfernt an der Mauer lehnte, einen finsteren Blick zu. „Vielen Dank für die Hilfe“, stieß er hervor. „Ich hoffe, du hast das Spektakel genossen!“ Alucard zuckte nur mit den Schultern, eine fließende Bewegung, die genauso wie alles andere an ihm elegant und perfekt war. Trevor wollte ihn erwürgen. „Ihr scheint gut ohne mich klargekommen zu sein“, sagte er. „Mit dir wäre es aber gar nicht erst so eskaliert!“, erwiderte Trevor hitzig. „Gewöhnt euch nicht daran, dass ich euch jederzeit unterstützen werde.“ Die Stimme des Vampirs war ungerührt. „Ihr müsst wachsam bleiben. Je näher wir dem Schloss meines Vaters kommen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass wir auf einen Gegner treffen, mit dem selbst ich es nicht mehr aufnehmen kann. Und wenn ich nicht mehr bin, dann seid ihr zwei die letzte Hoffnung der Menschheit.“ Die Nüchternheit, mit der der andere seinen möglichen Tod heraufbeschwor, brachte Trevor für einen Moment aus dem Konzept. Doch die Wut war noch immer da, und sie half ihm, sich schnell wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Soll das heißen, dies war lediglich eine Übung, damit wir nicht einrosten?“, fragte er aufgebracht. „Willst du mich verarschen? Ich habe mein ganzes Leben lang gegen Monster gekämpft, ich brauche mit Sicherheit kein weiteres Training mehr!“ „Auch wenn ich den vulgären Ton nicht gutheiße: wo er Recht hat, hat er Recht“, schloss sich nun auch Sypha an. „Wir kämpfen diesen Kampf schon seit Jahren. Wir wissen, was wir tun.“ Ein gefährlicher Ausdruck trat in Alucards Augen und für einen kurzen Moment flackerten sie in einem blutroten Licht, bevor der Vampir sich wieder unter Kontrolle hatte. „Ihr habt keine Ahnung, was vor euch liegt“, sagte er leise. „Ihr habt Teile der Horde gesehen, doch ihr wisst nicht, was für Monster euch noch alles erwarten. Von heute an solltet ihr jede Minute, jeden Augenblick auf der Hut sein, denn es könnte euer letzter sein.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und stapfte durch den Schnee davon. Sypha und Trevor tauschten einen Blick. In letzter Zeit kam es häufiger vor, dass Alucard die Geduld mit ihnen verlor, doch an diesem Tag war es ganz besonders schlimm. Trevor verdrehte genervt die Augen, während Sypha nur mit den Schultern zuckte und seufzte, als wollte sie sagen: Es hilft alles nichts. Doch Trevor würde die Worte des anderen nicht so schnell vergessen, das schwor er sich. Schließlich ließen sie das Schlachtfeld hinter sich und folgten schweigend dem Vampir.   ~*~   „Du machst dir Sorgen“, sagte Trevor an diesem Abend, als sie zu zweit am Feuer saßen. Sypha hatte sich bereits schlafen gelegt, der exzessive Einsatz ihrer Magie hatte sie völlig ausgelaugt. Der Vampir warf Trevor einen kurzen Blick zu. Seine sonst so klaren, goldenen Augen waren seit einigen Tagen dunkler als sonst, als würde die anhaltende Finsternis, die diese Länder heimsuchte, selbst ihr Licht trüben. „Ist das so offensichtlich“, entgegnete er. Es war keine Frage. „Für jemanden, dessen Gesicht für gewöhnlich eine verdammte Mauer ist, ja“, meinte Trevor und nahm einen Schluck aus der Weinflasche, die er am Morgen im Keller eines verlassenen Hauses entdeckt hatte. Alucard lächelte. „Du scheinst mich besser zu kennen, als ich dachte, Trevor Belmont“, sagte er. „Was soll ich sagen – ich jage Monster“, brummte Trevor. „Die Gesichter anderer zu lesen ist mein Beruf.“ „Ist das so.“ Alucards Blick richtete sich erneut auf Trevor, als dieser die Flasche an den Mund setzte und trank. Doch es war nicht sein Gesicht, das er ansah, sondern sein... Kinn? Trevors Augen weiteten sich. Nein. Seinen Hals. Der Sohn von Dracula starrte seinen Hals an, wie ein Verdurstender in der Wüste einen Brunnen anstarren würde. Langsam ließ Trevor die Flasche sinken. „Adrian“, sagte er leise. Der Blick des Vampirs flog hoch zu seinen Augen und Entsetzen trat auf sein Gesicht. „Verzeih!“, stieß er hervor. „Belmont, ich schwöre–!“ „Darum warst du heute so schlecht drauf“, unterbrach ihn Trevor jedoch nur. Plötzlich überkam ihn eine seltsame Ruhe und er stellte die Flasche beiseite. „Du hast Durst. Und du kannst ihn kaum noch ertragen.“ „Ich brauche kein Blut!“, sagte Alucard vehement. „Ich bin kein Monster, das sich nicht kontrollieren kann... ich bin besser, als mein Vater!“ „Das bezweifelt auch niemand“, entgegnete Trevor leise. Er streckte die Hand aus und legte sie auf den Arm des anderen Mannes. „Wieviel?“, fragte er ruhig. Alucard starrte ihn an. „... was?“ „Wieviel brauchst du?“, wiederholte Trevor geduldig. Der Vampir schwieg. Trevor seufzte. „Hör mal, ich mache dir hier ein Angebot, falls das nicht offensichtlich ist“, sagte er. „Ich möchte mein Blut mit dir teilen. Meine Vorfahren werden zweifellos im Grabe rotieren, aber wenn es dir danach besser geht, gehe ich das Risiko ein.“ „... das kann ich nicht annehmen“, wisperte Alucard. „Ich bestehe darauf“, erwiderte Trevor stur. „Allein, weil ich nicht herausfinden möchte, was passiert, wenn der Durst noch schlimmer wird. Also trink, solange du noch halbwegs bei klarem Verstand bist.“ Die goldenen Augen des Vampirs schlossen sich für einen Moment und Trevor fragte sich, ob ihm jemals aufgefallen war, was für lange Wimpern der andere Mann eigentlich hatte. (Nur um sich einen Moment später zu fragen, seit wann zum Teufel er auf so etwas wie Wimpern achtete.) Schließlich richtete sich Alucards Blick wieder auf ihn. „Nun gut.“   ~*~   Trevor fühlte sich seltsam leicht, fast als würde er schweben. Die Welt drehte sich um ihn und er fühlte sich entspannt und warm. Es erinnerte ihn an die zahllosen Nächte, in denen er Zuflucht im Alkohol gesucht hatte. Doch dies war eine ganz andere Art von Rausch. Alucard hielt ihn sicher in den Armen, während er langsam und allmählich das Leben aus ihm heraussaugte. Trevor fragte sich, ob Sypha einen Herzstillstand bekommen würde, wenn sie in diesem Moment erwachen und sie so sehen würde. Doch obwohl er wusste, dass das Vertrauen, das er in den anderen Mann setzte, seinen Tod bedeuten könnte, war es ihm völlig gleich. Wenn er auf diesem Wege aus dem Leben scheiden sollte – warm und geborgen – nun... es wäre sicherlich nicht das schlechteste Ende für jemanden aus seiner Familie. „Adrian“, murmelte er und stöhnte leise, als die langen Fingernägel des Vampirs durch seine Haare kämmten und sacht über seine Kopfhaut kratzen. „Adrian...!“ Die goldenen Augen, die sich geschlossen hatten, als Alucard seine Fänge in Trevors Hals versenkt hatte, öffneten sich und warfen ihm einen amüsierten Blick zu. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du verdammt lange Wimpern hast?“, fragte Trevor, und der Vampir lachte leise. „Nein... du bist der erste“, erwiderte er. „Und ich verspreche dir, dass ich dich daran erinnern werde, sobald der Rausch vorüber ist.“ „Welcher Rausch? Ich fühle mich fantastisch.“ Ein glückseliges Lächeln legte sich auf Trevors Gesicht. „Ja“, sagte Alucard. „Genau das meine ich.“ Doch in seiner Stimme lag bei diesen Worten eine Wärme, die Trevor nicht von ihm gewohnt war. Dann presste Alucard einen Kuss auf Trevors Hals, der die Wunde verschloss, und den Mann in seinen Arm erschaudern ließ. „Danke, Trevor Belmont“, sagte der Vampir leise und küsste ihn auf die Stirn und das war das letzte, was Trevor spürte, bevor ihn die Dunkelheit empfing.   ~*~   „Was zum...!“, begann Sypha, als sie am nächsten Morgen erwachte und die beiden Männer erblickte, die neben ihr gemeinsam unter einer Decke schliefen. „Das kann nicht euer Ernst sein!“, rief sie. „Hat etwa niemand heute Nacht Wache gehalten?“ Trevor blinzelte im hellen Licht der Sonne und löste sich dann vorsichtig aus Alucards Armen, bevor er sich gähnend hochstemmte. „Es ist nicht das, wonach es aussieht, ich schwöre es“, murmelte er schlaftrunken. Sypha starrte das Mal an seinem Hals an. „Sicher.“ Trevor rieb sich schuldbewusst den Nacken. „Okay, es ist vielleicht ein bisschen das, wonach es aussieht, aber wir hatten gute Gründe...?“ Dass es das jedoch nicht besser machte, erkannte er schnell an ihrem finsteren Gesichtsausdruck und dem Schnauben, das sie von sich gab, bevor sie sich abwandte. „Zieh dich an Belmont, wir haben heute noch einen weiten Weg vor uns!“ Mit diesen Worten entfernte sie sich und ließ den beiden Männern etwas Privatsphäre. Alucard hatte sich während ihres Streits mit katzengleicher Eleganz erhoben und zog sich gerade seinen Mantel über. Dann strich er sein langes, blondes Haar zurück, das wie flüssiges Gold über seine Schultern floss. Trevor hasste ihn. Das hieß, er versuchte es... doch heute wollte es ihm nicht so recht gelingen. „Danke für das, was du letzte Nacht für mich getan hast“, sagte Alucard leise. „Du kannst dich vermutlich kaum noch daran erinnern, aber–“ „Oh, ich erinnere mich, glaub mir“, unterbrach ihn Trevor. Denn das tat er. Intensiv. Auch wenn er noch nicht genau wusste, was er von dem Glücksgefühl halten sollte, das er dabei empfand. „Und ich bestehe darauf, dass du das nächste Mal sofort zu mir kommst, bevor es wieder so schlimm wird. Hast du verstanden?“ Jäger und Vampir sahen sich einen langen Moment im Licht der aufgehenden Morgensonne an. Dann lächelte Alucard. „Ja“, erwiderte er. „Ich denke, das habe ich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)