Operation Manager von tournesol (— friendly mind games) ================================================================================ Kapitel 1: 12:49 Uhr; Mittagspause ---------------------------------- „Du könntest auch einfach vorbeikommen.“ Die Veränderung, die mit den zusammengepressten Lippen kam, war genug. Shoichi lehnte sich in seinem unbequemen Plastikstuhl zurück und streckte die Beine aus. Was er sagen wollte, war gesagt. Mayuzumi Chihiro war kein Mensch, der mit einer ausdrucksstarken Mimik geboren worden war, aber Shoichi war lange genug mit ihm befreundet um zu wissen, wie weit er eine Idee treiben konnte, bevor er sich vor ihr verschloss. „Könnte ich.“ Die Antwort war präzise in ihrer Ausführung, die zwei Worte vorsichtig und zielgerichtet ausgesprochen, aber auch wenn der Unterton scharf klarzustellen versuchte, dass können nicht würden bedeutete, der Gedanke sass nun. Mayuzumi würde sich mit ihm befassen und das war alles, was man in ein Gespräch über einem halb gegessenen Mittagsmenü zu erreichen wollen sollte. Für einen kurzen Augenblick sassen sie einander stumm gegenüber, einer grantig und verspannt, einer betont lässig die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Dann senkte Mayuzumi wieder den Kopf und seine dunklen, unlesbaren Augen wurden von einem Vorhang silbergrauer Strähnen verdeckt. „Ich hab mein Formblatt für die Bachelorarbeit abgegeben“, begann Shoichi nach einem weiteren Moment der Stille, sein Tonfall unverfänglich. Eine stille Friedenserklärung. Mayuzumi reagierte nicht sofort, stocherte stattdessen in seiner Reisschale herum. In manchen Situationen war klarer als in anderen, wie sehr es ihn beunruhigte, Aufmerksamkeit zu erhalten. Er war trotz seiner auffälligen Haarfarbe, der überdurchschnittlichen Körpergrösse und dem hübschen Gesicht einer dieser Menschen, die in der Menge in Bedeutungslosigkeit zerfielen: keinen weiteren Gedanken, geschweige denn eine Erinnerung wert. Früher war es seine Waffe gewesen, aber jetzt, drei Jahre später, spielte Mayuzumi nicht mehr Basketball und Shoichi beabsichtigte nicht, ihn wieder in alte Muster zu zwängen. Was die Mannschaft brauchte war ein Manager; jemand mit einem kühlen Kopf, einem soliden Verständnis für den Sport, jemand der mit den Spielern auskam und sich nicht unterbuttern liess. Shoichi wollte ihn nicht dafür an Bord, niemand zu sein, er wollte Mayuzumi, damit er Mayuzumi war und seinen Job tat. „Ich verstehe nicht, wie du keinen Ärger gekriegt hast.“ Sein Freund klang trocken, aber Shoichi wusste, wie er aussah, wenn er ein Lächeln zu unterdrücken versuchte: ein Zucken im Mundwinkel, die Augenbrauen etwas zusammengezogen, als wolle er Belustigung mit Irritation bekämpfen. Mayuzumi hob den Kopf nur leicht, aber es war alles da. „Entschuldige mal, ich war pünktlich.“ Shoichi grinste und griff nach seinem Karton Orangensaft. „Auch eine Abgabe am Tag der Deadline ist noch gültig.“ „Wie Professor Kataoka dich noch nicht wieder abgegeben hat, das verstehe ich nicht.“ Mayuzumi nahm einen Happen zu sich, aber dieses Mal war das Lächeln unübersehbar. Etwas überheblich, vielleicht, aber das war akzeptabel. Es war ehrlich gemeint. Fortschritt kam zu denen, die sich in Geduld übten. „Professor Kataoka weiss, dass ich zu gegebener Zeit alles, was da sein muss, liefern kann. So etwas nennt man Vertrauen. Könnte dir auch gut tun.“ Shoichi grinste, sein Gegenüber schnaubte und ass weiter. „Ich hab Vertrauen. Nur nicht in dich.“ „Das ist die grösste Lüge, die ich diese Woche gehört hab.“ Eine Hand auf die Brust gepresst setzte sich der Ältere auf, gespielt entgeistert. „So behandelt man keine Freunde, mein Lieber, das tut weh!“ Mayuzumi schaute in einem weiteren erfolglosen Versuch, ein Lächeln zu verstecken, zur Seite. „Wenn du unser Manager wirst, kannst du dafür sorgen, dass wir alle unsere Arbeiten richtig priorisieren“, brannte ihm auf der Zunge, aber Shoichi liess das Bedürfnis verstreichen. Mayuzumi mochte vorgeben, ihm nicht zu vertrauen, aber das hiess nicht, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte. Das Anliegen war vorgetragen, es würde mit Respekt behandelt werden. „Ihr habt um vier Training, hast du gesagt?“ Die Frage war zögerlich, auch wenn Shoichi wusste, dass sie lässig und nonchalant klingen sollte. Sein Grinsen wurde breiter als er beobachtete, wie Mayuzumi den Stuhl zurückschob und aufstand. „Essen zu verschwenden ist nicht nachhaltig, Chihiro.“ Shoichi erntete eine hochgezogene Augenbraue. „Das deute ich als ein Ja.“ „Lass da, ich esse für dich fertig.“ Mayuzumi verdrehte die Augen, aber er lachte. Shoichi wagte mal zu behaupten, dass Operation Manager ein voller Erfolg gewesen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)