Die 12 Prüfungen der Shina Fay von BlueGenie1974 ================================================================================ Kapitel 13: 11. Prüfung - Kingsor der Nekromant ----------------------------------------------- 11. Prüfung - Kingsor der Nekromant Eteria im Jahr des Igels Ein Sturm tobte und die Wellen brachen sich an den schroffen Felsen. Kingsor, der Nekromant, stand, von seinen Dienern umringt, am Grab von Königin Vivian, der einstigen Herrscherin von Iberia. Hier, am Dead Mans Point, ihrem Lieblingsplatz, hatte er sie zu Grabe getragen, nachdem das Volk von Iberia, die einstige Regentin durch Gift, eine Mischung aus Schierling und Fingerhut, hatte hinrichten lassen. 17 Jahre war das jetzt her. Und nun war es an der Zeit, der Frau gegenüberzutreten, der die einstige Königin von Iberia ihren Untergang zu verdanken hatte. Shina Fay, Königin von Eteria. In Endor, der Hauptstadt von Shina Fays Königreich fand das traditionelle Frühlingsfest statt. Ihre Tochter, Prinzessin Naytiri war zu einer richtigen Schönheit herangewachsen. Ihre Mutter Shina Fay, inzwischen 98 Elfenjahre alt, hatte alle Mühe, ihre Tochter zu bändigen. Denn diese erwies sich als regelrechter Wildfang, den man nur schwer unter Kontrolle halten konnte. „So war ich auch mal.“, dachte die Königin und musste dabei lächeln. Ihre Freundin Liasanya, die Waldelfe aus Coluacan, kam zu ihr in den Garten. „Bedrückt dich etwas?“ „Ich mache mir ernsthafte Sorgen um Naytiri. Sie ist so draufgängerisch in der letzten Zeit.“ „Das waren wir alle, als wir noch jung waren. Aber ich habe eine Idee, was du tun kannst. Du kennst ihre Fähigkeiten. Du weißt wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Fördere sie. Lass sie lernen. Und lass sie vor allem an ihre Grenzen gehen.“ „Was meinst du?“ „Lass Naytiri doch das Jahrgangsturnier in deinem Dorf bestreiten.“, sagte Liasanya. „Keine schlechte Idee. Dann hat sie ein Erfolgserlebnis und kann davon lange berichten. Mit dem Bogen und dem Schwert kann Naytiri ja gut umgehen. Nur der Dolch ist ihr Manko.“ „Lass mich nur machen. Ich werde deiner Tochter Nachhilfe geben.“ In den Vororten der Stadt trieb sich ein Sklavenhändler herum, auf der Suche nach Frischfleisch. Als er Shina Fays Tochter gesehen hatte, hatte er das große Geschäft gewittert und seine Häscher hinterher geschickt. Doch Naytiri erwies sich harte Nuss. Den ersten packte sie an beiden Ohren und bewegte dessen Kopf hin und her und brach ihm das Genick. Bei den anderen beiden war die Königstochter auf die Hilfe eines Soldaten angewiesen, der sie in einem Hauseingang versteckte. Diesen wollten die Häscher ebenfalls festsetzen, doch auch der Fedeikin war ein harter Brocken. Er verpasste den beiden einen Schlag ins Gesicht und die beiden Häscher machten Bekanntschaft mit der Hauswand. „UND JETZT DIE TÜR AUF!“ Naytiri öffnete den oberen Teil und schlug sie den beiden Häschern des Sklavenhändlers ins Gesicht. 304 Die Prinzessin konnte entkommen. Doch nun hefteten sich der Sklavenhändler und sein letzter Häscher an ihre Fersen. In einem Hauseingang konnte sich Naytiri eine Weile ausruhen. Als sie die Tür vorsichtig wieder öffnete, sah Shina Fays Tochter den Häscher und seinen Herrn. Der Handlanger wollte gerade einen Fuß in die Tür stellen als die Prinzessin ihm diese mitten ins Gesicht schlug. Als sie die Tür wieder öffnete, wollte nun der Händler diese blockieren. Doch die Königstochter schlug ihm wieder ein Schnippchen. Sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu, aber etwas zu fest, denn der Sklavenhändler ging mit dem Kopf durch das Holz. „Manieren sind hier! Das nächste Mal klopfst Du an!“, sagte Naytiri und schlug dem Händler ins Gesicht. Dieser fiel nach hinten um. „Der Typ scheint ja die Fallsucht zu haben.“ Später am Abend suchte Naytiri ihre Mutter auf. „Wusstest du, dass ein Sklavenhändler in unserer Stadt sein Unwesen treibt, Mutter?“, fragte sie. „Ein Sklavenhändler? Bist du dir da absolut sicher?“ „Ja das bin ich. Und wie.“ „Und was macht dich da so sicher?“ „Wenn mir jemand seine Häscher auf den Hals hetzt, dann ist es doch naheliegend, dass er mich als Sklavin verkaufen will.“ „Und wie sah er aus?“, wollte Shina Fay wissen. „Die Fresse vergess ich nie, Mutter.“ „Das ist mir schon klar Naytiri. Du sollst ihn mir beschreiben. Ich will ihn festnehmen lassen.“ „Verstehe. Also: Der Typ hat einen schwarzen Vollbart, eine Nase wie ein Geierschnabel. Dann hat er braune Augen und einen gebräunten Teint. Kommen wir zur Kleidung. Der Händler hat eine rot-goldene Dschellaba und einen schwarzen Turban getragen. Die Schuhe waren auch auffällig. Der Händler hatte schwarze Lederstiefel mit goldenen Verzierungen getragen, die vorne nach oben gebogen waren.“ „War sonst noch etwas auffällig an dem Kerl?“ „Oh ja, Mutter. Der Typ hat eine Narbe, die sich die gesamte rechte Backe entlangzieht.“ „Ahmed.“ „Du kennst ihn?“ „Nur den Namen. Aber soll für das Verschwinden vieler junger und schöner Frauen verantwortlich sein.“ „Wenn das stimmt, dann ist es kein Zufall, dass er ausgerechnet jetzt hier in Eteria aufkreuzt und sich ausgerechnet deine Tochter krallen will.“ Am nächsten Morgen suchte Ahmed ganz Endor nach Naytiri ab. Er wollte Shina Fays Tochter um jeden Preis. Denn sein Auftraggeber wollte eine Elfenprinzessin und war bereit, dafür eine ordentliche Summe Geld auf den Tisch zu blättern. Noch ahnte der Sklavenhändler aus Kartai nicht, dass sich dieser Auftrag für ihn zu einem Boomerang entwickeln würde. Sein Häscher hatte gerade Prinzessin Naytiri entdeckt. „Da ist sie, mein Gebieter.“, sagte er. „Dann hinterher. Aber dieses Mal unauffällig.“ Doch Shina Fays Tochter war nicht auf den Kopf gefallen. Bei der erstbesten Gelegenheit 305 konnte sie ihre Verfolger abschütteln. An einem Haus, dessen Wand gerade neu gestrichen wurde, stand eine Leiter. Naytiri bemerkte eine beschädigte Sprosse. Doch das hielt die Prinzessin nicht davon ab, diesen Fluchtweg zu nehmen. „Hassan, Du tolpatschiger Eierrührer, willst du zusehen, wie uns Shina Fays Tochter entwischt? Los hinterher!“ Ahmeds Handlanger kletterte Naytiri nach. Doch im Gegensatz zu Shina Fays Tochter trat er auf die beschädigte Sprosse, sodass diese brach. Dadurch verlor Hassan das Gleichgewicht und fiel mit der Leiter um. Ahmed schlug eine Hand vor sein Gesicht. „Wie kann man nur so blöd sein?“, fragte er sich und verließ den Platz. Wenn sein Handlanger Naytiri nicht zu fassen bekam, dann musste er es eben selbst machen. Doch auch er sollte kein Glück haben. Denn die Prinzessin schlug auch ihm ein Schnippchen. Als er sie schon fast hatte, schlug sie ihm eine Glastür vor der Nase zu und Ahmed ging zu Boden. Er verdrehte die Augen und musste sich schütteln um nicht bewusstlos zu werden. Doch plötzlich packte ihn jemand am Ohr. „Lümmel dich hier nicht so auf dem Fußboden rum!“, sagte eine Frauenstimme. Ganz langsam drehte der Sklavenhändler den Kopf und sah in Liasanyas Gesicht. Ein Schlag ins Gesicht beförderte ihn ins Reich der Träume. Als Ahmed wieder zu sich kam sah er, dass er sich im Kerker befand. In der linken Ecke des Raumes stand Naytiri, Shina Fays Tochter. Diese trug ein blaues Kleid mit langen Ärmeln, das bis auf den Boden reichte mit goldenen Ornamenten am Dekolleté und den Schulterstücken. An den Füßen trug sie dunkelblaue Sandaletten mit goldenen Ornamenten. Ihre blauen Augen, die sonst gütig und freundlich dreinblickten waren nun voller Zorn und Hass. Das runde hübsche Gesicht, mit den sinnlichen Lippen und der hübschen Nase passte irgendwie gar nicht zu dem Ausdruck in Naytiris Augen. Ihre sonst dunkelbraunen Haare wiesen an einigen Stellen blonde Strähnen auf. Shina Fays Tochter trug ihr Haar offen, sodass es bis zu ihren Schultern reichte. Ahmed drehte den Kopf in Naytiris Richtung, denn er hörte, wie man die Kerkertür öffnete. Eine Frau trat ein. Der Sklavenhändler wusste sofort, wen er vor sich hatte. Es war Shina Fay, Eterias Königin. Ahmed bekam es mit der Angst zu tun. Denn Shina Fay war dafür berüchtigt, mit ihren Gefangenen nicht gerade zimperlich umzugehen. „Also Ahmed. Ich nehme an, du weißt, wonach ich dich befragen will.“ „Nein. Aber es wird etwas wichtiges sein, wenn du dich persönlich bemühst.“ „Du sagst es. Für mich ist es von größter Wichtigkeit.“ „Lass mich mal Mutter.“ Naytiri rammte dem Sklavenhändler mit voller Wucht ihren Ellbogen in die Magengrube. „Nu hör mal, mit deinem schwarzen Turban auf der Knolle siehst du zwar aus, wie ne bildschöne Marktfrau, aber: Ich behandele dich anders! 306 Na was hör was ich jetzt? Also fang an zu singen!“ Wieder wurde die Tür des Kerkers geöffnet. Dieses Mal traten Katja und Danilo ein. „Und habt Ihr diese Käsemilbe schon weichgeklopft?“ „Noch nicht. Aber das wird noch.“, sagte Naytiri. „Lass meine Schwester mal ran. Diesen krummen Vogel kriegen wir schon zum Singen.“ Katja hatte inzwischen ein Etui geöffnet und eine Nagelzange herausgeholt. „Was willst du denn damit?“, fragte Shina Fay. „Pass gut auf.“ Dann nahm Katja Ahmeds rechte Hand und setzte die Zange am Daumen an. Mit einem Ruck riss die Drachenkriegerin dem Sklavenhändler den Nagel aus. Ahmed schrie vor Schmerzen laut auf. „Also: Wer ist dein Auftraggeber?“, fragte Shina Fay. „Von mir erfahrt Ihr nichts.“ „Katja, wärest du so liebenswürzig und waltest deines Amtes?“ „Mit dem größten Vergnügen.“ Dieses Mal riss Katja Ahmed den Nagel des rechten Zeigefingers aus. „Okay! Okay! Ich packe aus!“, sagte der Händler. „Das will ich hoffen. Sonst sage ich Katja, dass sie dir auch noch den Nagel an deinem Mittelfinger ausreißen soll.“ „Nein! Bitte!“ Schließlich wusste Shina Fay, was sie wissen wollte. Der Auftraggeber Ahmeds war ein Scheich namens Abdullah Khan. „Was machen wir mit ihm?“ „Töten wir ihn. Das wäre das menschlichste.“ „Warum denn töten? Schicken wir ihn mit leeren Händen zu Abdullah Khan zurück.“ „Dann bringt der ihn um. Egal, wie du es drehst und wendest Naytiri. Ahmed ist so oder so ein toter Mann.“, sagte Katja. „Warum schlagen wir nicht zwei Fliegen mit einer Klappe? Wir stellen Ahmed hier vor Gericht, vollstrecken das Urteil und schicken ihn dann zum Scheich.“ Dieser Vorschlag kam von Danilo. „Keine schlechte Idee.“ An Ahmed gewandt, sagte Shina Fay: „Bete zu deinem Gott Allah, dass unser Lord Oberrichter gnädig mit dir ist.“ Am nächsten Tag war dann die Gerichtsverhandlung. Den Vorsitz in dieser Verhandlung führte Sir James Barnet, der Lord Oberrichter. Als er und seine beiden Assistenten den Saal betraten, rief der Gerichtsdiener: „ERHEBEN SIE SICH!!!!“ Mit einer knappen Geste wies der Richter die Anwesenden an, sich wieder zu setzen. Ahmed, der neben seinem Verteidiger auf der Anklagebank Platz genommen hatte, sah sich den Lord Oberrichter genau an. Sir James Barnet hatte stechende blaue Augen. Außerdem besaß er einen schlanken und athletischen Körper. Seine blonden Haare waren unter einer weißen Perücke verborgen. Bekleidet war Sir James mit einer schwarzen Hose und schwarzen Schuhen. Dazu trug er ein weißes Hemd und eine grüne Weste. Darüber trug er noch eine goldbraune Jacke, über die er noch den Mantel des Richters gelegt hatte. 307 „Ahmed Beytullah, Händler aus Kartai. Ihr werdet beschuldigt, einen Angriff auf das eterianische Königshaus unternommen zu haben, indem Ihr versucht habt, Prinzessin Naytiri zu entführen. Wie bekennt Ihr euch?“ „Nicht schuldig.“ „Dann würde ich gerne den ersten Zeugen hören.“ „Das Gericht ruft Prinzessin Naytiri in den Zeugenstand.“ Die große Doppeltür aus Eichenholz öffnete sich und Shina Fays Tochter betrat den Gerichtssaal. Wie schon am Vortag trug sie ihr pfauenblaues Kleid. Als die Prinzessin Platz genommen hatte, begann der Staatsanwalt sein Verhör. „Prinzessin Naytiri. Wäret Ihr so freundlich, uns die Vorgänge vom 16. und 17. dieses Monats zu schildern?“ „Sehr wohl.“ Dann schilderte Naytiri, was sich vor zwei Tagen ereignet hatte. „Würden Sie sagen, dass der Angeklagte die Absicht hatte, eurem Haus zu schaden?“, fragte der Staatsanwalt. „EINSPRUCH! Es ist absolut unerheblich, ob der Angeklagte dem eterianischen Königshaus schaden wollte oder nicht.“ „Einspruch abgelehnt. Beantworten Sie bitte die Frage.“ „Ja, der Angeklagte hatte die Absicht meiner Familie zu schaden.“ 11 weitere Zeugen wurden gehört, darunter Shina Fay selbst. „Ihr Zeuge.“, sagte der Staatsanwalt, als er die Befragung der Königin beendet hatte. „Königin Shina Fay. Würden Sie die Aussagen ihrer Tochter als glaubwürdig oder eher als unglaubwürdig einstufen?“ In Shina Fays Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. Das der Verteidiger es wagte, die Glaubwürdigkeit ihrer Tochter in Frage zu stellen, konnte nur bedeuten, dass er vorhatte, auch sie selbst in Misskredit zu bringen. „Als glaubwürdig. Und noch etwas: Für diese Unverschämtheit werden sie bezahlen.“ Nach Einbruch der Dunkelheit schloss Sir James Barnet die Beweisaufnahme ab. „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.“, sagte er. Die ganze Nacht hindurch beriet sich Sir James mit seinen Assistenten. „Welches Urteil scheint Ihnen angemessen?“ fragte er. „Ein Angriff auf das eterianische Königshaus stellt auch einen Angriff auf die Verfassung dar. Denn die Königin ist das Gesetz.“ „Und ein Angriff auf die Verfassung kann nur mit dem Tod geahndet werden.“ „Nun gut. Dann werden wir dieses Urteil fällen.“ Am nächsten Morgen trat das Gericht erneut zusammen. „ERHEBEN SIE SICH!“ Nachdem der Richter zusammen mit seinen Assistenten das Podium betreten hatte rief der Gerichtsdiener: „SETZEN SIE SICH!“ Schließlich sagte Sir James Barnet: „Meine Herren, Ihre Plädoyers bitte.“ Der Staatsanwalt begann. „Hohes Gericht! Der Angeklagte Ahmed Beytullah hat versucht, die Tochter unserer Königin zu entführen und als Sklavin an einen Scheich zu verkaufen. Damit hat er nicht nur einen Angriff auf das eterianische Königshaus begangen, sondern auch auf die Verfassung unserer stolzen Nation. Die Anklage fordert die Todesstrafe.“ 308 Dann war der Verteidiger an der Reihe. „Hohes Gericht! Die Verteidigung sieht es nicht als erwiesen an, dass der Angeklagte wirklich vorgehabt hat, einen Angriff sowohl auf das eterianische Königshaus als auch auf unsere Verfassung zu begehen. Er ist damit aus Mangel an Beweisen freizusprechen.“ „Meine Herren, ich danke Ihnen.“ Nach kurzer Beratung verkündete Sir James Barnet dann das Urteil. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil. Der Angeklagte Ahmed Beytullah wurde für schuldig befunden, einen Angriff auf das eterianische Königshaus unternommen zu haben, indem er versucht hat, die Tochter unserer geliebten Königin zu entführen und als Sklavin an einen Scheich zu verkaufen. Der Angeklagte wird zum Tode durch Hinterherschleifen verurteilt. Ein solches Vergehen ist in keinster Weise entschuldbar und kann durch nichts aber auch gar nichts gerechtfertigt werden. In all den Jahren, die ich nun als Lord Oberrichter tätig bin, habe noch nie soviel Niedertracht in einer Person vereint gesehen, wie in Ahmed Beytullah. Die Verhandlung ist geschlossen.“ Am frühen Nachmittag wurde das Urteil vollstreckt. Ahmed Beytullah, der Sklavenhändler, wurde an den Füßen gefesselt und an ein Pferd gebunden. Auf ein Zeichen von Prinzessin Naytiri ließ der königliche Stallmeister die Peitsche knallen und das Pferd fing an loszulaufen. Der Händler, der hinterher geschleift wurde, schrie wie am Spieß,wenn er an einem Dornengestrüpp hängen blieb oder über eine Wurzel gezogen wurde, die aus dem Boden ragte. Am Abend, als die Sonne unterging, kam das Pferd zum Stehen. Der Verurteilte selbst war tot. Ein riesiger Findling, der etwas in den Weg hineingeragt hatte, war ihm zum Verhängnis geworden. Auf Shina Fays Anweisung hin, wurde der Leichnam von Ahmed Beytullah nach Samarkand gebracht und vor den Toren des Palastes abgelegt. Eine Nachricht war noch beigefügt worden, die die Königin Eterias höchstpersönlich verfasst hatte. Als Scheich Abdullah Khan von einem Jagdausflug zurückkehrte sah er die Leiche des von ihm beauftragten Händlers vor den Stufen zum Palast liegen. An einem der Ärmel der Dschellaba hing die Nachricht Shina Fays. „An Scheich Abdullah Khan. Vor euch liegt die Leiche von Ahmed Beytullah, den Ihr beauftragt habt, meine Tochter zu entführen und an euch zu verkaufen. Als Königin Eterias kann ich diese Tat nicht ungesühnt lassen. Als Mutter will ich euch mit diesem Schreiben und mit der Leiche eine unmissverständliche Warnung übermitteln. Lasst die Finger von meiner Tochter, oder es wird Krieg zwischen Eteria und Samarkand geben. Gezeichnet Shina Fay, Königin von Eteria.“ 309 Voller Wut zerknüllte der Scheich die Nachricht der eterianischen Königin in seinen Händen. „SHINA FAY!!!!! ICH HASSE DICH!!!!!!“, schrie er in den wolkenlosen Himmel. „Mein Gebieter...“ „Was willst du, Mustafa?“ „Was gedenkt Ihr jetzt zu tun, mein Herr und Meister?“ „Geh in den Palast und sag meinem persönlichen Sekretär, dass ich ihn in fünf Minuten in meinem Arbeitszimmer sehen will. Er muss eine Nachricht für mich aufsetzen.“ In seinem Arbeitszimmer saß Scheich Abdullah Khan hinter seinem Schreibtisch aus kostbarem Mahagoni. Sein persönlicher Sekretär, ein Chinese saß auf der anderen Seite. „Ich möchte dass du eine Nachricht an Shina Fay, die Königin von Eteria verfasst.“ „Ich höre.“ „Königin Shina Fay, in Anbetracht der Tatsache, dass Ihr einen meiner engsten Freunde und auch engsten Vertrauten, auf brutale Art und Weise ermordet habt, müsste ich euch eigentlich den Krieg erklären. Da ich jedoch kein Unmensch bin, bin ich bereit von diesem Schritt abzusehen. Dies setzt allerdings voraus, dass Ihr mir innerhalb von drei Monden eure Tochter Naytiri bedingungslos an mich ausliefert. Solltet Ihr euch jedoch weigern, diese Forderung zu erfüllen, so müsst Ihr die Konsequenzen tragen.“ „Ist das alles?“ „Ja, das ist alles.“ Wortlos gab der Sekretär des Scheichs diesem das Schriftstück. Scheich Abdullah erhitzte etwas Siegelwachs und ließ es auf das Pergament tropfen. Danach zog er seinen Siegelring vom linken Ringfinger und drückte sein Wappen in das noch flüssige Wachs. Als nächstes wurde die Nachricht einen Umschlag aus schwerem weißen Papier gelegt und dieser ebenfalls mit dem Siegel des Scheichs verschlossen. Nach zwei Wochen traf die Nachricht aus Samarkand in Endor ein. Shina Fay saß gerade in ihrem Besprechungszimmer, als ihr persönlicher Sekretär erschien. „Mylady, eine Nachricht aus Samarkand ist gerade eingetroffen, sie trägt das Siegel des Scheichs. Ich dachte, Ihr hättet sie gern sofort.“, sagte er. „Danke.“ Shina Fay erbrach das Siegel und las die Nachricht. „Das hast du dir so gedacht, du miese kleine Ratte. Aber nicht mit der Königin Eterias.“ „Soll ich eine Antwort für den Scheich aufnehmen, Mylady?“ „Ja. Schreib folgendes: „Scheich Abdullah Khan, da Ihr die Unverschämtheit besitzt, von mir zu verlangen, euch meine Tochter, die zukünftige Königin Eterias, auszuliefern, erkläre ich euch hiermit den Krieg. Möge euch euer Gott Allah gnädig sein. Denn ich kenne Leuten wie euch gegenüber keine.“ Als Scheich Abdullah Khan die Antwort Shina Fays las, lief sein Gesicht rot an. Die Königin Eterias weigerte sich hartnäckig, ihm ihre Tochter auszuhändigen. Stattdessen hatte sie ihm den Krieg erklärt. Er rief seinen Sekretär, der auch sofort erschien. „Ja,mein Herr und Gebieter?“ „Ich habe eine Antwort für 310 Shina Fay. „Diktiert.“ „Königin Shina Fay, ich nehme eure Kriegserklärung schweren Herzens zur Kenntnis. Erwartet das Eintreffen meiner Kriegsflotte vor Eterias Küste in zwei Monden.“ In Endor traf die Antwort von Scheich Abdullah Khan nach zwei Wochen ein. Shina Fay hatte sie gerade gelesen, als Kingsor auftauchte. „Es ist Zeit deine Prüfung gegen mich anzutreten, Shina Fay.“, sagte er. „Die muss warten. Ich habe Scheich Abdullah Khan von Samarkand den Krieg erklärt.“ „Du bist eine Närrin. Weshalb legst du dich mit dem Scheich von Samarkand an?“ „Er will meine Tochter als Sklavin. Und da spiele ich nicht mit. Würdest du nicht genauso handeln?“ „Hätte ich ein Kind, dann würde ich wahrscheinlich genauso handeln wie du. Aber ich hatte zu Lebzeiten keine Kinder. Aber eines solltest du wissen. Scheich Abdullah Khan hat eine Kriegsflotte mit einer Stärke von 1.400 Einheiten. Allesamt Galeeren.“ „Ich verfüge zwar nur über 38 Schiffe, aber ich habe noch eine gut aufgestellte Luftwaffe, als zusätzlichen Trumpf im Ärmel.“ „Ich weiß. Nun gut. Führe den Krieg gegen den Scheich von Samarkand. Und gewinne ihn. Denn ich will dir in deiner elften Prüfung gegenübertreten.“ An einem schönen Frühlingsmorgen meldeten sämtliche Leuchtturmwärter an Eterias Küste das Eintreffen von Scheich Abdullahs Kriegsflotte. Der Angriffsbefehl aus Endor kam postwendend. Shina Fay persönlich war an Bord des Flaggschiffs der eterianischen Marine, dem Schlachtschiff „Shina Fay“. Scheich Abdullah Khan stand auf dem Achterdeck seines Flaggschiffs der „Fire Dschinn“, einer dreimastigen Galeere mit einer Länge von 104,5 m und einer Breite von 10,6 m. Bewaffnet war die Galeere mit 18 9-Pund-Kanonen. Der Scheich war siegessicher, bis er das gewaltige Kriegsschiff sah, das sich von Osten mit hoher Geschwindigkeit näherte. „Was... ist... das?“, stammelte er beim Anblick des Stahlkolosses. Doch es war zu spät. Als die Galeere in Reichweite der schweren Artillerie des eterianischen Flaggschiffs war, schwangen die mächtigen Geschütze herum und die „Shina Fay“ eröffnete das Feuer. Eine 38-cm-Granate traf gleich den Mast in der Mitte und richtete erheblichen Schaden im Rumpf an. Auch die anderen Schiffe Eterias konnten jeweils eine Versenkung melden. Von den vier Flugzeugträgern aus starteten mehrere Jagdgeschwader und Bomberstaffeln und versenkten weitere Schiffe des Scheichs. Auch die U-Boote leisteten ihren Beitrag und schickten weitere 28 Galeeren auf den Meeresboden. Als am Ende des Tages die Sonne am Horizont versank, waren von den 1.400 Galeeren des Scheichs, bis auf das Flaggschiff „Fire Dschinn“, alle restlichen Einheiten zerstört. Das Flaggschiff des Scheichs war schwer beschädigt und nahm Wasser. „Mein Gebieter. Wir müssen 311 die Flagge streichen. Das Schiff kann sich nicht mehr lange über Wasser halten.“ Schweren Herzens nickte Scheich Abdullah Khan. „Streichen Sie die Flagge.“, sagte er. An Bord der „Shina Fay“ brach die Mannschaft in Jubel aus. „Sie haben die Flagge gestrichen!“, rief ein Matrose. „Was ist denn das für ein Tumult an Deck?“ „Die „Fire Dschinn“ hat sich ergeben, Hoheit.“ „Also deswegen haben sie die Flagge eingeholt. Na schön. Bringt den Scheich an Bord und dann schafft ihn auf dem schnellsten Weg nach Endor. Ich will ihm den Prozess machen.“ Als Scheich Abdullah Khan an Bord des mächtigen Schlachtschiffes kam, staunte er nicht schlecht, als er an den achteren 38-cm-Geschützen entlang ging. Zwei bewaffnete Matrosen begleiteten ihn auf die Brücke, wo ihn die Königin bereits erwartete. Gemäß der Marinetradition ging der Scheich vor Shina Fay auf die Knie und präsentierte ihr seinen Säbel. Die Königin nahm die Waffe entgegen und sagte: „Erhebt euch!“ „Was wird mit mir geschehen?“, fragte Abdullah Khan. „Ihr werdet, wenn wir in Santa Catarina anlegen, sofort nach Endor gebracht. Ich will euch so schnell wie möglich den Prozess machen.“ „Ihr fackelt wohl nie lange.“ „Nein. Ich muss ein Exempel statuieren, dass andere Scheichs und Emire abschreckt es euch gleich zu tun.“ „Mir scheint, Ihr kennt keine Gnade, wenn es um eure Tochter geht.“ „Sie ist mein einziges Kind. Und ich habe kein Verständnis dafür, wenn jemand wie Ihr sie um ihr rechtmäßiges Erbe betrügt.“ „Wie meint Ihr das?“ „Naytiri soll mir eines Tages auf den Thron von Eteria nachfolgen. Hätte ich eure Forderung erfüllt, wäre mein Königreich ohne Thronfolger. Das kann ich leider nicht zulassen.“ Wenige Tage später in Endor wurde Scheich Abdullah Khan der Prozess gemacht. Da er ein Staatsoberhaupt war, konnte man ihn nicht einfach zum Tode verurteilen. Stattdessen verurteilte Sir James Barnet ihn zu einer saftigen Geldstrafe und verhängte ein lebenslanges Einreiseverbot gegen den Scheich. Shina Fay hätte am liebsten gleich das ganze Vermögen von Abdullah Khan eingefordert, musste sich aber eingestehen, dass sie ihm das nicht antun konnte. So einigte man sich auf eine Summe von 55.000.000 eterianischen Goldkronen. Der Krieg war vorbei, doch nun musste sich Shina Fay auf ihre Begegnung mit Kingsor vorbereiten. „Ziehst du in den Kampf, Mutter?“ „Ja. Ich muss gegen den Nekromanten Kingsor kämpfen. Es ist eine Prüfung. Die elfte von zwölf. Erst wenn ich auch die zwölfte und letzte Prüfung bestanden habe, wird mir der Zauberbogen deines Großvaters ausgehändigt.“ „Ich gehe mit dir.“ „Naytiri! Auf gar keinen Fall! Wenn ich sterbe, musst du meinen Platz auf Eterias Thron einnehmen.“ 312 „Ich lasse dich nicht alleine gegen Kingsor antreten. Vielleicht wird dein Leben von mir abhängen.“ „Ich kann das nicht zulassen, Naytiri. Du darfst mich nicht begleiten. Versprich mir das.“ „Wenn ich mir was in den Kopf setze, dann wird mich nichts und niemand davon abhalten. Ich komme mit dir. Ob es dir gefällt oder nicht!“ „Du bist wirklich ein störrischer Esel, weißt du das?“ „Von wem ich das wohl habe.“, sagte Naytiri. „Von mir.“ „Eben drum. Du bist genauso ein Sturkopf.“ „Wie du meinst. Wo wollen wir uns Kingsor stellen?“ Naytiri suchte eine Karte Eterias heraus. „Hier!“, sagte Naytiri und wies auf eine Insel im Kristallsee. „Die Insel des Hades?“ „Besser als auf der Insel der Toten, wenn du mich fragst.“ Kingsor erschien mit einem Mal auf der Bildfläche. „Ich gratuliere. Du hast den Scheich von Samarkand schon nach einem Tag besiegt.“, sagte er. „Danke. Du hättest deinen Besuch vorher ankündigen sollen, Kingsor.“ „Dazu blieb leider keine Zeit. Wollen wir es hinter uns bringen?“ „Moment! Ort und Zeit unserer schicksalhaften Begegnung bestimme ich.“ „Wie du meinst.“ „Dann hör mir jetzt gut zu, denn ich sage das nur einmal. Wir treffen uns in vier Tagen bei Sonnenaufgang auf der Insel des Hades im Kristallsee.“ „Auf der Insel des Hades in vier Tagen bei Sonnenaufgang. Soll mir Recht sein.“ „Wie willst du diesen Bastard zur Strecke bringen, Mutter?“ „Ich werde die Stimme anwenden.“ „Die Stimme?“ „Ja. Wenn das, was ich in Remigius Büchern über dieses Phänomen herausgefunden habe, stimmt, dann hast auch du diese Fähigkeit. Oder was glaubst du, weshalb ich täglich mit dir geübt habe?“ „Wenn das wirklich wahr ist, dann haben wir beide eine Chance, wenn wir unsere Fähigkeiten zusammen einsetzen.“ „So hab ich das noch gar nicht betrachtet. Du wirst einmal eine gute Königin sein.“ Am Tag der Entscheidung befanden sich Shina Fay und ihre Tochter bereits auf der Insel. Sie waren bereits am selben Tag, nach dem Gespräch mit dem Nekromanten dorthin gereist um noch ein bisschen Zeit zur Vorbereitung zu haben. Katja und Danilo, sowie der kleine rote Drache Hinoki waren ebenfalls mitgekommen. Die Drachenkriegerin hatte Naytiri auf die Probe gestellt, um zu prüfen, ob auch die Prinzessin „Die Stimme“ besaß. Shina Fays Tochter hatte mit einem lauten Schrei zum Vollmond beschienen Himmel einen der vielen Findlinge zum Bersten gebracht. Hinoki, der sonst immer eine große Klappe besaß, duckte sich vor Angst hinter einen großen Felsen. Shina Fay hatte dies mitbekommen und fing lauthals an zu lachen. „Sieh an, sieh an! Unserem kleinen Drachen geht der Arsch auf Grundeis.“ Shina Fay hatte eine alte Tempelruine entdeckt. 313 Als sie das Abbild der Erdenmutter erblickt hatte, hatte sie spontan beschlossen zu beten. „Erdenmutter! Erhöre das Flehen deiner Tochter. Gib mir und meinem Kind die Kraft um diesem Nekromanten den Garaus zu machen.“ „Ich hatte schon lange die Befürchtung, dass eine deiner Prüfungen den Kampf gegen einen Nekromanten zur Aufgabe haben würde. Oder was glaubst du, weshalb ich dir „Die Stimme“ mit in die Wiege gelegt habe?“ „Diese Fähigkeit hast Du mir mitgegeben? Warum?“ „Weil jedes neugeborene Elfenkind von mir eine spezielle Fähigkeit als Geschenk erhält. Manche sind vererbbar und manche nicht. „Die Stimme“ ist vererbbar, denn deine Tochter besitzt sie auch.“ Nach dem Gebet kam Naytiri in den alten Tempel. „Hier bist du. Da kann ich dich ja lange suchen, Mutter.“, sagte sie. „Ich habe noch mal zur Erdenmutter gebetet und sie um Beistand für uns beide gebeten.“ „Hast du Angst?“ „Ja, ich habe Angst. Du etwa nicht?“ „Doch, Mutter. Ich habe auch Angst.“ „Wir haben vielleicht nur diese eine Chance.“ „Ich hab schon eine Idee. Nekromanten umgeben sich doch gern mit einer Armee aus Skeletten.“ „Richtig. Und wenn jemand ein Goldstück dazwischen wirft, dann bekämpfen sie sich gegenseitig.“ „Das kann ich doch übernehmen. Dann könnt Ihr beide euch auf Kingsor konzentrieren.“ Shina Fay fuhr herum. Im Eingang des Tempels stand Katja. „Hast du Neuigkeiten?“ „Kingsor ist auf der Insel eingetroffen. Da du ihm aber nicht gesagt hast, wo genau du und Naytiri auf ihn wartet, sucht er wie verrückt die ganze Insel nach euch ab.“ Bei Einbruch der Dunkelheit erreichte Kingsor dann endlich Shina Fays Lagerplatz. „Eine gute Wahl, das muss man dir lassen. Der Platz ist abgeschieden und schwer zu entdecken. Ein wahrlich guter Platz zum sterben. Eteria wird schon sehr bald eine neue Königin brauchen. Denn ich werde dich und deine Tochter VERNICHTEN!!!!“ „Wenn du dich da mal nur nicht täuschst, Kingsor. Denn für dich ist hier ENDSTATION!!!“, konterte Shina Fay. Katja hatte sich unterdessen unbemerkt an die Skelettarmee des Nekromanten herangeschlichen und hatte eine eterianische Goldkrone aus einem Lederbeutel geholt. Diese warf sie in den dicksten Haufen der Skelette, woraufhin sich diese nun gegenseitig bekämpften. Kingsor hatte mitbekommen was Katja getan hatte und wollte einen Tötungszauber wirken. Doch mitten in der Beschwörung traf ihn eine unsichtbare Kraft und schleuderte den Nekromanten nach hinten. Naytiri hatte mit Hilfe ihrer neuen Fähigkeit eine Rippe auf der linken Seite bersten lassen. Nur mühsam rappelte sich der Nekromant auf. Seine Aufmerksamkeit galt nun der Königstochter und so beachtete er Shina Fay gar nicht. Diese setzte ebenfalls „Die Stimme“ ein. Doch im Gegensatz zu ihrer Tochter ließ sie die 314 Leber Kingsors platzen. Der Nekromant keuchte. „Verdammt noch mal! Was soll das? Was ist das für eine Kraft, die ihr da einsetzt?“ „Wüsstest du wohl gern, du taube Nuss.“, sagte Naytiri. Die Prinzessin hatte ihr Ziel erreicht. Denn jetzt war der Nekromant richtig sauer. „Vorsicht Naytiri!“, rief Hinoki. Shina Fays Tochter sah den Todeszauber in den Händen Kingsors aufleuchten. Mit einem Hechtsprung auf die Seite konnte Naytiri dem Tod gerade noch entkommen. Kingsor gab jedoch nicht auf. Er wollte Naytiri töten, um ihre Mutter zu demoralisieren. Doch er kam nicht mehr dazu. Denn gerade als er einen weiteren Todeszauber wirken wollte, zerriss eine unbekannte Kraft das Herz des Nekromanten. In seinen Ohren hallte noch das Echo von Shina Fays Schrei nach. Kingsor wurde schwarz vor Augen und er sank zu Boden. Mit dem Tod des Nekromanten starben auch die Skelette, die eben noch untereinander gewütet hatten. „Das wäre geschafft.“, sagte Naytiri zu ihrer Mutter. „Ja. Ich finde, jetzt haben wir beide uns eine wohlverdiente Ruhepause verdient, findest du nicht?“ „Auf jeden Fall. Ich würde gerne nach Edendale, und Großcousine Aradil besuchen.“ „Keine schlechte Idee.“ Am nächsten Morgen lief ein Schiff die Insel an. Nachdem der Kapitän Shina Fay und die andren an Bord genommen hatte, ließ er Segel setzen und nahm Kurs auf das Südufer des Kristallsees. Dort angekommen, wurden Shina Fay und Naytiri zusammen mit Katja und Danilo von Shen und Li An Kai nach Edendale geflogen. Hinoki folgte, wenn auch mit großer Mühe. Es war Abend geworden, als Shina Fay in Edendale eintraf. Ihre Cousine Aradil war gerade von Dorffeier zurückgekehrt. Zum Einen gab es eine Hochzeit zu feiern. Zum Anderen hatte ein junges Elfenehepaar eine kleine Tochter auf die Welt gebracht. Als sie ihre Cousine, die Königin Eterias erblickte, eilte Aradil auf Shina Fay zu und umarmte sie lang und innig. „Shina Fay, ich freue mich so dich zu sehen. Wie geht geht es dir?“ „Soweit alles in Ordnung.“ „Komm schon, du siehst aus, als wärst unter eine Büffelherde geraten.“ „Du musstest ja auch keinen Nekromanten plätten, Großcousine.“ „Naytiri?“ „Überrascht?“ „Ich dachte, du wärest zu Hause in Endor.“ „Falsch gedacht, Aradil. Ich habe Mutter unterstützt.“ „Du hättest dabei drauf gehen können!“ „Ja ich weiß, Großcousine. Aber sieh es mal so, jetzt hat unsere Welt einen Bösewicht weniger.“ „Das will ich nicht in Abrede stellen, Naytiri. Aber eine Sache ist nun mal unumstößliche Realität. Du bist die nächste Königin Eterias. Da beißt die Maus keinen Faden ab.“ „Könnt Ihr mal aufhören, euch gegenseitig an die Kehle zu gehen? Ihr benehmt euch wie zwei alte Waschweiber.“, sagte Katja. 315 Aradil wollte aufbrausen, doch ihre Cousine ließ sie nicht zu Wort kommen. „Du solltest dir zwei Mal überlegen, ob du mit Katja einen Streit vom Zaun brichst.“, sagte Shina Fay mit scharfer Stimme. Aradil schwankte, als Shina Fays Worte sie trafen. „Was zum Henker...?“ „Ups! Entschuldige bitte! Das war jetzt keine Absicht.“ „Mutter besitzt eine Fähigkeit, die man „Die Stimme“ nennt. Ich habe diese Fähigkeit bei meiner Geburt geerbt.“, klärte Naytiri Aradil auf. Später am Abend saßen die beiden Cousinen allein im Kaminzimmer. „Wer sind eigentlich der Mann und die Frau, die heute mitgekommen sind?“, fragte Aradil. „Das sind Katja und Danilo. Katja ist eine Drachenkriegerin. Ich habe die beiden bei meinem Staatsbesuch in Erimanteles kennengelernt. Damals hab ich durch Zufall meine spezielle Fähigkeit entdeckt.“ „Du meinst das, was mir heute widerfahren ist?“ „Genau. Katja habe ich damals komplett aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie ist gestürzt.“ „Wusstest du, dass ich auch eine spezielle Fähigkeit besitze, die vererbbar ist?“ „Welche ist das?“ „Ich bin in der Lage, mit meinen Augen ein lebendes Wesen zu Eis erstarren zu lassen. Ich werde es dir morgen mal demonstrieren.“ „Hoffentlich nicht an deiner Dienerschaft.“ Aradil hob abwehrend die Hände. „Um Gottes Willen Nein! So was würde mir noch nicht mal im Traum einfallen. Aber vor kurzem hat ein fremder Jäger ein Elfenmädchen sexuell missbraucht. Du weißt ja, wie das Gesetz hier lautet.“ „Ja, ich weiß. Todesstrafe.“ Am nächsten Tag wurde der Fremde dann Shina Fay vorgeführt, die auf einem Gerichtsverfahren bestanden hatte. Es waren Zeugen gehört worden und das Tribunal hatte sich zur Beratung zurückgezogen. Da der Jäger gestanden hatte, sich an der jungen Elfe vergangen zu haben, blieb der Königin Eterias nichts anderes übrig, als dem Todesurteil zuzustimmen. Nach dem das Urteil verkündet worden war, folgte auch gleich die Vollstreckung. Aradil selbst übernahm diese Aufgabe. Es begann damit, dass sich ihre sonst grünen Augen mit einem Mal in ein eisiges Blau verwandelten. Als Shina Fays Cousine dem Jäger direkt in die Augen sah, begann dieser sich vor den Augen der Königin in eine Statue aus Eis zu verwandeln. Erst als wirklich alles Leben aus dem Körper des Verurteilten gewichen war, wurden Aradils Augen wieder grün. „Das war... beeindruckend.“, sagte Shina Fay. 316 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)