It´s a wonderful lie von RoyalFool (Weihnachten 1978) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Regulus machte es sich in seinem Zimmer auf dem Bett bequem und kramte die aktuelle Ausgabe des Tagespropheten heraus, die er aus dem Esszimmer geschmuggelt hatte, bevor seine Eltern sie wegschmeißen würden. Aufmerksam ging er selbst die kleinen Anzeigen durch. Zwischendurch stockte er und runzelte nachdenklich die Stirn. Dann entspannte sein Gesicht sich wieder und er las weiter. Eine Anekdote über eine Quidditchmannschaft ließ ihn kurz schmunzeln. Doch sein Blick verweilte nicht lange im Sportteil der Zeitung. Dann hatte er, was er suchte. Wie von Geisterhand geführt schwebte eine Schere in sein Sichtfeld und er sah mit grimmiger Genugtuung zu, wie sie einen Artikel säuberlich ausschnitt. Dann öffnete er seine Sammlung, blätterte ein wenig und fügte den Artikel dann an der passenden Stelle ein. Mit einer schwarzen Feder unterstrich er eine Zeile und schrieb sich eine Notiz an den Rand. Mit einem Schwenk seines Zauberstabs wurden die fein geschwungenen Buchstaben unsichtbar. Er wollte schließlich nicht, dass seine Eltern herausfanden, dass sein Hobby, Informationen über den Dunklen Lord und seine Todesser zu sammeln, eine entscheidende Wendung genommen hatte. Es würde sie in Gefahr bringen. Und der arme Kreacher würde krank vor Sorge, wenn er wüsste… Regulus seufzte und ließ sich in seine schwarzen, silbernen und grünen Kissen zurücksinken. Kurz huschte sein Blick zu seinem linken Unterarm, aber er widerstand der Versuchung, seinen Ärmel hochzuschieben und sich das Mal anzusehen. In der Schule verbarg er es seit ungefähr einem Jahr, um nicht dem Ministerium übergeben zu werden. Am Anfang war es sein süßes Geheimnis gewesen, das ihn mit Stolz erfüllt hatte. Inzwischen erfüllte es ihn nur noch mit Entsetzen, Ekel… und Scham. Jetzt hatte er ein anderes Geheimnis. Er wusste nun, wie grausam der Dunkle Lord wirklich war und mit etwas Glück… Nein. Er musste seine Gedanken besser zügeln. Er musste die Kontrolle behalten, immer. Kein Gedanke, kein vager Traum durfte ihn verraten. Er wurde streng beobachtet, als offizieller Erbe der ehrenwerten Familie Black. Sowohl in der Schule von einigen Slytherins als auch zuhause, von seinen Verwandten. Er brauchte nur eine kleine Verschnaufpause, bevor er seinen Eltern weiterhelfen konnte, die Festlichkeiten vorzubereiten. Wie viele von den geladenen Gästen würden erscheinen? Hoffentlich gab es diesmal keine größeren Streitigkeiten. Bestimmt hatte seine Mutter wieder eine potentielle Braut für ihren „einzigen“ Sohn eingeladen und er musste so charmant sein, wie er konnte. Regulus würde einen kleinen, höflichen Flirt als willkommene Ablenkung annehmen. Er würde dieses Julfest genießen, so gut er konnte. Von was für Kleinigkeiten er sich früher die Laune hatte verderben lassen! Nun musste er darüber schmunzeln, wie er sich früher manchmal angestellt hatte. So schüchtern, ängstlich und viel zu ernst für sein Alter. Obwohl er diese Weihnachtsferien und das Julfest, das einige Reinblüterfamilien zusammen feiern würden, genießen wollte, durfte er nicht aus der Rolle fallen, in der alle ihn kannten. Er musste unauffällig bleiben. Kontrolliert. Als er sich das fest vornahm, meldeten sich Erinnerungen. Die ehrenwerte Familie Black legte großen Wert darauf, Traditionen zu wahren und so wurde lieber das Julfest gefeiert als Weihnachten, das als billiger christlicher Muggelabklatsch des wahren Festes abgetan wurde, jeglicher alten Rituale und damit Magie beraubt. Als Kinder hatten Sirius und Regulus ihrem Hauself Kreacher zugesehen, wie er das Haus mit immergrünen Zweigen schmückte, während ein verlockender Duft aus der Küche drang. Er spürte selbst nach all den Jahren und allem, was geschehen war, die Vorfreude auf den Moment, wenn Vater seinen Zauberstab schwenkte und Teile der Dekoration erleuchtete und zum Leben erwachte. Heute konnte er die Zauber selbst und kurz stellte er sich vor, wie es wäre, ein eigenes Kind zu haben, das man mit einfachen, unschuldigen Zaubern so in freudiges Staunen versetzen könnte. Und er sah die Faszination im Gesicht seines älteren Bruders. Damals, vor Hogwarts, als alles noch anders war, einfacher, weil er die Welt der Erwachsenen noch nicht verstanden hatte und nicht versucht hatte, sie zu durchschauen. Inzwischen war er Teil davon. Nein, er war schon viel früher Teil der Intrigen gewesen, eine Figur, die über das Spielfeld geschoben wurde, das er selbst noch nicht überblickt hatte. Doch mit 17 galt man unter Zauberern als erwachsen und er durfte offiziell schon außerhalb von Hogwarts zaubern. Es war nicht mehr lang bis zu seinem 18. Geburtstag. Regulus wusste noch, wie er und Sirius geschmollt hatten, wenn die Erwachsenen sie aus ihrer Sicht viel zu früh ins Bett geschickt hatten. Und wie sie den gedämpften Stimmen der Erwachsenen gelauscht und sich ausgemalt hatten, warum die Erwachsenen sie aus den später am Abend stattfindenden Ritualen des Julfestes ausschlossen. Das Gelächter klang jedenfalls nach großem Spaß. Und sie hatten sich vorgenommen, bei der nächsten Feier länger auf bleiben zu können. Sie hatten kaum gewusst, was Alkohol war, aber sie wussten schon, dass sie unbedingt auch Giggelwasser trinken wollten. Oder Feuerwhiskey und Elfenwein. Die edlen Flaschen standen fein säuberlich sortiert in einer alten Vitrine, deren Glasscheibe sich nur von den erwachsenen Gastgebern öffnen ließ. Regulus erinnerte sich lebhaft an diese gemeinsame Vorfreude und versuchte, sie festzuhalten und sie nicht in Anbetracht der Gegenwart mit unschönen Gefühlen zu dämpfen. Er würde nie mit seinem Bruder mit Feuerwhiskey anstoßen und dann über das Sonnenwendfeuer springen. Sobald sie alt genug gewesen waren, hatten immer Streitereien dazu geführt, dass sie nicht gemeinsam gesprungen waren. Wenn Sirius zu dem Zeitpunkt überhaupt noch mitgemacht und sich nicht geweigert hatte oder fortgeschickt worden war. Wie Sirius wohl dieses Weihnachten feierte? Sirius. Seit sein älterer Bruder seinen Abschluss gemacht hatte und er ihm endlich nicht mehr versehentlich in den Gängen oder auf dem Schulgelände begegnen konnte, hatte Regulus sich kaum erlaubt, an ihn zu denken. Er wurde in der Familie nicht mehr erwähnt, seit er in jenen Weihnachtsferien endgültig von zuhause abgehauen war und Mutter seinen Namen voller Wut aus dem Familienstammbaum gebrannt hatte. Nur Bella hatte eine sadistische Freude daran, an den Blutsverräter zu erinnern, den Schandfleck, der immer Ärger gemacht und einige Familienfeiern ruiniert hatte. Diesmal unterdrückte Regulus ein genervtes Stöhnen. Er wollte jetzt nicht über die Ideologien nachdenken, die ihm so früh schon eingebläut worden waren. Er war kein Kind mehr und er hatte gesehen, wozu solches Gedankengut führte. Sirius hatte nicht nur damit Recht gehabt. Einer Eingebung folgend erhob sich Regulus und ließ sich neben seinem Bett auf die Knie sinken, um eine Diele anzuheben und all die kleinen Geschenke raus zu kramen, die Sirius oder andere Mitschüler aus Hogwarts ihm geschenkt hatten, die er aber lieber geheim hielt. Dort waren ein paar kleine goldene und rote Weihnachtskugeln und ein Brief, den Sirius ihm aus seinem ersten Jahr in Hogwarts geschrieben hatte. Sirius war zuerst so bemüht gewesen, seinen kleinen Bruder davon zu überzeugen, dass Gryffindor gar nicht so schlimm war. Dass man dort echte Freunde finden konnte, die nicht allein durch das Blut und den Willen der Familie bestimmt waren. Aber Regulus hatte sich lieber den strengen Blicken und harten Worten ihrer Eltern gebeugt. Er hatte nie Ärger gewollt… Und jetzt war Krieg. Mit einem traurigen Seufzer betrachtete Regulus, wie sich das Licht in der glänzenden gewölbten Oberfläche der Kugeln spiegelte. Wie sehr er sich gefreut hatte, als Sirius endlich zu seinen ersten Weihnachtsferien nach Hause zurückgekehrt war. Es war einsam gewesen ohne ihn, in dem großen dunklen Haus. Natürlich hatte es Ärger gegeben, weil Sirius nicht nach Slytherin gekommen war. Doch Regulus hatte sich gefreut, von seinem Bruder persönlich Geschichten über Hogwarts zu hören und was er mit seinen neu gewonnenen Freunden bereits angestellt hatte. Nie würde jemand mit so einer spitzbübischen Leichtigkeit von Streichen gegen Mitschüler und Lehrer erzählen können wie Sirius. Kaum ein Lachen war so ansteckend für Regulus gewesen. Seine Neugier und Offenheit hätte inspirierend für Regulus sein können, wenn seine Eltern das nicht sorgfältig im Keim erstickt hätten. Moment. Nein, er konnte nicht bloß seinen Eltern die Schuld für alles geben. Es war sein Leben und er hatte seine eigenen Entscheidungen getroffen. Und lieber nichts selbst entscheiden zu wollen war letztendlich auch eine Entscheidung. Eine sehr bequeme, die man als Feigheit interpretieren konnte. So wie James es immer getan hatte. Sirius bester Freund hatte beinahe weniger leicht aufgegeben als Sirius selbst, wenn es darum ging, Regulus ins Gewissen zu reden und ihn vor dem Weg zu warnen, den die Familie Black für ihn bereitlegte. Das lenkte seine Gedanken zurück zu Sirius und der Kugel, die er in der Hand hielt. Als Sirius seine ersten Weihnachtsferien zuhause verbracht hatte, hatte er begeistert von den Weihnachtsbräuchen erzählt, die er in Hogwarts kennen gelernt hatte. Und er hatte darum gekämpft, dass seine Familie wenigstens ein paar Kleinigkeiten in ihr gewohntes Julfest übernehmen würde. Dazu hatte er den immergrünen Zweigen seine roten und goldenen Weihnachtskugeln angehängt. Bevor der Streit mit den Eltern losging, hatte Regulus es schön gefunden. Etwas neues, Spannendes, was Sirius aus Hogwarts extra mitgebracht hatte. Für den kleinen Bruder, für die Familie. Damals hatte Regulus es nur als eine andere Variation von Deko wahrgenommen. Bestimmt hatte Sirius ebenso wenig verstanden, warum er so einen Ärger bekommen hatte und warum weder Vater noch Mutter für ihren ältesten Sohn von ihren Traditionen abweichen wollten. Für die Kinder war es nur Schmuck und Spaß gewesen, für die Erwachsenen ging es um Traditionen, die über Generationen weitergereicht worden waren. Jetzt wusste Regulus, was Sirius vielleicht als Kind schon unbewusst gespürt hatte. Die Traditionen waren verstaubt und wurden nur noch künstlich von ein paar Fanatikern, die sich für was Besseres hielten, am Leben erhalten. Von Leuten, die dachten, es ginge um Ehre und reines Blut und die nicht sahen, dass es dem Dunklen Lord nur um Macht und Blutvergießen ging. Lange hatte Regulus sich seinem Bruder nicht mehr so nah gefühlt wie jetzt, in Gedanken. Er mochte kaum an das Weihnachten denken, an dem Sirius endgültig die Schnauze voll gehabt hatte und abgehauen war. Als kleiner Bruder hatte er sich im Stich gelassen gefühlt und er hatte sich von der Wut seiner Familie manipulieren und anstecken lassen. Nun verstand Regulus besser die Gründe, die Sirius fortgetrieben hatten. Die Blacks verschlossen sich dem Fortschritt und Sirius wollte frei sein, seine eigene Zukunft zu bestimmen. Mit einem leisen Geräusch fielen die Kugeln zurück in ihr Versteck und rollten ein wenig weiter in den Schatten, zu den anderen verborgenen Schätzen und Regulus fragte sich, ob nur Leute in der Vergangenheit lebten, die ahnten, dass sie keine Zukunft mehr hatten. Er verspürte ein bisschen Mitleid mit den Leuten, die ihre gedanklichen Fesseln nie würden abstreifen können, sie nicht einmal erkannten. In diesem Moment fühlte sich Regulus wirklich frei. Fast so, wie auf dem Besen, wenn er Quidditch spielte und alles andere für einige Momente unwichtig wurde. Unbeobachtet streifte er die Fesseln weiter ab und spürte eine Entschlossenheit, die er nie zuvor gehabt hatte, wenn er eine wahrlich eigene Entscheidung hatte treffen müssen. Er hatte immer noch Angst, ja, aber er ließ sich nicht von ihr zur Handlungsunfähigkeit verdammen. Er kannte ein Geheimnis des Dunklen Lords und er würde es gegen ihn nutzen. Für eine Zukunft, die er wahrscheinlich selbst nicht mehr erleben würde. Er war sich sicher, dass es das wert sein würde. Obwohl niemand davon wissen durfte. Das wäre zu gefährlich. Genau dafür wappnete er sich nun mit allem, was er an innerer Stärke aufbringen konnte, damit niemand Verdacht schöpfen konnte. Nicht einmal sein bester Freund. Nur seinen treuen Hauselfen würde er dafür brauchen und das tat ihm jetzt schon leid. Der arme Kreacher hatte schon mehr als genug gelitten. Wenn Regulus nur nicht so eifrig gewesen wäre, dem Dunklen Lord zu gefallen. Doch ohne diese Reue und die damit einhergehenden Erkenntnisse wäre Regulus noch immer eine bloße Marionette. Langsam wurde es unbequem, so neben der Öffnung im Boden zu hocken, also nahm Regulus sich ein grünes Kissen von seinem Bett und machte es sich etwas bequemer, bevor seine Hand wieder zwischen die Dielen griff, kurz über einem Notizbuch schweben blieb, dann jedoch nach einem Schmuckkästchen griff und es herausholte. Darin lagen zwei silberne Ringe, der eine mit Runen verziert und der andere schmal mit vier kleinen, weißen Kristallen, die wie ein winziger Stern eingefasst waren. Daneben eine dünne goldene Kette mit kleinen Anhängern, einem Herz mit Schlüsselloch und ein Schlüsselchen. Bis heute hatte Regulus nicht herausgefunden, wer ihm damals bei einer Wichtelaktion innerhalb von Hogwarts den Runenring geschenkt hatte. Es musste jemand gewesen sein, der wusste, dass Regulus sich für Runen interessierte. Außerdem passte der Ring perfekt und das Runenalphabet darauf hatte ihm zumindest am Anfang in Runenkunde gute Dienste geleistet. Inzwischen trug er den Ring kaum noch, weil Orion einmal erwähnt hatte, dass der Ring bestimmt nicht aus echtem Silber war. Die goldene Kette war ein Geschenk an Meaghan gewesen, die ihren Weg über Sirius zurück zu Regulus gefunden hatte. Um nicht wieder an ihr Ende denken zu müssen, beschwor Regulus seine Erinnerungen von ihrem Date in Hogsmeade herauf. Es war noch vor den Weihnachtsferien gewesen, in denen Sirius mit seiner Familie gebrochen hatte. Warum Meaghan sich auf Regulus eingelassen hatte, sie, als Kapitänin der Ravenclaw Quidditch Mannschaft, wusste er bis heute nicht. Sicher war nur, dass sie seine erste große Liebe war. Sein Herz flatterte bei dem Gedanken daran, wie sehr er sie vergöttert hatte. Ihre sanften, himmelblauen Augen, ihr rötlichbraunes Haar, die dezenten Sommersprossen und ihre… weibliche Figur. Und sie war so selbstbewusst gewesen, offen und nett. Von sich aus hätte er sich kaum je getraut, sie anzusprechen, aber irgendwie… hatten sie sich doch angefreundet. Es hatte sich mehr entwickelt. Mit ihr hatte Regulus seinen ersten Kuss unter einem Mistelzweig gehabt. Ob er sich ohne so einen Weihnachtsbrauch das so früh getraut hätte? Zu ihrem Date hatte Regulus sein ganzes Taschengeld zusammengekratzt. Er hätte Meaghan alles gekauft. Doch sie war bescheiden und hatte sich eigentlich nichts gewünscht. Sie hatte sich diese Kette nur länger angesehen, als andere Dinge und das war Regulus aufgefallen, der seine Augen kaum von ihr abwenden konnte. Für solche glücklichen Momente lohnte es sich, zu leben und zu kämpfen. Regulus hielt die Kette hoch. Das Herz war ein bisschen angelaufen. Mit einem Tuch, das er aus der Brusttasche seines Jacketts fischte, polierte er es vorsichtig. Ihm war, als könnte er den Duft ihrer Haare wieder riechen, als sie sie anhob, damit er ihr die Kette umlegen konnte. Die Kette hatte kaum mehr als einen Sickel gekostet. Trotzdem war er sein kostbarster Besitz. Irgendwo im Schatten unter den Dielen musste noch ein Brief von ihr liegen und das Foto. Er wusste nicht, wer dieses Foto gemacht hatte und woher Meaghan einen Abzug hatte. Es fing wunderbar ihre ersten, schüchternen Annäherungsversuche ein. Schmunzelnd erinnerte sich Regulus, wie er sich über diese Weihnachtskarte gefreut hatte. Den Ring mit dem Stern hatte er von Elliot bekommen. Mit ihr hatte er eine Romanze angefangen, nachdem Meaghan… fort war. Und obwohl Elliot ein Mädchen aus Slytherin war, hätte er sie nie seinen Eltern vorgestellt. Weil sie nicht reinblütig genug war. Und obwohl sie gewusst hatte, dass ihre Beziehung kaum eine Chance hätte, hatte sie sich auf ihn eingelassen und ihm diesen wunderschönen Ring zum 15. Geburtstag geschenkt. In Slytherin gab es eben doch die Möglichkeit, wahre Freunde zu finden, ganz entgegen den Behauptungen gewisser Gryffindors. Wenn Elliot gewusst hätte, wie nah er für sie dran gewesen war, sich einen Weg mit ihr zu wünschen statt bei seiner Familie zu bleiben… Ob sie dann noch mehr versucht hätte, sein Weltbild ins Wanken zu bringen? Wie froh er jetzt war, dass er sie lieber von sich gestoßen hatte als sie in unangenehme Familienfehden reinzuziehen. Denn seine Familie hätte davon erfahren, da war er sich sicher. Sie hatten ihre Augen und Ohren überall und er wurde das Gefühl nicht los, dass es in Slytherin ein paar Leute gab, die auch jetzt noch, wo Evan, Florence und Augustus abgegangen waren, ihn beobachteten. Er durfte sich keine Fehltritte erlauben. Immerhin war seine Cousine Bellatrix bereit, ihre eigene Schwester Andromeda mit dem Tod zu bedrohen. Ganz zu schweigen von den wüsten Drohungen, die sie ausstieß, wenn sie sich vorstellte, Sirius noch einmal in die Finger zu kriegen. Es war gut, dass niemand es geschafft hatte, Regulus ebenfalls von dem abzubringen, was die Familie als den rechten Weg betrachtete. Es hätte Regulus nicht gerettet. Im Gegenteil. Sie hätten noch mehr gegen ihn in der Hand. Regulus hatte die Geiseln gesehen. Das kleine Mädchen, die Tochter eines Informanten beim Ministerium. Es war gut, dass er wenigstens Elliot aus der Schusslinie wusste. Wenn der Krieg allerdings weiter eskalierte, war bald niemand mehr sicher, gleich wie friedlich und unbedeutend… Ob Elliot etwas ahnte? Sie wirkte immer so süß und lachte gerne. Ob er ihr den Ring zurückgeben sollte? Ihr einen letzten Brief schreiben? Um Vergebung bitten? Regulus hatte beinahe das Gefühl, wenn nur ein Mensch ihm vergab, wäre alles gut. Dann könnte er sich vielleicht sogar selbst ein wenig vergeben. Eine ängstliche Frage regte sich in seinem Bewusstsein: Hatte er das verdient? Nicht wirklich. Er war kein Held. Aber böse war er auch nicht, oder? Wenn ihm das Leben, jedes Leben nicht heilig wäre, hätte ihm der Zustand eines Hauselfen egal sein können. Dann würden die Gräueltaten der Todesser ihm keine Alpträume bereiten. Dann müsste er keine Angst um seine Familie und Freunde haben. Dann hätte er den Mut gehabt, sich auf all das nicht einzulassen, sich zu weigern und lieber aufrecht zu sterben als sich feige zu beugen. Das Schicksal bot ihm nun einen anderen Ausweg. Um seine Fehler wieder gut zu machen, musste niemand ihn jemals als Helden sehen. Er tat es nur für sein eigenes Gewissen und um den Gegnern des Dunklen Lords eine bessere Chance zu geben. Wer auch immer der Auserwählte sein würde, der ihn besiegen könnte und dann zu Recht als Held gefeiert würde. In seiner Fantasie tauchte das siegessichere Grinsen von James Potter auf und Regulus schüttelte den Kopf. Er wollte doch gar nicht über düstere Sachen nachdenken! Er wollte die Zeit genießen, die ihm blieb. Naja, so unpassend war das Bild gar nicht gewesen. Wenn jemand einen Weg finden würde, wäre James dreist genug, ihn zur Not allein zu gehen und er war ermutigend genug, andere dazu zu bringen, ihm zu folgen. Es war ein Rätsel, wieso Dumbledore nicht mehr tat. Man konnte im Leben nicht immer darauf hoffen, dass andere alles für einen regelten. Dass es schon irgendwie von selbst wieder besser werden würde. Es gab noch ein paar Kleinigkeiten, die Regulus recherchieren musste. Er dürfte sich von nichts abschrecken lassen, was er herausfand. Er war nur noch bis zum Sommer in Hogwarts. Wenn er weniger mit seinem besten Freund unternehmen würde, konnte er es leicht auf die Prüfungsvorbereitungen schieben. Hoffentlich war es noch nicht zu spät für Barty. Sie hatten gemeinsam angefangen, einen dunklen Zauber zu üben. Regulus hatte sich eingebildet, seinem jüngeren Freund damit zu helfen. Er hatte gedacht, dass Barty selbst entscheiden können sollte, wo er die Grenze zwischen hell und dunkel setzen wollte. Barty Crouch Senior war immerhin als Hardliner gegen die Dunklen Künste verschrien. Diese strenge Grundhaltung zeigte sich auch in seinen Erziehungsmethoden. Nicht einmal einen eigenen Besen durfte Barty haben, geschweige denn in die Quidditch Mannschaft der Slytherins. Es hatte Spaß gemacht, zu versuchen, Barty zu überreden, es wenigstens zu versuchen. Das würde der Vater schon nicht mitkriegen. Um Barty zu zeigen, dass es sich für die Quidditch Mannschaft lohnen würde, ein bisschen aufmüpfig zu werden, hatte Regulus mit Meaghan sogar einmal eine entsprechende Überraschung vorbereitet. Es hatte geschneit, offizielle Trainingstermine gab es vor den Weihnachtsferien nicht mehr und so hatten sie mit Aidan und ein paar anderen zusammen ein kleines gemischtes Quidditch Spiel auf die Beine gestellt. Kein Spieler durfte auf der Position spielen, die er in seiner Mannschaft normalerweise innehatte. Regulus hatte sich als Jäger versucht, was auf dem alten Schulbesen alles andere als leicht gewesen ist. Seinen eigenen, besseren Besen hatte er für dieses Ereignis dem völlig verdatterten Barty überlassen. Natürlich waren sie in einer Mannschaft gewesen, es hatte Spaß gemacht und selbst die Punkte sind Regulus egal gewesen, solange Barty ihm hin und wieder ein breites Grinsen schenkte, wenn sie aneinander vorbeiflogen. Es war Quidditch gewesen, wie Regulus es sich öfter gewünscht hätte. Keine schweren Verletzungen, keine fieseren Fouls, keine schmollenden Verlierer. Wie Barty darüber inzwischen dachte? War es für ihn eine schöne Erinnerung, an der er sich festhalten konnte, wenn es ihm gerade nicht so gut ging? Als Freund wünschte Regulus sich jedenfalls, ihm so etwas mit dieser Überraschung geschenkt zu haben. „Regulus, wo bleibst du?!“, keifte plötzlich Walburgas Stimme. Vor Schreck ließ Regulus die Schmuckschatulle und die Kette fallen, die zum Glück sicher auf seinem Schoß landeten. „Einen Augenblick!“, rief er zurück und packte hastig und mit vor Schreck pochendem Herzen die Schmuckstücke zurück in die Schatulle, ließ sie in das Loch fallen und holte das Notizbuch heraus, bevor er die Dielen wieder an ihren Platz zurückschob und die Öffnung verbarg. „Ich bin gleich soweit!“ Das Notizbuch war seit nicht allzu langer Zeit seine Möglichkeit, mit Barty zu kommunizieren. Das Ministerium überwachte schließlich inzwischen die Eulenpost immer strenger und Barty wollte nicht, dass sein Vater herausfand, dass er etwas engeren Kontakt zu einem Black hatte. „Weißt du inzwischen, ob du dieses Jahr zum großen Julfest kommen kannst?“, schrieb Regulus auf eine Seite. Er würde später gucken, ob Barty es geschafft hatte, zu antworten. Er schob das Buch unter sein Bett. Es wäre wirklich schön, wenigstens einen echten Freund dabei zu haben, mit dem er aufrichtig Spaß haben konnte. Er wollte mit Barty anstoßen und singen. Ihm ein kleines Geschenk geben, ein Buch mit geheimen Zaubersprüchen, die sich nur offenbarten, wenn man das Losungswort kannte. Hoffentlich würde Barty dazu den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen, damit verdammt vorsichtig umzugehen und sich in nichts reinziehen zu lassen, so cool es von Weitem vielleicht aussah. Barty hatte ihn auch gefragt, was er sich wünschte. Die Antwort lautete: „Lass uns gemeinsam über das Feuer springen!“ Materiell hatte Regulus schließlich alles, was er sich nur wünschen könnte. Doch was er sich wirklich wünschte, könnte man ihm mit keinem Geld der Welt kaufen. Er wünschte sich ein letztes Gespräch mit seinem Bruder, jetzt, wo er so vieles besser verstand. Aber er würde dieses Gespräch nicht suchen, denn es wäre egoistisch und zu gefährlich. So blieb Regulus nur, wenigstens in Gedanken und Erinnerungen Frieden zu schließen und sein Gewissen mit dem zu beruhigen, was er tun würde, um wenigstens etwas wieder gut und dem Dunklen Lord einen Strich durch die Rechnung zu machen. Koste es, was es wolle. Grimmig und kritisch betrachtete Regulus sich im Spiegel. Vorsichtig glättete er seine Kleidung. Er musste diese Gedanken jetzt tief vergraben. Man durfte ihm nichts anmerken. Er wollte nicht, dass Kreacher sich Sorgen machte, wenn er zu den Festlichkeiten etwas Anderes als gute Laune bei seinem jungen Herrn bemerkte. Es war nicht hoffnungslos. Und vielleicht würde sich für die Zukunft mehr als ein Wunsch erfüllen. Vielleicht konnte Regulus Meaghan eines Tages wiedersehen. Womöglich schon zum nächsten Weihnachtsfest… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)