Our Time Went By Too Fast von robin-chan ================================================================================ ♛ I'm here to stay ♛ -------------------- IV I'm here to stay Tief durchatmend sank Emma Swan auf die Bettkante; eine bleierne Müdigkeit nagte an ihr, doch stand der schwierigste Akt des Tages erst bevor und für diesen musste sie all ihre Energie und Konzentration aufbringen, die sie zur Verfügung hatte. Eines wusste der ehemalige Sherriff. In dieser Nacht würde sie nicht kämpfen müssen um einzuschlafen, das würde ihr Körper für sie tun, dagegen konnte selbst ihr Verstand nichts tun, egal mit welchem Ausgang sie auch zurückkehrte. Eine Weile noch hatte sie mit Mary Margaret im Dinner gesessen und geredet; anschließend hatte sie ihre Freundin begleitet und hatte Neal Nolan zum ersten Mal gesehen. Der Junge brachte jedes Herz zum Schmelzen, er war definitiv das Kind der beiden; man konnte sagen, er war das Produkt wahrer Liebe. Neal hatte ihr Familienglück auf die höchste Stufe gesetzt. Irgendwann war dann David höchstpersönlich aufgetaucht und welch eine Standpauke hatte er ihr gehalten! Nicht solch eine die sie von einem Freund erwartete, nein, er hatte sich vielmehr wie ein erboster Vater angehört, der sich jahrelange Sorge von der Seele redete. Emma war klein geworden, hatte ihn nie unterbrochen und dann, als er nichts mehr zu sagen hatte, hatte er sie in die Arme geschlossen. Keine weiteren Vorwürfe folgten; die Nolans waren keine Menschen, die lange nachtragend waren, aber spürte Emma, dass das Thema auch bei ihnen nicht vollkommen vom Tisch war. Wie bei Ruby gab es ihr das Gefühl, dass sie sich für den Moment stumm einigten, dass die Erleichterung vorerst genügte und sich freuend aufspielen durfte. So etwas schaffte man nicht binnen Stunden aus der Welt, es brauchte Zeit und in der kommenden Zeit würde sie noch öfter den einen oder anderen Kommentar anhören dürfen. Komischer Weise störte Emma der Gedanke nicht, denn sie spürte einen Hauch Dankbarkeit. Nun saß Emma also da, vorn übergebeugt und die Finger ineinander verstrickt. Schnell war sie von den Nolans hierher gefahren, hatte sich geduscht, umgezogen und dezent herausgeputzt. Nervosität kroch aus dem Schatten empor, die sie den gesamten Tag über tief in ihr Innerstes verbannt hatte. Ablenkung half und die Zeit bei ihnen hatte ihr mehr Ablenkung beschert als anfangs angenommen. Nun jedoch rückte der vereinbarte Zeitpunkt näher und Emma brachte dieses Gefühl nicht länger unter Kontrolle, zum Schweigen; es machte sich selbstständig und es machte sie verrückt. Zweieinhalb Jahre zuvor Regina Mills brodelte vor Wut. Weiß stachen die Knöchel ihrer Finger hervor, die sich ums Lenkrad klammerten. Immer wieder murmelte sie Brocken aus Unverständnis. Was hatte sich ihre Frau hierbei bloß gedacht? Das Abendessen bei den Nolans war lange ausgemacht gewesen und zudem hatten sie endlich die frohe Botschaft erhalten ein Kind zu erwarten. Längst hatten die beiden mit dem Gedanken gespielt, es aufzugeben und einzusehen, dass sie wohl nie Eltern werden würden, nicht auf natürliche Weise. Wie konnte Emma ihnen den freudigen Tag mit ihrem Nichterscheinen überschatten, ihnen die Freude trüben? Einiges hatte sie Emma in den letzten Monaten durchgehen lassen; hatte oftmals ihren Argwohn hinunter geschluckt. Den eigenen Schmerz hatte Regina zur Seite geschoben, ihn lediglich ans Licht gelassen, wenn Emma nicht in der Nähe war. Selbst den Wutanfall, in dem sie Regina vorhielt, sie hätte keine Ahnung, wie es war ein Kind zu verlieren, denn Henry war ihres und nicht Reginas gewesen, hatte die Bürgermeisterin durchgehen lassen. Manchmal hatte es die größte Selbstüberwindung gefordert, sich nicht auf dieselbe Stufe zu stellen und wutentbrannt durchs Haus zu brüllen. Regina hatte ihre Frau nie zu einer Besserung gezwungen und mittlerweile glaubte sie fest, dass das gar ein großer Fehler war. Dieser Abend jedoch, dieses Fehlverhalten brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Der eigene Schmerz war jedermanns recht, aber sollte dieser nicht andere Menschen verletzten, erst recht nicht jene, die stets zur Seite standen. Dieses Mal würde Regina nicht ruhig bleiben, Emma würde sich Vorwürfe anhören müssen, ob sie es nun wollte oder nicht. Eine Entschuldigung bei den Nolans war das Mindeste, das sich Regina erwartete. Denn nicht nur, dass sich Emma nicht hatte blicken lassen, nein, sie hatte bislang auf keinen der Anrufe oder auf ihre Nachrichten reagiert. Um ihrer Frau auf den Zahn zu fühlen, hatte sie Abstecher zur Station, dem Dinner und anderen Orten gemacht, an denen sich diese gerne aufhielt. Nirgends hatte sie den gelben Käfer, dem sie schon so viele negative Namen gegeben hatte, aufgespürt. Am Ende blieb das gemeinsame Heim. Auch hier fehlte vom Käfer jegliche Spur. Mürrisch schnaufte die Bürgermeisterin, stellte den Wagen ab und griff sogleich nach ihrer Tasche. Wie erwartet gab es weiterhin weder einen Rückruf noch eine Nachricht seitens der Blonden. Und plötzlich drang eine neue Gefühlsregung in den Vordergrund, gesellte sich zu ihrer Wut, die sich entrüstet dagegen stemmte. Regina spürte eine anwachsende Sorge. Emma wusste, wie sie Dampf ablassen konnte; manchmal zog sie sich zurück und verbrachte ein bisschen Zeit für sich alleine, aber mittlerweile fühlte es sich anders an. Aus irgendeinem Grund schrillte die erste Alarmglocke. Verdammt!, dachte sich Regina. Die Wut verblasste und mit einem Mal hatte die Sorge die Überhand zur Gänze übernommen. »Swan!«, rief Regina kaum als sie die Türe grob aufschlug. Im Erdgeschoss war es dunkel. Eilig nahm sie eine Stufe nach der anderen. »Emma?«, rief sie gar mehrmals den Namen ihrer Frau, aber auch in der oberen Etage fand sie bloß Dunkelheit und bedrückende Stille vor. Die Villa war leer. Selbst in Henrys Zimmer, das bisher unberührt geblieben war, hatte sie einen Blick gewagt. »Wo steckst du?«, fragte sie in den leeren Gang und da kam der Punkt an dem die zweite Gefühlsregung, die sie vorerst nicht zu definieren wusste, mit einem Mal greifbarer wurde. Der Grund, warum sie die Sorge empfand, eine aufkeimende Angst. Regina kannte Emma Swan! Hoffend sich zu irren, stürmte Regina förmlich in das gemeinsame Schlafzimmer, riss die Kleiderschranktür auf, zog die Schubladen heraus. Nun hatte sie die Bedeutung, die sie wie eine gigantische Welle überrollte. Ein krampfartiges Beben durchfuhr ihren Körper, unschlüssig und mit weichen Knien tapste Regina rückwärts bis sie an die Bettkante stieß. Ein weiteres Mal schien sie den Boden zu verlieren, spürte wie er in Windeseile unter ihr brach und ein dunkles Nichts zum Vorschein brachte. Regina sackte auf die Matratze und ein einziger Gedanken hüpfte wild auf und ab, forderte ihre gesamte Aufmerksamkeit: Emma war fort. ♛ Emma schluckte hart als sie die Fassade hochblickte, denn in diesem einen, kleinen Augenblick fühlte sich die Bürgermeistervilla größer und bedrohlicher an, als jemals zuvor. Nicht einmal am Beginn ihrer durchwachsenen Beziehung, wo sie hier oft aneinander gerieten, hatte sie solch ein Unbehagen gefühlt. Schlagartig überschwemmten sie die vielen Erinnerungen. Dieser Ort entblößte die schlimmste Seite Reginas; über zwei Jahre hatten sie sich gegenseitig das Leben schwer gemacht, aber dann … dann kamen die schönen Momente. Angefangen von den Verabredungen, über ihren Einzug bis sie sich hier tatsächlich als angekommen fühlte. Das pure Glück hatte ihr diese Villa beschert, doch am Ende zog es sie in die schlimmste Hölle, die sich Emma hatte vorstellen können. Pünktlich auf die Sekunde als die Turmuhr schlug, klopfte Emma an die Türe. In der Vergangenheit hatte sie gerne mal die Minuten geritten, war dementsprechend zu spät gekommen; vollkommen anders als Regina, die penibel auf Vereinbarungen pochte, aber dieses Mal, da wollte sie die Gemüter nicht noch mehr erhitzen, sie wollte es richtig machen. »Pünktlich, sehr zuvorkommen«, begrüßte Regina unterkühlt. Emma hielt sich von einer schnippischen Bemerkung ab. Lieber betrachtete sie einen Tick zu lange die andere, die sich äußerlich kaum verändert hatte und doch wiederum so anders war. Etwas, das ihr bereits im Mausoleum aufgefallen war. Emma wusste sehr wohl, dass Regina ihren Blick bemerkte, ihn jedoch gekonnt ignorierte. Ohne Kommentar wandte sie sich um und Emma folgte einfach. Bei ihrem ersten Umsehen fiel ihr nichts Neues ins Auge. Das Foyer war wie eh und je. Ein Mensch großer Veränderungen war Regina noch nie gewesen. Alles stand an seinem geordneten Platz. »Was möchtest du? Kaffee? Tee oder lieber einen Wein?« Die Höflichkeit abzulegen, gehörte nicht zu ihren Stärken. Egal, wie sehr man auch verletzt oder auch wütend war, Manieren durften aus diesem Grund nicht gebrochen werden, das hatte ihre Erziehung ihr eingetrichtert. »Apple Cider wäre mir lieber.« »Ich muss dich wohl nicht herum führen«, entgegnete Regina lediglich, wenngleich Emma sich einbildete, sie hätte ein schwaches Zucken der Mundwinkel erhascht. Kurz blickte die Blonde hinterher. Regina machte einen müden Eindruck, wenngleich die Augen eine andere Sprache sprachen. Die gemeinsamen Jahre hatten Emma vieles gelehrt; ihr die Nuancen aufgezeigt, aus denen sie jederzeit herauslesen konnte, wie es ihrer Frau erging und Emma hatte nicht das Gefühl, dass sich das verändert und sie sich somit geirrt hatte. Die Spuren waren da. Egal, was sich Regina auch vorgenommen hatte, sie konnte nicht alles verbergen. Während sich Regina um den Apple Cider kümmerte, ließ sich Emma wartend auf dem weißen Sofa nieder, das sich in der Mitte des Wohnzimmers befand. In diesem Raum fand sie die erste Veränderung. Das Bild, das sie zu dritt zeigte, war von der Wand verschwunden. Und obwohl sie sich dagegen wehrte, verspürte sie einen unangenehmen Stich. »Nichts ist im Müll gelandet, solltest du daran denken«, unterbrach Regina den starren Blick der Blonden, der weiterhin auf die leere Wand gerichtet war. »Vor zwei Jahren habe ich angefangen nach und nach gewisse Erinnerungen fortzugeben. Es half … ein bisschen. Nebenan wirst du fündig.« Es war eine schwierige Zeit gewesen und Regina hatte die Hilfe von Mary Margaret und David sehr geschätzt. Alleine hätte sie sich nie und nimmer durch all das hindurch gekämpft. Denn das Entfernen von Erinnerungen war der erste Schritt gewesen, um die Chance auf eine Besserungen ihres seelischen Zustandes zu erhalten. Aber fand sie sich an manchen Tagen noch mittendrin in diesem Kampf und in schlaflosen Nächten durchforstete sie das was übrig war. Regina stellte beide Gläser ab, nahm auf der gegenüberliegenden Seite Platz. Die Distanz wollte sie partout wahren; sie so groß wie möglich halten. Minuten verstrichen und Emma nippte immer wieder an ihrem Drink. Ein erdrückendes Schweigen, das nichts mehr mit dem einstigen Wohlfühlfaktor zu vergleichen war. Mit großer Wahrscheinlichkeit lag es an ihr, dieses zu durchbrechen. Immerhin hatte Emma um ein Gespräch gebeten. Leider fand sie keinen passenden Anfang, egal wie oft sie die Situation auch durchspielte. Nichts passte. »Ich bin zwei Jahre zu spät, aber ich möchte mich entschuldigen«, begann sie schlussendlich auf die einfachste Weise, die ihr in den Sinn kam, »ich habe euch allen … dir … großen Kummer bereitet. Es tut mir leid, Regina, ich hab mich überfordert gefühlt und bin in mein altbewährtes Muster zurückgefallen.« »Ein halbes Jahr habe ich gewartet, gehofft. Ich weiß von deiner Neigung zu verschwinden, aber bei diesem Mal hast du dich wahrlich übertroffen. Sang- und klanglos deine Sachen packen und abhauen.« Missbilligend schüttelte Regina den Kopf. Solch ein Verhalten war … Regina konnte es nicht in Worte fassen, selbst in Gedanken nicht. »Du hast uns keine Nachricht hinterlassen, nichts«, hatte sie leise, gerade so hörbar hinzugefügt. Sie griff nach ihrem Glas. Hätte Emma ihr wenigstens eine Nachricht hinterlassen, vielleicht hätte sie besser damit umgehen können. Nein, es wäre verdammt nochmal so gewesen! »Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe? Erst tauchst du nicht bei den Nolans auf, dann bist du unerreichbar und als Höhepunkt komme ich nach Hause und muss feststellen, dass deine halben Sachen fehlen.« Regina ließ den Kopf sinken, starrte in die Flüssigkeit und versuchte angestrengt die Fassung zu wahren. »Du hast recht«, meinte sie äußerst gepresst, »du bist zu spät mit einer Entschuldigung.« Zu spät, was damals geschah konnte Emma nie gutmachen. Auf ewig würde sie an diesen Moment denken, der ihr den letzten Schlag verpasst hatte; der letzte und unnötige Tiefschlag. Lange hatte es gedauert sich davon zu erholen, nach vorne zu blicken. Um Himmelswillen!, dachte Regina, bis heute hatte sie den endgültigen Schlussstrich nicht gezogen, aber dieses Gespräch, es konnte den entscheidenden Ruck geben. Ein Grund, warum sie dem zugestimmt hatte. Dieses Gespräch konnte ihr endlich zum rettenden Abschluss verhelfen. »Henrys Tod … er hat mich blind gemacht. Für mich hat diese Option nie existiert und es ist nicht besser geworden. Das halbe Jahr hat mir den Schmerz weder gelindert noch genommen. Ich habe in meiner Welt gehaust, uns ruiniert und dann … Gott, wie glücklich David auf mich zu kam und von der Schwangerschaft berichtete! Es war unfair von mir, aber ich ertrug es nicht. Ich bin nach Hause und hab bereits nach einer Ausrede gesucht, warum ich nicht zum Essen gekommen bin. Mittendrin habe ich gemerkt, dass ich meine Sachen packe.« »Weil nur du ein Kind verloren hast«, drang die Bitterkeit aus Regina hervor. Eine Bitterkeit, die selbst der Drink, von dem sie einen Schluck nahm, nicht fortzuspülen vermochte. Für sie war Henry nicht einfach adoptiert und lebte bei ihr; sie liebte ihn wie einen Teil von ihr. Blutverwandtschaft war nicht alles und jedes Mal, wenn ihr Emma das vorhielt, getrieben vom eigenen Schmerz, hatte es eine klaffende Wunde in Regina hinterlassen. »Es tut mir Leid, Regina, mir ist klar geworden, welchen Schaden ich angerichtet habe.« »Schön für dich, also denkt Miss Swan könne zurückkehren und mit einem Male ist alles vergeben und vergessen? M-hm? Möchtest du dein schlechtes Gewissen lindern? Ich kann mir vorstellen, wie du andere bereits um den Finger gewickelt hast. ›Arme Swan, sie hat ein Kind verloren, natürlich darf sie tun und lassen was auch immer sie möchte!‹ Von mir wirst du diese Worte nicht hören.« »Regina …« »Nein! Du hörst mir zu!«, unterband die Bürgermeisterin, »Henry war auch mein Sohn! Von dem Tag an dem er in mein Leben getreten ist, war ich für ihn da. Selbst bevor wir ein Paar wurden, noch während wir uns gegenseitig angifteten. Ich tat alles was in meiner Macht stand, bis zum Ende war ich an seiner Seite! Nimm ihn nicht als eine billige Ausrede, die deine naive Tat rechtfertigt!« Wut übermahnte Regina, brachte ihr Blut zum Wallen. Das Glas wurde am Tisch abgestellt und sie stand auf. Das Sitzen machte sie noch unruhiger. »Ich habe ihm ein Versprechen gegeben, kannst du dir vorstellen wie ich mich die letzten Jahre gefühlt habe? Mit dem Wissen es nicht eingehalten zu haben?!«, wurde die Bürgermeisterin nun lauter, wandelte unschlüssig durch den Raum. »Er wusste, dass deine Welt ineinander brechen würde und ich habe ihm dieses dumme Versprechen abgenommen! Aber du hast es nicht zu gelassen, weil du denkst, du müsstest alles alleine durchstehen! Sein Tod hat nicht nur dich verändert!« Die ersten Tränen verschleierten ihre Sicht und Regina biss sich auf die Unterlippe. Drei Jahre zuvor »Mom?« Reginas Kopf schnellte in die Höhe. Sogleich legte sie den Stift beiseite, die Arbeit wurde irrelevant. Der Alltag im Swan-Mills-Haushalt hatte sich in den vergangenen Wochen verändert, besonders mit dem Voranschreiten der Krankheit. Sowohl Emma als auch Regina hatten mehrere Gespräche darüber geführt, wie sie in Zukunft die Umstellung handhabten. Archibald Hopper war es, der ihnen versicherte, dass es das Klügste war, wenn sie ihre Arbeitszeiten aufteilten. Denn am Ende brauchten sie beiden einen Abstand, einen Weg, bei dem beide aus dem Haus und auf andere Gedanken kamen. Dementsprechend hatten sie tatsächlich eine Einigung erzielt. Eine von ihnen war stets zu Hause und kümmerte sich um Henry. Für Regina war es deutlich einfacher ihre Arbeit vermehrt außerhalb des Büros zu erledigen; und bei den Sitzungen, die auch nach dem Sherriff verlangten, übernahm David Emmas Stellvertretung. Bislang funktionierte ihre Aufteilung und Regina stellte fest, dass auch ihr diese wenigen Stunden der Normalität manchmal halfen. »Alles in Ordnung bei dir?« Besorgnis spiegelte sich in ihrer Stimme wider als sie das Zimmer ihres Sohnes betrat. Matt lächelte er ihr entgegen. Henry war müde, aber das Lächeln kam ihm selten abhanden. »Ich möchte mit dir reden.« Ein Kloß suchte ihre Aufmerksamkeit, machte das Schlucken beinah unmöglich. Henry war stets ein zierlicher Junge gewesen, aber mittlerweile sah er noch mehr danach aus; aber nicht seine körperliche Verfassung löste ein erschauderndes Gefühl in Regina aus, es war die Ernsthaftigkeit, die in seiner Stimme mitschwang. Klopfend deutete er auf den freien Platz neben sich und Regina bemerkte wie sie einen Moment die Luft anhielt. Ein Teil in ihr, obwohl sie noch nicht direkt wusste, worüber ihr Sohn sprechen wollte, wehrte sich gegen eine Unterhaltung. Mit einem wild schlagenden Herzen kam sie seiner Aufforderung nach. »Ich habe nicht aufgegeben, aber Mom? Wir wissen beide, dass das Leben kein Märchen ist und nicht an jeder Ecke ein Happy End lauert und unsere Wünsche somit in Erfüllung gehen«, lauschte Regina und spürte die schmerzhafte Anspannung, die ihren Körper übermahnte. Henry sah sie nicht an, er lehnte sich gegen sie, schlang die Arme um ihren Bauch. Regina war sprachlos – natürlich hatten sie und Emma mehr als einmal versucht über diese Thematik zu sprechen, aber bislang ohne Erfolg. Meist war Emma diejenige gewesen, die sogleich blockierte. Und nun lenkte ausgerechnet Henry in jene Richtung. »Vielleicht stehe ich es durch, aber ich kann auch sterben. Mom weicht mir aus und möchte nicht darüber reden … sie hat Angst und ehrlich gesagt … ich hab sie auch, nicht nur vor dem Tod, auch wegen Mom. Du bist anders, weil du mit schwierigen Situationen einfach anders umgehen kannst, aber Mom?« » Ich bin von ihrem Abblocken alles andere als begeistert, aber eine Welt ohne dich ist für Emma eben unvorstellbar … auch für mich.« »Ich weiß, tust du mir dennoch einen Gefallen?« »Der wäre?«, fragte Regina nach einem längeren Schweigen und einem notwendigen Räuspern nach. So viele verschiedensten Bitten gingen ihr durch den Kopf. »Sollte ich sterben, dann passt du auf Mom auf, okay? Lass nicht zu, dass sie etwas macht, das sie später bereut.« ♛ »Niemand konnte mir zu dem Zeitpunkt helfen, Regina!«, verteidigte Emma ihre Handlung. Ein halbes Jahr hatte sie in der Stadt ausgehalten, bei all den bemitleidenden Blicken. Den ersten Impuls, der kurz nach seinem Tod aufkam, den hatte sie unterbunden. Dann den zweiten und den dritten, bis sie irgendwann keine Kraft mehr aufbringen konnte und einfach tat, wonach alles in ihr schrie. »Nein, Swan! Du hast es nicht einmal in Erwägung gezogen! Statt über deine Gefühle zu reden, hast du dich verschanzt oder sie in Wut gegen uns gerichtet.« »Und wie oft hast du geschwiegen? Du bist selbst nicht gerade das Paradebeispiel für einen offenen Menschen!« »Ich habe aber niemanden im Stich gelassen!«, zischte die Bürgermeisterin von Emma abgewandt, atmete anschließend tief durch und sprach in einem kontrolliertem Ton weiter: »Die ersten Wochen habe ich auf dein Verschwinden gewartet, weißt du? Plötzlich ist ein halbes Jahr vergangen und bist noch hier gewesen und ich habe auf diese Option vergessen, bis du mich eiskalt erwischt hast.« Ein Frösteln überkam Regina und auf ihren freigelegten Unterarmen – die Ärmel des Hemdes hatte sie nach oben gekrempelt, erkannte sie wie sich die Gänsehaut ausbreitete. »Warum bist du zurückgekehrt?« Emma stellte das leergetrunkene Glas ab und sacht zuckten ihre Mundwinkel. Nicht der Freude wegen sondern vor Wehmut. »Davonlaufen kann helfen. Die ersten Monate über hat es meinen Zustand verbessert, aber dann? Ich habe so viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Mir ist klar geworden, dass ich nicht so leben möchte. Manche Dämonen verschwinden nicht für ewig, sie tauchen unter und warten jedoch auf die nächstbeste Gelegenheit. Ich habe mein altes Leben vermisst, meine Freude … dich. Henry hat alles andere überschattet, denn bis wir hierhergekommen sind … da gab es nur Henry und mich. Wir haben uns eine eigene kleine Welt geschaffen. Nur er und ich. Nach seinem Tod habe ich das Wesentliche aus den Augen verloren … diese Welt hat sich in den Jahren, die wir hier verbracht haben, ausgedehnt. Ihn habe ich verloren und den Verlust werde ich nie vollkommen kompensieren können, aber ich hätte sehen müssen, dass ich eben nicht alles verloren habe.« In Storybrook hatte sich ihr Leben vollkommen gewandelt; Emma hatte sich niedergelassen, Menschen kennengelernt, die sie als Familie ansah. Henry und sie waren nicht mehr auf sich alleine gestellt. »Ich euch nicht länger ignorieren.« »Also geht es dir um dein eigenes Seelenheil und du möchtest dein schlechtes Gewissen reinigen«, gab Regina abwertend zu verstehen. Missbilligend schüttelte sie den Kopf. »Das kann ich nicht leugnen, mein Gewissen möchte ich durchaus zum Stillschweigen bringen«, gestand Emma daraufhin und erhob sich seufzend, »aber sagt mir mein Gefühl, dass ich diese Auszeit von Storybrook durchaus gebraucht habe. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Bleiben geholfen hätte.« »Und was genau erwartest du von deiner Rückkehr? Ist es überhaupt eine Rückkehr oder lediglich ein Abstecher?« Regina stand mittlerweile am Fenster; starrend konzentrierte sie sich auf die Gartenbeleuchtung, die winzigen Lichtpunkte, die in der Dunkelheit erkennbar waren. Fingernägel krallten sich in ihre Oberarme. Sie wusste nicht, was sie hiervon halten sollte. »Ich bleibe, ich gehöre in diese Stadt. Direkt dort weitermachen, wo ich aufgehört habe, kann und will ich auch gar nicht, aber möchte ich nach vorne sehen und einen Neuanfang wagen. Ich habe hier viel verpasst und ich muss vieles wiedergut machen.« »Hättest du mit mir darüber geredet, dann hätten wir mit weniger Verletzungen auseinander gehen können. Es wäre leichter gewesen, verstehst du mich?« Als Regina bemerkt hatte, dass sich Emma in Bewegung gesetzt und in angemessenen Abstand hinter sie gestellt hatte, drehte sie sich um, lehnte mit dem Gesäß gegen den Fenstersims. »Ich bin überzeugt davon, dass du das Richtige tust indem du dich deiner Vergangenheit stellst.« Ein trauriges Lächeln huschte über ihre Lippen und für einen Moment suchte sie das Augenpaar der anderen. Flüchtig erinnerten sich Regina an all die Zeit, die sie miteinander hatten und auch an jene, die sie noch miteinander gehabt hätten, hätte sich das Schicksal nicht auf seine scheußlichste Weise an sie gerichtet. »Von Anfang an möchte ich eines klarstellen. Meine Gefühle haben sich nicht in Luft aufgelöst und du kannst in dieser Stadt gerne einen Neustart wagen, aber bezieh mich nicht darin ein.« Die Liebe, die sie für Emma empfand, existierte weiter; nie hatte Regina aufgehört und egal, wie oft sie sich die Rückkehr der anderen auch gewünscht hatte, nun, wo es soweit war, spürte sie die ernüchternde Erkenntnis. Was geschehen war, konnte nicht rückgängig gemacht werden. Vertrauen war der Grundpfeiler eine jeder Beziehung und dieses hatte Emma vor zweieinhalb Jahren mit sich genommen. Regina kannte sich sehr wohl und wusste wie unmöglich es war, das Vertrauen erneut aufzubauen und bestimmt hatte sie nicht vor jedes Mal Angst zu empfinden, Emma konnte erneut ohne Vorwarnung aus ihrem Leben verschwinden. »Wir können nie sagen, was uns die Zeit beschert.« Sogleich schüttelte Regina erneut den Kopf. »Weißt du, auch ich möchte einen Neuanfang. Frei von der Vergangenheit. Vielleicht habe ich deshalb nie nach vorne blicken können, eben weil du fort gewesen bist. Dich zu sehen, mit dir zu sprechen, ermöglicht mir mein Weiterziehen. Unsere gemeinsame Zeit und ein totes Kind, beides wird uns immer eine gewisse Verbindung verleihen, aber eine andere möchte ich endgültig lösen. Die Papiere habe ich heute aufsetzen lassen.« »Regina …« Emma fehlten die Worte, obwohl sie mit solch einem Ausgang längst gerechnet hatte und wahrscheinlich war auch hier noch nicht das letzte Wort gesprochen; mit allem stand sie am Beginn einer langen Reisen. Dennoch, Regina war eine vollkommen andere Angelegenheit, eine die weitaus mehr als ein Gespräch benötigte. Und so sehr sie Regina auch verstand und ihre Entscheidung auch nachvollzog, wollte Emma nicht daran glauben. Ja, sie hatte die Beziehung zum Scheitern gebracht und viel zu lange hatte sie mit ihrer Rückkehr gebraucht, aber tief in ihrem Herzen glaubte sie nicht an dieses Auseinander. Emma schloss ihre Augenlider, holte tief Luft. »Ich unterschreibe, aber werde ich nicht aufgeben. Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben. Davon bin ich überzeugt.« »Wie ich dir bereits gesagt habe«, begann Regina mit belegter Stimme, »Miss Swan gedenkt zurückzukehren und pocht darauf, dass sie neuerlich bekommt, was sie sich wünscht.« Nur dieses Mal musste Regina eisern bleiben, an sich selbst denken; auch wenn Henry nie gewollt hatte, dass sich die Wege seiner Mütter trennten, aber was hatte er damals selbst gesagt: Das Leben war kein Märchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)