Die Schwachen und die Skrupellosen von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 8: Wurzeln und Flügel ----------------------------- Derek war weiß wie eine Wand und unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Er malte sich bereits die furchtbarsten Dinge aus, die seiner Tochter zugestoßen sein könnten , wähnte sie schon in den Händen der Entführer, oder gar tot und hatte das Gefühl zu ersticken! Malia hingegen gelang es, gelassen zu bleiben und darum bemerkte sie auch etwas, was ihrem Zähne fletschenden, Fäuste ballenden, hektisch auf und ab laufenden Cousin entgangen war, nämlich den Herzschlag des Mädchens vor ihnen und so fragte sie scharf: „Okay, Chris! Was ist hier WIRKLICH los? Was ist mit Loba passiert?“ Schlagartig flog Dereks Kopf herum und er nahm das Mädchen mit dem Mohawk auf dem Kopf so finster ins Visier, als ob er sie fressen wollte. Er knurrte bedrohlich: „Wie bitte? Was ist geschehen? Was hast du mit meiner Tochter gemacht!“ Chris zuckte tatsächlich ein klein wenig zusammen, versuchte sich allerdings nichts anmerken zu lassen und behaupte erstaunlich gefasst und tapfer: „Ich sag´ doch, sie ist einfach gegangen. Ich habe ihr überhaupt nichts getan!“ Malia schob ihren Cousin ein wenig unsanft von Chris fort, um zu verhindern, dass dieser dem Mädchen am Ende noch an die Gurgel ging, aber natürlich auch, um sie sich nun selbst vorzuknöpfen. Sie blickte Chris eindringlich an und sagte streng: „Ich weiß, dass das nicht die ganze Wahrheit ist! Was zur Hölle hast du gemacht? Hast du sie geärgert? Sie ist nämlich sehr sensibel! Sag uns lieber gleich was los ist, damit wir wissen, was wir unternehmen müssen!“ Chris fixierte unbehaglich ihre Schuhe und irgendwann murmelte sie: „Es war doch bloß ein ganz kleiner Kuss! Ohne Zunge und alles! Gar nicht schlimm! Ich weiß doch auch nicht, warum sie dann einfach weggerannt ist?“ Nun war es an Derek, Malia wieder beiseite zu schieben und er donnerte los: „WAS IST LOS? DU HAST MEIN KIND GEKÜSST? VERDAMMT! WAS FÄLLT DIR ÜBERHAUPT EIN?“ Wiederum schaltete sich Malia ein, die versuchte, Derek zu beruhigen: „Reg´ dich ab, Derek und mach´ nicht so ein Theater! So sind sie nun mal in diesem Alter!“ Und nun war es seine Cousine, die den Zorn des Werwolfs auf sich zog: „GENAU! DU HAST DAS GEWUSST UND HAST NICHT AUFGEPASST! UND NUN IST MEINE TOCHTER VERSCHWUNDEN!“ Urplötzlich war Loba nun allerdings wieder bei ihnen. Sie war scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht; keiner hatte in dem Tumult gesehen, wo sie hergekommen war: „Hör auf Daddy!“ rief sie: „Hör jetzt auf zu schreien!“ Derek blickte verstört auf seine Tochter hinab: „Hey Süße!“ sagte er schlagartig besänftigt: „Wo warst du denn? Ich hab´ mir Sorgen um dich gemacht!“ Loba warf einen Blick über die Schulter auf Chris und murmelte: „Ich habe mich nur ein bisschen erschreckt und dann habe ich mich unter der Kellertreppe versteckt.“ Derek zog Loba in seine Arme und versicherte: „Keine Angst! Du musst nie wieder mit diesem bösen Mädchen allein sein, mein Schatz! Jetzt ist alles wieder gut!“ Loba machte sich los und blickte ihren Vater verständnislos an: „Wieso Dad? Ich will aber! Chris ist doch meine Freundin!“ Peter, der sich das Ganze bislang eher unbeteiligt aus dem Hintergrund angeschaut hatte, gab nun ein kleines Kichern von sich. Nur kurz schnellte Dereks Kopf herum und er schenkte seinem Onkel einen bösen Blick, ehe er sich wieder voll und ganz seiner Tochter widmete: „Aber Chris hat doch etwas sehr Böses mit dir gemacht, richtig?“ stellte er fest. Loba sah verwirrt aus. Dann schüttelte sie den Kopf und sagte: „Stimmt doch gar nicht! Sie hat mich nicht geärgert. Wir haben gespielt, Musik gehört und dann hat sie mich geküsst. Siehst du? Nichts Böses!“ „Und warum bist dann weggelaufen!“ fragte Derek forschend. Loba dachte über die Frage nach und erwiderte dann: „Weil ich dachte, ich bin noch zu klein zum Küssen. Stimmt aber gar nicht.“ Sie ging hinüber zu Chris und nahm deren Hand und das Mädchen mit dem Iro grinste triumphierend zu Lobas überbeschützerischem Vater hinüber. „Na fein! Nachdem das nun geklärt wäre, können wir uns ja alle wieder ein bisschen abregen!“ stellte trocken Malia fest und zog ihren Vetter hinter sich her, der den Mädchen jedoch noch rasch ein strenges: „Aber die Zimmertür bleibt offen!“ zurief. Malia schüttelte stöhnend den Kopf. Zurück im Mitarbeiterbüro forderte der immer noch aufgebrachte Derek Damian und Peter auf, dass SIE berichten sollten, was sie heute herausgefunden hatten, während er selbst sich sein Handy schnappte und damit vor das Haus ging. Er musste jetzt erst mal mit jemandem sprechen, der ihn verstehen würde. Stiles kam die Abwechslung ganz recht, als er sein Telefon vibrieren hörte, erst recht als er Dereks Namen auf dem Display las. Er überließ Scott und Danny eine Weile sich selbst und ihren Büchern und ging zum telefonieren nach nebenan. Nachdem er jedoch den Ausführungen seines Gefährten eine Weile gelauscht hatte, sank seine Stimmung schlagartig und er pöbelte ins Telefon: „Was hast du gemacht, du Esel? Unsere Tochter bekommt ihren ersten Kuss und anstatt das mit ihr zu feiern, brüllst du das Mädchen, das sie geküsst hat an und behauptest vor Loba, Küssen sei eine böse Sache? Dich kann man wirklich nicht einmal für ein paar Tage aus den Augen lassen, verflixt!“ „Moment mal! Unsere Tochter war verschwunden! Ich war außer mir vor Sorge!“ rechtfertigte sich Derek: „Und außerdem hat diese Chris Loba geküsst, ohne zu fragen! So etwas geht doch nicht!“ Da musste Stiles ein bisschen lachen: „Wer macht denn das? Fragen, ob er jemanden küssen darf?“ „Höfliche Menschen!“ schnappte Derek beleidigt: „Und überhaupt...sie ist doch unser Baby! Sie ist noch viel zu klein für... so etwas!“ „Bullshit!“ rief Stiles: „Ich war bloß ein Jahr älter, als du und ich uns zum ersten Mal geküsst haben, wenn ich dich erinnern darf! Und jetzt hörst du auf der Stelle auf, dich da einzumischen. Wenn du nämlich unser einziges Kind für´s ganze Leben traumatisierst, bloß weil sie endlich mal etwas tut, was in ihrem Alter normal ist, dann werde ich richtig böse, du Dummkopf!“ „Hey! Ich bin kein Dummkopf!“ protestierte Derek: „Und außerdem hat Loba selbst ja überhaupt nichts gemacht. Diese freche Göre ist einfach über unsere Kleine hergefallen und hat ihr Angst gemacht. Ich sollte lieber mal wieder reingehen und bei den beiden nach dem Rechten sehen?“ „Verdammt Derek, ich bin so kurz davor mich ins Auto zu setzen und auf die blöden Prüfungen zu pfeifen, damit du da unten nicht noch mehr Mist baust!“ schimpfte Stiles: „Du wirst die Mädchen gefälligst in Ruhe lassen!“ Derek knurrte leise ins Telefon. Dann fragte er: „Und du machst dir also keine Sorgen darüber, dass unsere Tochter ihre ersten Erfahrungen ausgerechnet mit einem anderen Mädchen macht? Du weißt, was die Leute sagen werden: Die schwulen Väter haben´s vergeigt! Und wo hätte Loba auch lernen sollen, dass das nun einmal nicht die Normalität ist. Welche Vorbilder hat sie denn schon? Sie sieht uns beide, Peter, Danny mit Ethan und jetzt auch noch Malia mit ihrer Freundin!“ Am anderen Ende der Leitung war es mit einem Mal sehr still geworden: „Bist du noch da?“ fragte Derek daher unsicher. Durch´s Telefon hörte er Stiles tief Luft holen, ehe dieser sehr ernst und beinahe schon schneidend antwortete: „Ich erwarte von dir, dass du nichts von dem Schwachsinn, den du da gerade abgesondert hast an unsere Tochter weitergibst! Und ich lege jetzt auf und ich will erst wieder von dir hören, wenn du über das, was du gerade gesagt hast so weit nachgedacht hast, dass du weißt, wofür du dich entschuldigen musst.“ Derek konnte hören, wie sich nach und nach Tränen in Stiles Stimme gemischt hatten und das nächste, was er vernahm, war das Klicken in der Leitung, weil Stiles aufgelegt hatte. Was war hier gerade passiert? Derek fühlte sich unbehaglich. Wie so oft hatte er keinen Schimmer, was er angestellt hatte. Er trottete unzufrieden zurück ins Mitarbeiterbüro und ließ sich dort in einen der Korbstühle fallen. Stiles kehrte an seinen Arbeitsplatz zurück und pfefferte zornig eines seiner Bücher in eine Ecke: „Was hat der Schwachkopf denn nun schon wieder angestellt?“ fragte Scott stirnrunzelnd: „Beinahe drei Jahre und der Kerl denkt immer noch, dass mit uns beiden wäre... was weiß ich... pervers, oder so!“ schluchzte Stiles: „Oh Mann, ich hasse ihn!“ Scott lächelte nachsichtig, erhob sich und nahm seinen besten Freund in den Arm: „Blödsinn! Tust du nicht! Aus irgendeinem bescheuerten Grund liebst du den unsensiblen Trottel. Und jetzt beruhige dich erst mal, Bro!“ Stiles lehnte sich ein wenig an, denn dazu waren Alphas schließlich da, oder etwa nicht? Als sein Freund zu weinen aufgehört hat, hörte Scott sich zunächst einmal den Bericht über das Telefonat an und fragte dann: „Soll ich jetzt gleich anrufen, um ihm den Kopf zu waschen, oder später?“ „Später!“ bestimmte Stiles erbost: „Er soll erst noch eine Weile im eigenen Saft schmoren!“ Und Derek schmorte! Er zermarterte sich das Hirn, was zum Teufel er denn nun schon wieder falsch gemacht hatte? Er machte sich doch bloß Sorgen um ihr Kind, weiter nichts! Das war doch etwas Gutes und nichts wofür er mit Kontaktabbruch bestraft werden sollte, verdammt! Schmollend verschränkte er die Arme vor der Brust. Dann bemerkte er, dass er von Peter beobachtet wurde, der sich scheinbar köstlich über ihn amüsierte und er fletschte die Zähne in seine Richtung. In diesem Moment betrat einer der Jugendlichen das Büro, blickte stirnrunzelnd in viele fremde Gesichter und überreichte Malia dann ein Blatt Papier: „Hey!“ rief Dereks Cousine anerkennend aus: „Das ist toll geworden!“ Sie hielt das Plakat hoch, mit welchem Clay nach seiner Mitbewohnerin suchen wollte: „Schaut mal her. Was haltet ihr davon, wenn wir das überall in der Stadt aufhängen, um Lindsey zu finden?“ Derek betrachtete das Plakat, schüttelte dann heftig den Kopf und platzte heraus: „Das ist eine saudumme Idee!“ Clay schnellte herum, nahm den fremden Kerl mit den dicken Oberarmen eisig ins Visier und wollte wissen: „Wer zur Hölle bist du überhaupt? Und wieso hast DU hier etwas zu sagen?“ Derek hatte für heute genug davon, angepöbelt zu werden und wollte sich den kleinen Frechdachs gerade vornehmen, als Malia sich zwischen ihnen aufbaute, sich Clay zuwandte und erklärte: „Das ist mein Cousin! Er versteht ein bisschen was davon und ich habe ihn und die anderen Anwesenden gebeten, uns bei der Suche nach Lindsey zu helfen.“ „Bist du´n Bulle, oder so?“ wollte Clay nun von Derek wissen, doch der gab bloß ein leises Knurren von sich, also antwortete Malia an seiner Stelle: „Nein, Derek ist kein Polizist; bloß ein schlecht gelaunter Kerl mit dicken Muskeln. Lässt du uns bitte eine Weile allein, Clay. Ich komme später zu dir und wir reden, in Ordnung?“ „Pfft!“ war die, für Interpretationen offene Antwort des Jungen, doch dann schnappte er sich sein Fahndungsplakat und trabte hinaus. Malia schloss die Tür hinter ihm und blaffte dann Derek an: „Was sollte das gerade, hmm? Wenn du nicht aufhörst, meine Schutzbefohlenen anzuschnauzen, dann bekommst du Hausverbot!“ Derek war stinksauer! Er hatte echt genug davon, von allen Seiten angepöbelt zu werden. Er sprang aus seinem Sessel auf und schrie: „Und vielleicht solltest DU aufhören, deine Schutzbefohlenen in Lebensgefahr zu bringen! Du willst in der ganzen Stadt Suchplakate aufhängen? Was denkst du denn, was dann geschehen wird? Hast du vorhin nicht zugehört? Dieser Tony nimmt sich Kids, die niemanden haben und die niemand vermisst. Wenn er nun feststellt, dass Bilder von dieser Lindsey auf jedem Michkarton im Land auftauchen, wird ihm sehr bald der Boden unter den Füssen zu heiß werden. Sie dann noch an Freier zu verkaufen wäre zu riskant und sie freizulassen ebenso, denn schließlich kann sie ihn und vielleicht auch seinen Unterschlupf und seine Komplizen identifizieren! Lindsey einfach weiter irgendwo festzuhalten wäre hingegen unwirtschaftlich, also bleibt Tony eigentlich nur noch eine Option und zwar die, das Mädchen loszuwerden und als nächstes findet die Polizei dann ihre Leiche.“ Malia mochte Dereks Ton vielleicht nicht passen, doch sie musste zugeben dass das, was er sagte logisch klang. Sie nickte also und fragte in die Runde: „Und was machen wir nun?“ „Bereit für dein Coming Out, Cousine?“ erkundigte sich Derek: Malia, die ahnte, was das bedeutete, nickte erneut und bestimmte unzufrieden: „Heute Abend um acht Uhr hier! Ich sorge dafür, dass meine Kollegen da sein werden“ Und damit waren die Anwesenden für´s Erste entlassen. Nachdem die Erwachsenen sich zurückgezogen hatten, hatten Loba und Chris sich auf dem Bett niedergelassen. Wie angeordnet hatten sie die Zimmertür offen gelassen und Chris hatte auf ihrer Schlafstätte ein wenig Abstand zwischen sich und ihrem Gast gelassen: „Tut mir leid!“ murmelte sie kleinlaut. Loba schaute sie mit ihren großen, dunklen Augen ratlos an und machte: „Hm?“ „Ich hab´ dich erschreckt!“ erläuterte Chris: „Als ich dich geküsst habe. Du mochtest das nicht, richtig?“ Loba lächelte schüchtern. Und weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte, denn Worte lagen ihr nun einmal nicht gut, krabbelte sie zu Chris hinüber und legte ihr den Kopf in den Schoß. Im ersten Moment wusste diese nicht recht, was sie sie davon halten sollte und wurde ein wenig nervös, doch irgendwann traute sie sich dann, Lobas langes schwarzes Haar zu streicheln und sagte ein weiteres Mal: „Du bist echt eigenartig, Loba!“ doch diesmal fügte sie hinzu: „Aber du bist auch echt süß!“ Und das Mädchen in ihrem Schoß lächelte zufrieden. Derek näherte sich Chris Zimmertür und rief schon aus einiger Entfernung nach Loba, um sie vorzuwarnen, falls... … irgendetwas vor sich ging. Er mochte es sich gar nicht ausmalen! Dann stand er schließlich im Türrahmen und sah, dass seine Tochter den Kopf auf dem Oberschenkel des Mädchens mit der komischen Frisur abgelegt hatte. Eigentlich war es ja ganz süß, wie diese Chris sanft Lobas Wangen streichelte und seine Tochter die Berührungen mit geschlossenen Augen genoss, wie Derek insgeheim zugeben musste. Er räusperte sich. Loba richtete sich auf, öffnete die Augen, blickte ihren Vater erwartungsvoll an und dieser wollte wissen: „Hast du Lust, irgendwo einen Happen essen zu gehen und danach etwas Schönes mit mir zu unternehmen, mein Schatz?“ Das Mädchen nickte strahlend: „Darf Chris mitkommen?“ wollte sie wissen: Derek schüttelte den Kopf: „Das nächste Mal!“ versprach er: „Heute würde ich gern mein Baby ganz für mich allein haben, in Ordnung?“ Loba warf einen bedauernden Blick auf Chris und lief auf ihren Vater zu. Auf halbem Weg überlegte sie es sich jedoch anders, kehrte zu dem Mädchen auf dem Bett zurück, gab ihr einen kleines, zartes ungeschicktes Küsschen auf die Lippen und sagte grinsend: „Bis später, oder so!“ Chris strahlte. Derek seufzte leise. Hätte die Sache mit der Pubertät seiner Tochter nicht noch ein, zwei....oder ZEHN Jahre Zeit gehabt? Loba mochte nun dafür bereit sein, doch das hieß noch lange nicht, dass Derek es auch war! Sie steuerten ein Diner in der Innenstadt an. Loba studierte die Karte und hatte wie immer einen gesunden Appetit, denn ihre Bestellung fiel fürstlich aus. Zwischen zwei Bissen ihres Burgers erklärte Loba: „Küssen macht ein komisches Gefühl im Bauch, Dad!“ Derek blickte von seinen Fritten auch und nickte: „Ich weiß mein Schatz!“ dann stutzte er und erkundigte sich forschend: „Ein GUTES komisches Gefühl, oder ein SCHLECHTES?“ Loba schien angestrengt über die Frage nachdenken zu müssen. Dann versicherte sie jedoch: „Ein gutes Gefühl!“ Derek nickte beruhigt. Sie aßen eine Weile schweigend weiter und irgendwann wollte Loba wissen: „Bist du böse auf mich, Daddy?“ Derek schaute seine Tochter überrascht an: „Nein, Spätzchen! Wie kommst du denn auf so etwas?“ Das Mädchen blickte ihn prüfend durch Augenschlitze hindurch an und stellte fest: „Du riechst böse!“ Derek seufzte. Einem kleinen Werwolf konnte man einfach nichts vormachen: „Ich hatte heute einfach keinen schönen Tag. Alles nervt mich und außerdem hatte ich vorhin einen kleinen Streit mit Stiles am Telefon.“ „Was hast du denn nun schon wieder angestellt?“ fragte seine Tochter altklug und gegen seinen Willen musste Derek darüber ein wenig lachen: „Wer sagte denn, dass ICH etwas angestellt habe?“ wollte er wissen: „Vielleicht lag es ja auch an Stiles?“ Loba schüttelte energisch den Kopf: „Glaub´ ich nicht!“ sagte sie bestimmt. Natürlich nicht! Auf ihren Daddy Stiles ließ Loba nichts kommen. Zwischen diese zwei passte kein Blatt Papier und so war es eigentlich schon vom allerersten Tag an gewesen. Für Derek blieb da oft genug nur die Rolle des `Aus-Prinzip-schon-Schuldhabers´ übrig. Zum Glück hatte er breite Schultern, die dieses schwere Los tragen konnten. Und im Grunde wusste er ja auch, wie sehr die beiden ihn dennoch liebten: „Stiles war böse auf mich, weil ich deine Freundin Chris vorhin angeschrien habe!“ erläuterte Derek Loba nickte wissend und bestätigte: „Das war ja auch gar nicht lieb von dir, Daddy!“ „Ich habe mir doch nur Sorgen um dich gemacht, weil du verschwunden warst!“ rechtfertigte Derek sich seufzend. „Trotzdem!“ beharrte Loba. Derek knetete sich verzweifelt die Stirn. „Wann rufst du Daddy an und entschuldigst dich dafür, dass du ungezogen warst?“ verlangte Loba zu erfahren. Derek knurrte. Loba blieb davon unbeeindruckt und schenkte ihm einen strengen Blick. Derek rollte mit den Augen. Es nutzte ihm nichts, denn mittlerweile hatte Loba die Arme vor der Brust verschränkt. Was konnte er dagegen schon ausrichten: „Ich rufe ihn gleich an, aber jetzt essen wir erst mal!“ versprach Derek geschlagen. Loba nickte huldvoll und schob sich dann eine ganze handvoll Pommes gleichzeitig in den Mund, so dass die gelben Enden noch aus ihrem Mund herauslugten, während das Mädchen bereits kaute. Es hatt beinahe etwas von der Fütterung einer Würgeschlange. Wenigstens schien es, als sei seine Antwort genehm, stellte Derek mit einer gewissen Erleichterung fest. Nach einer Weile ließ er Loba mit der Dessertkarte und der Kellnerin allein, denn so war seine Tochter erst einmal eine Weile beschäftigt. Er selbst ging vor die Tür und wählte Stiles Nummer. Dieser ging erst nach dem siebten Klingeln dran: „Ich höre?“ fragte Stiles ohne Gruß und immer noch ziemlich angepisst. „Ich hätte das nicht sagen sollen!“ murmelte Derek kleinlaut: „Ach ja? Und was genau?“ bohrte Stiles nach: „Es ist nichts anormal daran, wie du und ich leben und unsere Tochter darf küssen, wen sie will!“ antwortete Derek artig. Schweigen in der Leitung! „Ich liebe dich?“ schob Derek hoffnungsvoll hinterher: „Ist das eine Frage, oder eine Aussage!“ fragte Stiles streng: „Definitiv eine Aussage!“ bestätigte Derek. Wieder herrschte am anderen Ende einen Augenblick lang Stille. Dann versicherte Stiles: „Ich liebe dich auch, Mann!“ Doch er hatte noch etwas loszuwerden: „Eltern müssen ihren Kindern zwei Dinge geben, Derek: Wurzeln und Flügel! Wir haben versucht, Loba Sicherheit zu geben, so gut wir es konnten, aber jetzt müssen wir ihr auch erlauben, sich auf den eigenen Weg zu machen!“ Derek schluckte und flüsterte: „Du fehlst mir, Süßer!“ „Du mir auch!“ versicherte Stiles und ließ sich nun berichten, was Derek und die anderen heute herausgefunden hatten. Am Ende resümierte Stiles traurig: „Wenn das, was diese Chen Lu gesagt hat wahr ist, dann treiben diese Bastarde ihr mieses Geschäft ja bereit seit einer Ewigkeit! Es müssen unzählige unschuldige Jugendliche sein, die ihnen bereits zum Opfer gefallen sind; unzählige zerstörte Leben! Bitte leg´ ihnen das Handwerk, Derek! Mach´ sie fertig! Und pass´ gut auf unser Mädchen auf! Sie darf nicht in die Nähe dieser Leute geraten. Scott, Danny und ich schreiben in einer Woche unsere Prüfungen, aber dann kommen wir zu euch und helfen, in Ordnung?“ „Das wäre schön!“ bestätigte Derek. Sie sagte sich noch ein weiteres Mal, dass sie sich liebten und schließlich legten sie auf. Als er wieder ins Diner kam, befand sich seine Tochter bereits im glückseligen Sugar-Rush und hatte Schokoladensoße am Kinn. Derek lächelte gutmütig, griff nach einer Serviette und beseitigte die Schweinerei. Da wurde ihm schlagartig klar, das Stiles recht hatte. Die Person, die sich unter der Dessertsoße befand, sah nämlich mittlerweile vielmehr aus wie eine junge Frau, als wie das Kind, dass er immer noch in ihr sah. Nächstes Jahr könnte Loba bereits ihren Führerschein machen und noch weitere zwei Jahre, dann wäre sie volljährig und würde die High-School beenden. `Zeit, loszulassen!´ dachte Derek schwermütig. Loba schob sich die Reste ihres Eclairs in den Mund, spülte mit ihrem Schokomilchshake nach und fragte in Dereks Gedanken hinein: „Habt ihr euch wieder vertragen, Daddy?“ Derek nickte: „Ja, Engelchen. Alles wieder gut!“ Loba atmete ein klein wenig auf und schob ihr Tablett mit einer Haltung von Endgültigkeit von sich fort. Die kleine Raupe Nimmersatt hatte also für´s Erste genug. „Und was nun?“ wollte Derek wissen. Loba schaute aus dem Fenster. Die Sonne lachte ihnen ins Gesicht, also bestimmte sie: „Ans Meer, Daddy!“ Lizzy hatte die halbe Nacht geredet und Lindsey hatte die meiste Zeit einfach bloß zugehört. Sie wusste nun, dass das andere Mädchen seit dem tot ihrer Eltern mit ihrem Bruder von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht worden war. Ihr Bruder sei noch am Tag seines achtzehnten Geburtstags verschwunden, doch er hatte versprochen, seine Schwester zu holen, sobald er eine Wohnung und einen Job hätte. Das sei vor zwei Monaten gewesen und seither hätte Lizzy nichts mehr von ihm gehört, doch er würde kommen; ganz, ganz bestimmt! Lizzy hatte von ihren Eltern erzählt; davon wie hübsch ihre Mutter gewesen sei, wie das Haus ausgesehen habe, in dem sie früher gewohnt hatten, dass sie einen Hund und zwei Katzen gehabt hätten, wie diese geheißen und wie sie ausgesehen hatten, wohin sie mit der Familie in den Urlaub gefahren wären. Sie erzählte von der Schule, ihren Freundinnen und einem Jungen, in den sie einmal verliebt gewesen sei. Es hatte Lindsey beruhigt, sich das alles anzuhören und Lizzy hatte es offensichtlich beruhigt, es zu berichten und irgendwann waren die beiden Mädchen eingeschlafen; jede in ihrer eigenen kleinen Gefängniszelle. Aufgewacht waren sie dann davon, dass ein Kerl; ein anderer als Tony gekommen war und die schreiende, strampelnde, verängstigte Lizzy mitgenommen hatte. Nun war sie bereits seit einer halben Stunden wieder da und hatte seitdem nicht zu weinen und vor Schmerz zu jammern aufgehört. Lindsey hätte ihr gern ihren Trick verraten, sich ganz einfach tot zu stellen, doch das andere Mädchen konnte ihr leider gerade nicht zuhören. Sie würde es ihr später sagen, dann würde es beim nächsten Mal leichter werden. Vater und Tochter hatte einen wirklich schönen Nachmittag miteinander verlebt: Sie hatten eine Weile in der Sonne gelegen, Loba hatte ein großes Eis bekommen, ganz so als sei es gar nicht erst gefühlte fünf Minuten her, dass sie ein riesiges Mittagessen verputzt hatte und dann hatte sie sich Schuhe und Strümpfe ausgezogen, die Hosenbeine hochgekrempelt und sie waren mit den Füßen ins Wasser gegangen und Loba hatte eine ganze Tasche voll Muscheln und Steine gesammelt - alle für Stiles – die Derek nun zurück zum Auto schleppen durfte. Seinem nächsten Termin blickte Derek allerdings ohne große Freude entgegen. Als sie an Malias Arbeitsplatz ankamen fragte er seine Tochter, ob sie vielleicht nochmal bei Chris klopfen wolle, denn die Erwachsenen hätten etwas Wichtiges zu besprechen und er widerstand dem Impuls, etwas zu sagen wie: `Aber die Hände bleiben auf der Bettdecke!´ denn vermutlich hatte Stiles recht. Es ging ihn als Vater wirklich nichts an, in wen seine Tochter sich möglicherweise verliebte und wie sie dieser Verliebtheit Ausdruck verlieh. Er konnte nur für sie da sein, falls sie reden wollte, oder Fragen hätte. Und wenigstens konnte es in dieser Konstellation keine ungewollten Schwangerschaften geben, versuchte Derek sich die Sache schön zu reden! Derek war offensichtlich der letzte, der zum verabredeten Termin im Mitarbeiterbüro erschien und scheinbar hatten die anderen Anwesenden nur noch auf sein Eintreffen gewartet. Malia saß bleich und elend zwischen ihrem Vater und Kendra und hatte von jedem eine Hand genommen. Damien hockte neben den dreienund ihnen gegenüber saßen Malias Kollegen, welche sie erwartungsvoll anblickten. Derek konnte das Unbehagen seiner Cousine in diesem Augenblick verstehen. Sie hatte eben erst begonnen an diesem Ort zu arbeiten, kannte ihre neuen Mitarbeiter im Grunde noch gar nicht und konnte selbstverständlich überhaupt nicht einschätzen, wie diese auf das reagieren würden, was sie ihnen zu sagen hatte. Nachdem Derek sich gesetzt hatte, straffte Malia tapfer die Schultern, richtete sich auf, räusperte sich ein wenig und dann begann sie: „Wir sitzen heute hier alle zusammen, weil wir euch etwas Wichtiges mitteilen wollen! Wir wissen möglicherweise, was mit Lindsey passiert ist und wer sie in seiner Gewalt hat, doch wir wissen nicht, wo er sie gefangenhält. Diese ganze Geschichte ist etwas kompliziert und sicherlich wird es euch auch sehr schwer fallen sie zu glauben, wenn ihr erst einmal alle Details kennt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)