Die Schwachen und die Skrupellosen von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 3: Vom Erdboden verschluckt ----------------------------------- Die kleine Chris führte die beiden Polizeibeamten in das Büro der Betreuer und verkündete finster: „Die Bullen sind hier!“ „Hey, Kleiner! Sei nicht so vorlaut, sonst nehmen wir dich mit!“ behauptete einer der Polizisten; ein kleiner Kerl mit Bauchansatz, Stirnglatze und Tom-Selleck-Schnauzer: „Ich glaube, das hier ist so etwas wie ein Mädchen, Carl!“ Sagte sein Kollege, ein schlaksiger, weißblonder Typ mit dem unscheinbarsten Gesicht, das Malia je gesehen hatte und welches sie sicherlich im selben Moment vergessen haben würde, da er den Raum wieder verließ: „Hey!“ Schimpfte sie: „Die Kleine ist nicht `so etwas wie ein Mädchen´, sie IST ein Mädchen! Basta! Also halten sie sich mit solchen Äußerungen gefälligst zurück, kapiert?“ Malia wusste, dass sie sich gerade weit aus dem Fenster lehnte, dafür, dass ihr Arbeitsverhältnis im Grunde noch gar nicht richtig begonnen hatte, doch es war ihr noch nie leicht gefallen, mit ihrer Meinung hinter dem Berg zu halten und ihr Kollege Rod war offensichtlich in seiner gegenwärtigen Verfassung nicht in der Lage, den homophoben Bastarden etwas entgegen zu setzen: „Das war doch nicht böse gemeint!“ rechtfertigte sich der fade Blonde: „Natürlich nicht!“ giftete Malia: „Ist es ja nie! Es war bloß die alltägliche, grausame Gedankenlosigkeit, richtig?“ an Chris gerichtet bat sie: „Kannst du uns vielleicht einen Augenblick lang allein lassen, Kleine?“ Das Mädchen zuckte betont gelangweilt mit den Schultern und trabte davon. Nun wandte sich Malia an Loba, küsste sie auf die Stirn und bat: „Kannst du auch einen Moment lang draußen warten, Schätzchen! Ich komme später zu dir, ja“ Der kahle, kleine Magnum musterte das Schauspiel skeptisch und als Loba draußen war, fragte er: „Ich weiß zwar, dass ihr hier sowieso alle Homos seid, aber glauben sie, dass es angemessen ist, so einen vertraulichen Umgang mit minderjährigen Schutzbefohlenen zu pflegen?“ Malia hatte Mühe, die innere Koyotin daran zu hindern, diesem Blödmann die Kehle herauszureißen. Stattdessen antwortete sie eisig: „Sie ist meine Nichte, Mann!“ Korrekterweise hätte sie wohl `Großkusine´ sagen sollen, aber erstens gingen den Cop ihre genauen Familienverhältnisse überhaupt nichts an und zweitens fühlte sie sich tatsächlich viel mehr wie Lobas Tante. Eine Großkusine war jemand, den man ein einziges Mal im Leben bei der Verlesung eines mysteriösen Testaments oder so traf. Aber Loba fühlte sich für Malia beinahe ein bisschen wie ein eigenes Kind an, oder vielmehr war sie die Tochter des gesamten Rudels! Rodrigo wirkte immer noch traurig und benommen, doch nun war seine Aussage gefragt, also riss er sich einen Moment lang zusammen. Ihm selbst fielen die kritischen Blicke der beiden Polizisten, die er auf sich zog offenbar gar nicht auf, doch Malia spürte genau, was die beiden Gesetzeshüter dachten. Rod war ein wirklich hübscher Kerl; groß, schlank, die eleganten Bewegungen eines Tänzers, ein wenig extravagant gekleidet in vielfarbig gebatikter Schlaghose und einem tief ausgeschnittenen fliederfarbenen T-Shirt, kinnlange, schwarze Locken, dunkler Teint, sehr gepflegt, ein Gesicht, das aussah, als würde er viel Lachen. Hätte Rodrigo sich nun auch noch das Wort `schwul´ auf die Stirn tätowieren lassen, wäre das sogar für den größten Idioten ein völlig unnötiger Hinweis gewesen. Rod war genau die Art Mann, über die Kerle wie diese zwei Pfeifen von der Polizei abends, spätestens nach dem dritten Bierchen ihre hirnlosen Witzchen reißen würden und daher funkelte Malia die beiden einfach schon mal prophylaktisch zornig an. Zunächst wollten die Beamten die Daten zu Lindseys Person aufnehmen: „George Larson!“ sagte Rod und die Beamten schauten ihn fragend an: „Ich dachte, wir suchen nach einem Mädchen?“ fragte Groß-Blond-Und-Uninteressant. „Lindseys rechtlicher Vormund stimmt der Personenstandsänderung und der Transition nicht zu, solange sie minderjährig ist.“ erklärte Rod, doch die begriffsstutzigen Cops kapierten es immer noch nicht: „Sie ist trans* Herrgott nochmal!“ Schimpfte Malia. „Also suchen wir nach einem Jungen, der sich als Mädchen verkleidet!“ stellte der hässliche Magnum fest und Malia begann damit, ein leises Knurren von sich zu geben. Rod machte einen geduldigen und ernstgemeinten Versuch, es den beiden Betonköpfen zu erklären, doch das Einzige, was den Idioten dazu einfiel, war ein Stirnrunzeln und ein: „Wie auch immer!“ Und so erzählte Rodrigo einfach alles, was er wusste; dass die sechzehnjährige Lindsey gestern am Mittag allein losgezogen war, weil sie shoppen gehen wollte, dass sie gegen achtzehn Uhr noch einmal zuhause angerufen hatte, weil es etwas später werden würde, denn sie hätte noch einen Freund getroffen und mit dem wollte sie noch ein bisschen Zeit verbringen. Und nein, Rodrigo wusste nicht, wer der Freund wäre und wie er hieße. Dann war Lindsey nicht zur vereinbarten Zeit nachhause gekommen, was für sie sehr ungewöhnlich sei, denn sie sei ein liebes Mädchen und folge den Anweisungen ihrer Betreuer für gewöhnlich. Nein, sie sei sicher NICHT bei ihrer Familie, denn den Eltern habe man das Sorgerecht entzogen und darum sei auch ein staatlich bestellter Vormund eingesetzt worden. Außerdem würden die Eltern in Kansas leben. Rod gab alle Namen, Adressen und Telefonnummern von Freunden an, die den Betreuern bekannt waren, doch natürlich habe man dort schon angerufen und Lindsey sei nicht dort gewesen. Außerdem waren gerade zwei andere Betreuungskräfte mit den anderen Jugendlichen auf der Suche nach Lindsey und Rod selbst habe die Krankenhäuser abtelefoniert. „Jugendliche verschwinden eben manchmal, wenn´s ihnen zuhause nicht passt!“ stellte der Cop, Geschmacksrichtung Blond und Öde unbeteiligt fest und Kahler Magnum pflichtete ihm nickend bei: „Wenn ich so qualifizierte und wohl durchdachte Äußerungen unserer Gesetzeshüter höre, dann weiß ich doch, dass meine Steuergelder gut angelegt sind!“ giftete Malia: „Ich hab´ da einen ganz verrückten Vorschlag, meine Herren: Ziehen sie los und finden sie das verschwundene Kind, einverstanden?“ Loba war hinter Chris hergelaufen, die wieder ihren Platz auf der Treppe eingenommen hatte und hatte sich neben sie gesetzt: „Deine Haare sind komisch!“ stellte Loba fest: „Darf ich sie mal anfassen?“ Chris blickte sie entgeistert an: „NEIN!“ rief sie: „Du darfst meine Haare NICHT anfassen! Außerdem sind die nicht komisch sondern verdammt cool. Dein scheißhässliches Kleid ist komisch. Wo hast du das her? Vom Müll?“ Loba riss entsetzt die Augen auf. Das Kleid, dass sie trug war schon alt und eigentlich passte es nicht mehr richtig. Es war ein vanillefarbenes, leichtes Sommerkleid mit kleinen rosa Blümchen und sie hatte es vor zwei Jahren gemeinsam mit Stiles gekauft. Es gefiel ihm so sehr an ihr und deswegen trug sie es weiter, auch wenn es langsam zu kurz und zu eng wurde: „Was denn? Heulst du jetzt?“ fragte Chris: „Nein!“ behauptete Loba, obwohl es durchaus im Bereich des Möglichen lag, dass sie es doch täte: „Ist die Neue deine Mum!“ wollte Chris nun wissen. Loba schüttelte den Kopf: „Ich habe keine Mutter! Ich habe nur Stiles und Derek!“ Chris sah überrascht aus: „Cool! Du hast zwei Dads?“ Loba nickte und Chris fragte weiter: „Leihmutter? Oder haben sie dich aus dem Kinderheim?“ „Sie haben mich auf der Straße gefunden.“ gab Loba zurück: „Huh?“ machte Chris ratlos: „Auf der Straße gefunden? Wie einen Penny, oder wie? Und dann haben sie dich einfach mitgenommen?“ „Ich war verletzt!“ antwortete Loba leise und nun weinte sie wirklich ein bisschen: „Hey! Warum flennst du denn jetzt?“ fragte Chris verdutzt: „Ich will lieber nicht über diese Sache sprechen!“ entgegnete sie schniefend. Chris fühlte sich unbehaglich. Sie tätschelte Lobas Schulter wie jemand, der diese ganze Trost-Sache noch niemals probiert hatte; ungeschickt und ein wenig zu grob: „Komm´schon! Hör auf zu heulen, O.K.?“ Loba nickte. Sie schnüffelte ein wenig und blickte sich verzweifelt um: „Hast du ein Taschentuch?“ wollte sie von Chris wissen. Diese schüttelte den Kopf, doch dann bot sie an: „Du kannst aber meinen Ärmel nehmen!“ Erst blickte Loba das andere Mädchen ungläubig an, doch Chris grinste nur schief und da musste das Wolfsmädchen lachen, nahm das Angebot an und wischte Rotz und Tränen an den hingehaltenen, flanellbekleideten Arm: „DU wolltest es so!“ sagte Loba hinterher entschuldigend und auf den feuchten Fleck deutend, den sie hinterlassen hatte. Chris nickte: „Das ist meine Strafe! Ich hab´ dich schließlich auch zum Heulen gebracht!“ erwiderte sie zwinkernd. Dann fügte sie mit einem Seitenblick auf Loba hinzu: „Weißt du, was das Gute an deinem verdammt hässlichen Kleid ist? Es ist so kurz, dass man viel von deinen hübschen Beinen sehen kann.“ Loba hatte keine Ahnung was sie dazu sagen sollte und aus irgendeinem Grund wurde ihr heiß und sie lief knallrot an. Zum Glück klingelte in diesem Moment ihr Handy. Sie warf einen Blick auf ihr Display, nahm das Gespräch entgegen und rief dann begeistert: „Hallo Derek!“ „Hallo Baby!“ erwiderte dieser und dann hielt er kurz inne: „Hast du etwa geweint!“ Fragte er, mit einem Mal besorgt: „Nein!“ erwiderte sie. Dann fiel Loba ein, dass man nicht lügen durfte und sie gestand: „Ein bisschen! Aber jetzt ist es schon wieder besser!“ „Gleich kannst du mir alles darüber erzählen, denn ich bin in der Stadt. Ich habe nämlich eine Überraschung für dich. Von Stiles!“ „Ist er auch hier?“ fragte Loba begeistert: „Tut mir leid, Schätzchen, er konnte nicht. Stiles muss doch lernen! Aber jetzt sag´ mir doch mal genau, wo du gerade bist?“ Loba sagte ihm die Adresse und legte selig auf: „Wer war das?“ wollte Chris wissen: „Das war Derek, einer meiner Dads!“ erwiderte sie strahlend. Loba war bei Chris auf der Treppe sitzen geblieben, um Derek bloß nicht zu verpassen, wenn er ankäme. Sie hatte dem fremden Mädchen zugehört, wie sie über Filme und Musik sprach. Loba hatte dazu nicht allzu viel zu sagen gehabt, denn sie kannte sich nicht gut aus mit dem, was gerade angesagt war, weil sie nicht viele gleichaltrige Freunde hatte, mit denen sie sich über so etwas hätte austauschen können. Zu viele Schulwechsel in ihrer Vergangenheit! Doch als Chris das Thema auf Videospiele brachte, war Lobas großer Moment gekommen, denn Dank Stiles wusste sie alles darüber und er und sie hatten schon hunderte von Stunden mit ihren Controllern in der Hand vor dem flimmernden Bildschirm verbracht, während Derek beleidigt, mit vor der Brust verschränkten Armen daneben gesessen und geschmollt hatte, weil er von keiner Seite auch nur die geringste Beachtung erhielt. Manchmal hatte er dabei auch demonstrativ ein Buch vor der Nase gehabt; irgendeinen ledergebundenen Wälzer, Klassiker der großen russischen oder französischen Literaten: „Dein Dad spielt mit dir Videospiele?“ fragte Chris erstaunt: „Wenn ich früher mit meinem Alten ein bisschen Zeit verbringen wollte, musste ich immer so tun, als würde ich mich für Football interessieren. In Wirklichkeit HASSE ich Football!“ stirnrunzelnd fügte sie hinzu: „Ich dachte, alle alten Leute würde Videospiele hassen?“ „Mein Dad ist aber nicht alt!“ beeilte sich Loba zu sagen: „Er ist einundzwanzig!“ Chris blickte sie ungläubig an: „Und wie alt bist du?“ „Fünfzehn. Glaube ich. Wir wissen es nicht so genau.“ gab Loba leise zurück: „Ihr wisst es nicht genau?“ Fragte Chris zurück: „Und dein Dad ist bloß sechs Jahre älter als du? Du bist ganz schön eigenartig, weißt du dass?“ Loba nickte traurig: „Ich weiß!“ Chris stieß sie grinsend mit dem Ellenbogen an und fügte hinzu: „Hey! Ich habe nicht gesagt, dass das etwas Schlechtes ist. Es ist interessant!“ In diesem Moment fuhr ein schwarzer Camaro vor: „Cooles Auto!“ stieß Chris beeindruckt aus: „Derek!“ rief Loba begeistert aus und rannte auf den großen, finster aussehenden Kerl zu, dessen Miene sich beim Anblick des Mädchens schlagartig aufhellte. Die Kleine sprang in seine Arme und Derek fing sie auf und wirbelte sie herum: „Hey, mein Schatz!“ rief er aus, setzte das Mädchen wieder ab und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen: „Die sind von Stiles!“ sagte er. Dann drückte er ihr noch einen besonders dicken auf die Stirn und fügte hinzu: „Und der ist von mir, Engelchen.“ „Wo ist meine Überraschung?“ Platzte Loba heraus. Derek grinste, holte einen großen Karton hinten aus dem Wagen und wollte wissen: „Wo ist denn überhaupt Malia?“ „Ich zeig´s dir!“ Erwiderte Loba ungeduldig: „Jetzt lass´ mich sehen, was ich kriege! Bitte, bitte!“ „Gleich mein Schatz!“ versprach Derek. Sie stiegen die Treppen zum Haus hinauf und Derek warf einen fragenden Blick auf dass grimmige Mädchen auf den Stufen: „Das ist Chris!“ stellte Loba vor: „Chris, das ist mein Dad!“ „DER ist einundzwanzig?“ fragte das Mädchen unverblümt: „Nein, das ist Derek. Der ist schon alt!“ behauptete Loba und Derek hüstelte gekünstelt: „Zweiunddreißig ist nicht alt!“ Murmelte er beleidigt. Loba griff nach Dereks Hand, kuschelte sich entschuldigend an ihn und machte schnurrende Laute, wie eine Katze. Und weil Derek das unwiderstehlich fand, gelang es ihm auch nicht, länger böse zu sein. Er streichelte den Kopf seiner Ziehtochter. Sie gingen hinein und Chris folgte ihnen neugierig. Die Polizisten waren mittlerweile verschwunden, zweifelsohne unterwegs in einer höchst wichtigen Kaffee-und-Donut-Mission. Malia erhob sich überrascht, als sie ihren Cousin erblickte, umarmte ihn, stellte Rod vor und fragte dann: „Was denn? Hat dein Liebhaber dich rausgeschmissen, weil du ihm auf den Wecker gegangen bist? Oder weil du und deine vorwitzigen, gierigen Fingerchen ihn nicht zum Lernen haben kommen lassen?“ „Nichts dergleichen, Cousinchen!“ erwiderte Derek tadelnd: „Ich bin in einer höchst wichtiger Botenmission unterwegs! Unser Mädchen hatte nämlich einen Traum und darum hat Stiles das hier gemacht!“ Derek stellte den Karton auf den Tisch und als er ihn öffnete, kam ein unglaubliches, riesiges Ungetüm von einem Kuchen zum Vorschein, bestrichen mit vielfarbiger Glasur und dekoriert mit bunten Streuseln, Liebesperlen, Gummibärchen und allem farbenfrohen Zuckerwerk, welches die Halesche Küche hergegeben hatte. In dunkler Zuckerschrift stand darauf zu lesen: `Für mein Baby! Ich liebe Dich Loba!´: „Oh, Gott! Das Ding sieht aus, wie ein Verkehrsunfall mit Clowns!“ kommentierte Malia trocken und kopfschüttelnd und erhielt dafür von Derek einen Stoß in die Rippen: „WOW“ schrie Loba begeistert mit schriller Stimme: „Das ist der schönste Kuchen, den ich je gesehen habe!“ Chris warf einen eigenartigen Blick auf das ungewöhnliche, augenkrebserzeugende und vor Zucker und Liebe gleichermaßen überquellende Backwerk und zog sich dann, von allen bis auf Rod unbemerkt zurück. „Willst du ihn jetzt oder später essen?“ Wollte Derek wissen: „Und wirst du ihn mit Anderen teilen, oder isst du das ganze riesige Ding allein?“ „Ich kann ihn nicht essen! Stiles hat ihn für mich gemacht!“ erwiderte Loba leise. Derek blickte das Mädchen verständnislos an: „Stiles hat ihn doch dafür gebacken, damit du ihn isst. Wenn du den Kuchen stehenlässt, wird er schlecht!“ „Aber er ist jetzt nicht da! Wenn ich den Kuchen stehen lasse, kann ich ihn anschauen und dann weiß ich dass er mich.. dann...dann...“ Das Mädchen blickte ihn traurig an, doch Derek lächelte und verlangte: „Gib mir mal dein Handy!“ Loba tat, wie ihr geheißen und Derek schoss Fotos von allen Ansichten des Gebäcks und sagte dann: „Hier mein Schatz. Jetzt kannst du dir den Kuchen auch in zehn Jahren noch anschauen. Darf ich jetzt bitte ein Stück davon essen? Ich habe eine lange Autofahrt hinter mir!“ Loba nickte: „O.K., alle dürfen etwas abhaben!“ Dann fiel ihr ein: „Können wir ein Stück für Peters Freund aufbewahren? Der mag süße Sachen genauso gern wie ich!“ Derek nickte. Dann fragte er Rod nach Tellern und Gabeln und dieser machte sich auf den Weg und kam in Begleitung von Chris wieder, die böse auf den Kuchen und dann auf Loba schaute. Die kleine Werwölfin konnte riechen, dass das andere Mädchen üble Laune hatte, doch sie wusste nicht, wieso. Um sie zu besänftigen sagte sie: „Du kannst auch ein Stück Kuchen abhaben! Mein Dad kann toll backen!“ „Schön für dich!“ knurrte Chris unwillig. Loba wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte und schaute das andere Mädchen verstört an. Rod tätschelte den Nacken von Chris und flüsterte: „Komm´ sei nett, Süße! Loba kann doch nichts dafür!“ Das Mädchen zuckte unwillig mit den Schultern und streckte dann die Hand aus, um ihr Stück vom Kuchen entgegen zu nehmen. Kendra lag auf dem Boden und Damian war mit ausgefahrenen Krallen und golden schimmernden Augen über ihr und hatte sie fest im Schwitzkasten. Die junge Frau klopfte ein paar Mal auf die Matte auf dem Boden des improvisierten Dojos im GLBT-Zentrum, dass Zeichen, dass sie aufgab. Es dauerte dennoch einen Moment, ehe der Werwolf zur Besinnung kam und sie wieder gehen ließ. Als sie wieder frei war, rieb sie sich eine schmerzende Stelle am Oberarm und schimpfte: „Ist bald Vollmond, oder was?“ Es war das erste Mal, dass der Schüler die Lehrerin übertrumpft hatte und wenn Kendra ehrlich war, dann war es im Grunde das, was ihr nicht schmecken wollte. Sie war unkonzentriert gewesen, hatte eine Sekunde lang nicht aufgepasst und so hatte der, ihr körperlich überlegene Werwolf es geschafft, sie zu überwältigen. Das durfte einer Kämpferin niemals passieren. Lektion Nummer eins: Lass´ dich niemals ablenken, verdammt noch mal! „Entschuldige!“ murmelte Damian kleinlaut: „Meinem Wolf hat es so gefallen, dich endlich mal auf die Matte zu befördern, nachdem du mit mir hier schon so oft den Boden gewischt hast, da habe ich es nicht gleich geschafft, ihn zurückzupfeifen! Außerdem bin ich ein bisschen unentspannt in letzter Zeit, weil...!“ Kendra zog kritisch die Stirn in Falten. Die beiden unterbrachen ihr Sparring für einen Moment, hockten einander nun auf den Judomatten gegenüber und Kendra blickte den Freund erwartungsvoll an, ehe dieser sich dazu durchringen konnte, fortzufahren: „Naja, es ist einfach schon eine Weile her, seit ich...“ Da verstand Kendra und sie lachte: „...Seit du flachgelegt wurdest, willst du sagen?“ Damian knurrte: „Stimmt denn irgendwas nicht mit mir?“ Wollte er wissen: „Ich meine, ich sehe doch nicht so übel aus, oder? Ist es irgendetwas anderes? Warum wollen die Kerle mich nicht!“ Kendra blickte den jungen Mann an: Groß, schlank, blondgelockt, mit wasserblauen Augen.`Nicht so übel´ war wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie lächelte, krabbelte näher an Damian heran und legte ihm einen Arm um die Schulter: „Du siehst umwerfend aus!“ versicherte sie: „Wenn ich DIE Art Mädchen wäre, würde ich mich mit Sicherheit unsterblich in dich verlieben. UND du bist ein toller Kerl! Ich glaube, der Grund dafür, dass die Fische nicht beißen wollen, ist ein anderer: Die Jungs spüren, dass dein Herz nicht frei ist, denn es schlägt immer noch für einen gewissen Werwolf aus Beacon Hills, habe ich nicht Recht?“ „Derek ist vergeben!“ erwiderte Damian. Kendra lachte leise: „Sag´ das nicht mir, sondern dir selbst! Außerdem solltest du bei der Bräutigamenschau vielleicht ein bisschen aufgeschlossener sein. Du suchst immer noch nach einem anderen Werwolf. Es gibt aber nun mal mehr Menschen als Wölfe auf der Welt und unter denen gibt es doch schließlich auch ganz ansehnliche Exemplare, oder nicht?“ „Ansehnlichkeit ist doch gar nicht das Problem! Eure Spezies ist bloß so zerbrechlich. Was, wenn ich etwas kaputt mache, oder so?“ fragte Damian und brachte Kendra damit ein weiteres mal zum Lachen: „Da ist er ja wieder; der Macho-Wolf, den ich so liebe!“ entgegnete sie: „Muss ich denn wirklich noch ein weiteres Mal den Boden mit dir wischen, um dir ein kleines bisschen Demut beizubringen?“ Damian grinste: „Menschen sind aber nicht alles so tough wie du, Teuerste!“ „Nimm´ dich eben im Schlafzimmer ein bisschen in Acht, du grober Klotz, dann klappt es schon! Bei anderen Paaren geht´s doch auch! Sieh´ dir deinen Derek mit seinem Freund an. Oder Peter und Emanuel. Oder Malia und mich. Es ist möglich!“ In diesem Moment klingelte Kendras Telefon. Nachdem sie eine Weile gesprochen hatte, erklärte sie Damian: „Das war Malia. An ihrem neuen Arbeitsplatz gibt es jetzt schon irgendwelche Schwierigkeiten. Sie würde mich gern sehen. Derek ist auch da. Kommst du mit, oder hast du Angst, dass es dir das Herz bricht?“ Damian blickte missmutig zu ihr hinüber. Dann nickte er. Malia wollte von Rod wissen: „Ist es möglich, dass wir uns Lindseys Zimmer einmal ansehen? Vielleicht finden wir einen Hinweis darauf, wo sich das Mädchen aufhält.“ Rod, der bis gerade eben in seinem Kuchen herumgestochert hatte, nachdem alle Anderen schon aufgegessen hatten nickte und Chris bot an: „Ich zeige ihnen, wo es ist.“ Just in dem Moment, als sie auf dem Weg zu Lindseys Zimmer an der Haustür vorbeikamen klingelte es. Es waren Kendra und Damian. Chris beobachtete unverfroren, wie Malia ihre Liebste mit einem Kuss begrüßte. Als Derek Damian erblickte, gab er sich einen Ruck, umarmte den Jüngeren und stellte sich im Geiste vor, wie Stiles ihn zu seinem persönlichen Wachstum beglückwünschte, weil er dies hier heutzutage einfach so konnte; jemanden, den er mochte umarmen, ohne zu knurren, ihm die Rippen zu brechen oder mitten in der Berührung zum Eiszapfen zu erstarren. Dass Derek selbst das heute konnte, bedeutete aber noch lange nicht, dass es Damian genauso ging, denn der hing unbehaglich in Dereks Umarmung, wie ein nasses Handtuch und schien danach ungemein erleichtert, dass es endlich vorbei war, so dass Derek einfach nicht anders konnte, als dem armen Tropf liebevoll durch den hellen Lockenschopf zu strubbeln: „Na, Kleiner! Wie läuft´s?“ Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort: „ Ehe ich´s vergesse; von Stiles soll ich dir liebe Grüße bestellen und Scott sagt ich soll mit dir schimpfen, denn du hast den letzten wöchentlichen Skype-Termin verpasst. Er findet, als dein Alpha steht ihm ein wöchentliches Update deiner Befindlichkeit zu.“ Dann fügte Derek gequält hinzu: „Und keine Sorge! Dass ist keine persönliche Schikane gegen deine Person. Ich muss auch regelmäßig Rechenschaft ablegen!“ Diese Vorstellung zauberte ein kleines Lächeln auf Damians Gesicht: „Scott ist der Beste!“ sagte . Derek grinste auch, nickte und stimmte gutmütig zu: „Das ist er wohl!“ In Lindseys Zimmer war es wahnsinnig aufgeräumt; insbesondere dafür, dass es sich um das Zimmer eines Teenagers handelte. Die Einrichtung ließ Malia, welche die Bewohnerin dieses Raumes ja nicht kannte ein klein wenig Schmunzeln, denn es war wirklich ein echtes Mädchenzimmer: Das, wohlgemerkt sorgfältigst gemachte Bett war mit einem berüschten, blass rosafarbenen Überwurf zugedeckt und auf dem Kissen hockte tatsächlich ein wahnsinnig süßes Stofftiereinhorn. An einer Wand hing das unvermeidliche `Twilight´-Poster: Bella und Edward in geschönter Fotoshop-Optik, in inniger Umarmung. Malia schüttelte es ein wenig, doch dann tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass Kristen Stewart eine Lesbe war. Es gab einen aufgeräumten weißen Schreibtisch und ein Schminktischchen mit Spiegel, der überquoll von tausend Fläschchen, Tigelchen, Töpfchen und Schminkutensilien. Dieser Raum verriet einem vermutlich alles, was es über Lindsey zu wissen gab: Ein romantisches, junges Mädchen, das vermutlich sehnsüchtig auf die erste Liebe wartete, dass auf sich achtete, seine Identität suchte, vielleicht ein wenig verspielt war? Malia hoffte inständig, dass dem Mädchen, das diese vier Wände bewohnte nichts zugestoßen sein mochte und sie die Chance erhalten würde sie kennenzulernen, denn irgendwie mochte sie sie jetzt schon. Dann stieg ihr plötzlich ein Geruch in die Nase. Sie blickte sich nach Derek und Damian um und die hatten es auch wahrgenommen und nickten ihr zu. Dann trat plötzlich Loba aus dem Hintergrund hervor, nahm eine hellblaue, mit kleinen Röschen bestickte Strickjacke vom Bett, schnupperte daran und stellte fest: „Riecht nach Wolf!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)