Höllenfeuer von Feldteufel ================================================================================ Kapitel 25: Kapitel 25 ---------------------- Kapitel 25 Lydia wusste nicht, wie lange sie ohnmächtig gewesen war, es konnte sich jedoch nur um Sekunden, im schlimmsten Fall um Minuten gehandelt haben. Dumpf nahm sie das Geräusch von mindestens zwei sich bekriegenden Individuen wahr, ihr Sehvermögen hatte sich noch nicht dazu durchringen können, seinen gewohnten Dienst wieder aufzunehmen. Nur langsam bekam Lydia ihre Sinne wieder unter ihre Kontrolle. Es brauchte einiges an Überwindung, die Augen wieder zu öffnen. Zunächst wurde sie von dem hereinfallenden Sonnenlicht geblendet, dann gewöhnte sie sich wieder an die Helligkeit. In ihrem Kopf pochte es unregelmäßig, beinahe hatte sie das Gefühl, als würden ihr die Adern unter der Haut platzen. Trotzdem schaffte sie es, sich aufzurichten. Einige Meter entfernt kämpfte der russische Priester noch immer mit dem Dämon. Schwankend duckte Lydia sich nach ihrem Degen. Als sie den Griff umfasste, fühlte sie sich noch immer etwas schwach, brachte es aber fertig, die Waffe hochzuheben. Bevor sie sich in den Kampf einmischen sollte, würde sie noch ein wenig warten müssen, bis sich ihr Kreislauf wieder stabilisiert haben würde. Es machte sie wütend, dabei zusehen zu müssen, wie ein anderer Geistlicher alleine gegen einen Dämon antrat, während sie tatenlos daneben stand, aber sie sollte auch nicht noch einmal so unüberlegt handeln. Was Lydia jedoch noch mehr Zorn verspüren ließ, war Artemis‘ Abwesenheit. Er war noch immer nicht gekommen und zeigte einmal mehr, wie unzuverlässig er war. Gerne hätte Lydia ihm alle möglichen Verwünschungen entgegen gebrüllt, aber Artemis war nicht da und sie hatte definitiv andere Probleme, als sich über ihn und seine kindische Reaktion den Kopf zu zerbrechen. Lydia spürte, wie es ihr wieder besser ging. Sie hatte zu alter Kraft zurück gefunden (meinte dies jedenfalls) und machte sich bereit, in den Kampf einzugreifen. Aus irgendeinem Grund hatte Ponomarjow an Kraft verloren, das konnte sie an seinen Bewegungen sehen. Ob das daran lag, dass er alt war oder an etwas anderem, konnte sie wiederum nicht bestimmen. Während sie auf die beiden zulief, bereitete Lydia ihren Angriff vor. Sie hob den Degen mit der rechten Hand über die linke Schulter, um einen breiten Schlag ausführen zu können. Der Dämon sah sie allerdings kommen und wich dem Angriff aus. Im gleichen Augenblick hatte Ponomarjow ebenfalls zuschlagen wollen, doch selbst ohne Lydias Intervention wäre sein Angriff ins Leere gelaufen. Der Dämon ließ sich von einem zweiten Gegner jedoch kaum beeindrucken. Indem er die beiden Geistlichen ansah, schätzte er seine Optionen ein. „Wo ist denn Ihre jugendliche Begleitung?“, fragte Ponomarjow, sein Atem ging schwer. „Ich weiß es nicht“, stieß Lydia unter zusammengepressten Zähnen hervor. Noch immer schaffte sie es nicht, den Zorn aus ihrer Stimme zu verbannen. Auch Ponomarjow begriff dies anscheinend, denn er stellte keine weiteren Fragen. Zusammen beobachteten die Nonne und der Priester, wie der Asiate nach einem Weg suchte, durch die beiden hindurch zu brechen. Plötzlich hielt der Dämon mitten in seiner Bewegung inne. Es schien, als habe er einen neuen Plan gefasst. Wieder stiegen Fäden auf, wieder zersetzte sich sein Körper und bildete eine vollkommen neue Gestalt. Lydia hielt den Atem an, als sie der Gestalt von Artemis gegenüber stand, ohne Augenklappe, das dämonische Auge auf sie gerichtet. Bereits der erste Schritt, den der Dämon auf sie zu machte, führte dazu, dass Lydia sich nahezu hilflos fühlte. Warum sie plötzlich das Herz in ihrer Brust hämmern hörte, konnte sie nicht sagen. Sie wusste, dass es nicht wirklich Artemis war, der ihr da gerade gegenüber stand. Doch alleine sein Anblick reichte aus, um sie komplett aus der Bahn zu werfen. Diesmal war dem Dämon die Imitation wesentlich besser gelungen, als bei Chino. Als er in Indien die Gestalt von dem Spanier angenommen hatte, waren seine Mimik und seine Augen so ausdruckslos gewesen, dass er eher wie eine Puppe, denn wie ein lebendiges Wesen gewirkt hatte. Je näher ihr der Dämon kam, desto stärker spürte Lydia, wie ihr Wille aus ihr herausgesogen wurde. Es musste an dem rot glühenden Auge liegen, von dem sie fixiert wurde. Das Gefühl der Willenlosigkeit kam ihr vertraut vor, immerhin wusste sie, wie Artemis‘ Auge unter seiner Augenklappe aussah und welche Wirkung es besaß. Sie hatte es nur selten miterleben müssen, doch diese wenigen Momente hatten ausgereicht um erkennen zu müssen, dass Artemis eine überaus mächtige Waffe in seinem Körper beherbergte. Auf Ponomarjow wirkte der Zauber des Dämons jedoch nicht. Er konnte sich weiterhin frei bewegen, was er ausnutzte, damit er seinen Feind angreifen konnte. Doch wieder liefen seine Attacken ins Leere, er war inzwischen noch einmal etwas langsamer geworden. Lydia hörte, wie der Priester etwas murmelte, das sich entfernt danach anhörte, wie schlecht er in Form geblieben war, seitdem er im Krieg gedient hatte. Jetzt fiel es auch Lydia wieder ein. Die Verletzung aus dem Krieg. Sie wusste nicht, um was für eine Verletzung es sich handelte, aber sie war es womöglich, die Ponomarjow behinderte. Demnach musste dieser Kampf schnellstmöglich zu Ende gebracht werden. Andererseits konnte es passieren, dass Ponomarjow seine Kräfte verloren hätte, bevor sie auch nur ansatzweise einen Erfolg verbuchen könnten. Somit machte Lydia sich ein weiteres Mal zu einem Angriff bereit. Ihr Degen schnellte nach vorne, doch der Dämon machte sich nicht einmal die Mühe, ihrer Attacke auszuweichen. Er griff nach der Waffe und umfasste sie in der Mitte. Lydia stand dem Dämon nun relativ wehrlos gegenüber. In ihrer Verzweiflung erhob sie die Faust und schlug zu. Auch ihre Hand wurde abgefangen, so dass sie bewegungsunfähig wurde. Indem er seine Arme zur Seite schwang, entwaffnete der Dämon sie, gleichzeitig besaß er eine sonderbare Energie, dass Lydia spürte, wie ihre Füße den Kontakt zu dem Boden verloren. Ihr Körper wurde mit einer solchen Gewalt durch die Luft geschleudert, dass sie keine Möglichkeit hatte, sich auf die Landung vorzubereiten. Mit ungebremster Kraft schlug sie auf dem harten Boden auf. Ein brutaler Schmerz kroch ihre Wirbelsäule hinauf und brachte sie dazu, laut zu schreien. Da ihr gesamtes Gewicht ungefedert auf sie gedrückt hatte, zusätzlich zu der unmenschlichen Kraft des Dämons, kam es ihr vor, als hätte der Aufprall sämtliche Knochen in ihr zum Bersten gebracht. Als der Dämon sie los ließ, stützte Lydia schwer atmend ihren Oberkörper ab und schaute hinauf. Sie sah die Spitze eines Schwertes vor sich auftauchen. Sekunden waren es gewesen, in denen der Dämon sein Erscheinungsbild verändert hatte. Ein blonder Mann mit grünen Augen und langen Haaren, gekleidet in einem Artistenkostüm, stand vor ihr. Das alles musste innerhalb eines Augenschlages passiert sein, ihr kamen es wie Stunden vor. Langsam stand Lydia auf. Unter dem Prostest ihres Körpers schaffte sie es sogar, sich zu voller Größe aufzurichten. Dabei wanderte das Schwert stetig mit, bis es auf Höhe ihres Herzens zum Stehen kam. Ohne ein Wort holte der Dämon aus und stach zu. Lydia kniff sie Augen zusammen. Sie wusste, dass sie verloren hatte. Wenigstens würde sie im Stehen sterben, nicht wie ein Hund am Boden. Doch der vermutete Schmerz blieb aus. Stattdessen spürte sie, wie sie erneut zur Seite gerissen wurde. Ein widerliches Geräusch von durchstochenem Fleisch und dem Reißen von Sehnen erfüllte den Raum. Lydia öffnete ihre Augen und fand sich in den Armen von Ponomarjow wieder. Sie spürte, wie ihr Bauch von einer warmen Flüssigkeit erfasst wurde. In dem Rücken des russischen Priesters steckte das Schwert, das eigentlich dafür gedacht war, Lydia hinzurichten. Als sie den Blick hob, bemerkte die Nonne, dass der Dämon verschwunden war. Sofort brachte sie etwas Abstand zwischen sich und Ponomarjow, der sich schwer atmend zu Boden fallen ließ. Lydia schaffte es gerade noch, ihn aufzufangen und sich zu ihm auf den Boden zu setzen. Den Kopf des Priesters hielt sie in beiden Händen. Tränen stiegen ihr in die Augen, kamen jedoch noch nicht zum Vorschein. „Warum haben Sie das getan?“ „Wer wäre ich, wenn ich einer Frau in Not nicht helfen würde.“ Als Lydia diesen Satz hörte, konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurück halten. Ein leises Husten ertönte, dazu spie Ponomarjow etwas Blut aus dem Mund. Nach und nach wich das Leben aus seinen Augen heraus, bis sein Körper schlaff in Lydias Armen lag. Weinend beugte sich die Nonne über den leblosen Körper, dazu zog sie das Schwert aus Ponomarjow heraus. Ein weiterer Schwall Blut ergoss sich, doch darum kümmerte sie sich in diesem Augenblick nicht. Wut, Trauer und Verzweiflung vermischten sich in diesem Augenblick und ließen Lydia alles andere um sie herum ausblenden. Der animalische Schrei, den sie ausstieß, schien die gesamte Kirche zu erschüttern. Während Blackcage auf dem Dach der Katharinenkirche stand und angestrengt die Umgebung beobachtete, tauchte hinter ihm plötzlich ein Mann auf. Erst, als dieser sich räusperte, fuhr Blackcage herum. „Wie ich sehe, lernst du schnell dazu, Kyro“, stellte der Schwarzhaarige grinsend fest und verließ seinen Posten. Als er vor Kyro angekommen war, schaute er den Asiaten von oben bis unten an. Das Grinsen wich langsam aus seinem Gesicht. „Was sind das für Verbrennungen an den Händen?“ „Ich habe sie mir im Kampf gegen den Priester zugezogen.“ „Hat Esrada sich nicht klar ausgedrückt? Du sollst es vermeiden, sichtbare Verletzungen aus einem Kampf davon zu tragen. Sie werden bei deinen Verwandlungen teilweise noch übernommen. Man könnte dich so identifizieren.“ „Aber alle, die das könnten, sind nicht im Vatikan.“ „Außer McDouglas.“ In Blackcages Ton schwang unüberhörbar Missbilligung mit. Das entging auch Kyro nicht, der daraufhin leise mit den Zähnen knirschte. „Mich musst du dafür nicht kritisieren. Dass er mit dem Leben davon kam, daran hat jemand anderes Schuld.“ „Ja, wir sollten wirklich aufpassen, dass uns nicht die Kontrolle entrissen wird“, war Blackcages einziger Kommentar zu der Rechtfertigung des Asiaten. „Wie dem auch sei, ich sehe keinen Grund mehr, dass wir uns länger hier aufhalten. Es gibt vorerst keinen Handlungsbedarf mehr. Da du lebst, gehe ich davon aus, dass Ponomarjow tot ist?“ Kyro bestätigte die Feststellung mit einem Nicken. „Gut, dann wird es an der Zeit, dass ich zu meiner Geliebten zurückkehre.“ „Und was ist mit der Nonne?“, fragte Kyro, bevor Blackcage sich davon machen konnte. „Was soll mit ihr sein?“ „Wollen wir sie wirklich am Leben lassen?“ „Warum nicht“, seufzte Blackacge, inzwischen sichtlich genervt. „Sie ist keine Bedrohung für uns. Jedenfalls will es Esrada doch so. Lydia soll kein Schaden zugefügt werden. Wenn er es so will, soll er es so haben.“ Mit diesen Worten war das Gespräch für Blackcage beendet. Rauch bildete sich um den Dämon, wenig später war er verschwunden. Kyro drehte sich noch einmal um und beobachtete, wie Lydia, in einen Mantel gehüllt, die Kirche verließ und scheinbar ein wenig ziellos durch die Gegend lief, bis sie die scheinbar für sie richtige Richtung gefunden hatte. Kyro hielt es noch immer für einen Fehler, die Frau laufen zu lassen, aber Blackcage hatte Recht. Wenn Esrada es so wollte, konnte es ihm auch egal sein. Nachdem Chino sich einigermaßen akzeptabel hergerichtet hatte, hatte er sich, zusammen mit Ethos, auf den Weg zum Hafen gemacht. Seine Klamotten waren noch immer dreckig, doch in der erforderlichen Zeit an neue Klamotten zu kommen oder seine alten zu säubern, das war etwas, das selbst Ethos nicht hatte bewerkstelligen können. Die Zeit hatte so gedrängt, dass er nicht einmal Nachforschungen hatte anstellen können, ob Steve inzwischen verhaftet worden war. Immerhin hatte Ethos zusätzlich noch dafür sorgen müssen, dass der Bannkreis wieder aufrechterhalten werden konnte. Chinos Hilfegesuch hatte diesmal außerdem die höhere Priorität von ihm beigemessen bekommen. Ein kalter Wind zog auf, als die beiden sich dem Hafen näherten. Die im Dunkel liegenden Schiffe und Ruderboote wiegten sich in den aufkommenden Wellen. Hin und wieder wurden einzelne Passagen des Steges und der angrenzenden Lagerhallen von einer Laterne erleuchtet, doch der Großteil des Gebietes war kaum zu erschließen. Für einen kurzen Augenblick machte sich Chino Sorgen darüber, dass Hildegard ihn nicht finden würde, doch er verwarf diesen Gedanken schnell wieder. Wenn sie ihn in dem Gestrüpp außerhalb der befestigten Anlagen hatte aufspüren können, würde sie es an diesem Ort auch können. „Wo werdet ihr euch genau treffen?“, fragte Ethos und blieb mitten auf einem unbeleuchteten Steg stehen. „Und wäre es nicht klüger, wenn ich mich im Hintergrund aufhalte?“ „Ich denke, dass Hildegard uns hier schon finden wird. Und verstecken solltest du dich ebenfalls nicht. Sie soll sehen, dass jemand bei mir ist. Wenn sie überrascht wird, könnte sie sich möglicherweise wieder zurückziehen.“ Ethos nickte nur zustimmend und schaute sich noch einmal um. Das Gelände lag vollkommen verlassen vor ihnen, lediglich das Geräusch der Boote und der Wellen war zu vernehmen. Hier und da kreuzten einige Ratten auf, verschwanden jedoch gleich wieder, wenn sie Ethos oder Chino allzu nahe kamen. Vor einem schwach beleuchteten Tor blieben sie stehen. Es gehörte zu einer Lagerhalle die so heruntergekommen aussah, dass sie wohl schon lange nicht mehr genutzt wurde. Wenn Ethos eines hasste, dann war es der Verlust der Kontrolle über die Situation. Und genau das passierte gerade. Nicht nur, dass er darauf angewiesen war, dass Chinos Plan aufgehen würde, er musste sich zudem darauf verlassen, dass Hildegard Krüger die Wahrheit gesagt hatte. Die Warterei war ebenfalls etwas, das Ethos nur sehr schwer mit seiner Arbeitsweise in Einklang bringen konnte. Nicht nur, dass er dadurch wertvolle Zeit verlor, er fühlte sich auch nutzlos und ausgebremst. In seinem Kopf ging Ethos mehrere Möglichkeiten durch, wie dieses Treffen verlaufen würde. Damit hatte er nicht nur etwas zu tun, sondern verhinderte, dass es zu überraschenden Momenten kommen konnte. Nebenbei konnte er sich noch einmal in der Überlegung vertiefen, warum der Bannkreis ein weiteres Mal ausgesetzt worden war. Ein Mensch konnte den Kreis nicht spüren oder sehen. Nur Dämonen waren dazu in der Lage. Was wiederum bedeutete, dass die Priester sich untereinander vertrauen mussten, dass der Bann aufrecht erhalten bleiben würde. Womit Ethos wieder bei den potentiellen Verrätern angekommen war. Es waren definitiv mehrere Personen involviert. Mit Steve stimmte etwas nicht, aber er konnte unmöglich alleine gehandelt haben. Dazu kam noch das Gespräch zwischen Mathilde und Dominic, welches er bei der Beerdigung gestört hatte. Noch war Ethos nicht dahinter gekommen, was es bedeutete. Plötzlich horchte Chino auf. „Da kommt jemand“, sagte er und beugte sich nach vorne. Auch Ethos rührte sich, war jedoch noch immer skeptisch. Zwei Personen tauchten auf. Die eine konnte Chino als Hildegard Krüger identifizieren, die andere als Maria. Seine Kinnlade klappte herunter, als er die beiden näherkommen sah, dazu wirkte er geradezu entsetzt. „Maria!“ Sofort stürmte Chino auf die beiden Schwestern zu. Hildegard konnte sich gerade so eben auf den Beinen halten. Blut lief ihre Schläfe herunter, auch ihr dunkles Kleid wies einige Spuren von Blut auf. Maria wiederum konnte sich überhaupt nicht mehr bewegen. Ihre Glieder hingen leblos an ihr herunter, auch ihr Körper war voller Blut. Wo genau die einzelnen Wunden saßen, konnte Chino auf den ersten Blick allerdings nicht erkennen. „Was ist passiert?!“, fragte Chino und nahm Maria in den Arm. „Du hast gesagt, du würdest alleine kommen!“, schrie Hildegard den Dämonen verzweifelt an, doch dieser schien sie nicht mehr wahrzunehmen. „Du hast dein Versprechen gebrochen, ich dachte, ich könne dir vertrauen!“ „Das kannst du auch“, antwortete Chino und strich Maria eine blutige Haarsträhne aus der Stirn. „Chino…“, murmelte Maria schwach. „Ich bin so froh, dich zu sehen.“ Ein leichtes Lächeln, das sie einiges an Kraft kostete, legte sich auf Marias Lippen. Sie griff nach Chinos Hand, verlor diese jedoch wieder, da ihr Arm ihr nicht mehr gehorchen wollte. Chino drückte die junge Frau so fest er konnte an sich. Dazu flüsterte er einige beruhigende Worte, während Hildegard noch immer zu Ethos hinüber schaute. Ihr weißer Löwe gesellte sich knurrend neben sie. Auch sein Fell hatte sich an einigen Stellen hellrot gefärbt. Das Tier streckte seine Nase in die Luft und als es den Geruch des Priesters aufgenommen hatte, fletschte es bedrohlich die Zähne. „Ich werde Ihnen nichts tun“, versicherte Ethos. „Genauso wenig, wie Sie meinem Mann etwas getan haben?“, spottete Hildegard, die zornigen Augen von tiefem Rot durchzogen. „Warum sollte ich gerade Ihnen Glauben schenken?!“ Ethos hatte nicht vor, auf diesen Vorwurf einzugehen. Als er sah, wie liebevoll sich Chino um Maria kümmerte, wurde ihm bewusst, wie sehr er sie lieben musste. Nach all den Jahren, in denen sie nicht einmal mit ihm gesprochen hatte. Etwas in Ethos schien sich zu verändern. „Ich werde dafür sorgen, dass sie behandelt wird.“ Chino horchte auf. „Ich kann mich um sie kümmern.“ „Nicht, wie es eine voll ausgestatte Ärztestation könnte“, sagte Ethos mit einem Kopfschütteln. „Wir werden Maria in den Vatikan bringen. Dort werden sich hervorragend ausgebildete Ärzte um sie kümmern. Und sie würde gut geschützt sein. Zumindest vor den Dämonen. Um den Rest kümmere ich mich.“ Was Chino einen Hoffnungsschimmer in die Augen trieb, ließ Hildegard nur noch misstrauischer werden. „Der Vatikan? Ich werde mich nicht freiwillig dorthin begeben. Das wäre der sichere Tod für mich. Nein, es muss anders gehen.“ Gerne hätte Ethos Hildegard daran erinnert, wer seit ihrem letzten Aufeinandertreffen im Vatikan den größeren Verlust hatte hinnehmen müssen, doch wenn er Chino wirklich helfen wollte, musste er diplomatischer agieren. „Hören Sie, ich weiß, dass das für Sie nicht der beste Handel ist. Aber wollen Sie, dass Ihrer Schwester geholfen wird? Ich meine, Sie werden mit Sicherheit überleben. Auch wenn Ihre Verletzungen deutlich schwerer gewesen sein dürften, als die von Maria“, versuchte Ethos der Dämonin zu erklären, nebenbei rieb er seine Handflächen ineinander. Er war wirklich nicht gut in diesen Dingen. „Doch damit dürfte es umso wichtiger sein, dass Maria schnellstmöglich ärztliche Hilfe bekommt. Chino kann mit Sicherheit einiges für sie tun, doch ihre Chancen stünden besser, wenn sie in ein Krankenhaus oder zumindest in eine Praxis kommt.“ Hildegard schien noch immer nicht überzeugt. Ständig wechselte ihr Blick zwischen Ethos, Chino und Maria. Ethos sah sich zu etwas gezwungen, von dem er sich geschworen hatte, es niemals zu tun. Bevor er das einzige Wort, das er niemals gegenüber einem Dämon auszusprechen gewagt hatte, hervorbringen würde, presste er die Zähne aufeinander und sah kurz zu Boden. „Bitte.“ Sichtlich überrascht fixierte Hildegard nun lediglich den Priester. „Bitte, lassen Sie uns Maria zu einer Krankenstation bringen.“ Auch Chino war dermaßen überrascht, dass er für einen Augenblick von Maria abließ. Dankbar schaute er zu Ethos hinüber, der den Dämon aber nicht wahrnahm. Er schaute Hildegard so fest in die Augen, bis diese einen schweren Seufzer ausstieß. „In Ordnung. Maria wird so lange im Vatikan bleiben, bis die erste Behandlung erfolgt ist. Sobald sie stabil genug ist, wird sie in ein Krankenhaus verlegt, das ich betreten kann, ohne zu Staub zu verfallen.“ „Sie haben die richtige Entscheidung getroffen“, erwiderte Ethos erleichtert. Chino hatte Maria bereits mit beiden Armen angehoben. Mittlerweile rührte sie sich gar nicht mehr, ihre Augen blieben geschlossen und ihr Atem ging so flach, dass Chino nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob er überhaupt noch vorhanden war. „Oh, ich befürchte, ihr werdet nirgendwo hingehen“, ertönte eine Stimme über ihnen. Alle, bis auf Ethos, schauten in den schwarzen Himmel hinauf. In diesem Augenblick bildeten sich hinter Chino Rauchfäden und Ethos sprintete los. Noch bevor der Dämon seinen Arm heben konnte, war Ethos bei diesem angekommen und hatte Blackcages Handgelenk gepackt. Erschrocken drehte Chino sich um und wich einige Meter zurück. Blackcage und Ethos standen sich nun alleine gegenüber. Lächelnd blickte der Schwarzhaarige an dem Priester herab, bevor er ihm erneut in die Augen sah. „Wie praktisch, dass ich dich auch hier antreffe. Dann kann ich dir gleich eine Nachricht überbringen. Esrada freut sich schon darauf, dich wiederzusehen, Ethos.“ Von dieser Nachricht irritiert, lockerte Ethos seinen Griff unbewusst wieder. Blackcage befreite daraufhin seinen Arm, blieb allerdings weiterhin stehen. „Das sieht aus, als ob du dich nicht erinnern kannst. Anscheinend weißt du nicht, wer er ist. Das wird euer Widersehen umso interessanter machen. Wenn ich erst einmal mit dem Rest hier fertig bin, werde ich in der ersten Reihe stehen und Beifall klatschen.“ Da sich Ethos noch immer nicht zu Blackcages Worten äußerte, stieß dieser ein lautes Lachen aus. Ethos wollte sich gerade auf den Dämon stürzen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Chino hatte Maria an Hildegard weitergegeben und schob sich an Ethos vorbei, ohne diesen anzusehen. „Das hier ist meiner“, sagte Chino mit einem Ernst, der selten in seiner sonst so wohlklingenden Stimme zu vernehmen war. „Bring du zusammen mit Hildegard Maria in Sicherheit.“ „Aber du…“ „Nein, Ethos. Das hier ist etwas Persönliches. Nimm mir nicht meine Rache. Verschwinde und kümmere dich um Maria.“ Obwohl es ihm schwerfiel, wand sich Ethos von den beiden Dämonen ab und ging zu Hildegard hinüber. Diese nickte ihm nur zu und ließ sich Maria ohne Widerstand abnehmen. Zusammen liefen die beiden los, gefolgt von Leo. „Diesmal wird es keinen Ausweg für dich geben“, knurrte Chino verbittert. „Ich werde dich töten. Und dich für das bestrafen, was du Maria angetan hast.“ „Was willst du denn, Chino. Sie hat immerhin mit dir gesprochen. Du solltest eher dankbar sein.“ Chino spürte, wie seine Wut ins Unermessliche getrieben wurde. Sein Hass auf Blackcage flammte im Inneren seines Herzens auf und drohte, es zu verbrennen. Neben den bebenden Nasenflügeln und den roten Augen zeugten Chinos entblößte Reißzähne von den Gefühlen, die gerade in ihm aufwallten. Was auch immer passieren würde, es war das allerletzte Mal, dass Blackcage ihm oder Maria wehgetan haben würde. „Was machst du hier unten?“, fragte Gemini aufgebracht. Es hörte sich nicht so an, als ob die Zigeunerin diese Frage nur stellte, weil sie sich darüber ärgerte, dass Marylin in ihren Keller eingebrochen war. Da die Lampe genügend Licht spendete, schaltete Marylin ihre Taschenlampe aus und legte sie, zusammen mit dem Buch, in einem der Regale ab. „Was ist das hier?“, stellte Marylin die Gegenfrage, ohne auf Gemini einzugehen. Sie war verwundert darüber, wie viel Selbstsicherheit ihre Stimme aufwies. Insgeheim hatte Marylin immer geglaubt dass sie, sollte sie erwischt werden, wesentlich nervöser sein würde. „Wonach sieht es denn aus? Es ist ein Raum, in welchem ich Bücher aufbewahre.“ „Netter Versuch. Ich bin doch nicht blöd. Also sag mir, wozu brauchst du alle diese Bücher? Und warum hast du mir nie etwas davon erzählt?“ Um ihre Standfestigkeit zu unterstreichen, verschränkte Marylin die Arme vor der Brust. Sie wich Geminis Blick nicht für eine Sekunde aus. Plötzlich fing die Zigeunerin an zu lachen. Ihr Lachen klang so schrill, dass Marylin das Gefühl hatte, es treibe ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. „Ehrlich, du bist tatsächlich nicht ganz so dumm, wie du aussiehst.“ Als Gemini merkte, dass Marylin nichts darauf erwiderte, wurde sie wieder ernst. „Ich bin abgestellt worden, um auf diese Bücher aufzupassen.“ „Von wem? Warum sind die Bezeichnungen auf so vielen verschiedenen Sprachen?“ „Ich befürchte, dass du nicht in der Position bist, Fragen zu stellen.“ Marylin schwieg daraufhin erneut. Sie hatte das Gefühl, dass Gemini jemand war, der gerne redete, wenn sie gerade nicht dazu aufgefordert wurde. Auch in diesem Fall wurde die Polizistin nicht von ihrem Instinkt enttäuscht. „Diese Bezeichnungen repräsentieren die Sprachen meiner Meister. Damit es leichter für sie ist, das zu finden, was sie benötigen, habe ich die Bezeichnungen in allen für sie relevanten Sprachen aufgeschrieben.“ Inzwischen war Gemini so nah an Marylin herangetreten, dass die beiden nur noch eine Armlänge voneinander trennte. Für Marylin reichte dieser Abstand, um, trotz der spärlichen Lichtverhältnisse, die dunklen Augen der Südländerin lesen zu können. Sie strahlte eine ähnliche Selbstsicherheit aus, wie sie selbst. Das würde es einfacher machen, etwas aus ihr heraus zu bekommen. „Ich glaube, du bist nicht ganz dicht. Meister…“ „Tu nicht so, als würdest du nichts über Dämonen wissen. Ich weiß, was vor einiger Zeit in England vorgefallen ist.“ „Und trotzdem hast du dich auf mich eingelassen? Wird einer deiner Meister dann nicht wahnsinnig wütend sein?“ „Wieso? Es kann doch auch sein, dass das ein Teil unseres Planes gewesen ist.“ „Eher unwahrscheinlich. Wenn das wirklich so sein sollte, willst du mich mit Sicherheit töten. Und das hättest du schon längst tun können.“ Marylin konnte erkennen, dass Gemini leicht zwinkerte. Ein Zeichen, dass sie versuchte, nach einer Erklärung zu suchen. In diesem Fall hatte sie also schon einmal geblufft. „Es geht dich nichts an, was wir wie vorhaben.“ „Da bin ich mir sicher“, sagte Marylin schnell und schnappte sich das Buch und ihre Taschenlampe. So schnell sie konnte duckte sie sich und versuchte, mit der Schulter voran, an Gemini vorbei zu stürmen. Allerdings hatte die Dämonin den Plan der Polizistin bereits durchschaut. Sie packte zu, so dass sie Marylins Oberarm umklammerte. Der Griff der Zigeunerin war so stark, dass Marylin das Buch und die Taschenlampe wieder fallen ließ. Es kam ihr vor, als würde sie von einer unmenschlichen Kraft zurück gehalten. Als sie aufsah, konnte sie erkennen, dass Geminis Augen einen leichten Rotton angenommen hatten. „Du… Du bist ein Dämon?“ „Du bist doch ein dummes Ding“, tadelte Gemini ihre Gefangene und hob den Zeigefinger. Während sie ihn schwenkte, schwenkte auch die Lampe und warf unheimliche Schatten an die Regale. „Da schaffst du es bis in diese Bibliothek und dann stellst du noch so blöde Fragen?“ Indem sie sie zur Seite drückte, presste Gemini Marylin gegen das Regal. Eine der Kanten drückte Marylin so stark in den Rücken, dass sie vor Schmerz leise aufstöhnte. Durch den Aufprall waren einige Bücher auf den Boden gefallen. Nach wie vor brauchte Gemini lediglich eine ihrer Hände, um Marylin in Schach zu halten. Hilflos suchte Marylin nach etwas, mit dem sie sich zur Wehr setzen könnte. Doch bis auf die Bücher war nichts zu finden. Langsam wich die Zuversicht, die sie noch bis vor kurzem gespürt hatte und an ihrer Stelle trat Panik. Gemini glitt langsam Marylins Arm nach oben. Zunächst wirkte die Geste zärtlich, doch als sie an dem Hals der Polizistin angekommen war, spürte Marylin, wie die Fingernägel der Zigeunerin über ihre dünne Haut scharten. Ein brennendes Gefühl blieb an den Stellen, an denen sie von Gemini berührt wurde. Marylin wappnete sich innerlich dazu, Gemini jeden Augenblick anzugreifen. Bevor sie sich kampflos ergeben würde, würde eher die Hölle zufrieren. Trotz ihrer Angst ballte sie bereits ihre Hände zu Fäusten, als Gemini plötzlich innehielt. Ihr Blick fiel dabei auf die Kette, die um Marylins Hals hing. „Ich glaube nicht, dass du die noch brauchst“, lachte Gemini, umfasste das Schmuckstück und zog daran. Marylin spürte, wie sich die Kette in ihren Nacken schnürte. Eine unheimliche Wut durchfuhr sie. Glücklicherweise hatte sie vorher keine wirklich tiefer gehenden Gefühle für Gemini empfunden, so dass es ihr nicht schwerfallen würde, sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Selbst unter dem Einsatz von Gewalt. Eigentlich hatte sie vorgehabt, die Kette mit Gewalt von Marylin herunter zu reißen, doch stattdessen passierte etwas, mit dem Gemini niemals gerechnet hatte. Kaum hatte die Dämonin damit begonnen, Druck auf das Amulett mit dem Edelstein auszuüben, leuchtete dieser auf. Helle Strahlen schossen aus ihrer Handfläche und mit einem lauten Schmerzensschrei ließ Gemini die Kette wieder los. Das, was einst ihre Hand gewesen war, war nur noch eine Mischung aus verbranntem Fleisch, Blut und freigelegten Sehnen, aus der einige Fingerknochen herausschauten. Das Licht war so stark gewesen, dass Marylin ihre Augen hatte schließen müssen. „Du scheiß Schlampe!“, schrie Gemini und warf ihre Lampe voller Wut auf den Boden. Dort zerschellte sie und setzte die Bücher, die sich auf dem Marmor befanden, sofort in Brand. Nur wenige Sekunden später war das Feuer auf das erste Regal übergegangen. Vorsichtig öffnete Marylin ihre Augen wieder und stellte fest, dass sie, im Gegensatz zu der Dämonin, unverletzt geblieben war. Wenige Sekunden spürte sie einen heftigen Schlag gegen die Brust. Gemini war auf Marylin zugestürmt und hatte sie gegen das Regal gestoßen, wodurch dieses zu wackeln begann. Schmerzen breiteten sich ihr aus, die Marylin allerdings ignorierte. Sie wusste, dass es hier um ihr Leben ging. Mit lautem Krachen fiel das Regal um, wodurch auch Marylin an Halt verlor. Ein Regen aus Büchern schien auf sie niederzugehen. Zusammen mit dem Regal stürzte sie zu Boden und hatte erhebliche Schwierigkeiten, sich wieder aufzurichten. Inzwischen hatten die ersten Bücher dieses Regals ebenfalls Feuer gefangen. Auf allen Vieren kletterte Marylin von dem Regal herunter. Vor sich sah sie das Buch über die Fänger liegen. Sie wollte gerade danach greifen, als Gemini sie aufhielt, indem sie auf Marylins Hand trat. Da sich der aufsteigende Rauch inzwischen gesammelt hatte, musste Marylin gleichzeitig husten und vor Schmerz schreien, was Gemini ein heiseres Lachen entlockte. „Ich weiß gar nicht, was du so lachst“, sagte Marylin schwach und unterdrückte ein Husten. „Deine Bibliothek brennt ab.“ „Mag sein. Aber dafür habe ich das Vergnügen, dich zu töten.“ Ohne ein weiteres Wort rollte Gemini Marylin zur Seite. Als Marylin mit dem Rücken vor ihr lag, stellte Gemini ihren Fuß auf die Brust der Engländerin. Sie trat so lange auf verschiedene Stellen auf Marylins Brust, bis sie die richtige Stelle auf dem Brustbein gefunden hatte. „Wenn ich jetzt mit ganzer Kraft zutrete, werde ich deinen Brustkorb zerschmettern und dein Herz zerquetschen. Noch irgendwelche letzten Wünsche?“ „Fick dich einfach!“, keifte Marylin, dazu spuckte sie, so weit sie konnte, nach oben. Dadurch traf sie Gemini zwar nur an der Hüfte, doch das reichte ihr bereits. Wenn sie schon so unwürdig sterben musste, dann wenigstens, ohne sich vorher ergeben zu haben. Gemini ignorierte sie Spucke und hob ihr Bein. In den darauffolgenden Tritt legte sie all ihr Gewicht, dazu grinste sie siegessicher auf die Polizistin hinab. Doch bevor ihr Fuß Marylin berührte, strahlte erneut der Stein in ihrem Amulett auf. Diesmal waren die Strahlen so hell, dass sie den gesamten Raum erfassten. Es war, als würde ein Blitz in ihren Augen explodieren. Sofort schirmte Marylin ihr Gesicht ab, während Gemini direkt in das Licht hineinstarrte. Ein schriller und ohrenbetäubender Schrei ertönte und als Marylin sich traute, ihre Arme von dem Gesicht zu nehmen, erschrak sie. Wenige Meter von ihr entfernt lag Gemini, ihr Körper völlig durchlöchert und zur Unkenntlichkeit entstellt. Schwer atmend richtete Marylin sich auf, schnappte sich das am Boden liegende Buch und lief an Gemini vorbei. Sie vermied es, auf den verkrüppelten Körper zu schauen, konnte es jedoch nicht verhindern, einmal kurz hinüber zu blinzeln. Anscheinend atmete die Dämonin noch, doch da ihre Brust und auch Teile ihres Kopfes völlig durchbohrt worden waren, ging Marylin davon aus, dass dieser Zustand nicht mehr lange anhalten würde. An der Tür angekommen, musste Marylin feststellen, dass sie abgeschlossen worden war. Viel Zeit blieb ihr nicht mehr, denn der Rauch hatte sich mittlerweile so stark verdichtet, dass sie kaum noch etwas sehen könnte. Das Fenster! So schnell sie konnte lief Marylin wieder in die entgegengesetzte Richtung. Schweiß rann ihr die Stirn und den Rücken herunter. Ihre Kleidung klebte an ihr und machte es ihr schwer, sich zu bewegen. Sie spürte, wie die Luft immer dünner wurde. Ihre Lungen brannten. Sie brannten so stark, dass sie es kaum wagte zu atmen. Wann immer sie den Mund öffnete, strömte ein unangenehmer Schwall heißer Luft herein. Schwankend erreichte Marylin das Fenster. Ihre Beine versagten langsam den Dienst und es kostete sie all ihre Kraft, sich überhaupt noch zu einer Bewegung durchzuringen. Verzweifelt stellte Marylin fest, dass das Fenster genauso verschlossen war, wie die Tür. Tränen sammelten sich in ihren Augen, aufgrund des Rauches, wie auch aus Wut und der Misere, in der sie sich befand. Mit allerletzter Kraft nahm sie das Buch und schlug damit auf die Scheibe ein. Doch diese gab einfach nicht nach. Weinend und schreiend, dabei alle Schmerzen ignorierend, ließ Marylin den Rücken des Buches gegen das Glas schlagen. Ein leises Knacken ertönte. Von neuem Mut erfasst, ließ Marylin das Buch noch einige Male gegen das Glas prallen, dann lösten sich die ersten Splitter. Nachdem das Glas gebrochen war, sprang Marylin auf den kleinen Vorsprung und legte sich auf diesem ab. Dazu zog sie sich vorsichtig über den Boden, sie musste sich, trotz ihrer geringen Größe, geradezu durch das kaputte Fenster hindurch zwängen. Einige der Splitter, die sich nicht vollständig gelöst hatten, bohrten sich in ihren Körper. Ein brennender und stechender Schmerz durchfuhr Marylin, was sie jedoch nicht davon abhielt, sich weiterhin voran zu ziehen. Hinter ihr spürte sie den Luftzug. Panik erfasste die junge Frau. Jetzt musste sie sich beeilen. Hinter dem Fenster befand sich eine kleine Mauer, die es verhinderte, dass jemand von oben in den Keller hätte hineinschauen können. Zuerst warf Marylin das Buch nach oben, dann zog sie selbst sich hinauf in die Freiheit. Gerade noch rechtzeitig, denn hinter ihr schoss eine Feuerfontäne durch das Fenster und versenkte sogar den dahinterliegenden Stein. Auf der Straße hatte sich eine Traube aus Menschen gesammelt. Schwer atmend und dabei ein rasselndes Geräusch ausstoßend, blieb Marylin auf dem kalten Pflasterstein liegen, das Buch an sich gepresst. Ihr Blick ging gen Himmel, in die schwarze Leere, die dort oben lag und eine Form der Ruhe ausstrahlte, wie auch Marylin sie sich gegenwärtig wünschte. Sie spürte, wie ihre Augenlider schwer wurden. Ohne weiteren Widerstand legte sie sich schlafen. Was auch immer passieren würde, sie hatte ihre Ruhe gefunden. Für immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)