Höllenfeuer von Feldteufel ================================================================================ Kapitel 15: Kapitel 15 ---------------------- Kapitel 15 Schon zu Beginn der einberufenen Sitzung wusste Ethos, dass diese länger dauern würde als üblich. Alle Prälaten, die etwas in den Angelegenheiten der Abteilung zu sagen hatten, waren gekommen. Neben Nikolas waren Dominic, aber auch Albertus und Magnus, verantwortlich für die Finanzen und das Missionarswesen, sowie Oberschwester Mathilde anwesend. Leutnant Roth saß am Ende des riesigen Tisches, bis auf Ethos und Artemis war Steve der einzige gewöhnliche Priester, der an der Versammlung teilnehmen durfte. „Meine Herren und meine Dame, fangen wir mit den Dingen an, die bei dem Angriff der Dämonen geklappt haben“, startete Nikolas die Versammlung ohne weitere Umschweife. „Das war vor allem meine Evakuierung, nachdem ich den Befehl zum Angriff gegeben habe. Abgesehen davon, dass ich nicht von der Seite meiner Priester weichen wollte und gegen meinen Willen von den Gardisten entfernt wurde, muss ich zugeben, dass das wenigstens so geklappt hat, wie es klappen sollte. Zum anderen wurde die Konfrontation in das Innere des Vatikans gelenkt, so dass Außenstehende nichts von dem Kampf mitbekommen haben. Wir hatten wirklich Glück, dass wir zu diesem Zeitpunkt unsere Pforten für öffentliche Besucher bereits geschlossen hatten. Was mich direkt zu dem ersten Punkt dieser Versammlung führt. Warum konnten Dämonen den heiligen Grund des Vatikans betreten?“ Mit gesenkten Augenbrauen ließ Nikolas seinen Blick über die Anwesenden gleiten. Er blieb an Roth hängen, der mit verschränkten Armen in seinen Sitz gelehnt saß und den Prälaten mit düsterem Gesichtsausdruck entgegen starrte. „Warum sind die Gardisten nicht ihrer Arbeit nachgekommen?“ „Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht, Monsignore. Später haben sie in den Kampf eingegriffen, wie es von Beginn an hätte sein sollen. Allerdings hatten meine Männer Angst. Die wenigsten von ihnen haben schon einmal einen Dämon mit eigenen Augen gesehen. Nachdem die Auseinandersetzung beendet war, habe ich mir Gedanken über die Ausbildung meiner Männer gemacht. Ich denke, dass es helfen würde, wenn nicht nur die Kommandanten der einzelnen Züge mit den Priestern reisen würden, sondern jeder einzelne Gardist, der in den Dienst des Vatikans gestellt wird.“ „Das ist finanziell nicht möglich“, meldete sich Albertus zu Wort, der die ganze Zeit über nervös den Worten des Leutnants gelauscht hatte. Er war ein alter Mann mit weißem schütteren Haar, dessen Falten schon fast so schwer auf seine Augen zu drücken schienen, dass er diese nur noch mit Mühe öffnen konnte. Durch die runden Brillengläser auf seiner kleinen Nase blinzelte er wie ein Maulwurf hindurch. „Sollte jeder Gardist mit den Priestern reisen, wären das Unkosten, für die der Vatikan kein Geld erübrigen kann.“ „Kein Geld erübrigen kann oder will?“, fragte Artemis provokativ und lehnte sich nach vorne. Nikolas seufzte leise. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass es ein Fehler war, Artemis bei einer solchen Art von Diskussion mit an den Tisch zu setzen. Er hatte es nur getan, da er den schriftlichen Bericht des Priesters nicht abwarten konnte, denn das, was Artemis gesehen, gehört oder gespürt hatte, war möglicherweise von Bedeutung. Da die Versammlung allerdings keinen Aufschub gewährte, hatte er Artemis daran teilnehmen lassen. Trotz der wieder aufgerissenen und auch neuen Verletzungen hatte sich Artemis bereitwillig gezeigt, bei der Besprechung dabei zu sein. Es kam nicht oft vor, dass seine Stimme von jedem der Prälaten gehört wurde, weshalb Nikolas geradezu darum betete, dass der Priester es nicht darauf abgesehen hatte, seinem gesamten Repertoire an Unmut Luft zu machen. „Was denken Sie, wer Sie sind?“, fragte der angesprochenen Prälat empört zurück. „Wäre es mir möglich, die verlangten Finanzen zu entbehren, würde ich dies ohne zu zögern tun.“ „Soweit ich weiß, sind wir finanziell nicht wirklich schlecht dran“, konterte Artemis. „Bei dem, was wir uns alles leisten können, wenn die Priester in das Ausland geschickt werden, um ihre Aufträge auszuführen, wundert es mich, dass Sie jetzt so knauserig um die Ecke kommen.“ „Pater Dal Monte hat Recht“, pflichtete Ethos seinem Kollegen bei, als er sah, dass Albertus einen Einwurf einzubringen versuchte. „Wenn wir etwas kürzer treten würden, könnte das neue Mittel freigeben. Diese Mittel könnten dann dazu genutzt werden, um zusätzliche Männer mit auf die Missionen zu nehmen.“ Ethos sah, dass sich Steve einige Notizen machte, während Nikolas sich vollends auf das Gespräch konzentrierte. „Das ist eine gute Idee, Pater Turino. Können Sie mit diesem Vorschlag leben, Monsignore Albertus?“ Leise seine Zustimmung in sich hinein grummelnd, gab Albertus nach und sank, dramatisch gestikulierend, geschlagen in seinen Sitz zurück. „Kommen wir zu dem nächsten Punkt. Zu unserer Verteidigung gehören nicht nur die Gardisten, sondern auch der heilige Schutz. Warum war dieser nicht aufrecht?“ „Ich denke, dazu könnte ich etwas sagen“, meinte Ethos. „Eigentlich wollte ich mich bezüglich dieses Verdachtes bedeckt halten, ich denke jedoch, dass ich es jetzt, wo die wichtigsten Persönlichkeiten anwesend sind, ansprechen kann und auch sollte.“ In den Gesichtern der Anwesenden konnte Ethos ablesen, dass diese kaum noch erwarten konnten, was er ihnen zu sagen hatte. Lediglich Artemis wirkte entspannt wie immer. „Schon seit meinem letzten Auftrag in Frankreich gehe ich davon aus, einen Spion unter uns zu haben.“ Sofort stießen Albertus, Dominic und Magnus ungläubig die angehaltene Luft aus, danach schauten sie Ethos entsetzt an. Nikolas hingegen wirkte verwirrt, Roth präsentierte eine Mischung aus Überraschung und Unglauben. Oberschwester Mathilde hob eine Augenbraue. Selbst Steve ließ für den Bruchteil einer Sekunde den Stift sinken, als müsse er zweimal darüber nachdenken, ob er diese Äußerung wirklich zu Protokoll führen sollte. Einige Zeit badete Ethos nahezu in der Aufmerksamkeit, welche er gerade erlangt hatte. Zumindest war er sich sicher, dass er die Zuwendung bekommen würde, die er sich erhofft hatte. „Ganz Recht, meine Herren und meine Dame. Aufgrund der Funde an den Orten, an denen die immer gleichen Dämonen, oder aber Teile einer bestimmten Gruppe von Dämonen, auftauchten, wurden Münzen gefunden, welche im Vatikan hergestellt werden.“ „Wenn Sie der Meinung sind, dass ich etwas damit zu tun habe, nur, weil es Münzen sind, muss ich Sie leider enttäuschen!“ Albertus war aufgestanden und hatte lautstark die Handflächen auf die Platte des Tisches geknallt, als Ethos zufällig sein Blickfeld gekreuzt hatte. Für Ethos kam ein emotionaler Ausbruch solcher Stärke, nur weil er den Prälaten kurz angesehen hatte, zwar einem gewissen Verdacht gleich, doch er behielt dies erst einmal für sich. „Ich bin kein Verräter!“ „Das hat auch niemand behauptet“, mischte sich zum ersten Mal die unscheinbare Oberschwester mit den Adleraugen ein, die sichtlich von dem kindischen Verhalten des Prälaten genervt war. „Ich bitte Sie fortzufahren, Pater Turino.“ „Alles deutet darauf hin, dass ein Verräter unter uns weilt. Bei dem Auftrag in Frankreich haben wir Dokumente gefunden, aus denen hervorgeht, dass die Dämonen alles aus den geheimen Akten über uns sammeln, was sie in die Finger kriegen können.“ „Könnten diese Daten nicht auch aus den internen Recherchen der Dämonen stammen?“, fragte Roth. „Das denke ich nicht. Einige Dinge, die in den Dokumenten über Pater Dal Monte und meine Wenigkeit standen, können die Dämonen unmöglich gewusst haben. Nicht einmal der Großteil der hier anwesenden Personen hat Zugriff auf diese Art von Informationen. Es muss sich um jemanden handeln, der die Erlaubnis besitzt, nahezu alle Akten des Vatikans einzusehen.“ Erleichtert setzte sich Albertus an seinen Platz und schielte zu Nikolas hinüber. Das tat jedoch nicht nur Albertus, sondern alle, mit der Ausnahme von Ethos und Artemis. „Die Rolle der Münzen ist mir dagegen nach wie vor schleierhaft. Wahrscheinlich dienen sie als eine Art Erkennungszeichen, das zum Beispiel tote Briefkästen kennzeichnen könnte, sicher bin ich mir aber nicht. Ich weiß nicht einmal, woher diese Münzen genau stammen. Die Prägung zeigt Symbole des Vatikans, daran zweifle ich kaum. Aber wann und wofür wurden sie hergestellt? Soweit ich weiß, waren sie niemals als Zahlungsmittel ausgegeben worden.“ „Nachdem Sie die Münzen bei uns abgegeben haben, habe ich mich sofort daran gemacht, etwas über die Herkunft, die Bedeutung und alle anderen Hinweise, die relevant sein könnten, zu recherchieren. Bisher habe ich noch nichts gefunden, aber sobald ich etwas weiß, werde ich es Ihnen mitteilen“, sagte Steve und schaute kurz von seinen Notizen auf. Ethos nickte dem jungen Mann dankbar zu. „Wenn wir tatsächlich jemanden unter uns haben sollten, der mit den Dämonen zusammen arbeitet, würde es mich jedenfalls nicht wundern, wenn diese Person auch den heiligen Schutzwall ausgesetzt haben sollte. Immerhin wird dieser durch bestimmte Rituale aufrechterhalten, vor allem dadurch, dass verschiedene Eingänge geweiht werden. Werden diese Rituale ausgesetzt oder manipuliert, beispielsweise durch falsches Weihwasser, wäre es ein Leichtes für die Dämonen, den Boden des Vatikans zu betreten.“ Nikolas ging kurz in sich, um über die Tragweite von Ethos‘ Worten nachzudenken. Er wollte nicht so recht daran glauben, dass es einen Maulwurf geben könnte, von der Hand zu weisen war es aber auch nicht. Der Prälat entschied sich dafür, Ethos‘ Bedenken im Hinterkopf zu behalten, das Thema jedoch vorerst zu beenden. „Ich danke Ihnen für diesen Hinweis, Pater Turino.“ Kaum hatte Nikolas seine Worte an Ethos gerichtet, spürte der Priester leichte Wut in sich aufsteigen. Er hatte gerade ein ernsthaftes Thema angesprochen und wurde so einfach abgeschmettert. Trotzdem schluckte Ethos seine Wut vorerst hinunter. Jetzt einen Streit anzufangen würde nicht viel bringen. „Da es anscheinend keine andere Erklärung für das Fehlen des Schutzwalles gibt, werde ich diesen Punkt vorerst beenden. Womit die Sprache auf die Verteidigung durch unsere Priester fällt. Ich weiß, dass Sie beide nicht dafür verantwortlich sind, aber was ist genau passiert, nachdem die Dämonen angriffen?“ „Hier im Vatikan halten sich nicht viele Priester auf, die auf dem gleichen Level wie Pater Dal Monte und ich ausgebildet wurden. Da die Gesetze es so verlangen, werden andere Priester, deren Fähigkeiten denen von Pater Dal Monte und mir entsprechen, in andere Länder geschickt, damit die Dämonen im Falle eines Angriffes nicht alle Geweihten auf einmal töten können. Dementsprechend schleppend lief die Verteidigung durch die Priester, die vor Ort waren. Sie waren nicht in der Lage, gegen Dämonen solcher Stärke zu kämpfen. Entweder fehlte ihnen der Mut oder aber sie wussten, dass sie sterben würden und zogen sich zurück. Was ungefähr auf das gleiche hinausläuft, wie der erste Einwand. Es ist zunehmend zu beobachten, dass Priester, die besondere Fähigkeiten aufweisen, auch im Ausland gezielt angegriffen und getötet werden. Der Mord an Pater Simmons in London hat dies bewiesen. Möglicherweise wäre es an der Zeit, alle Geweihten, die noch leben, in den Vatikan zu bringen. Meiner Meinung nach wäre das für alle von Vorteil. Der Vatikan und seine Heiligkeit wären besser geschützt und auch die Geweihten wären sicher. Die Dämonen wirkten nicht, als ob sie ernsthaft versucht hätten, jemanden gezielt auszuschalten. Vielmehr schien es, als hielten sie sich zurück. Das könnte bei dem nächsten Angriff anders aussehen.“ Während Nikolas bedächtig nickte und darüber nachdachte, wie er eine solche Aufgabe lösen sollte, meldete sich erneut Oberschwester Mathilde zu Wort. Sie war bei dem Kampf ebenfalls anwesend gewesen, hatte sich jedoch im Hintergrund aufgehalten. Ihre füllige Figur war deutlich unter ihrem Gewand zu erkennen. Mit der Ausnahme ihrer stechenden Augen, die wie die eines Raubtieres wirkten, sah man ihr ihr fortgeschrittenes Alter überdies an den faltigen Konturen ihres Gesichtes an. Sie war schon lange keine Kämpferin mehr. Dafür bildete sie das perfekte Pendant zu den männlichen Prälaten, denn die Oberschwester war für die harte Ausbildung bezüglich ihrer Nonnen durchaus bekannt. „Wären die Ordensschwestern früher alarmiert worden, hätten wir mit Sicherheit den einen oder anderen Verlust weniger zu beklagen.“ Die schnippische Bemerkung verfehlte ihre provokative Wirkung nicht. „Frauen haben im Kampf gegen Dämonen nichts zu suchen. Dass Sie sich überhaupt eingemischt haben, sollte im Grunde genommen gar nicht vorkommen. Zwar muss ich zugeben, dass sie in diesem Fall gute Arbeit geleistet haben“, räumte Nikolas ein. „Dennoch hätte es für Ihre Nonnen anders ausgehen können.“ Nicht nur Lydia hatte eingegriffen, als sie sah, dass der Vatikan angegriffen wurde. Auch die anderen Nonnen, die im Dienst der Ordensschwester standen, hatten zum Großteil in das Gefecht eingreifen wollen. Da die Dämonen wenige Minuten nach Lydias Ankunft bereits verschwunden waren, hatte sich die Gelegenheit, sich aktiv zu beteiligen, für die anderen Schwestern nicht ergeben. Somit hatten sich die Nonnen um die Verletzen und Gefallenen gekümmert, so gut sie konnten. Ihnen war es zu verdanken, dass der Vatikan noch vor Sonnenaufgang wieder wie der friedliche Ort erstrahlte, der er eigentlich sein sollte. „Wo wir gerade bei meinen Nonnen sind… Wie Sie wissen, Monsignore, hat sich Schwester Lydia Dal Monte einmal mehr hervorgetan.“ „Ich muss zugeben, dass Schwester Dal Monte eine beeindruckende Frau ist.“ „Das ist sie in der Tat. Zumal sie ein weiteres Mal das Leben einer Ihrer Priester gerettet hat“, sagte die Oberschwester und schaute zu Artemis hinüber. „Ich denke ich weiß, worauf Ihr Kommentar hinauslaufen soll, Oberschwester Mathilde“, antwortete Nikolas an Artemis‘ Stelle. „Geht es schon wieder darum, die Scheidung von Pater Dal Monte zu bewilligen?“ Bevor sie weitersprach, räusperte sich die Oberschwester. Sie legte eine lange Pause ein, in welcher sie den Prälaten mit ihren Adleraugen niederzustarren versuchte. Artemis blieb gelassen. Der Prälat würde es niemals erlauben, dass die Scheidung auch von der Kirche anerkannt werden würde. Lydia und er hatten damals so viele Steine ins Rollen bringen müssen, um überhaupt den heiligen Bund der Ehe eingehen zu können, dass er bezweifelte, dass auch nur einer der Prälaten die Scham auf sich nehmen würde, diese Ehe nun wieder zu annullieren. Außerdem waren Scheidungen ohnehin nicht gerne gesehen. Trotzdem hatte Lydia in der Vergangenheit wiederholt den Versuch unternommen, die Ehe zu Artemis unwirksam zu machen. Vor allem wenn sie herausstach, so wie in dem letzten Kampf, forderte Lydia die Rechtmäßigkeit der Scheidung. „Ich kann die Scheidung nicht ohne weiteres rechtskräftig machen, das wissen Sie genauso gut wie ich.“ „Darf ich Sie daran erinnern, dass wir schon einmal einen ähnlichen Fall gehabt haben, Monsignore?“ Diese Bemerkung saß offensichtlich, denn in den Augen des Prälaten war ein zorniges Funkeln zu erkennen. „Müssen wir diese Diskussion gerade jetzt in die Länge ziehen?“ „Ich fürchte, dass daran kein Weg vorbei führt. Wenn ein Mann seine Ehe annullieren darf, warum dann keine Frau?“ „Die Situation damals war eine völlig andere.“ „Das denke ich nicht. Oder lag es an Ihrem damaligen Status, Monsignore? Muss Lydia erst einen Ihnen ebenbürtigen Rang erreichen, damit sie sich scheiden lassen darf wie Sie?“ „Das reicht jetzt!“ Nikolas war so schnell aufgestanden, dass der Eindruck entstand, er wolle die Oberschwester angreifen. Mit den Fäusten auf den Tisch schlagend, musterte er die Oberschwester mit offenstehendem Mund, diese ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. „Wir können darüber im privaten Kreis diskutieren, doch momentan haben wir andere Sorgen.“ Der Prälat setzte sich wieder. Jeder der Anwesenden wusste, dass es weniger darum ging, die wichtige Erörterung der misslungen Verteidigung des Vatikans fortzusetzen, als darum, dass Nikolas mit allen Mitteln versuchte, sein Gesicht zu wahren. Auch er war in jüngeren Jahren verheiratet gewesen, sprach darüber allerdings nicht und hatte ebenso wenig vor, gerade auf einer so wichtigen Versammlung damit anzufangen. Für Ethos und Artemis war diese Information über den Prälaten neu. Im Gegensatz zu den anderen Geistlichen tauschten sie überraschte Blicke aus. „Magnus.“ Der Angesprochene hob den Kopf. Von seinem Äußeren her glich der Prälat, der für die Missionierungen verantwortlich war, einer kleineren Version von Albertus. Nur mit dem Unterschied, dass Magnus keine Brille trug und kleine weiße Härchen aus seinen Ohren wuchsen. „Da Sie die besten Kontakte ins Ausland haben, möchte ich, dass Sie sich darum kümmern, die übrigen Geweihten aufzuspüren. Lassen Sie sich von Steve die entsprechenden Akten geben. Sobald Sie die Priester gefunden haben, holen Sie diese in den Vatikan zurück.“ „Sind Sie sicher, dass wir jetzt, wo wir einen Verräter unter uns haben könnten, die Akten jedem zugänglich machen sollten?“ Diese Frage kam von Marcus Dominic, welcher sich bisher untypisch bedeckt gehalten hatte. „Ich meine, wenn es wirklich einen Verräter unter uns gibt, dann sollten wir vorsichtiger sein.“ Anstatt sich gegen den indirekten Vorwurf, ein Verräter sein zu können, zu wehren, nickte Magnus nur wie ein Hahn mit dem Kopf auf und ab. Bei seinen schwerfälligen Bewegungen sah es aus, als würde ihm jeden Augenblick der Hals auseinander brechen. Der Prälat war noch nie dafür bekannt gewesen, besonders viel Rückgrat zu besitzen. Meistens tat er das, was andere ihm vorbeteten. Aus diesem Grund war Magnus aus Ethos‘ Sicht am wenigsten zum Verräter geeignet, er hatte dafür mit Sicherheit zu viel Angst. Andererseits war der Einwand von Dominic eine Überlegung wert. „Was sollen wir Ihrer Meinung nach stattdessen tun, Marcus Dominic?“ „Schicken Sie jemanden, der noch keine Ahnung davon hat, was hier gerade besprochen wurde. Jemanden, der sich wehren kann, falls etwas passieren sollte, aber entbehrbar ist für eine gewisse Zeit. Und am besten eine Person, deren Akte leicht zu überprüfen ist. Irgendjemand, der keinen allzu hohen Posten bekleidet oder kaum Gründe hat, aufgrund von Bestechung den Vatikan zu verraten. Oder aber eine Familie und Angehörige besitzt, für die er zum Verrat bereit wäre.“ „Ich glaube, ich hätte da die perfekte Kandidatin“, sagte die Oberschwester und entblößte durch ein breites Grinsen ihre weißen Zähne. „Es ist nicht besonders groß, aber Sie haben, was immer Sie benötigen. Und wenn etwas nicht vorhanden sein sollte, können Sie sich natürlich jederzeit an uns wenden.“ Mit diesen Worten stieß die Nonne die Tür zu einer der Kammern auf, die sich auf dem dritten Trakt des Quartiers der Ordensschwestern befand. Neben ihr stand Marylin, die sich leicht zur Seite gebeugt hatte, um den Raum, der ihr fortan als Unterkunft dienen sollte, vorab zu inspizieren. Obwohl nur die nötigste Einrichtung vorhanden war, kam ihr die kleine Kammer bereits jetzt wie eine wesentlich bessere Alternative zu ihrem mickrigen Appartement vor. Zumindest was die Sauberkeit anbelangte, hatten die Dienerinnen Gottes ihr einiges voraus. „Saubere Wäsche zum Schlafen habe ich Ihnen bereits auf das Bett gelegt. Wenn Sie möchten, können wir gerne noch einige andere Ihrer Sachen waschen.“ Marylin war es unangenehm, sich auf Kosten der Nonnen auszuruhen, doch sie wusste auch nicht, wie sie ihre Angelegenheiten selbst erledigen sollte. Eine öffentliche Waschküche gab es offensichtlich nicht, sie musste wohl in die Innenstadt, um ihre Klamotten zur Reinigung zu bringen, wenn sie sich nicht weiterhin wie ein Parasit fühlen wollte. Außerdem war ihr nicht entgangen, dass die Nonne, welche sie durch die Gänge geführt hatte, etwas gegen sie zu haben schien. Woran das genau lag, wusste Marylin nicht, aber trotz mehrfacher Nachfrage, was an dem Abend passiert war und mit wem sie gerade sprach, antwortete ihr die Nonne entweder knapp oder gar nicht. Letzteres war wesentlich häufiger der Fall, weshalb Marylin noch nicht einmal ihren Namen in Erfahrung bringen konnte. Sie konnte nur erkennen, dass es sich um eine wunderschöne Frau handelte, schlank und filigran in ihren Bewegungen. Dennoch strahlte ihre Mimik eine besondere Stärke aus, die Marylin niemals bei einer Klosterfrau vermutet hätte. „Danke, aber ich glaube, das wird nicht nötig sein“, antwortete Marylin und nahm ihre Tasche. „Dann werde ich jetzt gehen“, sagte die Nonne mit eisiger Stimme und drehte sich um, damit sie möglichst schnell verschwinden konnte. „Warten Sie.“ Marylin war die Feindseligkeit, mit der ihr die fremde Frau begegnet war, nicht entgangen. „Dankeschön.“ Obwohl sich Marylin um einen beiläufigen Tonfall bemühte, merkte sie, dass die Nonne sie offenbar durchschaut hatte. Sie blieb kurz stehen und schaute über die Schulter, dann wand sie sich erneut ab. „Na schön, dann eben anders“, seufzte Marylin und ließ ihre Tasche wieder fallen. „Was habe ich Ihnen getan? Ich wollte mich nur dafür bedanken, dass Sie mir meine Unterkunft gezeigt haben. Und von Ihnen erfahren, was hier eigentlich vor sich geht.“ „Das geht Sie nichts an“, erwiderte die Ordensschwester kühl. Trotzdem war sie stehen geblieben und musterte die junge Polizistin mit offensichtlicher Skepsis. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zeigte die Geringschätzung, die sie für Marylin empfand, ohne jeglichen Hehl. Von der Arroganz der grünäugigen Nonne gereizt, nahm auch Marylin dieser gegenüber eine andere Haltung an. „Entweder, Sie sagen es mir oder ich werde die Informationen von jemand anderes einholen. Wie gesagt, ich wollte nur höflich sein, aber Sie scheinen eine echte Ziege zu sein.“ Wider Erwartens behielt die Nonne die Kontenance und ging nicht weiter auf Marylins Kommentar ein. Nach wie vor schaute sie die Polizistin an, dann kräuselten sich ihre Lippen zu einem amüsierten Lächeln. „Von wem wollen Sie sich denn unterrichten lassen?“ „Von einem der Priester zum Beispiel.“ „Vielleicht von Pater Artemis Dal Monte?“ Als Marylin hörte, mit welcher Wut die Nonne den Namen von Artemis aussprach, wusste sie sofort, weshalb die Frau sie so abschätzig behandelt hatte. Erleichterung durchfuhr Marylin. „Ach, darum geht es also. Wenn Sie denken, ich wäre auf eine von Artemis‘ lahmen Anmachsprüche herein gefallen, kann ich Sie beruhigen.“ Die Nonne schaute Marylin weiterhin wütend an, sie schien ihr nicht zu glauben. „Ich schwöre es Ihnen, dass ich auf keine Weise mit Artemis intim geworden bin.“ Zum Zeichen ihrer Ehrlichkeit hob Marylin die Hände und blickte so unschuldig drein, wie es ihr möglich war. Nicht, dass sie nicht unschuldig gewesen wäre, aber sie hatte mit der Zeit herausgefunden, dass der berühmte Hundeblick nicht nur bei Männern seine Wirkung zeigte. Es schien, als würde sie auch diesmal recht behalten. Die Arme der Nonne entspannten sich etwas. Sie ließ ihre Arme träge nach unten fallen und seufzte hörbar. „Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Unrecht getan haben sollte. Es ist nur so, dass Pater Artemis…“ „Ja, ich verstehe schon“, sagte Marylin mit einem versöhnlichen Lächeln. „Wenn Sie ein besonderes Verhältnis zu ihm haben sollten, kann ich es verstehen, dass Sie sauer sind.“ „Ich denke nicht, dass Sie das verstehen.“ Trotz des Vorwurfes lächelte die Frau die Polizistin inzwischen milde an, was diese vermuten ließ, dass die Nonne es nicht böse meinte. „Mein Name ist Lydia Dal Monte. Ich habe mich Ihnen nicht früher vorgestellt, weil ich dachte, dass Sie etwas mit meinem Mann…“ Lydia räusperte sich, als sie den Fehler ihrer Wortwahl bemerkte. Sie war nun schon mehrere Jahre lang von Artemis getrennt und beging noch immer denselben Fehler. „Meinem ehemaligen Mann gehabt haben könnten.“ Die Beichte von Lydia hätte nicht unvermuteter für Marylin sein können. Für sie war es bereits unvorstellbar gewesen, wie Artemis sich überhaupt verhielt und obwohl sie kein besonders überzeugter Katholik war, kannte sie sich gut genug aus, um zu wissen, dass Priester nicht ehelichen durften. Anscheinend schien ihr ihre Bestürzung geradezu im Gesicht zu stehen, denn als Lydia auf sie zukam, um ihre Hand zu schütteln, hob sie sich diese vor den Mund und kicherte. Als Marylin sah, wie die Nonne zu lachen anfing, empfand sie die Frau als noch viel schöner. Das Lachen und auch Lydias Stimme klangen im freundlichen Zustand wie das Spiel eines zauberhaften Instrumentes. Wie Artemis einer Frau wie dieser fremdgehen konnte, war Marylin schleierhaft. Vielleicht war es aber auch erst nach seiner Ehe geschehen, immerhin sagte Lydia, dass es sich um ihren ehemaligen Mann handle. „Tut mir leid, wenn ich Sie verschreckt haben sollte. Manchmal tut es eben immer noch weh, darüber nachzudenken. So sehr, dass ich fast vergesse, dass es auch noch anständige Mädchen auf der Welt geben könnte.“ Ebenfalls lächelnd schüttelte Marylin Lydias Hand. „Ihnen scheint das Verhalten von Artemis noch immer sehr nahe zu gehen.“ „Ja. Und das, obwohl wir schon drei Jahre lang geschieden sind. Inoffiziell zumindest.“ Da Marylin nicht weiter auf das Thema eingehen wollte, versuchte sie, auf etwas anderes zu sprechen zu kommen. „Was ist denn nun heute Abend passiert? Man hat mich, nachdem ich etwas gegessen hatte, sehr schnell aus dem Speisezimmer hierher geführt. Bis Sie gekommen sind und mir die Tür zu der Unterkunft geöffnet haben, saß ich stundenlang hier unten fest. Die Zugangstür wurde abgeschlossen und auch die Frau, der mich hierher gebracht hat, war mit einem Mal verschwunden. Hat es etwas mit den Dämonen zu tun?“ „Sie wissen von den Dämonen?“ „Ich wurde in den Vatikan gebracht, weil mein Partner in London vor meinen Augen von einem Dämon getötet wurde.“ „Das tut mir außerordentlich leid.“ Das Mitleid, das Lydia Marylin entgegen brachte, schien echt zu sein. „Wurde der Dämon wenigstens inzwischen gefangen oder getötet?“ „Leider nicht. Aber ich denke, dass die Priester das noch schaffen werden.“ „Wir haben heute auch einige Verluste zu beklagen. Ich denke, dass ich mit Ihnen offen über den Vorfall sprechen kann. Sie erscheinen mir vertrauenswürdig, ich habe ein Gespür für so etwas. Auch, wenn es von meiner Eifersucht manchmal etwas verblendet wird.“ Den letzten Satz beendete Lydia erneut mit einem heiteren Lachen, von dem Marylin angesteckt wurde. „Außerdem scheinen Sie ohnehin über so gut wie alles Bescheid zu wissen. Aber nun zurück zu den ernsten Angelegenheiten. Heute haben einige Dämonen den Vatikan angegriffen.“ „Wie kann das sein?“, fragte Marylin und wurde stutzig. „Ich hätte gedacht, dass Dämonen gar nicht in der Lage wären, einen heiligen Ort wie diesen zu betreten.“ „So wirklich weiß niemand, wie das passieren konnte“, gab Lydia zu und senkte den Kopf. „Normalerweise wird der Vatikan von einem heiligen Schutzwall umgeben, der regelmäßig erneuert wird. Allerdings könnten auch einige Priester diesen Wall mit Leichtigkeit aufheben, solange er die nötige Ausbildung besitzt. Fast jeder Priester kann aber einen solchen Wall erschaffen, bei den einen ist er stärker, bei den anderen minder stark ausgeprägt. Im eigenen Interesse sollte ein Priester jedoch niemals einen solchen Wall zerstören, wenn er einmal erschaffen wurde.“ „Demnach könnte ihn jemand ausgesetzt haben?“ „Entweder das oder der Verantwortliche hat versäumt, den Wall zu erneuern. In diesem Fall ist nicht auszudenken, was alles hätte passieren können.“ Die Nonne wirkte nun etwas nachdenklich. Der Gedanke, dass einer der Priester dafür verantwortlich sein könnte, dass der Wall nicht funktioniert hatte, beunruhigte sie. „Wie dem auch sei, einige Menschen sind den Dämonen leider zum Opfer gefallen. Letztendlich konnten wir sie aber vertreiben und haben den Schutzwall erneuert.“ „War unter den Dämonen zufällig ein Mann in schwarzer Kleidung?“ „Nein“, antwortete Lydia sofort kopfschüttelnd. „Eine schwarz gekleidete Frau, aber kein Mann in Schwarz. Nur einer mit vielen Schwertern und einem weißen Löwen.“ Marylin überlegte kurz. Von einem Mann mit vielen Schwertern hatte sie bereits gehört. „Hatte er braune Haut, lange blonde Haare und grüne Augen?“ Lydia schien überrascht, als sie hörte, dass Marylin den Dämonen wohl kannte. „Ja, das war er. Ist er derjenige, der deinen Partner getötet hat?“ „Nein, das ist er nicht. Ein Mann in Schwarz hat Dan auf dem Gewissen. Ich habe nur gehört, dass Artemis gegen den Typen gekämpft hat. Und sehr stark von ihm verletzt wurde.“ „Davon habe ich noch gar nichts gehört“, murmelte Lydia mehr in sich selbst hinein, als an Marylin gewandt. „Aber egal. Jedenfalls wissen Sie jetzt das Wichtigste.“ „Haben Sie die Dämonen töten können?“ „Leider ist das nicht ganz so einfach, wie Sie denken. Ich weiß nicht, zu welcher Kategorie diese drei Dämonen gehören, die uns angegriffen haben oder welcher Art derjenige angehört, der Sie damals angegriffen hat.“ „Kategorie?“ „Oh je, haben Ihnen Pater Artemis und Pater Turino überhaupt nichts erzählt?“ „Doch, eigentlich schon“, seufzte Marylin. „Aber anscheinend nicht genug.“ Lydia deutete auf das Zimmer, welches Marylin beziehen sollte und drängte die junge Frau hinein. Sie setzte sich auf die schmale Bettkante und rief Marylin dazu auf, sich neben sie zu setzen. „Also, es ist folgendermaßen. Es gibt die normalen Dämonen, die den Großteil dieser Rasse ausmachen. Dabei handelt es sich um Dämonen mit gering ausgeprägten Fähigkeiten. Vampire gehören zum Beispiel dazu. Bis auf wenige Ausnahmen sind sie relativ schwach und verwundbar, für uns stellen diese Dämonen keine große Gefahr dar. Für jemanden, der noch nie mit Dämonen zu tun hatte, sind es hingegen mächtige Gegner. Bei den einfachen Dämonen reicht es, sie wie einen Menschen zu töten. Der Geist des Dämons stirbt quasi mit seiner Hülle. Da diese Dämonen nur über geringe Kräfte verfügen, benötigen sie diese, um sich den Körper eines Menschen gefügig zu machen. Danach können sie ihren Körper nicht mehr verlassen und sich daher nicht eigenständig materialisieren. Bevor sie einen Menschen besetzten, sind Dämonen nichts weiter als eine unsichtbare Masse. Sie bewegen sich durch unsere Welt und warten darauf, einen willensschwachen und bösartigen Menschen zu unterwerfen. Dabei verdrängen sie dessen Seele und damit auch seinen Geist. Dämonen, die stärker sind, können ihre äußere Hülle ebenfalls nicht einfach wechseln. Sie besitzen jedoch genügend Kräfte, um sich eine bestimmte Eigenschaft zu erhalten und im Laufe der Zeit auszuprägen. Meistens übernehmen sie dabei jene schlechte Eigenschaft, die dem Menschen, den sie zuvor übernommen haben, innewohnt und entwickeln diese weiter. Hat sich ein Mensch mit dunkler Magie beschäftigt und dabei andere Menschen gequält, ist es beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass der Dämon dunkle Magie entwickelt und diese anwenden kann. Dies unterscheidet ihn grundlegend von den einfachen Dämonen, die hauptsächlich Blut saugen oder Menschen fressen, um die Zellerneuerung des Gastkörpers aufrecht zu erhalten.“ Bei dem Gedanken an das, was Lydia ihr gerade erzählte, schauderte es Marylin. In einigen billigen Romanen hatte sie schon mal etwas über Vampire gelesen, die Realität erschien ihr allerdings keinesfalls so romantisch, wie in den Groschenromanen beschrieben. „Neben den sehr schwachen und den stärkeren Dämonen gibt es noch eine Steigerung. Die sogenannten Großen Dämonen. Es hört sich lächerlich an, aber im Grunde genommen beschreibt das diese Biester der Unterwelt am besten. Sie sind mächtiger als alle anderen Dämonen. Glücklicherweise gibt es nur einen Bruchteil an Dämonen, die eine solch große Macht entwickeln können. Während sich schwache Dämonen in Gruppen sammeln, um ihre Stärke zu fördern, unterwerfen Große Dämonen ihre Untertarnen. Dabei versammeln sie häufig starke Dämonen unter sich, die wiederum sehr schwache Dämonengruppen befehligen. Große Dämonen sind die einzigen, die nicht einfach sterben, wenn man ihnen den menschlichen Körper nimmt. Sie müssen gesondert beseitigt werden.“ „Und wie soll das funktionieren?“ „Unter den Menschen gibt es jene, die von uns die „Geweihten“ genannt werden. Das sind Menschen, die eine Übernahme durch Dämonen verhindert haben. Es gibt nur sehr wenige von ihnen und noch weniger sind dazu in der Lage, Dämonen zu bannen. Pater Turino ist eine dieser seltenen Ausnahmen. In der Vergangenheit haben einige Priester Gegenstände hergestellt, die dazu benutzt werden können, um Dämonen in sie zu zwängen. Mithilfe eines Rituals werden die Gegenstände, nachdem diese mit dem Geist eines Dämons gefüllt wurden, verschlossen. Der Gegenstand wird dann im Höllenfeuer, das sich in den tiefsten Katakomben des Vatikans befindet, vernichtet. Das Problem ist, dass diese Gegenstände in der gesamten Welt verstreut wurden. Meist sind es antike Stücke, die in Museen aufbewahrt werden. Sie sind endlich, das bedeutet, wenn uns einmal die Fänger ausgehen, haben wir ein großes Problem.“ Lydia lachte am Ende ihrer Erzählung trostlos auf. „Können nicht einfach neue Fänger hergestellt werden?“ „Leider nicht. Das Verfahren wurde vor langer Zeit in einem Buch niedergeschrieben, das bis heute nicht mehr aufgefunden wurde. In diesem Buch sind zudem alle Orte, an denen sich Fänger befinden, aufgelistet. Es wurde vor einigen Jahrzehnten angeblich zerstört. Niemand weiß, von wem und warum. Sicher ist nur, dass es sich nicht mehr im Besitz des Vatikans befindet. Zwar arbeiten einige Priester daran, das Verfahren wiederzuentdecken, bisher sind ihnen jedoch kaum Durchbrüche gelungen.“ Als Marylin merkte, wie traurig Lydia diese Erkenntnis stimmte, fasste sie ihr auf den Handrücken. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, also beließ sie es bei der Trost spendenden Berührung. Außerdem war sie zu sehr damit beschäftigt, ihre eigenen Gedanken zu ordnen. Lydia hatte ihr einiges an Informationen gegeben, die sie einordnen und verstehen musste. Langsam wurde Marylin klar, dass das, was ihr im Museum zugestoßen war, nur einen kleinen Teil dessen ausmachte, was offenbar die gesamte Welt zu bedrohen schien. Ihr lagen noch einige Fragen auf der Zunge, aber als sie Lydia ansah, entschied sie, diese zu einem anderen Zeitpunkt zu stellen. „Lydia Dal Monte?“ Als Lydia hörte, dass jemand ihren Namen schrie, sprang sie von der Bettkante und strich über ihr schwarzes Gewand. Dazu richtete sie ihre Haube, die leicht verrutscht war und kämmte mit den Fingern einige der herausschauenden braunen Haarsträhnen zurück. Sie verließ die Kammer und sah, wie Steve erleichtert aufatmete. „Gut, Sie sind noch hier. Ich muss Sie bitten, mit mir zu kommen. Die Oberschwester möchte Sie bezüglich einer neuen Mission sprechen.“ Lydia nickte nur und wünschte Marylin alles Gute, dann war sie verschwunden und ließ die junge Polizistin mit ihren schweren Gedanken allein zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)