Das Medaillon der Götter von federfrau (NaNoWriMo Projekt November 2015) ================================================================================ Kapitel 3: Damian ----------------- Bei Damian gab es nur zwei Arten von Tagen wie sie sein konnten. Entweder sehr gut oder richtig schlecht. Der Tag heute zählte definitiv zu letzteren. Nicht nur, dass es schon seit dem frühen Morgen unablässig begonnen hatte zu regnen, was noch zu ertragen gewesen wäre, nein. Begonnen hatte es damit, dass sein Pferd plötzlich lahmte. Aus einem Grund den er, selbst jetzt wenn er daran zurück dachte, nicht verstand. Denn er war zwar schon seit geschlagenen fünf Tagen unterwegs, aber sein Pferd überanstrengt hatte er, zumindest seiner Meinung nach, nicht. Damian seufzte. Selbst sein lahmendes Pferd, welches er nun seit fast dem ganzen Tag neben sich her führte, anstatt darauf zu reiten, hätte ihm nicht die Laune vermiesen können. Doch dann wurde er, während er sich eine noch nicht einmal zehnminütige Pause gegönnt hatte, ausgeraubt. Ausgeraubt. Einfach so. Damian konnte es noch immer nicht fassen. Man raubte ihn nicht aus. Normalerweise war es eher umgekehrt. Also so, dass er die anderen um ihr Hab und Gut erleichterte. Doch nicht das machte ihn wütend - sondern dass er nichts bemerkt hatte. Absolut gar nichts. Dabei war sein Gehör sehr gut und seine Reflexe ausgezeichnet. Zornig ballte Damian die Hände zu Fäusten. Doch auch wenn Damian richtig schlechte Laune hatte, so war er dennoch auch erleichtert. Denn die Diebe mochten ihm vielleicht sein Geld gestohlen haben, nicht aber das was für ihn noch viel wichtiger war. Das was er mit seinem Leben beschützen musste. Sicherheitshalber tastete Damian noch einmal danach in seiner Umhangtasche. Der Brief befand sich noch in seinem Besitz. Mehr als beruhigt atmete Damian tief durch. Als man ihn beauftragte den Brief zu überbringen war er alles andere als begeistert gewesen. Doch dann hatte, wie so oft, seine Neugier gesiegt. Den Inhalt des Briefes kannte er nicht. Selbst wenn er ihn öffnen würde, würde es ihm nicht viel bringen da der Brief, wie man ihm lang und breit erklärte, codiert war. Wie fast jede wichtige Nachricht. Die Geduld, sich hinzusetzen und den Code zu entschlüsseln besaß er nicht. Zumal das vermutlich auch eine mehr als dumme Idee wäre denn der Adressat dieser Nachricht war niemand anderes als König Zacharias von Aranica höchstpersönlich. Gewöhnliche Diebe mochten das nicht erkennen, doch für Damian war das von Anfang an klar gewesen - und das nicht nur will man es ihm gesagt hatte. Sondern vor allem weil sich die persönlichen Initialen darauf befanden. Der Absender war nicht angegeben. Wenn er sich richtig an die Karte des Königreich Aranica erinnerte, dann müsste hier in der Nähe ein Dorf sein. Kein großes, sondern eines das zu den unbedeutenden zählte. Für seine Zwecke jedoch mochte es wahrscheinlich genau das richtige sein. Als Damian das Dorf erreichte, war die Dunkelheit längst herein gebrochen. Wieder alle seine Erwartungen war das ganze Dorf noch auf den Beinen. Anscheinend wurde ein großes Fest gefeiert. Damian verzog das Gesicht. Er gehörte nicht gerade zu den Menschen, die gerne feierten. Im Gegenteil. Obwohl er sich natürlich ganz gerne mal einen Schluck Bier oder manchmal auch Wein genehmigte. Doch dabei hatte er ganz gerne seine Ruhe. Er hasste diese neunmalklugen, gehirnamputierten Vollpfosten, die ihn immerzu nur ausfragen wollten. „Ihr seid wohl nicht von hier, was?“, begrüßte ein junger Mann ihn in genau diesem Augenblick. Damian schnaubte. Na toll. Großartig. So hatte er sich das wirklich nicht vorgestellt. Wieso konnten die Menschen um ihn herum ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Konnte das denn tatsächlich zu viel verlangt sein? Aber diese eine Tatsache schien wohl in jedem Reich oder Land gleich zu sein. Egal was man selbst wollte, die Leute würde immer versuchen etwas über einen heraus zu finden. Und sie würden reden. Das konnte er absolut gar nicht gebrauchen. Denn Damian gehörte nicht zu den unbekannten Leuten. Hier in Aranica kannte man ihn nicht oder kaum - doch in Otharas. Jenes Königreich in dem er lebte und das direkt an Aranica grenzte, war auf seinen Kopf eine hohe Belohnung ausgesetzt. Der einzige Grund weshalb er nicht schon hing, war dass er Beziehungen hatte. Beziehungen die nicht nur in die Unterwelt sondern auch in die höchsten Kreise des Adels reichten. Denn es war nun einmal eine Tatsache, dass der Adel sich nicht gern selbst die Finger schmutzig machte. Also übernahm er diese Aufgabe. Es gab Zeiten, in denen ihm das nicht besonders gefiel. Überwiegend jedoch war er stolz darauf wie er lebte. Und das schloss seinen Beruf mit ein. Denn er war nicht nur ein gewöhnlicher Dieb oder Mörder. Nein. Er war etwas viel gefährlicheres... Logan begutachte den Fremden, der ihm mit seinem Pferd am Zügel, gegenüberstand mit einer Mischung aus Interesse und Misstrauen. Wobei letzteres deutlich mehr ausgeprägt war. Schließlich kam es so gut wie nie vor, dass sich mal Leute aus der Stadt hierher verirrten. Die Ausnahme war sein Bruder, Toban, aber der war hier aufgewachsen. Ansonsten jedoch war ihr Dorf eher unbekannt. Quasi wie ein weißer Fleck auf der Landkarte. Hier gab es keine Intrigen, Verschwörungen, Gelage oder was sonst so in den großen Städten passierte. Auch mit dem König Zacharias, der in der Hauptstadt residierte, hatte ihr Dorf herzlich wenig zu tun. Sie mochten seine Untertanen sein aber mehr auch nicht. Und das war gut so. Denn sich mit wichtigen Leuten abzugeben konnte einem nichts als Ärger einbringen. Dieser Meinung war jedenfalls Logan - und er wusste, dass er nicht als Einziger so dachte. Genau aus diesem Grund wollte Logan eigentlich auch nichts mit diesem Fremden zu tun haben. Allerdings konnte er sich trotzdem nicht dazu überwinden, ihn einfach so ziehen zu lassen. Denn eines war sicher: Mit der Ankunft dieses Fremden würde es Ärger geben. Nicht nur weil die meisten, was Logan miteinschloss, keine Fremden mochten. Sondern vor allem weil der Fremde, der ihm hier gegenüber stand, alles andere als vertrauenserweckend aussah. Logan verschränkte die Arme vor der Brust. „Also wer seid Ihr denn nun?“, wollte er wissen. Damian schnaubte abfällig. „Ich sehe keinen Grund das näher zu erläutern“, meinte er schlecht gelaunt. „Oh da kann ich Euch gerne auf die Sprünge helfen“, bot der junge Mann, der Damian gegenüberstand, an. „Danke, ich verzichte. Ich will ohnehin nur eine Nacht hier bleiben und plane nicht hier zu wohnen“ „Eine Nacht? Egal was Euer Ziel ist: Euer Pferd bräuchte mindestens eine Woche Ruhe“, stellte der junge Mann nüchtern fest. Damian fluchte leise. Dann aber riss er sich zusammen. „Was seid Ihr von Beruf? Tierarzt?“, erkundigte er sich barsch. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Ich bin der Sohn des Dorfschmied“, erklärte er knapp. Damian nickte. Es überraschte ihn nicht. Tierärzte gab es in Dörfern nur selten. Wenn es in Dörfern Ärzte gab, dann ausschließlich für Menschen. Schmiede dagegen waren in jedem zu finden. Und falls nicht gab es noch immer Schmiedemeister die von Ort zu Ort zogen und ihre Dienste anboten. Da die Leute in der Schmiede fast täglich Pferde beschlugen, wussten sie natürlich auch wie sie mit ihnen umgehen mussten. Die einen taten es besser, die anderen schlechter. Damian verdrehte innerlich die Augen. Ob es ihm passte oder nicht, er würde wohl Hilfe brauchen. Dabei konnte er es absolut nicht ausstehen auf andere angewiesen zu sein. Damian räusperte sich. „Nur um Euch zu warnen. Ich wurde ausgeraubt und benutze keinen einzigen Silberling, denn ich Euch als Lohn zahlen könnte“, stellte er klar. „Das können wir sicher irgendwie anders regeln“, meinte Damians Gegenüber. Dann lächelte er aufmunternd. „Mein Name ist übrigens Logan“, stellte er sich vor. Damian nickte. „Damian“, entgegnete er. Logan nickte. „Da heute, wie Ihr sicher bemerkt habt, gefeiert wird kann ich mir Euer Pferd erst morgen ansehen. Das Gasthaus findet ihr nicht weit von hier. Dort gibt es auch ein Stall wo ihr Euer Pferd bis morgen unterbringen könnt“, schlug Logan vor. Damian nickte. „Dann bis morgen“, meinte er knapp und ließ Logan damit stehen. Noch länger mit diesem freundlichen Kerl zu reden, würden seine Nerven garantiert nicht aushalten - da war er sich ganz sicher. „Und was machen wir jetzt mit dem angefangen Abend?“, erkundigte sich Latoya bei Toban. Der jedoch zuckte nur mit den Schultern. „Solltest nicht du darüber entscheiden? Schließlich ist es dies ein Abend, den wir für dich veranstalten“, sagte er. Latoya nickte zögernd. „Wie wäre es wenn wir erst einmal etwas trinken gehen, uns aufwärmen und dabei nachdenken? Mir wird hier draußen nämlich so langsam kalt“, um es zu verdeutlichen rieb Latoya sich die Arme. Obwohl er es versuchte, konnte Toban sich ein kleines Lachen nicht verkneifen, welches er aber gleich durch ein Räuspern verbarg. Dann nahm er seinen Umhang von den Schultern und hielt ihn Latoya hin. „Es ist zwar nicht weit, doch wenn du willst kannst du ihn ruhig haben. Ich will schließlich nicht, dass du erfrierst“ „Danke“, Latoya grinste und nahm den Umhang entgegen. Es dauerte nicht lang bis sie das Wirtshaus erreichten, welches sich nur unweit des großen Platzes befand. Und obwohl die meisten auf dem Dorfplatz feierten war auch im Wirtshaus deutlich mehr los als sonst. Dennoch gefiel es Latoya mehr hier zu sein als draußen. Hier wurden zwar auch laute Gespräche geführt und zusätzlich roch es nach den verschiedensten Mahlzeiten, doch das störte sie nicht besonders. Im Gegenteil. Es sorgte, seltsamerweise wie Latoya fand, sogar dafür, dass sie sich entspannte doch vielleicht lag das auch einfach nur an der angenehmen Wärme hier drinnen. Denn da die Dunkelheit inzwischen hereinbrach wurde es auch spürbar kälter. Vor allen Dingen wenn man so ein dünnes Kleid trug wie sie, überlegte Latoya während Toban sie beide an den vollbesetzten Tischen vorbei schleuste. Als Damian hörte wie die Tür des Wirtshauses, in dem er sich jetzt befand, geöffnet wurde hob er den Kopf und sah zum Eingang. Herein traten ein Mädchen, welches vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein mochte, gefolgt von einem jungen Mann der einige Jahre älter schien. Anfang oder Mitte zwanzig möglicherweise. Außerdem trug er eine Uniform. Die Uniform, eines Wachtposten aus der Hauptstadt. Damian runzelte die Stirn. Konnte es wirklich sein, dass man in der Hauptstadt in den Brief erwartete. Das war eigentlich unmöglich. Es sei den Aranica hatte wirklich gute Spione von denen sein Auftragsgeber nichts wusste. Dies jedoch war eigentlich ausgeschlossen. So wie der junge Mann mit dem Mädchen umging, lag die Wahrscheinlichkeit näher dass sie sich kannten und zwar sehr gut. Allerdings eher als Geschwister oder beste Freunde. Wobei beste Freunde vielleicht auf sie zutraf, doch wenn Damian sich den jungen Mann näher ansah kam er immer mehr zu der Meinung, dass dies bei ihm nicht so zu sein schien. Und noch etwas fiel Damian auf: Er sah Logan sehr ähnlich. Damians Blick glitt nun hinüber zu dem Mädchen, welches sich gerade an einen freien Tisch setzte. Sie war hübsch. Das weiße Leinenkleid reichte bis zu ihren Fußknöcheln. Die Ärmel des Kleides reichten bis zu den Handgelenken wo sie weit auseinander fielen. Um die Hüfte hatte das Mädchen einen geflochtenen Gürtel mit einer Kupferschnalle, jedenfalls nahm Damian an dass es Kupfer war, befestigt. Ihre dunkelbraunen Haare, die im Licht leicht rötlich schimmerten, waren kunstvoll hochgesteckt - dennoch hingen ihr ein paar Strähnen ins Gesicht. Stören schien sie das jedoch anscheinend nicht besonders. Das Mädchen besaß eine zierliche Statur, doch Damian war in seinem Leben genug Frauen begegnet, um zu wissen, dass man von der Statur einer Frau nicht auf ihren Charakter schließen durfte. Man tat gut daran, so zu denken. Was natürlich auch für Männer galt. Damian nahm einen Schluck von seinem Met und verzog das Gesicht. Lauwarm. Er stelle den Becher beiseite und sah wieder zu ihr hinüber. Damian wusste nicht was es war, doch dieses Mädchen nahm ihn auf irgendeine Art gefangen die er selbst nicht erklären konnte. Das ärgerte ihn. Ihm war es lieber wenn er die Menschen um sich einschätzen konnte um sich auf das was geschehen konnte vorbereiten zu können. Doch irgendwas war da bei ihr, dass anders war. Anders als bei jedem anderen Menschen, den er bisher kennen gelernt hatte. Und dies wiederum ließ ihn einfach nicht los. Eine Art innere Stimme drängte ihn regelrecht dazu herauszufinden was so besonders an ihr war. „Verdammt“, fluchte Damian. Er sah noch einmal zu dem Becher Met, welcher mit Sicherheit jetzt absolut nicht mehr schmecken tat. Nun fiel ihm auch wieder ein, dass er ja eigentlich kein Geld zum bezahlen hatte. Das hatte er beim bestellen ganz vergessen. Damian stand auf und zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich war es sowieso egal. Schließlich würde es bei dieser Menge von Gästen wohl kaum auffallen. Vielleicht später, er jedoch würde dann längst nicht mehr da sein. Und im Moment gab es deutlich wichtigere Dinge um die er sich zu sorgen hatte als um ein unbezahltes Met. Schließlich wartete noch sein, lahmendes, Pferd auf ihn. Und dann war da noch dieses Mädchen. Damian seufzte. Er musste herausfinden wer oder was sie war. Konnte es sein, dass sie so wie er war? Damian schüttelte den Kopf. Nein, das war ausgeschlossen. Vollkommen unmöglich. Er würde es wissen wenn er jemanden seiner Art vor sich sehen würde. Dennoch war es eine Tatsache, dass es ihn magisch zu ihr hin zog. Das gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht. „Wir werden beobachtet“, sagte Toban plötzlich und riss damit Latoya aus ihren Gedanken. „Beobachtet?“, sie sah ihn an, als ob sie an seinem Verstand zweifeln würde. Toban nickte. „Dort drüben am Tisch in der Ecke sitzt ein Fremder. Er sieht schon die ganze Zeit zu uns hinüber“ „Bist du sicher? Ich sehe keinen“, Latoya runzelte die Stirn. Toban war verwirrt. Latoya hatte Recht. Dort wo der Fremde gerade noch saß, war jetzt niemand zu sehen. Allein ein Krug machte deutlich, dass dort jemand gesessen und er sich nicht alles eingebildet hatte. „Latoya“, begann Toban „ich glaube es ist besser wenn wir zu dir nach Hause gehen. Irgendwas stimmt hier nicht...“, Toban wollte noch mehr sagen, doch er wurde unterbrochen. „Das sehe ich genauso“, war plötzlich jemand zu hören. Und es war nicht Latoya die sprach. Ohne es kontrollieren zu können, sprang Toban auf. Seine Hand glitt instinktiv an den Griff seines Schwertes. Der Mann der ihm nun gegenüber stand, oder besser der Fremde der sie bis vorhin noch beobachtete, wich ein paar Schritte zurück. Allerdings, wie Toban annahm, nicht aus Angst sondern eher aus Überraschung über Tobans schnelle Reaktion. Das Schwert noch immer nicht gezogen, doch bereit es jeden Moment zu tun, musterte Toban den Fremden. „Wer seid Ihr und was wollt Ihr von uns?“, erkundigte er sich. Der Fremde lachte. Toban konnte es nicht fassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)