Ein Jahr für die Ewigkeit von _Yuna ================================================================================ Kapitel 2: Surreal aber schön... -------------------------------- Das Cafe war in der Nähe der Ausstellung. Von meinem Platz aus konnte ich den Eingang sehen. Dort standen scharen Menschen. Sie lachten und unterhielten sich lautstark. Ich beneidete sie, denn die Ausstellung war, bis auf den Vorfall wunderschön. Bei dem Gedanken an die Vase drehte sich mein Magen. „Gott, wie Peinlich.“, stieß ich hervor und schlug die Hände vor den Kopf. „Es gibt aber auch schlimmeres.“ „Das ist so typisch für mich. Man sollte mich aus allen Ausstellungen verbannen.“ „Passiert dir sowas öfter?“, fragte Aoi und grinste. „Mir ist schon so einiges passiert.“ Dann verzog ich erschrocken das Gesicht. „Ich hoffe, dass keiner meiner Schüler in der Ausstellung war.“ „Schüler?“ „Ja, ich unterrichte eine Klasse hier an der Sprachschule in Deutsch.“ Aoi sah mich beeindruckt an. „Ich wusste, dass du nicht von hier bist.“ Er lächelte. Herrgott, dieses Lächeln… „Nein, ich habe hier ein Work and Travel Visum. Ich komme aus Deutschland. Habe aber japanisch studiert und wollte immer mal hier hin.“ Der Kellner unterbrach uns und brachte uns den Kaffee. Der Geruch von frischgemalenen Kaffeebohnen stieg in meine Nase und ich musste lächeln. „Was?“, fragte Aoi, als er mein Gesicht sah. „Ich liebe Kaffee. Es gibt kein besseres Getränk.“ „Geht mir auch so.“ Wir sahen einander an und mussten lachen. Aoi war ein junger attraktiver Mann, wie ich fand. Mit seinen zerzausten Haaren und den dunklen Klamotten hatte er etwas sehr anziehendes auf mich. Er wirkte nicht wie er aussah. Aber die Japaner hatten mich schon häufiger während meines Aufenthaltes überrascht. Sie sind ein sehr interessantes Volk. Aber die Anziehung zu Aoi war nicht unbedingt erwünscht. Ich konnte nur hoffen, dass wir uns danach nie wiedersehen würden, denn ich begann mich zu verknallen und das würde nur Chaos bedeuten. Denn jemand wie Aoi – ein berühmter Musiker – würde lediglich in meinen Träumen mein Freund sein. „Und was machst du, wenn du nicht unterrichtest?“, fragte Aoi interessiert. „Dann sitze ich im Park und lese. Gerade mittags, wenn die Sonne hoch steht und alles beleuchtet ist, kann man sich stärken für den Tag. Und was ist mit dir? Keine Konzerte?“ „Nein, wir haben eben erst unsere Japan-Tour beendet. Jetzt habe ich ein paar freie Tage, bis es zurück ins Studio geht.“ „Klingt interessant.“ Seine Hände griffen nach dem Kaffee und er trank einen Schluck. Ich tat es ihm gleich. Dabei betrachtete ich Aoi behutsam aber eindringlich. Ich wollte keinen Moment verpassen und jede seiner Bewegungen in meinem Gedächtnis speichern. Wenn ich ihn schon nicht wiedersehen würde – und ich war mir sicher, dass es so kommen würde – dann wollte ich wenigstens eine schöne Erinnerung an ihn behalten. Als ich die Tasse wieder auf den Untersetzer stellte wanderte mein Blick auf die Uhr. 15:40 Uhr. 15:40?? „Oh mein Gott, es ist ja schon so spät! Ich muss los, ich habe gleich Unterricht.“, sagte ich hastig und kramte nach meinem Geld. „Nein warte, das geht auf mich.“, erwiderte Aoi. „Aber die Vase ging doch schon auf dich.“ „Es gehört zum höfflichen Ton, dass in Japan ausnahmslos die Männer zahlen.“ Langsam bewegte ich meine Hand aus der Tasche und sah ihn an. Noch ein letztes Mal. Ich merkte, wie sich mein Mund zu einem Lächeln formte. „Danke, für das Zahlen der Vase und den Kaffee.“, sagte ich rasch, um nicht zu einem verliebten Teenager zu mutieren. „Gern geschehen. Hat mich gefreut.“, antwortete er freundlich. „Ja mich auch.“ Ich stand langsam auf und verschwand vorsichtig mit meiner Tasche. Ich hoffte, dass er mich aufhielt und mich um ein Date bittete. Meine Ohren waren auf Alarmbereitschaft gestellt. Sie lauschten nach seiner Stimme. Doch ich wartete vergeblich. Denn Aoi sprang nicht von seinem Stuhl, hielt mich am Ärmel fest und fragte mich nach einem Date, oder meiner Nummer. Nein, es blieb still. Als ich die Hoffnung aufgab, ging ich schneller. Aoi saß da und betrachtete Leni, wie sie davon ging. Er lächelte. Tage vergingen. An einem sonnigen Tag ging ich, wie jeden Tag, zu meinem Lieblingsplatz im Park. Eine Parkbank unter einer japanischen Blütenkirsche, vor mir war ein kleiner See und die Vögel zwitscherten. Ich bildete mir gern ein, dass an diesem Platz die Vögel am lautesten sind und ein Lied für mich sangen. Ziemlich kitschig, nicht? Im Schneidersitz sitzend packte ich die Biografie von Dave Grohl aus und schlug die Seite mit dem Lesezeichen auf. In den ersten Tagen wartete ich noch auf ein Zeichen von Aoi. Ich stellte mir gerne vor, dass er einen Ausruf im Fernsehen startete und die Frau suchte, die er hatte gehen lassen, dass er es bereute und er sie unbedingt wiedersehen wollte. Wie gesagt, ich stellte es mir vor. Die Realität war etwas anders. So langsam glaubte ich sowieso, dass es nur ein Traum gewesen war und ich in Wirklichkeit in meinem Bett gelegen habe, anstatt mit Aoi Kaffee zu trinken. Das Treffen wirkte unwirklicher, umso länger ich darüber nachdachte. Es wäre auch zu schön um wahr zu sein gewesen… „Hey.“, unterbrach mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Ich sah nach oben. Ein 1,80m großer Mann sah auf mich hinab und lächelte. Aoi. Vor lauter erschrecken ließ ich fast mein Buch fallen, fing es aber gerade noch rechtzeitig wieder auf. „Hallo.“. Aoi nahm neben mir auf der Bank Platz. Oh Mein Gott! Ich muss träumen. Anders kann ich mir das nicht vorstellen. Herrgott Leni, wach endlich auf! Das wird langsam wirklich peinlich! „Dave Grohl?“ Er zeigte auf das Buch in meiner Hand. „Ja, ich bin ein Riesenfan von den Foo Fighters.“, sagte ich knapp. „Was machst du hier?“ „Sitzen.“ Er grinste frech. „Nein, was machst du genau hier? In diesem Park?“ Ich brannte darauf eine Antwort zu bekommen. ´Ich war zufällig in der Gegend´ war für mich keine richtige Antwort. „Das klingt jetzt vielleicht doof aber…“ Er sah auf seine Hände. „Ich wollte dich wiedersehen.“ „Wirklich?“, fragte ich schrill, räusperte mich aber dann. „Das ist aber nett.“ Er lächelte und sah in meine Augen. „Also, was hälst du von Japan. Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?“, lenkte er von dieser ziemlich romantischen und für einen Single nicht aushaltbare Situation ab. „Ja. Es entspricht ganz meiner Vorstellung. Das Land ist so schrill und gleichzeitig so diszipiniert, dass die deutschen wirken, als hätten sie einen Besenstiel im Gesäß.“ Aoi stutzte bei dem Satz und zog eine Augenbraue hoch. „Oh, deutsche Redewendung. Stock im Hintern bedeutet verklemmt und spießig.“ Ich lachte. „Ach so.“ Auch Aoi lachte laut auf. Ein kleines Mädchen, vielleicht 16 Jahre alt kam auf uns zu und lächelte schüchtern zu Aoi rüber. „Entschuldigung wenn ich störe. Aoi, könnte ich ein Autogramm haben?“, fragte das Mädchen und holte einen Block hervor. Darauf waren Bilder von The Gazette geklebt. Kein Winkel dieses Blockes war mehr zu sehen. „Aber klar.“ Aoi nahm ihn entgegen und schrieb auf den Block. Ich betrachtete ihn dabei die ganze Zeit. Er war so cool. Ihn schien es gar nicht zu stören, dass das Mädchen uns einfach unterbrochen hatte. Ich hingegen fand diese Situation etwas nervig. Doch ich ließ es mir nicht anmerken. Für Aoi schienen seine Fans etwas sehr wertvolles zu sein. „Oh danke. Das ist unglaublich. Kann ich auch noch ein Foto mit dir machen?“ Das Mädchen hielt eine Kamera in der anderen Hand und lächelte verliebt. „Natürlich.“, sagte Aoi freundlich. „Könntest du?“ Er sah zu mir rüber und zeigte auf die Kamera. „Ok.“, sagte ich knapp, nahm die Kamera und sah durch die Linse wie Aoi dem Mädchen näher kam und lächelte. Auch wenn es nur ein Fan war, ich wurde eifersüchtig. In dieser Situation wäre ich gern, dachte ich mir. Aoi ganz nah kommen, seine Haut fast zu berühren, sein Parfüm riechen. „Danke Aoi, einen schönen Tag noch.“, sagte das Mädchen und verbeugte sich. „Danke, dir auch.“ Ich setzte mich wieder neben ihn und ließ die Situation auf mich wirken. Es war komisch zu wissen, dass man neben jemanden saß, der von kleinen Mädchen angehimmelt wurde. Irgendwie surreal. Und noch surrealer war, dass ich offensichtlich auch wie diese Mädchen war. Das kannte ich nicht von mir. „Krieg ich deine Handynummer?“, hörte ich Aoi plötzlich fragen. Schnell drehte ich meinen Kopf und sah Aoi mit versteinerter Miene an. Ich hatte mich doch verhört, oder? Ich konnte mich nur verhört haben. Wenn nicht, dann würde das bedeuten, dass Aoi gerade nach meiner Nummer gefragt hat. Und das war doch totaler Blödsinn. „Was?“, fragte ich nach. „Na ja, ich würde dich gern wiedersehen. Außerhalb dieses Parks. Also nicht, dass es hier nicht schön ist. Ich weiß ja nicht, ob du mich wiedersehen möchtest, vielleicht..“ „Ja.“, antwortete ich rasch und lächelte. „Ja, du kannst meine Nummer haben.“ Er lächelte. Schnell, als sei ich auf der Flucht, riss ich meine Tasche auf und hollte einen Collageblock hervor. Mit einem Kugelschreiber kritzelte ich meine Nummer auf das Papier und riss es aus den Block. Dann reichte ich sie ihm. Er sah darauf. „Danke. Ich werde dich anrufen.“, versprach er. Dabei verzog sich sein Gesicht zu einem noch breiteren lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)