Der Blick fremder Augen von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Mord --------------- „Aus verlässlicher Quelle wurde uns mitgeteilt, dass die Morde dem Raven Killer zuzuschreiben sind. Am Tatort wurden eindeutige Hinweise gefunden, die diese Vermutung nahelegen. Da es jedoch überraschend ist, dass ein Täter nach einer Pause von 13 Jahren erneut beginnt zu morden, möchte die Polizei nicht ausschließen, dass es sich um einen Trittbrettfahrer handeln könnte. Wir möchten an dieser Stelle..“ Genervt schaltete Sam den Fernseher aus. Diese Idioten!, schoss es ihm durch den Kopf. Wer zur Hölle hat ihnen das erzählt? Ein tiefer Seufzer entglitt ihm als er sich aus seinem Sofa erhob und in die Küche stapfte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass die Medien Wind von dem Thema bekamen. Als hätte der Fall nicht schon intern für eine menge Aufregung gesorgt. Bei dem Gedanken sich gleich ins Auto setzen zu müssen und ins Büro zu fahren sank seine Laune auf ihren Tiefpunkt. Nach so einer Meldung würden die Telefone in den nächsten Tagen keine Sekunde Ruhe geben. Ängstliche Bürger, sensationsgierige Journalisten und Hobbydetektive – sie alle würden die Leitungen blockieren und die Mitarbeiter mit ihren Fragen belästigen. Mal ganz abgehen von der Panik, die die Medien mit so einem Bericht verbreiteten. Als Kriminalbeamte waren sie dazu verpflichtet jedem Hinweis nachzugehen, was bedeutete, dass heute vermutlich viel unnütze Arbeit auf ihn zukommen würde. Der Tag hätte wirklich nicht beschissener anfangen können, murrte er innerlich, bevor er sich seine Jacke schnappte und die Wohnung verließ. In New York wäre es undenkbar gewesen um diese Tageszeit mit dem Auto irgendwohin zu kommen. Doch war Sam vor einigen Jahren berufsbedingt umgezogen und er bereute es keine Sekunde. Sacramento war im Vergleich eine kleinere und ruhigere Stadt. Dies genoss er in vollen Zügen. Dennoch bedeutete sie nicht weniger Arbeit. In jeder Stadt begangen Menschen Straftaten und mordeten. Mit einem Druck auf seinen Schlüssel leuchteten die Blinker seines silbernen Opels auf. Er legte nicht sonderlich viel Wert auf Statussymbole, aus diesem Grund ließ er sich auch bedingungslos wegen seines Gebrauchtwagen von seinen Kollegen aufziehen. Es gab wichtigeres. Etwa zwanzig Minuten später fand sich Sam in der Tiefgarage des FBI Komplexes wider. Er parkte sein Auto an seinem gewohnten Platz und machte sich auf dem Weg in das anliegende Treppenhaus, welches ihn direkt ins Gebäude führen würde. Die Angestellten, die er auf dem Weg traf, bedachte er mit einem höflichen Nicken. Schon im Flur hörte er, wie sich einige über den Bericht in den Nachrichten aufregten. Das alles fürs erste ignorierend nahm Sam an seinem Schreibtisch Platz und ging den Stapel Unterlagen durch, den man ihm vor Schichtbeginn zurecht gelegt hatte. Er wurde jedoch bereits nach kurzer Zeit unterbrochen. Dankbar legte er den Papierkram weg und wandte sich seinem Partner Dave zu. Der junge, gutaussehende Agent war Sam vor drei Jahren als Anfänger zugeteilt worden, doch mittlerweile verband die beiden Beamten auch eine tiefe Freundschaft. Hatte er es mit dem Blondschopf zu Anfang nicht immer leicht gehabt, so war er ihm doch ans Herz gewachsen. Nun schlug dieser Sam kameradschaftlich auf die Schulter. „Na, Sammy, wie siehts aus? Willst du weiter hier rum sitzen oder können wir los?“ Sam erwiderte die Begrüßung mit einem freundlichen Lächeln. „Wenn du mir verrätst, wo es hin geht, gerne.“ Die Mine des Agents wurde schlagartig ernst. Fachlich konnte man Dave wirklich nichts vormachen. Obwohl er an sich ein aktiver und lustiger junger Mann war, nahm er seine Arbeit äußerst ernst. Sam wusste das zu schätzen. Unaufmerksamkeit konnte in diesem Beruf mit dem Tod bestraft werden. „Wir haben eine neue Leiche“, antwortete Dave knapp. Sam entglitt ein Seufzer. Das war jetzt die dritte Leiche in drei Wochen. Der Abstand zwischen den Morden verkürzte sich zunehmend. Neben diesem und dem letzten Mord lagen vielleicht knapp fünf Tage. Wenn sie nicht bald ein Spur hatten, würde das nächste Opfer nicht lange auf sich warten lassen. Er brauchte gar nicht fragen, ob es sich um den Raven Killer handelte. Seine Abteilung war ausschließlich mit der Aufklärung dieses Falls beauftragt worden, er hatte die höchste Dringlichkeitsstufe. Seufzend erhob sich Sam. „Das gefällt mir gar nicht. Wo befindet sich die Leiche diesmal?“, fragte er seinen Partner, der schon besser informiert schien als er. „Im McKinley Park, direkt unter der Statue der heiligen Maria.“ Sam zog die Stirn kraus während er Marke und Dienstwaffe verstaute. „Er geht dazu über öffentliche Plätze zu benutzen. Die erste Leiche war noch im Wald verscharrt, die zweite in einer Seitengasse. Aber der McKinley Park? Es dürfte für ihn nicht leicht gewesen sein die Leiche zu platzieren. Warum geht er so ein Risiko ein?“ Sam stellte die Frage mehr zu sich selbst, denn natürlich hatten sie noch keine Antwort parat. Sie hatten zwar bereits ein erstes Profil des Täters erstellt, dennoch blieben viele Fragen offen. Und dann noch unter der Statur der Maria, als würde er die christliche Religion und deren Anhänger regelrecht verspotten. Während der Fahrt klärte Dave den dunkelhaarigen Agent über weitere Details auf. „Die Spurensicherung wird sich gleich ebenfalls umsehen. Wir gehen jedoch nicht davon aus verwertbare DNA Spuren zu finden. Dem Opfer wurden mehrere Schnittwunden zugefügt. Arme, Beine und Bauch wurden wahrscheinlich mit einem sehr scharfen Messer aufgeschnitten. Die Todesursache wird vermutlich Verbluten gewesen sein.“ Sam nickte stumm, während er den Wagen am Rand des Stadtgartens parkte. Die beiden Männer stiegen aus. Sie wurden bereits von einem Polizisten erwartet. Dieser grüßte die beiden freundlich und informierte sie erneut über den Tatbestand. Die beiden Agent unterbrachen den Kollegen nicht, obwohl man sie bereits in Kenntnis gesetzt hatte. Polizisten profilierten sich gerne vor den über ihnen stehenden FBI Agenten und um des Friedens Willen ließen sie dies meistens zu. Es half keinem sich überheblich oder arrogant aufzuführen. Mal abgesehen davon, dass dies sowieso nicht zu Sam passen würde. Während der Polizist sie zum Tatort lotste, streifte Sam sich ein paar Handschuhe über. „...Sie können direkt los legen. Der Tatort ist bestens abgesichert worden. Die Spurensicherung müsste auch jeden Moment eintreffen“, beendete der Beamte seinen Vortrag. Prüfend warf Sam einen Blick über den Schauplatz des Verbrechens. Ihm stach schon von weitem ein wichtiges Detail ins Auge. „Du hattest gesagt das Opfer sei vermutlich verblutet oder?“, wandte er sich an Dave, der neben ihm her lief. „Ich weiß, worauf du hinaus willst“, antwortete dieser. „Hier ist nicht ein Tropfen Blut.“ Dave war also zum gleichen Schluss gekommen wie er. Der Täter musste das Opfer woanders umgebracht haben und gewartet haben, bis sie vollends ausgeblutet war. Sam näherte sich vorsichtig der Leiche. Dabei achtete er penibel darauf keinen möglichen Beweis zu verwischen. Die Frau musste um die 20 sein, man hatte sie bis jetzt nicht identifizieren können. Derzeit wurden in der Gegend anscheinend viele blonde Frauen ihres Alters vermisst. Aber Sam war sicher, dass man bald einen Treffer landen würde. Die junge Frau war auffallend schön und sah äußerlich gepflegt aus – kurz gesagt: der Traum vieler Männer. Sie würde sicherlich irgendwer vermissen. „Dave, was sagt dir die Lage der Leiche über den Täter?“, prüfte er seinen Schützling. Auch wenn Dave mittlerweile seine Ausbildung mit Bravur bestanden hatte, konnte sich der vier Jahre Ältere nicht bremsen ihn trotzdem weiter zu unterweisen. Doch Sam wusste, dass das den Blondschopf nicht störte, im Gegenteil, er hatte Sam mal erzählt, dass er sich bei ihm stets gefördert fühlte und dank seiner Hilfe immer mehr dazu lernte. Prüfend stellte sich dieser nun über die Leiche und rückte seine Brille gerade. Er wirkte dabei äußerst konzentriert. „Zunächst die Fakten: Die Frau liegt auf dem Rücken, nackt. Arme und Beine von sich gestreckt und das Gesicht Richtung Himmel gewandt. Der Täter wollte, dass man ihre Wunden sieht. Es wirkt als solle das Opfer sich etwas hingeben. Unterstützt wird meine Position durch den Ort. Unter der Statur der heiligen Maria. Als verspottete er die Reinheit, die sie durch das Christentum vermittelt“, beendete der blonde Agent seine Einschätzung. „Vortrefflich“, nickte Sam ihm anerkennend zu. „Aber das sind bis jetzt nur Mutmaßungen. Auch hier findet sich eine Rabenfeder am Tatort Wie bei den letzten Malen hält das Opfer sie in der Hand“, ergänzte Sam die Beschreibung. Er hockte sich neben die Leiche und begutachtete die Hand, welche gewaltsam zur Faust geballt wurde. „Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt, als der Täter dem Opfer die Feder gab. Bei diesem Unterfangen wurden mehrere Knochen gebrochen.“ Sein Blick viel auf die andere Hand. Bei den letzten Morden war diese geöffnet und die Handflächen zeigten nach oben. Doch in diesem Fall war auch die andere Hand zur Faust geballt worden. Misstrauisch ging Sam auf die anderen Seite und musterte die rechte Hand genauer. Überrascht stellte er fest, dass ein kleiner Papierfetzen aus diesert heraus ragte. So behutsam wie möglich öffnete Sam die Finger der Leiche ein wenig, um das Stück Papier an sich nehmen zu können. Er entfaltete vorsichtig das sorgsam zusammen gelegte Stück Papier. Eine Nachricht, schoss es ihm durch den Kopf. Es war nur ein Satz. Säuberlich in verschnörkelter Schrift geschrieben. Ich werde ihn mir holen Sam hatte die Nachricht gerade gelesen, als ihm plötzlich schwarz vor Augen wurde. Mit einem erstickten Schrei kippte er nach hinten. Dann wurde alles schwarz um ihn herum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)