Out of Mind von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 3: Berührungsängste --------------------------- „Du hast DOCH in die Nachttischschublade geguckt!“ stellte Stiles fest. Derek blickte mit großen Augen von seinem Frühstück auf: „Nö?!“ behauptete er. Stiles lachte: „Du bist echt ein bescheidener Lügner, Hale! Warst du schon immer! Selbst schuld, dass du geguckt hast! Ich hatte dich jedenfalls gewarnt.“ „Wie hast du geschlafen?“ erkundigte sich Derek, in erster Linie, um das Thema zu wechseln: „Gut, Danke! Das Sofa ist ja zum Glück ziemlich bequem. Beim Einkauf habe ich nämlich darauf bestanden, dass du eins nimmst, das dazu taugt, eine ganze Nacht darauf durchzuschlafen.“ erwiderte Stiles: „Warum?“ wollte Derek wissen: „Habe ich oft Übernachtungsbesuch?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Das nicht gerade, nein! Unsere Beziehung ist einfach nur ziemlich leidenschaftlich.“ erklärte Stiles: „Und so sind auch unsere Streitereien!“ „Verstehe!“ erwiderte Derek, obwohl er das im Grunde überhaupt nicht tat. Wie sollte er sich das vorstellen? Flogen hier regelmäßig die Einrichtungsgegenstände durch die Gegend? Führte er wohl schon Prozesse mit den Nachbarn, wegen nächtlicher Ruhestörung? Offensichtlich unterschied sich der zukünftige Derek sehr von ihm, der seinen Frieden, seine Zurückgezogenheit und sein Leben in berechenbaren Bahnen schätzte: „Du hast gestern gesagt, du würdest studieren. Hast du denn heute gar keine Vorlesungen?“ Wollte er ein wenig später von Stiles wissen: „Nein. Ich habe heute Morgen, als du noch geschlafen hast schon mit Scott telefoniert und ihm alles erklärt. Er passt in der nächsten Zeit einfach für uns beide auf und bringt mir nachmittags dann immer seine Notizen, damit ich in deiner Nähe bleiben kann!“ Plötzlich unsicher geworden blickte er kurz zu Derek auf und fügte hastig hinzu: „Also vorausgesetzt, du willst das?“ Derek nickte. Dann wollte er wissen: „Aber muss ICH denn nirgendwo hin? Habe ich keinen Job oder so etwas?“ Stiles grinste: „Nö, du bist ein ziemlicher Faulpelz. Obwohl: in deinen Kreisen nennt man so etwas wohl einen `Gentleman of leisure´. Du lebst ganz gut vom Haleschen Familienerbe. Und das ist auch in Ordnung so, denn ein Werwolf zu sein ist in deinem Fall irgendwie so eine Art Vollzeitbeschäftigung.“ „Wie bitte?“ fragte Derek verdutzt: „Wie darf ich das denn verstehen?“ „Naja.“ erwiderte Stiles: „Irgendwie gibt es immer irgendwelche Dramen die deine Aufmerksamkeit fordern, oder jemand trachtet dir nach dem Leben oder es gibt Mysterien aufzuklären, oder,oder, oder. Es wird jedenfalls nie langweilig“ „Und momentan?“ erkundigte sich Derek: „Irgendetwas, was ich wissen müsste?“ „Momentan ist es eigentlich recht ruhig.“ gab Stiles zurück: „Ich meine, wenn man einmal davon absieht, dass du aus geheimnisvollen Gründen dein Gedächtnis verloren hast und wir zusehen müssen, dass wir dich irgendwie wieder herstellen!“ Sie aßen eine Weile schweigend weiter, bis Derek mit der winzigen Andeutung eines Schmunzelns fragte: „Ich habe also Geld und bin eine gute Partie, richtig? Ist es mir auf diese Weise gelungen, mir einen jungen Liebhaber zu angeln?“ Ein Scherz von Derek Hale? Zu DIESEM Thema? Und noch vor dem dritten Kaffee? Stiles fiel beinahe sein Bagel aus der Hand! Dann grinste er: „Du denkst ich bin…WAS? So eine Art `Boy-Toy´. Lustige Vorstellung! Aber hör´ mal Kumpel: Ich weiß, du hast einiges vergessen. Vielleicht ja auch, wie du aussiehst? Schau doch am besten nochmal in den Spiegel, um dich zu vergewissern und dann wird dir klar werden, dass solche wie DU solche wie MICH nicht bezahlen müssen, um mit ihnen zusammen zu sein.“ Dann fügte Stiles noch hinzu: „Eher wäre es umgekehrt, aber das wird in meinem Fall leider nichts, denn ich bin ja bloß ein armer Student.“ Nach dem Frühstück saßen Stiles und Derek unschlüssig nebeneinander auf dem Sofa, wobei sie zwischen sich mindestens noch Platz für eine weitere Person gelassen hatten. Etwas, dass ihnen scheinbar beiden momentan wichtig war! Stiles hatte die Knie unter das Kinn gezogen und die Arme um seine Beine geschlungen. Sein Blick war starr in die Ferne gerichtet. Derek musterte ihn eine Weile unauffällig aus dem Augenwinkel und versuchte sich vorzustellen wie es wäre, abends neben diesem jungen Mann einzuschlafen, ihm von seinem Tag zu erzählen oder sich mit ihm zur streiten. Und dann gab es ja noch all` die anderen Dinge, die Liebende miteinander taten und bei dieser Vorstellung wurde Derek ganz flau im Magen! Was um Himmels Willen konnte in den letzten vier Jahren zwischen ihm und diesem Jungen vorgefallen sein, dass er all diese Dinge irgendwann mit Stiles gewollt hatte? „Wann wird Dr. Deaton herkommen?“ fragte Derek unwillkürlich und ließ Stiles dadurch ein wenig zusammenzucken: „Gegen Mittag!“ antwortete Stiles. Er wirkte matt und unglücklich: „Vielleicht würde es mir helfen mich zu erinnern, wenn ich mir Fotos, Briefe und solche Dinge anschauen würde?“ schlug Derek vor. „Du glaubst noch immer nicht, dass ich dir die Wahrheit sage und du willst Beweise dafür, dass es unser gemeinsames Leben wirklich gibt, stimmt`s?“ fragte Stiles bitter. Derek wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Ihm war selbst nicht wirklich klar gewesen, dass es genau darum ging. Offensichtlich kannte dieser Bursche ihn besser, als er sich selbst: „Gib´ mir dein Handy!“ Forderte Stiles gereizt. Stirnrunzelnd reichte Derek dem Jüngeren sein Telefon, gespannt was er damit wohl vorhatte. Stiles zückte nun auch sein eigenes Handy und rief in beiden die Fotos auf. Auf den meisten waren Stiles und er selbst oder auch nur einer von ihnen zu sehen. Auf anderen Bildern waren sie auch gemeinsam mit anderen Leuten, von denen Derek die meisten nicht kannte. Sie waren geschickter Weise so aufgenommen, dass der Effekt, den seine Werwolfaugen auf die Kamera hatten umgangen wurde. Es gab Bilder, auf denen Stiles und er sich küssten, sich umarmten oder auf andere Weise intim miteinander umgingen. Derek fühlte sich eigenartig bei diesem Anblick. Und dann war da ein Foto von seiner Schwester Cora; älter, als er sie in Erinnerung hatte, eine erwachsene Frau und sie sah ihrer beider Mutter so wahnsinnig ähnlich. Derek musste ein wenig schlucken. Eines war auffällig an diesen Bildern und das war die Tatsache, dass er auf beinahe jedem von ihnen lächelte oder lachte. Dieser, im Bild festgehaltene Derek wirkte glücklich - ein Gefühl, an welches sich der reale Derek beinahe gar nicht mehr erinnern konnte: „Du kannst auch die SMSen lesen.“ Unterbrach Stiles Dereks Gedanken: „Aber genauso, wie bei der Nachttischschublade gilt auch hier: Auf eigene Gefahr! Einige sind ein bisschen…“ er stockte: „…unanständig?“ Warf Derek hilfreich ein: „So könnte man wohl sagen.“ Nuschelte Stiles und rieb sich verlegen das Gesicht. Dann verschwand er kurz, um einen Moment später mit einem Umschlag wiederzukehren: „Das ist ein Brief, den du mir geschrieben hast!“ verkündete Stiles schüchtern: „Der ist nicht unanständig, aber ich schätze, er wird dir dennoch unangenehm sein. Ich jedenfalls werde jetzt einen kleinen Spaziergang machen, um dir die Chance zu geben, unbeobachtet von mir ein wenig in deinem Leben herum zu stöbern.“ „Du störst mich dabei doch nicht! Du musst nicht gehen!“ behauptete Derek, doch Stiles schüttelte entschieden den Kopf: „Doch das muss ich!“ Und der Junge hatte recht: Allein mit seinen Erinnerungen zu sein war wirklich hilfreich! So konnte er sich umsehen, ohne sich beobachtet, kontrolliert oder bewertet zu fühlen. Dieser Stiles wusste wirklich, wen er in ihm vor sich hatte. Und trotzdem wollte er offenbar mit ihm zusammen sein. Seltsam! In dem Brief aus seiner eigenen Feder erkannte er sich einerseits wieder und andererseits auch nicht. Er sprach in den Zeilen über das, was er fühlte, fürchtete und dachte, ganz so, als sei es ein Selbstgespräch. Er musste unglaubliches Vertrauen zu Stiles haben, wenn er ihn das alles hatte wissen lassen wollen, dachte Derek verblüfft. Und mit einem Mal fühlte er sich irgendwie nackt! Als nächstes nahm Derek sich die Kurznachrichten in seinem Handy vor und musste zugeben, dass Stiles nicht übertrieben hatte: einige waren so ungezogen, dass der Werwolf rote Ohren bekam, obwohl er sie doch hinter verschlossenen Türen und ganz allein las. Aber sie waren auch sehr liebevoll und in ihnen kamen Verbundenheit, Freundschaft und Respekt zum Ausdruck: Dinge, nach denen Derek sich sehnte. Dann begann Derek die Wohnung zu durchforsten, öffnete Schubladen, Schränke und Fächer, beschnupperte, betrachte und berührte alles. Und weil er gerade unbeobachtet war, griff er versuchsweise nach Stiles T-Shirt, in welchem dieser in der Nacht geschlafen hatte und vergrub sein Gesicht darin. Nein, leider weckte auch das keine Erinnerungen. Doch ihm gefiel, was seine sensible Nase wahrnahm. Es gefiel ihm sogar ausgesprochen! Deaton und Stiles hatten sich scheinbar vor der Tür getroffen, denn nun betraten sie das Apartment gemeinsam. Während Derek sich mit dem Tierarzt im Wohnzimmer einrichtete, zog sich Stiles in die Küche zurück, um Kaffee für alle zu kochen. Während er das tat, spitzte er die Ohren, um mitzubekommen, was nebenan gesprochen. Derek beschrieb, was im Flugzeug geschehen war und wie er sich danach gefühlt hatte. Stiles stieß genau in dem Moment zu den beiden Männern, als Dr. Deaton zu einer Erklärung ansetzte: „Ich kenne einen Zauber, der über eine Berührung funktioniert und der Gedächtnisverlust bewirkt. Was mich dabei aber überrascht, ist das Ausmaß des angerichteten Schadens. Es braucht eine ziemlich mächtigen Magier, um jemandem ganze vier Jahre zu rauben. Ich würde vermutlich bereits an einer Woche scheitern.“ Derek hatte aufmerksam zugehört, doch nun brannte ihm eine naheliegende Frage unter den Nägeln: „Was kann ich dagegen tun? Wie kann ich es rückgängig machen?“ Der Veterinär blickte ihn bedauernd an: „Ich habe noch keinen Schimmer!“ Als er in die müden, unglücklichen Gesichter von Stiles und Derek blickte, schob er rasch hinterher: „Ich werde ein paar Recherchen machen müssen. Ich werde alles tun, um ein paar Antworten für euch zu finden. Versprochen!“ Nachdem Deaton sich verabschiedet hatte, saßen Derek und Stiles noch eine Weile schweigend beieinander, bis Stiles schließlich fragte: „Wer würde dir so etwas antun?“ Derek zuckte ratlos mit den Schultern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)