Ins Wasser gefallen von Xiaolie (Ein Tag im Regen) ================================================================================ Kapitel 1: Freitag, 18.03 ------------------------- Kennst du das? Wenn du schon fünfmal zu einer Person gesagt hast das ihr morgen EWG schreibt und du keine Lust darauf hast. Damit wenigstens etwas Gespräch da ist. Das schlimmste daran ist, du hast diese Person gern. Aber im Moment verbindet euch einfach nichts außer Schule. Kein anderes Thema da ist worüber man reden kann. Obwohl es früher doch so einfach ging. Da saß man zusammen an einem der zu kleinen eckigen Tische in der Mensa. Hat seine anderen Leute vergrault und selbst im Unterricht nicht aufgehört. Und diese ganze Zeit hat man über nicht anders diskutiert als welcher Kaugummi am besten schmeckt. Am Schluss konnte man sich nach 9 Stunden Schule immer noch nicht einigen. Wir haben nur aufgehört weil dein Bus da war. Und wenn man sich dann am nächsten Tag wieder sah ging es da weiter wo sich die Bustüren geschlossen haben. Zehn Mahnungen, zwei Strafarbeiten und eine Umsetzung später - die nichts gebracht hatte weil der Lehrer dann die ganze Zeit Briefchen einsammeln durfte - diskutiert man dann darüber von welcher Marke die Kaugummis am besten schmecken. Erinnerst du dich, das waren wir. Heute sieht das Ganze ein bisschen anders aus. Wir sitzen immer noch mit den Anderen an den zu kleinen eckigen Tischen in der Mensa. Aber heute vergraulen wir sie nicht mit unserem Geplapper über solche primitiven Themen wie Kaugummi. Heute ist es seltsam still.Wenn wir uns setzen zückst du als erstes dein Smartphone. Schreibst mit irgendwem obwohl reale Menschen neben dir sitzen. Scrollst durch Insta, Snap, Facebook, Twitter und was weiß ich was. Am Ende ist es doch alles das Gleiche. Du präsentierst dich Menschen die du noch nie gesehen hat. Diese entscheiden dann ob du Top oder Flop bist. Lächelst nur noch deinen Bildschirm an. Während ich nach draußen schaue, den Regen sehe und überlege wie tief die Pfütze dort vorne im Asphalt ist. So sitzen wir dann da. Du schaust dir die virtuelle, ich mir die reale, Welt an. Bis es zum Ende der Pause klingelt. Du, mit Blick auf dein Handy, aufstehst den Stuhl ran schiebst. Mich ,immer noch mit Blick aufs Handy, im vorbei gehen fragst was wir jetzt haben. Wieso du mich überhaupt fragst ist mir schleierhaft. Du hast doch diese tolle Flat bekommen, da könnte man doch einfach googlen. Nach 6 Stunden Unterricht in der die Klasse wenn-ich-möglichst-konzertriert-wirke-werde-ich-vielleicht-nicht-aufgerufen gespielt hat, gibt’s noch einen kurzen Drücker gratis von dir. Dann steigst du schnell mit allen ein, um möglichst in der Mitte zu landen, damit du richtig schön zerquetscht wirst. So als gratis Diät, weil du ja sowie so zu fett bist. Heute schaue ich nicht raus, sonder ich schaue dich an. Was würdest du wohl machen wenn ich dir das alles jetzt sagen würde? „Ich habe keinen Bock auf EWG. Das ist so ätzend! Warum gibt's diese Fach überhaupt?!“ Ich schaue dich an. Hochkonzentriert starrst du auf das Ding. „Stimmt, ist echt voll ätzend.“ Jeder Millimeter deiner Augen scannt den Bildschirm. Das Stimmengewirr übertönt das ständig fallende Wasser. Ständig ertönen die selben Schlagwörter. „Schule“, „Kino“, „lernen“ sowie „Typ“ sind die Favoriten an unserer Schule. Ruckartig stehe ich auf. Zum ersten mal an diesem Tag sehe ich deine Augen länger als einen Moment. Schlendernd erreiche ich die Tür zum Asphaltplatz der sich Schulhof nennt. Das Wasser fällt senkrecht und der Wind fegt waagrecht. Mein ganzer Körper wehrt sich. Will wieder zurück ins Warme. Zu dir. Einfach so weiter machen wie bisher. Die Pfütze ist ein wenig gewachsen. Ich nehme Anlauf. Sprung! Unregelmäßig fallen mehr Tropfen. Dies ist allerdings mein Verdienst. Klamm klebte der Stoff der Socken an meiner Haut. Ich schauen an mir herab. Bis zu den Knöcheln stehe ich im Eiswasser. Da es aber sowieso von überall her nass kommt ist es gerade egal. „Was machst du denn da? Komm wieder rein, sonst erkältest du dich!“ Früher wärst du mir einfach nach gesprungen. Früher hatte ich aber auch keine ruhige Minute in deiner Nähe. Ich weiß gar nicht mehr wie oft ich wegen dir schon eine Hausarbeit geschrieben habe. Der Vorteil davon war das ich immer gute und kreative Aufsätze geschrieben habe. Aber die Zeiten ändern sich eben. Und sie werden es wieder tun. Im Moment ist es dir halt wichtig was die unbekannten Leute finden. Irgendwann wirst du drauf pfeifen. Lächelnd gehe ich auf dich zu. Kopfschüttelnd siehst du mich an. Doch deine gehobenen Mundwinkel kannst du nicht verbergen. Ich ignoriere die fragenden Blicke der Anderen. Tropfend stehe ich da und warte bis du die Tür wieder zu gemacht hast. „Komm ich hab noch Ersatzsportsachen im Spind.“ Bestimmt schiebst du mich aus der Mensa. Mit einem Grinsen im Gesicht lasse ich mich mit ziehen. Solange du noch die Klappe hält sollte ich das wohl genießen. Denn die Zeiten ändern sich. Ich weiß es. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)