Magnetismus von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 1: Rotkäppchen. Allein im Wald! --------------------------------------- „Stiles? Was machst du hier?“ knurrte Derek, ohne den Griff der einen großen und verdammt starken Hand zu lösen, die sich um den Hals eines kleinen, untersetzten Kerls Anfang fünfzig gelegt hatte und der in der Gefangenschaft der Schraubstockhand zappelte und jammerte. Stiles lag an der Erde, rappelte sich langsam auf und klopfte sich die Reste des Waldbodens von Jeans und Kapuzenpullover, ehe er antwortete: „Dich suchen! Was hast du denn wohl gedacht, was ich mitten in der Nacht hier in der Wildnis zu tun haben sollte. Du hast um Hilfe gerufen und hier bin ich!“ er machte eine großspurige Geste, bei der er mit beiden Daumen auf sich selbst zeigte: „Und nun lass` den Kerl da laufen. Er ist bloß ein Mensch, also bring` ihn nicht um!“ Dereks Blick wechselte von dem Jungen zu dem Kerl in seinem Griff. Dann stieß er zischend hervor: „Ich hab` das doch richtig gesehen: Der Typ hat dich begrapscht, oder? Kannst du mir sagen, warum ich so einen laufen lassen sollte, der nachts im Wald Schuljungen befingert?“ „Ich hab` gedacht, er wäre älter!“ winselte der fremde Mann kläglich. „Ach wirklich?“ stieß Derek hervor: „Ist ja ´ne tolle Geschichte.“ Er griff mit der freien Hand in die Brusttasche der billigen Anzugjacke des Fremden, zog dessen Brieftasche hervor und öffnete sie. Das erste, was ins Auge fiel, war das Foto von drei hübschen blonden Mädchen im Alter etwa zwischen elf und siebzehn Jahren. Er richtete seinen Blick wieder auf den Fremden und erkundigte sich zornig: „Und wenn einer das mit deinen Töchtern versucht, was du gerade mit IHM machen wolltest?“ er deutete mit dem Kinn auf Stiles: „Was denkst du, sollte dann mit diesem Menschen geschehen, häh?“ „Wirklich! Es war nicht so, wie es aussah! Bitte lassen sie mich gehen!“ jammerte der Kerl. Derek klappte die Brieftasche weiter auf und las den Namen im Ausweis laut vor: „Kevin Turner!“ und an Stiles gewandt fuhr er fort: „Vielleicht sollte dein Vater… DER SHERIFF…“ das betonte Derek mit besonderem Nachdruck: „…den Namen mal durch den Computer laufen lassen. Wäre doch interessant zu sehen, was dabei herauskommt, findest du nicht!“ Stiles nickte und erwiderte ironisch: „Ja sicher! Wenn ich ihm dann noch erzähle, dass der Kerl mich nachts im Wald angefallen hat, wird die Sache mit Sicherheit ziemlich spaßig- auch für mich! Lass` ihn gehen Derek. Er hat seine Lektion gelernt und wir haben Wichtigeres zu tun!“ Um Stiles Worte zu unterstreichen nickte der Fremde eifrig. Derek schürzte angewidert die Lippen, steckte die Brieftasche wieder dorthin, wo er sie hervorgezogen hatte, um auch die zweite Hand frei zu haben, mit der er nun ebenfalls den Kragen von Kevin Turner ergriff und ihn einen halben Meter hoch in die Luft stemmte: „Wenn ich dich noch ein weiteres Mal bei so etwas wie heute erwische, dann reiße ich dir den Kopf von den Schultern, hast du das kapiert, du Wicht?“ brüllte Derek und ließ seine Augen blau aufleuchten. Turner gab einen erstickten Schrei von sich und nickte. Und schließlich entschied Derek, den Mann laufen zu lassen. Er ließ ihn laufen, indem er ihn gute vier Meter weit durch die Luft warf, als sei er weiter nichts als ein Bündel alter Kleider! Benommen rappelte der Kerl sich auf und blickte sich noch einmal erschrocken und fassungslos um, ehe er um sein Leben rannte. „Und nun zu dir.“ Sagte Derek an Stiles gewandt, als sie endlich unter sich waren: „Was zu Donner treibst du hier. Wie kommst du darauf, dass ich dich sehen will oder deine Hilfe brauche?“ Stiles verdrehte die Augen. Charmant wie immer, sein haariger Freund, dachte er genervt bei sich: „Du hast auf Scotts Mailbox gesprochen, dass du Hilfe brauchst. Er selbst ist momentan aber leider inkommunikado, denn er hat sein Handy bei mir liegen lassen und außerdem gerade verabredet mit…“ „…Allison!“ ergänzte Derek finster und zog die dichten Augenbrauen zusammen: „Das erklärt aber noch nicht, was du hier machst! Und wieso hörst DU Scotts Mailbox ab?“ „Ich hab` gesehen, dass es deine Nummer war. Und ich vertrete Scott. Ist doch klar!“ gab Stiles selbstbewusst zurück. Derek schüttelte den Kopf: „Und WIE willst du Scott vertreten? Es geht hier um Werwolfangelegenheiten. Du bist bloß ein mickriger Mensch!“ Stieles schnaubte ärgerlich: „Und wer bist du bitte? Der unglaubliche Hulk?“ Derek zog die Brauen hoch und drückte damit gleichzeitig Ärger und Unverständnis aus. War klar, dass Popkulturreferenzen an den grimmigen Wolf verloren waren, dachte Stiles kopfschüttelnd: „Wie wär`s denn mal mit einem `Danke Dir Stiles. Du bist so eine treue Seele. Auf dich ist wirklich Verlass´. Aber nein! Stattdessen höre ich nur Unverschämtheiten und humanophobisches Gemecker.“ „Humano…Was?“ erwiderte Derek verdutzt. „Ach vergiss` es!“ schnappte Stile und schlang die Arme fest um den eigenen Körper. Und da realisierte Derek, dass der Junge ein wenig zitterte: „Ist dir kalt?“ fragte er nun ungewohnt sanft. Stiles schüttelte den Kopf: „Hat der Typ dir Angst gemacht?“ fragte er weiter. Stiles zuckte unwillig mit den Schultern und starrte zu Boden: „Nö!“ murmelte er. Eine glatte Lüge! „Warum hast du ihn mich nicht wenigstens ein bisschen weichklopfen lassen?“ fragte Derek mit etwas, das allenfalls dann als ein Lächeln durchgehen konnte, wenn man den übellaunigen Werwolf kannte: „Soll das ein Witz sein? Du hast ihn durch die Gegend geworfen, als wolltest du jemandem einen Ball in der anderen Spielfeldhälfte zuwerfen. Ich dachte schon, er bricht sich den Hals. Du musst vorsichtiger sein, Derek! Menschen sind zerbrechlich. Du willst doch nicht im Knast landen.“ Erwiderte Stiles und seine Stimme hatte einen schwer zu deutenden Unterton. Machte der kleine Kerl sich etwa Sorgen um ihn? Derek schwieg einen Moment. Dann entgegnete er: „Was dieser Mann gemacht hat, war nicht richtig!“ Er klang dabei beinahe wie ein kleiner Junge, stellte Stiles verwundert fest und machte in seinem Kopf eine kleine Notiz (Überkompensation wegen persönlicher Betroffenheit Fragezeichen).Er würde einen Teufel tun und das laut auszusprechen. Stattdessen erwiderte er schulterzuckend: „Tja! Was renne ich auch nachts hier draußen ´rum, hmm?“ „Berechtigte Frage!“ stimmte Derek nickend zu: „Du hast es selbst gerade gesagt: Menschen sind zerbrechlich. Irgendwie scheinst du aber zu denken, dass das nicht für dich gilt! Wann immer du irgendwo Gefahr witterst, stürzt du dich umgehend kopfüber hinein. Wir leben in Beacon Hills, verdammt nochmal! Kinderschänder sind da nicht das Schlimmste, was dir nachts begegnen kann. Das müsstest du doch echt besser wissen!“ „Kinderschänder?“ empörte sich Stiles: „Wer ist hier ein Kind!“ „Na du, Rotkäppchen!“ erwiderte Derek mit der Andeutung eines Grinsens: „Was soll das eigentlich immer mit deinen roten Kapuzenpullis? Willst du der Großmutter Wein und Kuchen bringen? Oder meinst du, dass die Gefahr dich nicht schnell genug findet, wenn du mal nicht Signalfarben trägst?“ „Du gehst auf dünnem Eis, Freundchen!“ brachte Stiles mit erhobenem Zeigefinger hervor und versuchte, es wie eine Drohung klingen zu lassen, doch er hörte selbst, wie lahm seine Erwiderung war. Er hatte es schon mal besser drauf gehabt, dem großen bösen Wolf ein wenig einzuheizen. Egal! Zeit zum Thema zurückzukehren: „Also! Was kann ich denn nun für dich tun?“ fragte Stiles. „Hörst du eigentlich nicht zu?“ bellte Derek: „Ich habe doch gesagt, du kannst nichts machen! Es geht…“ „Ja, ja, ich weiß!“ unterbrach ihn Stiles augenrollend: „Es geht um irgendeine tolle, sexy Werwolfangelegenheit und ich bin nicht cool genug, um etwas auszurichten, oder?“ Derek schwieg eine Weile. Schließlich erklärte er kleinlaut: „Es ist weder cool noch sexy. Es ist ganz einfach…naja…privat und… ein wenig peinlich.“ Stiles riss überrascht die Augen auf und dann musterte er den Werwolf mit zusammengekniffenen Augen: „Jetzt guck` nicht so!“ knurrte Derek: „Ich werde das mit einem Menschen nicht besprechen! Vergiss es!“ Okay! Es handelte sich also um ein Werwolfsäquivalent zu einer Geschlechtskrankheit oder einer Erektion im Schwimmbad. Stiles dachte einen Moment darüber nach, Derek noch eine Weile damit zu quälen, doch dann entschied er sich großherzig dagegen: „Ich bring dich zu deinem Wagen und du könntest mich dann bei Scott absetzen.“ Sagte Derek. Klar, er war ja auch ein Taxiunternehmen, dachte Stiles giftig, doch er sagte nichts. Stattdessen war er im Grunde recht dankbar, dass er nicht allein durch den dunklen Wald musste, um zu seinem Jeep zurückzukehren. Als sie fuhren brummte Derek unvermittelt: „Tut es dir eigentlich körperlich weh, danke zu sagen?“ Stiles wandte ihm den Kopf zu: „Häh!“ machte er überaus eloquent: „Naja, immerhin habe ich dich vor dem Kerl gerettet!“ Derek klang ein ganz kleines bisschen trotzig. „Ich hätte nicht gerettet werden müssen, wenn ich dir nicht hätte helfen wollen!“ gab Stiles zu bedenken: „Also ja! Es bereitet dir tatsächlich Schmerzen, ganz schlicht `Danke´ zu sagen.“ Grollte Derek. Diesmal eindeutig trotzig. Stiles blickte ihn ungläubig an. Dann verzog er einen Mundwinkel zu einem frechen kleinen Grinsen. Na gut! Wenn der Werwolf es so nötig hatte: „Also gut: Danke, dass du mir meinen jungfräulichen Hintern gerettet hast!“ Upps! Tolle Wortwahl, Stilinski! Das sah Derek offenbar auch so. Erst blickte er verdutzt auf und dann geschah etwas Unfassbares: er lachte! „Gern geschehen!“ Erwiderte er grinsend und dann fügte er hinzu: „Das ist so bei mir! Für Jungfrauen in Nöten habe ich etwas übrig!“ Doppel-Upps! Derek schien mit seiner Wortwahl auch nicht recht zufrieden. Er sah regelrecht panisch aus, stellte Stiles fest. Und dann tat der Ältere etwas, was normalerweise Stiles Spezialität war, wenn ihm mal wieder etwas Peinliches entschlüpft war: er redete einfach weiter drauflos: „Du weißt, was ich meine. Das bedeutet nicht, dass ich etwas für DICH übrig habe. Das war nur so dahingesagt!“ Selbst im knappen Licht im Wagen konnte Stiles sehen, das Derek hochrot anlief. Dann verkündete er knurrend: „Wenn du irgendwem erzählst, dass wir dieses Gespräch geführt haben dann…“ Derek stockte. Dann fuhr er fort: „Dann reiße ich dir die Kehle raus. Mit meinen Zähnen!“ Mittlerweile waren sie vor Scotts Haus angekommen. Stiles brachte den Wagen zum Halten. Dann wandte er sich zu Derek um und antwortete mit einem kleinen Grinsen: „Diese Drohung wird immer schöner, je öfter ich sie höre.“ Er legte den Kopf in Nacken, entblößte seine weiße Gurgel, deutete mit einem Finger darauf und fuhr fort: „Weißt du was? Wenn du es so unbedingt willst, dann tu`s doch. Hol` s dir, großer Junge!“ da war keine Spur von Angst in seiner Stimme. Vielmehr klang es anzüglich. Ungesagt schwang etwas in der Bemerkung mit, das sich anhörte wie `Vielleicht fällt dir ja auch etwas Besseres mit deinen Zähnen an meinem Hals ein`, oder bildete Derek sich das nur ein? Er zog bedrohlich die Augenbrauen zusammen. Dann sprang er mit einem gefährlichen Knurren, aber ohne ein weiteres Wort aus dem Wagen. Stiles blickte ihm nachdenklich und ein wenig verwirrt hinterher, ehe er losfuhr. Derek blieb einen Moment vor Scotts Haus stehen und ließ die letzten Minuten Revue passieren. Hatte dieser hyperaktive, nervtötende, ständig klugscheißende, sechzehnjährige Spinner gerade mit ihm geflirtet? Hatten sie mit dem Auto etwa unbemerkt die Grenze in eine alternative Realität überschritten, in der solch unfassbare Dinge möglich waren. Offenbar hatte er jeden Respekt eingebüßt, den er je besessen hatte, dachte Derek finster. Dann wurde ihm etwas klar: Er hatte angefangen! Diese ganze `Jungfrau in Nöten`-Kiste war schuld am irren Verlauf des Gesprächs. Er hatte Interesse an Stiles Stilinski angedeutet! Kevin Turner war offenbar nicht der einzige Perverse, der in dieser Nacht im Wald unterwegs gewesen war. Fuck! Er musste das bei nächster Gelegenheit unbedingt wieder gerade rücken. Auch wenn er gerade nicht genau wusste, wie? Er würde sich in der nächsten Zeit ganz einfach extra ekelhaft gegenüber Stiles verhalten. Dann lief es schon. Nachdem er sich mittels seiner Werwolfsinne vergewissert hatte, dass Scotts Besuch gegangen war, stieg er gegen Mitternacht in das Schlafzimmerfenster eines anderen Sechzehnjährigen. Kapitel 2: W wie Wendigo…und Werwolf-Tripper -------------------------------------------- „Und?“ raunte Stiles, als er sich neben Scott auf die Bank vor den Spinden im Umkleideraum plumpsen ließ: „Konntest du Derek nun von seinem Werwolf-Tripper kurieren?“ Er zog eine Schnute. Scott blickte seinen besten Freund verdutzt an: „Werwolf-Tripper?“ flüsterte er: „Naja, diese ´Top-Sekret-Wolfsache`, über die Derek mit uns minderbemittelten Menschen nicht sprechen will.“ Scott sah unbehaglich aus und mied den Augenkontakt mit Stiles, als er fahrig erwiderte: „Ja, ja, das haben wir geklärt!“ Stiles rückte näher an Scott heran und starrte ihm penetrant ins Gesicht: „Was?“ fragte Scott genervt: „Musst du das echt fragen? Erzähl mir, um was es da ging, Alter!“ erwiderte Stiles bohrend. Kopfschütteln! „Echt jetzt Mann? Ich bin dein ältester und bester Freund, quasi dein Bruder und du erzählst es mir nicht?“ Stiles war fassungslos und verkündete eine Spur zu laut: „Ziehst du etwa diesen schlecht gelaunten WERWOLF…“ Scott riss die Augen weit auf, legte sich den Zeigefinger auf den Mund, blickte sich nach den Teammitgliedern links und rechts um und zischte: „Kannst du vielleicht ein bisschen leiser sprechen, wenn es um…“ er buchstabierte flüsternd: „W-E-R-W-Ö-L-F-E geht?“ „Pfft!“ machte Stiles und rollte mit den Augen, ehe er wispernd noch einmal ansetzte: „Ziehst du etwa diesen schlecht gelaunten Werwolf MIR vor. Du kannst Derek doch nicht einmal richtig gut leiden. Das ist echt schwach, Alter!“ Scott setzte seinen patentiert-herzerweichenden Welpenblick auf, als er zurückgab: „Wenn es hier um mich ginge, würde ich es dir sofort verraten, egal was es wäre, das schwöre ich! Jedes noch so schmutzige, peinliche oder unaussprechliche Werwolfgeheimnis dürftest du wissen. Aber hier geht`s um Derek Hale, der einen schon mit gezieltem Augenbraueneinsatz zum Schlottern bringt. Wenn der irgendwie rauskriegt, dass ich mit dir über die Sache gesprochen habe, zerreißt er mich in der Luft. Und in seinem Fall meine ich das wörtlich: Zähne, Klauen und oh Mann! Bizeps!!“ „Nicht cool!“ maulte Stiles, doch er insistierte nicht weiter. In Wirklichkeit hatte er sich schon einen Plan zurechtgelegt. Er würde jeden verdammten ledergebundenen Wälzer, der auch nur entfernt etwas mit dem Thema Lykanthropie zu tun hatte durchblättern und wenn er die Sache auf die fünf peinlichsten Werwolfmysterien eingegrenzt hatte, würde er Scott die Wahrheit in einer Partie ´20 Fragen` entlocken. Darin war er unschlagbar! Zwei Tage später am Abend saßen Derek, Lydia und Scott bei Stiles im Zimmer und diskutierten: „Ich verstehe nicht, wieso dieser Wendigo unser Problem ist! Ich hab echt Wichtigeres zu tun, als mir die Nacht mit einer kleinen Monsterjagd um die Ohren zu schlagen!“ knurrte Derek: „Ist das dein Ernst?“ fragte Lydia und Scott empörte sich: „Alter! Das Ding tötet Menschen und frisst sie auf!“ Stiles dachte kurz darüber nach, in den Chor der Entrüstung einzustimmen, aber weil er ahnte, das halbverputzte Schlachthofmitarbeiter keine große Priorität für Derek `Grummelwolf` Hale hatten, griff er stattdessen lieber auf altbewährten Sarkasmus zurück: „Hör mal Genosse: Wenn eins von euch Viechern loszieht und Menschen anknabbert, fällt das doch auf die ganze Community zurück. Das wirft das `Monsters-Liberation-Movement´ um Jahre zurück, Alter!“ verkündete er in perfekter Imitation eines wohlmeinenden, wichtigtuerischen, politischen Aktivisten aus den guten alten Siebzigern, als die Bewegung noch Mut hatte, fand er selbst und machte mit den Fingern das `Peace´-Zeichen. Dann blickte er in die Gesichter der drei Anderen, die ihn mit offenem Mund anstarrten. Ach zum Teufel! Sein Humor war einfach zu erhaben für die, die einfach im Geiste waren. Derek löste seinen Blick kopfschüttelnd von Stiles und wandte sich an Scott: „Also gut, machen wir`s und drehen diesem Wendigo den Hals um. Aber kannst du mir mal verraten, warum wir Menschen mitnehmen sollten, Scott? Die sind doch zu rein gar nichts gut, wenn`s zum Kampf kommt!“ Ehe Scott irgendetwas erwidern konnte, verschränkte Stiles energisch die Arme vor der Brust und empörte sich: „Ach wirklich, Kumpel! Schon wieder dieses menschenfeindliche Gequatsche? Das ist Rassismus vom Feinsten, ist dir das eigentlich klar?“ Derek holte Luft für eine Erwiderung, doch Stiles sprach einfach weiter: „Aber damit das Eine ein für alle Mal klar ist: Ich bin der, der die Recherchen macht und die Pläne schmiedet. Ohne mich hättet ihr doch nicht mal eine Ahnung, dass das Biest sich im Schlachthof versteckt hält, weil es scheinbar auch gerne Mal eine Schweinehälfte vernascht, wenn gerade Mal kein Menschenfleisch zur Hand ist. Ich bin hier das Hirn und du bloß die tumbe Muskelmasse. Du brauchst mich, kapiert?“ Die erdbeerblonde Lydia kicherte amüsiert. Scott riss die Augen so weit auf, dass beinahe zu befürchten stand, dass sie ihm im nächsten Augenblick aus dem Kopf kullerten. Er hatte Angst, dass ihm nun die unmögliche Aufgabe bevorstand, dass Massaker an seinem besten Freund durch einen Werwolf zu verhindern, der grösser, älter, stärker und überdies auch noch `reinrassig´ war. Er schluckte! Es war sehr ruhig im Zimmer. Alle Augen ruhten auf Derek. Sie fragten sich, wie der Werwolf wohl auf Stiles Frechheiten reagieren würde. Dereks kräftige Brauen berührten beinahe seine Augäpfel, die Kiefer mahlten und sein Mund war zu einem Strich zusammengezogen. Er beugte sich so weit zu Stiles herüber, dass ihre Nasen sich beinahe berührten, als er mit einem kaum mehr menschlich klingenden Grollen hervorbrachte: „Eines Tages werde ich dir das Herz aus der Brust reißen und es von da an als Halskette tragen, Großmaul!“ Stiles wurde blass und wich ein klein wenig zurück, aber natürlich ließ auch das seine große Klappe nicht verstummen: „Pfefferminz?“ fragte er den Werwolf, der ihm direkt ins Gesicht atmete und den Mindestwohlfühlabstand zwischen ihnen beiden damit immer noch deutlich unterschritt. Und damit nicht genug, plapperte Stiles einfach weiter: „Wirklich? Mein Herz? Das ist echt süß, Kumpel! Und irgendwie romantisch!“ Derek ließ ein donnerndes Knurren vernehmen: „Oh, halt die Klappe Stiles!“ forderte Scott ängstlich. Lydia seufzte entnervt und erhob sich: „Genug jetzt Jungs!“ befahl sie und schob sich zwischen Derek und Stiles: „Wenn ihr so weiter macht bekomme ich eine Testosteronvergiftung und mir wächst ein Bart. Einigen wir uns doch darauf, dass ihr BEIDE ganze Kerle seid. Und was gibt es Besseres um das unter Beweis zu stellen, als da rauszugehen und einen Wendigo zu töten, um sich seinen Kopf als gruselige Trophäe an die Wand hängen zu können.“ Mit diesen Worten griff sie die beiden Kontrahenten am Ärmel wie kleine Jungs und zog sie hinter sich her aus dem Zimmer. Später in seinem Jeep fragte Stiles sich, wie es nun eigentlich dazu gekommen war, dass er und Derek eines der Jagdteams bildeten und Lydia und Scott das andere? Ach ja, richtig: Es sollten jeweils ein Mensch und ein Werwolf sein; aus Sicherheitsgründen und Lydia hatte mehr als deutlich gemacht, dass sie auf Dereks Gesellschaft keinen Wert legte. Überdies fand sie: „So könnt ihr die merkwürdige Spannung auflösen, die zwischen euch beiden herrscht. Seht es als eine Teambildungsmaßnahme an!“ und war mit diesen Worten mit Scott in ihren Wagen gestiegen und losgebraust. Großartige Idee, Lydia! Glückwunsch! Der Werwolf neben ihm starrte geradewegs auf die Straße und sagte kein Wort. Stiles hingegen linste hin und wieder unauffällig zu ihm hinüber: Verbissener Kiefer und versteinerte Züge. Stiles fragte sich, ob es wohl auch einen Einfluss auf das Werwolfgebiss hatte, wenn Derek vor lauter Ärger seine menschlichen Zähne bis auf das Zahnfleisch heruntergemahlen hatte. Er musste grinsen. Scott hatte wahrscheinlich recht, wenn er ihm immer wieder vorwarf: „Alter! Du hast wirklich zu viele Gedanken!“ Und plötzlich spürte Stiles etwas an seinen Eingeweiden nagen. Zunächst weigerte er sich, der Ursache auf den Grund zu gehen, doch am Ende stieg es dennoch aus seinem Unterbewusstsein empor: Derek als `tumbe Muskelmasse´ zu bezeichnen ging wohl doch ein wenig zu weit, oder? Eigentlich wusste er selbst nicht genau, warum er den Älteren andauernd provozieren musste. Heimlich gefiel es ihm, wenn Derek angepisst war. Und es gefiel ihm, seine einzige Waffe an ihm zu schärfen: seine Schlagfertigkeit! Sicher, Derek musste nicht einmal vom Sofa aufstehen, um ihm die Lampe auszuknipsen. Und vermutlich erforderte es selbst dann nicht viel mehr, als den beiläufigen Gebrauch der linken Hand, damit Stiles für immer schwieg. Aber auch wenn Derek alles andere als dumm war, verbal war er Stiles keineswegs gewachsen. Und plötzlich fühlte er sich kleinlich, weil er es so sehr nötig hatte, das immer wieder heraushängen zu lassen: „Sorry!“ murmelte Stiles. Derek wandte ihm überrascht den Kopf zu. Dann nickte er sein typisches, einfaches, zackiges Nicken und richtete den Blick wieder auf die Straße. Als Stiles das nächste Mal zu ihm hinübersah, waren Dereks Gesichtszüge wieder viel weicher. Als hätte er bloß auf die Entschuldigung gewartet. Stiles lächelte leise. Wer hätte gedacht, dass der große, böse Wolf so empfindlich war. Und das er überhaupt auf das hörte, was Stiles so von sich gab. Im Schlachthaus teilten sich die Teams auf. Und natürlich war es Stiles, der den Wendigo als erstes sah. Obwohl… eigentlich war es umgekehrt. Das Biest war riesig und starrte den Jungen aus seinen milchig-trüben Augen hungrig an. In seinem Maul standen die rasierklingenartigen Zähne kreuz und quer und von den Lefzen troff zähflüssig der Geifer. Derek war überbeschützerisch voran getrottet, doch leider hatte ihnen der Wendigo nicht den Gefallen getan, sich wie eine wohlerzogene Höllenkreatur von vorn anzuschleichen. Nun war er Stiles bereits bis auf etwa vier Meter Distanz auf die Pelle gerückt, als dieser sich endlich umwandte und ihn entdeckte. Stiles hätte schwören können, dass das Vieh sich bei seinem Anblick die Lippen leckte: „Ähm!“ machte Stiles und räusperte sich: „Mr. Bodyguard? Guck doch mal da!“ Derek fuhr blitzschnell herum und Stiles konnte mit dem menschlichen Blick gar nicht so schnell folgen, wie der Werwolf brauchte, um sich zu verwandeln und sich zwischen ihn und das Ungeheuer zu bringen: „Lauf weg!“ knurrte er ihm noch zu, ehe er sich in den Kampf stürzte. Doch Stiles wäre nicht er selbst, wenn er tatsächlich einmal machte, was ihm gesagt wurde. Er hielt sich in der Nähe und blickte sich nach einer Waffe um. (Ein Fleischerhaken und ein Beil- gar nicht mal so schlecht!) Er rief Dereks Namen und warf ihm das Beil zu, als dieser sich kurz umblickte. Er selbst behielt den Haken. Man wusste ja nie! Der Wendigo war stark, Derek im Kampf mindestens ebenbürtig und es war wirklich eine gute Sache, dass Derek nun eine Waffe hatte. `Da hatten sie es wieder einmal´, dachte Stiles nicht ohne eine gehörige Portion Selbstzufriedenheit: `Muskelmasse stürzte sich in den Kampf, ohne groß nachzudenken, Brainiac hingegen hatte einen Plan´. Da hörte der Junge hinter sich plötzlich ein Knurren. Er brauchte sich eigentlich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass sich in seinem Rücken ein zweiter Wendigo befand. Er tat es trotzdem und gab vor Schreck ein ziemlich unmännliches Quicken von sich, als er das Biest erblickte, bei dem es sich offenbar um den angepissten großen Bruder des ersten handeln musste. Tapfer hielt Stiles den Fleischerhaken vor seinen Körper, bereit, sein leckeres Menschenfleisch bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, doch glücklicherweise hatte Derek die neue Entwicklung in seinem Rücken mitbekommen. Es war ihm gelungen, seinen eigenen Gegner mit einem Tritt vor den Kopf für einen Moment außer Gefecht zu setzen. Nun stürzte er sich auf die größere Bestie und versenkte das Beil in dessen Brust, wo es stecken blieb und Derek unbewaffnet zurückließ. Es war schnell absehbar, dass die Schneide in der Brust das Monster nicht lange aufhalten würde. Also schnappte sich Derek Stiles Arm, schleifte ihn hinter sich her, öffnete die erste Tür, die sich ihm bot, stieß den Jungen hindurch, folgte ihm sogleich und verschloss die Tür hektisch. Stiles blickte sich um und stellte fest, dass sie sich in einem Kühlraum befanden. Erstarrte Rinderhälften hingen von der Decke und das Thermometer an einer Wand verkündete zehn Grad minus. Lange würde er es hier drinnen nicht aushalten in seiner Jeans und seinem Sweatshirt, dachte der Junge verdrießlich und schlang die Arme eng um sich. Vor der schweren Stahltür des Kühlraums tobten die beiden Wendigos, um sich Einlass zu verschaffen. Derek war sich nicht sicher, wie clever diese Biester waren und ob sie Türgriffe benutzen konnten, aber sicherheitshalber schnappte er sich lieber den Riegel, der dazu gedacht war, die Tür von innen zu verschließen. Er drehte ihn herum, noch ein bisschen weiter, vernahm das Einrastgeräusch, welches ihm verriet, dass die Tür nun verschlossen war und hatte im nächsten Moment den abgebrochenen Riegel in der Hand. Verdammt! Die Tür war zu, aber raus kämen sie nun auch nicht mehr! „Ich schätze, wir haben ein Problem!“ verkündete Derek und hielt den Riegel hoch, damit Stiles ihn sehen konnte: „Reife L-l-leistung, M-m-m-muskelmann!“ brachte Stiles zähneklappernd hervor. Derek wollte gerade zu einer heftigen Erwiderung ansetzen, als er die Panik im Gesicht des bereits jetzt schon ziemlich verfroren wirkenden Jungen sah. Stiles würde hier ziemlich bald schlapp machen, wurde ihm klar. Der Jüngere fischte mit klammen Fingern sein Handy aus seiner Hosentasche, nur um resigniert festzustellen: „War klar! Kein Netz!“ Eindeutig distanzlos und ohne auch nur zu fragen trat Stiles von hinten an Derek heran und schnappte sich dessen Handy, welches aus seiner Gesäßtasche herauslugte. Derek rauschte angriffslustig herum, doch Stiles beachtete ihn gar nicht, blickte auf das Display und bemerkte: „Bei deinem ist es auch nicht besser!“ Er reichte Derek sein Telefon, welches dieser zähneknirschend entgegen nahm. Vor der Tür hatten die Wendigos es mittlerweile aufgegeben zu versuchen hereinzukommen und waren wahrscheinlich bereits dabei, sich leichtere Beute zu suchen. Hoffentlich nicht Scott und Lydia, dachte Stiles einen verzweifelten Moment lang. Um sich davon und von der Kälte abzulenken fragte Stiles: „Sind Wendigos nicht so etwas ähnliches wie Werwölfe. Irgendwie kommt ihr Brüder mir neben diesen Monstern nämlich vergleichsweise zivilisiert vor!“ Derek starrte ihn durch Augenschlitze hindurch an: „Die einzige Gemeinsamkeit zwischen diesen Viechern und uns Wölfen ist, dass wir beide menschlichen Ursprungs sind!“ gab er murrend zurück: „Und wenn nun ein Werwolf nun von einem Wendigo gebissen wird, verwandelt er sich dann auch in einen? Oder wird er ein Mischwesen zwischen diesen beiden?“ Derek schüttelte genervt den Kopf: „Nichts von beidem. So funktioniert das nicht! Der Legende nach wird ein Mensch dadurch zu einem Wendigo, dass er Menschenfleisch ist.“ Stiles sah ihn zweifelnd an und erwiderte: „Glaub` ich nicht. Das verwandelt einen Menschen möglicherweise in Hannibal Lecter. Aber um zu so einem pelzigen Beißer zu werden, braucht es mit Sicherheit etwas mehr.“ Derek stöhnte: „Woher soll ich diesen ganzen Mist wissen? Dieses Gespräch ist nun beendet!“ schimpfte er. Er wandte Stiles den Rücken zu und machte sich nun daran zu versuchen, mit Wolfskräften gewaltsam die Tür einzutreten oder aus den Angeln zu reißen. `Sicher doch Kumpel! Das sind etwa zehn Zentimeter massiver Stahl, aber du machst das schon!´ dachte Stiles verbittert, als er ihm bei seinem aussichtslosen Unterfangen zusah. Er fror mittlerweile ganz erbärmlich und zog sich sein Sweatshirt so weit wie irgend möglich über den Po, ehe er sich auf dem Boden niederließ, zog die Knie ans Kinn, die Füße nah ans Gesäß, schlang die Arme um die Beine und legte den Kopf ab. Zeit Bilanz zu ziehen, dachte Stiles grimmig. Er würde hier drinnen sterben und das letzte, was er sah, war der Rücken des Werwolfs, der ihn hasste. Plötzlich fühlte er sich ausgesprochen selbstmitleidig. Warum hatte er nicht darauf bestanden, mit seinem Freund Scott zu gehen. Wenn er schon erfrieren musste, dann lieber in den Armen seines besten Freundes. Und er wusste, Scott würde ihn bis zur letzten Sekunde festhalten. Und darüber hinaus! Derek hingegen war es höchstwahrscheinlich scheißegal, ob er lebte oder starb. Und am Schlimmsten war: er würde abtreten, ohne auch nur ein einziges Mal Sex gehabt zu haben! „Ich wünschte, der Wendigo hätte mich gefressen!“ murmelte er schmollend: „Dann hätte ich wenigstens einen Zweck erfüllt. Ich wäre eine Mahlzeit gewesen. Aber erfrieren? Das nervt echt!“ Derek hielt in seiner Aktivität inne und blickte nachdenklich auf Stiles hinab, der sich offenbar in der Zwischenzeit in ein Gürteltier verwandelt hatte- zusammengerollt zu einem Ball am Boden! „Du erfrierst nicht!“ behauptete Derek steif und fest, auch wenn er sich seiner Sache gar nicht so sicher war. Der Junge sah übel aus, doch am meisten besorgte ihn, dass er das Zittern eingestellt hatte. Er war also schon bei Phase zwei der Unterkühlung angelangt. Und Phase DREI, dass erinnerte er noch, bedeutete den Tod. Er zog sich seine Lederjacke aus und legte sie um Stiles: „Nö!“ Murmelte dieser: „Du und deine Wolfsphysiologie habt ja vielleicht eine Chance, das hier zu überleben. Aber nicht, wenn du deine Kleidung an einen sterbenden Mann verschwendest!“ „Du unterschätzt mich und meine Physiologie!“ erwiderte Derek sanft und zog die Jacke fest um den Anderen. Er rief sich in Erinnerung, was er über Hypothermie bei Menschen wusste. Kein Zittern. Das bedeutete, seine Kerntemperatur war bereits auf fünfunddreißig bis zweiunddreißig Grad gefallen. Ihm fiel auch wieder ein, was er als Junge in seinem Pfadfinderhandbuch als wirksame Gegenmaßnahme gelesen hatte. Aber halt mal! Soweit waren sie nun wirklich noch nicht! Immerhin bedeutete es jede Menge nackter Haut! Auf seiner nackten Haut! Nein, auf keinen Fall! Das kam gar nicht in Frage! Jedenfalls nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ! Es musste doch eine andere Möglichkeit geben? Derek blickte sich in dem Kühlraum nach etwas brennbarem um, um ein kleines Feuerchen zu machen, doch da war nichts! Dann drosch er wieder einige Male vergeblich auf die Tür ein. Er blickte sich nach Stiles um, der mittlerweile kaum noch bei Bewusstsein zu sein schien. Er riss den Jungen auf die Füße und befahl: „Du musst wachbleiben, kapiert?“ Dann unterstützte er Stiles dabei, im Kühlraum auf und ab zu gehen. Und gerade, als Derek ernsthaft über verzweifelte Maßnahmen in verzweifelten Situationen nachzudenken begann, nahm sein übernatürliches Werwolfsgehör etwas wahr. Stiles schien es nicht zu hören: „Halt noch einen Moment durch! Hilfe ist unterwegs! Du musst allein weiterlaufen. Bleib in Bewegung, O.K?“ forderte Derek. Der Junge nickte schwach. Dann überließ er Stiles für einen Moment sich selbst und kehrte zur Tür zurück, um klopfend und rufend auf sich aufmerksam zu machen. Und dann ging es plötzlich ganz schnell: Scott zog von außen an der Tür, während Derek sich von innen dagegen stemmte und schließlich öffnete sie sich mit einem Ruck, der Scott beinahe umgerissen hätte. Derek schnappte sich Stiles und brachte ihn ins Warme. Als Scott seinen Freund erblickte, bleich wie eine Wasserleiche mit blauen Lippen und dunkelgrauen Schatten rings um die Augen boxte er Derek, plötzlich gar nicht mehr bange vor dem Älteren, heftig vor die Brust: „Wie hast du das zulassen können? Du hättest ihn mit deinem Körper warmhalten können. Er hätte sterben können, du dämlicher Idiot!“ Derek erwiderte nichts, senkte geknickt den Kopf und deutete auf die Lederjacke, die noch immer um Stiles Schultern hing. Scott knurrte: „Du hast ihm deine Jacke geliehen. Ist ja großartig! Was erwartest du jetzt? Einen Orden? Trottel!“ Trotz seines vernebelten Geisteszustands staunte Stiles nicht schlecht über den Mut, den sein lieber Freund Scott Derek gegenüber da an den Tag legte. Das musste wohl Liebe sein, dachte er und ihm gelang sogar ein winziges Grinsen. Dann fiel sein Blick auf den zerknirschten Derek, der trotz seiner Größe und Statur plötzlich ganz winzig wirkte: „Lass` es gut sein, Scotty!“ murmelte er: „Derek hat getan, was er konnte. Er hat es gut gemacht!“ Scott blickte seinen Freund an, als habe er den Verstand verloren. Derek hingegen atmete unmerklich ein wenig auf und Lydia kommentierte trocken: „Hast du gehört? Stiles hat etwas Freundliches über dich zu sagen gehabt. Ich würde behaupten, entweder hat die Teambildungsmaßnahme Wirkung gezeitigt oder es ist der Erfrierungsschwachsinn, von dem man immer hört. Und nun lasst das Streiten bleiben und seht zu, dass unser Amundsen hier versorgt wird“ „Häh!“ machte Scott dümmlich. Lydia verdrehte entnervt die Augen: „Der Polarforscher du Trottel! Bist du in der Schule eigentlich jemals wach?“ Scott zuckte mit den Schultern. Dann fragte er Derek: „Und was ist mit dem Wendigo?“ „Die Wendigos: Plural!“ antwortete Derek: „Es waren zwei und sie sind abgehauen. Wir müssen uns ein anderes Mal um sie kümmern.“ Zurück bei den Autos verkündete Lydia: „Ich fahre allein nachhause! Ihr zwei kümmert euch gut um den sterbenden Mann hier.“ Sie drückte Stiles einen zarten Kuss in den Mundwinkel, den dieser unter anderen Umständen sicherlich sehr zu schätzen gewusst hätte, von dem er in seinem Zustand allerdings kaum etwas mitbekam. Dann stieg sie in ihren kleinen Flitzer und war verschwunden. „Was nun?“ fragte Derek: „Krankenhaus!“ bellte Scott, doch da kehrte plötzlich das Leben in Stiles zurück: „Auf keinen Fall ins Krankenhaus! Wenn mein Vater nur eine Idee davon erhält, was sich heute Nacht abgespielt hat, sehe ich kein Sonnenlicht mehr, ehe ich vierzig bin, weil ich bis dahin Hausarrest haben werde!“ „Vielleicht nicht die schlechteste Idee!“ murmelte Derek und ließ damit plötzlich und wenig überzeugend den verantwortungsvollen Erwachsenen heraushängen: „Halt die Klappe!“ sagten Stiles und Scott wie aus einem Munde und Scott fragte ihn: „Lust, dich heute Nacht wenigstens ein einziges Mal nützlich zu machen und mir zu helfen, Stiles nachhause zu bringen?“ Derek, immer noch weichgespült von seinen Schuldgefühlen, nahm die Spitze unkommentiert hin und nickte: „Fein! Du fährst!“ befahl Scott und verfrachtete Stiles nach hinten in den Jeep, hockte sich neben ihn und tat nun das, was seiner Ansicht nach Derek längst hätte tun sollen- er zog Stiles eng an sich, schlang sich regelrecht um ihn, wie eine Würgeschlange und teilte seine Körperwärme, die den Werwölfen eigen war großzügig mit seinem Freund. Im Haus der Stilinskis schafften die beiden Werwölfe Stiles nach oben in sein Zimmer, wo Scott erst Stiles und dann sich selbst oben herum auszog: „Ey, Alter! Uncool!“ nuschelte Stiles verwirrt, doch Scott ignorierte ihn und manövrierte sie beide in sein Bett. Derek betrachtete das Schauspiel stirnrunzelnd, bis Scott ihn anfuhr: „Was gibt es denn da zu gucken? Wenn du dich nützlich machen willst, schau lieber in der Küche nach, ob du irgendetwas Warmes zu trinken für Stiles finden kannst. Eine Instantsuppe wäre gut. Oder noch besser: gesüßter Tee!“ Derek nickte und verschwand. Stiles fragte Scott benommen: „Was machen wir hier eigentlich?“ „Wir erhöhen deine Körpertemperatur wieder, damit du am Leben bleibst, Trottel.“ Erwiderte Scott sanft: „Sicher, dass du mir nicht bloß an die Wäsche willst?“ fragte Stiles mit dem kläglichen Versuch eines Grinsens: Scott lachte. Es war großartig, wenn Scott lachte, denn dann wusste Stiles immer ganz genau, dass alles wieder gut werden würde: „Mach dir keine Hoffnungen, Kumpel!“ „Hmm! Ich werde wohl wirklich als Jungfrau sterben!“ murmelte Stiles. Scott nickte grinsend mit dem Kopf: „Vermutlich!“ In diesem Moment steckte Derek wieder den Kopf durch die Tür. Er schob ein Tablett vor sich her, auf dem sich sowohl eine Plastikschale mit einer Instantsuppe, als auch eine Teekanne, ein Becher und ein Gefäß mit Honig befanden. Er nahm auf der Bettkante Platz und begann, Stiles die heißen Flüssigkeiten einzuflößen. Scott rückte unterdessen kein Stück von seinem besten Freund ab, was die Fütterungsaktion nicht eben erleichterte. Als er fertig war, erhob sich Derek vom Bett und fragte Scott: „Braucht ihr mich noch für irgendetwas, oder bin ich dann hier fertig?“ „Wenn du meinst, du hast schon alles getan, um deine Schuld wieder gutzumachen, nachdem du beinahe meinen Kumpel getötet hättest, dann verschwinde doch einfach!“ erwiderte Scott giftig. Derek öffnete das Fenster und war schon halb hindurchgeschlüpft- warum er nicht einfach die Haustür benutzte, wie normale Leute wusste keiner so genau; Gewohnheit vermutlich- als er sich noch einmal nach den beiden Jungen umdrehte, die eng aneinandergeklammert auf dem Bett lagen, als hätten sie auf der Welt bloß einander: „Ach zum Teufel!“ grummelte er, schloss das Fenster wieder, zog sich seinen Pullover über den Kopf, streifte die Schuhe von den Füßen und befahl: „Rutscht mal, ihr zwei!“ Und ohne abzuwarten, dass die beiden seiner Anordnung folge leisteten, schob er sich mit in das enge Einzelbett, wodurch Scott auf der anderen Seite beinahe herausgefallen wäre. Schließlich knurrte Derek: „Wenn jemals irgendwer hiervon erfährt, dann…!“ Er wurde von Stiles unterbrochen, der murmelte: „Ist schon klar Wolverine: Deine Zähne, meine Kehle, Verstümmelung und Tod. Ich liebe deine alten Hits und kann sie schon mitsingen.“ Dann tat Stiles etwas, dass sich nur mit Erfrierungsschwachsinn erklären ließ: Er griff nach Dereks Hand und zog dessen Arm eng um sich. Und Derek ließ es zu. Mehr noch: mit einem Mal fühlte sich der Grummelwolf wieder wie ein Welpe, umgeben von einem liebevollen Rudel. Alles war gut und niemand, wirklich niemand war grausam in einem Feuer umgekommen und hatte ihn so ziemlich allein auf der Welt zurückgelassen. Er atmete tief durch und fühlte sich friedlich. Eingeklemmt zwischen mindestens hundertfünfzig Kilo warmem Werwolfkörper fühlte Stiles sich so sicher und geborgen, wie seit einer Ewigkeit nicht mehr und er hatte auch wirklich keinerlei schmutzige Gedanken währenddessen- ehrlich nicht! Dafür waren die folgenden Wochen umso verwirrender: Spätestens, wenn er sich abends allein ins Bett legte, erinnerte er sich daran, was sich in jener Nacht hier abgespielt hatte. Und er hatte größte Mühe, seine Fantasie daran zu hindern, nicht mit ihm durchzugehen. Nicht immer gelang ihm das auch! Kapitel 3: Wendigo- die Zweite! ------------------------------- Als Stiles am folgenden Morgen die Augen öffnete, schien warmes Sonnenlicht in sein Fenster und er lag allein im Bett. Abrupt riss er den Kopf hoch, für einen Moment lang panisch und blickte sich im Zimmer um. Auf seinem Schreibtischstuhl saß Scott und schaute ihn mit schiefgelegtem Kopf an. Von Derek keine Spur: „Wie geht`s dir?“ erkundigte sich sein bester Freund. Stiles rubbelte sich mit seinen Händen über das Gesicht und durch die kurzgeschorenen Haare, um richtig wach zu werden, ehe er antwortete: „Erstaunlich gut! Ich bin zwar froh, dass heute keine Schule ist und ich mich noch ein bisschen ausruhen kann, aber mein kleiner Ausflug zum Polarkreis scheint wohl keine bösen Folgen zu haben. Ich wette das liegt an Derek und dir…“ er errötete ein wenig: „… also daran, was ihr für mich getan habt!“ „Gern geschehen!“ murmelte Scott, ebenfalls ein wenig verlegen: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass Derek dabei mitgemacht hat.“ Stiles versuchte sich zu erinnern, was genau gestern Abend passiert war. Plötzlich riss er die Augen auf und fragte: „Habe ich hier wirklich mit diesem Miesepeter in der Löffelchenstellung geschlafen, oder war das nur ein verwirrender Fiebertraum, über den ich mal mit der Schulpsychologin sprechen sollte?“ Scott lachte auf: „Nö, das ist wirklich passiert!“ Stiles grinste: „Und wohin ist der Prinz der Finsternis verschwunden. Ich fühle mich nämlich wie `ne schnelle Nummer, wenn einer nicht mal bis zum Aufwachen dableiben kann!“ Scott lachte und erklärte dann: „Dein Vater ist vor einer halben Stunde nachhause gekommen. Derek ist aus dem Fenster gehechtet, als würde er in Flammen stehen. Schätze, er hatte Angst, vom Sheriff der Unzucht mit zwei Minderjährigen bezichtigt zu werden, einer davon sein Sohn und Augapfel und dann in den Bau einzufahren. Ich bin ihm gefolgt und habe dann einfach hier geklingelt, als sei ich bloß früh wach geworden. Meine Anwesenheit in deinem Schlafzimmer ist also legitimiert!“ Stiles setzte sich auf und realisierte, dass er immer noch oben ohne war. Er angelte nach einem T-Shirt, zog es sich über den Kopf und fragte: „Was habt ihr beide eigentlich für einen Werwolf-Voodoo mit mir gemacht. War es das mit den schwarzen Venen, wo irgendetwas aus einem herausgesaugt wird? Denn wie gesagt: Ich fühle mich ziemlich gut heute Morgen!“ Scott schüttelte den Kopf: „Nö! Diese Venen-Sache funktioniert nur bei Schmerzen. Wir haben dich einfach nur aufgewärmt! Mehr war scheinbar nicht nötig.“ „Hmm, Werwolf-Beheizung: Umweltfreundlich und verdammt effektiv! Vielleicht die Lösung der globalen Energiekrise?“ „Spinner!“ Scott kicherte. Doch dann wirkte er plötzlich sehr ernst: „Ich bin so froh, dass es dir gut geht, Mann! Du hast mir echt richtig Angst gemacht!“ „Sorry! Das wollte ich nicht.“ Erklärte Stiles, zur Abwechslung einmal vollkommen ernsthaft und fügte noch hinzu: „Echt jetzt! Danke für meine Rettung!“ „Jederzeit!“ erwiderte sein bester Freund und Stiles wusste, ein wahreres Wort war nie gesprochen worden. Und ehe es hier noch peinlich wurde, sprang Stiles auf und verkündete: „Ich habe einen Riesenhunger! Ich könnte einen ganzen Wendigo frühstücken! Lass` uns nachsehen, was im Kühlschrank ist!“ Nach dem Frühstück verschwand Scott zunächst, doch gegen zwei Uhr nachmittags kam eine SMS von ihm: „Treffen um halbsechs in Dereks Haus. Wendigo Jagd: Die Zweite! Bist du dazu fit genug dafür?“ Stiles schrieb zurück: „Aber Hallo! Lachender Smiley!“ Die Sonne stand bereits tief und schien golden durch die Bäume, als Stiles etwas verfrüht am abgebrannten Hale-Anwesen eintraf. Vor dem Feuer musste es hier einmal sehr schön gewesen sein, dachte er und stellte sich einen kleinen Gemüsegarten hinter dem Haus vor, eine Schaukel im Vorgarten und Kinderlachen; einen Ort, der von Leben erfüllt war. Doch davon war hier und heute nichts mehr zu spüren. Kurz dachte Stiles darüber nach, auf der Veranda Platz zu nehmen und dort auf das Eintreffen der Anderen zu warten. Irgendwie fühlte er sich ein wenig unbehaglich dabei, Derek allein gegenüberzustehen, obwohl er nicht recht erklären konnte, wieso. Dann schüttelte er über sich selbst den Kopf und klopfte energisch an der abgeblätterten roten Haustür. Es dauerte einen kleinen Moment, ehe ihm geöffnet wurde. Statt etwas zu sagen nickte Derek nur und trat ein wenig beiseite, um Stiles eintreten zu lassen. Der Junge grinste und dachte bei sich `Typisch Hale! Warum irgendein überflüssiges Wort verlieren und wenn es nur ein `Hallo´ war´. Aber dann fand Derek doch noch seine Stimme wieder: „Bist du O.K?“ Stiles nickte. Dann fiel ihm ein, dass es vielleicht auch noch etwas sagen gäbe: „Danke für…du weißt schon!“ Als Antwort erhielt er wieder nur ein knappes Nicken! Stiles hätte beinahe zu lachen angefangen. Er schaute sich im Haus um und wurde dabei misstrauisch von Derek beobachtet. Alles wirkte baufällig, staubig, unbehaglich und im Grunde genommen der Vergangenheit angehörig: „Echt Mann? Hier lebst du?“ fragte Stiles über seine Schulter hinweg, ohne Derek anzuschauen: „Hast du überhaupt Strom? Fließend Wasser? Wo duschst du? Oder gehst aufs Klo? Und sag` mir nicht, dass du draußen im Wald deine Häufchen machst und sie dann mit den Hinterpfoten zubuddelst. Das wäre eklig!“ Stiles schüttelte sich und plapperte dann weiter: „Du hast Geld genug! Such` dir doch ´ne nette kleine Stadtwohnung! Irgendwas Hübsches, Oberirdisches, Unzerstörtes, in Zentrumsnähe, mit…Möbeln und so! “ Als Stiles realisierte, dass Derek überhaupt nicht antwortete, drehte er sich um und da stand der Werwolf und sah aus, als habe Stiles ihm ins Gesicht geschlagen. Nein eigentlich sah er eher aus, als hätte ein Bus ihn erwischt: Bleich, der Blick glasig und starr zu Boden gerichtet. Und da wurde es dem Jungen klar: Dieses Haus, auch wenn es nur noch eine Ruine war; es war das letzte bisschen zuhause, dass der Ältere hatte. Stiles schluckte: „Tut mir leid! Ich habe nicht nachgedacht!“ gab er kleinlaut zu, trat einen Schritt auf Derek zu, streckte die Hand nach dessen Arm aus, berührte ihn zart mit den Fingerspitzen und überlegte es sich dann doch anders. Er ließ den Arm sinken und blieb schweigend vor Derek stehen, der immer noch unbeweglich dastand und den Boden anstarrte, als gäbe es dort, abgesehen vom Staub von Jahren irgendetwas zu sehen. Sie verharrten mindestens eine Minute auf diese Weise voreinander, ehe Stiles plötzlich unvermittelt sagte: „Manchmal laufe ich durch die Straßen; dann kommt irgendeine Frau an mir vorbei und die trägt dasselbe Parfum wie meine Mom und mit einem Mal ist es wieder genauso, wie an dem Tag, an dem sie gestorben ist. So als wäre die Wunde ganz frisch, verstehst du?“ Dumme Frage! Sicher tat er das! Und zur Bestätigung nickte Derek ein weiteres Mal. Offenbar war heute der Tag der nonverbalen Kommunikation für den Werwolf. Stiles ließ es durchgehen. Dann klopfte es plötzlich an der Tür. Die Anderen waren da und Derek schaltete von einer Sekunde auf die andere um, so als habe es den intimen Moment von gerade eben gar nicht gegeben. Scott und Lydia traten ein und als Stiles das erdbeerblonde Mädchen entdeckte, machte sein Herz den altbekannten kleinen Hüpfer. Er begrüßte ihn mit so etwas wie Erleichterung darüber, dass er noch da war und irgendetwas veranlasste ihn, über seine Schulter, zurück zu Derek zu blicken. Lydia schaute sich mit krauser Nase in der Ruine, die Derek sein Heim nannte um, ehe sie verkündete: „Nach dem Desaster von letzter Nacht habe ich gedacht, wir könnten ein bisschen Unterstützung gebrauchen. Jackson sitzt draußen und wird uns helfen! Er will nicht reinkommen. Ich schätze, weil du ihm eine Scheißangst einjagst Derek. Derek gab ein kleines Knurren von sich: „Solange er nicht im Weg rumsteht, kann er von mir aus dabei sein.“ Erklärte er huldvoll, als habe irgendwer ihn um Erlaubnis gebeten. Lydia rollte mit den Augen: „Wie auch immer! Erledigen wir diese Viecher. Ich will heute früh ins Bett, denn ich habe morgen in der ersten Stunde einen Geschichtstest.“ Stiles schüttelte innerlich den Kopf. Wann war es eigentlich normal für sie alle geworden, dass Monsterjagden und Schulangelegenheiten im selben Atemzug genannt wurden? Wie war das passiert? Sie verließen das Hale-Anwesen und gingen hinüber zu den Autos, wo Derek den Kofferraum öffnete und Waffen verteilte Zufrieden betrachte Stiles die kleine mittelalterlich anmutende Streitaxt in seiner Hand; leicht genug, um sie gut handhaben zu können, aber so scharf, dass sie vermutlich mit Leichtigkeit durch Stahl gehen würde: „Schneid´ dich nicht, Stilinski!“ frotzelte Lydia und Stiles hätte gern irgendeine schlagfertige Antwort gegeben doch; und das war möglicherweise das erste Mal in seinem Leben, ihm fiel einfach nichts ein. Es lag möglicherweise daran, dass es wohl nicht von der Hand zu weisen war, dass eine potente Waffe in seiner Hand am Ende vielleicht wirklich bloß ihn selbst verletzte. Er war nun einmal kein toller Soldat im Kampf gegen die dunklen Mächte. Schmunzelnd dachte er bei sich: ´Du bist ein Liebhaber und kein Kämpfer, Stilinski!´ und der Gedanke gefiel ihm einen Sekunde lang irgendwie ganz gut, bis eine giftige kleine Stimme in seinem Kopf flüsterte `toller Liebhaber, der bislang noch nicht das kleinste bisschen Action gesehen hat!`. Na super! Sogar seine inneren Stimmen hackten auf ihm herum. Scott stieß ihm den Ellenbogen in die Seite: „Träumst du, Alter? Einsteigen! Losfahren! O.K.?“ Er schob ihn zu Fahrertür seines Jeeps. Im Schlachthof angekommen dauerte es nicht lange, bis die Fantastic Five die beiden Wendigos ausgemacht hatten. Und obwohl Stiles den Plan genauestens erklärt hatte, hielt sich niemand daran, was dann natürlich zwangsläufig in einem heillosen Chaos endete, in dessen Verlauf Derek, ganz der heroische Über-Macker beide Wendigos dazu gebracht hatte ihn zu verfolgen, damit sie von den anderen abließen. Doch dann hatten die Biester ihn schließlich geschnappt und sich genussvoll in ihm verbissen. Auf diese Weise waren sie dann wenigstens abgelenkt und die vier anderen nutzten die Gelegenheit, um die Wenigos mit den mitgebrachten Waffen hinterrücks abzumurksen. Alles in allem konnte wirklich niemand behaupten, dies sei eine Schlacht geprägt von Anmut und Können gewesen. Vielmehr waren sie alle da ungeschickt hineingestolpert und hatten am Ende mehr Glück als Verstand gehabt. Naja, alle außer Derek! Stiles schürzte ein wenig angewidert die Lippen und kommentierte: „Alter! Du siehst ja aus wie hundertsechzig Pfund Hackfleisch!“ „Das wird schon wieder!“ knurrte der Werwolf, doch ihm war anzusehen, dass er ziemlich schwer verletzt war. Und obwohl er keineswegs in der körperlichen Verfassung war, Anweisungen in die Welt hinaus zu bellen, befahl er: „Scott! Du und Jackson und Lydia entsorgt die beiden Kadaver da!“ er deutete mit einem blutüberströmten Arm vage in Richtung der Wendigo-Leichen: „Du Stiles, wirst mich nachhause bringen, damit ich mich ein wenig erholen kann!“ „Sicher Kumpel!“ murmelte Stiles skeptisch. Es war nicht klar, ob es die natürliche Autorität war, die Derek innewohnte oder vielmehr das Mitleid mit ihm, aufgrund seines desolaten Zustands, was schließlich dazu führte, dass die Jugendlichen seinen Anweisungen ohne Widerworte folgten. Nachdem Stiles den zerstörten Körper des Werwolfs so vorsichtig und sanft wie möglich zu seinem Jeep befördert hatte und wahrscheinlich zum dutzendsten Mal in der letzten Zeit über abwaschbare Sitzbezüge nachgedacht hatte, fragte er Derek: „Bist du sicher, dass du nachhause und nicht lieber in ein Krankenhaus möchtest?“ „Ganz sicher!“ knurrte Derek: „Fahr!“ „Wir könnten auch zu Deaton in die Praxis gehen! Als Werwolf bist du bei einem Tierarzt doch gar nicht so verkehrt.“ Erwiderte Stiles in dem Versuch, mit unpassendem Humor die Stimmung aufzulockern!“ „Fahr los, oder ich töte dich, stoße deine Leiche aus dem Wagen und fahre selbst!“ Derek brüllte regelrecht, doch Stiles ließ sich wie üblich davon nicht allzu sehr beeindrucken: „Entspann dich! Ich fahr` ja schon. Soviel Aufregung ist nicht gut für deinen Blutdruck. Schaffst du es wenigstens, dich anzuschnallen?“ Derek gab ein Grollen von sich. Als Stiles sich nach ihm umsah, stellte er fest, dass der Werwolf in keiner Weise taufrisch aussah. Die Blässe und die umschatteten Augen wiesen darauf hin, dass er eine Menge Blut verloren hatte. Stiles beugte sich über ihn, wobei er darauf achtete, ihn nicht zu berühren, angelte nach dem Gurt und legte ihn um Derek. Dieser stöhnte, als die Sicherung sich um seinen verwundeten Körper zuzog: „Tut mir leid, böser Wolf!“ flüsterte Stiles sanft und griff kurz nach dessen linker Hand, die wie durch ein Wunder unverletzt geblieben war: „Safety first!“ Dann startete er endlich den Wagen. Als er mit dem Jeep auf der Lichtung ankam und kurz darauf den Verwundeten zu den Überresten seines Hauses schleppte, fragte sich Stiles, wieso Derek gewollt hatte, dass ausgerechnet er ihn nachhause bringen sollte. Wäre Scott nicht die logischere Alternative gewesen? Er war stärker und ebenfalls ein Wolf. Er hätte ihm seine Schmerzen nehmen können. Andererseits hatte Scott kein Auto. Doch irgendetwas verriet dem Jungen, dass dies nicht der Grund war. Wahrscheinlich ging es eher darum, dass Derek keinen anderen Wolf bei sich haben wollte, der nicht zu seinem Rudel gehörte in einem Moment der allergrößten Schwäche. Und Stiles, mager, menschlich und schwach stellte keine Gefahr dar. So musste es sein! Stiles wäre sicherlich sehr erstaunt gewesen, wenn er eine Ahnung gehabt hätte, dass dies nur die halbe Wahrheit war. Ja richtig: Derek wollte Scott in seinem Zustand nicht in der Nähe haben, weil sein Instinkt ihm riet, sich einem fremden Wolf so nicht derart auszuliefern. Doch hatte er sich keineswegs deswegen für Hilfe an Stiles gewandt, weil er diesen für wehrlos und schwach hielt. Vielmehr war er selbst derjenige, der sich dem Jungen mit dem scharfen Verstand und der großen Klappe gegenüber immer ein wenig unterlegen fühlte und da machte es keinen Unterschied, ob er verletzt, oder im Vollbesitz seiner Kräfte war. Dies war jedoch eine Erkenntnis, die sich lediglich irgendwo am Rande seines Bewusstseins niedergelassen hatte, weil sie ihm sonst mit Sicherheit ein zu großes Unbehagen bereitet hätte. Stiles hatte Derek keuchend auf seine Schlafstätte im ersten Stock befördert und fragte nun: „Brauchst du noch irgendetwas?“ Derek schüttelte den Kopf: „Du kannst gehen!“ versicherte er und im Grunde klang es mehr wie ein Befehl. Tatsächlich verließ Stiles nun das Schlafgemach des Werwolfs, jedoch nur, um ein paar Minuten später mit einer Schale Wasser und einem Tuch wiederzukehren. Derek machte große Augen und Stiles fragte: „Was? Hast du wirklich geglaubt, ich würde einfach so abhauen, nur um dann vielleicht am nächsten Tag festzustellen, dass du hier ganz allein abgenibbelt bist? Kommt nicht in Frage Kumpel. Ich glaube an Karma und so etwas lade ich mir nicht auf mein Gewissen!“ So zart, wie er irgend konnte, zog er Derek sein komplett ruiniertes Shirt über den Kopf, was sich schwierig gestaltete, weil es an vielen Stellen mit Blut an Haut und Wunden festklebte. Er tauchte den Lappen in das Wasser und begann die Wunden zu säubern: „Es heilt schon!“ stellte er zufrieden fest. „Ich weiß!“ erwiderte Derek. Dann fügte er kleinlaut hinzu: „Ich würde nun gern schlafen!“ „Tu das! Ich werde hier über dich wachen!“ erwiderte Stiles, setzte sich dicht neben ihn auf das Bett und ignorierte damit zum zweiten Mal den Wink zu Gehen. Derek war zu erschöpft, um mit ihm deswegen zu streiten. Und ein kleiner, ungeliebter Teil der Persönlichkeit des großen, starken, einsamen Wolfes war unglaublich glücklich darüber, nicht allein gelassen zu werden! Kapitel 4: Träume und Alpträume ------------------------------- Peter Hale war tot, doch in der Dunkelheit konnte Stiles seine Gegenwart noch immer spüren. Es verging kaum eine Nacht, die nicht dadurch unterbrochen wurde, dass Stiles aus einem Alptraum aufschreckte, der davon handelte, dass ein rotäugiger Monsterwolf auf Anabolika ihn und seine Freunde nur so zum Spaß durch das nächtliche Schulgebäude jagte. Oder von Peter, der in menschlicher Form auf dem Sportplatz auftauchte undLydia beinahe umbrachte . Oder von Peter, der Stiles in einem Parkhaus bedrohte. Oder von Peter, der sonst etwas Furchtbares anstellte. Oder von Peter, der bei lebendigem Leibe verbrannte und wenig später mit zerrissener Kehle verblutete. Und jedes Mal schreckte Stiles schweißgebadet auf und an Schlaf war daraufhin nicht mehr zu denken. Und langsam begann der Schlafmangel lästig zu werden! Aus irgendeinem Grund machte Peter Stiles nach seinem Tod noch mehr Angst, als zu Lebzeiten. Als ob sein böser Geist sich noch irgendwo auf dieser Ebene herumtrieb und nichts Besseres zu tun hatte, als kleine Gastspiele in Stiles nächtlichen Kinovorstellungen zu geben. „Alter! Du siehst übel aus!“ stellte Scott in der ersten Stunde uncharmant fest. (Geschichte - das war zum Glück auch im Halbschlaf zu schaffen!) „Besten Dank auch, Kumpel!“ grummelte Stiles: „Ich muss sagen, der Zauber ist aus unserer Beziehung verschwunden!“ Scott schmunzelte: „Sieh es doch mal so: Ich liebe dich auch dann noch, wenn du aussiehst wie etwas, dass sie aus der Kanalisation gekratzt haben. Das muss doch auch etwas zählen!“ Dann wurde er wieder ernst: „Was ist denn los? Schläfst du schon wieder schlecht?“ Schlaf war schon immer so eine Sache gewesen bei Stiles und Scott wusste das. Stiles zuckte mit den Schultern: „Das wird schon wieder! Es war einfach ein bisschen viel in letzter Zeit!“ Scott musste nicht fragen, wovon Stiles sprach. Er war ja dabei gewesen. Unvermittelt fragte Stiles nun: „Hast du Derek eigentlich in letzter Zeit mal gesehen? Ich meine seit…das alles passiert ist?“ „Nicht wirklich! Irgendwie zieht er sich momentan zurück. Ich schätze, er muss die neuen Gegebenheiten erstmal auf die Kette kriegen. Ist ja auch ´ne große Sache. „ Und da wurde Stiles auf einmal etwas klar: Peters Geist war tatsächlich noch unter ihnen, durch die unfreiwillige Erbschaft, die er seinem Neffen gemacht hatte. Derek hatte ihn getötet und nun war ein neuer Alpha in der Stadt. Und im Grunde wusste doch keiner so genau, was das bedeutete, oder? Waren mit der Macht auch der Wahnsinn und die Bösartigkeit an Derek weitergereicht worden. Immerhin war es gut möglich, dass es auch eine genetische Komponente gab, oder nicht? Stiles fröstelte: „Was weißt du eigentlich über die Werwolfshierarchie. Was bedeutet es, dass Derek jetzt ein Alpha ist?“ Scott zuckte mit den Schultern: „Eigentlich weiß ich nur das, was Derek mir darüber beigebracht hat und das ist nicht viel.“ Nachdenklich fügte er hinzu: „Denkst du, wir sollten uns Sorgen machen?“ Stiles zog einen Mundwinkel zu einem halben Grinsen hoch: „Du kennst mich Alter! Ich finde, man sollte sich immer Sorgen machen!“ Eigentlich wollten die beiden ihr Gespräch fortsetzen, doch dann wurden sie durch eine unfreundliche Stimme vorn im Klassenraum daran erinnert, dass sie gerade hier waren, um etwas über den zweiten Weltkrieg zu lernen: „Mr. McCall, Mr. Stilinski gibt es etwas, was sie mit der ganzen Klasse teilen wollen?“ „Nicht wirklich, Mrs. Edwards.“ Antwortete Stiles schnell: „Ich habe nur gerade zu Scott gesagt `Dieser Hitler! Ts ts.“ Er schüttelte den Kopf: „Das war kein netter Mensch!“ Mrs. Edwards, die Vertretungslehrerin hob streng die Augenbrauen und erwiderte: „Nein, das war er wohl nicht. Wenn sie keine weiteren, ähnlich tiefschürfenden Beiträge zum Thema haben schlage ich vor, ich übernehme nun wieder das reden und sie spitzen die Ohren, in Ordnung?“ Stiles zeigte mithilfe von Gesten, dass seine Lippen nun verschlossen seien und er den Schlüssel weggeworfen habe. Unwahrscheinlich in Stiles Fall. Das war auch Mrs. Edwards klar! Stiles schleppte sich durch den restlichen Schultag und während andere Leute durch Schlafmangel träge wurden, trat bei ihm der gegenteilige Effekt ein: er wurde noch nervöser und kribbeliger als ohnehin schon, was am Nachmittag beim Lacrosse-Training darin gipfelte, dass er und Coach Finstock sich lautstark anbrüllten. Und bei dem Streit ging es nicht einmal um Lacrosse! Es ging um Star-Trek. Genauer, um den alten und den neuen Spock. Und welcher der Bessere sei. Es wurde ziemlich emotional und Beleidigungen wurden ausgetauscht. Eine weitere Eskalation stand zu befürchten Das Team stand mit offenem Mund um die beiden Kontrahenten versammelt, bis Greenburg schließlich fragte, ob sie nicht einfach weiterspielen könnten. Und das führte dann dazu, dass Stiles aus dem Schneider war und nun Greenburg den geballten heiligen Zorn des Coaches auf sich zog. Naja, einfach, weil er eben Greenburg war. Armer Kerl! Sheriff Stilinski und Melissa McCall hatten beide Nachtschicht und Scott hatte einen Halo-Abend bei Stiles vorgeschlagen. Mit anschließender Pyjama-Party. Natürlich hatte er dabei einen Hintergedanken gehabt: Er wollte, dass Stiles endlich wieder einmal eine Nacht durchschlief und seiner Erfahrung nach klappte dies immer sehr gut, wenn sie zusammen übernachteten. Und so hatten sie es dann auch gemacht: Eine Riesenpizza bestellt und dann gespielt, bis ihnen um halb elf die Augen zugefallen waren. Stiles schlich durch finstere Kellergewölbe. Was er hier wollte und wie er hier hergekommen war, wusste er nicht. Irgendwo in der Ferne hörte er Stimmen und düstere Rockmusik. Und das stete Klopfen von Wassertropfen, die von der Decke auf den Boden schlugen. In die Wände waren große Metallringe eingelassen und von einigen baumelten schwere Stahlketten. Alle paar Meter gab es Leuchter, in welchen je eine einzelne dicke Kerze brannte. Insgesamt war die Kulisse passend für einen S/M-Club. Oder für ein Neunziger-Jahre-Madonna-Video! Die Stimmen und die Musik wurden lauter und schließlich betrat Stiles eine riesige düstere Halle voll von Fremden. Der Dress-Code hier lautete offenbar schwarz und Leder. Stiles schluckte! Die Blicke, die ihm begegneten waren misstrauisch bis feindselig, doch niemand sprach ihn an, oder versuchte ihn aufzuhalten. Und dann erblickte Stiles etwas an der Stirn des Raumes. Es war ein Podest, auf dem eine Art Thron stand. Und auf diesem saß Derek, wie ein Herrscher über den Saal und Alle, die sich in ihm befanden. Als Stiles sich das Sitzmöbel, auf dem der Werwolf Hof hielt genauer betrachtete, stellte er entsetzt fest, dass er aus Schädeln gefertigt war. Von Menschen und Wölfen! Dann bemerkte Stiles eine weitere Person auf dem Podest. Sie stand hinter Derek, möglicherweise von ihm unbemerkt, im Schatten verborgen, an die Wand gedrängt. Stiles ging näher heran, strengte seine Augen an und erkannte entsetzt, dass es Peter Hale war. Stiles Herz setzte ein paar Schläge lang aus! Als Derek durch das Fenster in Stiles Schlafzimmer stieg, empfing ihn dort ein heilloses Chaos. Kleidung lag überall da herum, wo sie ausgezogen worden war. Es roch nach Sportsocken und den Resten der Anchovi-Pizza, die sich noch im offenen Karton vor dem Bett befanden. Der Werwolf zog die Nase kraus. Stiles mit seiner menschlichen Nase mochte die olfaktorische Beleidigung, welche jeden Winkel dieses Zimmers ausfüllte ja entgehen, aber wie hielt Scott es hier drinnen bloß aus? Derek schloss das Fenster ein wenig lauter als nötig, um die zwei zu wecken und schüttelte innerlich den Kopf darüber, dass das überhaupt nötig war. Diese Kids sollten wirklich vorsichtiger und wachsamer sein. Er hätte schließlich sonst wer sein können. Endlich regten sich die beiden, Stiles knipste seine Nachttischlampe an und blinzelte ihn an. Derek blickte auf die verschlafenen Jungen hinab: Zwei Mal bleiche, dürre Extremitäten, welche aus Nerd-T-Shirts und albernen, mit Zeichentrickfiguren bedruckten Boxershorts lugten. Er verdrehte genervt die Augen: Hierhin war er also gekommen, weil er Unterstützung suchte? Lächerlich! Stiles war Dereks Blick nicht entgangen. Er richtete sich auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen und spottete dann in schönster Divenmanier: „Hätte ich dich erwartet, hätte ich mich natürlich in etwas Hübscheres geschmissen, Schätzchen!“ „Ach, halt deine vorlaute Klappe!“ knurrte Derek. Stiles verschränkte empört die Arme vor der Brust und erwiderte: „Du nimmst den Mund ganz schön voll für jemanden, der mitten in der Nacht in fremde Fenster einsteigt.“ „Könnt ihr nicht einfach beide, die Klappe halten?“ maulte Scott: „ Ich bin noch nicht wach genug für eure Kabbeleien!“ „Dann sag deinem Kumpel, er soll aufhören, mich anzubaggern!“ erwiderte Derek hitzig. Stiles wurde kirschrot: „Waa…? Ich…?“ stammelte er überrumpelt. Dann erinnerte er sich, dass er Stiles Stilinski war, holte einmal tief Luft, um sich zu sammeln und antwortete schließlich schlagfertig: „Du solltest diese Sache mit deiner Homophobie in den Griff kriegen Kumpel! Du weißt ja sicher, was du dadurch über dich selbst verrätst, oder? Also Derek: gibt es etwas, was du mit der Gruppe teilen möchtest?“ Nun war es an Derek, rot zu werden, ob nun vor Scham oder Zorn blieb unklar: „Sei froh, dass ich so eine friedfertige Persönlichkeit besitze Stilinski!“ erwiderte er grollend: „Pfft!“ machte Stiles, vorgeblich verärgert, doch insgeheim war er erleichtert. Derek und er frotzelten miteinander, wie eh` und je, was hoffentlich bedeutete, dass Dereks neuer Alphastatus bislang noch keine negativen Veränderungen in ihm bewirkt hatte. Er war derselbe übellaunige alte Kotzbrocken wie immer, richtig? Und Stiles freute es! Um sicher zu gehen würde er die Situation natürlich weiter im Auge behalten und nach Anzeichen von fortschreitender Schurkenhaftigkeit suchen. Man konnte ja nie wissen! Und er hatte genügend James Bond in seinem Leben gesehen, um zu wissen, worauf er achten musste: - Wollte Derek unbedingt den Atomwaffencode von Finnland knacken? - Entwickelte er schleichend einen albernen russischen Akzent? - Besaß er plötzlich eine weiße Perserkatze, welcher er unter Ausstoß eines echten Bösewichtlachens das Fell kraulte (Mo-har-har-har-har!) Bei dem letzten Bild musste Stiles unwillkürlich laut auflachen, woraufhin er von Derek angestarrt wurde, als habe er nun endgültig den Verstand verloren. Kopfschüttelnd fragte Derek schließlich: „Darf ich jetzt vielleicht endlich mal erzählen, weshalb ich gekommen bin?“ „Also nicht für einen guten alten Schlagabtausch?“ fragte Stiles spöttisch: „Sicher nicht!“ erwiderte Derek kühl: „Ich bin hier, weil wir ein Problem haben Jungs: Nymphen haben sich in Beacon Hills niedergelassen!“ Kapitel 5: Nymphen in Beacon Hills ---------------------------------- Zugegeben das Albernste, was ich je geschrieben habe, aber was soll ich sagen: es kam so über mich! Viel Spaß! „Du willst was?“ fragte Scott entgeistert: „Du willst Stiles als Köder benutzen? Wieso?“ „Nymphen lieben Jungfrauen!“ erwiderte Derek gelassen. Er hatte damit begonnen, Stiles Zimmer aufzuräumen. Er schloss den Pizzakarton, legte jene Kleidung zusammen, welche den Geruchstest bestand und warf den Rest auf einen Haufen für die Waschmaschine. Er wurde dabei misstrauisch von Stiles begutachtet: „Im Namen der anwesenden Jungfrauen muss ich fragen: was werden die Nymphen denn wohl mit mir anstellen wollen?“ fragte er schnippisch „Sie werden dich gar nicht erst in die Finger kriegen. Scott und ich werden rechtzeitig zur Stelle sein!“ erwiderte Derek selbstbewusst und warf angewidert ein paar überreife Socken auf den Schmutzwäschehaufen: „Aha, aha!“ machte Stiles gereizt: „Aber falls nicht; und die Erfahrung zeigt, dass solche Dinge nun mal passieren; was werden die Nymphen dann mit mir tun?“ Derek zuckte mit den Schultern: „Naja, eine Jungfrau wirst du dann die längste Zeit gewesen sein!“ verkündete er mit einem dezenten Grinsen: „ Und dann werden sie dich vermutlich ihren Naturgottheiten opfern!“ „Du Arsch!“ knurrte Stiles und fuhr an seinen besten Freund gewandt fort: „Du hältst ihn fest, Scott und ich werde aus der Garage einen Vorschlaghammer holen. Mit deiner Hilfe kann ich diesem Penner vielleicht die Fresse polieren!“ Scott nickte und blitzte Derek finster an: „Klingt nach einem Plan! Machen wir es so!“ „Ich weiß gar nicht, warum ihr Jungs euch so aufregt?“ fragte Derek gelassen und legte fein säuberlich eine Jeans zusammen, die er zusammengeknüllt vom Boden aufgesammelt hatte. Stiles deutete mit dem Finger auf ihn und fragte grimmig: „Kannst du mir mal verraten, was du da überhaupt machst?“ „Das, was du offenbar nicht für nötig hältst.“ Erwiderte Derek mit gekrauster Nase: „Ich bringe ein bisschen Ordnung in deinen Schweinestall. Echt jetzt Mann; wie kannst du nur so leben?“ „Sorry MOM!“ spottete Stiles: „Können wir jetzt vielleicht wieder zurückkommen zu meinem viel zu frühen Tod durch höhere Nymphengewalt?“ „Ja Derek!“ stimmte Scott mit ein: „Um was geht es eigentlich genau. Was zum Teufel sind Nymphen überhaupt?“ Derek schüttelte den Kopf: „Lernt ihr denn gar nichts in der Schule? Nymphen sind Naturgeister! Und mindestens vier von ihnen haben sich hier in Beacon Hills, mitten in meinem Revier niedergelassen. Der ganze Wald stinkt nach ihnen. Es ist widerlich!“ „Und haben diese Nymphen irgendwem etwas getan, oder warum ist das unser Problem?“ wollte Scott wissen: „Hast du nicht zugehört? Diese Biester sind in mein Revier eingedrungen. Ich habe es überall markiert, unübersehbar und diese Nymphen besitzen dennoch die Frechheit, sich hier auszubreiten!“ „Du hast dein Revier markiert?“ fragte Stiles und schüttelte sich: „Wie darf ich mir das vorstellen? Hast du an jedem Baum dein Beinchen gehoben, oder was?“ Oh je, Augenbrauen! Stiles verfolgte diese Sache besser nicht weiter. Stattdessen erkundigte er sich: „Und was stört dich daran, dass diese Mädels nun in deinem Wald unterwegs sind? Ist er denn nicht groß genug für euch alle?“ „Nein!“ knurrte Derek. Einfach nur `Nein´, keine weitergehenden Ausführungen. „Und was willst du mit den Nymphen machen, nachdem du sie mit meiner Hilfe angelockt hast? Willst du sie umbringen, oder was?“ wollte Stiles wissen. Derek sah unbehaglich aus: „Ich fürchte, das ist nicht so einfach.“ Die beiden Jungen blickten ihn abwartend an und Derek fuhr kleinlaut fort: „Möglicherweise sind diese Dinger unsterblich? Ich bin mir darüber nicht so ganz im Klaren. Auf jeden Fall sind sie sehr langlebig. Und schwer zu fangen!“ Stiles prang vom Bett auf und baute sich vor Derek auf: „Und solchen Wesen, die du weder töten noch fangen kannst, willst du mich als Köder anbieten? Willst du mich wirklich SO dringend loswerden?“ „Das nicht. Es wäre nur ein netter Nebeneffekt!“ erwiderte Derek grinsend. Stiles schoss mit den Blicken kleine Blitze in seine Richtung und Derek fügte schnell hinzu: „Ein Scherz, Junge! Ehrlich gesagt habe ich mich an deinen Anblick gewöhnt und will deinen Tod nun nicht mehr. Halt dich einfach in meiner Nähe und dann geschieht dir nichts! Das lasse ich nicht zu! Versprochen!“ Stiles übersetzte diese Äußerungen von Derek in eine Sprache, die normale Menschen sprachen und stellte fest, dass sie dadurch beinahe einer Liebeserklärung gleichkamen. Plötzlich fühlte er sich gewärmt und geschmeichelt. Und das war wahrscheinlich auch der Grund, warum die drei, trotz des Protests von Scott eine halbe Stunde später tatsächlich in Stiles Auto saßen, um auf Nymphenjagd zu gehen. Im Wald angekommen forderte Derek Scott auf, die Witterung aufzunehmen: „Riechst du das? Es ist widerlich, oder nicht?“ Scott nickte: „Ich rieche es!“ Bestätigte er und mit einem Mal tauchte ein seltsames, ein wenig dämliches Grinsen auf seinem Gesicht auf, wie Stiles verwundert feststellte: „Widerlich finde ich es eigentlich nicht. Es ist irgendwie ganz… wie soll ich sagen? Anregend?“ Stiles hielt versuchsweise auch einmal seine Stubsnase in die Luft und schnupperte, doch für ihn roch alles wie immer: frische Luft, der Duft der Bäume und der leicht modrige Geruch der feuchten Erde: „Pheromone!“ Stieß Derek verächtlich aus: „Lass` dir davon nicht die Sinne vernebeln, Scott, denn sonst hast du schon verloren. Ich sollte euch Jungs vielleicht noch warnen: Das, was diese Nymphen so gefährlich macht ist SEX! Sie gelten als schön und unwiderstehlich. Also seht euch vor und behaltet eure Hormone an der Leine!“ Etwas später saß Stiles allein auf einem umgestürzten Baum und versuchte gleichzeitig unschuldig und appetitlich auszusehen, während er hoffte, dass seine beiden Werwölfe sich tatsächlich, wie versprochen in der Nähe aufhielten, auch wenn er sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen oder gehört hatte. Er war müde. Wieder eine Nacht, in der er nicht genug Schlaf erhielt. Je länger er hier saß, umso mehr wich seine Angst der Erschöpfung und schließlich fiel sein Kopf vornüber auf seine Brust. Als er seine Augen in der ersten Morgendämmerung wieder öffnete war irgendetwas anders. Seltsamerweise war er im Schlaf nicht von seinem Baumstamm gefallen. Vielmehr fühlte er seinen Kopf weich gebettet. Stiles bemühte darum, den Schlaf gänzlich abzuschütteln, um zu begreifen, was vorgefallen war. Er hob den Kopf und blickte auf den Platz neben sich und da saß sie- das schönste Mädchen, das er jemals gesehen hatte. Sie trug ein leichtes Sommerkleid, hatte eine rosige Porzellanhaut und hellrotes Haar (Schon immer seine Lieblingshaarfarbe- naja, zumindest, seit er zum ersten Mal einen Blick auf eine gewisse Schulkameradin geworfen hatte.) Die Augen waren grün und mandelförmig und die Lippen voll und vollkommen: „Hi!“ murmelte Stiles törichterweise: „Hi!“ antwortete das Mädchen mit einem kleinen Lächeln. Ihre Stimme war reiner Samt: „Bist du eine von diesen Nymphen?“ wollte Stiles wissen. Das Mädchen nickte: „Und meine Freunde? Habt ihr ihnen etwas angetan?“ erkundigte sich Stiles weiter und wunderte sich selbst über seine Gelassenheit: „Meine Schwestern sind jetzt bei ihnen. Aber keine Angst: Sie tun ihnen nichts an!“ erwiderte die Nymphe. Sie schmunzelten noch immer: „Das ist gut!“ nuschelte Stiles: „Ich hoffe, ich habe den guten Teil, also den mit meiner Entjungferung nicht verschlafen? Ich meine, wenn ich schon als Menschenopfer dargebracht werden soll, wäre es doch schade, wenn ich nicht wenigstens ein paar schöne Erinnerungen mitnehmen könnte.“ „Menschenopfer?“ fragte das Mädchen erstaunt: „Wer erzählt dir denn sowas?“ Stiles zuckte mit den Schultern. Dann fragte er: „Wie heißt du?“ Die Rothaarige lachte ein glockenklares Mehroktavenlachen: „Meinen wirklichen Namen könntest du nicht aussprechen, aber du darfst mich Lucy nennen.“ Gab sie zurück: „Und wie heißt du?“ „Stiles!“ gab er zurück: „DAS ist ein Name?“ Wieder ein Schulterzucken. Lucy rückte sehr nah an Stiles heran und vergrub ihre Nase an seinem Hals: „Du riechst gut!“ stellte sie fest: „Unberührt!“ Zumindest in diesem Punkt hatte Derek wohl recht gehabt. Jungfrauen waren für Nymphen offensichtlich so etwas, wie Katzengras für manch vierbeiniges Haustier. Eine flinke kleine Hand hatte einen Knopf von Stiles Karohemd geöffnet und schob sich nun hinein, während Lucy immer noch angeregt an ihm schnupperte: „Entschuldige mal!“ keuchte Stiles atemlos: „Wir Menschen legen in der Regel sehr viel Wert auf einen gewissen persönlichen Freiraum und der fehlt mir im Augenblick ein bisschen! Und überhaupt: Sollten wir nicht erstmal zusammen essen, oder ins Kino gehen, ehe wir uns unterhalb unserer Kleidung anfassen?“ Bevor Lucy antworten konnte, brach etwas brüllend und mit Macht durch das Unterholz: „Lass´ ihn los, Miststück!“ knurrte Derek in voller Wolfsmontur. Stiles atmete erleichtert ein wenig auf. Lucy erhob sich, trat hinter Stiles und legte beide Hände um dessen Hals. Derek, der fürchtete, dass die Nymphe den Jungen zu erwürgen beabsichtigte, hielt inne. Was er nicht ahnte, war die Tatsache, dass sich die Hände an Stiles Gurgel beinahe zärtlich anfühlten. Lucy übte keinerlei Druck aus und Stiles hätte sich am liebsten nach hinten sinken lassen, um sich an Lucys weichen Oberkörper zu schmiegen. Die Nymphe legte den Kopf schief und kommentierte lächelnd: „Interessant! Ich habe noch nie einen Werwolf gesehen. Ich dachte, ihr wärt ausgestorben!“ „Das habe ich über euch Nymphen auch gedacht!“ knurrte Derek: „Und nun lass` den Jungen gehen, ehe ich ungemütlich werde!“ Lucy lachte wieder ihr melodisches Lachen, ehe sie erwiderte: „Entschuldige Wölfchen! Ich wusste nicht, dass er dir gehört!“ Stiles drehte sich zu ihr um und murmelte: „Moment mal!“ Derek stammelte: „Wie? Nein, er…er gehört mir doch nicht! Er ist Teil meines Rudels! Also zumindest irgendwie.“ Dann räusperte er sich und legte wieder etwas mehr Festigkeit in seine Stimme: „Jedenfalls lässt du ihn besser gehen, wenn du weißt, was gut für dich ist!“ „Ist schon gut, Werwolf. Du kannst ihn wieder haben.“ Und mit einem vielsagenden Grinsen fügte sie hinzu: „In jeder Weise intakt! Komm´ und hol` ihn dir!“ Mit misstrauischem Blick trat Derek näher an die beiden heran, doch Lucy tat nichts, was irgendwie bedrohlich gewirkt hätte. Sie schob lediglich ihre Rechte in die Tasche ihres Sommerkleides. Und gerade, als Derek nah genug war, um nach Stiles Arm zu greifen, zog Lucy ihre Hand wieder aus der Tasche, in der sich nun etwas befand, was wie eine Art metallisches Pulver aussah. Noch ehe Derek in welcher Weise auch immer reagieren konnte, hatte Lucy bereits in ihre Handfläche geblasen und der glitzernde Staub landete sowohl auf Dereks, als auch auf Stiles Gesicht. `Seltsam´, dachte Stiles noch bei sich `Das Zeug fühlt sich an, wie Sprühregen! ´ Und dann erkannte er in Dereks Gesicht, dass der Staub in dessen Haut einzog. „Habt Spaß, Jungs!“ rief Lucy lachend aus. Derek brüllte und holte mit einer Klaue aus, doch er kam zu spät. Lucy löste sich in einer Art Wolke aus Rauch und Funken auf und war verschwunden! Das Mädchen, das sich bei Scott niedergelassen hatte erinnerte ihn irgendwie an das Märchen von Schneewittchen: Sie hatte enorm langes, dichtes, pechschwarzes Haar, bleiche Haut und kirchrote Lippen. Das schlichte, dünne, blendendweiße Kleid unterstrich ausgesprochen gut ihre körperlichen Reize. Scott blieb einen Moment lang die Luft weg. Dann kommentierte er: „Derek hat nicht übertrieben in Bezug auf euch Nymphen: Ihr seht umwerfend aus!“ „Danke!“ antwortete die Fremde schlicht und wollte dann wissen: „Was machen du und deine Freunde um diese Zeit hier draußen? Sucht ihr vielleicht nach uns?“ Scott nickte: „Ehrlich gesagt tun wir das wirklich. Der große, breite Griesgram, ich weiß nicht, ob du ihn schon getroffen hast findet, ihr solltet aus seinem Revier verschwinden!“ „Meine Schwestern sind bei ihm. Ich habe ihn nur von weitem gesehen. Ich fürchte, an ihm werden sie sich die Zähne ausbeißen. Er scheint wenig Lust zu haben, mit uns zu spielen!“ sagte die Nymphe bedauernd: „Spielen!“ fragte Scott stirnrunzelnd. Die dunkelhaarige Schönheit kicherte und trat hinter Scott: „Du weißt sicher, was ich meine!“ Sie schlang ihre Arme unter Scotts Armen hindurch um dessen Brustkorb und legte beide Hände fordernd auf seine Brust: „Ach das!“ murmelte Scott nervös: „Ja, ich denke, ich verstehe dich!“ Plötzlich ließ die Nymphe die Arme wieder sinken, drehte Scott zu sich um und bemerkte enttäuscht: „Aber DU willst auch nicht spielen.“ Sie trat nah an ihn heran und schnupperte: „Du gehörst bereits einer anderen!“ Sie nahm noch eine Nase voll Scott und fügte hinzu: „Und du bist KEIN Mensch!“ „Werwolf!“ antwortete Scott errötend: „Ehrlich?“ fragte die Fremde entzückt: „Das ist wirklich bedauerlich. Ich hätte dich zu gern gekostet!“ Scott verschluckte sich beinahe und antwortete dann schnell: „Ich denke, das lassen wir lieber!“ „Dein Verlust!“ sagte die Nymphe schulterzuckend und löste sich vor Scotts Augen in Luft auf. `Das war seltsam! ´ dachte er bei sich. Dann machte er sich auf die Suche nach Stiles und Derek. Als Scott sie fand, saßen die beiden einträchtig nebeneinander auf einem Baumstamm: „Geht es euch gut?“ erkundigte er sich: „Habt ihr auch Nymphen getroffen!“ Stiles nickte: „Aber Derek hat mich gerettet!“ Er klang bei dieser Verkündigung wie die Heldin aus einem alten Film und Scott vermutete, dass er wieder einen seiner Scherze machte. Komisch, das von Derek überhaupt kein Kommentar kam: „Du hast da was!“ säuselte Stiles, griff in Dereks schwarzes Haar und zog ein Blatt heraus. Scott hielt den Atem an. Er befürchtete, Derek würde Stiles die Hand brechen, weil er ihn einfach so berührte. Doch Derek…lächelte? Was war denn hier los? „Ist hier irgendetwas passiert, was ich wissen müsste?“ fragte Scott skeptisch. Die beiden Angesprochenen schüttelten den Kopf: „Mit uns beiden ist alles bestens, stimmt` s?“ verkündete Derek und legte einen Arm um Stiles Schultern. Du lieber Himmel! Das war nun wirklich nicht normal! Das war sogar regelrecht befremdlich! „Ooookaayyy!“ sagte Scott: „Irgendetwas haben die Nymphen mit euch gemacht. Also warum beschreibt ihr mir nicht ganz genau, was heute Nacht passiert ist.“ Derek folgte der Aufforderung und führte aus, wie er von zwei Nymphen aufgesucht wurde, die ihn zunächst daran gehindert hatten, zu Stiles zu gelangen, bis er sich verwandelt hatte, gewaltsam auf die beiden losgegangen war und sie auf diese Weise vertrieben hatte. Stiles ergänzte dann seinen Teil der Geschichte: „Moment mal!“ fragte Scott: „Diese Lucy hat euch mit einem Pulver vergiftet?“ „Wieso vergiftet?“ fragte Derek ratlos: „Wie du siehst, geht es uns doch gut!“ „Ja sicher!“ erwiderte Scott sarkastisch: „Ihr zwei kuschelt ja auch alle Tage miteinander wie Frischvermählte.“ „Aber Scott!“ schaltete sich Stiles nun in das Gespräch ein: „Das siehst du ganz falsch. Derek und ich sind Kumpel, weiter nichts. Wir vertragen uns einfach mittlerweile besser als früher. Das ist alles, stimmt`s?“ er legte seinen Kopf auf Dereks Schulter, und dieser nickte zustimmend: „Muss ich dich daran erinnern, dass du ihn vor ein paar Stunden noch mit einem Vorschlaghammer verprügeln wolltest?“ fragte Scott entgeistert. Stiles hob den Kopf und blickte Derek ins Gesicht: „Stimmt!“ sagte er bedauernd: „Das tut mir wirklich leid Dee! Ich muss echt an meiner Impulskontrolle arbeiten!“ Dee??? „Schon vergessen Kumpel!“ erwiderte Derek und griff nach Stiles Hand. Ihre Finger verschränkten sich ineinander. Also gut! Das war definitiv mehr, als Scotts Magenwände vertrugen. Er griff nach Stiles anderer Hand, zog ihn auf die Füße und befahl: „Wir beide gehen jetzt zurück zu dir nachhause und machen uns für die Schule fertig und du Derek gehst nachhause. Und nach dem Unterricht treffen wir drei uns wieder und versuchen herauszufinden, was diese Nymphe mit euch gemacht hat!“ „Ich will aber bei Derek bleiben!“ maulte Stiles. „Willst du nicht, Alter! Glaub mir!“ gab Scott zurück und zog seinen besten Freund hinter sich her, zurück zum Jeep. In der Schule brachte Stiles Scott beinahe um den Verstand, denn er war noch nervöser und gesprächiger als gewöhnlich: „Wie steht mir dieses Hemd?“ wollte er in der kleinen Pause wissen: „Sollte ich mich nochmal umziehen, bevor Derek uns nachher abholt? Ist hellblau überhaupt meine Farbe?“ Später machte sein bester Freund sich über etwas anderes Gedanken: „Vielleicht sollte ich Derek ja mal zum Essen einladen? Ich könnte etwas für ihn kochen. Was mag er wohl? Meine vegetarische Lasagne, die ich für Dad manchmal mache, ist ganz gut. Andererseits ist das wohl eher nichts für Karnivoren, oder? Oder würdest du als Wolf dich über eine Einladung zu einem Gemüsegericht freuen?“ Scott verdrehte die Augen und versuchte, sich in Nachsicht zu üben. Stiles war immerhin gerade nicht er selbst. Je näher das Ende des Schultags rückte, umso unruhiger wurde Stiles. Das konnte ja heiter werden. Offensichtlich hatten sie es hier mit einer Art Liebeszauber zu tun und Stiles hatte es schwer erwischt. Scott hatte vorhin bereits Allison gebeten zu sehen, ob sie mithilfe der Quellen ihrer Familie etwas herausfinden konnte. Das nächste, was er versuchen wollte, war ein Besuch bei Deaton. Vielleicht hatte der Veterinär schon einmal etwas von dieser Sache gehört und wusste Rat. Als die Schulglocke verkündete, dass der Schultag vorüber war, rannte Stiles regelrecht hinaus und Scott hatte Mühe, ihm zu folgen. Als er ihn endlich eingeholt hatte, hakte er seinen Freund unter. Aus Sicherheitsgründen! „Da ist er!“ verkündete Stiles selig, als er Derek erblickte, der, lässig an seinen Camaro gelehnt in der Sonne dastand, wie einem Werbeplakat entstiegen. „Ja, Stiles!“ seufzte Scott: „Da ist er!“ „Hallo Derek!“ säuselte Stiles mit Kuhaugen: „Hallo Stiles!“ erwiderte Derek mit nervös belegter Stimme. Scott schüttelte den Kopf über die beiden: „HALLO DEREK!“ sagte er lauter als notwendig, weil er sich ein wenig ignoriert fühlte: „Ach ja, Scott!“ murmelte Derek ohne den Blick von Stiles abzuwenden: „Wollen wir dann los?“ fragte Scott gereizt und schob Stiles in Richtung Wagen. Später in der Tierarztpraxis hockten Stiles und Derek nebeneinander auf dem metallischen Untersuchungstisch, Schulter an Schulter, warfen sich gegenseitig verstohlene Blicke zu und nahmen jede Gelegenheit wahr, einander anzufassen- nichts Unsittliches bislang: Hände, Arme, Schultern, aber auf die Dauer würde es sicher nicht dabei bleiben. Deacton und Scott beobachteten die beiden: „Ich habe leider keine Ahnung, was ich dagegen tun soll.“ Verkündete Deaton schulterzuckend: „Nur die Nymphe, die das ausgelöst hat, kann es wieder rückgängig machen, wenn du mich fragst.“ „Das wird sie doch niemals tun! Hast du wirklich keine Idee, wie wir die beiden wieder in eine Wirklichkeit zurückholen, in der sie einander hassen?“ Scott klang besorgt. Deaton schüttelte den Kopf: „Das einzige, was mir sonst noch einfällt ist, es die beiden einfach genießen zu lassen. Sie wirken doch ganz zufrieden.“ Er kratzte sich am Kinn und fuhr nachdenklich fort: „Und mir gefällt Derek besser so! Er wirkt so friedlich und entspannt!“ „Es ist nicht real!“ stieß Scott hervor: „Und das macht mich nervös!“ „Sicher, dass du nicht bloß eifersüchtig bist, weil dein bester Freund derart… abgelenkt ist!“ wollte Scotts Arbeitgeber wissen. Scott schnaubte verächtlich. Dann stieß er hervor: „Ich werde das in Ordnung bringen! Ich muss zwei Telefonate führen.“ Der erste Anruf hatte Allison gegolten. Bedauerlicherweise hatte sie nichts herausfinden können! Dann rief Scott Lydia an, damit sie Stiles abholte und auf ihn achtgab, während Scott etwas anderes zu erledigen hatte: „Kannst du ein paar Stunden auf Derek aufpassen?“ Wollte er vor seinem Aufbruch noch von Deaton wissen: „Er und Stiles sollten vorerst besser getrennt voneinander sein!“ „Ich werde mein Bestes tun!“ Gab Deaton zurück: „Doch ich denke nicht, dass ich einem liebestollen Werwolf viel entgegensetzen kann, falls er sich entschließen sollte aufzubrechen!“ Scott zuckte ratlos mit den Schultern und dann machte er sich auf den Weg. „Lucy!“ rief Scott aus voller Kehle: „Lucy? Zeig` dich! Ich will mit dir reden!“ Er saß auf demselben Baumstamm, auf dem er vor einigen Stunden Stiles und Derek vorgefunden hatte und wartete.. Und dann tauchten sie auf; alle vier Schwestern und eine schöner als die andere. Scott wurde ganz schön warm und es prickelte unter seiner Haut. `Prioritäten!´ schalt er sich innerlich selbst Die Nymphen scharten sich um Scott und Lucy trat vor: „Du willst mich sprechen, kleiner Wolf?“ fragte sie schnurrend. „Ich will, dass du den Zauber wieder von meinen Freunden nimmst!“ forderte Scott ohne Umschweife: „Ich denke, du hast dich jetzt genug auf ihre Kosten amüsiert!“ Die Nymphe zog überrascht die Augenbrauen hoch: „Ich dachte, ich würde den beiden einen Gefallen tun. Vor allem dem unfreundlichen Älteren!“ „Man spielt nicht mit den Gefühlen von Leuten, so wie du es getan hast!“ empörte sich Scott: „Wirst du es nun in Ordnung bringen, oder nicht?“ Lucy zuckte mit den Schultern: „Also gut!“ stimmte sie zu. Scott hatte arrangiert, dass Derek und Stiles von Deaton und Lydia ins Haus der Stilinsis gebracht wurden. Nun saßen die beiden Turteltauben nebeneinander auf Stiles Bett und der Jüngere hatte ein Bein über die des Älteren gelegt, als Lucy sich in dem ohnehin schon überfüllten Zimmer vor dem Schreibtisch materialisierte. Sie legte den Kopf schief, betrachtete Stiles und Derek und schmunzelte: „Zu schade!“ murmelte sie. Derek knurrte: „Ganz ruhig!“ säuselte Lucy. Dann legte sie je einen Daumen zwischen die Augenbrauen von Stiles und Derek und murmelte eine Formel in einer fremden Sprache. Als sie fertig war, fiel Dereks Blick auf Stiles Bein, welches immer noch die seinen bedeckte. Stiles sah es auch und sprang auf, wie von der Tarantel gestochen. Auch Derek erhob sich. Sein Blick wanderte skeptisch durch die Runde der Anwesenden und blieb schließlich auf Stiles ruhen. Dann verkündete er: „Ich muss weg!“ Er wollte das Fenster öffnen: „Ähm…Tür?“ fragte Stiles. „Ach ja richtig!“ brummte der Werwolf verlegen und nahm tatsächlich dieses eine Mall den vorgesehenen Ausgang. Stiles wirkte unbehaglich, blickte seine Freunde an und brachte dann hervor: „Danke für eure Hilfe, Leute, aber würdet ihr jetzt bitte vrschwinden? Ich meine alle, außer Lucy. Mit dir würde ich gern noch kurz sprechen.“ Die anderen verabschiedeten sich und Lucy nahm neben Stiles auf dem Bett Platz: „Was kann ich für dich tun, Menschlein?“ wollte sie wissen: „Du kannst mir verraten, warum du mir das angetan hast.“ Erwiderte er grimmig: „Du hast mich in eine verdammt peinliche Situation gebracht. Du hast meine Gefühle manipuliert. Ich weiß nicht, wie ihr Nymphen das seht, aber von einem menschlichen Standpunkt aus betrachtet ist das sehr grausam!“ Lucy blickte ihn mitfühlend und nachsichtig an. Dann strich sie ihm zart über das Haar und erwiderte: „Armer Stiles. Ich mache es wieder gut. Ich werde dir ein Geheimnis verraten!“ Sie flüsterte etwas in sein Ohr. Und noch ehe Stiles etwas zu dem soeben Gehörten sagen konnte, war Lucy verschwunden. Mitten in der Nacht wachte Stiles davon auf, dass ein Windhauch über sein Gesicht strich. Er öffnete die Augen und am offenen Fenster an die Fensterbank gelehnt stand Derek und blickte auf ihn hinab. Der Anblick des Werwolfs in seinem Schlafzimmer war mittlerweile so vertraut, dass Stiles nicht einmal mehr erschrak: „Schläfst du eigentlich nie?“ fragte er genervt und knipste seine Nachttischlampe an: „Die Nymphen sind weg! Wir waren letztlich erfolgreich und konnten sie vertreiben!“ murmelte Derek. Stiles blickte ihn verständnislos an: „Um mir das mitzuteilen tauchst du hier mitten in der Nacht auf, Alter? Was soll das? Ich brauche meinen Schönheitsschlaf!“ „Ich wollte dich auch wissen lassen, dass ich dir nicht übelnehme, was passiert ist!“ Stiles setzte sich ruckartig auf und rief empört: „Wie bitte? DU nimmst es mir nicht übel? Warum auch? Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Wir standen unter dem Einfluss eines Zaubers oder was auch immer. Und nur zur Erinnerung: Du konntest die Finger genauso wenig von mir lassen, wie umgekehrt!“ „Erinnere mich nicht daran!“ stöhnte Derek. Stiles war ein wenig gekränkt. Als ob es eine solche Folter wäre, sich von ihm angezogen zu fühlen: „Immerhin hat Scott verhindert, dass diese Sache zu sehr aus dem Ruder läuft.“ Kommentierte er. „Oh ja, Gott sei Dank!“ stieß Derek hervor: „Tja, auf Scott ist eben Verlass!“ sagte Stiles bitter und verschränkte die Arme vor der Brust: „Was ist denn mit dir los?“ fragte Derek verdutzt: „Wie oft hast du duschen müssen, um den Makel loszuwerden, mit mir Händchen gehalten zu haben Kumpel? Es muss ja ein Alptraum für dich gewesen sein, so wie du dich aufregst!“ pöbelte Stiles verletzt: „Oh!“ machte Derek. Und nach einer Weile fügte er hinzu: „So meinte ich das doch gar nicht. Mit dir ist wirklich alles in Ordnung, Stiles. Ich bin nur nicht…ich meine, das was da passiert ist, war nicht richtig!“ „Denkst du, ich wollte das?“ fragte Stiles verblüfft zurück. „Naja… ja! Ich denke schon, dass du das wolltest.“ Erwiderte Derek und ehe Stiles etwas erwidern konnte fuhr er fort: „Hör zu: ich bin nicht homophob! Dass du schwul bist, das ist O.K. für mich! Ich habe nichts dagegen. Ehrlich! Hör` einfach nur auf, mich bei jeder Gelegenheit anzumachen!“ Stiles verschluckte sich und wurde einen Moment lang bleich: „Ich bin nicht…ich meine… ich mache dich nicht an! Echt nicht!“ Derek zog vielsagend die Augenbrauen hoch: „Ja sicher!“ Stiles wurde schwindelig: „Vielleicht wünschst du dir ja, dass es so wäre, Kumpel! Aber von mir kommt rein gar nichts rüber! Null Schwingungen hier, kapiert?“ Er gestikulierte wild mit eiden Händen. „Hauptsache ist, dass du daran glaubst!“ erwiderte Derek und hob vielsagend eine Augenbraue. „Denk` doch, was du willst!“ knurrte Stiles: „Aber tu mir einen Gefallen und mach` das woanders. Ich will jetzt schlafen!“ Er ließ sich wieder in die Matratze sinken und drehte Derek den Rücken zu. Erleichtert hörte er, wie Derek seiner Aufforderung nachkam und aus dem Fenster stieg. Natürlich hätte Stiles ihm auch sagen können, was Lucy ihm ins Ohr geflüstert hatte: „Ich habe diese Gefühle in dir und dem Werwolf nicht ausgelöst. Diese Macht habe ich nicht! Ich habe nur das an die Oberfläche geholt, was bereits da war!“ Doch Stiles zog es vor zu glauben, dass die Nymphe ihn angelogen hatte. Die Alternative war zu erschreckend! Kapitel 6: Science 101 ---------------------- Stiles saß im Naturwissenschaftsunterricht. Er war mit seinem Versuchsaufbau längst fertig, während all seine Mitschüler scheinbar nicht einmal so genau wussten, wo sie überhaupt anfangen sollten. Sein Lehrer Mr. Harris warf ihm einen finsteren Blick zu, doch diesmal hatte er wirklich keinen Grund, ihm das Leben schwer zu machen. Stiles hatte schließlich nichts falsch gemacht. Es war doch nicht seine Schuld, dass alle anderen im Raum offenbar nun einmal nicht zu den hellsten Birnchen am Christbaum zählten und die gestellte Aufgabe einfach nicht verstanden. Er hatte seinen Teil jedenfalls erledigt. Und nun langweilte er sich. Sein Blick fiel auf Lydia und er war nicht überrascht zu sehen, dass ausgerechnet sie die einzige andere Person im Raum war, die ebenfalls nichts mehr zu tun hatte. Sie drehte eine Strähne ihres rotblonden Haars um den Zeigefinger und blickte aus dem Fenster. Als sie Stiles Blick auf sich ruhen fühlte, wandte sie sich um, schenkte ihm ihr bezauberndes Lächeln und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Stiles grinste schwach zurück und wartete auf den Einsatz der Streicher im Hintergrund und das Toben des Schmetterlingschwarms in seinem Magen. Doch mit Bedauern musste er feststellen, dass es mittlerweile eher auf einen einzelnen, traurigen Kammbläser und den matten Flügelschlag einer sterbenden Motte hinauslief. Er hatte einmal einen Plan gehabt: den Plan, dass dieses schöne Mädchen ihn eines Tages anschauen würde und dann erkannte, dass ER derjenige war; der einzige und wahre Mann für sie. Und dann lebten sie beide glücklich bis ans Ende ihrer Tage- eben diese ganze traumhafte Hollywood-Grütze: Familie, weißer Lattenzaun, Sonnenschein und so weiter. Doch neuerdings schienen so viele frühere Gewissheiten kaum noch zu gelten und Sonnenschein war nicht mehr so attraktiv, wie er einmal gewesen war. Stattdessen fühlte er sich heuer angezogen von Dunkelheit und Mondlicht. Und irgendwo, verborgen im Schatten der Nacht war ER! Derjenige, der NUN seinen Pulsschlag beschleunigte. Nur in diesem Fall waren es keine Schmetterlinge, die in Stiles Eingeweiden tobten. Es war eher eine Horde schlecht gelaunter Fledermäuse! Und natürlich war Stiles sich sehr wohl im Klaren darüber, dass Derek Hale die ungesündeste Wahl war, wenn es um Objekte der Begierde ging. Zumal im Lichte der aktuellen Entwicklungen. In den letzten Wochen hatte Stiles Derek eher von weitem beobachtet. Das entsprach zwar nicht wirklich der Wahrheit, wenigstens nicht im räumlichen Sinne, denn sie hatten ja dauernd miteinander zu tun, doch innerlich war er einen Schritt zurückgetreten. Es zeichnete sich immer mehr ab, dass Stiles mit seinen Befürchtungen leider allzu richtig gelegen hatte. Derek war auf einem Machttrip und schuld daran war sein neuer Alphastatus. Und nun hatte er Peter Pans verlorene Jungen (und in diesem Fall auch Mädchen) um sich versammelt und sich ein Rudel geschaffen: Einen schwer traumatisierten Jungen, der von seinem Vater gefoltert wurde (Isaak), eine an Epilepsie erkrankte Einzelgängerin (Erika) und einen Kerl, den keiner mochte oder verstand (Boyd). Was hatte Derek sich nur dabei gedacht? Leider konnte Stiles sich nur allzu gut vorstellen was es war, doch es machte ihn nicht eben froh. Derek nahm sich die Einsamen und Entwurzelten, weil er über sie am Leichtesten Macht ausüben konnte! Etwas nagte an Stiles: Warum hatte Derek IHM nicht den Biss angeboten? Einsamer Nerd und Looser mit ADHS- er passte doch eigentlich ganz gut ins Beuteschema, oder nicht? Nicht dass er das Angebot angenommen und sich freiwillig dem Diktat dieses übellaunigen, einzelgängerischen Soziopathen unterworfen hätte. Er war ja nicht komplett verblödet! Aber es wäre doch schön gewesen, gefragt worden zu sein. War das wirklich zu viel verlangt, nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten? Lydia hatte mittlerweile damit begonnen, sich die Nägel zu feilen. Sie gähnte und selbst dabei sah sie noch süß aus! Also warum wollten sich die alten Gefühle nicht einstellen? Und warum hatte sie sich nicht schon vor einer Ewigkeit dazu entschlossen, ihr Augenmerk auf Stiles zu richten und zu entdecken, dass er und sie im Grunde perfekt füreinander waren? Bevor die Hölle über ihn hereingebrochen war und er sein dummes, suizidales Herz an Derek Hale verloren hatte. Dann wäre das alles nämlich gar nicht passiert! Und ja: er war mittlerweile soweit, wenigstens vor sich selbst zuzugeben, dass da irgendwas zwischen ihm und dem Werwolf war. Er war sich nur noch nicht so sicher, ob es sich nicht bloß um einen Zustand vorrübergehender geistiger Umnachtung handelte (Und er betete jede Nacht, dass es so war: Lieber Gott! Bitte mach´ dass ich lediglich den Verstand verliere, aber nicht, dass dieser Mistkerl mir tatsächlich gefällt! Mit freundlichen Grüßen und Amen! Dein Fan Stiles). Stiles hatte zwei Magnete gefunden, mit denen er nun spielte. Er hatte seinen Kopf auf dem Labortisch abgelegt und vor ihm lagen die beiden anthrazitfarbenen Klötzchen. Mit den Fingern schob er sie nun millimeterweise dichter zusammen, und noch ein wenig dichter, bis die Klötzchen schließlich wie durch Zauberhand allein das letzte Stück des Weges aufeinander zustrebten, weil sie gar nicht anders konnten. Und genauso waren Derek und er! Egal wie unerwünscht: die Anziehung war da! Und sie war nicht nur auf Stiles Seite vorhanden, dessen war er sich beinahe sicher. Zu oft hatte er den Werwolf dabei erwischt, wie er verstohlen in seine Richtung geblickt hatte, wenn er glaubte, niemand achtete auf ihn. Manchmal begegneten sich ihre Blicke auch und dann flackerte für den Bruchteil einer Sekunde etwas in Dereks Augen auf, was gleich darauf mit Macht wieder zurückgedrängt wurde an den verbotenen Ort, von dem es gekommen war. So war es doch, oder? Stiles drehte einen der Magnete herum und wieder versuchte er, sie mit den Fingern zusammenzuführen, was natürlich aufgrund der gleichgerichteten Pole nicht funktionierte. Sie wehrten sich und stießen einander ab. Und so waren Derek und er eben auch! Derek fand ihn merkwürdig, seinen Humor irritierend, seine Nervosität und Ungeschicklichkeit würdelos. Und Stiles wiederum störte sich an Dereks Überheblichkeit, seiner rauen Schale und neuerdings auch an seinem Hunger nach Macht. Eigentlich konnten sie einander überhaupt nicht leiden! Nur eben doch und das hatte möglicherweise bloß etwas mit Chemie zu tun; Pheromone, Endorphine oder irgendein anderer Körper-Hokuspokus, der den Verstand elegant umschiffte und damit Schachmatt setzte. Stiles Blick fiel auf Scott, der sich am Tisch vor ihm immer noch redlich mit seinem Versuchsaufbau abmühte. Er war hochkonzentriert, was daran zu erkennen war, dass seine Zungenspitze im Mundwinkel klebte und seine Augen leicht zusammengekniffen waren. So hatte er schon als Kind ausgesehen, wenn er an etwas getüftelt hatte. So wie das eine Mal, als Scott und er sechs Jahre alt gewesen waren und sie eine Kaninchenfalle gebaut hatten, weil sie beide unbedingt ein Haustier wollten und ihre Eltern sich weigerten, eines anzuschaffen. Diese Erinnerung ließ Stiles lächeln. Alles war so einfach gewesen, als sie sechs waren: keine Werwolfsdramen, sie hatten beiden noch intakte Familien gehabt und am wichtigsten; es gab keine hormonellen Verwirrungen! Mit sechzehn sah die Sache ganz anders aus. Alles drehte sich auf die eine oder andere Weise um Sex. Oder warum man keinen hatte. Um die Frage, mit wem und mit wem lieber nicht. Darum, ob man attraktiv war. Darum, wie man mit Zurückweisung umging. Und in Stiles Fall momentan darum, wie man mit unliebsamem Begehren umging. Er wünschte sich so sehr, dass er mit Scott über seine Gefühle sprechen könnte, so als sei es die normalste Sache der Welt: `Weißt du Kumpel? Ich bin möglicherweise in einen Kerl verliebt, der elf Jahre älter ist als ich, mich nicht leiden kann und der vermutlich einen ziemlichen Knall hat und gefährlich ist. Was meinst du sollte ich tun? Ein neuer Haarschnitt vielleicht, damit ich ihm auffalle? Sollte ich den ersten Schritt machen, oder lässt mich das wirken, als sei ich leicht zu haben?´ Sorry, nein! Bei aller Freundschaft, aber darüber konnte er mit Scott nicht reden. Das würde er nie verstehen! Und wahrscheinlich würde es zwischen ihnen alles für immer verändern. Und wenn er Scott verlöre, dann wäre alles verloren! Kurz dachte er daran, sich seinem Vater anzuvertrauen, doch schon der Gedanke daran machte, dass ihm kotzübel vor Angst wurde, also nein! Der Einzige, der ihm vielleicht beantworten konnte, ob seine Gefühle das waren, was er befürchtete, war Danny. Doch Danny war kein Freund! Bestenfalls ein Bekannter, aber wohl eher doch nur ein Teamkollege. Und er hatte sich schon bei früherer Gelegenheit als nicht gerade hilfreich im Bezug auf dieses Thema erwiesen. Er wollte ihm ja nicht einmal verraten ober, jetzt mal ganz hypothetisch gesprochen, attraktiv auf Männer wirken könnte. Nein, Danny fiel aus! Und damit war er wieder auf sich selbst gestellt. Die Pausenglocke läutete und ein Aufatmen ging durch den Raum. Nur Stiles vermochte der Gong nicht zu retten! Kapitel 7: Alpha ---------------- Dieses Kapitel macht mich überhaupt nicht glücklich, aber egal wie sehr ich auch daran herumschraube, besser wird`s leider nicht Sorry! Immer wieder träumte Derek in den letzten Wochen von seiner Mutter. Und es war jedes Mal dasselbe: Sie saß in ihrem Stuhl vor der Feuerstelle und blickte ihn aufmerksam an. Dann erhob sie sich, trat in aller Ruhe auf ihn zu, nahm sein Gesicht in ihre Hände und sagte ernst: „Du musst achtgeben, Derek! Es steht bevor. Versammle sie!“ Dann wachte er auf, konnte ihre Berührung beinahe noch spüren und das war schön. Doch ihre Worte wollten einfach keinen Sinn für ihn ergeben. Erst hatte er geglaubt, sie wollte, dass er sich ein Rudel schuf und das hatte er auch getan, doch die Träume hörten nicht auf. Und heimlich nagte ein Zweifel an ihm. Hatte er einen Fehler gemacht, als er ausgerechnet diese drei rekrutiert hatte? Hatte er ihnen ein Geschenk gemacht oder hatte er sie verdammt? Erika hatte sich so unglaublich verändert, war quasi zu so etwas wie der Antithese ihres früheren Ichs geworden und das sollte eigentlich nicht passieren. Ein Wolf zu werden machte noch keine gänzlich andere Person aus einem. Derek hatte keine Ahnung, was das bedeutete und ob er sich Sorgen machen sollte. Und Isaak war wie eine Handgranate ohne den Sicherungsstift. Sein Vater hatte seine arme Seele gründlich durch die Mangel gedreht und er, Derek hatte dem ehemals Ohnmächtigen praktisch eine geladene Waffe in die Hand gedrückt. Wie das ausgehen würde, konnte noch niemand wirklich absehen. Dann war da noch Boyd. Und Boyd war ein Rätsel für Derek. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, was in diesem Jungen vorging. Aber eines war dennoch überdeutlich: Zufriedenheit und innerer Frieden sahen anders aus. (Nicht das Derek selbst sich in einem dieser beiden Gebiete auch nur halbwegs auskannte!) Derek war nicht der Typ für scharfe Selbstbetrachtung, aber wenn er es gewesen wäre, dann wäre ihm klar geworden, dass er sich mit dieser Rudelsführer-Nummer gewaltig verhoben hatte. Er war für diese Aufgabe nicht geboren worden, war sozusagen aus Versehen in diese Lage gekommen und es gab niemanden, der ihn anleiten konnte. Ein Alpha zu werden hatte Derek insbesondere auf körperlicher Ebene verändert; seinen Hormonhaushalt in erster Linie. Es war so etwas, wie eine zweite Pubertät, die er durchlebte und wie in der wirklichen Adoleszenz musste er auch in diese Situation erst mal hineinwachsen. Das Problem war nur, dass ihm dazu eigentlich der Raum und die Zeit fehlten. Drei neue Werwölfe, jeder von ihnen auf seine Weise verloren und hilfebedürftig, blickten auf ihn, auf der Suche nach Antworten und er hatte keine. Und so behalf er sich eben mit Dominanz. Und dann gab es da noch Stiles, der ihn neuerdings anschaute, als sei er ein Monster! Diese Blicke waren wie Messer und drangen in sein Herz, in seinen Kopf ein. Stiles sagte nichts, doch Derek wusste, dass er verurteilt wurde. Und er hasste Stiles dafür. Weil das viel leichter zu ertragen war, als sich selbst zu hassen! Was wusste diese kleine Kröte schon von ihm, seinem Leben, seiner Verantwortung? Er war jünger als Stiles gewesen, als seine Familie, als seine Mutter umkam. Sie hatte ihm nicht beibringen können, was nötig war. Und letzte Woche bei einem Rudeltreffen, bei welchem auch Scott und Stiles zugegen gewesen waren, hatte es einen Vorfall gegeben, den Derek noch immer nicht ganz begriff und der ihn bis ins Mark erschüttert hatte. Warum die zwei überhaupt dabei sein mussten, wusste Derek selbst nicht so genau. Vermutlich, weil sie nach allem, was sie in letzter Zeit gemeinsam erlebt hatten eben irgendwie dazugehörten. Und andererseits auch wieder nicht, denn Scott und Stiles gehorchten ihm nicht, respektierten nicht seine Autorität, untergruben diese sogar vor den Anderen. Irgendwann im Verlauf dieses Nachmittags jedenfalls hatte Isaak irgendetwas wirklich Dummes gesagt.Es war eigentlich nichts Wichtiges gewesen und Derek konnte sich nicht einmal mehr richtig erinnern, worum es sich genau gehandelt hatte. Er erinnerte nur noch den glühend heißen, rotäugigen Zorn, den er in diesem Moment empfunden hatte; daran dass er Isaak angebrüllt hatte, wie ein Wahnsinniger und wie der Junge die großen blauen Augen noch ein wenig weiter aufgerissen und sich unterworfen hatte. Derek hatte in ihm in diesem Augenblick deutlich dass misshandelte Kind erkennen können, dass noch immer in dem jungen Mann schlummerte. Und aus irgendeinem Grund hatte ihn das noch zorniger gemacht. Mit rational nachvollziehbarem Verhalten hatte das natürlich nichts zu tun, jedoch wurde Derek dieser Tage auch nicht von seinem Verstand geleitet. Vielmehr war er getrieben von Impulsen und Emotionen. Und an dieser Stelle war Stiles dazwischen gegangen; im wahrsten Wortsinn sogar. Er hatte es tatsächlich gewagt, sich schützend vor Isaak zu stellen: „Entspann` dich Alter! Du schießt komplett übers Ziel hinaus!“ hatte er ihn ruhig aufgefordert. Daraufhin hatte Derek Stiles gepackt, ihn gegen die Wand geschleudert und den wehrlosen Jungen, der ihm absolut nichts entgegen zu setzen hatte, dort festgehalten. Das hatte natürlich Scott auf den Plan gerufen, der sein Schätzchen in Gefahr wähnte. Er hatte die Klauen ausgefahren und Derek angebrüllt, doch Stiles hatte unglaublicherweise versichert, dass alles in Ordnung sei. Stiles hatte sich bei der Begegnung mit der Wand ziemlich heftig den Kopf angeschlagen und hatte dennoch keinen Laut von sich gegeben. Er hatte vollkommen ruhig und gelassen gewirkt, als befände er sich gerade gar nicht in den Klauen eines angepissten Werwolfs, sondern als sei diese ganze Situation eine Art Picknick. Und so hatte Derek seinen Griff noch weiter gefestigt, Stiles noch enger an die Wand gepresst, um ihm Angst zu machen: „Misch` dich besser nicht in meine Angelegenheiten ein, Junge!“ hatte er geknurrt. Doch Stiles, der wehrlos in seinem Griff gefangen war wie eine Lumpenpuppe, ließ sich dennoch einfach nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen empfing Derek einen mitfühlenden Blick aus bernsteinfarbenen Augen und den beinahe zärtlich geäußerten Satz: „Mensch Derek, du bist echt total neben der Spur!“ „Weißt du was Stilinski: Ich hasse Dich!“ Hatte Derek daraufhin gezischt und konnte selbst hören, wie albern das klang; wie lächerlich und grotesk! Wie ein zwölfjähriger Pennäler, der peinlich berührt unbedingt verbergen will, dass er zum ersten mal in ein Mädchen… Moment Mal!!! Oh, nein!! Das war doch verdammt nochmal nicht möglich! War es wirklich das, was mit ihm geschehen war? Das DURFTE einfach nicht wahr sein, Wenn es das wäre, was er fühlte, dann würde er sich verdammt nochmal umbringen! Ausgeschlossen, dass er DAMIT weiterleben könnte!! Und im Geiste ging er die Arten durch, auf welche er seinem Leben ein Ende machen konnte. `Aber nein!´ dachte er dann `Er könnte ganz einfach Stiles umbringen!´ Problem gelöst! Und während er sich das noch vorstellte, wurde ihm mit einem Mal bewusst, dass er Stiles immer noch gepackt hielt. Er wurde gewahr, wie nah sie beieinander standen. Wie zart und zerbrechlich Stiles sich unter seinen Händen anfühlte. Stiles war BEUTE und kein Wolf! Wusste dieser Junge das denn wirklich nicht? Versagten seine Instinkte wirklich dermaßen? Ganz offensichtlich war es so, denn sein Herz schlug ganz und gar ruhig. Sogar ungewöhnlich ruhig, für Stiles Verhältnisse. Dereks eigenes Herz hingegen raste und ihm war bewusst, dass jeder Werwolf im Raum es hören konnte. Er öffnete schließlich die Fäuste, welche zuvor Stiles Shirt gepackt hatten, ließ die Hände aber noch einige Sekunde lang auf dessen Brustkorb liegen, denn er schaffte es einfach nicht gleich, ihn loszulassen. Als sei Stiles magnetisch. Entsetzt blickte er auf seine Hände hinab und riss sich schließlich gewaltsam los. Dann wandte er sich um, blickte in die Runde und forderte brüllend: „Ich will, dass ihr hier verschwindet, kapiert“ Und dann waren alle fort. Selbst Scott hatte sich zögerlich entfernt. Einzig Stiles war aus irgendeinem unerfindlichen Grund noch bei ihm: „Was machst du noch hier, du verdammter Spinner!“ hatte er geknurrt. Doch Stiles antwortete nicht, stand einfach nur still da und musterte ihn. Verflucht! Warum konnte er ausgerechnet dieses eine Mal nicht einfach Stiles sein, irgendeinen lockeren, unverschämten Spruch machen und im nächsten Augenblick ungeschickt über seine eigenen Füße stolpern? Warum sprach er ausgerechnet dann am Lautesten zu ihm, wenn er endlich einmal seine blöde Klappe hielt? Was als nächstes geschah war wirklich unheimlich! Stiles trat ruhig auf ihn zu, legte seine Hände an seine Wangen und sagte „Du musst achtgeben, Derek!“ Er sagte es genau so, wie seine Mutter es in seinen Träumen gesagt hatte. „Du musst achtgeben, Derek! Es steht bevor. Versammle sie!“ Und ehe Derek überhaupt noch begriff, was er eigentlich gerade tat, legte er die Arme um Stiles und vergrub sein Gesicht an dessen Halsbeuge. Stiles seinerseits legte ihm eine Hand sanft und sicher in den Nacken und schlang den anderen Arm um seine Taille: „Es wird alles wieder gut!“ flüsterte er in Dereks Ohr. Und in diesem einen Moment, war das die einzige existierende Wahrheit. Kapitel 8: Diese Woche sind`s Vampire ------------------------------------- Mir sind beim nochmaligen schauen der Seasons 1 und 2 ein paar grobe Schnitzer in meiner Chronologie in den ersten Kapiteln aufgefallen. Einige habe ich jetzt korrigiert, andere habe ich, weil meine Geschichte sonst nicht mehr so richtig funktioniert hätte, so gelassen. Ich hoffe, niemand von euch hat sich bislang allzu sehr darüber geärgert. „Vampire?“ Stiles schaute Scott ungläubig an: „Du verarschst mich doch! So etwas wie Vampire gibt es nicht!“ „Hallo! Dir ist klar, dass du das gerade mit einem Werwolf diskutierst? Also mal im Ernst: Nach allem was wir schon gesehen haben? Und Derek sagt immerhin, dass er sich sicher sei. Wir müssen also dringend etwas tun, wenn wir unser Team unversehrt wieder zurückbekommen wollen! Danny, Greenburg und die ganzen anderen: Alle weg!“ Stiles blickte sich auf dem Spielfeld um und musste zugeben, dass sich die Reihen seit zwei Tagen wirklich ganz schön gelichtet hatten. „Diese Woche sind`s also Vampire!“ murmelte er genervt: „Ist dir schon mal aufgefallen, dass unser Leben ein ziemlich abgedrehter Fiebertraum ist, seit du dich von einem Werwolf hast beißen lassen?“ „Soll das heißen, ich bin irgendwie daran schuld?“ fragte Scott empört: „Ach Blödsinn, Alter!“ erwiderte Stiles beschwichtigend: „Ich bin nur irgendwie schlecht drauf und mir geht dieser ganze übernatürliche Zirkus gerade ziemlich auf den Wecker.“ „Echt jetzt? Ich war immer der Meinung, du liebst das alles und bist süchtig nach dem Adrenalin.“ Scott runzelte die Stirn. Stiles zuckte mit den Schultern: „Zur Hölle! Vielleicht hat die ganze Sache in letzter Zeit ihren Glanz verloren? Oder vielleicht ist es einfach gerade `diese Zeit im Monat´. Was weiß ich?“ In Wirklichkeit wusste Stiles ganz genau, was mit ihm los war, aber er würde den Teufel tun und darüber sprechen. Er war eine Woche lang mit hochgeschlossenen Pullovern herumgelaufen und hatte sich selbst beim Umziehen fürs Lacrosse-Training hinter seiner Spindtür versteckt, damit niemand die blauen Flecken auf seiner Brust sehen konnte, die Derek dort hinterlassen hatte. Er hatte auch keinem von der Gehirnerschütterung erzählt, die er davon zurückbehalten hatte, dass Derek ihn gegen eine Wand geschleudert hatte wie einen Squash-Ball. Er hatte sich einfach den Rest des Tages ins Bett gelegt und seinem Vater gegenüber Kopfschmerzen vorgegeben. Und das war ja nicht einmal gelogen gewesen: In seinem Schädel hatte in der Tat an diesem Tag ein ziemlich heftiges Unwetter getobt. Und vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte einen Arzt aufgesucht, aber nun ja: Stiles stand nun mal nicht im Verdacht, sonderlich vernunftbegabt zu sein. Nicht einmal Scott gegenüber hatte er sich etwas anmerken lassen. Oder vielmehr insbesondere nicht Scott gegenüber, denn wenn sein bester Freund geahnt hätte, wie sehr ihm der Zusammenstoß mit dem Alphawolf körperlich zugesetzt hatte, wäre der mit Sicherheit losgegangen und hätte etwas sehr Dummes versucht. Und wäre dabei möglicherweise verletzt worden. Oder Schlimmeres, denn Derek war schließlich noch längst nicht über den Berg! Stiles hatte das recherchiert: Die hormonelle Umstellung würde den Alpha noch einige Wochen lang aggressiver und irrationaler sein lassen, als gewöhnlich und so lange würde er ein Auge auf ihn haben müssen. Warum er allerdings glaubte, dass ausgerechnet ihm (unterlegen, schwach auf der Brust und sehr, sehr menschlich) die Rolle des Raubtierdompteurs zufiel, blieb rätselhaft. Vielleicht deswegen, weil er als Mensch ein Außenstehender in dieser ganzen Werwolfsache war und eine einzigartige Sichtweise mitbrachte? Oder weil er bereits Scott damals nach dem Biss mit einigem Erfolg dabei geholfen hatte, mit den Veränderungen klar zu kommen und nicht überzuschnappen? So viel anders konnte das doch mit Derek und seiner Alpha-Problematik auch nicht sein, oder? Er war sich halbwegs bewusst, dass die Konfrontation, die er vor einer Woche mit Derek gehabt hatte, gefährlich gewesen war, dass es auf der Kippe gestanden hatte und dass es sehr gut auch viel schlimmer hätte ausgehen können. Er hatte die mörderische Wut in Dereks Augen gesehen. Warum er dennoch keine Angst gehabt hatte, wusste er selbst nicht so genau. Vermutlich weil er ahnte; nein, weil er wusste, dass es nicht sein Schicksal war, an diesem Tag durch Dereks Hände zu Schaden zu kommen. Weil das Leben etwas anderes für sie beide vorgesehen hatte! Und natürlich war er sich darüber im Klaren, dass solche Überzeugungen sehr gut auch ein Zeichen beginnender Wahnvorstellungen sein mochten. `Killing with Kindness!´ Das war jetzt Stiles Strategie. Und bislang war sie doch auch aufgegangen, richtig? Darin wurde er zumindest durch das bestätigt, was in der Nacht geschehen war, nachdem Derek ihn verletzt hatte. Stiles war plötzlich davon aufgewacht, dass er fremde Hände auf seinem Oberkörper gefühlt hatte. Er hatte die Augen geöffnet und gegen das Licht, welches durch sein Fenster schien, konnte er die vertrauten Umrisse von Derek erkennen. Keiner von ihnen hatte in jenem Moment etwas gesagt. Das war auch nicht nötig, denn Stiles wusste genau, was Derek tat. Er konnte es deutlich fühlen: Der Werwolf nahm ihm die Schmerzen! Und das war weit besser als Blümchen und eine Karte mit der Aufschrift: `Sorry dass dich gefaltet habe wie einen Origami-Schwan und dass um deinen Kopf nun diese nervtötenden kleinen Cartoon-Vögelchen kreisen!´ Vom Stil her vielleicht ein wenig übergriffig, aber immerhin eine sehr nette Geste. Derek musste auf dem Weg der Besserung sein, oder wenigstens Reue empfinden, wenn er mitten in der Nacht bei ihm auftauchte und die Krankenschwester mimte. Und dann hatte er sich Derek für einen ganz kurzen Augenblick in einer knappen sexy Schwesternuniform vorgestellt und hätte beinahe laut losgelacht. Doch im Grunde genommen war die ganze Situation überhaupt nicht witzig. Derek war vielleicht immer schon ein Arsch gewesen, aber gerade ging es doch irgendwie nur noch bergab mit ihm: Er hörte einfach nicht damit auf, Scott zuzusetzen, damit er sich ihm anschloss. Stiles gefiel auch nicht, wie Derek die Kids in seinem Rudel behandelte. Scheinbar waren sie für ihn ausschließlich Mittel zum Zweck; kaum mehr als Lakaien. Und nicht zuletzt hatte er vor kurzem versucht, Lydia umzubringen, als er sie für den Kanima hielt. Auch wenn seine Gefühle für Lydia sich ein wenig verschoben haben mochten, er würde sie mit Sicherheit immer irgendwie lieben und er würde alles tun, um sie zu schützen. Sogar, sich vor sie stellen, in dem gut gemeinten und zum Scheitern verurteilten Versuch, Derek irgendwie aufzuhalten. Und jetzt also auch noch Vampire! Als ob sie nicht schon genug Sorgen hatten, auch ohne dass Nosferatu auf einen Sprung hereinschaute. Aber vielleicht war das andererseits gar nicht so schlecht! Wenn man Derek etwas zum Draufhauen gab, kriegte er sich ja möglicherweise umso schneller wieder ein? Vorausgesetzt, es interessierte Derek überhaupt und er würde ihn und Scott unterstützen. Stiles kehrte aus seinen düsteren Gedanken zurück zu Scott ins Hier und Jetzt auf den Lacrosseplatz: „Und unsere ganzen geschätzten Teamkollegen sind also nach dieser Party in der stillgelegten Papierfabrik verschwunden?“ fragte Stiles stirnrunzelnd: „Warum waren WIR eigentlich nicht dabei? Sind wir zu uncool, um zu so etwas eingeladen zu werden?“ „Wir haben Eltern, die sich kümmern!“ antwortete Scott und fügte listig hinzu: „Und die hatten dummerweise beide an diesem Abend keine Nachtschicht.“ „Ach deshalb!“ erwiderte Stiles mit einem kleinen Schmunzeln: „Also sollten wir wohl damit beginnen, dass wir uns heute Nacht mal am Tatort umschauen. Wirst du Derek bitten, uns zu helfen? Ich schätze, wir könnten Rückendeckung gebrauchen.“ Scott nickte unglücklich:„Ich höre ihn schon: Komm` in mein Rudel, dann kriegst du alle Unterstützung, die willst. Bla, bla,bla!“ „Du hast recht! Dumme Idee! ICH werde ihn fragen.“ Scott blickte ihn zweifelnd an, sagte aber nichts. Stiles blickte sich misstrauisch in dem stillgelegten, verrotteten Bahnhofsgebäude um, dass Derek neuerdings sein zuhause nannte, seit es wegen der Verfolgung durch die Argents für ihn in seinem Haus nicht mehr sicher war. Stiles war überzeugt, wenn Derek nur gewollt hätte, hätte er sicherlich ein heimeligeres Plätzchen für sich und seine Babywölfchen finden können, doch das hatte er nicht. Er schätzte, dass diese Behausung; zugig, feucht, kalt, dunkel und halb verfallen, auch symbolisch war für seinen gegenwärtigen Gemütszustand: „Welchen Grund sollte ich haben, euch bei eurem kleinen Reißzahnproblem zu helfen, Stiles? Sind wir etwa Freunde, oder so etwas?“ fragte Derek und es klang so kalt, dass Stiles ein kleines bisschen zusammenzuckte. Aber so leicht würde er sich nicht abwimmeln lassen: „Ich weiß nicht Derek? Vielleicht ist es so eine `eine-Hand-wäscht-die-andere-Sache´? Es ist nicht sehr lange her, als ich dich zwei Stunden lang in einem Swimmingpool am Leben und oberhalb der Wasseroberfläche gehalten habe, als der Kanima dich paralysiert hatte. Vielleicht willst du dich ja netter Weise revanchieren, indem du uns bei der Suche nach unseren Freunden hilfst?“ Stiles Stimme triefte vor Sarkasmus. Und er behielt natürlich für sich, dass diese Lebensrettungssache durchaus auch einen persönlichen Lustgewinn für ihn bedeutet hatte – nicht in dem Augenblick, als es geschehen war selbstverständlich - das war einfach nur anstrengend gewesen und er hatte vom Strampeln im Wasser nach drei Tagen immer noch Muskelkater in den Beinen gehabt, aber immerhin waren sie sich in diesen beiden Stunden körperlich ziemlich nahe gekommen und ganz nebenbei hatte es Stiles die Möglichkeit gegeben, sich mit Dereks Anatomie vertraut zu machen – ganz legal! Und zumindest im Nachhinein war das sehr...inspirierend gewesen. „Du hättest durch deine Kooperation auch die Chance, dir wenigstens ein kleines bisschen meiner Achtung zurück zu verdienen!“ fuhr Stiles, aufgeblasen von unbegründetem Selbstbewusstsein fort. Derek lachte hart: „Warum sollte mir deine Achtung irgendetwas bedeuten? Für was hältst du dich eigentlich Junge, hmm?“ Stiles antwortet auf diese Frage nicht. Nicht verbal wenigstens, doch der Blick den er Derek zuwarf, sagte mehr als tausend Worte und am Gesicht des Werwolfs konnte der Junge sehen, dass er mitten ins Schwarze getroffen hatte: „Wann soll die Sache starten? Heute Abend?“ murmelte Derek also finster: „Du hast Glück, denn da habe ich zufällig auf meiner Tanzkarte noch etwas frei!“ Stiles nickte und widerstand dem Verlangen, breit und triumphierend zu grinsen: „In Ordnung Hale! Tanzen wir! Bis heute Abend! Gegen acht?“ Als er wieder allein war, hätte Stiles vor Freude beinahe laut gejauchzt. Er hatte einen Trumpf ausgespielt, von dem er sich vorher eigentlich gar nicht sicher war, ob er ihn besaß. Und nun hatte er die Bestätigung für...naja...Derek und seine Gefühle!“ Als sie sich vor der Papierfabrik trafen, stellte Stiles fest, dass Derek allein gekommen war: „Na, Kumpel! Hast du dein Rudel vom Restposten-Markt heute mal zuhause gelassen? Es ist ja auch schon ganz schön spät und ich schätze, in dem Alter brauchen Welpen noch viel Schaf, richtig?“ Derek ließ ein Knurren vernehmen: „Fein Stilinski. Ich kann auch einfach wieder gehen, kapiert?“ Derek machte Anstalten zu verschwinden, doch Stiles hielt ihn am Arm zurück: „Ach komm` schon, Grummelwolf. Sei nicht so humorlos. Jetzt hast du deinen süßen Hintern doch schon von der Fernsehcouch geschwungen, also kannst du dich auch nützlich machen.“ Dereks Knurren wurde lauter: „Aus, Stiles!“ befahl Scott scharf und erntete dafür einen verdutzten Blick von seinem besten Freund. Seit wann gaben die Hundeartigen den Menschen denn die Kommandos? Das wurde ja immer schöner! Aber Wunder über Wunder: Stiles hielt seine Klappe. Sie sahen sich in der dunklen Halle gründlich um, doch natürlich taten die verschwundenen Jungen ihnen nicht den Gefallen, ganz offensichtlich irgendwo mit ihren Entführern bei Tee und Keksen herumzusitzen: „Woher wollt ihr eigentlich wissen, dass eure kleinen Spielkameraden nicht schon längst leergelutscht und irgendwo in einem See, einem Müllcontainer, oder sonst wo entsorgt worden sind?“ fragte Derek überaus feinfühlig: „Der gute alte Optimismus!“ erwiderte Stiles gereizt: „Etwas, dass du vielleicht auch mal mehr in dein alltägliches Repertoire übernehmen könntest!“ „Ich denke ich weiß, wo wir suchen müssen!“ Mischte Scott sich ein und deutete auf einen, etwas verborgenen gelegenen Zugang zur Kanalisation in einer Ecke der Halle. Derek nickte: „Es ist typisch für diese Blutratten, sich im stinkenden Untergrund von Städten zu verstecken!“ kommentierte er: „Kein Sonnenlicht!“ „Und wie erledigt man diese Dinger überhaupt? Der gute altmodische Faustkampf, oder wie?“ Wollte Stiles wissen. Als Antwort zog Derek zwei Holzpflöcke aus der Jackentasche, von denen er einen an Scott weitergab: „Den hier, mit der spitzen Seite voraus ins Herz und dann muss hinterher nur noch einer zum Staubwischen kommen.“ „Aha! Also so wie bei Buffy!“ kommentierte Stiles begeistert und blickte in Dereks leeres Gesicht: „Die Vampirjägerin?“ fügte Stiles im Versuch einer Erklärung hinzu. Immer noch kein Erkennen in Dereks Mimik und darum gab Stiles auf und fragte anstatt dessen: „Wo ist mein Pflock?“ „Weißt du, wie viel Kraft man braucht, um angespitztes Holz in eine Brust zu treiben?“ fragte Derek. Stiles zuckte mit den Schultern und Derek fuhr fort: „Mehr als du je haben wirst, Kleiner!“ Und an Scott gerichtet erkundigte er sich: „Kommst du?“ „Hey! Und was ist mit mir?“ beschwerte sich Stiles sogleich: „Stiles! Bleib!“ befahl Derek. Schon wieder diese Hundekommandos! Das war jetzt wirklich nicht mehr witzig! „Aber...“ setzte Stiles zu einem Protest an, in welchem er sogleich von Derek unterbrochen wurde:„Da unten ist es eng. Wir wissen nicht, mit wie vielen Vampiren wir es zu tun haben und du bist ungeschickt und im Kampf absolut nicht zu gebrauchen. Dich halten sie allenfalls für einen Snack! Du bleibst hier, weil wir dich sonst nicht wirksam beschützen können!“ „So, so! Na dann mal los ihr tapfere Kerle. Bringt mir einen Reißzahn als Souvenir mit. Ich hüte dann hier so lange das Herdfeuer, einverstanden?“ erwiderte Stiles beleidigt und kickte ärgerlich eine, am Boden liegende Bierdose beiseite. Als Stiles wieder allein war, hockte er sich auf das, nun leere DJ-Pult und ließ die Beine baumeln. Die Dämmerung setzte ein und durch die Fabrikfenster fiel nicht mehr viel Licht herein. Und es war ganz schön einsam hier ohne die Anderen, stellte er mit einem Mal fest. Er schlang fröstelnd die Arme um seinen Oberkörper und lauschte eine ganze Weile in die Stille hinein. Und dann hörte er Schritte auf sich zukommen! „Sieh´ an! Was haben die beiden Hündchen denn da für mich zurückgelassen?“ Stiles konnte nicht sehen, wer da mit ihm sprach. Die Stimme klang sexy und kehlig und vollbrachte überdies das Kunststück, zur selben Zeit unwahrscheinlich anziehend und dennoch tendenziell furchteinflößend zu sein: „Wer ist da? Wieso versteckst du dich im Schatten?“ rief Stiles selbstbewusster, als er sich fühlte: „Sei ein braves Monster und zeig dich, damit ich dich sehen kann!“ Es ertönte ein beinahe gesungenes Lachen: „Sieh´ an!“ Raunte die Stimme: „Der Knabe hat Mut!“ Und dann trat der Vampir aus dem Schatten und nahm neben Stiles Platz. Woher dieser wusste, dass er es mit einem Vampir zu tun hatte? Nun, die Reißzähne gaben einen ganz guten Hinweis darauf. Stiles Körper spannte sich an. Er nahm seinen Mut zusammen und musterte das Wesen neben sich eingehend: Der Vampir war auffallend schlank, von der eleganten Erscheinung eines Tänzers und trug einen japanisch anmutenden Anzug in schwarz mit Stegknöpfen, welcher der körperlichen Erscheinung ausgesprochen schmeichelte. Das Gesicht war bleich und wunderschön, die Haare kinnlang und dunkel gefärbt. Lediglich die türkisfarbenen Augen verrieten, dass in diesem Körper eine uralte Seele steckte. Stiles sah genau hin, doch er konnte beim besten Willen nicht sagen, ob er einen Mann oder eine Frau vor sich hatte. Seltsam! Der Vampir streckte vorsichtig eine Hand nach Stiles aus und legte sie an dessen Gurgel: „Was für einen wunderschönen weißen Hals du hast! Wie stehst du dazu, diesen für die Ewigkeit zu erhalten? Zusammen mit dem attraktiven Rest von dir?“ Attraktiv, ja? Stiles war nicht zurückgezuckt, als der Vampir ihn berührt hatte: „Konservieren? Wie denn?“ stotterte er nervös: „Tupperware?“ „Du bist witzig!“ kommentierte der Vampir: „Ja richtig! So ist das bei mir.“ Erwiderte Stiles: „Wenn ich starr vor Angst bin, bringt das meinen jedes mal Witz zum sprühen. Sag´ mal, liegt es vielleicht im Bereich des Möglichen, dass du mich am Leben lässt?“ „Aber hast du denn nicht zugehört, Junge? Ich habe dir doch sogar gerade ewiges Leben angeboten.“ Erwiderte das androgyne Nachtschattengewächs schmunzelnd und es klang irgendwie wie ein sehr schmutziges Angebot: „Ewiges Leben, wie? Zumindest, solange niemand mit einem angespitzten Zweig vorbeikommt zumindest!“ antwortete Stiles ein wenig nervös: „Machst du das denn mit jedem Tom, Dick und Harry der vorbeikommt so? Du fragst ihn einfach, ob er ein Vampir werden will? Müsste es dann nicht wesentlich mehr von deiner Sorte geben?“ Der attraktive Blutsauger schenkte Stiles ein kleines Lächeln: „Keineswegs! Ich habe mir seit fast zweihundert Jahren keinen Gefährten mehr erschaffen. Ich habe wohl auf ein Gesicht wie deines gewartet!“ Stiles schluckte: „Gefährte sagst du? Was bedeutet das denn genau?“ Der Vampir lächelte wieder und die Hand, die bis gerade eben noch an Stiles Hals gelegen hatte, wanderte nun sehr langsam weiter nach unten über seine Brust, seinen Bauch und... ...hey, Moment Mal!! Und in diesem Moment waren Stiles und der Blutsauger plötzlich nicht mehr unter sich. Derek stürzte sich brüllend auf sie beide, während Scott sich mit den sechs vermissten Jungs, die allesamt ziemlich blass, angeknabbert und mitgenommen aussahen, ein wenig im Hintergrund hielt. Derek hatte seinen Pflock im Anschlag und ging auf den Vampir los, doch trotz seiner (oder ihrer?) schmächtigen Erscheinung, hatte der Blutsauger offensichtlich einiges auf dem Kasten. Ein einziger Streich der Rechten reichte aus, um den Alpha-Wolf quer durch den Raum zu schleudern: „Die Anderen habt ihr wohl erledigt vermute ich?“ fragte der Vampir bedauernd: „Tja, was soll´s! Sie waren jung. Mit MIR solltet ihr zwei Köter euch allerdings besser nicht anlegen. Ich bin mehr als zweitausend Jahre alt. Ich habe die Kreuzigung live gesehen. Und ich wäre heute nicht hier, wenn ich einfach zu töten wäre!“ Ohne auf die Worte des Vampirs zu hören, machte nun auch Scott einen Angriffsversuch – mit ebenso mäßigem Erfolg, wie zuvor Derek. Auch er bewies bei seinem Flug durch die Fabrikhalle seinen aerodynamischen Qualitäten und blieb nach seinem Aufprall zunächst einmal ein wenig benommen am Boden liegen. Nun wandte sich der Vampir wieder Stiles zu, legte sanft die Hände auf dessen Schultern und zog ihn nah; sehr nah zu sich heran: „Mir wird es hier gerade zu ungemütlich, aber wenn du es irgendwann satt hast, auf dieses Tier dort zu warten...“ er deutete auf Derek, der gerade mühsam versuchte, sich vom Boden aufzurappeln: „...dann musst du mich einfach nur rufen! Ich werde kommen, Süßer!“ „Ich werd` s mir merken!“ Konnte Stiles gerade noch mit zittriger Stime sagen, ehe er geküsst wurde, wie noch nie zuvor. Wow! Zweitausend Jahre Erfahrung machten sich wirklich bezahlt, schoss es Stiles durch den Kopf. Als sich der Vampir wieder von ihm löste, wäre Stiles beinahe auf die Nase gefallen, wenn er oder sie ihn nicht aufgefangen hätte: „Hey Kleiner! Willst du mal was Cooles sehen?“ fragte der Blutsauger zwinkernd. Und noch ehe Stiles etwas erwidern konnte, hatte der Vampir sich in eine große Fledermaus verwandelt und flog davon. „Musstest du ihm…oder ihr, oder was auch immer das Ding war wirklich deine Gurgel anbieten, wie irgendein Flittchen?“ fragte Derek später, als alles vorbei war knurrend. Huh! Flittchen? Merkwürdige Wortwahl, oder nicht Hale? War da etwa jemand eifersüchtig und bildete sich ein in Sachen Beißerei irgendein besonderes Vorrecht zu besitzen? „Du weißt, dass diese Dinger es nur auf deinen Körper abgesehen haben, oder?“ fragte Derek ärgerlich „Endlich mal einer!“ gab Stiles schulterzuckend zurück und schmunzelte in sich hinein: „Was ist das für ein Gesichtsausdruck, Stilinski?“ fragte Derek scharf. ´Wie? Was? Ach das! Das ist nur die gute, alte, ekelerregende Selbstzufriedenheit darüber, dass ich dir mittlerweile so ins Blut gegangen bin; um es mal vampiristisch auszudrücken, dass du mich auf keinen Fall mit irgendeiner anderen Kreatur der Nacht teilen willst, Kumpel. Weiter nichts.´ Laut sagte Stiles: „Wovon sprichst du bitte? Was für ein Gesichtsausdruck? Das ist dieselbe, gewöhnliche, wiederkäuende Einfalt, die ich alle Tage zu Markte trage. Nichts Besonderes!“ „Jetzt mal ganz im Ernst, Stiles.“ versuchte Derek es mit Vernunft: „Das war eine ziemlich gefährliche Situation. Wieso bleibst du nicht besser zuhause, wenn wir solche Ausflüge machen?“ „Keine Sorge, Alter! Ich hatte alles im Griff. Ich hatte nämlich einen Plan!“ behauptete Stiles: „Ach ja?“ fragte Derek skeptisch: „Und welchen?“ „Ich hätte mich beißen und verwandeln lassen und wäre dann jetzt Teil der dunklen Seite der Macht! Dann hätte sich die Sache mit `Stiles, dem armen, schutzbedürftigen Kätzchen´ ein für alle Mal erledigt!“ „Ist das eigentlich pathologisch bei dir. Hast du dir mal überlegt, warum du immer das letzte Wort haben musst, Stiles?“ Wollte Derek wissen. Der Jüngere gab vor, über die Frage nachzudenken und erwiderte dann: „Der Grund ist wohl die natürliche Überlegenheit meines Geistes, gepaart mit der feststehenden Tatsache, dass alle Anderen den ganzen Tag lang so viel dummes Zeug reden, dass ICH dann wieder berichtigen muss!“ Derek stöhnte augenrollend: „Du bist echt eine Nervensäge, Stilinski!“ „Ich halte dich auf Trab!“ erwiderte Stiles mit einem schiefen Lächeln: „Das hält dich jung, Hale!“ Als Derek später allein in seinem Schlupfwinkel war und versuchte, ein wenig zu schlafen, erlaubte er sich ein paar sehr private Gedanken, die er im Leben niemals vor irgendwem zugeben würde. Nicht mal unter Androhung von Gewalt: Dieser Stiles ließ sich von seiner aggressiven Abwehr einfach nicht beeindrucken, so wie alle anderen, egal ob Mensch oder Wolf und rückte ihm damit näher als irgendein anderes Wesen. Beinah ging er ihm bereits unter die Haut und das war so quälend und gleichzeitig so befreiend, dass es beinahe nicht zu ertragen war. Das Einzige, was Derek jetzt noch tun konnte, um diesen Burschen auf Distanz zu halten war, eine seiner unzähligen Mord- und Verstümmelungsdrohungen in die Tat umzusetzen. Aber waren wir einmal ehrlich: Das würde er nicht tun. Nicht einmal in einer Vollmondnacht. Es tat nur dann und wann einmal gut, es sich detailreich auszumalen! Kapitel 9: The Bitch is Back ---------------------------- Die Dinge hatten sich seit Beginn des neuen Schuljahres ziemlich überschlagen, dachte Stiles bei sich. Er und seine Freunde kamen kaum noch dazu, in Ruhe Luft zu holen. Zum Ersten war Peter wieder da, in abgespeckter Form vielleicht, aber dafür doppelt so manipulativ und nervtötend. Ein ganzes Rudel bestehend aus Alphawölfen hatte sich in Beacon Hills breit gemacht und machte sämtliche ortsansässigen Werwölfe, einschließlich seines besten Freundes komplett nervös. Und das färbte aus Solidarität mit dieser unterdrückten Minderheit auch auf ihn ab! Wöchentlich entschied Stiles neu, vor welchem dieser Alphas es ihn gerade am meisten grauste: Diese Woche war es unentschieden zwischen dem blinden Über-Alpha und der Krallen-Lady. Aber auch die Zwillinge Ernie und Bert, oder wie sie auch heißen mochten, passten ihm ganz und gar nicht. Und das aus dem einfachen Grund, weil sie sich an seine Freunde heranmachten. Also wirklich! Was stimmte denn bloß nicht mit Danny und Lydia, dass sie sich tatsächlich auf DIESE beiden einließen? Hatten sie ihre Instinkte etwa an der Garderobe abgegeben, oder was? Allein schon die Tatsache, dass ein so fantastisches Aussehen in doppelter Ausführung vorkam, deutete doch bereits auf etwas Widernatürliches und sehr Diabolisches hin oder nicht? Das KONNTE doch gar nicht mit rechten Dingen zugehen! Wenn er selbst morgens in den Spiegel schaute, blickten ihm da jedenfalls nichts weiter als das ganz gewöhnliche und alltägliche Durchschnittsantlitz, nebst Leberflecken und Gesichtsentgleisungen entgegen. Also? Beweisführung abgeschlossen, richtig? Diese Zwei dagegen waren die Schöne und das Biest in Personalunion! Und Apropos Personalunion: Diese ganze Körperverschmelzungssache der beiden war doch einfach nur eklig! Geschwisterliebe war ja schön und gut, aber wollte man deshalb wirklich gleich IN seinem Bruder sein? Ein weiteres Problem war: Peter war wieder da! Oder hatte er das schon aufgezählt? Und dann gab es da ja auch noch einen dunklen, ritualmordenden Druiden, der sich neuerdings in ihrer schönen kleinen Stadt angesiedelt hat. Ach ja: Und Peter war wieder da! Und was war das für eine Sache mit Lydia? Sie verhielt sich in letzter Zeit, um es vorsichtig auszudrücken wirklich bizarr, stolperte in einem fort über Leichen, hatte Visionen und ja... ...letztlich war es ihr zu verdanken dass das Sonnenscheinchen Peter wieder unter ihnen weilte. Bei diesem ganzen furchterregenden Durcheinander sollte man noch den Überblick behalten! Und als sei das alles noch nicht schlimm genug, gab es da ja auch noch Stiles ganz persönliches Drama: Er war wieder einmal in eine Person verliebt, die seine Existenz kaum anzuerkennen schien. Gerade war er über Lydia hinweg und hatte sich nun endlich, wenigstens vor sich selbst eingestehen können, dass er sich wohl doch tatsächlich in Derek verliebt hatte, (und es sich bedauerlicherweise NICHT bloß um eine vorübergehende Form von Schwachsinn handelte) hatte dieser offenbar sein Herz für eine gewisse Lehrerin entdeckt, der Mistkerl! ES war wirklich nicht die feine, englische Art, einem Jungen Hoffnungen zu machen, indem man vollständig aufhörte ihn gegen Zimmerwände zu schubsen oder sein Leben zu bedrohen und damit quasi anzudeuten, dass man Gefühle für ihn hätte und dann urplötzlich auf ein neues Objekt der Begierde umzuschwenken! Oder sah er das etwa falsch? Aber dem Idioten würde er es zeigen! Denn schließlich war Peter ja wieder da und wieso sollte das nicht auch ausnahmsweise einmal zu etwas nutze sein? Stiles war aufgefallen, dass Peter bei jeder Gelegenheit seine Nähe suchte. Mal stand er einfach nur sehr, sehr dicht hinter ihm, wenn sie beide etwas im Internet nachschauen wollten, mal hatte er seine Hand warm und besitzergreifend auf Stiles Schulter und bei wieder anderer Gelegenheit starrte Peter ihn einfach nur ohne Pause quer durch den Raum an, als gäbe es sonst nichts zu sehen. Diese unerwartete Aufmerksamkeit war selbstverständlich ein bisschen beängstigend, aber andererseits hatte Stiles als wachsamer Beobachter auch bemerkt, dass Derek das Verhalten seines Onkels ihm gegenüber überhaupt nicht passte und das musste doch irgendetwas bedeuten, oder nicht? Vielleicht wollte ein kleiner Teil von Derek Stiles ja DOCH irgendwie? Und vielleicht ließ sich dieser kleine Teil ja ein wenig katalysieren, maximieren oder optimieren? Und so kam es, dass jedes Mal wenn Peter ein wenig zu dicht bei Stiles stand, dieser ihm daraufhin sogar noch ein klitzekleines bisschen näher rückte; dass jedes Mal wenn Peter eine Hand an Stiles legte, dieser sich mit einer kleinen, unschuldigen Berührung revanchierte und jedes Mal wenn Peter ihn anstarrte, Stiles ihm ein kleines Lächeln oder sogar ein Zwinkern schenkte. Und Dampfkessel-Derek passte das gar nicht! Mit jeder neuen Situation dieser Art wirkte dieser ein kleines bisschen angepisster! Recht so! Auf die Idee, dass er möglicherweise ein ziemlich gefährliches Spiel spielte, indem er spaßeshalber mit einem Psychopathen flirtete, kam Stiles natürlich nicht. Derek war sich einer Sache völlig sicher: der verdammte Peter war nur aus einem einzigen Grund ins Reich der Lebenden zurückgekehrt; und zwar um ihm gewaltig auf den Wecker zu gehen. Seit er wieder da war, hatte er im Grunde genommen kaum einen Finger gerührt, um sich irgendwie nützlich zu machen. Im Vergleich zu ihm waren die Jugendlichen, aus denen sein Rudel bestand, sogar die menschlichen,ein Vorbild an Mut und Tatkraft! Und so etwas brauchte er in Zeiten wie diesen an seiner Seite! Derek gab es nicht gern zu; nicht einmal vor sich selbst, aber die Bedrohung durch das Alpha-Rudel machte ihn ausgesprochen nervös. Er hatte keine Ahnung, wie lange er diesem brutalen, und waren wir einmal ehrlich, kräftemäßig mehr als überlegenen Haufen noch standhalten konnte. Und Peter, immerhin ein geborener Werwolf mit viel Erfahrung, versteckte sich hinter der schwachen Ausrede, dass er ja noch nicht wieder voll bei Kräften sei, seit seinem triumphalen Comeback aus dem Totenreich. Aber vielleicht war das ja gar nicht mal das Schlechteste? Ein schwacher, inaktiver Peter war immerhin einer, der keinen allzu großen Schaden anrichten konnte. Hoffte Derek zumindest! Allerdings gab es ja auch noch diese andere Sache: Diese Sache, die im Raum stand. Diese Sache, die er unbedingt im Auge behalten musste. Diese Sache, die er unbedingt verhindern musste War Stiles eigentlich noch zu retten, zum Teufel nochmal? Was dachte er sich denn nur dabei? Es war eine Sache, wenn er mit IHM flirtete. Er besaß immerhin so etwas wie ein Gewissen, ein Gefühl für Moral und hatte seinen Verstand beieinander. Aber Peter? War der Junge von allen guten Geistern verlassen? Mit Lebensentscheidungen wie diesen, würde Stiles vermutlich nicht einmal seine Volljährigkeit erreichen! Und aus irgendeinem Grund gefiel Derek diese Aussicht nicht. Wie zur Bestätigung von Dereks schlimmsten Befürchtungen verkündete Peter nach einem ihrer Rudeltreffen, bei dem dieser eigentlich wieder einmal nur nutzlos herumgesessen und allen anderen die Luft weggeatmet hatte: „Ich mag Stiles! Er ist so frech! Irgendwie rührend!“ Derek schenkte seinem Onkel einen finsteren Blick; den finstersten zu dem er fähig war; einen Blick der töten konnte, doch an Peter Hale perlte er einfach ab, wie Regen von einer Imprägnierung: „Denkst du, Stiles mag mich auch?“ Peter schaute Derek aufmerksam an. Ein kleines, gruseliges Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel. Derek antwortete nicht. Und so führte Peter sein kleines Selbstgespräch einfach weiter: „Ich schätze, dass tut er!“ Peter lachte kurz auf: „Ich wette, wenn ich es darauf anlegte, also wenn ich meine Karten richtig ausspielte, könnte ich höchstwahrscheinlich sogar eine Einladung zum Schulball herausschlagen. Ich hab` da so ein Gefühl bei ihm: Ich denke, er spielt für beide Teams. Was glaubst du, Neffe?“ Wieder ein Lachen, begleitet von einem leisen Knurren von Derek. Peter monologisierte weiter: „Hinter seiner großen Klappe und seinem schnellen Verstand hat dieser Junge so eine gewisse…Unschuld und Verletzlichkeit! Findest du nicht auch? Das ist sehr anregend.“ „DU WIRST STILES IN RUHE LASSEN, DU KRANKER BASTARD!“ brüllte Derek. Seine Augen leuchteten rot auf und er packte seinen Onkel grob am Kragen: WENN DU IHN ANRÜHRST, DANN TÖTE ICH DICH!“ und schob stirnrunzelnd hinterher: „Auch wenn das redundant wäre.“ „Wusste ich` s doch!“ erwiderte Peter mit einem gelassenen Grinsen: „Was Peter?“ knurrte Derek: „Was glaubst du zu wissen?“ Peter blieb die Antwort schuldig und eigentlich war es ja auch offensichtlich, was er hatte sagen wollen. Derek war wütend über sich selbst, weil er sich bloß gestellt hatte. Und weil Peter nun seinen wunden Punkt kannte. Peter richtete sein Hemd und verließ das Loft seines Neffen `Was für ein Spaß!´ dachte er bei sich, als er wieder allein war. Einige Tage später kam die Situation, die Derek so sehr gefürchtet hatte: Nach Erica gab es nun ein zweites Mitglied seines Rudels, dass er nicht hatte retten können! Nur diesmal war es schlimmer, denn die Alphas hatten dafür gesorgt, dass Boyd durch Dereks eigene Hände hatte sterben müssen; und das sogar wortwörtlich, da sie seine Klauen als Mordwaffe verwendet hatte. Es war alles so schnell geschehen und er hatte sie einfach nicht aufhalten können. Der Junge war in seinen Armen gestorben. Er hatte dabei zusehen können, wie das Licht in seinen Augen erlosch. Derek blickte hinab auf seine blutigen Hände und es schoss ihm ein sehr finsterer Gedanke durch den Kopf: `Es ist die Geschichte deines Lebens: Was du berührst stirbt!´ Und da war noch etwas anderes: Boyd war in gewisser Weise etwas Besonderes für Derek gewesen! In diesem Jungen hatte er sich selbst erkannt. Wie er selbst war auch Boyd ziemlich einsam und verloren gewesen, hinter seiner imposanten körperlichen Erscheinung. Und Derek hatte es sich bis jetzt; wo es zu spät war nicht klar gemacht, dass er Boyd hatte erretten und erlösen wollen, damit er vielleicht den Glauben daran zurückgewinnen könnte, dass er selbst auch Erlösung finden konnte. Er spürte, wie sich Boyds Kraft mit seiner eigenen verband, aber dennoch fühlte er sich in diesem Augenblick unglaublich schwach. Nachdem Boyd gestorben war, hatte Stiles Derek die Hand auf die Schulter gelegt, weil er der wahnwitzigen Überzeugung erlegen war, wenn er es nicht täte, wurde Derek einfach umfallen und vielleicht nie wieder aufstehen. Aber es war nicht genug gewesen! Es war nicht einmal annähernd genug und darum hatte sich Stiles spät in der Nacht noch einmal aus dem Haus geschlichen und war zu Dereks Loft zurückgekehrt: „Wow! Hier sieht´ s ja immer noch aus wie Venedig in der Regenzeit!“ bemerkte er, auf das Wasser deutend, das immer noch knöcheltief am Boden stand, wohl wissend, dass er hier keinen Lacher ernten konnte. `Verdammt Stilinski! Kannst du nicht einfach mal deine Klappe halten?´ schalt er sich selbst, weil Derek es eben dieses Mal nicht tat und konnte. Der Werwolf saß auf der Wendeltreppe und blickte müde auf Stiles herunter: „Wo sind denn alle hin? Wo ist deine Schwester, wo ist Isaak?“ Wollte der Junge wissen: „Ich habe sie weggeschickt. Ich wollte niemanden sehen.“ Dann fügte Derek grimmig hinzu: „Und dich will ich auch nicht sehen, also verschwinde von hier, sonst...!“ „Ach, halt` doch einfach deine Klappe, Hale!“ unterbrach Stiles ihn sanft. Erklomm die Wendeltreppe Stufe um Stufe und fuhr ruhig fort: „Ich hab´ deine ewigen Drohungen so was von satt. Du weißt genau, dass du mir nichts tun wirst!“ Stiles ließ sich sehr langsam neben Derek nieder: „Und genauso gut weißt du, dass es die wohl dümmste Idee aller Zeiten ist, hier ganz allein herumzusitzen und zu trauern.“ Stiles legte einen Arm um Dereks Schultern: „Nimm´ deine Finger von mir verdammt! Was glaubst du, was du da tust, hmm?“ Knurrte Derek hilflos: „Ich tue etwas total Menschliches, Scruffy!“ erwiderte Stiles mit einem kleinen Zwinkern: „Ich spende einem Freund, der trauert ein wenig Trost.“ „Geh´ weg!“ forderte Derek, doch Stiles dachte gar nicht daran. Wenn Derek ihn wirklich hätte loswerden wollen, wäre er längst handgreiflich geworden. Und einer Sache war Stiles sich in diesem Augenblick vollkommen sicher: Die Abwesenheit von körperlicher Gewalt kam in diesem Fall quasi der flehentlichen Bitte Dereks gleich, ihn BLOß NICHT ALLEIN ZU LASSEN! Und Stiles war schließlich kein Unmensch, dass er so etwas ignorieren könnte. Er legte auch noch den zweiten Arm um Derek. Dann spürte er, wie dieser sich am ganzen Körper versteifte: „Es ist in Ordnung, Derek!“ flüsterte Stiles eindringlich: „Keiner wird je erfahren, dass ich hier war. Keiner wird je erfahren, dass du ein Herz hast, Kumpel!“ Und da ließ Derek endlich los und sank in die Umarmung des Jungen: „So ist es gut!“ flüsterte Stiles: „So ist es gut!“ Kapitel 10: Gestohlene Zeit im Niemandsland ------------------------------------------- Mit einem Mal waren die Bedrohungen durch das Alpharudel und den Darach gebannt. Sie hatten gesiegt! Natürlich hatten sie alle auch einen Preis bezahlen müssen. Allen voran natürlich Derek, der seinen Alphastatus geopfert hatte, um seiner Schwester das Leben zu retten. Und nun war Derek weg! Stiles konnte gut verstehen, dass er es in Beacon Hills gerade nicht mehr aushielt und fort wollte. Er selbst hätte ehrlicherweise auch nichts gegen eine Luftveränderung einzuwenden gehabt. Was er aber nicht verstehen konnte; nein, definitiv nicht, war die Tatsache, dass Derek nichts gesagt hatte nach…ALLEM! Stiles hatte es von Scott am Telefon erfahren müssen, dass Cora und Derek vor einigen Stunden ohne Auskunft über Ziel und Rückkehr abgereist seien, als sei er nicht wichtig genug, ein persönliches Lebewohl zu erhalten. Stiles schlug mit der Faust hart gegen die Wand über seinem Bett. Und in diesem Moment teilte sein Handy mit, dass er eine SMS erhalten hatte. Er rieb sich die schmerzenden Fingerknöchel und nahm das Telefon vom Nachttisch. Von Derek! Mistkerl! Wollte er ihn wirklich mit einer schlichten Kurzmitteilung zum Abschied abspeisen. Etwa in der Art: `Bin weg. Komme nicht wieder. Schönes Leben noch, Kumpel!´ Billig! Als er den Inhalt der Nachricht öffnete, hätte Stiles jedoch nicht erstaunter sein können. Sie enthielt den Namen und die Wegbeschreibung zu einem Hotel fünfzig Meilen von hier und den Nachsatz: „Verbringen dort die Nacht! Kommst du?“ Eine Minute lang hatte Stiles trotzig darüber nachgedacht, gar nicht hinzufahren. Sollte der treulose Wolf doch sehen wie es war, hängen gelassen zu werden. Nicht, weil er wirklich das Herz dazu gehabt hätte, sondern einfach bloß, weil es gut tat, gedanklich mit dieser Möglichkeit zu spielen. Doch natürlich tippte er umgehend eine Antwort in sein Handy (`Bis später, du Arsch!`), stand eine Stunden später vor der Hotelzimmertür und klopfte. Es dauerte einen Moment, ehe ihm geöffnet wurde, doch dann stand Derek vor ihm, barfuß, nur in Jeans und mit einem Handtuch auf dem Kopf, mit welchem er sich die Haare trockenrieb. Eine Sekunde lang erlaubte sich Stiles, den Blick über den gestählten Brustkorb gleiten zu lassen, ehe er sich ein wenig zur Seite drehte, um nicht als Spanner entlarvt zu werden. Derek warf das Handtuch aufs Bett, griff nach einem Shirt, streifte es sich über und Stiles atmete erleichtert durch: „Weit bist du ja nicht gekommen!“ stellte er lakonisch fest: „Ich bin ein „Arsch“?“ Derek hob belustigt eine Augenbraue. Stiles zuckte mit den Schultern und Derek fuhr fort: „Cora und ich saßen im Auto und eigentlich wollte ich so schnell und so weit wie möglich von Beacon Hills weg, nach allem, was passiert ist. Dann wurde mir klar, dass ich etwas Wichtiges vergessen hatte!“ Stiles wollte fragen, was das war, doch ein Blick in Dereks verlegenes Gesicht ließ ihn ahnen (oder vielmehr hoffen), worum es ging: „Wo wollt ihr denn eigentlich hin? Wann werdet ihr zurück sein?“ Derek blieb die Auskünfte schuldig, was zweierlei bedeuten konnte: Entweder die ganze `Flucht-aus-Beacon-Hills-Sache war nicht allzu gut durchdacht und er wusste es selbst nicht so genau, oder er wollte verhindern, dass ein verliebter Teenager, der den kriminalistischen Spürsinn seines Vaters geerbt hatte, sich an seine Fersen heftete. Doch eines verriet Stiles diese Zen-Buddhistische Nicht-Antwort: Was auch immer sich jetzt abspielen sollte, sie hatten dafür nur diese eine Nacht. Oder vielmehr nicht einmal die, denn wenn er vor seinem Vater zuhause sein wollte hieß das, um spätestens vier Uhr morgens wieder im eigenen Bett zu liegen. Jetzt war es halbsechs am Abend! „Wo ist Cora?“ fragte Stiles: „Sie hat ihr eigenes Zimmer!“ erwiderte Derek: „Nebenan?“ wollte der Jüngere wissen. „Anderes Stockwerk!“ lautete die Antwort. Gut zu wissen, dachte Stiles bei sich. Denn wie auch immer dieser Abend verlaufen würde, er hätte ungern ein übernatürlich scharfes Teenager-Werwolfgehör in der Nähe. „Willst du reden?“ fragte Stiles. Derek sah unbehaglich aus, so, als ränge er schwer mit sich und schließlich fragte er: „Ich muss nur eine einzige Sache wissen: Ist da etwas zwischen uns! Ich habe nämlich das Gefühl, ich kann mich in Fragen wie diesen nicht mehr unbedingt auf meine Instinkte verlassen.“ Natürlich sprach er von Jennifer, die sich am Ende als der Darach entpuppt hatte. Stiles nickte: „Ja, da ist etwas!“ bestätigte er mit belegter Stimme. „Gut!“ erwiderte Derek. Dann trat er näher auf Stiles zu und griff nach dessen Hand. Es war eine unerwartet sanfte Geste. Stiles ließ sich von dem Älteren zum Bett führen, wo sie beide schüchtern nebeneinander Platz nahmen und die Finger ineinander verschränkten. Das war nicht ganz die leidenschaftliche Schlafzimmerszene, die Stiles hin und wieder in schlaflosen Nächten vor seinem geistigen Auge erschienen war, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte Stiles genug Mut gesammelt, um den Kopf auf Dereks Schulter abzulegen. Der Werwolf hielt für einen Moment den Atem an. Dann entspannte er sich wieder ein wenig, legte sich auf das breite Hotelbett und zog Stiles neben sich, achtete dabei jedoch darauf, dass eine Handbreit Abstand zwischen ihnen blieb. Derek lag auf dem Rücken und starrte zur Decke. Stiles war ihm zugewandt und betrachtete ihn: den Brustkorb, der sich hob und senkte, das kantige Profil und den unbehaglichen Gesichtsausdruck: „Wenn ich fort bin, habe ich wenigstens keine Möglichkeit mehr, dich in meinen Werwolf-Mist mit hineinzuziehen und dein Leben in Gefahr zu bringen!“ sagte er Ältere unvermittelt. Stiles lachte kurz und bitter auf: „Du vielleicht nicht, aber ich schätze, Scott und den Anderen wird schon etwas einfallen!“ und auf den Lippen lag ihm noch `Aber dann wirst du nicht in der Nähe sein, um mir den Arsch zu retten´, doch er wollte nicht gehässig, kleinlich und egozentrisch klingen. Und wenn er schon nur diesen Abend hatte, dann wollte er ihn sicher nicht mit Anschuldigungen und Streit verbringen. Er schluckte. Dann beugte er sich zu Derek hinüber und legte schüchtern einen weichen Kuss auf dessen Lippen. Der Ältere blickte ein wenig ängstlich in sein Gesicht, als er erklärte: „Du bist so jung!“ Doch Stiles konnte hören, dass der Satz eigentlich hätte lauten müssen `Du bist ZU jung!´ Die Frage war nur, zu jung wofür? Um sein Leben in irgendeiner übernatürlichen Schlacht zu verlieren? In diesem Fall: Volle Zustimmung! Er war definitiv noch nicht bereit abzutreten! Doch wahrscheinlicher war, das Derek meinte `Du bist zu jung für mich und das, was ich gern mit dir tun würde´ und damit war Stiles rein gar nicht einverstanden. Und überhaupt! War er nicht hier, weil er eingeladen worden war? Was sollte er mit diesen inkongruenten Botschaften anfangen? Er legte eine Hand auf Dereks Brustkorb und wartete ab, ob es erlaubt war. Als die Gegenwehr ausblieb, begann er mit den Fingern sanft kleine Kreise zu beschreiben: „Warum hast du mich hierher bestellt? Was mache ich hier? Ich fühle mich wie ein Schauspieler bei der Premiere, der seinen Text nicht kennt!“ Derek schaute ihn an und dutzende Regungen zeigten sich in seinem Gesicht: Angst, Trauer, Unsicherheit, Scham. Aber darunter lag noch etwas anderes; etwas das Stiles sehr gefiel; etwas Wildes!“ Und plötzlich lag Derek auf ihm, pinnte Stiles Hände mit den eigenen über dessen Kopf fest, drängte sich eng an ihn und küsste ihn fest, tief und lange. Und weil er seine Hände gerade nicht zur Verfügung hatte, schlang Stiles ein Bein um ihn, um ihn noch näher bei sich zu haben. „Wow!“ murmelte Stiles, als sich ihre Lippen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder voneinander lösten. Derek blickte auf ihn hinab, die Kiefer nun plötzlich fest ineinander verbissen und der Blick unglaublich ernst: „Was ist?“ erkundigte sich Stiles verunsichert: „Das hier ist nicht richtig!“ erklärte Derek und rollte von dem Jüngeren herunter: Stiles wandte sich Derek zu und stützte das Kinn auf seine Hand: „Für mich fühlt es sich aber ziemlich richtig an!“ Trotz lag in seiner Stimme und er schob eine Hand unter Dereks Shirt. Dieser schloss die Augen und genoss einen Moment lang die Finger auf seiner Haut, ehe er nach dem Handgelenk griff und der Sache ein Ende machte: „Das hier war ein Fehler! Vielleicht solltest du jetzt besser gehen!“ murmelte Derek: „Meine Zeit hier ist noch nicht vorbei. Wenn du mich loswerden willst, musst du mich schon mit Gewalt hinauswerfen, Kumpel!“ verkündete Stiles selbstbewusst und nun war er derjenige, der oben lag und den Kopf senkte, um Derek zu küssen. Überraschenderweise wehrte dieser sich erst, als Stiles Finger an seinen Jeansknöpfen zu nesteln begann. Derek packte die Hand des Jüngeren und schob sie beiseite: „Das wird nicht geschehen! Du bist minderjährig!“ brachte er entschieden vor: „Die Gesetze, die das verbieten, sind zum SCHUTZ von Minderjährigen da. Ich brauche aber keinen Schutz vor dir. Ich vertraue dir und ich will es! Niemand wird je davon erfahren, Derek!“ versicherte Stiles ernsthaft. Derek schüttelte den Kopf: „Ich würde es wissen.“ Murmelte er. Stiles richtete sich auf, blieb aber auf Dereks Hüfte sitzen. Er blickte hinab in das zerknirschte Gesicht des Werwolfes und empfand abwechselnd Ärger und Rührung. Und dann noch mehr Ärger, weil er es absolut unpassend fand, dass Dereks Zurückhaltung ihn rührte! Ihm lag eine heftige Erwiderung auf den Lippen, doch er wusste, es würde nichts an der Situation ändern. Er atmete tief durch und antwortete schließlich sanft: „Was hast du an meinem achtzehnten Geburtstag vor?“ Derek lächelte vielsagend: „Küssen wir uns noch eine Weile?“ fragte Stiles weiter Das Lächeln des Älteren wurde breiter: „Oh, ja!“ Es war bereits drei Uhr am Morgen, als Stiles Blick auf Dereks breite, silberne Armbanduhr auf dem Nachttisch fiel: „Verdammt!“ fluchte er: „Wenn ich vor meinem Vater zuhause sein will, dann schaffe ich das nur noch mithilfe von Geschwindigkeitsübertretungen und überfahrenen Stoppschildern!“ Er setzte sich auf, rückte seine krause Kleidung zurecht und strich sich durch die Haare, um wieder halbwegs so etwas wie eine Frisur herzustellen. Dann blickte er auf Derek hinab: „Bitte komm` zurück mit mir nach Beacon Hills! Ich will nicht, dass du einfach verschwindest!“ murmelte er. Derek richtete sich ebenfalls auf: „Ich wünschte, ich müsste nicht!“ „Du MUSST ja auch nicht. Das ist nur in deinem Kopf so!“ erwiderte Stiles trotzig: „Tut mir leid!“ sagte Derek niedergeschlagen, weil es sonst nichts weiter zu sagen gab: „Wie auch immer!“ gab Stiles mürrisch zurück, schwang die Füße über den Bettrand, zog sich seine Schuhe an und ging hinüber zur Tür. Tatsächlich dachte er einen winzigen Moment darüber nach, einfach grußlos zu verschwinden, doch da war wieder dieser verfluchte Magnetismus, der ihn einfach nicht ohne weiteres entkommen ließ. Er wandte sich um und ließ sich mit dem Rücken gegen die Tür fallen: „Sehe ich dich irgendwann wieder?“ wollte er von Derek wissen. Dieser war sekundenschnell aufgestanden und bei ihm: „Spätestens an deinem achtzehnten Geburtstag.“ Erwiderte er und legte Stiles die Hände auf die Hüften: „Weißt du überhaupt, wann der ist?“ fragte der Jüngere skeptisch. Derek nickte. Sie küssten sich noch einmal und dann brach Stiles einfach auf, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Kaum hatte er das Hotel verlassen und saß in seinem Wagen, kamen Stiles die Begebenheiten dieser Nacht bereits vollkommen irreal vor. Er und Derek waren sich im Niemandsland begegnet und hatten gestohlene Zeit miteinander verbracht. Es hätte ebenso gut ein Traum gewesen sein können. Kurz war sein schläfriges Hirn sich nicht mehr sicher, ob es nicht auch genauso gewesen. Er startete den Motor in dem Bewusstsein, wenn (und falls!) Derek und er sich je wiedersehen sollten, würden sie beide so tun, als habe diese Begegnung niemals stattgefunden; völlig egal was Derek gesagt hatte. Kapitel 11: Nogitsune --------------------- Der dunkle Geist hatte eine offene Tür gefunden; die Tür in ein neues Zuhause und er hatte nicht die Absicht, wieder zu verschwinden, denn es gefiel ihm hier. Der Verstand dieses Jungen war etwas Besonderes: komplex, flexibel, vielschichtig und abgründig. Der Nogitsune fühlte sich schnell heimisch in diesen Hirnwindungen. Er genoss den Kampf wie eine gute Mahlzeit; die Angst und die Schmerzen, die der Junge empfand waren köstlich und die Verzweiflung und die Gegenwehr des Burschen amüsierten ihn. Es würde ein Riesenspaß werden, dieses Kind zu brechen, denn dieser Stiles war stark! Und er hatte Freunde! Das bedeutete, es gab eine Menge Schaden anzurichten und das machte es noch interessanter! Einmal hatte er das Gesicht seines Gastgebers als Reflexion in einer Scheibe gesehen und hielt einen Moment inne, um sich mit den fremden Zügen vertraut zu machen. Wie unglaublich jung er war! Diese Menschen waren eigenartige Geschöpfe. Sie nahmen sich so furchtbar wichtig; Teenager noch mehr, als ausgewachsene Exemplare und dennoch waren sie kaum haltbarer als Fliegen. In tausend Jahren hatte der Nogitsune viele Gesichter getragen. Menschen waren gekommen und gegangen, ohne große Spuren zu hinterlassen. Bedeutungslos und vergänglich, wie Steine auf einem Spielbrett – gerade noch im Spiel und dann eben nicht mehr, in weniger als einem Wimpernschlag. „…sieben, acht, neun, zehn!“ Zum dutzendsten Mal in wenigen Minuten hatte Stiles seine Finger abgezählt, um sich zu vergewissern, dass er wirklich, wirklich wach war. Restlos überzeugt war er dennoch nicht. Wenn er schlief, fürchtete Stiles, dass etwas Fremdes in ihm die Kontrolle übernehmen, seinen Körper steuern und seine Hände dafür nutzen würde, furchtbare Dinge anzustellen. Wie sonst war es möglich, dass er an fremden Orten erwachte und nicht mehr wusste, wie er dort hingekommen war. Und so blickte er erneut hinab auf diese Hände, die ihm nicht mehr ganz und gar wie die seinen erschienen. Dann zählte er von neuem: Eins, zwei, drei...!“ Das Atmen viel ihm schwer, er konnte nicht aufhören zu Zittern: Eine einzige endlose Panikattacke! Stiles wusste noch immer nicht genau, was ihm zugestoßen war. Es war verwirrend und ergab einfach keinen Sinn. Er wusste nur, dass er noch nie so wahnsinnig große Angst vor irgendetwas gehabt hatte. Und nun war er umgeben von diesem Krankenhausgeruch, der Erinnerungen weckte. Mit einem Schlag war alles wieder da: wie er seine Mutter hier besucht hatte, wie sie von Mal zu Mal weniger sie selbst gewesen war. Und als sie dann schließlich starb, war er es, der mit ihr zusammen gewesen war – neun Jahre alt und ganz allein mit dem Tod! Er hatte den Ausdruck auf dem Gesicht seines Vaters gesehen, den auf dem Gesicht von Melissa McCall. Doch gerade war Scott bei ihm gewesen und irgendwie war dieser Blick am Schwersten zu ertragen. Stiles hatte es seinem besten Freund erklären müssen, dass es scheinbar dasselbe war, wie bei seiner Mutter: Frontotemporale Demenz. Doch Scott konnte das nicht akzeptieren, denn auch er hatte Erinnerungen; Erinnerungen an Wahnsinn und Tod. Es stand quer über sein Gesicht zu lesen: die Möglichkeit, dass seinem besten Freund dasselbe passieren könnte, war für ihn absolut inakzeptabel. „Wenn es das ist, dann werden wir etwas dagegen tun. Dann werde ICH etwas dagegen tun!“ hatte er verkündet. Stiles wusste natürlich, was Scott meinte. Nur dass es auch hierbei eine gute Chance gab, dass Stiles sterben würde. Dann würde er Scott mir der Schuld zurücklassen, ihn getötet zu haben. Und darüber käme dieser sicherlich nie hinweg. Stiles sagte zunächst nichts, doch vermutlich er würde das Angebot ausschlagen, wenn es dazu käme. Nachdem der wachsame Polizisten den kleine Trick mit dem gefälschten MRT-Bild durchschaut hatte, dachte der Nogitsune, es könnte spaßig werden, den Freunden und der Familie vorzugaukeln, dass sie ihren Jungen wieder hätten, während in Wirklichkeit ER die ganze Zeit am Steuer saß und weiterhin ungehindert Schaden anrichtete. Doch der verdammte Druide hatte einen unerwarteten Zug gemacht, ihn vergiftet und zurückgedrängt und nun war der Nogitsune wirklich wütend! Er stand im Schatten und wartete auf seine Chance. Irgendwann musste dieser Junge schlafen und dann wäre er wieder da. Der Abschied von seinem Dad war furchtbar gewesen. Gern hätte Stiles irgendetwas gesagt, dass seinem Vater bewiesen hätte, dass es in Ordnung sei, ihn für zweiundsiebzig Stunden hier in `Eichen-Haus´ zur Beobachtung zurückzulassen, doch was hätte das sein sollen? `Ach komm` Dad, das wird schon! Und in drei Tagen holst du mich wieder ab, wir besorgen uns einen großen Eisbecher und lachen über das alles?´ Wohl kaum! Ein Monster lauerte auf Stiles. Er wusste es und war starr und erstickt vor Angst. Und Worte, egal wie sorgfältig gewählt, würden daran nichts ändern. Aber vielleicht würde er in `Eichen Haus´ ja ein paar Antworten finden; irgendwas, dass ihm endlich einen Vorteil verschaffte gegen seinen übermächtigen Gegner? Und dann hatte er in Malia unerwartet Hilfe hier in `Eichen Haus´ gefunden. Sie war stark und ziemlich listig. Er war froh, eine Verbündete zu haben. Als sie ihn geküsst hatte, tat es wahnsinnig gut, endlich wieder einmal etwas neben der Angst zu fühlen. Er dachte nicht an Derek, während seine Hände über den weichen, schönen Körper des Mädchens wanderten. Er atmete einfach nur durch und genoss das Gefühl. Kaum war Derek zurück in Beacon Hills, gingen natürlich auch die Katastrophen wieder los. Nur eben diesmal noch viel furchtbarer als gewöhnlich. Erst hatte er es nicht glauben wollen, als er von Aiden erfuhr, dass der Nogitsune sich ausgerechnet in Stiles eingenistet haben sollte. Was sollte ein mächtiges Wesen von einem mageren, wehrlosen Burschen wie ihm schon wollen? Er änderte seine Meinung schnell, nachdem es Stiles Hände gewesen waren, die ihn einmal quer durch sein Loft und gegen eine Wand geschleudert hatte, als sei das weiter nichts. Als er ihn an diesem Tag angeschaut hatte, war Derek sich einer Sache plötzlich vollkommen sicher gewesen; dass von dem Stiles den sie kannten nichts mehr übrig sein konnte. Seine Augen waren ihm grausam leer erschienen; nichts mehr von der Wärme, dem Witz und der Intelligenz, die sonst darin lagen. Der Körper war sogar noch magerer und bleicher als gewöhnlich, so als würde alles, was Stiles war, Stück um Stück verzehrt werden. Der Anblick hatte einen sehr bitteren Geschmack in Dereks Mund hinterlassen und er war froh, dass es nicht seine Entscheidung war, wie mit dieser Situation zu verfahren sei, denn er ahnte leider, wie er selbst vorgegangen wäre. Aber nicht Scott! Denn nun war er der Alpha und er würde jedes Mitglied seines Rudels und insbesondere Stiles beschützen und zu retten versuchen, bis zu dessen (oder aber seinem eigenen) letztem Atemzug. Und so lautete nun Dereks Befehl: Stiles retten! Damit hatte er eine Mission und die gab ihm eigenartiger Weise, entgegen seiner eigenen Überzeugung die Hoffnung, dass es tatsächlich noch etwas zu retten gab. Eigentlich sollte es Derek merkwürdig vorkommen, sein ganzes Vertrauen in einen siebzehnjährigen Rudelführer zu setzen, aber sein Instinkt bestätigte ihm, dass Scott der Verantwortung gewachsen war und er auf ihn bauen konnte. Er kannte seine Aufgabe: Er musste seine Erfahrung und seine Stärke in Scotts Dienst zu stellen und das tat er auch mehr als bereitwillig! Überdies behielt er Chris Argent und die Zwillinge für seinen Alpha im Auge, denn er selbst mochte Scotts Entscheidung zwar respektieren; ob das aber auch für diese drei galt, stand auf einem anderen Blatt. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, hatte Derek eine eiserne Grundregel für seinen privaten Gefühle in dieser Angelegenheit aufgestellt: Sie existierten nicht! Basta!! Ansonsten hätte er sicher den Verstand verloren. Stiles war dabei erwischt worden, wie er in `Eichen Haus´ herumgeschnüffelt hatte und das Beruhigungsmittel sollte seine Strafe sein. Aber wieso verstand dieser sadistische Bastard mit der Spritze denn bloß nicht, dass auf keinen Fall einschlafen durfte? Dann war es zu spät! Die Nadel fand ihren Weg in seinen Arm. Doch Stiles war noch nicht bereit aufzugeben. So bald er seine Augen schloss, hätte er verloren; das wusste er und so versuchte er alles, um wach zu bleiben: Er lief in seiner gefliesten Zelle hin und her. Er hüpfte auf und ab. Er zählte seine Finger ab, bis sie vor seinen Augen verschwammen Und schließlich begann er, sich selbst hart ins Gesicht zu schlagen. Aber am Ende kam es doch, wie es kommen musste. Stiles war schon nicht mehr bei Bewusstsein, als er hart auf die Fliesen aufschlug! Der Nogitsune schlüpfte zurück in den Jungen wie eine Hand in einen Handschuh. Zeit, ein paar Tatsachen zu schaffen! Der Raum der Stiles in seinem Inneren blieb war winzig, wie eine Abstellkammer. Der Nogitsune war überall, kontrollierte jeden Muskel in seinem Körper und Stiles konnte nichts weiter tun, als wehrlos zuzusehen. Er sah, wie seine Freunde um ihn kämpften und dabei gleichzeitig auch gegen ihn und er konnte den Schrecken in ihren Augen sehen. Er versuchte ihnen zuzurufen, aber er hatte keine Stimme. Es schien aussichtslos und beinahe wünschte Stiles sich, dass sie ihn endlich töten mochten, damit das Böse, dass in ihm hauste gemeinsam mit ihm aus der Welt verschwand. Aber schließlich geschah etwas Unfassbares: Wo Stiles keinen Weg hinaus gefunden hatte, hatten Scott und Lydia hineingefunden und ihn damit gerettet. Stiles hatte dem Nogitsune das Schlachtfeld seines eigenen Körpers überlassen und war dafür neu erstanden. Nun gab es zwei mit seinem Gesicht. Und Stiles Ebenbild hatte bereits eine blutige Spur der Verwüstung hinterlassen, ehe es Scott und den Anderen endlich gelungen war, ihn aufzuhalten. Die Bestattungsunternehmer von Beacon Hills mussten in den nächsten beiden Wochen Überstunden machen. Da waren die Opfer aus dem Krankenhaus, die toten Kollegen von Stiles Vater und ein paar andere Unglückliche, die zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren. Aber natürlich gab es da auch noch die Opfer, die das Rudel ganz persönlich zu beklagen hatte. Gestern war die Beisetzung von Aiden gewesen. Es hatte geregnet, wie bereits die ganze Woche lang. Es waren nicht viele Menschen gekommen: ein paar Jungs aus dem Lacrosse-Team und der Coach, das Rudel natürlich und Ethan, dessen Hand fest in der von Danny gelegen hatte. Ethan hatte blass und verloren ausgesehen, als er in das Loch in der Erde gestarrt hatte, in welches nun der Sarg mit dem Körper seines Zwillingsbruders versenkt werden würde. Ein rationaler Teil von Stiles wusste, dass es nicht seine Schuld war, doch DER hatte leider in diesem Augenblick nicht das Kommando. Er schlang die Arme um den eigenen Körper und zitterte ein wenig. Derek war unwillkürlich ein wenig näher an ihn herangerückt, ohne ihn jedoch wirklich zu berühren. Es tat im dennoch verdammt gut! Aber heute war alles noch viel schlimmer, denn es war Allison, von der sie alle sich verabschieden mussten. Stiles ließ seinen Blick durch die Runde wandern und schaute in erstarrte Gesichter. Der Blick von Isaak war glasig. Es wirkte, als habe er tagelang geweint und sei nun in einen Zustand der erschöpften Lähmung gefallen. Bei ihm war Chris Argent, der ein Hand auf die Schulter des jungen Werwolfs gelegt hatte, als sei ER es, der IHN trösten müsste. Argent selbst hatte Eis im Blick, so, als dürfte niemand wissen, wie sehr er darunter litt, in kurzer Zeit nach seiner Schwester und seiner Frau nun auch noch seine Tochter, sein einziges Kind verloren zu haben. Offenbar war das etwas, was ein Jäger früh lernen musste; dass Verluste zum Geschäft gehörten! Es ließ Stiles das Blut in den Adern gefrieren. Lydias grüne Augen schwammen in Tränen. In ihrem Gesicht konnte Stiles lesen, dass sie es immer noch nicht ganz begriffen hatte, dass in der dunklen Holzkiste vor ihnen wirklich der Leichnam ihrer besten Freundin lag. Kira hatte sich zwischen Lydia und Scott platziert und jedem der beiden eine ihrer Hände gereicht. Ihr wachsamer Blick ging immer wieder zwischen ihnen hin und her. Stiles wusste, was sie tat: Sie scannte ihre Gefühle, damit ihr nicht entging, sobald einer von ihnen etwas mehr als Händchen halten bräuchte. Stiles beneidete Kira darum, dass sie hilfreich sein konnte, denn er selbst hatte momentan das Gefühl, seinen Freunden rein gar nichts geben zu können. Und Scott konnte er nicht einmal ansehen, weil er diese tiefe Verzweiflung einfach nicht ertragen könnte. Und heimlich fürchtete er auch, eine Anklage in seinem Blick zu sehen. Stiles blickte wieder einmal hinab auf seine Finger und begann zu zählen. Zehn! Nein, all dies war leider kein Alptraum! Kapitel 12: Maiden in Pain -------------------------- „Hier hast du!“ Derek gab Stiles seinen Rucksack zurück. Der Junge saß mit angewinkelten Knien am Boden, zitterte immer noch ein wenig und blickte finster zu dem Werwolf auf. Er hatte keine Ahnung, wieso Derek wieder mal im genau richtigen Augenblick in der Nähe gewesen war. Hatte er etwa so eine Art siebten Sinn für Situationen, in denen Stiles der Rettung bedurfte? Oder lag es einfach nur daran, dass Situationen wie diese so alltäglich waren, dass Derek sich schon routinemäßig in seiner Nähe aufhielt, um das Schlimmste zu verhindern, als eine Art Bodyguard? Frei nach dem Motto: `Es ist mal wieder Dienstag, also mal sehen, in welches Schlamassel sich Stiles heute manövriert hat?´ „Ich habe die Schnauze voll davon, hier immer nur das `Fräulein in Nöten´ zu sein, das von einem von euch gerettet werden muss!“ knurrte Stiles. Eine zornige Träne lief ihm über die Wange. Derek ließ sich neben ihm auf der Erde nieder, musterte ihn nachdenklich und erwiderte schließlich: „Das ist doch keine Schande. Dieser Kerl, der dich da gerade ausrauben wollte, war gebaut, wie ein Militärfahrzeug. Du hättest doch gar nichts tun können!“ „Pfft!“ machte Stiles genervt: „Trotzdem war er bloß ein Mensch und damit tausendmal harmloser, als die Dinge, mit denen ich es sonst zu tun habe. Und nicht einmal ihm habe ich etwas entgegenzusetzen gehabt. Ich bin echt eine Null! Und dann kommst du herangerauscht und streckst den Arsch mit nur einem einzigen Schlag nieder. Ich habe es satt! ICH HABE ES SO VERDAMMT SATT, DAS OPFER VOM DIENST ZU SEIN!“ Stiles wischte sich trotzig mit dem Ärmel über das Gesicht „Warum änderst du dann nichts daran?“ fragte Derek sanft. „Ach, und wie?“ fragte Stiles hitzig zurück: „Soll ich mich vielleicht beißen lassen, damit ich so wie ihr werde, oder wie stellst du dir das vor?“ „Wünschst du dir das denn wirklich?“ wollte Derek wissen: „Denn wenn du Scott fragen würdest, dann würde er sicherlich…!“ „Ja!“ unterbrach ihn Stiles und blickte ihn intensiv an: „Ja und nein!“ Derek wirkte verwirrt: „Was soll das bedeuten, Stiles?“ Der Jüngere zuckte unwillig mit den Schultern: „Natürlich wäre ich gern so wie ihr; unverwüstlich und stark! Aber andererseits fürchte ich, ich wäre ein lausiger Wolf. Ich bin nicht so wie Scott, unser wahrer Alpha und von edler Wesensart. Schon jetzt bin ich oft gemein, rücksichtslos und bösartig und verletze Menschen mit meinen Worten. Mit Werwolfantrieb wäre ich mit Sicherheit ganz schnell ein Monster, wie zum Beispiel Peter!“ Mit einem Mal wusste Derek, womit er es hier zu tun hatte: Es war posttraumatischer Stress, der Stiles quälte, nachdem ihn wochenlang der Nogitsune in seiner Gewalt hatte, der die Kontrolle über seinen Körper und seinen Verstand übernommen und beinahe ihn und auch alle die er liebte getötet hatte. Und bei einigen seiner Freunde war es dem Wesen ja schließlich auch gelungen. Derek konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es deswegen in Stiles aussah. „Du redest Unsinn!“ erwiderte Derek ruhig aber bestimmt: „Du bist nicht bösartig! Du reißt die Klappe doch nur deshalb so weit auf, weil du keine anderen Waffen hast. Das macht kein Monster aus dir!“ Und mit einem kleinen Lächeln fügte er hinzu: „Höchstens eine furchtbare Nervensäge!“ „Ach wirklich Derek? Ach WIRKLICH? Der Nogitsune hat mich doch nicht ohne Grund gewählt, um sein kleines ferngesteuertes Drohnenflugzeug zu sein! Er hat mich erkannt, verstehst du? Er hat gewusst, dass wir vom selben Schlag sind. Und in den Augen meiner Freunde kann ich immer noch die Angst sehen, die Angst vor einem Teufel mit meinem Gesicht! Und sie haben recht damit, sich vor mir zu fürchten: Da ist etwas Böses in mir; etwas sehr Böses! Ich sehe es auch in DEINEM Blick, Derek. Versuch` nicht, es zu leugnen!“ Derek schüttelte leise den Kopf: „Ich sehe nur, dass deine Freunde glücklich sind, das du lebst. ICH bin glücklich, dass du lebst!“ „Na großartig! Ich lebe! Dafür mussten ja auch bloß Allison und Aiden sterben! Es ist alles nur meine Schuld!“ Erwiderte Stiles bitter. Seine Augen schwammen in Tränen. Derek blickte sich rasch nach links und rechts um, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtete und dann küsste er Stiles sanft, weich und warm auf die Lippen. Es war das erste Mal seit...! „Ich weiß, dass du dir diese Dinge einreden willst, Stiles! Denn egal wie furchtbar diese Vorstellung auch ist; sie ist leichter zu ertragen, als die Wahrheit!“ flüsterte Derek: „Und die Wahrheit ist: Du warst diesem Wesen komplett ausgeliefert. Aber es ist nicht deine Schuld, hörst du? Du hattest keine Macht, keine Kontrolle! Das muss furchtbar gewesen sein und es tut mir wahnsinnig leid, dass du das erleben musstest!“ Stiles wollte etwas einwerfen; etwas das bewies, das Derek unrecht hatte; etwas das den mitfühlenden Ausdruck von dessen Gesicht wischte; etwas mit dem Stiles sich weniger nackt fühlte, doch was sollte das sein? Derek fuhr fort: „Wir können nicht ändern, was dieses Wesen mit dir gemacht hat. Aber es ist wichtig, dass du dir eine Sache vor Augen hältst: letztendlich hast du über den Feind in deinem Inneren gesiegt und ihn vertrieben.“Er strich Stiles durch das Haar und über die Wange, ehe er weitersprach: „Und genau das kannst du hier draußen in der realen Welt auch tun: Du kannst dich wehren! Im Kampf kommt es nämlich nicht allein auf körperliche Überlegenheit an: Technik, Wachsamkeit und Schnelligkeit können dir dabei helfen, auch einen stärkeren Gegner zu besiegen. Ich denke, du solltest lernen, dich selbst zu verteidigen. Und wenn du willst, bringe ich es dir bei!“ Stiles blickte ihn ungläubig an: „Du kennst mich, Derek! Ich besitze Null Kondition. Und ich bin ungeschickt. Ich stolpere mehrmals täglich über meine eigenen Füße! Ich bin ein hoffnungsloser Fall?“ Derek schüttelte den Kopf: „Bist du nicht!“ Beharrte er: „Lass` uns gleich morgen mit dem Training beginnen. Wir machen einen `Van Damme´ aus dir“ Stiles musste gegen seinen Willen ein wenig lachen: „Du bist ein echter Idiot, Hale, weiß du das?“ Und so trafen sich Stiles und Derek nun beinahe täglich zum Kampftraining und der Junge begriff schnell, auf was er sich da eingelassen hatte. Derek konnte ein echter Feldwebel sein und er schonte ihn absolut nicht. Stiles lernte zu stehen Er lernte etwas über seine Mitte, seinen Körperschwerpunkt. Er lernte zu fallen. Er holte sich blaue Flecken. Er machte die frustrierende Erfahrung, sich einem haushoch überlegenen Kontrahenten zu stellen und suchte vergeblich nach den nicht vorhandenen Schwächen in Dereks Deckung. Derek hingegen fand seine Verteidigungslücken mühelos und Stiles musste gehörig einstecken. Dennoch ahnte Stiles, wie sehr der Werwolf sich immer noch zurückhielt. Ihm war klar, einem echten Angriff würde er keine Minute standhalten. Stiles wurde in der Theorie mit Waffen vertraut gemacht, welche Derek ihm noch nicht erlaubte zu benutzen. (Allein diesem Umstand war es wohl zu verdanken, dass sie beide noch alle ihre Finger hatten.) Stiles wurde gefesselt und sollte lernen, sich zu befreien. (Der mäßige Erfolg hierbei war möglicherweise darauf zurückzuführen, dass es Stiles gar nicht mal so unrecht war, sich in Dereks Gefangenschaft zu befinden?) Beim Sparring kamen er und Derek sich sehr, sehr nahe und nicht immer gelang es Stiles zu verbergen, wie sehr ihm das gefiel. (Derek tat dann höflicherweise so, als habe er es nicht gesehen!). Und tatsächlich: Stiles machte klitzekleine Fortschritte, wurde sogar ein winziges bisschen stärker mit jedem weiteren Tag. Morgens im Bad ließ er vor dem Spiegel die Muskeln spielen und freute sich wie ein Schneekönig. Derek war zufrieden mit den Fortschritten, die sein Schüler machte. Es ging gar nicht darum, aus Stiles den größten Kämpfer aller Zeiten zu machen. Es ging darum, ihm ein Gefühl von Eigenmacht zurückzugeben. Er wusste, das war die einzige Möglichkeit, das Stiles jemals wieder derselbe werden könnte. Denn das, was seit der Besessenheit von dem Nogitsune in Stiles Blick zu lesen war, gefiel Derek ganz und gar nicht: Da stand, dass er geschlagen war! Besiegt! Stiles war immer stark gewesen. Hilflos, schwach und jung vielleicht, aber stets kämpferisch! Daran musste Derek ihn unbedingt erinnern! Und dann kam der Tag, an dem Stiles Derek tatsächlich einmal auf dem falschen Fuß erwischte, ihn zu Fall brachte und nun befand er sich mit triumphierendem Blick über ihm. Zuerst sah Derek überrascht aus. Dann grinste er: „Nicht schlecht, Stilinski!“ lobte er: „Jetzt musst du nur noch lernen, dich nicht allzu sehr auf deinen Lorbeeren auszuruhen, wenn du mal einen Treffer gelandet hast!“ Und ehe Stiles noch darüber nachdenken konnte, was das bedeutete, hatte Derek sich auch schon befreit, Stiles gepackt und nun war er derjenige, der auf ihm hockte, beide Hände fest auf Stiles Schultern, was es diesem unmöglich machte, sich in gleich welche Richtung zu bewegen: „Wie würdest du dich aus dieser Position befreien?“ Wollte er wissen: „Wer sagt, dass ich das will?“ fragte Stiles zurück. Seine Stimme klang tief und sinnlich und Derek wirkte plötzlich sehr nervös. In Windeseile stand er wieder auf den Füßen und reichte Stiles eine Hand. Der Jüngere seufzte und ließ sich aufhelfen. Er legte Derek eine Hand in die Taille, blieb aber eine Armlänge auf Abstand und murmelte: „Oh Mann Derek, ich bin jetzt siebzehn! Ich bin verliebt in dich und ich mache keinen Hehl daraus! Also wogegen wehrst du dich, verdammt?“ „Das hatten wir doch schon, Stiles. Du bist zu jung für mich! Ich habe meine Meinung nicht geändert! Und ich denke, du gehst jetzt besser!“ Stiles blickte ihn eine Weile fassungslos an. Dann knurrte er: „Ich schmeiße mich dir an den Hals wie eine Katze in Hitze und das ist deine Antwort? Weißt du was Hale,? Du kannst mich mal! Ich lasse mich nicht mehr von dir hinhalten! Denkst du, ich will als Jungfrau sterben? Wahrscheinlich hast du recht! Und soll ich dir etwas sagen? Ich habe heute noch eine Verabredung: Mit deiner Cousine! Bislang habe ich dir gegenüber noch ein schlechtes Gewissen gehabt, aber jetzt frage ich mich, wieso eigentlich?“ Einen Augenblick lang sah Derek so aus, als habe Stiles ihm ins Gesicht geschlagen. Doch dann fasste er sich wieder und setzte eine gleichgültige Miene auf: „Ich hatte keine Ahnung! Geht das schon länger mit Malia und dir?“ Stiles zuckte mit den Schultern: „Ein paar Wochen!“ Er genoss, dass es Derek verletzte: „Ihr gebt ein hübsches Paar ab!“ murmelte Derek: „Sie ist die bessere Wahl für dich! Ich bin froh!“ `Lügner!´ dachte Stiles bei sich, sprach es jedoch nicht aus. Stattdessen erwiderte er: „Tja, wenigstens bleibt es in der Familie, wie?“ Stiles tippte sich an den imaginären Hut und öffnete das Portal des Lofts: „Ciao, Darling!“ rief er im Gehen. Derek blickte dem Jungen eine Weile mit offenem Mund hinterher: `Gut´ dachte er `Gutgutgut!!´ Stiles und Malia also. Das war doch schön! Wirklich TOTAL SCHÖN! Derek knurrte und ehe er noch wusste, was er tat, hatte er seine rechte Hand zur Faust geballt und schlug mit ganzer Kraft gegen das Stahltor zu seinem Loft, was zweierlei bewirkte. Erstens: Das Tor erhielt eine Sichtbare Beule. Zweitens: Er brach sich den Mittelhandknochen. `Verdammter kleiner Mistkerl!´ Derek ging ins Bad um sich kaltes Wasser über die schmerzende Hand laufen zu lassen. Als er wiederkam, stand Kate Argent in seinem Loft und schoss auf ihn! Kapitel 13: Happy Birthday Stiles --------------------------------- Das vergangene halbe Jahr hatte Stiles und seine Freunde wieder einmal kaum zu Atem kommen lassen. Zuerst hatten sie Derek in Mexiko aus der Gewalt von Kate Argent befreit, auch wenn er da nicht mehr derselbe gewesen war und Stiles nicht recht gewusst hatte, was er von dieser neuen (oder vielmehr alten) Form halten sollte. Aber auch wenn er den Derek, den er kannte in diesem Burschen kaum wiedererkannt hatte, war er dennoch irgendwie süß gewesen: auf eine milchbärtige, schmalbrüstige und seltsam braunäugige Art und Weise zumindest. Doch schnell hatte Stiles den erwachsenen Derek vermisst; denjenigen, den er geküsst hatte. Diesen Jungen würde er jedenfalls nicht küssen; so viel war klar. Wie alt war er wohl? Vierzehn? Fünfzehn? Und Stiles selbst war immerhin schon reife siebzehn. Undenkbar also! Und da hatte Stiles plötzlich eine Ahnung davon bekommen, wie Derek sich gefühlt haben musste. Nämlich genau so! Nein! Schlimmer noch! Denn Derek hatte sogar gegen das Gesetz verstoßen, oder nicht? War das Küssen von Minderjährigen bereits eine Straftat, oder brauchte es dazu mehr? Stiles war sich nicht sicher. Und wieso konnte er eigentlich nicht aufhören, über das Küssen nachzudenken? Er wusste die Antwort, war jedoch zu stur, sie sich einzugestehen: Weil es schon viel zu lange her war, dass er von der Person, die er im Grunde seines Herzens wollte auf die Art geküsst worden war, die er liebte! Und wie es zunächst aussah, würde es diese Person auch mindestens die nächsten zehn Jahre nicht mehr geben. Stattdessen hatte er dieses Kind am Hals! Doch in einem Punkt ähnelte Little Boy Blue (eyes) dem erwachsenen Derek: Auch er liebte es offenbar, Stiles herumzuschubsen und gegen Zimmerwände zu drücken, auch wenn der große Derek von Handlungen wie diesen in der letzten Zeit eigentlich glücklicherweise Abstand genommen hatte. Zum Glück hatte Stiles am Ende keine zehn Jahre oder mehr warten müssen, um den erwachsenen Derek wiederzusehen, denn Kates Zauber verlor bald seine Wirkung und ließ Derek zwar mit schwindenden Werwolfkräften, aber immerhin erwachsen zurück. Dann kamen Todeslisten, verschwundenes Geld, Peters Intrigen, um wieder ein Alpha zu werden, wofür er sogar gemeinsame Sache mit Kate Argent machte und am Ende hatte es sogar so ausgesehen, als würde Derek sterben, nur um dann stärker denn je zurückzukehren, als ein Wolf, der zu einer vollständigen Verwandlung fähig war. Und in diesem halben Jahr hatte es nichts zwischen Derek und Stiles gegeben, keine Küsse, keine Berührungen, nicht einmal eines ihrer intimen Gespräche. Warum auch? Sie hatten jetzt beide Freundinnen, ihr kleiner Ausflug nach Boystown war ein einmaliger Ausrutscher gewesen und alles war in schönster Ordnung, richtig? Vielleicht auch nicht, aber es war ja auch sowieso egal, denn nun war Derek ja fort! Keiner wusste so genau, wohin er verschwunden war, nachdem sie sich in Mexico voneinander verabschiedet hatten. Wahrscheinlich hatte er Braeden geheiratet und sie lebten jetzt glücklich und vor allem NORMAL auf irgendeiner Insel in der Südsee vom Haleschen Familienvermögen. `Mazel tov´ dem glücklichen Paar, dachte Stiles verbittert bei sich. Und dann noch: `Ich hasse dich, du Mistkerl´ Nun war Stiles achtzehnter Geburtstag da und er hatte im Prinzip die feste Absicht gehabt, ihn ausfallen zu lassen. Und nein, nicht deswegen, weil er an diesem Tag bereits so etwas wie eine vorrangige Verabredung hatte! Denn Derek würde ja sowieso nicht kommen; soviel war klar! Es wäre ja auch lächerlich gewesen, wenn er das gefühlsduselige, und seien wir ehrlich; von unterdrückter Lust schöngefärbte Geschwafel in einem Hotelzimmer vor eineinhalb Jahren für voll genommen hätte. In so einer Situation wurde viel geredet, viel versprochen, aber sollte er denn wirklich daran glauben? Er war doch schließlich kein Kind mehr! Die Zahl der Kerzen auf dem Geburtstagskuchen, mit dem sein Dad ihn heute morgen geweckt hatte bewies es schließlich. Aber diese ganze Derek-Sache hatte natürlich überhaupt nichts damit zu tun, dass Stiles diesen Tag am liebsten überspringen wollte. Es war einfach nur so, dass er keine Lust auf seinen Geburtstag hatte. Was bedeutete der denn schon? Ein Jahr älter! Na und? Und beinahe glaubte er sich selbst! Doch natürlich hatten seine Freunde es nicht zugelassen, dass Stiles Geburtstag unter den Tisch fiel. Sie waren alle bei ihm eingefallen: Scott, Kira, Lydia, Liam, Mason und natürlich Malia; das ganze Rudel; und sie hatten Kuchen und Geschenke dabei. Musik dröhnte aus der Stereoanlage und das Wohnzimmer der Stilinskis wurde kurzerhand in eine Tanzfläche verwandelt. Zugegeben: Es war ein wirklich schöner Abend gewesen, doch etwas hatte definitiv gefehlt. Nein! Nicht etwas! Jemand! Verdammt nochmal! Wieso konnte er diesen verdammten Bastard nicht einfach vergessen, der sich unerhörter Weise einfach so in Luft aufgelöst hatte? Unfassbar, dass ein kleiner Teil von ihm wirklich geglaubt hatte, Derek würde sein Wort halten! Er kam sich so unglaublich dumm und erbärmlich vor. Und nun waren die Gäste fort; alle, auch Malia, obwohl sie angeboten hatte zu bleiben. Mit einem vielsagenden Zwinkern! Aber ausgeschlossen! Nicht in dieser speziellen Nacht! Er wollte lieber allein sein, zähneknirschend im Dunkeln wachliegen und üble Flüche vor sich hin murmeln. Dad hatte bereits `Gute Nacht´ gesagt und nun war auch Stiles im Badezimmer fertig. Frisch geduscht, mit geputzten Zähnen und einem Handtuch um die Hüften kehrte er in sein Zimmer zurück und erschrak halb zu Tode. Da saß er: Derek Hale, in Lebensgröße, dunkle Aura und schwarze Lederjacke inklusive, mitten auf Stiles Bett: „Happy Birthday, Stiles!“ Der Blick des Geburtstagskindes fiel auf die Uhr auf dem Nachttisch: fünf Minuten vor Mitternacht! „Du kommst spät!“ Stiles bemühte sich, nonchalant zu klingen. Es funktionierte so lala. „Tut mir leid!“ erwiderte Derek: „Ich wollte sichergehen, dass alle Gäste fort sind.“ Er zögerte kurz: „Ich hatte die Befürchtung, meine Cousine hier anzutreffen. Das wäre sicherlich nicht so passend gewesen.“ „Malia ist gegangen!“ erwiderte Stiles schlicht: „Vielleicht sollte ich das auch tun?“ fragte Derek unsicher: „Das mit euch beiden ist in letzter Zeit ziemlich ernst geworden, oder?“ Stiles zuckte mit den Schultern und starrte zu Boden. Er fühlte sich traurig, unzufrieden, in die Ecke gedrängt! Dann blickte er auf und sah Derek, der im Begriff war, aus dem Fenster zu steigen: „Bleib hier!“ sagte Stiles und er konnte selbst hören, dass es wie ein Befehl klang, also schob er ein „Bitte!“ hinterher: „Und Malia?“ wollte Derek wissen. Warum stellte er denn bloß so schwierige Fragen, verdammt? „Und Braeden?“ fragte Stiles zurück. Boom! Das hatte gesessen! Punkt für Stilinski! Die Blicke, die sie sich zuwarfen, waren hilflos und es entstand ein langes Schweigen. Und irgendwann fragte Stiles in die Stille hinein: „Weißt du, wie oft ich mir das hier vorgestellt habe? Wie ich meine Volljährigkeit herbeigesehnt habe?“ Zugegeben, er hatte es wie rhetorische Fragen klingen lassen und doch war Stiles durch Dereks Schweigen verunsichert. Und wie immer, wenn er unsicher war, plapperte er einfach weiter: „Das klingt wohl ziemlich albern in deinen Ohren. Du hast wahrscheinlich nie wieder an unsere Nacht in dem Hotelzimmer gedacht. Warum solltest du auch? Es war ja bloß eine öde kleine Teenager-Knutscherei. Und du bist schließlich Derek Hale, der mondsüchtige, gestählte Traumprinz und ich bin bloß ein blasser, hyperaktiver Nerd, der noch auf die High School geht. Also was soll das Ganze? Oh Mann, ich bin so ein Trottel!“ Und ausgerechnet in diesem Moment wurde Stiles sich zu allem Überfluss auch noch bewusst, dass er immer noch lediglich mit einem Handtuch bekleidet dastand. Er schlang schamhaft die Arme um den Oberkörper und blickte zu Boden: „Ich bin hier, oder nicht?“ Derek war aufgestanden und trat nun langsam auf den Jüngeren zu: Lautlos und geschmeidig wie ein Raubtier sich an seine Beute heranpirscht. Er legte eine Hand auf den Knoten des Handtuchs. Stiles schluckte: „Mein Vater schläft ein paar Türen weiter!“ sagte er mit einem unschönen Quietschen in der Stimme. Derek nickte: „Wir könnten in ein Hotel gehen?“ schlug er vor. Stiles schüttelte den Kopf: „Nicht schon wieder ein Hotel. Das macht es so…unwirklich? Und billig!“ „Wie wär`s mit meinem Loft?“ fragte Derek: „Da haben wir bloß keinen Zimmerservice und mein Kühlschrank ist leer.“ „Das wäre sicherlich ein Problem, wenn du mich zum Essen einladen wolltest, aber darum geht es heute Nacht doch nicht, oder?“ erwiderte Stiles schüchtern und entlockte Derek ein kleines Lächeln. Im Geiste machte Stiles überaktives Hirn eine kleine Randnotiz `Loft noch nicht weitervermietet!! Denkt Derek über seine Rückkehr nach?´ „Dein Loft klingt richtig!“ verkündete er leise und fuhr fort: „Ich werde schnell ein paar SMS verschicken, schreibe meinem Vater einen Zettel und ziehe mir etwas an.“ „Was wirst du schreiben?“ wollte Derek wissen. Stiles zuckte mit den Schultern: „Ich denke, etwas in der Art: `Volljährigkeit hat mich in eine kleine Krise gestürzt. Brauche eine Auszeit. Macht euch keine Sorgen. Gruß und Kuss?`“ „Wenn du meinst, dass das reicht?“ erwiderte Derek mit skeptisch hochgezogener Augenbraue: „Was soll ich sonst schreiben? Die Wahrheit kommt vermutlich nicht so gut?“ „Was ist denn die Wahrheit?“ fragte Derek und erntete statt einer Antwort einen verschämten Blick des Jüngeren. Stiles zog Kleider aus seinem Schrank: Socken, Unterwäsche, Jeans und den unvermeidlichen roten Kapuzenpullover, denn er fühlte sich gerade ein wenig wie Rotkäppchen. Über die Schulter fragte er: „Kannst du dich bitte umdrehen, während ich mich anziehe?“ Dereks Augen weiteten sich belustigt: „Meinst du das im Ernst?“ Stiles nickte. Derek wandte sich zum Fenster und blickte, ganz Gentleman, hinaus auf die Straße. Aber vielleicht betrachtete er auch die Reflexion in der Scheibe…? Als sie nebeneinander im Camaro saßen und durch die nächtlichen Straßen fuhren, sprachen die beiden Männer kein Wort. Stiles knetete nervös seine Hände im Schoß und blickte gelegentlich verstohlen neben sich auf den Fahrersitz. Dereks Kiefer lagen fest aufeinander. Diese Situation war so unwirklich, so verrückt, dass Stiles kurz davor war zu rufen `lass´ uns die ganze Sache einfach vergessen und eine Pizza essen gehen!´ Doch das tat er nicht. Gleich wären sie da und dann würde sie es tun, richtig? ES?? Was eigentlich genau? Sicher; Stiles hatte natürlich eine theoretische Vorstellung davon, was dieses ES sein könnte, denn er hatte sich ein wenig informiert (Filme! Internet! Magazine! Rein wissenschaftliches Interesse versteht sich!), aber ehrlicherweise wusste er nicht einmal genau, ob er dazu in der Lage wäre? Zumal mit einem anderen Mann! Dann erinnerte er sich daran, wie er sich damals in jenem Hotelzimmer gefühlt hatte! Wie sehr er es gewollt hatte! Daran, dass er in diesem Moment keine Zweifel gehabt hatte! Er rieb sich unbehaglich das Gesicht. „Ich bin wahnsinnig nervös!“ gab Derek unvermittelt zu, als er den Wagen vor dem Loft zum Stehen brachte. Stiles war verblüfft über seine Ehrlichkeit. „Willst du die Sache lieber absagen! Ich meine, ich könnte es verstehen wenn…“ Stiles kam nicht dazu, seinen Satz zu Ende zu sprechen, denn Derek packte ihn bei den Schultern und küsste ihn. Lange! „Gehen wir hinein?“ fragte er schließlich. Stiles nickte sprachlos. Auf in den Kampf! Oder was auch immer! Während Stiles immer noch darüber nachdachte, wie sie beide einen Anfang finden konnten, war Derek ihm schon einen Schritt voraus. Er hatte ganz offensichtlich genug von der Zurückhaltung, denn kaum hatten sie die Tür des Lofts verschlossen, hatte er den Jüngeren auch bereits gepackt und drängte ihn gegen deren Innenseite. Er war nicht grob, aber er war sehr entschlossen und Stiles hatte nicht wirklich eine Chance zu entkommen. Nicht dass er das gewollt hätte! Zunächst war er von dieser Offensive ein wenig überrumpelt, doch dann entschied Stiles, dass es vielleicht so war, wie beim Tango: Einer musste die Führung übernehmen! Und da Stiles absolut ahnungslos war, was sie gerade taten, beschloss er großzügig, dass dies ruhig Derek sein durfte, denn der schien es zu wissen. Zumindest, wenn Stiles seine eigenen körperlichen Reaktionen hierzu als Hinweis heranzog. Du lieber Himmel!!! Das konnte nicht das erste Mal sein, dass Derek etwas in der Art tat! Was machten denn seine Hände da? Es war gegen Stiles Natur, die Kontrolle abzugeben. Und genau das machte es so aufregend, es nun doch zu tun! Ihre Kleider waren wie eine Spur aus Brotkrumen, die direkt vor dem riesigen Bett endete. Einem Bett für Erwachsene! Einem Bett, das sicherlich schon allerhand gesehen hatte! Stiles umfasste noch immer den nackten Körper des anderen Mannes, doch der Anblick der riesigen leeren Schlafstätte ließ ihn in dem innehalten, was sie gerade taten. Seine Augen weiteten sich furchtsam: „Kriegst du Angst vor der eigenen Courage?“ erkundigte sich Derek ein wenig neckend, doch im Grunde versuchte er lediglich, seine eigene Unsicherheit zu überspielen: „So könnte man es wohl ausdrücken.“ Stiles Stimme war kaum mehr als ein Wispern. Derek ging eine Armlänge auf Abstand, um den Jüngeren besser anschauen zu können: „Du weißt doch hoffentlich, dass ein einziges Wort von Dir ausreicht und wir setzen uns wieder ins Auto, ich bringe dich nachhause und wir müssen nie wieder ein Wort über das hier verlieren. Und ich schwöre, ich werde auch nicht böse sein!“ Stiles legte sanft eine Hand in Dereks Nacken und zog seinen Kopf zu einem weichen Kuss zu sich heran: „Denk nicht mal dran, jetzt zu kneifen, Hale!“ flüsterte er und blickte ihn einen Moment lang an. Dann fügte er schüchtern hinzu: „Aber erwarte bitte nicht allzu viel von mir. Ich habe keinen Schimmer, wie und was…also ich meine, wenn es dir nichts ausmacht, würde ich am liebsten dir vorerst das Ruder überlassen.“ Stiles errötete. Derek machte es nichts aus. Es kam ihm entgegen! Stiles lag auf dem Bett und Derek war über ihm und küsste seinen Adamsapfel. Stiles legte den Kopf in den Nacken so weit es ging, bog den Rücken durch und bot seine verletzliche Kehle dar. Derek hatte diesen sonst so widerspenstigen, vorwitzigen und eigensinnigen Kerl niemals SO … erlebt. So vertrauensvoll! Und zur Abwechslung einmal ganz fügsam! Ihm selbst gab es das Gefühl, unendlich behutsam und verantwortlich handeln zu müssen. Und es gab ihm außerdem das Gefühl, bei ihm endlich einmal die Oberhand zu haben. Es war ihm selbst peinlich, wie sehr ihm das gefiel! Sie blieben seeehhr lange im Bett. Es gab hier so vieles zu tun, so vieles auszukundschaften, so vieles auszuprobieren. Und alles war neu und anders! Einmal ging Derek zwischendurch in den Supermarkt, weil sie beide völlig ausgehungert waren, denn sie hatten eine Menge Energie verbrannt. Zweimal gingen sie unter die Dusche. Natürlich gemeinsam! Keinem von beiden war so recht klar, dass draußen in der richtigen Welt bereits drei Tage vergangen waren. Sie saßen gerade beim Frühstück; glücklicherweise zur Abwechslung einmal vollständig angezogen, als plötzlich die Tür des Lofts aufgerissen wurde und Scott und Sheriff Stilinski hereinstürmten. Kapitel 14: Danach ist alles anders! ------------------------------------ „Was macht ihr denn hier?“ fragte Stiles verblüfft, der als erster seine Stimme wiederfand: „Was WIR hier machen?“ empörte sich sein Vater: „Was machst du hier? Und wieso meldest du dich nicht? Ich dachte, du seist tot! Bloß weil du jetzt achtzehn Jahre alt bist, bedeutet das nicht, dass du mir nicht mehr erzählen musst, wohin du gehst, du kleiner Mistkerl!“ Sein Dad klang wütend, doch er sah aus, als würde er gleich weinen. Scott legte dem Sheriff beruhigend eine Hand auf den Oberarm: „Es tut mir leid Dad!“ stammelte Stiles unsicher: „Ich wollte euch keine Sorgen bereiten. Derek und ich haben uns zufällig getroffen. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen, hatten uns viel zu erzählen und haben einfach die Zeit vergessen.“ „Drei Tage lang?“ fragte der Sheriff fassungslos. Derek und Stiles sahen aus, wie kleine Jungen, die man mit den Händen in der Keksdose erwischt hatte und Stiles murmelte kleinlaut: „Ich hatte euch doch Nachrichten geschickt, dass ihr euch nicht Sorgen müsst.“ „Eine drei Tage alte, kryptische Nachricht auf einem hingekritzelten Zettel!“ empörte sich sein Vater und fügte grollend unter Kopfschütteln hinzu: „Da ich nun gesehen habe, dass du lebst, kann ich ja wieder verschwinden. Wir sehen uns zum Abendessen, kapiert?“ Und weg war er. Scott blieb zurück. Mit leiser Stimme sagte er: „Ich weiß etwas, was dein Vater nicht weiß, Stiles. Ich weiß, was ihr getan habt, denn es liegt hier überall in der Luft. Ich weiß nicht genau, was ich dazu sagen soll…“ „Hasst du mich jetzt?“ fragte Stiles und fühlte sich wie ein verängstigter kleiner Junge bei dieser Vorstellung. Scotts Augen wurden groß. Dann füllten sie sich mit Wärme: „Natürlich nicht, Mann! Du bist mein Freund und ich liebe dich!“ Stiles verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen. Scott konnte nicht sehen, ob er weinte oder sich bloß schämte. Nach einer Weile blickte Stiles wieder auf und fragte: „Wie habt Dad und du mich eigentlich gefunden?“ „Dein Vater hat dein Handy geortet!“ gab Scott zurück: Stiles nickte: „Hätte ich mir denken können.“ „Ich lasse euch jetzt wieder allein!“ erklärte Scott: „Ich komme heute nach dem Abendessen zu dir nachhause und wir reden!“ Der Alpha hatte gesprochen! Als sie wieder unter sich waren, wollte Derek wissen: „Willst du jetzt lieber nachhause und die Sache mit deinem Vater in Ordnung bringen?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Ich will ihm Zeit geben, sich ein wenig abzuregen.“ „Willst du, dass ich mit ihm spreche? Ich könnte ihm… ich weiß nicht…irgendeine Lüge auftischen und behaupten, dass alles meine Schuld war?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Mein Vater und sein kriminalistischer Spürsinn würden dich sofort entlarven. Sei mir nicht böse, wenn ich das sage, aber du bist wirklich kein guter Lügner, Derek. Und wenn er dann noch eins und eins zusammenzählt…ich bin nicht bereit für ein Coming Out. Zumindest noch nicht!“ Derek nickte: „Ich auch nicht. Zumal ich vermute, dein Vater bringt mich um, wenn er es herausfindet. Aber was willst du jetzt anstatt dessen tun? Sollen wir vielleicht einen Spaziergang machen? Oder wärst du lieber allein?“ Stiles schüttelte heftig den Kopf. Dann murmelte er: „Am liebsten würde ich da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Mir sind da nämlich noch zwei, drei Sachen eingefallen, die wir noch nicht ausprobiert haben.“ „Im Ernst?“ fragte Derek mit einem kleinen Lächeln: „Ich dachte, unsere Nachforschungen seien sehr, sehr...gründlich gewesen.“ Stiles legte frech den Kopf schief und meinte: „Unterschätze niemals meine kreativen Fähigkeiten. Gib` mir ein wenig Zeit und ich schreibe für das Kamasutra eine Fortsetzung.“ „Angeber!“ Spottete Derek mit einem breiten Grinsen und hatte ihn bereits bei den Hüften gepackt, als Stiles noch hinzufügte: „Aber vielleicht sollten wir uns erst mal einen Wecker stellen! Oder doch lieber zehn?!“ Sie duschten noch ein letztes Mal zusammen, ehe Stiles sich darauf vorbereitete, seinem Vater gegenüberzutreten. Doch eine Sache musste er noch von Derek wissen, ehe er aufbrach: „Was wirst du nun tun? Wirst du in der Stadt bleiben? Wirst du wieder dahin gehen, wo du hergekommen bist? Was??“ „Ich werde wieder fortgehen!“ erklärte Derek nüchtern. Stiles Blick war nun der eines waidtwunden Rehs: „Also war das alles eine einmalige Sache? Es bedeutet nichts weiter?“ Derek schüttelte langsam den Kopf und sagte dann so leise, dass Stiles sich nicht sicher war, ob er ihn wirklich richtig verstanden hatte: „Falsch! Es bedeutet alles!“ und in normaler Lautstärke fügte er hinzu: „Du hast meine Telefonnummer. Wenn du mich sehen willst, sag` Bescheid. Ich werde da sein! Egal wann oder wo!“ Sie küssten sich ein letztes Mal und dann brach Stiles auf. Er hatte es verneint, als Derek angeboten hatte, ihn zurückzufahren. Er brauchte ein wenig Zeit, um sich auf die Begegnung mit seinem Vater vorzubereiten. Ein längerer Spaziergang wäre dafür genau das Richtige. Doch als er allein in den Straßen unterwegs war, fühlte er sich kalt, allein, so als ob ein Teil von ihm; der wichtigste Teil fehlte. `Oxytocin´ sagte er sich! Nur ein Hormon, das durch seinen Organismus sauste und ihm Verbundenheit vorgaukelte! Mit Liebe hatte das gar nichts zu tun! Sein Vater wirkte angespannt und sprach kein Wort, ehe sie beide am gedeckten Tisch saßen. Dann sagte er unvermittelt: „Ich bin tausend Tode gestorben, Stiles! Wieso hast du nicht wenigstens angerufen?“ „Wie ich schon gesagt habe Dad: ich habe ganz einfach die Zeit vergessen! Es war keine Absicht und ich wollte dir wirklich keine Angst machen. Bitte verzeih` mir!“ Sheriff Stilinski blickte in die ängstlich geweiteten, bernsteinfarbenen Augen seines Sohnes, hatte plötzlich wieder den kleinen Jungen vor sich, der er einmal gewesen war und schmolz dahin. Dann fragte er: „Ist es die Schuld von Hale? Er hat dir nichts getan, oder? Hat er dich gegen deinen Willen festgehalten?“ Stiles blickte ihn erschrocken an: „Großer Gott, nein! Auf keinen Fall. Derek würde mir niemals etwas tun!“ Sein Dad nickte. Und dann ließ er das Thema einfach fallen. Stiles konnte gar nicht fassen, dass er so leicht davongekommen war. Er fragte sich, ob sein Vater die Wahrheit ahnte und lediglich noch nicht bereit war, darüber zu sprechen. Es war nicht auszuschließen und wenn es so sein sollte, dann war Stiles dankbar, denn ER wollte auch nicht darüber reden. Wie versprochen, tauchte Scott nach dem Abendessen im Haus der Stilinskis auf und die beiden Jungen zogen sich in Stiles Zimmer zurück. Die Stimmung zwischen den Freunden war angespannt: sie waren gehemmt voreinander und das war etwas Neues, etwas, dass es zwischen ihnen noch nie gegeben hatte: „Ist Derek noch in der Stadt?“ wollte Scott wissen, als er ihr Schweigen nicht mehr ertrug. Stiles schüttelte traurig den Kopf: „Nein, er ist wieder fort!“ „Tut mir leid für dich!“ entgegnete Scott aufrichtig. Wieder war Schweigen zwischen ihnen. „Ist er gut zu dir gewesen?“ fragte Scott und fühlte sich plötzlich wie Stiles Großmutter. Dennoch fuhr er fort: „Oder hat er irgendetwas…ich meine…er hat dir nicht wehgetan, oder?“ Stiles blickte ihn überrascht und auch ein wenig entsetzt an: „Natürlich nicht, nein! Nein, keine Sorge. Er war lieb zu mir. Es war…schön! Es war UNGLAUBLICH SCHÖN!“ platzte er heraus und spürte Röte in seinem Gesicht aufsteigen. Scott schluckte hart. Dann sagte er: „Ich frage nur, weil…ich hätte nicht geglaubt, dass Derek zu so etwas fähig ist!“ Stiles runzelte skeptisch die Stirn: „Wozu?“ fragte er scharf: „ Dazu mit einem Kerl…dazu mit mir…?“ Scott hob beschwichtigend die Hand: „Das meine ich überhaupt nicht! Ich meinte bloß, dass ich ihn mir nicht…liebevoll vorstellen kann. Ich wusste nicht, dass er DAZU fähig ist. Und weißt du was? Sollte sich das jemals ändern, dann sag´ es mir! Ich bin immerhin sein Alpha! Und wenn er je etwas tut, was dir nicht gefällt, dann werde ich ihm das Fell über die Ohren ziehen. Und das meine ich wörtlich.“ Stiles musste lachen und Scott fuhr nachdenklich fort:„ Ich kann das mit euch eigentlich immer noch nicht so richtig glauben. Obwohl…eigentlich hätte ich es kommen sehen müssen. Zwischen euch sind ja schon immer die Funken geflogen. Nur hätte ich eher darauf getippt, dass er dich eines Tages umbringt und nicht dass er dich…!“ Scott errötete heftig und Stiles, der sich vorstellen konnte, wie der Satz hatte weitergehen sollen, lachte erneut und merkte, wie er dadurch ganz nebenbei von einer großen Last befreit wurde: „Danke!“ brachte er schließlich hervor. „Wofür?“ Wollte Scott wissen: „Dafür, dass du so tust, als wäre diese verrückte Situation die normalste Sache der Welt, auch wenn es dich beinahe umbringt.“ Erwiderte Stiles: „Es bringt mich doch nicht um!“ empörte sich Scott: „Nein! Es ist nur…neu und ich muss mich erst daran gewöhnen. Ich wusste ja nicht mal, dass du…so bist! Warum hast du nie mit mir darüber gesprochen?“ Und nun klang Scott beinahe ein kleines bisschen gekränkt. Stiles beeilte sich zu sagen: „Denkst du, ICH wusste das? Oder wollte es wissen? Es wirft mein Leben völlig aus der Bahn! Was mache ich denn nun bloß mit Malia? Sie bedeutet mir doch auch etwas. Ich wollte diese Art Schwierigkeiten nicht! Ich wollte Normalität, Kinder, leben wie alle anderen! Was wird nun daraus? Soll ICH etwa Dereks Welpen zur Welt bringen, oder wie?“ Er senkte den Kopf und hielt kurz inne: „Ich habe Angst, Scott!“ Scott rückte sehr nah an Stiles heran und umarmte ihn; so fest, dass diesem beinahe die Luft wegblieb. Und Stiles legte den Kopf auf die Schulter seines besten Freundes und weinte. Ein ganz kleines bisschen zumindest: „Alles wird gut werden!“ versprach Scott: „Du wirst herausfinden, was gut für dich ist! Und ich werde die ganze Zeit für dich da sein! Du bist nicht allein!“ Und nun weinte Stiles wirklich! Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder gesammelt hatte. Dann ließen die beiden Freunde sich auf dem Bett nach hinten fallen und starrten eine ganze Weile wortlos an die Zimmerdecke. Scott hielt dabei die Hand von Stiles. Und plötzlich fragte er diesen: „Hast du eigentlich jemals an mich auf diese Weise gedacht?“ Stiles setzte sich ruckartig auf und blickte fassungslos auf seinen Freund hinab: „Im Ernst Scott?“ Auch Scott erhob sich und stotterte verlegen: „Naja, immerhin haben wir uns schon einmal geküsst!“ „Da waren wir zehn!“ rief Stiles entsetzt: „Na und?“ Scott wirkte verlegen: „Soll das heißen, Küsse unter Zehnjährigen bedeuten dir nichts?“ Scott war mittlerweile kirschrot angelaufen und Stiles musste unwillkürlich lächeln: „Ich liebe dich wie verrückt, Kumpel, aber ich will dich nicht nackt sehen, also entspann` dich, O.K.? „O.K.!“ Scott nickte erleichtert. Dann fragte er noch einmal: „Gar nicht?“ Es klang beinahe ein wenig enttäuscht und Stiles küsste seinen besten Freund noch einmal. Auf die Stirn! Und beide mussten lachten! Kapitel 15: Goodbye Brokeback Mountain -------------------------------------- Stiles saß am Fußende des Bettes in Dereks Loft, nackt, im Schneidersitz, ein Laken um die Hüfte geschlungen, mit einem Teller auf dem Schoß, von dem er soeben seinen zweiten Bagel mit Frischkäse und Lachs verspeist hatte. Am Kopfende lehnte Derek, die Beine lässig ausgestreckt und übereinander geschlagen, ein Kissen über dem Schoß; höchstwahrscheinlich zur Vermeidung von Ablenkung und den Kopf über eine Müslischale gebeugt. Der Anblick erzeugte ein Schmunzeln auf Stiles Gesicht, trotz der ernsten Gedanken, die ihm gerade durch den Kopf gingen. Das war typisch für sie beide: Stiles selbst hatte Fett und weißes Mehl gehabt, doch Derek, das Vorbild an Disziplin natürlich sein `Frühstück für Champions´, reich an Ballaststoffen, Kohlenhydraten und Proteinen. Stiles ließ seinen Blick über die eigene blasse Brust und die vergleichsweise dürren Arme gleiten und schaute dann hinüber zu dem unglaublichen Kerl an der Stirnseite des Bettes: „Du bist schön!“ murmelte er. Derek blickte zu ihm auf und dann geschah etwas viel zu Seltenes: er lächelte! Stiles Herz setzte einen kurzen Moment aus. In seiner Brust mischten sich widerstreitende Empfindungen und schließlich nahm er seinen Mut zusammen und sagte: „Hör mal, ich genieße unsere kleinen Trips zum `Brokeback Mountain´ , aber so funktioniert das irgendwie nicht mehr!“ „Hab, den Film nie gesehen.“ Erwiderte Derek zwischen zwei Löffeln: „Worauf willst du hinaus?“ „Ich muss Malia anlügen und kann nicht einmal meinem Vater die Wahrheit sagen. Der Einzige, der auch nur eine Ahnung hat, was vor sich geht ist Scott, aber auch nur aufgrund seines übernatürlichen Geruchssinnes. Ich bin für diese Unehrlichkeit nicht geschaffen. Es macht mich nervös! Es macht mich traurig! Und ich entwickle langsam einen Waschzwang, nur damit meine Freundin dich nicht auf meiner Haut riechen kann. Und dann sind dazwischen ja auch die Wochen, in denen wir uns gar nicht sehen, in denen ich dich vermisse und die Welt einfach überhaupt nicht in Ordnung ist! Das kann doch nicht ewig so weiter gehen!“ „Machst du Schluss mit mir?“ wollte Derek wissen. In seinem Blick flackerte Sorge auf: „Schluss machen? Womit denn? Wir haben keine Beziehung! Wir haben…das hier! Wir schlafen heimlich miteinander, wenn sich uns die Gelegenheit bietet und wenn ich Glück habe, dann reicht die Zeit für ein gemeinsames Frühstück!“ „Also MACHST du Schluss mit mir?“ Derek klang heiser. Stiles krabbelte zu ihm hinüber und schmiegte sich in seine Seite: „Schluss machen ist nur eine Option!“ flüsterte er: „Lass´und nachsehen, was sich hinter Tor zwei befindet: Wie wäre es, wenn wir endlich richtig beginnen!“ „Wie meinst du das?“ wollte Derek wissen. Mit gezieltem Augenbraueneinsatz- das hatte er sich von Derek abgeguckt, gab Stiles ihm Folgendes zu verstehen: `Stell´ dich nicht dümmer als du bist, Freundchen! Du weißt genau, wovon ich spreche!´ „Oh? Oh Mann Stiles!“ Stotterte Derek: „Was wird dein Vater, der Mann, der das staatlich verbriefte Recht hat, auf Leute zu schießen wohl dazu sagen, dass ich mit seinem Sohn…?“ Er stockte. Offenbar konnte er es noch nicht einmal aussprechen wenn sie allein waren, was sie miteinander taten: „Dad liebt mich und er will, dass ich glücklich bin. An dich wird er sich schon gewöhnen!“ erwiderte Stiles gelassen. „Und was ist mit Malia?“ wollte Derek wissen „Ich denke, es wird besser sein, wenn du dabei bist, wenn ich es ihr sage. Ich habe ein kleines bisschen Angst davor, dass sie mich sonst in Stücke reißen wird; also wortwörtlich!“ Entgegnete Stiles. In Dereks Blick lag so etwas wie Todesangst: „Aber bist du dir wirklich sicher, dass du mich willst und nicht sie?“ Stiles seufzte: „Worum geht es hier eigentlich wirklich?“ wollte er wissen: „Hast du Angst davor, dass die Welt erfährt, wer du wirklich bist und davor dass dir das, was wir hier tun gefällt? Hast du Angst, du könntest dadurch schwach wirken, Derek? „Unsinn!“ grummelte dieser: „Ich habe vor gar nichts Angst!“ Stiles küsste ihn flüchtig: „Unsinn, du dummer Kerl! Du hast vor so vielen Dingen Angst. Davor, plötzlich allein dazustehen. Davor, dass du die, die du liebst nicht beschützen kannst. Davor, es nicht verdient zu haben glücklich zu sein. Und ich bin der Einzige, der das alles weiß. Und darum sollten wir auch zusammen sein - ganz offiziell! Es sollte jemanden in deinem Leben geben, der dich kennt und der dich beschützen kann!“ Dereks Mund war nun zu einem kleinen Lächeln gekräuselt: „DU kannst MICH beschützen?“ „Vielleicht nicht vor Monstern und dunklen Mächten; das ist dein Job, mein Großer. Aber der ganze Rest; also der Lebens-Kram: Einsamkeit, Traurigkeit, Verlustängste; das kriege ich hin!“ verkündete Stiles selbstbewusst und legte die Arme um ihn: „Bist du sicher, dass wir schon bereit dafür sind?“ Derek klang wie ein kleiner Junge und brachte Stiles damit ein kleines bisschen zum Lachen: „Ganz sicher! Ich bin es jedenfalls!“ beteuerte er: „Bist du es?“ Braeden tat das letzte, womit Derek gerechnet hatte: Sie lachte! Sie schüttete sich geradezu aus vor Lachen und es dauerte eine Ewigkeit, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Sie wischte sich die Lachtränen aus dem Augenwinkel und schließlich holte sie tief Luft, um zu sagen: „Also Derek, ich wusste schon seit einer Weile, dass es da jemand anderen gibt, aber dieser Junge? Wirklich? Kannst du mir das erklären?“ Derek blickte sie ratlos an: „Kann ich nicht! Hätte mir jemand vor zwei Jahren gesagt, dass das passieren würde, hätte ich ihn vermutlich ins Eichen-Haus einweisen lassen. Aber das ändert nichts daran!“ „Liebst du ihn?“ wollte Braeden wissen: „Es ist doch alles noch so neu. Es ist total verrückt. Und lächerlich! Denkst du, dass wüsste ich nicht selbst. Vielleicht geht es ja vorüber? Vielleicht habe ich einen Hirntumor?“ „Werwölfe kriegen keinen Krebs!“ erinnerte ihn Braeden: „Vielleicht ist es ein Zauber?“ versuchte er es hilflos: „Ich frage dich nochmal, Derek,“ sagte Braeden: „Liebst du ihn?“ „Sehr!“ murmelte der Werwolf. Braeden lächelte: „Dann ist es gut!“ „Keine Sorge, Stiles. Ich werde dich nicht töten.“ brüllte Malia: „Du bist bloß ein mickriges kleines Frettchen und hast mir nichts entgegen zu setzen! Ich töte ihn!“ Sie deute auf Derek, fuhr die Klauen aus und knipste die beiden blauen Scheinwerfer in der Mitte ihres Gesichts an. Derek tat es ihr gleich und mit einem Mal war Stiles froh, dass er seinem Gefühl getraut und Scott ebenfalls dazu gebeten hatte, der nun seines Amtes als Alpha waltete: „Hört sofort auf mit dem Blödsinn!“ herrschte er die beiden an: „Die zwei haben mich verarscht und du stellst dich auf ihre Seite?“ fragte Malia fassungslos: „Hierbei geht es doch gar nicht um dich. Die beiden haben sich gern. Das haben sie nicht geplant, oder tun es, um irgendwem weh zu tun, es ist ganz einfach passiert.“ gab Scott zurück. Malia zog die Krallen wieder ein, verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und ließ sich in einen Stuhl fallen: „Es tut mir unwahrscheinlich leid!“ Murmelte Stiles: „Aber wenn du auf jemanden wütend sein solltest, dann nicht auf Derek, sondern auf mich, denn ich habe dein Vertrauen missbraucht!“ „Oh, glaub mir; ich bin wütend auf dich! Ich habe genug Wut in mir für eich beide!“ knurrte sie und fügte an Scott gerichtet hinzu: „Sie reicht sogar auch noch für dich, großer Alpha!“ „Was hat er denn getan?“ fragte Stiles verwirrt: „Er schlägt sich auf deine Seite und du bist bloß ein Mensch! Ich hoffe ihr drei werdet total glücklich miteinander!“ Sie schüttelte den Kopf: „Nein! Eigentlich wünsche ich mir, ihr werdet von einem Lastwagen überfahren und der lässt dann nur noch Matsch auf der Straße von euch übrig!“ Malia sprang von ihrem Stuhl auf, schlug Stiles im Vorbeigehen die Nase blutig und stürmte hinaus. „Derek Hale!“ Sheriff Stilinski krauste die Stirn und wirkte dadurch zugleich ungläubig und besorgt: „Du willst mir sagen, er ist dein…WAS? Dein Freund ? Dein …Geliebter?“ an dem letzten Wort erstickte der Sheriff beinahe: „Ja Dad, so ist es! Derek und ich, wir lieben uns!“ erwiderte Stiles ernüchtert. Er wusste nicht genau, mit welcher Reaktion er gerechnet hatte, doch diese war es mit Sicherheit nicht: „Und was ist mit diesem Mädchen? Was ist mit Malia?“ wollte sein Vater wissen: „Du hast sie nie richtig leiden können, nennst sie immer noch `dieses Mädchen´ aber auf einmal ist SIE die bessere Alternative?“ fragte Stiles bitter: „Nein…ich meine NEIN!“ stotterte der Sheriff: „Du bist erwachsen und triffst deine eigenen Entscheidungen. Es kommt nur so…unerwartet!“ „Nicht für mich Dad!“ Stiles fühlte sich mit einem Mal sehr müde. Sheriff Stilinskis Stirn legte sich noch weiter in Falten und er schien sehr angestrengt nachzudenken. Mit einem Mal riss er die Augen auf, sprang vom Tisch auf und rief aus: „Moment Mal! Was soll das heißen, `nicht für mich`? Wie lange geht das denn schon mit euch, Junge? Du bist doch gerade erst achtzehn geworden! Ich bringe diesen Mistkerl um!“: „Beruhige dich, Dad!“ forderte Stiles: „Wenn du es wirklich so genau wissen willst: Ich habe mich ihm schon mit sechzehn an den Hals geworfen und war zu allen Schandtaten bereit, doch Derek hat mich abgewiesen, weil ich zu jung war. Wir haben ganz brav bis zu meinem achtzehnten Geburtstag gewartet, also komm´ wieder runter, O.K.?“ Sein Vater setzte sich wieder und starrte eine Weile vor sich hin, ehe er leise sagte: „Es ist gar nicht allein die Tatsache, dass es ein Mann ist. Wenn es Scott wäre; ein netter, besonnener Kerl. Aber Hale? Ist das so eine Art Überkompensation oder Rebellion? Der Vater ist ein Polizist, also tut der Sohn sich mit einem `Bad Boy´ zusammen, der immer mit einem Bein im Knast steht?“ Stiles zog genervt die Augenbrauen hoch: „Bad Boy? Echt jetzt Dad? Wer benutzt denn solche Worte? Ich finde ehrlich, du solltest dich wieder abregen! Derek ist ein guter Kerl! In gewisser Weise sind wir aus demselben Holz. Er ist gut zu mir…wir lachen zusammen…Er… ...er IST ES, Dad!“ In Stiles Augen stand nun das Wasser. Der Sheriff musste schlucken. Er stand von seinem Platz auf, trat zu seinem Sohn und umarmte ihn: „In Ordnung, Junge!“ flüsterte er: „Ich verstehe!“ Dies war einer der vielen Momente, in denen er sich wünschte, dass sein Frau noch am Leben wäre. Sie wäre souveräner mit der Situation umgegangen. Sie hätte von Anfang an das Richtige gesagt. Sie wäre von dieser Situation gar nicht erst überrascht worden, sondern hätte sie schon vor Ewigkeiten vorausgesehen: „Wo ist Derek eigentlich. Hat er nicht den Mut gehabt, bei diesem Gespräch dabei zu sein?“ fragte der Sheriff ein wenig grimmig, während er noch immer seinen Sohn festhielt: „Er sitzt draußen im Auto. Er wollte, dass ich dir erst deine Pistole abnehme, ehe er reinkommt!“ Der Sheriff hielt es für einen Scherz und lachte, doch Stiles hielt ihm auffordernd die Hand hin: „Im Ernst, Sohn?“ fragte er. Stiles nickte. Kapitel 16: Das erste Date -------------------------- Stiles hatte gemault, dass sie ja eigentlich noch nie richtig verabredet gewesen waren und Derek hatte es sich offenbar zu Herzen genommen, denn wenig später kam eine Textnachricht von ihm: `Ich hole dich um halb acht ab. Zieh` dir etwas Nettes an (kein Hoodie!!). Wir haben ein Date!´ `So, so, haben wir das?´ dachte er ein kleines bisschen rebellisch. Eine höfliche Anfrage sah ja wohl anders aus! Doch am Ende hatte Stiles beschlossen, großzügig über die Frage der Formwahrung hinweg zu sehen und saß nun abwartend zuhause auf dem Sofa, in einer unbequemen Stoffhose, einem gebügelten Hemd (Seidengemisch!) und war nervös wie ein Bienenschwarm. Pünktlich auf die Minute klingelte es an der Tür und als Stiles öffnete, traute er seinen Augen kaum: Da stand Derek in einem Zweireiher, der aussah, als sei er ihm direkt in Paris auf den Luxuskörper geschneidert worden: „Öhh…!“ machte Stiles und bekam den Mund nicht mehr zu: „Du siehst toll aus!“ behauptete Derek, doch dabei konnte es sich nur eine dreiste Lüge handeln, denn neben ihm konnte Stiles nur kläglich abstinken. Derek küsste ihn sanft auf die Wange. Wie bitte? Was für eine Begrüßung war das denn? Derek, der offenbar seine Gedanken gelesen hatte kommentierte: „Was denn? Dies ist unser erstes Date, oder nicht? Soll ich da etwa über dich herfallen, wie ein wildes Tier?“ `Naja, wenn du schon fragst…!´ schoss es ihm ungefiltert durch den Kopf. Anstatt dessen behauptete er: „Nö, is´ schon in Ordnung.“ Stiles hatte sein ganzes Leben in Beacon Hills verbracht, doch das sauteure und vornehme französische Restaurant, das sie soeben betreten hatten, war ihm wirklich noch nie zuvor aufgefallen. Wenige Tische mit blendend weißen Tischtüchern, silbernen Kerzenleuchtern, einer sehr zurückgenommenen und geschmackvollen Einrichtung. Er blickte sich unbehaglich um und murmelte: „Ich glaube nicht, dass ich mir das hier leisten kann, Derek!“ „Mach` dir darüber keine Gedanken!“ entgegnete dieser. Stiles runzelte die Stirn. Der Kellner führte sie zu ihrem Tisch und Derek schob Stiles den Stuhl heran. Als sie einander gegenüber saßen, fragte Derek: „Du guckst so merkwürdig. Stimmt etwas nicht?“ Stiles hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Er schaute sich nach links und rechts um, fühlte sich fehl am Platz in seinem halbseidenen Hemd und war eingeschüchtert von der Menge echt silbernen Bestecks vor ihm, von dem er keine Ahnung, wie und in welcher Reihenfolge er es zu benutzen hatte: „Bin ich eigentlich das Mädchen?“ platzte er plötzlich heraus: „Wie bitte?“ Derek blickte ihn verständnislos an: „Wovon sprichst du?“ „Naja“ , erwiderte Stiles: „Du suchst das Restaurant aus, du holst mich ab, du willst die Rechnung übernehmen, du rückst meinen Stuhl heran. Heißt das, dass ich in deinen Augen das Mädchen in unserer Beziehung bin?“ Derek sah unbehaglich aus: „Natürlich nicht! Ich…ich meine, ich weiß es nicht! Ich kenne die Spielregeln für unsere Situation nicht. Es tut mir leid, wenn ich dich gekränkt habe. Findest du es blöd, wie ich diesen Abend geplant habe?“ Darüber musste Stiles nachdenken. Doch schließlich erklärte er schmunzelnd: „Ich finde es NICHT blöd! Ich finde es höchstens ein bisschen eigenartig. Es ist irgendwie so… altmodisch! Aber dadurch ist es auch so typisch DU.“ Sein Lächeln wurde breiter und er fügte hinzu: „Und das gefällt mir im Grunde richtig gut!“ Derek hatte vor Spannung den Atem angehalten, aber jetzt musste er auch ein wenig lachen. Sie lachten beide! Nach einer Weile sagte Stiles bestimmt: „Aber ich bin NICHT das Mädchen, hörst du!“ „Du bist NICHT das Mädchen!“ bestätigte Derek. Der Kellner; ein anderer dieses Mal, brachte die Karte und musterte die beiden Männer am Tisch eingehend und beinahe schon ein wenig frech. Kein Zweifel: er wusste genau, warum zwei Kerle gemeinsam ein romantisches Restaurant besuchten und auch, dass Derek und Stiles nicht einfach nur Geschäftspartner oder was auch immer waren. Derek sah aus, als säße er auf einem Nagelbrett! Stiles fiel auf, dass in der Karte keine Preise neben den Gerichten standen und das war sicher kein gutes Zeichen. Außerdem war alles auf Französisch, so dass er beim Bestellen auf Derek angewiesen war. Verflixt! Er war wohl doch das Mädchen! Zumindest heute Abend. Als die beiden ihren Wein hatten und auf das Essen warteten, fühlte Derek plötzlich einen bestrumpften Fuß seinen Oberschenkel hinauf wandern und seine Augen weiteten sich entsetzt. Er blickte hinüber zu Stiles der sein harmlosestes Grinsen aufgesetzt hatte und ihm zuzwinkerte. Derek war dankbar für die großzügig bis zum Boden reichende weiße Dammasttischdecke! Plötzlich war der Fuß verschwunden und Stiles erhob sich vom Tisch: „Ich werde mich vor dem Essen noch ein wenig frisch machen!“ verkündete er. Derek nickte. Er war immer noch ein wenig blass um die Nase. Nachdem er zwei Schritten getan hatte, drehte Stiles sich um und fragte: „Willst du denn gar nicht mitkommen?“ „Wie?“ fragte Derek ein wenig dümmlich. Stiles legte den Kopf schief und in seinem Minenspiel stand geschrieben ` Stellst du dich nur so dumm, oder bist du es wirklich?´ „Ach so!“ Murmelte Derek verlegen und erhob sich, wobei er beinahe, für seine Verhältnisse ungewöhnlich ungeschickt, über seine eigenen Füße gestolpert wäre. Als sie an ihren Tisch zurückkehrten, kam auch der Kellner gerade mit der Vorspeise, so als habe er die zwei genau abgepasst. Und vielleicht hatte er das auch, denn als Derek gerade nicht hinsah, zwinkerte der Kellner Stiles dezent zu. Dieser antwortete mit einem beinahe unmerklichen Grinsen. Zuerst hatte Stiles geglaubt, er würde hungrig nachhause gehen, angesichts der winzigen Portionen, die aus viel zu vielen einzelnen Komponenten bestanden, doch die intensiven Aromen, das Farbspiel, die unterschiedlichen haptischen Erfahrungen; all` das nährte ihn weit mehr, als jeder Burger es je vermocht hatte. Es war ein wundervoller Abend gewesen. Stiles hätte zu gern einen Blick auf die Rechnung geworfen, doch Derek hatte sie sich schnell geschnappt und dem Kellner seine Kreditkarte mitgegeben. Später auf dem Heimweg in Dereks Wagen starrte dieser Stiles beharrlich an: „Was?“ fragte der Jüngere ein wenig gereizt:“ Guck` auf die Straße, oder willst du uns vor den nächsten Baum karren? Du überlebst das ja möglicherweise, Hale. Bei mir bin ich da nicht so sicher!“ „Toilettensex beim ersten Date, Stiles?“ neckte Derek: „Du weißt schon, dass du ein ziemliches Flittchen bist, oder?“ „Selber Flittchen!“ erwiderte Stiles grinsend: „Du hast schließlich mitgemacht!“ „Und du weißt sicher auch, dass wir uns in diesem Restaurant nach so einer Aktion nie wieder blicken lassen können?“ fuhr Derek fort: „Ich dachte, der Kellner ruft die Polizei!“ „Wieso? Glaubst du, dass er auf Uniformen steht?“ erkundigte sich Stiles mit einem Grinsen. Derek blickte ihn ratlos an: „Wie bitte? Wovon sprichst du?“ „Davon, dass du einen ganz lausigen Schwulenradar hast, mein Schatz! Der Kellner wollte uns nicht verpfeifen. Im Gegenteil: Er hätte liebend gern mitgemacht. Und ich wette, sollten wir uns nochmal dazu entschließen, dort zu essen, ginge das Dessert dieses Mal auf` s Haus!“ Derek machte große Augen. Zurück in Dereks Loft hatten sie sich in aller Eile ihrer Kleider entledigt und Derek schob Stiles in Richtung Bett, doch dieser hielt inne und schüttelte den Kopf: „Nicht so schnell!“ Flüsterte er: „Was ist?“ erkundigte Derek sich unsicher: „Hast du keine Lust?“ „Doch sicher!“ erwiderte er zögerlich: „ Aber ich finde, heute bin ich mal am Zug!“ Derek schluckte hörbar und zögerte einen Moment. Er verstand. Dann nickte er, um Stiles zu verstehen zu geben, dass er einverstanden war. Und plötzlich war auch Stiles sehr nervös! Später in der Nacht, Stiles dachte schon, Derek sei eingeschlafen, fragte dieser plötzlich nachdenklich in die Stille hinein: „Habe ich mich eigentlich je dafür entschuldigt, wie ich dich damals, bevor das mit uns angefangen hat, behandelt habe? Ich meine die Drohungen, die Beschimpfungen, das Herumgeschubse?“ „Nope!“ erwiderte Stiles und Derek konnte das Schmunzeln in seiner Stimme hören: „Also gut. Dann tue ich es jetzt: Es tut mir leid, dass ich früher so ein Ekel gewesen bin.“ Stiles hob den Kopf und blickte ihm ins Gesicht: „Wenn ich dir etwas verrate, versprichst du, nicht über mich zu lachen oder schlecht über mich zu denken?“ Derek hob gespannt die Augenbrauen: „Versprochen!“ „Im Grunde genommen fand ich es…scharf! Nicht dass ich wollte, dass wir heute noch so miteinander umgingen, aber damals…!“ Stiles errötete ein bisschen bei dem Bekenntnis. Derek gab ein kleines Knurren von sich und noch ehe Stiles recht wusste, wie ihm geschah, hatte er ihn auch schon auf den Rücken gedreht und lag auf ihm: „Echt jetzt?“ fragte Stiles grinsend und kopfschüttelnd: „DAS macht dich an?“ Als sie beide wieder die Luft zum Sprechen hatten bemerkte Derek: „Ich muss sagen, für einen Menschen hast du eine erstaunliche Ausdauer, Stilinski!“ Stiles blickte ihn mit gespielter Empörung an und erwiderte: „Ich weiß nicht, ob das eher eine Beleidigung oder ein Kompliment war, aber ich sage mal versuchsweise `Danke, Kumpel!´ Derek küsste seine Stirn: „Schlaf jetzt! Du musst doch ziemlich erledigt sein?“ „Ich habe die Jugend auf meiner Seite, alter Mann!“ konterte Stiles und knuffte ihn in die Seite. Fünf Minuten später konnte Derek an seinem gleichmäßigen Atem hören, dass Stiles eingeschlafen war. Kapitel 17: Und andere erste Male... ------------------------------------ „Du bist echt ein Arsch!“ brüllte Stiles noch, schob dann die Tür des Lofts so heftig hinter sich zu, wie es ihm möglich war und rannte dann die Treppen hinunter, so schnell er konnte. Das fehlte gerade noch, dass Derek mitbekam, dass er so kurz davor war zu heulen wie ein Baby! Und als er dann in seinem Jeep saß und den Gang reinprügelte, war es schließlich soweit. `Das war`s dann wohl mit uns beiden´, dachte Stiles entsetzt und gab seinem Körper damit das „Wasser Marsch!-“Signal. Er wischte sich mit seinem Ärmel über die Augen, damit er die Straße erkennen konnte. Er fuhr auf direktem Wege zum Revier und hoffte, dass sein Dad Zeit für ihn hätte und wie es aussah, hatte er Glück. Der Sheriff hob den Kopf, als er seinen Sohn bemerkte, der in seiner offenen Bürotür herumlungerte: „Hey Junge, was ist los?“ wollte er wissen: „Derek ist ein blöder Penner und ich HASSE ihn! Und ich wünschte, ICH WÄRE TOT!“ erwiderte Stiles außer sich. Sein Dad erhob sich von seinem Schreibtisch und legte die Arme um seinen Sohn, der nun wiederum zu Weinen begonnen hatte: „Also noch mal ganz langsam und von Anfang an!“ forderte er: „Was hat der Kerl getan? Hat er dir wehgetan? Hat er dich verletzt? Ich bringe ihn um, wenn er das hat! Erzähl`s mir Junge!“ Stiles Tränen versiegten auf der Stelle, er ging eine Armlänge weit auf Abstand zu seinem Vater und blickte ihn mit einer Mischung aus Verwirrung und Ärger an: „Es ist nichts dergleichen Dad! Wie kommst du denn bloß auf so etwas?“ Er schüttelte enttäuscht den Kopf:“ „Ich hätte echt nicht herkommen sollen! Hätte ich mir denken können, dass du so anfängst, schließlich hasst du Derek. Ich verschwinde einfach wieder!“ Stiles machte Anstalten, seinen Worten Taten folgen zu lassen. John Stilinski seufzte ein wenig hilflos und schalt sich innerlich selbst, für den beherzten Schritt in die Klärgrube, den er da gerade hingelegt hatte: „Warte Junge. Ich bemühe mich! Ehrlich! Lass´ uns nochmal von vorn beginnen, dann streiche ich alle Vorbehalte aus meinem Kopf und höre dir einfach nur zu. Wie klingt das?“ Stiles sah noch immer nicht vollständig versöhnt aus, doch er nickte und ließ sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch seines Vaters sinken. Auch der Sheriff nahm wieder Platz und versuchte, so anteilnehmend, unvoreingenommen und verständnisvoll auszusehen, wie nur irgend möglich. Sein Sohn hingegen versuchte noch einen Moment lang seinen Vater strafend niederzustarren, bis es ihm einfach nicht mehr gelang, angesichts der Liebe, welche ihm entgegenschlug: „Also gut!“ begann Stilinski junior schließlich: „Wir hatten einen furchtbaren Streit! Wir haben uns stundenlang angeschrien. Es war furchtbar. Und ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, es ist vorbei!“ Wieder kullerte eine einzelne Träne über seine Wange: „Wie kommst du darauf, dass es vorbei ist?“ Wollte der Sheriff wissen: „Hat Derek das gesagt?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Das nicht, aber das musste er auch nicht, denn er hat so wütend ausgesehen. Ich denke er hasst mich!“ „Worum ging es denn bei eurem Streit überhaupt?“ wollte sein Vater wissen: „Am Anfang ging es darum, dass Derek geschimpft hat, ich wäre zu unordentlich und würde in seinem Loft Chaos verbreiten, aber irgendwann ging es um alles Mögliche und dann haben wir ,glaube ich, beide den Überblick verloren und uns nur noch gegenseitig aller möglichen Sachen beschuldigt!“ Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht von Stiles Vater, als er sagte: „Derek nennt DICH unordentlich? Woher nimmt er bloß die Nerven?“ Er kannte seinen Sohn und ihm war es in achtzehn Jahren nicht gelungen, ihm das Ordnung halten beizubringen. Nicht dass er es nicht versucht hätte! Stiles war der ironische Unterton seines Vaters natürlich nicht entgangen und er beschwerte sich nun: „DAD! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“ „Auf deiner, mein Sohn! Immer nur auf deiner, doch das bedeutet nicht, dass du immer recht hast. Du BIST schlampig. Warst du schon immer und wenn dein Derek eher der ordentliche Typ ist, dann müsst ihr zwei einen Kompromiss finden, mit dem ihr beide leben könnt.“ Erklärte Stiles Vater und weil er dem Gesicht seines Jungen ansehen konnte, dass diesem bereits eine heftige Gegenrede auf den Lippen lag, beeilte er sich fortzufahren: „Aber eigentlich geht es hier gar nicht so sehr darum, worüber ihr euch gestritten habt, sondern eher darum, dass Paare sich nun einmal streiten; insbesondere am Anfang ihrer Beziehung, weil sie erst einmal die Grenzen in ihrem neuen Leben zu zweit abstecke. Streitet ihr euch oft?“ Stiles blickte zu seinem Vater auf und schüttelte den Kopf: „Bevor wir ein Paar wurden, war ein Streit für uns die ganz gewöhnliche Form der Kommunikation, aber seit sich die Dinge zwischen uns geändert haben, hat es nie einen Streit gegeben.“ Stilinski senior lachte leise: „Na, wenn du mich fragst, wurde es dann wohl höchste Zeit. Und Junge, lass´dir eins gesagt sein: ein Streit bedeutet nicht, dass die Beziehung vorbei ist! Deine Mutter und ich haben gezankt, wie die Kesselflicker! Vor allem als ganz junges Paar. Dann noch einmal, als wir zusammengezogen sind. Und als sie mit dir schwanger war, war es manchmal so heftig, dass ich zwei, drei mal gedacht, sie erwürgt mich gleich mit ihren bloßen Händen!“ Gegen seinen Willen musste Stiles ein wenig lachen und die Vorstellung seiner Eltern als junges Paar trieb ihm gleichzeitig beinahe wieder die Tränen in die Augen: „Und was schlägst du vor, was ich jetzt machen soll?“ wollte er von seinem Vater wissen: „Ich habe als Junge gelernt, dass der Mann sich nach einem Streit immer entschuldigen muss, egal ob er schuld ist, oder nicht, doch als ich das einmal zu deiner Mutter gesagt habe, habe ich damit gleich einen neuen Streit vom Zaun gebrochen, denn sie fand das unglaublich sexistisch und eine Unverschämtheit. So oder so ist es für euch zwei Jungs kein sinnvoller Rat. Deine Mutter und ich haben irgendwann die Regel eingeführt, dass wir nicht wütend aufeinander ins Bett gehen!“ erwiderte der Sheriff und wurde plötzlich ein wenig nervös, weil er sich nun nämlich seinen Sohn mit Derek Hale in einem Bett vorstellen musste, was er bis dahin erfolgreich vermieden hatte. Er schüttelte den Gedanken rasch wieder ab und fügte hinzu: „Ich schlage vor, sobald du dich ein bisschen ruhiger fühlst, solltest du noch einmal zu ihm gehen und versuchen dich mit ihm zu versöhnen. Als Paar lernt man nach und nach, auch im Streit, wenn die Gefühle bereits hochgekocht sind, immer noch den Menschen zu sehen, den man liebt und dieses Gefühl selbst in dieser Situation noch heraufbeschwören zu können. Streits können dann automatisch gar nicht mehr so hitzig ausfallen. Bis ihr herausgefunden habt, wie das geht, werdet ihr sicherlich noch ein paar heftige Zankereien hinter euch bringen müssen. Und ich denke, die Tatsache, dass Derek ein Werwolf ist und du...na ja eben du, macht die Sache sicher nicht einfacher!“ „Ich frage mal lieber nicht, was diese letzte Äußerung bedeuten soll, weil ein Streit am Tag mir reicht!“ brummte Stiles, doch dann erhob er sich, ging um den Schreibtisch herum und fiel seinem Vater um den Hals: „Ich danke dir Dad. Ich weiß das ist immer noch nicht leicht für dich, aber ich kann sehen, wie sehr du dich bemühst. Ich hab´ dich lieb!“ „Ich dich auch, Sohn. Ich dich auch!“ versicherte der Sheriff: „Und nun sieh` zu, dass du zu deinem Freund kommst und die Sache wieder in Ordnung bringst!“ Stiles nickte und verschwand. Der Sheriff blieb zurück und atmete tief durch. Da hatte er ja gerade noch Mal so die Kurve gekriegt, verflixt! Er öffnete seine Schreibtischschublade und zog den Flyer daraus hervor, welchen ihm Dannys Mutter Mrs. Mahealani beim letzten Elternsprechtag in die Hand gedrückt hatte. Die muntere, rundliche, kleine Hawaianerin mit dem augenkrebserzeugenden Hippie-Rock und den riesigen klimpernden Ohrringen musste irgendwie herausgefunden haben, dass sein Sohn neuerdings mit einem Mann liiert war und hatte das zum Anlass genommen, ihn ungefragt eine halbe Stunde lang, offenbar ohne zwischendrin auch nur einmal Luft zu holen, über Suizide und Suizidversuche unter LGBTI*-Teenagern, die „it-gets-better“-Bewegung**, „gay-bashing“*** und Mobbing in der Schule aufzuklären und ihn zu einem Meeting von PFLAG**** einzuladen. Wenn er die Chance dazu erhalten hätte, hätte der Sheriff ihr unter Umständen erklären können, dass sein Sohn vermutlich die allergrößte Klappe ihm gesamten Sonnenschein-Staat hatte und er jeden, der es wagen würde, ihn zu mobben auf der Stelle in Grund und Boden zu quatschen konnte, dass überdies seine Peer-Group aus einer Ansammlung von Jugendlichen mit übernatürlichen Fähigkeiten bestand und sein Freund ein ziemlich beeindruckender Werwolf war. Bei nochmaligem Nachdenken war es aber vielleicht doch ganz gut, dass er nicht die Chance erhalten hatte all´dies zu sagen. Er hatte stattdessen gelächelt, genickt und den PFLAG-Flyer entgegengenommen, ohne je die Absicht gehabt zu haben, jemals zu einem dieser Treffen zu gehen. Nach dem Gespräch, dass er gerade mit Stiles gehabt hatte, änderte er seine Meinung jedoch. Offensichtlich war er doch nicht der aufgeschlossene, coole Super-Dad für den er sich bisher gehalten hatte, sondern hatte durchaus noch Erziehungsbedarf? Er klappte den Flyer auf und stellte fest, dass heute nach seinem Feierabend im Gemeindezentrum von Beacon Hills ein Treffen von PFLAG stattfinden würde. Er grinste bei dem Gedanken, die energetische Mrs. Mahealani dort wieder zu treffen und bereitete sich innerlich schon einmal auf einen weiteren Wortschwall vor. Stiles fühlte sich kleinlaut und auch ein wenig ängstlich, als er Dereks Loft betrat. Er sah seinen Freund auf dem Bett liegen und traute sich nicht, näherzukommen, also fragte er: „Ist es O.K., dass ich hier bin?“ Derek richtete sich auf und blickte ihn an. Dann nickte er und lud ihn mit einer Kopfbewegung ein, zu ihm zu kommen. Stiles nahm auf der Bettkante Platz und blickte Derek verstohlen an, der immer noch ziemlich finster dreinschaute; den Blick auf den Boden geheftet: „Du bist kein Arsch und ich hatte kein Recht, dich so zu nennen. Es tut mir leid!“ Derek hob ruckartig den Kopf und blickte Stiles mit einer angehobenen Augenbraue an: „Das war ja wohl echt nicht das erste Mal, dass du mich so bezeichnet hast.“ gab er misstrauisch zurück. Stiles nickte: „Ja, aber das war vorher! Bevor wir...du weißt schon!“ Derek nickte: „Bevor wir WIR wurden.“ Mahlende Kiefer und dann ein tiefes Durchatmen, ehe Derek sich dazu durchringen konnte fortzufahren: „Stiles, ich hatte inzwischen ein wenig Zeit nachzudenken und es gibt ein paar Dinge, die ich dir sagen möchte. Meinst du, du kriegst es hin, die Klappe zu halten und mir bis zum Ende zuzuhören?“ Er blickte ihn intensiv an. Mit einem Mal raste Stiles Herz. Jetzt war es also so weit: Derek würde ihm sagen, dass sie beide einfach nicht zusammen passten und dass das alles ein Fehler gewesen war. Stiles schluckte, rief seinen inneren Krieger zu sich und nickte tapfer: „Also Stiles!“ begann Derek ernst: „Du musst eine Sache verstehen: Ich hatte zwar auch vor dir schon Beziehungen, doch irgendwie war das nie so intensiv, wie es mit uns beiden gerade wird. Ich habe eine Scheiß-Angst davor, wie nah du mir kommst. Mein Leben war so gemütlich, ruhig und komplikationslos, bevor du dich mit deinem Chaos darin ausgebreitet hast!“ `Verdammt, jetzt kommt`s!´ dachte Stiles und kniff die Augen zu, wie in einem Gruselfilm: „Im Grunde ging es mir bei dem Streit vorhin gar nicht so sehr darum, dass du unordentlich bist. Ich meine sicher; es nervt mich, aber eigentlich ging es um etwas ganz anderes. Nämlich darum, dass du mein Leben, wie ich es kannte über den Haufen wirfst. Ich hatte mich in meiner Einsamkeit eingerichtet, wie in einem Sarg und plötzlich kommst du und erfüllst alles mit Leben, Krach und Unordnung. Unser Streit hat mir gezeigt, dass ich anfangen muss, dir bewusst Platz in meinem Leben einzuräumen. Und das will ich nun auch tun!“ Stiles riss die Augen überrascht auf. Er hatte sich doch wohl gerade verhört? All´ das, was Derek gesagt hatte, klang überhaupt nicht nach Trennung! Es klang nach Zukunft! Und nun stand Derek auf, ging hinüber zu Kleiderschrank und öffnete die Tür: „Ich habe dir ein bisschen Raum hier drinnen geschafft.“ erklärte er: „Wenn ich will, dass du bei mir etwas Ordnung hältst, dann solltest du auch einen Ort haben, an den du deine Sachen räumen kannst, oder?“ Stiles erhob sich mit wackligen Knien vom Bett, trat auf Derek zu und blickte ihn sprachlos an, ehe er ihm um den Hals fiel. Nach einer Weile lösten die beiden sich wieder voneinander und Stiles fuhr damit fort, Derek einfach nur anzuschauen: „Langsam wird es mir unheimlich!“ kommentierte Derek: „Ich habe dich zwar gebeten, kurz den Mund zu halten, aber jetzt dürftest du schon langsam mal wieder damit anfangen, zu sprechen!“ Stiles öffnete den Mund doch es wollte einfach nichts kommen und so zuckte er einfach nur hilflos mit den Schultern. Derek lachte leise und flüsterte dann: „Ich liebe dich, Stiles!“ Und Stiles dachte, ihn träfe der Schlag, denn diese drei Worte hatten sie sich bislang noch nicht gesagt. Und nun wusste er plötzlich auch, was er sagen konnte: „Ich liebe dich auch!“ Und dann noch: „Das ist ja ein Tag voller Prämieren heute!“ Sie küssten sich und hinterher fragte Derek: „Wie wär`s mit einer weiteren Prämiere? Wie stehst du zu Versöhnungs-Sex?“ „Klingt akzeptabel!“ erwiderte Stiles grinsend. Als sie eine Stunde später vollkommen ausgesöhnt und hochzufrieden nebeneinander in Dereks Bett lagen, summte Stiles Telefon. Stiles las die Nachricht und grinste: „Nimm dir am Freitagabend nichts vor. Das war mein Dad. Er lädt uns zum Abendessen ein!“ Derek schluckte. *Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans * und Intersexuelle, **Unterstützung von suizidgefährdeten LGBTI-Jungendlichen durch Mut machende Videos im Internet, ***Gewalt gegen LGBTIs, Eltern, Freunde und Familien von LGBTIs Kapitel 18: Rate mal, wer zum Essen kommt ----------------------------------------- Derek blickte noch einmal an sich hinab und fragte sich, ob er die Kleiderfrage zufriedenstellend gelöst hatte. Er hatte vorhin eine ganze Weile vor dem Kleiderschrank gestanden, Jeans gegen schwarze Stoffhose, Oberhemd gegen Langarmshirt abgewogen und sich schließlich für einen Kompromiss entschieden: Stoffhose mit Shirt – das war nicht wirklich Alltagskleidung, aber auch nicht zu förmlich, hatte er in jenem Moment gefunden. Nun, da er aber hier vor dem Haus der Stilinskis stand, fragte er sich, was er sich verdammt nochmal denn nur bei seiner Wahl dabei gedacht hatte! Derek widerstand dem Impuls, wie gewöhnlich durch Stiles Schlafzimmerfenster einzusteigen und starrte stattdessen die Klingel an. Und wie er ihn so fixierte, hatte er das Gefühl, der Klingelknopf wurde immer riesiger vor seinen Augen. Es war doch einfach lächerlich, dass er jetzt zögerte. Da drinnen wartete doch schließlich kein Erschießungskommando auf ihn, sondern ein Abendessen (so hoffte er zumindest). Doch selbst wenn der Sheriff feindselige Absichten hätte, wäre doch immer noch Stiles dabei, richtig? Also los jetzt! War er ein Wolf oder eine Maus? Als die Türglocke schließlich laut und schrill ertönte, schreckte er dennoch zusammen. Eine Maus also! Es war Stiles, der ihm öffnete, mit vorgebundener Schürze und von einem Ohr zum anderen strahlend, als er ihn sah: „Du siehst toll aus!“ behauptete er begeistert. Derek hätte beinahe die Weinflasche in seiner Hand fallen lassen, als der junge Mann ihn ansprang, die Arme um seinen Hals und die Beine um seine Hüfte schlingend: „Langsam!“ murmelte Derek: „Was, wenn dein Vater uns beide so sieht?“ Stiles ließ sich wieder zu Boden gleiten und blickte ihn verständnislos an: „Und wenn schon? Da muss er durch!“ behauptete er, griff ihn bei der freien Hand und zog ihn ins Esszimmer, wo der Sheriff bereits am Tisch saß. Als er seinen Gast hereinkommen sah, ließ der Sheriff sich dazu herab, sich zu erheben und ihm die Hand hinzustrecken Ein nüchternes: „Hale!“ kam von dem Einen, ein gemurmeltes: „Sheriff!“ von dem Anderen. Derek reichte Stiles Vater die mitgebrachte Weinflasche. Dieser bedankte sich, begutachtete das Etikett und nickte dann anerkennend. Puh! Wenigstens eine Sache, die er richtig gemacht hatte! Die beiden Männer musterten einander misstrauisch und Stiles musterte SIE, während sie EINANDER musterten, während in seinem Kopf: „Spiel mir das Lied vom Tod“ ertönte. War das gerade ein Bündel trockenes Präriegras, das der heiße, trockene Wind da durch das Esszimmer blies? Stiles warf vorsichtshalber einen Blick auf die Uhr an der Wand. Nein, es war nicht zwölf Uhr mittags, sondern achtzehn Uhr am Abend! Der Junge schüttelte seinen Kopf, um die albernen Wild-West-Fantasien darin loszuwerden: „Setzt euch!“ forderte er: „Das Essen braucht noch eine Weile.“ Als Stiles wieder in der Küche verschwunden war, ging das Starren weiter und Derek merkte, dass es immer schwieriger wurde, dem Blick von Stiles Vater standzuhalten. Er ahnte was hinter dessen Stirn vorging: `Das ist also der elf Jahre ältere Freak, der mit meinem achtzehnjährigen Sohn schläft!´ Und beinahe hätte er sich entschuldigt. Stiles, dem die schweigsame Unbehaglichkeit nebenan nicht entgangen war, warf kopfschüttelnd einen Blick um die Ecke und entschied, dass er etwas unternehmen musste. Als erstes machte er mal ein bisschen Musik; Sinatra, weil er wusste, dass das seinen Vater ein wenig entspannen würde und schleppte dann ein dickes Fotoalbum an: „Also erstens Dad, könntest du Derek höflicherweise endlich mal etwas zu trinken anbieten und zweitens ist es hier so ungemütlich, dass man Frostbeulen bekommt. Erinnert euch doch an das, was ihr gemeinsam habt!“ Stiles deute mit einer ausschweifenden Handbewegung einmal über seinen gesamten Körper: „Diese ganze Herrlichkeit ist doch schon einmal etwas, worüber ihr euch unterhalten könntet, wenn euch sonst nichts einfällt. Ich verspreche auch, wegzuhören und du Dad könntest Derek diese oberpeinlichen Familienfotos zeigen, die du so liebst: ich, als nackter Säugling auf dem Bärenfell, oder mit Zahnlücke bei der Einschulung. Komm´ schon Dad! Du weißt, dass du es willst!“ Der Sheriff nickte und ein kleines Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er das Album aufklappte. Stiles machte Anstalten, wieder in der Küche zu verschwinden, jedoch nicht, ohne Derek im Vorbeigehen noch einmal zu küssen. Auf den Mund, denn er hatte nicht die geringste Absicht, seinen Vater zu verhätscheln! Einen Moment später hörte Stiles Derek und seinen Vater lachen und fragte sich, ob das mit den Fotos wirklich so eine gute Idee gewesen war. Andererseits: Derek wusste bereits, dass er ein Nerd und ein Spinner war. Die Beweisfotos konnten die Sache ja wohl kaum schlimmer machen, oder? Endlich war der erste Gang; Kürbissuppe mit selbst gebackenem Brot, fertig und Stiles machte sich daran, anzurichten. Vater und Lover hockten an je einem Ende des Tische, wie die entgegengesetzten Pole des Erdballs und Stiles saß in der Mitte und blickte von links nach rechts auf die beiden Männer, die zwar ihn liebten und überhaupt nur aus diesem Grund in Erwägung gezogen hatten, am selben Tisch zu sitzen, einander jedoch offensichtlich weder trauten, noch sich etwas zu sagen hatten. Stiles stöhnte: „Wenn euch sonst schon nichts einfällt, dann könntet ihr euch wenigstens über das Essen äußern!“ forderte er: „Es ist gut!“ erwiderte Derek schnell und der Sheriff bekräftigte: „Ja, wirklich gut!“ `Na, dann wäre das ja auch geklärt´ dachte Stiles genervt. Kaum war der letzte Löffel Suppe vom Teller in ihren Mündern verschwunden, sprang Stiles ungehalten vom Tisch auf, klaubte das Geschirr zusammen und pflaumte seinen Vater an: „Hilfst du mir mal in der Küche?“ Der Sheriff trabte seinem Sohn brav hinterher und Stiles warf die Küchentür hinter ihnen zu und begann sofort zu schimpfen: „Jetzt hör´ mir mal gut zu, Dad! Wenn du dich nicht langsam mal zusammenreißt und ein bisschen netter und höflicher zu Derek bist, dann beende ich diese Farce hier und wenn Derek dann wieder nachhause geht, werde ich mich ihm anschließen! Ich weiß ja, dass er dir nicht passt, aber ich liebe ihn, verdammt! Es verlangt ja keiner, dass du das auch tust, aber akzeptieren musst du ihn schon!“ „Tut mir leid!“murmelte John Stilinski. Stiles schüttelte den Kopf: „Derek gibt sich doch wirklich Mühe! Warum hast du ihn überhaupt eingeladen, wenn du nicht mal mit ihm sprechen möchtest?“ Sein Vater ließ sich unglücklich auf einen Küchenstuhl sinken: „Ich kann immer nur daran denken, dass er ein Werwolf ist; daran, dass er dir möglicherweise wehtun könnte und an Reißzähne und Klauen!“ Stiles gab einen knurrenden Laut von sich und klang dabei beinahe selbst ein bisschen wie ein Werwolf: „Scott ist auch ein Werwolf! Er ist mein bester Freund und gegen ihn hast du nichts, oder? Wo ist der Unterschied? Ist es, weil ich mit ihm nicht schlafe, oder was?“ John Stilinski schluckte laut. Stiles wusste, dass er hart mit seinem Vater ins Gericht ging, doch er hatte das Gefühl, es ginge nicht anders: „Ich bin enttäuscht von dir Dad!“ schickte er noch hinterher und sein Vater wurde in seinem Stuhl immer kleiner: „Das mit Scott kannst du doch gar nicht vergleichen. Ihn kenne ich bereits, seit ihr zwei mir als Kleinkinder um die Füße herumgekrabbelt seid.“ Brachte der der Sherff gerade kleinlaut vor. In diesem Moment klopfte es an der Küchentür und Derek steckte seinen Kopf herein: „Tut mir leid, aber ich kann nichts für meine Werwolfsohren. Ich habe jedes Wort gehört, dass hier gesprochen wurde. Stiles, du solltest nicht so hart zu deinem Vater sein!“ Der Sheriff hob ruckartig den Kopf und blickte seine Rettung von unerwarteter Seite erstaunt an. Derek fuhr fort: „Ich glaube, es wäre gut, wenn dein Vater und ich nun mal ein offenes Wort miteinander wechseln würden; unter vier Augen, dann kannst du inzwischen ungestört mit deiner Küchenmagie weitermachen. Wie klingt das?“ Stiles war ausnahmsweise einmal zu perplex, um etwas zu erwidern und nickte bloß. Sein Vater und Derek gingen ins Wohnzimmer und nahmen auf dem Sofa Platz. Stiles hätte zu gern gehört, was sein Dad und sein Geliebter wohl miteinander besprechen mochten, doch er widerstand dem Drang zu lauschen. Sie würden ihn schon wissen lassen, wenn es etwas gab, was für ihn von Bedeutung wäre. „Ich kann verstehen, dass sie mir gegenüber misstrauisch sind, Sir!“ begann Derek: „Mir ist klar, dass ich mir ihr Vertrauen erst verdienen muss. Stiles ist jung und er ist ein Mensch. Sie fragen sich wohl, wo die Gemeinsamkeiten zwischen uns beiden sind und glauben sie mir Sheriff: Ich habe dasselbe getan und es mir nicht leicht gemacht. Ich kann ihnen nur versichern, dass das, was da zwischen ihrem Sohn und mir entstanden ist funktioniert. Er bedeutet mir wahnsinnig viel und ich würde ihm niemals bewusst wehtun, weder körperlich, noch auf irgendeine andere Weise. Im Gegenteil: wir leben in Beacon Hills und es gibt hier so manches, was das Leben gefährlich macht und aus irgendeinem Grund ist Stiles immer mittendrin. Ich habe schon so oft versucht, ihn davon abzuhalten, aber es ist zwecklos. Er hat einfach seinen eigenen Kopf! Also will ich wenigstens versuchen, ihn zu beschützen, so gut ich das vermag. Und das ist ein Versprechen, dass ich ihnen gebe, Sir!“ Der Sheriff empfing den aufrichtigen Blick aus den großen grünen Augen seines Gesprächspartners und stellte fest, dass er ihm, beinahe gegen seinen Willen Glauben schenkte. Dieser Mann mochte ihm als Schwiegersohn nicht passen, aber er besaß Anstand, Erziehung und hatte ein ausgeprägtes Ehrgefühl. Und Stiles Vater gefiel die Vorstellung, dass sein Sohn nun einen Werwolf als Bodyguard hatte, denn ihm passte selbst auch nicht, wie leichtsinnig Stiles manchmal war. Überdies: Wenn der Sheriff ehrlich zu sich selbst war, stieg ihm auch ein wenig zu Kopf, dass er `Sir´ genannt und von dem Werwolf mit so viel Achtung behandelt wurde. Schließlich nickte er: „Ich verstehe und ich muss mich für mein Verhalten entschuldigen. Das Ganze ist nicht so einfach für mich.“ Derek nickte: „Ich weiß und ich verstehe sie! Es würde mir ebenso gehen, wenn die Dinge umgekehrt wären!“ Stilinski Senior streckte dem Werwolf die Hand entgegen: „Ich heiße John! Wollen wir uns nicht beim Vornamen anreden.“ Wenn der Kerl einmal lächelte, sah er gar nicht mehr so furchterregend aus, stellte der Sheriff im Stillen fest. In diesem Moment verkündete Stiles, dass der Hauptgang nun fertig sei. John Stilinski blickte unglücklich auf seinen Teller und maulte: „Wirklich, Sohn? Gemüseauflauf? Wir haben einen Werwolf zu Gast. Den kannst du doch nicht mit Broccoli abspeisen. Stimmt` s nicht?“ Noch ehe Derek die Chance erhielt, sich mit seiner Zustimmung bei seinem Schwiegervater in spe beliebt zu machen, schimpfte Stiles: „Ich habe zwei Worte für dich: Darmkrebs und Cholesterin. Und jetzt iss´ dein Gemüse auf!“ Derek schmunzelte in sich hinein. Und ein klein wenig fehlte es ihm, selbst auch noch Eltern zu haben, mit denen er sich kabbeln konnte. Er fragte sich mit einem Mal, was Thalia Hale wohl zu einem Schwiegersohn wie Stiles gesagt hätte? Er bedauerte sehr, dass sie es nun nie herausfinden würden, denn er war sich beinahe sicher, dass sie seinen Witz und seinen scharfen Verstand gemocht hätte. Was hätte sie wohl darüber gedacht, dass ihr Sohn sich mit einem anderen Mann eingelassen hatte? Er hatte absolut keine Idee. „Der Nachttisch wird dich wieder versöhnen.“ sagte Stiles gerade: „Es gibt Eiscreme!“ Der Sheriff strahlte ein wenig, doch im nächsten Moment zog er wieder skeptisch die Augenbrauen zusammen: „Warte mal Sohn: Meinst du das echte Eis mit Sahne und so, oder dieses komische Sojazeug, auf das du so abfährst?“ „Das Echte!“ gab Stiles schmunzelnd zurück. „Na Gott sei Dank!“ erwiderte der Sheriff erleichtert und Derek überkam dieses Lächeln nach innen hin, dass er so gut beherrschte und das für Außenstehende meist gar nicht erkennbar war. Doch natürlich hatte Stiles ihn dabei erwischt und zwinkerte ihm zu. Nach dem Dessert war der Sheriff offenbar im Zuckerrausch, denn als sie nun zu dritt im Wohnzimmer auf der Couch saßen, hatte er ausgesprochen gute Laune und erzählte vollkommen gelöst von seiner verstorbenen Frau Claudia: Wie sie sich kennengelernt hatten, von den ersten Dates, was für ein Mensch sie gewesen sei und Derek spürte, wie sich vor Rührung in seinem Hals langsam ein Klumpen bildete. Als es dann spät wurde und Derek eigentlich die Absicht hatte zu gehen, schlug Stiles Vater vor, dass er doch auch hier übernachten könne und äußerte sich bedauernd über Stiles Single-Bett. „Vielleicht wäre es ja langsam mal an der Zeit, dass wir für dich ein Doppelbett anschaffen, was meinst du, Junge?“ Derek und Stiles fiel die Kinnlade herunter. Später in seinem eigenen Bett lauschte der Sheriff nervös mit einem Ohr nach verdächtigen Geräuschen, die möglicherweise aus dem Schlafzimmer seines Sohnes kämen, während er am anderen Ohr sein Telefon hatte und mit Cynthia Mahealani über den heutigen Abend und seine Befürchtungen und Bedenken im Bezug auf gleichgeschlechtliche Mensch-Werwolf-Beziehungen sprach, denn da hatte sie ja auch mit Danny ja auch so ihre Erfahrungen gemacht. John Stilinski war noch nicht über den Berg, doch er arbeitete daran! Kapitel 19: It´s my party... ---------------------------- „Eine Party willst du?“ fragte Derek ungläubig: „Und zu welchem Zweck? Um allen vorzuführen das wir jetzt ein Paar sind? Das ist doch blöd!“ Stiles verzog trotzig das Gesicht und schwieg, also fragte Derek sanfter: „Wo soll das ganze überhaupt stattfinden?“ „Was glaubst du denn? Die Villa Stilinski ist vielleicht ein bisschen eng dafür. Wenn alle Nase an Nase stehen, wird es zwar gemütlich, aber früher oder später dürfte der Sauerstoff knapp werden.“ „Also hier!“ stellte Derek geschlagen fest: „Und wann soll´ s losgehen?“ „Übernächsten Samstag zwanzig Uhr!“ bestimmte Stiles: „Wer wird alles kommen?“ erkundigte sich Derek unsicher: „Na, alle natürlich!“ erwiderte Stiles. Derek schenkte Stiles ein kleines, ungläubiges Kopfschütteln. Ein Teil von ihm fragte sich gerade, was er sich mit diesem Jungen bloß angelacht hatte. Ein anderer, ein weitaus größerer Teil; der Teil, der am Steuer saß freute sich jedoch über seinen eigenartigen Freund und seine lustigen, total bescheuerten Ideen. Eine Coming-Out-Party? Wer hatte denn schon mal von so etwas gehört? „Also gut, abgemacht! Machen wir es so!“ stimmte er schließlich zu Der Trotz war mit einem Mal aus Stiles Gesicht verschwunden. Er strahlte, drückte Derek einen lauten, feuchten Kuss auf die Wange und erntete dafür einen frechen Seitenblick: „Ich denke, wenn ich so ein großes Opfer bringe, sollte dir dass ein wenig mehr wert sein, als ein Schmatzer auf die Wange!“ forderte Derek: Stiles grinste zurück: „Also gut, weil du es bist. Aber nur ein Quickie, denn ich will heute noch die Einladungen verfassen.“ Es blieb nicht bei einem Quickie, denn irgendwie hatten die beiden es noch nicht raus, wie man sich kurz fasste, doch irgendwann riss Stiles sich dennoch los und setzte sich an seinen Laptop. Er machte drei Entwürfe und stellte sie Derek vor. Zu dem ersten sagte dieser: „Das ist zu sehr Kindergeburtstag! Und was soll die Regenbogenflagge da? Noch demonstrativer geht’ s wohl nicht?“ Den zweiten verunglimpfte Derek als zu „pompös“ und erst der dritte, zurückgenommene, farblose Langweiler-Entwurf konnte vor den Augen des Werwolfs bestehen. Stiles seufzte, doch verwendete dann schweren Herzens dieses Layout. Irgendwann musste er schließlich auch mal nachgeben, überlegte er großmütig. Einige Karten hatte Stiles bereits gestern per E-Mail an Cora, Braeden, Ethan, Jackson und Isaak verschickt und am nächsten Tag in der Schule machte er sich daran, die restlichen Einladungen, die vorerst noch nichts weiter verrieten, als das Derek und Stiles etwas zu feiern hätten, unter die Leute zu bringen. Lydia nahm die Einladung kommentarlos entgegen, bedankte sich lediglich, hatte jedoch dieses wissende Lächeln aufgesetzt, welches Stiles die Röte in die Wangen trieb. Scott, Kira, Liam und Mason saßen gemeinsam in der Cafeteria, als Stiles ihnen die Umschläge aushändigte, nebst einem extra, für Melissa McCall. Scott las die Einladung und platzte dann unsensibel heraus: „Macht ihr das mit euch beiden jetzt endlich offiziell? Cool!“ Liam wirkte verwirrt, aber Mason begriff es gleich und grinste. Danny wollte wissen, ob Stiles gar nicht wisse, wie es wirke, wenn zwei Kerle gemeinsam eine Party geben würden. Stiles zuckte dazu nur mit vielsagendem Blick mit den Schultern. Sein schwerster Gang an diesem Vormittag war der zu Malia. Sie las die Einladung, zerknüllte sie und warf sie in eine Ecke: „Was soll der Mist? Willst du mir vorführen, wie scheiß-glücklich du mit meinem Cousin bist! Denkst du, ich komme da hin, um mich von allen demütigen und auslachen zu lassen? Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“ Stiles verzog zerknirscht das Gesicht. Dann murmelte er kleinlaut: „Wenn man über irgendwen lachen sollte, dann über mich; den Idioten, der seine eigenen Gefühle nicht wahrhaben wollte. Ich wollte dir wirklich niemals wehtun und es tut mir so wahnsinnig leid, dass ich es doch getan habe. Es würde mir wirklich viel bedeuten, wenn du kommen würdest.“ „Pah!“ machte Malia und legte einen stürmischen Abgang hin, wobei sie Stiles im Vorbeigehen grob gegen die Spinde warf. Es hätte schlimmer kommen können! Nach der Schule ging Stiles bei Dr. Deaton und Chris Argent vorbei, um auch ihnen ihre Einladung zu übergeben. Und dann gab es da noch jemanden und es war kein Zufall, dass Stiles sich den bis zum Schluss aufgehoben hatte. Stirnrunzelnd nahm Peter seinen Umschlag entgegen, las und sagte dann mit einem hintergründigen, schwer zu deutenden Lächeln: „Hat es also endlich geklappt, wie?“ Stiles bestand darauf, alles selbst zuzubereiten, was an ihrem großen Abend serviert werden sollte, obwohl Derek angeboten hatte, einen Catering-Service zu bestellen. Doch vor das Kochen hatte der liebe Gott das Einkaufen gestellt, so dass Stiles und Derek an diesem Freitagnachmittag zwei große Einkaufswägen durch den Supermarkt schoben, Stiles mit seiner Nase verborgen hinter einem ellenlangen Einkaufszettel: „Wir brauchen noch Blätterteig für die Pasteten!“ erklärte er und Derek erkundigte sich vorsichtig: „Sag Mal, wenn du das morgen alles zubereiten willst, wirst du doch sicherlich meine Hilfe brauchen.“ Stiles blickte von seiner Liste auf und grinste: „Richtig! Du wirst mein Küchensklave sein!“ Und als er Dereks unglückliches Gesicht sah, schob er augenzwinkernd hinterher: „Keine Sorge! Ich werde dir gestatten, deine Blöße hinter einer Schürze zu verbergen!“ Derek wurde ein wenig blass und als Stiles nun auch noch Anstalten machte, ihn mitten im Supermarkt zu küssen, erstarrte er zur Salzsäule: „Sag´ du nochmal, dass du keine Coming-Out-Party brauchst, Kumpel!“ kommentierte Stiles trocken, jedoch nicht ohne Mitgefühl für die Situation seines Liebsten. Stiles sah, dass es in Dereks Gesicht arbeitete und war überrascht, dass dieser einen Augenblick später die Hand, die er nicht zum Schieben des Einkaufswagens benötigte nutzte, um die seine zu halten: „Du bist so tapfer mein Held!“ raunte er ihm lächelnd zu und Derek schickte ihm ein schüchternes Grinsen. Stiles übernachtete bei Derek, damit sie morgen gleich in aller Frühe mit dem Kochen anfangen könnten, doch natürlich war es nachts wieder einmal spät geworden, weil sie kein Ende gefunden hatten. Als Derek Stiles schon vor seinem ersten Kaffee beim Gemüseschneiden antraf, entfuhr seiner Kehle ein kleines unwillkürliches Knurren. Stiles hingegen war auf Autopilot geschaltet und ignorierte es, drückte ihm ganz mechanisch einen Becher mit ultrastarkem frischgepresstem schwarzem kolumbianischen Bohnensaft und einen Teller mit einem Croissant in die Hand, um dann völlig unbeirrt in seiner Arbeit fortzufahren: „Guten Morgen, Derek. Wie hast du geschlafen?“ brummte Derek ironisch und erreichte so, dass Stiles ihn endlich anschaute: „Entschuldige! Guten Morgen, mein Herzblatt! Wie du geschlafen hast weiß ich bereits. Wie ein Welpe, denn das tust du hinterher immer!“ Er küsste ihn, was Derek ein wenig versöhnte und wandte sich dann wieder seinem Grünzeug zu. Kaffee und Gebäck taten langsam ihre Wirkung und eine Dreiviertelstunde später fühlte auch der Ältere sich gestärkt genug, um seinen Frondienst anzutreten. Großzügiger Weise ließ Stiles ihm dabei seine Kleider. Es dauerte bis drei Uhr am Nachmittag, als sie endlich mit dem Kochen fertig waren und alle Getränke kalt gestellt und Schälchen mit Nüssen und Crackern an strategisch günstigen Standorten verteilt hatten. Doch nun brauchten sie noch eineinhalb Stunden, um die Küche wieder einigermaßen in ihren Urzustand zu versetzen, denn: Überraschung! Stiles war auch beim Kochen ein Chaot. Sie beschlossen, sich noch bis sieben Uhr hinzulegen, um nicht völlig erledigt zu sein, wenn ihre Gäste kämen, stellten sich vorsichtshalber den Wecker und ausnahmsweise, und das war allein ihrer Müdigkeit nach den Anstrengungen dieses Tages geschuldet, lagen sie dieses eine Mal wirklich nur nebeneinander und schliefen. Dafür duschten sie jedoch anschließend ausgiebig miteinander! Um zehn vor acht klingelte es das erste Mal. Derek war noch im Bad beschäftigt, also ging Stiles an die Tür. Peter trat ein, hielt seine Wolfsnase in die Luft und schnupperte: „Hey Peter!“ sagte Stiles ein wenig kleinlaut, weil ihm plötzlich schwante, dass ihre Wildwasserspiele von gerade eben dem älteren Werwolf nicht verborgen bleiben konnten. Um diesen Verdacht zu bestätigen grinste Peter eklig und sagte: „Du kannst „Onkel Peter“ zu mir sagen, denn du gehörst ja jetzt zur Familie.“ dann umarmte er Stiles. Ein wenig zu fest. Ein wenig zu lange! Und schließlich rief Stiles, weil er sich nicht mehr anders zu helfen wusste: „Scha-atz! Dein Onkel ist da!“ Peter dachte gar nicht daran, Stiles gleich loszulassen, so als legte er es darauf an, dass Derek sah, was er tat. Und tatsächlich machte dieser seinem Onkel die Freude zu sagen: „Ich denke, es reicht jetzt langsam. Stiles hat begriffen, dass du dich freust, ihn zu sehen!“ Peter wandte sich nun seinem Neffen zu und forderte ihn zu einem Blickduell heraus: „Interessante neue Entwicklungen. Ich hätte nicht gedacht, dass du tatsächlich doch noch eines Tages den Mumm hierfür aufbringst, Derek! Es hat ja lange genug gedauert.“ Kommentierte er. Derek knurrte. Peter grinste. Stiles kam mit einem Teller herbei: „Hier, nimm eine Pastete, Onkelchen!“ forderte er und schob sie ihm direkt in die vorlauten Klappe. Und das verursachte unpassender Weise ein Schmunzeln auf Dereks Gesicht. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass Stiles diese Situation mit seinem Onkel sehr schnell zu handhaben lernen würde und er entspannte sich ein wenig. Der Nächste, der eintraf war Stiles Dad, der Peter Hale mit einem misstrauischen Kopfnicken begrüßte, insgeheim gar nicht glücklich über den Umgang seines Sohnes mit diesem Mann. Seinen Sohn empfing der Sheriff mit einer Umarmung und Derek immerhin mit einem sehr herzlichen, sehr männlichen Schulterklopfen und er nannten ihn: `Mein Junge´. Stiles kamen beinahe die Tränen! Cora hatte tatsächlich die weite Autofahrt von Mexiko auf sich genommen, um heute hier zu sein, weil sie wissen wollte, was ihr Bruder gemeinsam mit diesem Jungen zu feiern hatte. Und weil Derek nicht wusste, wie er es ihr mit Worten sagen sollte, legte er einen Arm um Stiles und offenbar verstand sie es, denn sie nickte mit einem leisen Lächeln. Danny kam gemeinsam mit seiner Mutter, die sich kurzerhand selbst eingeladen und behauptet hatte, der Sheriff würde sich freuen, sie zu sehen. Danny war das Ganze wahnsinnig peinlich, denn er kannte seine etwas übergriffige und schillernde Mum; kannte sie, schämte sich manchmal ein wenig für sie, liebte sie jedoch trotzdem wie wahnsinnig und konnte ihr keinen Wunsch abschlagen. Stiles sagte zu dem Überraschungsbesuch lediglich: „Je mehr, umso fröhlicher!“ und bot den beiden etwas zu trinken an. Und Danny war überrascht zu sehen, dass seine Mutter scheinbar tatsächlich mit Sheriff Stilinski befreundet war. Noch mehr überraschte es ihn allerdings, dass der Derek, dessen Namen er bis dato nur von der Einladung her kannte, der war, den er bislang für Stiles Cousin Miguel gehalten hatte und dass diese beiden offensichtlich alles andere als Cousins waren, so wie sie sich gerade küssten. Ethan hatte sich auf die Einladung hin nicht zurückgemeldet und war auch nicht gekommen. Stiles hatte zwar auch nicht wirklich mit ihm gerechnet, aber gehofft hatte er dennoch irgendwie. Dafür waren Isaak und Jackson da und es tat gut, die beiden nach so langer Zeit einmal wiederzusehen, auch wenn zumindest Jackson ein wenig sparsam guckte, als ihm klar wurde, wie Derek und Stiles neuerdings zueinander standen. Schließlich waren alle da, mit denen Stiles gerechnet hatte und man schien sich gut zu amüsieren. Stiles beglückwünscht sich selbst zu seiner Idee zu dieser Party, erlaubte sie es doch Derek und ihm, allen Personen, die in ihrem Leben eine Rolle spielten, zur selben Zeit, in einem angenehmen und geschützten Rahmen ganz nebenbei und ohne das peinliche Gespräche notwendig waren zu zeigen, dass sie nun zusammengehörten. Und abgesehen davon heimste Stiles nebenbei auch noch eine Menge Komplimente für seine Kochkünste ein. Malia war bislang noch nicht aufgetaucht und das machte Stiles traurig, denn er hatte heimlich doch gehofft, dass sie sich durchringen könnte. Er wollte die Dinge mit ihr zu gern wieder in Reine bringen, sofern das möglich war. Insgeheim war Stiles froh darüber, dass Danny seine Mutter Cynthia mitgebracht hatte. Nicht nur, dass sie feurige Reden über gleiche Rechte für LGBTIs hielt und es damit Derek und ihm vollkommen abnahm, sich vor irgendwem erklären oder rechtfertigen zu müssen, sie war auch eine echte Partykönigin, tanzte ausgelassen mit ihrem Sohn, dem Sheriff und jedem, den sie dazu überreden konnte und sorgte so für ausgelassene Stimmung. Auch Braeden war gekommen und saß nun mit Derek etwas abseits. Die beiden hielten sich bei den Händen und unterhielten sich angeregt. Stiles beobachtete sie misstrauisch und fühlte eine klitzekleine Riesenbesorgnis, als er erkannte, wie gut die Chemie zwischen diesen beiden stimmte. Sie war wirklich hübsch. Überhaupt gaben die beiden ein wunderschönes Paar ab und eine Sekunde lang stellte Stiles sich vor, wie wohl ein Kind dieser beiden aussehen mochte und fühlte sich mit einem Mal sehr, sehr bitter. „Wie seid ihr bloß auf die Idee für diese Party gekommen?“ fragte Braeden gerade. Derek schmunzelte und erwiderte, mit dem Kinn auf Stiles deutend: „Das musst du den kleinen Verrückten da drüben fragen. Der Einfall kam von ihm.“ Braeden schüttelte den Kopf: „Das ist so total...ich weiß gar nicht, wie ich es anders sagen soll: es ist süß!“ „So wie er!“ erwiderte Derek zärtlich. Braeden nahm die Hand ihres Exfreundes und stellte fest: „Dich hat es wirklich ganz schön erwischt!“ Derek zuckte verlegen mit den Schultern und dann schenkte er Stiles ein Lächeln quer durch den Raum, weil dieser zufällig gerade in seine Richtung blickte. Es war bereits nach zehn, als Malia doch noch kam. Sie hatte die Hände tief in den Taschen ihrer Jeans vergraben und blickte sich misstrauisch um. Stiles hatte ihr geöffnet und murmelte nun: „Ich bin so froh, dass du da bist!“ „Pfft!“ machte sie: „Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich hasse dich immer noch. Ich bin nur hier, weil ich weiß, dass du gut kochst und weil ich Hunger habe!“ Stiles grinste: „Verstehe! Ich stelle dir einen Teller zusammen.“ Malia und Stiles hockten sich in eine Ecke des Raums und er sah ihr dabei zu, wie sie aß. Das war immer wieder ein Erlebnis, denn bei der Nahrungsaufnahme war sie immer noch ein Koyote. Sie scherte sich kein Stück um Tischmanieren, schlang, schmatzte und mit einem Mal war Stiles wieder ganz deutlich bewusst, was er an ihr mochte: Es war das Wilde und Ursprüngliche ihres Wesens. Als der Teller leer war, und das war reichlich schnell der Fall, deutete Malia mit dem Kinn in die Richtung von Derek und Braeden und fragte: „Ist das da bei meinem Cousin nicht seine Exfreundin, die Kopfgeldjägerin?“ Stiles nickte unglücklich und Malia fuhr feinfühlig fort: „Wow! Sie ist heiß. Dagegen stinkst du ganz schön ab!“ „Besten Dank! Weiß ich selber!“ grummelte Stiles. Malia lachte: „Du bist eifersüchtig! Geschieht dir recht!“ Stiles ließ unglücklich den Kopf hängen und Malia seufzte: „Oh, Mann, wenn du so guckst, verdirbst du mir den Spaß an der Schadenfreude.“ Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Nach einer Weile blickte sie wieder zu Stiles auf und verkündete: „Also meine Nase sagt mir, da läuft nichts und meine Ohren verraten mir, dass sie die ganze Zeit nur über dich sprechen und wie `großartig´ du angeblich bist.“ Stiles schenkte ihr ein schiefes Lächeln: „Danke!“ sagte er, nahm ihre Hand und verschränkte ihre Finger mit den seinen. Sie kniff die Augen zusammen und funkelte ihn böse an. Doch ihre Hand zog sie nicht weg. Gegen drei Uhr morgens lichteten sich die Reihen langsam. Der Sheriff, Cynthia Mahealani und Danny waren die letzten Gäste und Sheriff Stilinski sagte in diesem Moment gerade zu Dannys Mutter: „...und da habe ich zu ihm gesagt: Du bist nicht schwul! Nicht so, wie du angezogen bist! Ist es zu fassen, was für ein Idiot ich war?“ Cynthia lachte, doch in diesem Moment stieß Danny ihr, mit Blick auf die beiden Gastgeber, die beinahe schon Arm in Arm auf dem Sofa eingeschlafen waren, sacht den Ellenbogen in die Seite und fragte: „Wollen wir nicht auch langsam mal nachhause? Es ist schon reichlich spät.“ Seine Mutter nickte und erklärte zwinkernd: „Du hast recht, mein Junge. Aber vielleicht sollten wir den Jungs noch ein wenig beim Aufräumen helfen, damit sie später noch ein bisschen Energie haben, um sich angenehmeren Aktivitäten zu widmen.“ Dem Sheriff wäre vor Schreck beinahe sein Drink aus der Hand gefallen und Derek und Stiles blickten verlegen zu Boden, während sie beteuerten, dass Hilfe unnötig sei und sie einfach bis morgen alles so stehen und liegen lassen würden, um dann erst aufzuräumen: „Komm´ wir gehen jetzt Ma!“ sagte Danny streng und warf einen entschuldigenden Blick in die Runde. So brachen nun auch noch die letzten Gäste auf und als sie wieder unter sich waren, ließ Derek seinen Blick durch sein verwüstetes Loft wandern, schenkte Stiles einen zärtlichen Blick und verkündete: „Diese Party war eine großartige Idee. Du hattest recht!“ „Hab´ ich doch immer!“ behauptete Stiles großspurig und sammelte seinen Freund ein. Sie stiegen auf ihrem Weg zum Bett gemeinsam über schmutzige Teller und halbvolle Gläser hinweg, schafften es gerade noch so, sich auszuziehen und ließen sich dann todmüde in die Laken sinken. Stiles war gerade am wegdämmern, als Derek ihn fragte: „Wie lief es eigentlich mit dir und Malia?“ „Es lief gut. Ich denke, sie ist auf dem Weg, mir zu verzeihen.“ Erklärte der Jüngere schläfrig: „Ich habe gesehen, dass ihr Händchen gehalten habt!“ Derek klang eigenartig. Mit einem Mal war Stiles wieder hellwach: „Du bist doch nicht eifersüchtig, oder?“ „Sollte ich?“ wollte Derek wissen. Stiles schüttelte ungläubig den Kopf und lachte ein wenig: „Auf keinen Fall!“ Dann fügte er kleinlaut hinzu: „Ich wäre beinahe gestorben, als ich dich mit Braeden gesehen habe!“ Derek küsste ihn und eigenartiger Weise sagte er: „Danke!“ „Wofür bedankst du dich?“ Wollte Stiles wissen: „Dafür dass ich nicht der einzige Idiot in diesem Bett sein muss.“ Stiles lachte, schmiegte sich an Dereks Seite und zog dessen Arm um sich herum. Kapitel 20: Wolfsmond über den Bergen ------------------------------------- Wochenlang hatte Derek schon davon gesprochen, dass er einmal bei Vollmond mit echten Wölfen laufen wollte, als ginge es um irgendeine Art spirituelle Erfahrung und vielleicht war es ja auch so, dachte Stiles. Und am Ende hatten Derek und er beschlossen, daraus einen Paarurlaub zu machen. Stiles war noch nie in Wyoming gewesen. Überhaupt noch nie in den Bergen. Er war gespannt, was ihn erwartete. Vom Flughafen aus war es noch eine beträchtliche Strecke mit dem geliehenen Geländewagen. Im Touristenbüro holten sie den Schlüssel ab, besorgten im Ort noch ein paar Lebensmittel und eine weitere Dreiviertelstunde später waren sie endlich am Ziel; wo immer das auch sein mochte, aber definitiv irgendwo mitten im nirgendwo und Stiles kamen leichte Zweifel: Für Derek mochte das ja ein Wolfsspaß werden, doch was machte er die ganze Zeit? Immerhin hatte die Blockhütte eine Satellitenschüssel, stellte er von außen zufrieden fest. Die beiden Männer schleppten ihr Gepäck hinein und richteten sich ein wenig ein. Stiles tat das, indem er den Inhalt seiner Tasche einfach in eine Schublade plumpsen ließ, ohne sich die Mühe zu machen, irgendetwas ordentlich zusammenzulegen. Derek beobachtete ihn dabei, rollte mit den Augen, sagte aber nichts. Dass Stiles ein Chaot war, hatte er mittlerweile gelernt und er versuchte nicht mehr, ihn zu ändern. Auch wenn es ihn manchmal wahnsinnig machte, weil er selbst nun einmal ganz anders tickte! Stiles blickte sich in ihrem Domizil um und stellte zufrieden fest, dass alles da war, was man brauchte; inklusive eines Yakuzis auf der Terrasse, den man vielleicht nicht unbedingt brauchte, mit dem man sich aber sicherlich sehr gut amüsieren konnte. Großartig! Sofort ging seine ungezogene Fantasie mit ihm durch und er grinste in sich hinein. Anschließend erkundeten die beiden ein wenig die Gegend. Auf der einen Seite der Hütte breitete sich ein dichter und dunkler Koniferenwald aus. Auf der anderen Seite lag ein Tal, welches einen scheinbar endlosen Blick über eine grandiose Landschaft bot. Und plötzlich sackten die Beine unter Stiles weg. Derek war glücklicherweise rechtzeitig zur Stelle, um Stiles aufzufangen und damit zu verhindern, dass dieser in den Abgrund stürzte: „Upps!“ murmelte er verlegen: „Was war das denn?“ „Die Höhenluft! Das bist du nicht gewohnt.“ kommentierte Derek: „Dir scheint sie nichts auszumachen!“ grummelte Stiles: Derek zuckte mit den Schultern: „Tja! Wolfskonstitution!“ „Pfft!“ Stiles verschränkte die Arme vor der Brust: „Lass` uns wieder reingehen!“ Er knurrte beinahe wie ein Werwolf, um die Peinlichkeit zu überspielen, dass er in Ohnmacht gefallen war, wie eine kleine Prinzessin. Kaum hatte die Abenddämmerung eingesetzt und der Vollmond sich gezeigt, hatte Derek sich auch schon vollständig verwandelt und vor der verschlossenen Tür der Blockhütte stand nun ein riesiger schwarzer Wolf mit blauen Augen, der aufgeregt mit dem Schwanz wedelte. Als Stiles ihn so sah musste er grinsen. Er ging vor ihm in die Knie, drückte ihm eine Kuss mitten auf den pelzigen Kopf und kraulte ihn hinter dem Ohr, weil er wusste, dass er das mochte: „Na, mein Großer? Willst du los?“ Der Derek-Wolf gab einen knurrenden Laut der Zustimmung von sich: „O.K.!“ fuhr Stiles fort: „Aber vorher ein paar Regeln, hörst du. Zu allererst: kein anbandeln mit irgendwelchen anderen Vierbeinern, verstanden!“ Derek gab ein genervtes kleines Bellen von sich, dass soviel hieß wie: `Hör´ auf herumzualbern, Stilinski!´. Stiles fuhr fort: „Du hältst dich von Wilderern und Bärenfallen fern, du wälzt dich nicht in irgendetwas Ekligem und wenn ich morgen früh einen Wapiti mit aufgerissener Kehle vor der Tür finde, werde ich böse!“ Und listig fügte er hinzu: „Und weil du mich hier so ganz mutterseelenallein lässt, möchte ich noch, dass du weißt, dass ich den ganzen Abend damit zubringen werde, mir Pornos reinzuziehen und Hand an mich zu legen!“ Der Wolf schnaubte unzufrieden und Stiles fügte hinzu: „Selbst schuld, Kumpel! Irgendwie muss ich mich ja schließlich auch amüsieren, oder?“ Er schlang seine Arme um Derek, vergrub seine Finger in dem dichten Fell, und der Wolf schleckte ihm zum Abschied mit seiner langen rosa Zunge quer über das Gesicht. „Uaghh!“ machte Stiles: „Ich liebe dich auch, Alter, aber du weißt ganz genau, dass ich es hasse, wenn du das tust!“ Dann erhob er sich, um dem Wolf die Tür zu öffnen: „Pass` gut auf dich auf!“ rief er ihm hinterher und Derek drehte sich noch einmal um und ließ die Augen hell aufblinken, ehe er in großen Sprüngen in den Wald hineinlief. Stiles schaute keine Pornos! Stattdessen ließ er sich mit einer großen Schale Karamell-Popcorn auf dem weichen Sofa nieder, blieb bei einem Denver-Clan-Marathon hängen und ließ sich über Stunden von Liebe, Lügen und Intrigen in den Achtzigern gefangen nehmen, ehe ihm schließlich die Augen zuzufallen drohten und er ins Bett umzog. Irgendwann bei Sonnenaufgang wurde Stiles davon wach, dass etwas sehr Großes und Schweres auf das Bett gesprungen war. Er öffnete kurz die Augen, stellte zufrieden fest, dass es Derek war, der nun mit großen Wolfstatzen auf dem Bett herumlief, sich einige Male um sich selbst drehte und sich schließlich, offenbar zufrieden mit der gefundenen Position, mit einem seufzenden Laut halb neben, halb auf ihn plumpsen ließ. Stiles schlang einen Arm um ihn und vergrub das Gesicht in seinem Fell. Im Einschlafen dachte er noch, dass er es eigentlich merkwürdig finden müsste, dass er einen Freund hatte, der zuzeiten den Teppich vollhaarte und Kaninchen nervös machte, doch er tat es nicht. Als Stiles das nächste Mal die Augen öffnete, schien die Morgensonne bereits golden in das Schlafzimmer und neben ihm lag Derek, der sich im Schlaf zurückverwandelt hatte. Er ließ eine Hand über die Brust, den Bauch und noch ein wenig weiter südwärts gleiten, bis Derek schließlich mit einem breiten Grinsen erwachte: „Was hältst du davon, wenn wir zwei jetzt den Yakuzi einweihen?“ fragte er listig: „Später!“ erwiderte Stiles: „Jetzt wärmen wir uns erst mal ein wenig auf!“ Eine ganze Ewigkeit später saßen sie beide mit nassen Haaren beim Frühstück und Stiles machte klammheimlich Pläne: Wenn sie irgendwann einmal eine gemeinsame Wohnung bezögen, dann würde diese auf jeden Fall einen Yakuzi haben, beschloss er. Und wenn es weiter nichts darin gäbe! Naja, vielleicht brauchte man auch noch ein Bett. Ein großes! Und eine Küche, wo man Nahrung zubereiten und damit für Stärkung sorgen konnte. Aber sonst? „Was denkst du gerade?“ wollte Derek wissen: „Nichts Besonderes! Behauptete Stiles, denn er war sich sicher, sie wären noch nicht soweit, irgendwelche Zukunftsvisionen zu entwerfen. Ihre Beziehung spielte sich vorwiegend in der Gegenwart ab, hatte noch keine nennenswerte Geschichte und ob es wirklich so etwas wie eine Zukunft geben sollte, war noch längst nicht klar. Stiles wartete im Grunde bloß auf den Moment, da Derek wieder zu Verstand käme und realisierte, was er sich da an Land gezogen hatte: „Warum guckst du so traurig?“ Wollte Derek wissen. „Die Schokocreme ist alle!“ Stiles setzte ein schiefes Grinsen auf, um seine Gedanken zu tarnen und deutete auf die leere Schale auf dem Tisch: „Wenn dich das SO unglücklich macht, dann steige ich sofort ins Auto und besorge neue?“ Derek war bereits vom Tisch aufgestanden, doch Stiles hielt ihn am Arm zurück: „Ach Unsinn! Ich habe doch nur einen Spaß gemacht. Mit mir ist alles in Ordnung. Erzähl´ mir lieber, wie es war, mit den Wölfen zu tanzen?“ Derek ließ sich auf den Stuhl neben Stiles sinken und ein Strahlen ging über sein Gesicht: „Es war FANTASTISCH!“ erklärte er und diese Begeisterung war so aufrichtig und innig, dass Stiles spürte, wie etwas nach seinem Herzen griff: „Das freut mich für dich!“ sagte er und merkte im selben Moment wie unglaublich ungenügend seine Worte waren. Offenbar hatte Derek etwas sehr Wichtiges erfahren und Stiles hätte so wahnsinnig gern gewusst, wie es sich für ihn angefühlt hatte: „Wenn du ein Wolf bist, bist du dann eigentlich noch du selbst?“ wollte er wissen: „Hast du dann immer noch dieselben Gedanken und Gefühle, wie in deiner menschlichen Form?“ Derek dachte über die Fragen nach. Wie konnte er einem Menschen eine solche Erfahrung beschreiben? „Ja und nein!“ erwiderte er schließlich: „Meine menschlichen Empfindungen, Gedanken und Erinnerungen sind noch präsent, wenn ich vollständig verwandelt bin, doch irgendwie befinden sie sich eher im Hintergrund. Sie spielen nicht mehr eine so große Rolle. Ich lasse mich in diesem Moment mehr von meinen Instinkten leiten und meine Sinne sind...wie scharf gestellt?“ Derek sah unzufrieden aus. Wie sollte man so etwas erklären? „Denkst du, es wird irgendwann ein Problem für uns beide, dass ich nie wirklich wissen werde, wie es sich anfühlt? Meinst du, du wirst irgendwann lieber mit jemandem zusammen sein wollen, der so ist wie du?“ Derek sah bestürzt aus: „Nein! Auf keinen Fall!“ behauptete er. Stiles blickte ihn zweifelnd an und Derek fuhr fort: „Ich glaube, ich bin in meinem ganzen Leben noch keiner Person begegnet, die mich verstanden hätte, wie du das kannst! Manchmal ist es mir beinahe unheimlich und ich habe das Gefühl, du könntest in meinen Kopf sehen. Ob du meine Wolfsnatur nun begreifen kannst oder nicht spielt keine Rolle. Du kennst mich! Und du akzeptierst mich! Das ist wirklich alles, was ich brauche!“ Dereks Worte berührten Stiles ! Sie machten ihn auch nervös! Sie machten ihn verlegen! Und da half nur eins: „Meine Güte, Hale! Du bist so ein Softie!“ Sarkasmus!! Derek lachte: „Dann ist es ja gut, dass wenigstens einer von uns ein harter Kerl ist, was Stilinski?“ Auf Sarkasmus verstand sich Derek nämlich mittlerweile auch ganz gut. Kapitel 21: Klopf, klopf! Wer ist da? Die Zukunft! --------------------------------------------------- Stiles und Derek lagen auf dem breiten Bett des Werwolf in seinem Loft beieinander; postorgasmisch und zufrieden. Derek kraulte Stiles Kopf, welcher auf seiner Brust lag und bemühte sich nach Kräften, die Frage, die er nun stellte, beiläufig klingen zu lassen: „Sag mal, was hast du eigentlich nach der High-School so vor?“ In Wirklichkeit raste sein Herz und natürlich konnte Stiles es in seiner momentanen Position deutlich hören – auch ohne Wolfsohren. Der junge Mann hob den Kopf, schmunzelte auf ihn herab und wollte wissen: „Wieso fragst du?“ „Wie man halt so fragt! Nur so!“ behauptete Derek unwirsch: „Also? bekomme ich auch eine Antwort?“ Stiles wusste natürlich, was hier los war und ein kleines Teufelchen in ihm spielte kurz mit dem Gedanken, seinen Liebhaber noch ein wenig zappeln zu lassen. Doch dann blickte er ihm ins Gesicht und ahnte, dass dieser sich wahrscheinlich ohnehin schon eine Weile mit dieser Frage trug und er brachte es nicht über das Herz: „Scott und ich haben uns hier in Beacon Hills am Community-College beworben.“ Gab er zurück. Ein kleines Aufatmen entfuhr dem Werwolf, doch dann fragte er: „Du willst wirklich HIER auf so ein kleines Provinzcollege gehen? Das geht doch nicht! Du bist doch so wahnsinnig schlau. Die ganze Welt stünde dir offen. Du könntest nach Europa oder sonst wohin gehen. Ich wüsste keine Universität, die dich nicht mit Kusshand nehmen würde.“ erwiderte Derek verwirrt: „Klingt, als wolltest du mich loswerden?“ meinte Stiles grinsend: „Ganz im Gegenteil! Erwiderte Derek: „Ich habe verfluchte Angst davor, dass deine Zukunftspläne mich nicht mit einschließen. Auf der anderen Seite will ich, dass du dein volles Potenzial ausschöpfst. Ich will dich nur wissen lassen: wenn es dich in die Welt hinaus zieht, würde ich mit dir gehen, egal wohin, Hauptsache, ich bin bei dir!“ Stiles trauten seinen Ohren nicht, denn mit so einer absoluten, rückhaltlosen Liebeserklärung hätte er im Leben nicht gerechnet. Derek wirkte unbehaglich, als er hinzufügte: „Also gesetzt den Fall, dass du mich dann dabei haben wolltest.“ Stiles rollte sich nun mit seinem ganzen Körper auf ihn und blickte zärtlich auf ihn hinab: „Damit das eine ganz klar ist: Egal ob ich zum Nordpol oder zum siebten Kreis der Hölle aufbrechen würde, ich würde dich immer dabeihaben wollen. Aber momentan verspüre ich nicht die geringste Lust, von hier zu verschwinden. Ich muss auf meinen Dad aufpassen und dann und wann seine Pizza-und-Burger-Diät mit einem frischen Salat anreichern. Ich will mit Scott diese College-Sache gemeinsam durchziehen und seine Noten schreien nun mal nicht gerade „Cambridge!“. Ich will hier in Beacon Hills, unserem eigenen kleinen Höllenschlund bleiben und die Mächte des Bösen in Schach halten. Und natürlich will ich auch bei DIR sein, du dummer Kerl. Unser gemeinsames Leben fängt doch gerade erst an. Das alles ist gerade Abenteuer genug für mich. Und mein `Potenzial´ nutze ich am liebsten für mein Rudel. Ich sehe mich gern als so etwas wie den „Kopf der Operation“. Ich hatte schon überlegt, mir Karten drucken zu lassen, mit so einem drolligen, zotteligen Cartoon-Wölfchen als Logo.“ „Du bist so ein Quatschkopf!“ schimpfte Derek scherzhaft und drehte den Spieß mit einem Ruck um, indem er sich über ihn begab: „Ich denke darüber nach, das Loft aufzugeben und mir etwas anderes zu suchen.“ erklärte Derek: „Was?“ fragte Stiles ungläubig: „Du willst all das hier zurücklassen? Ich meine, du hast eine lebensgefährliche Wendeltreppe, ein zugiges Riesenfenster, ein Loch in der Wand: Was will man mehr?“ Derek grinste auf ihn hinab und erwiderte: „Wie wär´s mit einer gut ausgestatteten Küche, in der jemand, der etwas davon versteht, etwas leckeres zu Essen für mich kocht? Ein Badezimmer mit einer Wanne, die groß genug ist, dass zwei Leute darin bequem was-auch-immer treiben können? Ein Arbeitszimmer mit einem großen Schreibtisch, in welchem ein Ausnahmestudent seine brillanten Ideen austüfteln kann? Wie wär`s mit einem Palast für meinen Prinzen?“ Stiles schlang Arme und Beine um Derek, küsste ihn und murmelte dann: „Ich finde es scharf, wenn du futuristisch wirst!“ „Ja, ich merk´s!“ gab Derek grinsend zurück. „Wirst du das Loft dann verkaufen?“ wollte Stiles noch wissen. Derek schüttelte den Kopf: „Peter will es!“ Die folgenden Nachmittage verbrachten Derek und Stiles also mit den Besichtigungen zahlreicher Apartments, doch Derek war kein einfacher Kunde. Er hatte sehr genaue Vorstellungen, wie sein Palast auszusehen hatte: Mal gab es nicht ausreichend Zimmer, Mal war die Küche zu klein und wieder ein anderes Mal war das Badezimmer angeblich zu protzig. `Das Badezimmer zu protzig´, dachte Stiles bei sich selbst? Wer hatte denn schon einmal so einen Blödsinn gehört? Er schüttelte innerlich den Kopf, bewahrte aber vorläufig die Ruhe. Was ihm jedoch keine Ruhe ließ, war die immer gleiche Maklerin, die sie herumführte. Es war eine verkniffene Blondine Anfang sechzig, Haare hochgesteckt, Tweedkostüm, klapperdürr, mit einem unübersehbaren silbernen Kreuz auf der Brust. Diese Lady musterte die beiden Männer genauestens und mit wissendem Blick. Sie verhielt sich zwar unterkühlt höflich, doch ihr Blick ließ nicht den geringsten Zweifel daran, was sie von zwei Kerlen hielt, die ein Leben miteinander planten. Seltsamerweise war Derek von der ganzen Wohnungssuche so gefangengenommen, dass er es scheinbar überhaupt nicht mitbekam, was da als Subtext alles noch so mitlief. Stiles hingegen brachte es auf die Palme. Dann kam endlich der Tag, an welchem Derek schließlich von einem Objekt überzeugt schien. Die Zimmer waren groß und hell, es gab eine offene Küche mit zentralem Herd,-Schränke,- und Geräteblock, ein `un-protziges´ Badezimmer, einen großzügigen Balkon und als Bonus noch eine Dachterrasse, welche sogar einen kleinem Pool besaß. „Es ist perfekt!“ flüsterte Derek in Stiles Ohr: „Ich will es! Was ist mit dir?“ „Es geht um DEIN neues Zuhause. Du musst es entscheiden!“ wisperte Stiles zurück: „Ich nehme es nur, wenn du es auch willst!“ erwiderte Derek. Während sie so miteinander tuschelten, haftete der gestrenge Blick der Frau Maklerin auf ihnen. „Ich finde es toll!“ gab Stiles leise zurück und das sagte er nicht nur, weil er es langsam satt hatte, seine gesamte Freizeit mit der Besichtigung von Immobilien zuzubringen. „Dann nehme ich es!“ entschied Derek „Du bist dir zu hundert Prozent sicher?“ erkundigte Stiles sich noch einmal. Derek nickte und Stiles fügte flüsternd hinzu: „Dann musst du jetzt ganz tapfer sein, denn es gibt etwas, was ich jetzt unbedingt tun muss. Spiel einfach mit, in Ordnung?“ Derek blickte ihn fragend an, doch da legte Stiles auch schon los. Laut, wirklich SEHR laut sagte er schnurrend: „Wirklich, Sugar-Daddy? Wir nehmen es? Schnell, unterschreib´ den Vertrag, damit wir die Schlüssel kriegen und ich mich in jedem Zimmer für deine Großzügigkeit erkenntlich zeigen kann!“ Mit diesen Worten griff Stiles beherzt mit beiden Händen nach Dereks Gesäß. Der Werwolf erstarrte entsetzt und sein Gesicht verfärbte sich puterrot: „Waa...?“ setzte er an zu sagen, doch Stiles ließ ihm keine Chance zum Protest, weil er ihm nun die eigene Zunge in den Mund schob. Also gut! Derek gab sich geschlagen und spielte mit, zog Stiles an sich und ließ sogar zu, dass dieser sich nun an ihm hochzog, mit Armen um seine Schultern und Schenkeln um seine Hüften geschlungen. Nach dem Kuss erklärte Derek: „Warte mein kleiner Liebling! Lass´ mich nur rasch das geschäftliche erledigen und dann komme ich auf dich zurück, ja?“ Er schob Stiles sanft von sich, unterschrieb den Vertrag und blickte dann seiner Maklerin hinterher, die fluchtartig das Apartment verließ: „War das wirklich nötig?“ wollte Derek nun von Stiles wissen? „Unbedingt!“ behauptete Stiles: „Das hatte diese homophobe Bibeltante verdient!“ „Sugar-Daddy?“ fasste Derek noch einmal nach: „Wirklich Stiles?“ „Was glaubst du denn wohl, was sie von dir und mir gehalten hat?“ wollte Stiles schulterzuckend wissen: „Ehrlich gesagt ist mir das ziemlich egal!“ Und dann fügte Derek grinsend hinzu: „Wenn ich dein Sugar-Daddy bin; was kostet es mich, wenn ich meinen Lustknaben bitte, ob er mir...“ Derek flüsterte ihm sein dringliches Anliegen ins Ohr. Stiles grinste: „Das ist umsonst, weil es zufällig etwas ist, was ich wahnsinnig gern tue!“ erwiderte Stiles und begann, an Dereks Hosenknöpfen zu nesteln. Am nächsten Tag um die Mittagszeit trafen sich Stiles und Scott in der Schulcaféteria. Die beiden sagten nichts, blickte einander nur vielsagend an und schließlich zog jeder von ihnen einen Umschlag aus seiner Schultasche: „Du öffnest meinen und ich deinen!“ bestimmte Scott. Stiles nickte: „Machen wir es so!“ Eilig rissen die beiden Jungen die Couverts auf, zogen die Briefe hervor und lasen. Danach schauten sie einander gespannt an: „Wer zuerst?“ fragte Scott: „Ich!“ erwiderte Stiles und platzte gleich heraus: „Du bist dabei, Kumpel!“ Scott strahlte, denn er war sich wirklich nicht sicher gewesen: „Du natürlich auch!“ erwiderte er glücklich: „UC Beacon Hills – wir kommen!“ In diesem Augenblick setzte sich Lydia zu ihnen und warf ebenfalls einen Umschag auf den Tisch. Stiles grapschte danach. Er war bereits geöffnet worden und Stiles las, was darin stand: „Sorbonne?“ fragte er ungläubig: „Da ist doch ganz in Minneapolis!“ fragte Scott und Stiles erklärte: „Fast Kumpel! Es ist in Frankreich!“ Und einen winzigen Moment dachte er an Dereks kleine Rede über sein Potenzial. `Was soll´s!´, dachte er schulterzuckend. Malia nahm Platz und hatte keinen Umschlag dabei: „Verdammte Axt! Ich habe gerade erfahren, dass ich durchfalle. Ich darf noch ein weiteres Jahr hier die Schulbank drücken!“ erklärte sie bedrückt. Stiles nahm, weil er nicht wusste, ob es ihm erlaubt war, vorsichtig ihre Hand und drückte sie. Sie ließ die Krallen drinnen, also war es wohl in Ordnung, hoffte er: „Du kennst dann aber einen Collegejungen, der dir gratis Nachhilfe gibt und nächstes Jahr schließt du die Highschool dann sozusagen suma cumlaude ab!“ versicherte er. „Häh?“ machte Malia, doch noch ehe Stils zu einer Erklärung ansetzen konnte, wurden sie unterbrochen, denn Danny lief an ihrem Tisch vorbei, sah die Umschläge von Scott und Stiles dort liegen und rief: „UC Beacon Hills? Cool! Ich auch!“ und schlug mit den beiden Jungen ein. Jetzt hatte auch Kira ihren Weg an den Tisch der Freunde gefunden. Sie begrüßte Scott mit einem langen, sanften Kuss und Stiles dachte innerlich, dass die beiden noch kuscheliger und süßer miteinander waren, seit sie wussten, dass sie nach dem Highschoolabschluss das Abenteuer Fernbeziehung erwartete, denn Kira würde mit ihren Eltern dann nach Los Angeles ziehen. Stiles hatte neulich einen ganzen Abend und auch noch eine halbe Nacht damit verbracht, Scott zu erklären, dass Kira und er das schon schaffen würden und ihre Liebe dafür stark genug sei. Stiles hatte für seine Ausführungen eine Landkarte und seltsamer Weise auch einen Taschenrechner und einen Sextanten benötigt. Sie waren keine Minute lang zu ihrem geplanten World of Warcraft-Battle gekommen, doch es hatte sich gelohnt, denn als sie endlich zu Bett gegangen waren, hatte Scott endlich das beruhigende Gefühl gehabt, dass die Liebe, die ihn und Kira verband weiterbestehen konnte. Dennoch hatte er sich im Schlaf eng an Stiles geklammert. Typisch für ihn, doch Stiles hatte vermutet, dass in seiner Anhänglichkeit auch ein wenig Restbesorgnis mitschwang. Nachdem Derek nun sein neues Zuhause gefunden hatte bestand er auch darauf, dass alle Möbel neu angeschafft werden müssten: „Ich will einen kompletten Neustart!“ hatte er erklärt doch Stiles hatte darauf erwidert, dass es eine Sache gäbe, von der er sich wünschte, dass sie mit umzöge: „Was denn?“ wollte Derek wissen. Stiles lächelte ein wenig verlegen: „Dein Bett!“ gab er zurück: „Erstens, weil ich es liebe und Zweitens, weil ich darin mein Unschuld verloren habe!“ „Wie bitte!“ fragte Derek überrascht: „Und was war mit Malia?“ Stiles zuckte mit den Schultern: „So weit sind wir nie gegangen! DU hattest die Ehre!“ „Ist nicht wahr? Wieso hast du mir das bis jetzt noch nicht verraten?“ rief Derek verblüfft aus. Und dann schnappte er sich Stiles zog ihn eng an sich und gab ihm einen, im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden Kuss. Mitten in der Küchenabteilung von IKEA! Beinahe erwartete Stiles den Applaus der anderen Möbelhausbesucher für ihre Performance. Wenig später, sie waren mittlerweile bei den Badezimmereinrichtungen angelangt, griff Stiles nach Dereks Hand und fragte: „Weißt du, was ich mir wünsche?“ „Ich bin ganz Ohr!“ gab Derek zurück: „Du darfst aber nicht lachen!“ forderte Stiles: „Raus mit der Sprache!“ gab Derek zurück: „Ich wünsche mir das volle Programm an Highschoolabschiedsritualen mit dir. Ich will zum Abschlussball mit dir und du sollst zur Zeugnisübergabe kommen.“ murmelte Stiles Derek lachte: „Aber sicher tue ich das. Was hast du denn gedacht?“ Stiles strahlte. Dann fügte Derek Scherzend hinzu: „Ich muss beim Ball aber kein Kleid tragen, oder?“ „Nur wenn du wirklich darauf bestehst!“ gab Stiles lachend zurück. Kapitel 22: Loba ---------------- Derek und Stiles saßen nebeneinander im Auto. Sie kehrten gerade zurück aus Mexiko, wo sie Cora übers Wochenende besucht hatten. Es war Sonntagabend, es dämmerte bereits ein wenig und beide Männer waren recht müde. Sie hatten vor einer halben Stunde die Grenze passiert und brausten nun über einen ausgestorbenen Highway dahin. Stiles starrte von der Beifahrerseite aus wie hypnotisiert auf die Fahrbahn und zwischendurch vielen ihm immer wieder die Augen zu. Als er sie aber nun ein weiteres Mal öffnete, erschrak er beinahe zu Tode: „Halt sofort an, Derek! Da liegt irgendetwas Großes auf der Straße!“ Derek hatte es im selben Augenblick entdeckt und dank seiner Wolfsreflexe gerade noch rechtzeitig gebremst. Die beiden Männer stiegen aus, um zu sehen, was dort lag. Im ersten Moment hielt Stiles es für ein großes Tier, wie einen Berglöwen oder einen Wolf, doch als sie näher herankamen, sahen sie, dass es ein Mensch war; genauer ein Mädchen von etwa zwölf Jahren mit hispanischem Aussehen, schmutzig, verwahrlost, ausgezehrt, in zerrissenen Kleidern, mit verfilzten Haaren und offenbar schwer verletzt. Sie regte sich nicht und das sie überhaupt am Leben war, konnte man nur daran sehen, dass sich ihr Brustkorb unregelmäßig hob und senkte: „Hey, Kleine!“ sagte Stiles sanft und drehte sie ein wenig zu sich herum. Und da sah er das flackernde blaue Licht in ihren Augen und hörte das kleine Grollen, dass ihrer Kehle entfuhr: „Sie ist ein Wolf, oder?“ wollte er von Derek wissen. Dieser vergewisserte sich mittels seiner Nase, nickte und sagte: „Halt dich fern von ihr Stiles. Sie ist verwundet und sie hat anscheinend einiges hinter sich, so wie sie aussieht. Ihr Instinkt rät ihr zu Angriff oder Flucht. Ich will nicht, dass du verletzt wirst!“ Derek kniete neben dem Kind nieder und Stiles tat tatsächlich einmal, was ihm gesagt wurde und entfernte sich ein wenig. Derek versuchte mehrmals, die Kleine anzusprechen, probierte es sowohl auf englisch, als auch auf spanisch, doch er bekam keine Antwort von ihr: „Wir nehmen sie mit nach Beacon Hills“ entschied Derek: „Du fährst!“ Er warf Stiles den Autoschlüssel zu: „Du kannst sie nicht einfach mitnehmen!“ protestierte Stiles: „Sie ist ein Kind und gehört sicher zu irgendjemandem!“ Derek blickte grimmig zu Stiles auf und erwiderte: „Zu wem auch immer sie gehören mag, er hat sich offensichtlich nicht sehr gut um sie gekümmert. Siehst du nicht, in welchem Zustand sie ist?“ Stiles musterte die Kleine und fand sogar, das „Nicht sehr gut gekümmert“ die Disney-Version dessen war, was mit ihr angestellt worden war. In Wirklichkeit konnte man wohl eher von schwerer Misshandlung sprechen. Er nickte: „Abgemacht! Nehmen wir sie mit!“ stimmte er zu. Als Derek versuchte, dass Mädchen aufzuheben, begann sie, nach ihm zu schnappen und als es ihm zu bunt wurde, verwandelte er sich und knurrte sie an. Das Mädchen erschrak, winselte ein wenig und gab seinen Widerstand auf. Derek legte sie auf die Rückbank des Geländewagens, zog seine Jacke aus und legte sie um das Kind, ehe er sich zu ihr setzte. Stiles startete den Wagen und sie setzten ihre Heimfahrt fort. Sie brachten das Mädchen in Dereks neues Apartment, wo dieser sie auf seinem Sofa ablegte: „Gott, sie wiegt fast nichts!“ sagte er kopfschüttelnd, was Stiles als Wink verstand, kurz in der Küche zu verschwinden. Er kam ein paar Minuten später mit einem riesigen Sandwich und einem Glas Milch zurück und nahm bei den beiden Platz: „Ich hab´ doch gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten!“ knurrte Derek, doch Stiles antwortete schlicht: „Wenn ihre Instinkte funktionieren, dann wird sie schon nicht in die Hand beißen, die sie füttert.“ und hielt dem Mädchen den Teller hin. Die Kleine blickte gierig auf das Sandwich und misstrauisch auf die beiden Männer, die sie umringten. Ihre Gedanken waren ihr beinahe anzusehen und Stiles, der seine Wölfe nun mal kannte erklärte: „Wir müssen uns zurückziehen, wenn wir wollen, dass sie isst. Sie hat sonst Angst, wir nehmen ihr etwas weg.“ Mit diesen Worten erhob er sich und nahm ebenso Derek bei der Hand, um ihn fortzuziehen. Und tatsächlich: Kaum hatten die beiden Männer sich zurückgezogen, begann das Kind wie ein ausgehungerter Wolf das Brot zu verschlingen. Derek verzog bei dem Anblick schmerzhaft das Gesicht, als er sah wie Krümel überall hin flogen und Mayonnaisensauce auf seiner neuen Ledercouch landete: „Reg` dich ab!“ forderte Stiles: „Das ist doch abwaschbar!“ Dereks Kopf flog herum und er funkelte ihn böse an, denn er konnte nun mal keine Unordnung leiden und das wusste Stiles doch schließlich ganz genau! Der Jüngere seufzte betont dramatisch, dann zwinkerte er ihm zu und verteilte ein paar besänftigende Küsse auf seinem Gesicht. „Was machen wir denn jetzt mit ihr?“ wollte der Werwolf wissen. Stiles überlegte und entschied: „Ich werde Dad und Malia anrufen, damit sie uns helfen!“ Derek warf ihm einen zweifelnden Blick zu: „Deinen Dad verstehe ich ja: Sheriff und toller Vater in Personalunion! Aber Malia? Inwieweit soll sie uns eine Hilfe sein?“ „Naja, „ erwiderte Stiles: „Ich kenne da jemanden, der dringend eine Dusche braucht und sofern DU keinen Wert darauf legst, ein Mädchen an der Grenze zur Pubertät von dem Schmutz von Jahren zu befreien, erscheint mir Malia als die logische Wahl, zumal sie von dem Mädchen als Werkoyotin nicht allzu viel zu befürchten hat, falls diese sich wehrt. Außerdem hilft uns ihre einzigartige Perspektive durch ihre jahrelange Wild-life-Erfahrung vielleicht ja auch weiter, um ein verwildertes kleines Wolfsmädchen zu verstehen! Meinst du nicht?“ Der Sheriff war der Erste, der eintraf und als er das verletzte, verwahrloste Kind erblickte, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen: „Himmel! Was ist nur mit ihr passiert?“ wollte er wissen und kniete vor dem Sofa nieder, auf dem sich das Mädchen eng zusammenrollte und den Sheriff misstrauisch musterte: „Vorsichtig John! Sie ist immer noch ein Werwolf, auch wenn sie in schlechtem Zustand ist.“ warnte Derek: „Habt ihr das schon gesehen?“ fragte der Sheriff und deutete auf die Hand- und Fußgelenke der kleinen Werwölfin. Diese wiesen sowohl frische Wunden, als auch Narben auf. Derek nahm die Verletzungen näher in Augenschein und erklärte: „Das da sind Spuren von Ketten oder Fesseln! Wo immer sie vorher gewesen ist; sie ist offensichtlich dauerhaft gefesselt gewesen und hat beständig versucht, sich zu befreien! Und am Ende scheint es ihr ja auch gelungen zu sein.“ stellte Derek fest: „Bastarde!“ schimpfte Stilinski senior und Stiles rang den Impuls in sich nieder, das Kind kurzerhand an sich zu drücken, um es zu trösten, weil er ahnte, dass eine solche Behandlung, auch wenn sie gut gemeint war, vielleicht nicht das Richtige wäre. In diesem Moment klingelte Malia. Sie platzte ins Wohnzimmer, warf einen Blick auf das verdreckte Mädchen auf dem Sofa und kommentierte: „Uagh! Wie sieht die Kleine denn aus? Die müsst ihr dringend mal in die Wanne stecken!“ „Richtig, Süße!“ erwiderte Stiles und begrüßte seine Ex mit einem Kuss auf die Wange: „Und da kommst du ins Spiel. Wir dachten, diese Situation erfordert ein wenig weibliches Fingerspitzengefühl.“ Malia blickte missmutig auf das Kind hinab, welches sich dadurch, dass das Apartment sich immer mehr mit Menschen füllte, immer mehr verkrampfte und nun dauerhaft ein tiefes, leises Knurren vernehmen ließ: „Komm´ Kleine! Wir gehen dich jetzt saubermachen!“ erklärte Malia seufzend und schnappte sich kurzerhand die Hand des Mädchens. Das nächste, was sie sagte war: „Verdammt! Das kleine Biest beißt!“ Die Werkoyotin verwandelte sich und knurrte das Mädchen an, welches daraufhin ein ängstliches Fiepen von sich gab. O.K.! Soviel zum Thema „weibliches Feingefühl“. „Aus, Malia!“ herrschte Stiles sie an und dann forderte er: „Jetzt tretet doch alle mal ein Stück zurück!“ während er selbst das Gegenteil tat: „Stiles!“ mahnte Derek, doch dieser ließ sich nicht beirren und hockte sich neben das Mädchen. Er flüsterte beruhigend auf sie ein, auch wenn er keine Ahnung hatte, ob sie auch nur ein Wort von dem verstand, was er sagte. Wenn nicht, dann würde sein Tonfall ihr vermutlich zeigen, dass er keine bösen Absichten hatte; so hoffte Stiles zumindest. Das Mädchen blickte ihm aufmerksam in die Augen und versteifte sich zwar, als Stiles ihre Hand in seine nahm, doch sie zog sie auch nicht fort. Und schließlich erhob er sich, führte das Mädchen in Richtung Bad und bedeutete Malia, dass sie ihnen folgen sollte. Sehr behutsam nahmen Stiles und Malia der kleinen Wölfin die Lumpen ab, welche sie trug. Stiles schluckte entsetzt beim Anblick des nackten Kindes: Sie war wirklich extrem mager und hatte Narben am Rücken, die aussahen, als stammten sie von Stockhieben. Stiles stellte eine angenehme Wassertemperatur ein, während Malia sich bis auf die Unterwäsche auszog und in die Wanne stieg. Nun kam der schwere Teil, in dem es darum ging, das, offensichtlich wasserscheue Mädchen zu überreden, in die Wanne zu steigen. Stiles redete mit Engelszungen auf die Kleine ein, nahm ein bisschen Wasser in seine Hand und benetzte ihre Haut damit, während er ihr sanft den Nacken kraulte, doch ihre Skepsis blieb und schließlich knurrte Malia: „Komm´ schon Stiles! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit. Auf die sanfte Tour funktioniert es offensichtlich nicht. Also warum verschwindest du nicht aus dem Bad, damit du es dir nicht mit anschauen musst, wie ich den kleinen Dreckspatzen zu seinem Glück zwinge?“ Stiles blickte empört zu Malia auf und schimpfte: „Kommt gar nicht in die Tüte! Solange ich die Aufsicht habe, wird diesem Mädchen niemand mehr wehtun!“ Malia schüttelte genervt den Kopf und gab bissig zurück: „Was ist los Stilinski? Schießt dir gerade die Muttermilch ein, oder wie?“ „Na einer hier muss ja wohl der feminine Einfluss in ihrem Leben sein und ganz offensichtlich bist du dafür ungeeignet, Schätzchen!“ schoss Stiles zurück. Und dann hatte er eine Idee, wie er das Mädchen doch noch überreden konnte in die Wanne zu steigen. Er zog sich alles, bis auf seine Boxershorts aus und stieg mutig voran in die furchteinflössenden Untiefen von Dereks Wanne, um dem Wolfsmädchen zu signalisieren: `Hier droht keine Gefahr!´ Und Wunder über Wunder: es funktionierte! Mit Stiles, der ihr den Rücken stärkte, ließ das Kind es sich plötzlich gefallen, von Malia geschrubbt und eingeseift zu werden. Als das Mädchen endlich sauber war, sah dass Badezimmer allerdings aus, wie nach einem Terroranschlag oder einer Naturkatastrophe. Oh, oh! Das würde Derek ganz und gar nicht gefallen, dachte Stiles, aber es gab wichtigere Dinge, um die er sich gerade kümmern musste. Er würde später dafür bezahlen. Er holte aus dem Kleiderschrank eine frische Boxershorts für sich selbst und auch je eine für Malia und das Mädchen; außerdem noch ein Unterhemd für Malia und ein T-Shirt von Derek für die Kleine, welches an ihr aussah, wie ein Kleid. Stiles schaute artig weg, als Malia ihre nasse Wäsche auszog, um den Ersatz, den Stiles ihr angeboten hatte, überzuziehen. Malia lachte: „Nichts, was du nicht schon gesehen hättest, also entspann´ dich!“ kommentierte sie und fügte dann noch hinzu: „Wer hätte gedacht, dass du und ich nochmal miteinander baden würden, huh?“ Stiles grinste schief. Malia musste über ihre Trennung hinweg sein, wenn sie solche Scherze machen konnte. Gott sei Dank! „Ich denke, meine Aufgabe ist erst mal erledigt!“ verkündete Malia, als sie mit dem sauberen Kind zu Derek und John zurückkehrten. Sie warf noch einmal einen Blick auf das Mädchen, dass in Dereks T-Shirt einen eigenartigen Anblick bot und erklärte: „Ich bringe euch morgen nach der Schule etwas vernünftiges zum Anziehen für sie vorbei!“ Damit verabschiedete sich Malia reihum und verschwand. Der Sheriff blickte nachdenklich auf das Mädchen, das nun wieder auf dem Sofa saß und die drei Männer misstrauisch, aber mit wachem, aufmerksamem Blick musterte: „Und was nun?“ stellte Derek die naheliegende Frage: „Eigentlich müsste ich sie mitnehmen und in einem Kinderheim abgeben!“ erwiderte Sheriff Stilinski: „Das kannst du nicht, Dad!“ protestierte Stiles: „Sie ist ein verwahrloster Werwolf! Gut möglich, dass sie dort eines der anderen Kinder verletzt oder sogar tötet!“ „Das ist mir klar!“ gab der Sheriff ernst zurück: „Und andere Kinder sind nicht die Einzigen, die durch sie verletzt oder getötet werden könnten!“ fügte er mit einem strengen Seitenblick auf seinen Sohn hinzu: „Sie tut mir nichts!“ behauptete Stiles: „Wir haben einen Draht zueinander, stimmt´s nicht, Loba?“ Er nahm die kleine, knochige Hand des Mädchens in seine und drückte sie sacht: „Loba?“ fragte Derek: „Du gibst ihr einen Namen?“ „Na irgendwie müssen wir sie doch nennen, oder nicht? Wir können sie doch nicht die ganze Zeit mit `Hey, du da´ ansprechen!“ erwiderte er „Stiles, wovon sprichst du bitte? Wir können sie nicht behalten! Sie gehört uns nicht! Und sie ist auch kein Kätzchen, dass uns zugelaufen ist!“ Gab Derek zurück: „Sprich nicht mit mir, als wäre ich ein Kind!“ herrschte Stiles den Werwolf an: „Denkst du, ich nehme diese Sache auf die leichte Schulter? Ich weiß, dass es eine große Aufgabe ist, auf ein kleines Mädchen aufzupassen! Aber wo ist denn bitte DEIN Verantwortungsgefühl? Sie ist von DEINER Art! Kannst du sie da einfach sich selbst überlassen? Wer soll sich denn um sie kümmern? Irgendeine Pflegefamilien, die keine Ahnung hat, dass es Werwölfe überhaupt gibt und die schon gar nicht wissen, was sie mit einer schwer verstörten kleinen Werwölfin anfangen sollen?“ Je mehr Stiles sich aufregte, umso unruhiger wurde auch Loba und schließlich begann sie, Derek anzuknurren und sich schützend vor Stiles zu stellen. „Na großartig!“ schimpfte Derek: „Sie ist gerade mal fünf Minuten bei uns und schon habt ihr zwei euch gegen mich verschwören. Was sagst du denn dazu John? Wie sollen wir mit Loba weiter verfahren?“ Stiles realisierte, dass Derek sie nicht mehr einfach nur `das Mädchen´ nannte, sondern mit ihrem neune Namen ansprach und wusste, dass er schon gewonnen hatte. Der Sheriff antwortete: „Wie schon gesagt: Rein rechtlich gesehen müsste ich die Kleine mitnehmen, aber in diesem besonderen Fall tun wir weder ihr, noch irgendwem sonst damit einen Gefallen. Vielleicht, wenn sie irgendwann zu sprechen anfängt und sich beruhigt hat, lässt sich eine juristisch korrekte Lösung finden, aber momentan halte ich es tatsächlich auch für das Beste, wenn sie bis dahin bei jemandem bleiben würde, der mit ihr klar kommt! Dafür wäre natürlich am Besten ein Werwolf geeignet.“ Derek warf einen zweifelnden Blick auf das Mädchen, dass sich auf dem Sofa an Stiles Seite gedrängt hatte und dann knurrte er ein: „Na gut! Aber es ist keine Dauerlösung!“ Stiles löste sich einen Augenblick lang von dem Mädchen, erhob sich und gab Derek einen Kuss: „Danke!“ flüsterte er. Der Sheriff verabschiedete sich und ließ die beiden Männer mit ihrem neuen Schützling zurück: „Ich gehe mir jetzt die Zähne putzen!“ gab Derek bekannt und in diesem Moment fiel Stiles wieder ein, in welchem Zustand sich das Badezimmer befand. Noch ehe er seinen Freund warnen konnte, kam aus dem Bad bereits ein strenges: „Sti-les!“ Der Angesprochene nahm Loba an die Hand und folgte dem Ruf mit hängendem Kopf: „Hast du eine Erklärung dafür, wie es hier aussieht?“ Stiles schenkte ihm ein verlegenes Grinsen: „Du weißt doch wie das ist, wenn man einen Hund in die Wanne steckt. Mittendrin fängt er dann an, sich zu schütteln. Wie sich gezeigt hat, ist es mit kleinen Werwölfen dasselbe!“ „Denkst du echt, dass das der beste Moment für einen von deinen Hundewitzen ist?“ grollte Derek: „Komm´ schon, alter Grummelwolf! Du weißt, dass du mich lieb hast und mir nicht lange böse sein kannst!“Sagte Stiles mit verführerischem Augenaufschlag. Er setzte Loba auf den Toilettendeckel, nahm einen Lappen zur Hand und drückte auch Derek einen in die Hand: „Machen wir es einfach schnell sauber, in Ordnung?“ Derek knurrte leise, doch dann machte er sich gemeinsam mit Stiles ans Werk, während Loba den beiden von ihrem `Thron´ aus zuschaute, wie eine kleine Prinzessin. Als die beiden Männer mit ihrer Arbeit endlich fertig und dabei waren, sich die Zähne zu putzen, klingelte es an der Tür. Als Stiles mit Schaum vor dem Mund nachsehen wollte, wer da sei, folgte ihm Loba auf dem Fuße. Peter drängte sich durch den Türspalt und nahm dann wie selbstverständlich auf dem Sofa Platz: „Was willst du hier?“ erkundigte sich Stiles finster. In diesem Moment kam auch Derek aus dem Badezimmer und schenkte seinem Onkel einen bösen Blick: „Ich habe vorhin zufällig meine geliebte Tochter getroffen und sie hat mir berichtet, dass ihr Jungs Nachwuchs gezeugt habt und da wollte ich mir das Kind eurer Liebe einmal anschauen! Und ich seh´ schon: Sie ist ein kleines Prachtexemplar!“ Mit diesen Worten stürzte Peter sich auf das Kind und versuchte sie anzufassen, ließ jedoch im nächsten Moment wieder von ihr ab und fluchte: „Verdammt! Die Kleine beißt ja!“ Stiles zog das Mädchen an seine Brust, streichelte ihr über den verfilzten Kopf und erklärte grinsend: „Das hast du fein gemacht. Ich würde sagen, ihre Instinkte funktionieren einwandfrei.“ „Dem Kleinen Biest muss mal jemand Manieren beibringen!“ beschwerte sich Peter und wollte wieder auf Loba losgehen, doch in diesem Moment ging Derek dazwischen und schimpfte: „Es reicht jetzt Peter! Wir wollen schlafen gehen. Du kannst dich morgen wieder als Kinderschreck betätigen, aber für heute ist Schluss kapiert.“ Und mit diesen Worten schob er seinen Onkel zur Tür hinaus. Als er fort war fragte Derek: „Und wo soll Loba nun schlafen?“ „Geh´nur schon vor ins Bett!“ gab Stiles zurück: „Ich lege mich einen Moment lang mit ihr hier zusammen auf ´s Sofa, bis sie eingeschlafen ist und komme dann nach!“ Zwanzig Minuten später kroch Stiles zu Derek unter die Decke und dieser erkundigte sich schläfrig: „Und? Schläft sie?“ „Wie ein Baby!“ gab Stiles zurück: „Du machst das großartig mit ihr!“ erklärte Derek bewundernd. Stiles lachte leise: „Und du wirst es noch lernen! Ich fand toll, wie du sie gerade gegen Peter verteidigt hast.“ Einen Moment später fügte er hinzu: „So! Ich habe bereits EINEN Werwolf dazu gebracht einzuschlafen. Und jetzt bist du dran!“ Mit diesen Worten nahm er auf Dereks Hüfte Platz: „Das können wir doch nicht machen, wenn ein Kind im Nebenraum ist!“ erwiderte Derek. Stiles lachte leise: „Sie schläft doch! Und wenn du glaubst, dass ich für die Zeit, wo Loba hier bei uns ist, auf Sex verzichte, dann hast du dich geschnitten!“ Er küsste ihn tief und lange, um seine Argumentation zu untermauern. Mit Erfolg! Gut, möglicherweise war Dereks Aufmerksamkeit ein wenig zweigeteilt, während sie es taten, weil er sich mittels seiner Sinne zwischendurch immer mal wieder überzeugte, dass die Kleine auch tatsächlich immer noch schlief, aber am Ende kamen Stiles und er doch noch auf ihre Kosten und schliefen eine Weile später zufrieden ein. Mitten in der Nacht wurde Stiles davon wach, dass irgendetwas anders war und er merkte auch schnell, was das war: An seinem Fußende hatte sich Loba zusammengerollt, wie ein kleiner Welpe: „Na meine Süße!“ flüsterte er: „Magst du nicht allein sein?“ Die Kleine hob den Kopf und Stiles kroch an ihre Seite des Bettes, legte die Arme um sie und zog sie zu sich: „Das erzählen wir aber nicht deinem Co-Daddy, hörst du?“ sagte er: „Zu spät! Der hat es schon mitbekommen!“ knurrte Derek. Dann umarmte er Stiles und das Mädchen. Kapitel 23: Das Leben zu dritt ------------------------------ Der Wecker schellte unbarmherzig früh am kommenden Morgen. Loba knurrte und Stiles stimmte mit ein: „Komm´ schon Süßer! Du musst in die Schule!“ Flüsterte Derek in Stiles Nacken: „Noch fünf Minuten!“ murmelte dieser. Derek stellte den Wecker aus und begann Stiles die Decke wegzuziehen, was dieser mit unterschiedlichen Lauten des Unbehagens quittierte, während er sich sein Kissen über den Kopf zog. Derek erhob sich Kopfschüttelnd und ging erst mal in die Küche, um Kaffee zu kochen. Als das Aroma des schwarzen Gebräus in Stiles Nase stieg, wälzte er sich mühsam aus dem Bett und tapste müde in die Küche, wo er Derek von hinten die Arme um die Taille schlang und den Kopf in seinem Nacken vergrub. Loba war ihm gefolgt und blickte die beiden Männer neugierig an. Derek drehte sich zu Stiles um, legte die Arme um ihn und als sein Blick auf das Kind fiel, überkam ihn ein Grausen, als ihm klar wurde, dass er nun den ganzen Vormittag mit ihr allein sein würde. Stiles las offenbar deine Gedanken, denn er sagte: „Ich werde Dad bitten, dass er in seiner Frühstückspause mal nach euch schaut. Außerdem könntest du deinen Onkel einladen, zu kommen. Aber wehe, er ist gemein zu unserem Mädchen; dann werde ich böse!“ Dann verschwand Stiles kurz und Derek murmelte hinter ihm her: „Moment Mal! Sie ist nicht `unser´ Mädchen!“ Stiles ignorierte das, kam mit Kamm, Bürste und Schere zurück und sagte: „Außerdem könntest du dich dem Chaos auf Lobas Kopf widmen, wenn du willst.“ Stiles gab Cornflakes und Milch in drei Schüsseln und als Loba Anstalten machte, mit dem ganzen Kopf in ihrer verschwinden zu wollen, mühte er sich damit ab, ihr die Benutzung eines Löffels beizubringen. Nach dem Frühstück und einem kurzen Zwischenstopp im Bad schnappte sich Stiles seinen Rucksack, brach zur Schule auf und ließ Derek mit Loba zurück. Gegen zehn kam wie versprochen der Sheriff vorbei: „Morgen Hale! Was macht der Nachwuchs? Hat sie schon gesprochen?“ wollte er wissen. Derek schüttelte den Kopf: „Sie hockt seit einer Stunde dort in der Ecke und schaukelt vor und zurück. Ich glaube, sie mag mich nicht besonders und wartet darauf, dass Stiles zurückkommt.“ John schüttelte den Kopf: „Hast du denn schon versucht, sie irgendwie aus der Reserve zu locken? Das, was sie da tut nennt sich Hospitalismus. Vernachlässigte Kinder tun das, um sich selbst zu beruhigen und zu trösten.“ Der Sheriff kniete vor dem Mädchen nieder und begann sanft mit ihr zu sprechen und irgendwann hielt diese in der Bewegung inne und blickte ihn aufmerksam an. John ergriff die Hand des Mädchens und führte sie zum Sofa: „Hier ist es doch viel gemütlicher, oder nicht, kleine Maus?“ John streichelte sanft das Gesicht des Mädchens und diese lehnte sich in die Berührung: „Das ist möglicherweise eine Sache, die bei den Stilinskis vererbt wird: Werwölfe zähmen!“ kommentierte Derek, der die Szene achtsam beobachtet hatte: „Vielleicht solltest du sie nicht als Werwolf sehen, sondern als ein kleines Mädchen, dass viel durchgemacht hat, Derek. Es ist nicht so schwer. Komm her zu uns!“ erwiderte der Sheriff: „Derek hockte sich an Lobas andere Seite und musterte sie unsicher. Der Blick, den das Kind erwiderte drückte dieselbe Befangenheit aus. Der Sheriff lachte: „Ich schätze, dass mit euch beiden dauert wohl noch eine Weile, wie?“ Dann fügte er wieder ernst hinzu: „Kannst du mir doch noch einmal genau beschreiben, wo ihr Loba gefunden habt? Ich will mich in der Gegend einmal umschauen, auch wenn es außerhalb meines Reviers ist. Vielleicht kann ich ja irgendwie herausfinden, wo das Mädchen herkommt und was ihr zugestoßen ist.“ Der Sheriff holte seinen Notizblock hervor und schrieb sich auf, was Derek berichtete, ehe er wieder aufbrach. Weil Derek wirklich nicht die geringste Ahnung hatte, was er mit Loba anfangen sollte, rief er nun tatsächlich seinen Onkel an, nachdem der Sheriff fort war. Peter betrachtete das Mädchen schmunzelnd und erkundigte sich dann kopfschüttelnd bei Derek: „Hältst du es eigentlich wirklich für eine gute Idee, deine gerade eben erblühende Romanze jetzt schon zu killen, indem ihr euch Nachwuchs ans Bein bindet, Neffe?“ „Wovon redest du eigentlich, Peter. Das Mädchen ist nicht unser Nachwuchs. Das hier ist nur eine Übergangslösung!“ knurrte Derek unzufrieden „Na Hauptsache, du glaubst selbst daran!“ erwiderte Peter hähmisch: „Hast du deinem Jungen nicht in die Augen gesehen? Er ist doch schon jetzt total vernarrt in die Kleine. Tut mir leid, dir das sagen zu müssen und um sicherzugehen solltest du vielleicht nochmal deinen Frauenarzt fragen, aber ich denke du wirst Mutter!“ „Es tut dir überhaupt nicht leid! Du genießt das, du Blödmann!“ entgegnete Derek grollend: „Hast du auch noch etwas Sinnvolles zum Thema beizutragen, oder willst du mir bloß auf die Nerven gehen?“ „Lass´ doch die Tür offen stehen und sag´ Stiles dann, dass euer kleiner Welpe weggelaufen ist.“ gab Peter schulterzuckend zurück. Derek blickte seinen Onkel entgeistert an: „So etwas kann auch wirklich nur dir einfallen, du Ungeheuer! Warum habe ich bloß gedacht, es könnte eine gute Idee sein, DICH anzurufen?“ fluchte er: „Na vielleicht, weil du weißt, wie gut ich mit Kindern kann!“ erwiderte Peter und fischte etwas aus einer Tasche, die er bei sich hatte. Derek glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können, als sein Onkel zwei zottelige Stofftierwölfe hervorzog, einen davon an Loba weitergab und sich mit ihr an den Boden hockte und zu spielen begann. Dieser Peter würde ihm wohl ewig ein Rätsel bleiben! Da er sah, dass das Mädchen nun erst mal versorgt war, nahm sich Derek das Buch zur Hand, dass er gerade las, doch seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Er dachte über das nach, was Peter gesagt hatte: Angenommen, Loba würde tatsächlich bei ihnen bleiben, was würde das dann für ihn und Stiles bedeuten. Derek hatte noch nicht die Absicht, ein Kind großzuziehen. Verdammt, er war sich ja noch nicht einmal darüber im klaren, ob das überhaupt jemals eine Option für ihn wäre. Und Stiles war gerade mal achtzehn Jahre alt! Wieso machte ihm die Idee offensichtlich viel weniger Angst, als Derek selbst? Wahrscheinlich, weil er sich keine Gedanken über die Konsequenzen machte. Wenn sie Loba behielten, dann wären sie in den nächsten sechs bis acht Jahren wahrscheinlich keinen Moment mehr ungestört. Sie hätten die ständige Verantwortung für dieses andere Leben, würden sich Sorgen um sie machen, sich fragen, ob sie alles hätte, was sie brauchte, sie müssten gewährleisten, dass das retardierte, traumatisierte Mädchen die nötige Förderung erhalten würde und dann käme ja auch noch der ganz normale Wahnsinn hinzu,wie Pubertät, Hormone, Kämpfe um Erwachsenwerden und Unabhängigkeit und die erste Lieben. Der totale Horror! Er hätte Stiles nie wieder für sich allein! Und wenn Derek ehrlich war, ging es im Grunde darum, denn dazu war er nicht bereit! Nachdem Peter etwa eineinhalb Stunden lang den lieben Onkel gespielt hatte, machte er sich wieder zum Aufbruch bereit: „Ich finde die kleine verfilzte Prinzessin zwar ganz süß, aber glaub bloß nicht, dass du sie deswegen jedes Mal bei mir abladen kannst, wenn du und dein Herzblatt zur Sache kommen wollt.“ Erklärte er mit einem schadenfrohen Grinsen: „Ich habe ja die heimliche Hoffnung, dass der Stress der Elternschaft Stiles geradewegs in meine Arme und in mein Bett treibt, wenn du deine gute Figur verlierst und vor lauter Windeln waschen abends keine Lust mehr auf Sex hast!“ „Wird Zeit, dass du gehst, Peter. War nett! Bis in ein paar Jahren!“ knurrte Derek, während er seinen Onkel zur Tür hinaus schob. Als Stiles aus der Schule zurückkam, saßen Loba und Derek mit finsteren Blicken an gegenüberliegenden Enden des Sofas und schauten die Ellen-Show im Fernsehen. Lobas Haare waren immer noch im selben Zustand, wie am Morgen: „Was ist denn mit euch beiden los? Und wolltest du dich nicht um die Frisur der Kleinen kümmern?“ Wollte Stiles wissen: „Ich bin stinksauer. Sie hat mich gebissen und gekratzt, als ich es versucht habe!“ Derek warf Stiles ein Kleidungsstück zu und knurrte: „Das war mal ein Zweihundertfünfzig-Dollar-Kaschmirpullover! Jetzt ist es Müll!“ Stiles lachte: „Ich schätze, es ist wohl besser, wenn ICH mich als Friseur betätige, wie?“ meinte er, lief zu Derek hinüber, hockte sich rittlings auf dessen Schoß und küsste ihn besänftigend: „Nicht vor dem Kind!“ rief Derek entsetzt: „Ach komm´ schon, entspann dich Derek! Zwei küssende Männer werden schon kein Trauma bei ihr verursachen. Es ist ja nicht so, dass wir uns vor ihren Augen paaren wollten, stimmt´ s Kleine?“ Stiles zwinkerte dem Mädchen zu und sie kam zu ihnen herüber gekrochen, um sich an Stiles anzukuscheln: „Du musst auch ein bisschen auf das achten, was du redest!“ tadelte Derek: „Nur weil Loba nicht spricht, heißt das nicht, dass sie nichts versteht!“ „O.K., ein Punkt für dich!“ gestand Stiles zu. Dann entdeckte er die beiden Kuscheltiere und erkundigte sich begeistert: „Hast du die besorgt?“ „Die sind von Peter!“ gab Derek zurück „Ich hoffe, du hast sie auf Sprengstoff untersucht!“ gab Stiles grimmig zurück. Er kletterte von Dereks Schoß herunter, setzte sich auf die Sofakante und ließ Loba zwischen seinen Beinen am Boden Platz nehmen: „Jetzt werden wir uns mal das Chaos auf deinem Kopf vornehmen, mein Schatz!“ verkündete er und setzte vorsichtig den Kamm an. Die Kleine war nicht begeistert von dem, was Stiles tat, doch weder kratzte noch biss sie ihn. Sie wandte sich lediglich gelegentlich empört um, wenn es ziepte und wurde dann mit Streicheleinheiten und liebevoll geflüsterten Entschuldigungen entschädigt. Derek beobachtete seinen Liebhaber fassungslos und fragte sich ernsthaft, ob hier Magie im Spiel sei? Warum viel Stiles das so leicht. Am Ende bedurfte es zwar doch noch der Schere, denn die Haare des Mädchens waren einfach zu wirr, aber auf irgendeine Weise schaffte Stiles es, ihr einen ganz ansehnlichen Bob zu verpassen. Er lief mit ihr zum Spiegel, doch irgendwie war für sie die Tatsache, dass es sich bei dem, was Loba sah um sie selbst handelte die weitaus größere Sensation, als der neue Haarschnitt. Fasziniert grimassierte sie, tippte ihr Spiegelbild mit den Fingern an und begann zu glucksen und zu jubeln und blickte zu Stiles auf, um sich zu vergewissern, ob es ihn ebenso begeisterte: „Ja, mein Schatz, das sind du und ich!“ bestätigte er und winkte ihrer beider Spiegelbilder zu, was einen wahren Lachanfall bei dem Mädchen auslöste, von dem sich Stiles anstecken ließ. „Was ist den hier los?“ fragte Malia, die soeben eingetroffen war und nun ratlos in der Badezimmertür stand: „Wir sind keine Vampire!“ verkündete Stiles: „Siehst du? Spiegelbilder!“ „Ist ja toll!“ erwiderte Malia trocken: „Verlierst du jetzt den Verstand, oder wie?“ „Das ist deine Tante Malia!“ erklärte Stiles an Loba gewandt: „Sie hat den Humor von der Hale-Seite der Familie geerbt, genau wie dein anderer Daddy!“ „Da-dy!“ widerholte Loba. Stiles riss begeistert die Augen auf, schnappte sich das Mädchen, hob sie hoch, wirbelte sie herum und jubelte: „Ja, mein Schatz! Das hast du toll gemacht! Sag es noch einmal!“ Er setzte sie ab und sagte: „Daddy! Und Loba sagte noch einmal: „Dad-dy!“ Und lachte: „Komm´ mein Engel, dass zeigen wir Derek!“ rief Stiles aus. Sie gingen hinüber ins Wohnzimmer und Loba führte vor, was sie gelernt hatte. Derek sah, wie glücklich es Stiles machte und so konnte er nicht anders, als zu lächeln: „Wenn du das tust, geht die Sonne auf, Hale!“ sagte Stiles und küsste ihn. Dann endlich kam er auf die Idee, Malia zu fragen: „Was machst du eigentlich hier?“ „Ich liefere etwas zum Anziehen für das kleine Plappermaul ab, wie versprochen. Sie kann ja nicht immer in so einem blöden T-Shirt herumlaufen, richtig?“ Malia begann auszupacken, was sie mitgebracht hatte: ein paar rote Ballerinas Größe 35, Strümpfe in derselben Farbe und Größe, Unterwäsche und ein Sommerkleidchen in weiß mit roten Tupfen: „Na komm´ mein Schatz, ich helfe dir beim Anziehen. Aber wenn du mich wieder beißt, dann beiße ich zurück, verstanden?“ erklärte Malia. Mit neuer Frisur und in den mitgebrachten Kleidern sah das Mädchen mit einem Mal aus, wie ein ganz normales Kind. Niemand würde nun noch vermuten, dass es sich bei Loba noch gestern um ein verwahrlostes Wolfskind gehandelt hatte. „Danke!“ sagte Stiles und küsste Malia auf die Stirn: „Das hast du toll hingekriegt.“ Malia verabschiedete sich und Stiles verkündete: „Ich habe von der Schule aus Dr. Deaton angerufen, ihm von Loba erzählt und ihn gebeten, dass er sie sich einmal anschaut. Fährst du uns?“ Derek nickte. Dann wollte Stiles noch wissen: „Hat sie schon etwas zu essen bekommen?“ Schuldbewusst schüttelte Derek den Kopf. Darüber, dass das kleine, unterernährte Ding etwas zu essen brauchen könnte, hatte er überhaupt nicht nachgedacht, weil er selbst keinen Hunger gehabt hatte. Gott, er war ein furchtbarer Aushilfsvater! Nicht einmal einen Topf Primeln sollte man ihm anvertrauen! Derek machte sich innerlich auf die Schelte von Stiles gefasst, doch der schüttelte nur den Kopf und sagte: „Na, macht nichts! Dann kriegt sie jetzt ein Sandwich auf die Hand und heute Abend koche ich für uns drei!“ Loba musterte den Tierarzt skeptisch. Höchstwahrscheinlich war es für sie schwer zu begreifen, warum er ihr in Mund, Nase und Ohren schauen und sie abhorchen wollte. Als es dann darum ging, ihr Blut abnehmen zu wollen, wurde Stiles ein wenig mulmig zumute. Er redete besänftigend auf das Mädchen ein, hielt ihr die kleine Hand und versprach, dass es schnell vorbei sein würde. Als der Doc die Spritze in den dürren Arm stach und anzog, war es jedoch Stiles, der Trost brauchte. Er kniff die Augen zu und Loba ihrerseits machte beruhigende Laute. Der Tierarzt lachte über diesen eigenartigen Rollentauschund zog dann sein Fazit: „Ich bin zwar eher auf Hunde, Katzen und Kanarienvögel spezialisiert, aber ich würde sagen, dass wir es hier mit einem gesunden kleinen Wolfsmädchen zu tun haben. Die Verletzungen an Hand- und Fußgelenken sehen gut aus und werden schnell verheilen. Sie ist noch im Wachstum und wenn ich dann noch die beschleunigte Zellteilungsrate eines Werwolfs hinzunehme, dann ist es gut möglich, dass irgendwann sogar die Narben verblassen werden. Ihre motorischen Fähigkeiten sind in Ordnung, wenn auch nicht ganz altersentsprechend. Sie ist sehr unterernährt und zu klein für ihr Alter. Auch die Pubertät sollte eigentlich schon eingesetzt haben, aber es ist noch keine Spur davon zu sehen. Doch das ist sicherlich alles auf den Nahrungsmangel zurückzuführen. Das größte Problem dürfte wohl das psychische Trauma sein, sowie die offenbar vollständig fehlende Förderung ihrer geistigen Fähigkeiten. Die Sprache ist nur ein Aspekt davon. Ein Mädchen in ihrem Alter sollte längst lesen, schreiben oder rechnen können. Sie wäre normalerweise jetzt in der sechsten Klasse. Den Rückstand aufzuholen, den sie ihren Altersgenossen gegenüber hat, dürfte beinahe unmöglich sein.“ „Da kannst du ja froh sein, dass dein Daddy ein Einser-Schüler ist, was Mäuschen?“ erwiderte Stiles munter und bekam nichts mit von dem finsteren Blick seines Liebhabers in seinem Rücken. Zuhause wurde Loba vor dem Fernseher geparkt, während Stiles sich in die Küche begab um Tortellini in Sahnesoße zuzubereiten. Wenn dass nicht dafür sorgte, dass Loba etwas auf die Rippen bekam, was dann, fragte er sich: „Wir müssen reden Stiles!“ sagte Derek mit einem Mal mit ernster Miene. Er lehnte am Küchentresen und schaute seinem Freund bei der Arbeit zu. Stiles ließ augenblicklich alles sinken, was er gerade tat und wandte sich um: „Was ist los?“ erkundigte er sich alarmiert. Derek mahlte mit den Kiefern, wie immer, wenn es Probleme gab und antwortete nicht sofort: „Komm schon, Hale! Du machst mich nervös! Raus mit der Sprache!“ forderte Stiles besorgt: „Ich kann das nicht so wie du!“ Begann Derek: „Ich werde bestimmt keinen selbstgetöpferten Aschenbecher von Loba zum Vatertag bekommen. Sie kann mich nicht leiden!“ „Dann ist es ja gut, dass du nicht rauchst!“ gab Stiles ein wenig verwirrt zurück: „Aber was willst du mir eigentlich sagen?“ „Wir können sie nicht behalten, Stiles!“ gab Derek zurück: „Wir können sie auch nicht auf derselben Straße aussetzen, auf der wir sie gefunden haben und das Beste hoffen!“ Schoß Stiles zurück: „Wir haben sie mitgenommen und nun tragen wir die Verantwortung für sie. So einfach ist das!“ „Ich habe Angst davor, Stiles!“ murmelte Derek kleinlaut. „Oh!“ machte Stiles überrascht. Er dachte einen Augenblick darüber nach und sagte dann: „Wer sagt, dass wir das mit Loba allein schaffen müssen? Da sind mein Dad und Melissa, die viel Erfahrung mit der Brutpflege haben. Und dann ist da ja noch das ganze Rudel, das uns helfen kann. Ich habe natürlich mitbekommen, dass du das mit der Kleinen nicht so gut hinbekommst, aber ich kann das; versprochen! Und du lernst es ja vielleicht auch noch. Aber selbst wenn nicht; ich schaffe das zur Not auch allein!“ Stiles seufzte: „Ich fange jetzt schon an, sie lieb zu haben, weißt du?“ Derek nickte traurig: „Ich weiß! Ich merk´s! Oh. Mann, ich bin ein Monster, denn ich bin eifersüchtig auf eine hilfsbedürftige Zwölfjährige!“ Stiles schlang die Arme um seinen Freund: „Ich liebe dich!“ versicherte er: „Alles wird gut! Hab´ein bisschen Geduld und gib der Sache noch eine kleine Chance, ja? Tust du das für mich?“ „Ich versuche es!“ erklärte der Ältere. Inzwischen war Loba zu ihnen in die Küche gekommen, weil sie die angespannte Stimmung wahrgenommen hatte: „Ist in Ordnung Süße!“ murmelte Derek und nahm unsicher ihre Hand: „Wir beide schauen noch ein wenig fern und gleich gibt es etwas Leckeres zu Essen!“ Als die Tortellini halb verspeist waren, klingelte es an der Tür. Derek öffnete und kam einen Augenblick später mit Sheriff Stilinski an den Tisch: „Hey Dad!“ begrüßte Stiles ihn fröhlich, doch dann nahm er den ernsten Gesichtsausdruck seines Vaters wahr: „Was ist? Wollte er wissen. „Ich habe mir gemeinsam mit Parrish die Gegend angeschaut, in der ihr das Mädchen gefunden habt und das habe ich entdeckt. Ich denke, ich weiß nun, wo sie herkommt!“ John legte ein vergilbtes Blatt Papier auf den Schreibtisch. Kapitel 24: Freakshow --------------------- Stiles blickte auf das Plakat und ließ entsetzt die Gabel sinken: „Sie haben sie ausgestellt, wie ein VERDAMMTES TIER?“ fragte er fassungslos. Die Tränen kamen so spontan, dass Stiles sie nicht einmal selbst kommen sah. John und Derek blickten einander an, um sich zu verständigen, wer ihn tröstete, als Loba ihnen die Entscheidung bereits abnahm: Natürlich konnte sie nicht wissen, dass Stiles um sie weinte, doch es war eindeutig, dass es ihr überhaupt nicht schmeckte, dass er traurig war. Sie war nahe an ihn herangerückt und und stupste ihn mit Nase und Stirn an, woraufhin Stiles dass Mädchen sehr fest in seine Arme schloss und schluchzend an sich drückte. Schließlich erhob sich Derek und zog sie beide an sich heran: „Ist doch gut Stiles! Jetzt ist es vorbei und sie ist hier bei uns. Niemand tut ihr mehr weh und wir kriegen diese Schweine, die das mit ihr gemacht haben!“ versicherte er. Er blickte selbst noch einmal hinab auf das vergilbte Plakat, auf welchem in spanisch zu lesen stand, dass es eine große Sensation sei: Die Gomez-Brüder und ihr Kabinett der Absonderlichkeiten präsentierten stolz das Wolfsmädchen. Sie sei einzigartig auf der Welt! Eine verdammte Freakshow! Dort hatte man das arme kleine, Ding ausgestellt. Ohne Mitgefühl! Aus Profitgier und für die Sensationslust der Leute! Die Narben von den Stockhieben auf ihrem Rücken hatte sie sicherlich, weil sie sich gewehrt hatte, oder weil man sie dazu zwingen wollte, sich zu verwandeln! In Derek stieg Wut auf. Er entwickelte erstmals so etwas wie Vatergefühle für Loba und er bekam gute Lust, seine Klauen in ein paar miese Penner zu schlagen: „Ich werde morgen dort hingehen, um mir die Kerle vorzuknöpfen!“ bestimmte Derek: „Scott und ich werden mitgehen!“ erklärte Stiles bestimmt, doch Derek und John riefen wie aus einem Munde: „Ihr habt Schule!“ Und Derek fügte hinzu: „Ich werde mich erst mal nur umsehen. Keine Sorge: Mir geschieht schon nichts!“ Eine leichtfertige Behauptung. Stiles blickte ihn sorgenvoll an und der Sheriff bot an: „ICH könnte dich begleiten?“ Derek schüttelte den Kopf: „Du hast da unten in Mexiko keine Befugnisse und ich will dich nicht in Gefahr bringen, John! Nein, ich werde gleich morgen früh losfahren und mich um die Sache kümmern.“ Seltsamerweise begann Derek, sich Loba und Stiles gegenüber dadurch wieder ein wenig wohler zu fühlen: Er mochte vielleicht nicht so ein liebevoller und umsichtiger Hilfspapa sein, wie sein Freund, aber es gab doch eine Sache, die er besser konnte als er: Er war stark! Er konnte seinen Muskeln einsetzen! (Er konnte sein bisheriges Versagen wieder gut machen!) „Was haltet ihr denn von folgendem Vorschlag?“ Wollte John nun wissen: „Ich nehme die kleine Maus mit zu mir nachhause und mache mir morgen, wo ich frei habe einen schönen Großvatertag mit ihr, Stiles, du schläfst hier bei deinem Freund, gehst morgen früh brav in die Schule und Derek mischt indes diese Unmenschen unten in Mexiko auf!“ An den Werwolf gewandt fügte er noch hinzu: „Tu aber bitte nichts, was dich tötet oder in den Knast bringt, hörst du Junge?“ Derek grinste und errötete peinlicher Weise ein kleines bisschen: „Ich passe auf!“ versprach er. John mochte es möglicherweise nicht ahnen, aber Stiles wusste, was seinem Freund die Sorge seines `Sozusagen-Schwiegervaters´ bedeutete: Derek wollte dem Sheriff unbedingt gefallen; Stiles zuliebe, aber auch, weil er John Stilinski achtete und durch ihn so etwas wie Familienanschluss und Väterlichkeit erfuhr. Stiles lächelte in sich hinein. Als John Loba an der Hand aus dem Apartment führen wollte, weigerte diese sich, zu gehen und blickte zurück zu Stiles, bis dieser sich zu ihr herunterbeugte und sanft sagte: „Es ist in Ordnung kleine Maus! Du kannst ruhig mitgehen. Wir sehen uns morgen Mittag wieder! Versprochen!“ „Daddy?“ fragte sie: „Ja mein Schatz!“ Er umarmte seinen Vater: „Und das hier ist Daddys Daddy! Du kannst ruhig mit ihm gehen!“ Höchstwahrscheinlich verstand Loba kein Wort, doch Stiles nickte, lächelte und streichelte das Mädchen und schließlich ließ Loba sich tatsächlich vom Sheriff mitnehmen. Im Auto ließ John das Mädchen auf dem Beifahrersitz Platz nehmen und schnallte sie an, was von ihr misstrauisch zur Kenntnis genommen, aber dennoch zugelassen wurde: „Gott, bist du dünn!“ stellte er bei dieser Gelegenheit fest. Loba blickte ihn aufmerksam an und der Sheriff lächelte. Die Kleine lächelte auch: „Du bist wirklich ein sehr hübsches kleines Mädchen, wenn du das tust, weißt du das?“ fragte er sie freundlich und startete dann den Wagen. Zuhause angekommen ging John als Erstes auf den Dachboden, wo er aus Sentimentalität eine Kiste voll von Stiles Kindersachen aufgehoben hatte. Loba folgte ihm dabei auf dem Fuße. In Stiles Zimmer begann er zu kramen und fand schließlich das Gesuchte: Einen Pyjama mit Star-Wars-Motiv, auf den sein Sohn im Alter von zehn total versessen war: „Winzig und dünn wie du bist, sollte dir das auf jeden Fall passen!“ stellte der Sheriff fest. Unbehaglich half er dem fremden Mädchen aus ihrem Kleidchen und in den Schlafanzug hinein. Loba betrachtete stirnrunzelnd den bunten Druck auf dem Kleidungsstück, schien jedoch letztlich keine Einwände zu haben. John steckte das Mädchen in Stiles Bett, womit dieses offensichtlich sehr einverstanden war. Sie schnupperte und stellte sehr richtig fest: „Daddy!“ Der Sheriff nickte: „Ich wünschte zwar, du würdest meinen achtzehnjährigen Jungen nicht so nennen, aber du hast vollkommen Recht mein Kleines.“ Er erhob sich und sagte: „Warte hier, ja? Ich bin gleich wieder da!“ Als er die Treppe mit Milch und Keksen wieder hinaufstieg, erinnerte er sich daran, wie oft er das für Stiles getan hatte, als dieser noch klein gewesen war. Und nun war sein Junge erwachsen, schlief mittlerweile viel öfter bei seinem Liebhaber zuhause, als in seinem Elternhaus und war nun auch noch dabei, auf sehr ungewöhnlichem Weg selbst so etwas wie ein Elternteil zu werden. Nach Claudias Tod hatte John gedacht, er würde es nicht schaffen, allein für diesen Jungen zu sorgen und dennoch war er der Grund gewesen, weiterzumachen. Da saß plötzlich ein todtrauriger, verstörter Neunjähriger, der ihn mit verzweifelten hellbraunen Augen anblickte und voll und ganz auf ihn zählte. Wenn das kein Grund zum Weiterleben war! Und sie hatten sich gut auf einander eingespielt mit den Jahren. John hoffte sehr, dass er seine Sache als Vater gut gemacht hatte, doch manchmal hatte ihn auch der Verdacht beschlichen, dass dieser kleine Mistkerl, der im Grunde viel cleverer war, als er selbst, sich mehr oder weniger selbst großgezogen hatte: Er hatte gelernt zu kochen, hatte seinen Teil an den Hausarbeiten übernommen und weil ein Sheriff auch zu den unmöglichsten Zeiten arbeiten musste, war Stiles letztlich viel zu oft allein gewesen. Und nun war Stiles ein erwachsener Mann und John der verlassene Vater in einem viel zu stillen Haus. Er wurde mit einem Mal sehr, sehr melancholisch. Aber als er den Star-Wars-Pyjama mit dem Mädchen darin erblickte, ging ihm das Herz auf. Die Kleine ihrerseits bekam große Augen beim Anblick des, mit Keksen gefüllten Tellers, welche für einen Werwolf mit Sicherheit sehr verführerisch duften dürften. Sie verdrückte die Kekse in rasender Geschwindigkeit und blickte dabei misstrauisch zu John auf, als fürchte sie, er wollte sie ihr gleich wieder wegnehmen. Der Sheriff lächelte und murmelte: „Keine Sorge, Süße: Das ist alles für dich!“ Loba spülte mit der Milch hinterher und der weiße Bart, den dies auf der Oberlippe des Kindes zurückließ, brachte den Sheriff zum Lachen. Mit seinem Ärmel wischte er den Mund des Mädchens trocken und das ließ dieses nun ebenfalls kichern. Nun durchsuchte John die Kiste mit Stiles Sachen ein zweites Mal und als er das Gesuchte gefunden hatte, ließ es ihn Lächeln: Es war ein Bilderbuch mit der Geschichte von `Rotkäppchen und dem bösen Wolf´. Daraus hatte er Stiles oft vorgelesen. Kurz schoss ihm die absurde Frage durch den Kopf, ob diese Geschichte wohl die psychosexuelle Entwicklung seines Sohnes beeinflusst haben mochte? Er schüttelte den Kopf, um den lächerlichen Gedanken wieder loszuwerden. John hoffte, dass Loba das Buch gefallen möge, nicht nur, weil es hier um einen Wolf ging, sondern auch, weil das Buch sehr viele Bilder enthielt und Worte momentan wohl eher noch nicht zu der Kleinen sprachen. Als der Sheriff mit seiner angenehmen und ruhigen Stimme begann, die Geschichte vorzulesen und die Bilder zu erklären, blickte das Kind ihn aufmerksam und mit wachem Blick an und John konnte die Intelligenz darin erkennen. Als sie mit dem Buch fertig waren, legte er sich noch einen Moment zu ihr und sang ihr mit schräger Stimme ein kleines Schlaflied vor. Sie beschwerte sich nicht über die Kakophonie, sondern wusste scheinbar die Geste zu würdigen, denn tatsächlich fielen ihr sehr bald die Augen zu. John erhob sich leise, steckte ein Nachtlicht in die Steckdose und ließ die Tür einen Spalt breit offen. Stiles wälzte sich im Bett hin und her. Er konnte das unbehagliche Gefühl nicht abschütteln, dass ihn beschlichen hatte, seit Derek verkündet hatte, er würde sich bei diesen Unmenschen, die Loba gefangen gehalten hatten einmal umschauen: „Stiles!“ beschwerte sich Derek: „Wenn die so weitermachst, werde ich seekrank!“ „Ich kann nichts dafür! Ich habe Angst um dich!“ murmelte der Jüngere. Derek zog ihn an sich heran, so dass sie Rücken an Bauch lagen und versicherte: „Keine Sorge: Ich passe auf mich auf!“ Scherzhaft fragte er: „Willst du meinen Bizeps fühlen?“ „Immer!“ versicherte Stiles: „Aber bloß, weil du stark bist, bist du nicht unverwundbar! Ich will dich nicht verlieren! Niemals, hörst du?“ Er wusste selbst, dass er sich wie eine klammernde Nervensäge anhörte, doch da war einfach dieses blöde Gefühl! Derek küsste seinen Nacken: „Tust du nicht! Du verlierst mich nicht!“ erwiderte er. Ein wenig später fiel ihm ein: „Wo wir schon mal beide wach sind und einen Babysitter haben...?“ Stiles drehte sich schmunzelnd zu ihm um: „Du bist schamlos!“ sagte er Als Stiles zur Schule aufbrechen wollte, war das ungute Gefühl, dass sie letzte Nacht so erfolgreich vertrieben hatten schlagartig wieder da. Er umarmte Derek zum Abschied und weigerte sich dann hartnäckig, ihn wieder loszulassen: „Süßer, komm´ schon! Du musst los!“ Der Werwolf spürte das hartnäckige Kopfschütteln seines Freundes in seiner Halsbeuge: „Du bist doch sonst nicht so überängstlich! Was ist denn los?“ wollte er wissen: Stiles zuckte mit den Achseln: „Weiß nicht.“ Murmelte er verlegen und konnte sich im Grunde selbst nicht ertragen, mit seiner plötzlichen Affenliebe: „Wenn du aus der Schule wiederkommst, bin ich schon wieder da. Versprochen!“ versicherte Derek Und so drückte Stiles seinem Freund noch einen letzten flüchtigen Kuss auf die Lippen, riss sich los und brach auf. Der Sheriff war bereits unten in der Küche damit beschäftigt, Frühstück zu machen, als er das Tapsen kleiner Füße die Treppe herunterkommen hörte. Einen Moment später lugte ein zerzauster schwarzer Haarschopf um die Ecke und vernahm ein Stimmchen das sagte: „Hung-rig!“ John lachte: „Ich sehe schon, du lernst die Worte in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit! Du hast Glück, Engelchen, denn jetzt gibt es Essen:“ Er holte die Aufbackbagel aus dem Ofen und Loba wollte sofort zugreifen: „Nicht doch, Süße! Das ist heiß!“ mahnte John und zog das Blech fort. Loba knurrte und bleckte die Zähne. „Shht!“ machte der Sheriff, gab das Backwerk in einen Korb und und ließ Loba ganz kurz anfassen, um ihr zu zeigen, warum sie noch warten musste. Er spürte, wie sich Besorgnis in ihm breitmachte. Wenn dieses Kind tatsächlich dauerhaft bei Derek und Stiles bleiben würde, dann müsste sie beinahe alles von Grund auf lernen wie ein Kleinkind, denn abgesehen davon, dass sie bereits sitzen, gehen und stehen konnte, fehlten ihr sämtliche Grundlagen. John hatte das Mädchen zum Beispiel auch einmal in der Nacht geweckt, um sie auf die Toilette zu setzen, weil er sich nicht sicher war, ob sie das schon allein beherrschte. Zum Glück hatte ihr Stiles aber offenbar wenigstens schon gezeigt, was sie an diesem Ort zu tun hatte. Dieses verwilderte Kind großzuziehen war eine große Aufgabe und für seinen Sohn wünschte sich John ehrlicherweise zunächst einmal ganz andere Dinge: Dass er die Schule erfolgreich hinter sich brachte, einen guten Start im College haben möge und seine erste große Liebe genießen konnte. Er warf einen missmutigen Seitenblick auf Loba, die sich mittlerweile einen Bagel geschnappt hatte und ihn verwirrt durch das Loch hindurch anblickte. Da musste er gegen seinen Willen Lachen: „Du hast recht, Süße. Das habe ich auch nie verstanden; warum die Dinger das Loch in der Mitte haben. Was möchtest du denn drauf haben?“ Er präsentierte ihr Schinken, Frischkäse, Marmelade und Schokocreme und nach letzterem wollte die kleine Wölfin sofort grapschen: „Verstehe! Du bist also ein kleines Süßmäulchen, wie?“ sagte der Sheriff und hielt das Glas ein wenig außerhalb ihrer Reichweite. Das Mädchen zog eine Schnute und nun streckte John auch noch die Hand hin, weil er ihren Bagel wollte. Sie kniff ärgerlich die Augen zusammen, doch erstaunlicherweise rückt sie ihre Beute freiwillig heraus. John lächelte und ließ Loba genau sehen, was er tat: Bagel aufschneiden, großzügig Schokocreme darauf verteilen und dann auf einem Teller zurück an das Kind! Loba strahlte, griff nach dem Brot, vergewisserte sich allerdings noch einmal mit einem Blick, ob sie dürfte. John nickte freundlich. Nach dem Frühstück überlegte er krampfhaft, was er denn nun mit dem Mädchen den ganzen Vormittag lang anstellen sollte. Erst hatte er an den Zoo gedacht, doch schon im nächsten Moment fand er, es eine furchtbare Idee, der kleinen Werwölfin, die ihr bisheriges Leben hinter Gitterstäben verbracht hatte, eingesperrte Wildtiere vorzuführen. Als sie sich dann später, beinahe ohne fremde Hilfe dasselbe Kleidchen wie gestern anzog wusste er, was zu tun war: „Weißt du was, mein Schatz? Wir gehen shoppen!“ sagte er munter, doch vorher musste er noch ein Telefonat führen. „Und das ist also dein Enkelkind, ja?“ fragte Cynthia Mahealani irritiert, als sie Seite an Seite durch die Mall schlenderten mit Blick auf das Mädchen. Der Sheriff erklärte es Dannys Mutter noch einmal, obwohl er es am Telefon schon versucht hatte. Sie hörte sich die aussergewöhnliche und verstörende Geschichte in Ruhe an: „Armes Ding!“ sagte Cynthia schließlich kopfschüttelnd. Doch dann fügte sie mit einem Strahlen an das Mädchen gewandt hinzu: „Aber jetzt gehen wir Mädels richtig schön einkaufen, stimmt´s Süße?“ An John gewandt fügte sie bedauernd hinzu: „Ich hatte mir immer ein Mädchen gewünscht, aber Danny ist ein Einzelkind geblieben und leider ist er nicht diese Art Schwuler, der mit seiner Mutter zum Shopping geht und Kleider tauscht.“ Der Sheriff hüstelte nervös und murmelte ein unverbindliches: „Man kann nicht alles haben, richtig?“ Die muntere kleine Hawaianerin lachte: „Diese Dinge sind immer noch nicht ganz leicht für dich zu akzeptieren, was John?“ „Es wird besser!“ gab der Sheriff kleinlaut zurück: „Aber wenn ich ehrlich bin, dann bin ich froh, dass auch Stiles keine Ambitionen zeigt, Pumps oder Make-Up zu tragen!“ Cynthia lachte und streichelte die Wange des Sheriffs. Der schluckte ein wenig, denn die Berührung ging ihm durch und durch. John war froh, dass er Cynthia gebeten hatte, mitzukommen; nicht nur, weil sie eine angenehme Gesellschaft war und ihn zum Lachen und nachdenken brachte, sondern auch, weil es ihr so leicht fiel, Kleidchen, Jeans, T-Shirts, Pullover und Unterwäsche für Loba in der richtigen Größe auszusuchen. John hätte ewig dafür gebraucht und am Ende wahrscheinlich die komplett falsche Wahl getroffen, über die ihre beiden Ziehväter die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätten. Außerdem war er auch sehr dankbar, dass sie es übernahm, mit dem Mädchen in die Umkleidekabine zu gehen, denn damit fühlte er sich ganz und gar nicht wohl. Mit jedem neuen Outfit lief Loba hinüber zum Spiegel, betrachtete sich nachdenklich und fragte den Sheriff mit einem Blick und schief gelegten Köpfchen, was er davon hielte. John antwortete stets mit einem Lächeln und einem Schulterzucken. Er war wirklich nicht gut in so etwas. Am Ende trugen die drei einen riesigen Haufen Kleider zur Kasse und als der Sheriff die Summe sah, die gefordert wurde, zückte er mit blutendem Herzen seine Kreditkarte. Loba und John waren müde, nach diesem Einkaufsmarathon, doch Cynthia war wie immer nicht aufzuhalten: „So: Und jetzt lade ich euch zwei auf einen riesigen Eisbecher ein!“ verkündete sie. Als Stiles aus der Schule zurückkam, war Derek noch nicht, wie versprochen, wieder da. Als er zwei Stunden später immer noch nicht auftauchte und auch nicht an sein Handy ging, war Stiles beinahe schon so weit, den Verstand zu verlieren. Er berief ein Rudeltreffen in Dereks Apartment ein. Kapitel 25: Die Bestie Mensch ----------------------------- Derek war mit dem Camaro eine Ewigkeit lang in der Gegend herumgefahren, ehe er die vier buntbemalten Zirkuswägen in der Nähe einer winzigen mexikanischen Ortschaft gefunden hatte. Eigentlich war er sich ziemlich schlau vorgekommen, wie er den Wagen in einer Meile Entfernung versteckt abgestellt, den Rest des Weges gelaufen und sich mit wölfischer Eleganz unauffällig den Wagen der Schausteller genähert hatte. Er hatte sich ein wenig umgeschaut und dann mit Grauen festgestellt, dass ein kleines Werwolfsmädchen nicht die einzige „Attraktion“ war, die dieser Zirkus der Unmenschlichkeit zu bieten hatte. Er geriet an einen, unter Planen verborgenen vergitterten Wagen, in welchem man eigentlich Löwen oder Tiger vermuten würde, doch als Derek die Abdeckung ein wenig lüftete, weil er dahinter ein Weinen vernommen hatte erkannte er, dass dort mehrere Menschen mit unterschiedlichen körperlichen Besonderheiten in Ketten lagen: entkräftet, verzweifelt und misshandelt! Es ab einen kleinwüchsigen Mann, ein große schwergewichtige Frau mit starker Gesichtsbehaarung, einen nackten Menschen, den Derek eigentlich für ein Mädchen gehalten hatte, bis sein Blick auf die Genitalien fiel, weiterhin einen Mann, dem von Geburt an Arme und Beine fehlten und ein kleines Kind mit einem Hydrozephalus. Als sie Derek erblickte, flehte die bärtige Frau schluchzend: „Helfen sie uns bitte!“ Derek nickte entsetzt. Das hier waren Menschen! Teilweise solche, die medizinischer Hilfe bedurften, so wie dieses Kind, doch stattdessen waren sie hier in einem dunklen Käfig zusammengepfercht: Schmutzig, verwahrlost, angebunden wie Tiere. Wer war zu so etwas bloß fähig? Die Antwort sollte nicht lange auf sich warten lassen, denn Derek hörte Schritte näherkommen. Das durften dann wohl die fabelhaften Gomez-Brüder sein; Zwillinge und einer sah gemeiner aus als der Andere, schmierige, kinnlange, schwarze Locken, pockennarbige Gesichter und ein reptilienhaftes Grinsen: „Hey Jungs! Schon mal was von der UN-Menschenrechtskonvention gehört?“ fragte Derek im Plauderton auf Spanisch, hinter dem er den Wunsch verbarg, ihnen blitzschnell die Herzen aus der Brust zu reißen und sie ihnen zu zeigen, ehe ihre Körper realisieren würden, dass sie bereits tot waren: „Habt ihr vielleicht etwas verloren? Ein kleines Mädchen möglicherweise? Reißzähne? Etwa so hoch?“ Er deute mit der Hand Lobas ungefähre Größe an. Die beiden Kerle erwiderte rein gar nichts. Stattdessen hielten sie eigenartige Stäbe in Dereks Richtung. „Und was soll das jetzt werden? Seid ihr Jedi-Ritter, oder was?“ wollte Derek wissen. Die Zwei waren KEINE Jedi-Ritter und offenbar auch keine Freunde, des verbalen Schlagabtauschs, den Derek in den Jahren mühsam in der harten Schule bei Stiles gelernt hatte. Stattdessen richteten die Brüder ihre Stäbe, bei denen es sich, wie sich herausstellen sollte, um Viehtreiber handelte, auf Derek und jagten zweimal fünfhunderttausend Volt im Dauerfeuer durch Dereks Körper. Der Werwolf verwandelte sich und versuchte, die beiden mit seinen Klauen zu erwischen, doch er bekam sie einfach nicht zu fassen, weil der Starkstrom ihn zu sehr zappeln ließ. Derek hatte das Gefühl, dass ihm seine Nervenbahnen durchbrennen würden, wie überlastete Stromkabel. Der Schmerz war beinahe unerträglich und irgendwann verlor er gnädiger Weise das Bewusstsein. Das Rudel, bestehend aus Scott, Malia, Danny, Lydia, Kira , Liam, Mason und Peter saß auf dem Sofa und schaute Stiles dabei zu, wie er als klapperndes Nervenbündel in Dereks Wohnzimmer auf und ab lief. Scott hatte ein-, zweimal versucht, seinen besten Freund dazu zu bringen sich zu setzen und ein wenig ruhiger zu werden, doch Stiles hatte ihn daraufhin nur angeblickt, als wollte er sagen `hast du den Verstand verloren?´, hatte sich losgemacht und war darin fortgefahren, blass und angespannter als eine Geigensaite umherzustapfen, wobei er achtlos auf seinen armen, herzförmigen Lippen herumbiss, bis diese bluteten. Als es an der Tür klingelte, rannte Stiles los, ehe ein anderer die Chance dazu hatte, doch natürlich war es nicht Derek. Warum sollte der auch an seiner eigenen Tür schellen? Er hatte schließlich einen Schlüssel! Nein, es waren Loba und sein Dad. Die beiden folgten Stiles ins Wohnzimmer zu den Anderen. Der Sheriff versuchte, seinen Jungen zu umarmen und zu beruhigen, doch zu so etwas war Stiles einfach gerade nicht imstande! Er hatte die wahnwitzige Idee, wenn er in Bewegung blieb, könnte das irgendetwas zum Besseren wenden. Stillstand war ein bisschen wie Tod! `Gott! Was wenn Derek tot war?´ schoss es ihm mit einem Mal durch den Kopf. Diese Vorstellung löste bei Stiles Schwindel aus, ein Rauschen und Brennen in den Ohren, Enge und Schmerz in seinem Bauch, Atemnot, das Gefühl, aus sich selbst herauszutreten. Farben, Formen, Raum und Zeit, alles schien nicht mehr richtig zu stimmen, irgendwie ein wenig aus dem Lot geraten zu sein. Seine Muskeln gehorchten Stiles nicht mehr vollständig und es fühlte sich an, als würden die Beine unter ihm gleich nachgeben. Und dann kam die Übelkeit! Es war eine Panikattacke; nicht die erste, die Stiles in seinem Leben durchgemacht hatte, aber mit Sicherheit die heftigste. Sämtliche Wölfe im Raum wurden aufmerksam, weil sie Stiles rasenden, unregelmäßigen Herzschlag hören konnten, blickten ihn besorgt an und Scott versuchte ein weiteres Mal, seinen übererregten Herzensbruder von der Decke zu kratzen, indem er die Hände nach ihm ausstreckte und beruhigend auf ihn einflüsterte: „NEIN! LASS MICH!“ rief Stiles hilflos aus, womit er die kleine Loba auf den Plan rief, die sich schützend vor Stiles stellte, sich in grandioser Selbstüberschätzung vor dem Alpha aufbaute, die blauen Wolfsscheinwerfer anknipste und die Zähne fletschte. Scott blickte das Mädchen erstaunt an und wendete dann den Kopf, um Stiles anschauen zu können. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, das Mädchen zurechtzuweisen und seine Dominanz zu beweisen, doch so etwas war mit Sicherheit nicht seine Art. Stattdessen war es Stiles, der durch diesen Vorfall wieder ein wenig zur Besinnung kam und eingriff: „Ruhig Schätzchen!“ sagte er und obwohl sie die Worte höchstwahrscheinlich nicht verstand und auch Stiles immer noch panischer Tonfall sicherlich nicht eben beruhigend wirken konnte, zog Loba die Krallen wieder ein und wandte sich ganz ihrem Wahlvater zu, ergriff seine Hand und schloss sich ihm an, als er damit fortfuhr, wie ein kopfloses Huhn im Raum umher zu laufen. Sie versuchte nicht, ihn zu bremsen oder gar aufzuhalten, sondern schritt einfach nur neben ihm her und irgendwie war das hilfreicher, als alle Trostversuche, welche die Erwachsenen im Raum bereits unternommen hatten. Der Sheriff hatte etwas zu berichten, auch wenn er Angst davor hatte, welche Reaktion diese Informationen wohl bei seinem Sohn auslösten: „Ich habe Dereks Wagen zur Fahndung ausschreiben lassen.“ begann er. Stiles Kopf flog mit einem Mal herum und seine ganze Aufmerksamkeit galt nun seinem Vater: „Sie haben den Camaro kurz hinter der Grenze versteckt in einem Waldgebiet gefunden. Keine Spur von Gewalt, keine Spur von Derek. Ich habe Parrish dorthin geschickt und er hat sich die Gegend angeschaut. In einer Meile Entfernung hat er den verlassenen Rastplatz der Schausteller gefunden: Wagenspuren, Feuerstellen,Müll und ein paar Plakate haben sie zurückgelassen und es sah aus, als seien sie in aller Eile aufgebrochen. Er hatte einen der Hunde dabei: Kein Blut!“ Stiles schluchzte ein wenig, denn Besorgnis und Erleichterung mischten sich in ihm. Er hielt in seiner Bewegung inne und er, der er immer einen Plan hatte und die Recherchen anstellte, er, der immer wusste, was als nächstes zu tun war, fragte wie ein ängstlicher Fünfjähriger: „Was machen wir denn jetzt?“ Stiles ließ sich auf dem Sofa in der Nähe von Peter nieder, der sogleich nahe an den jungen Mann heranrückte und ihm eine Hand auf das Knie legte. Den strengen Blick des Sheriffs ignorierte der Werwolf hierbei geflissentlich! Scott wurde einen Augenblick lang ganz kalt, als ihm das ganze Ausmaß von Ohnmacht und Verzweiflung seines liebsten Freundes klar wurde. Er wusste, sein Auftrag war nun, stark für Stiles zu sein und eine Strategie zu entwickeln: „Es ist Wochenende und ich schätze, keiner von uns hat etwas vor, das wichtiger wäre, als das hier, richtig?“ Eigentlich war es keine Frage, das machte der strenge Tonfall des Alpha mehr als deutlich: „Wir starten unsere Suche am letzten bekannten Aufenthaltsort und sehen ob unsere Wolfsnasen uns irgendetwas verraten können, was die Polizei nicht gefunden hat. Wir nehmen mehrere Autos, bilden Teams, durchkämmen die gesamte Gegend und wir werden Derek finden, kapiert!“ an Stiles gewandt fuhr er fort: „Es wird ihm gut gehen! Derek ist unverwüstlich, das weißt du doch, Bro!“ Auf dem Weg zu den Autos begab sich Peter an Stiles Seite, reichte ihm hilfreich einen Arm und versichert: „Ich bin da, Kleiner. Ich werde mit dir fahren und ich kümmere mich um dich, hörst du?“ Diese Szene jedoch bekam der Sheriff mit, drängte sich zwischen die beiden und raunte Peter zu: „Stiles fährt mit Scott und Loba und sie Hale haben eine gratis Mitfahrgelegenheit in meinem Dienstwagen gewonnen!“ „Ist ja toll! Kriege ich dann auch einen Stern, um ihn mir an die Brust zu pinnen, als ihr Deputy?“ fragte Peter beißend: „Träumen sie weiter, Mann!“ knurrte John. Als Derek wieder zu sich kam wurden ihm nach und nach verschiedene Dinge bewusst. Erstens: Jemand hatte ihm offensichtlich den Schädel geöffnet und diesen mit nasser Sägespäne gefüllt, wo früher sein Gehirn war! Zweitens: Er lag in Ketten! Große dicke Kettenglieder, verbunden mit schweren, massiven Handschellen. Drittens: Jemand hatte ihn obenherum ausgezogen! Viertens: Sein Gefängnis bewegte sich! Offenbar war er eingesperrt in einem dieser vergitterten Zirkuswagen und sie waren auf dem Weg irgendwohin. Oder auf der Flucht vor irgendetwas? Fünftens: Dieser Wagen roch nach Loba, war sozusagen getränkt in ihren Geruch, so als habe diese eine sehr, sehr lange Zeit hier drinnen zugebracht. Dereks Körper schmerzte immer noch höllisch aufgrund der inneren Verbrennungen durch die Elektroschocks. Körper und Hirn verweigerten ihm weitestgehend ihren Dienst und so entschied Derek, noch ein Weilchen zu schlafen und zu heilen. Im Wagen des Sheriffs, der in Kolonne mit den anderen Autos des Rudels in Richtung Mexiko fuhr, klagte Peter Hale schmollend vom Rücksitz jenseits der Vergitterung: „Hätten sie mich nicht wenigsten vorne bei sich sitzen lassen können, anstatt hier hinten, wie ein gewöhnlicher Verbrecher?“ Der Sheriff grinste: „Sie haben wirklich keinen blassen Schimmer, welch ein beinahe schon unanständiges Vergnügen es für mich ist, sie da hinten sitzen zu sehen, Hale. Und sie wissen genau, das es eine Unzahl von Gründen gäbe, warum sie berechtigter Weise diesen Platz verdient hätten. Nur sind das leider alles Gründe, die ich einem weltlichen Gericht, das menschengemachten Gesetzen folgt, nicht klar machen kann. Sie sind ein Mörder und ein Intrigant! Sie sind ein gefährlicher Mann und am schwerste wiegt für mich persönlich, dass mir ganz und gar nicht gefällt, wie sie meinen Jungen anschauen!“ Peter runzelte die Stirn und fragte „Sind sie sicher, dass sie mit dem richtigen Hale sprechen, Sheriff? Ich bin bedauerlicherweise nicht derjenige, der seine Fingerabdrücke auf der elfenbeinweißen Haut ihres Sohnes hinterlässt.“ „Ihr Neffe ist in Ordnung!“ gab der Sheriff zurück: „Aber denken sie nicht, dass mir entgangen wäre, dass auch sie Stiles nachstellen. Und nun nähern sie sich ihm wie eine hinterhältige Schlange in einem Moment, in dem er schwach und verletzlich ist. Dies ist meine einzige Warnung an sie, Peter: Lassen sie die Finger von meinem Sohn, oder ich mache sie fertig!“ „Sie amüsieren mich, Sheriff!“ gab Peter achselzuckend zurück. Scott fuhr den Jeep von Stiles und auf dem Beifahrersitz saß Malia. Stiles hatte sich mit Loba nach hinten gesetzt, weil er sich ganz und gar nicht in der Verfassung fühlte, ein Kraftfahrzeug zu führen. Angst füllte ihn aus, vom Scheitel bis zu den Zehen. Er versuchte nicht daran zu denken, was er schon im Vorfeld für ein ungutes Gefühl gehabt hatte, ehe Derek auch nur aufgebrochen war und verbot sich selbst, sich auszumalen, was möglicherweise alles passiert sein mochte. Vielmehr bemühte er sich um positive Gedanken: Wie sie Derek finden würden, das er unversehrt sein würde. Er versuchte daran zu denken, wie er roch, sich anfühlte und wie es war, mit ihm Arm in Arm einzuschlafen. Und auf keinen Fall wollte er daran denken, dass er dies möglicherweise nie wieder erleben würde, weil sein Liebhaber längst tot und auf irgendeiner Müllkippe entsorgt worden war, doch ein sehr bösartiger Teil seines Gehirns offerierte ihm dieses Szenario dennoch genussvoll. „Daddy?“ fragte Loba, die Stiles bislang einfach nur stumm beobachtet hatte. Dann fügte sie hinzu: „Baby!“ entwand sich ihrem Gurt und rollte sich so eng in Stiles Schoß zusammen, dass beinahe ihr gesamter Körper dort Platz fand. Und das Mädchen hatte vollkommen recht mit ihrem einsilbigen und dennoch beredten Einwurf, wurde Stiles klar. Er konnte es sich nicht erlauben, sich in ein kleines schmuddeliges Loch aus Traurigkeit und Angst zu verbuddeln. Er hatte schließlich eine Verantwortung übernommen und musste stark sein für dieses Mädchen. Er kraulte ihr das Haar und den Rücken und Loba begann daraufhin, beinahe wie eine Katze zu schnurren. Als Derek das nächste Mal erwachte, stellte er fest, dass sein Gefängnis sich nicht mehr bewegte. Außerdem war mittlerweile die Nacht hereingebrochen. Im Dunkeln untersuchte der Werwolf seine Handschellen und die damit verbundene Kette und stellte fest, dass beide ausgesprochen stabil waren. Nachdem den Gomez.Brüdern schon einmal ein Werwolf entwischt war, hatten sie offenbar nachgerüstet. Da Derek sich sowohl körperlich als auch geistig wieder einigermaßen auf der Höhe fühlte und keine Veranlassung spürte, die zweifelhafte Gastfreundschaft der beiden skrupellosen Brüder länger als nötig in Anspruch zu nehmen, riss er nun dennoch versuchsweise an den Ketten. Das er dabei einen höllischen Lärm machte, kümmerte ihn nicht. Nach einer Weile wurde die Plane vor Dereks Gefängnis zurückgeschlagen und eine junge Frau mit einer Gaslampe erschien in Begleitung von einem der Brüder, der ein Gewehr über die Schulter trug. Sie war Kaukasiern, klein, langes, hellblondes Haar, ein süßes Puppengesicht, eine Kindfrau. Doch da war ein sehr gemeiner Zug um ihren Mund, der Derek warnte, sich von dem mädchenhaften Erscheinungsbild nicht täuschen zu lassen. Die Frau leuchtete in Dereks Richtung und rief dann entzückt und mit glockenreinem Stimmchen: „Was für ein schönes Wölfchen du bist!“ an ihren Begleiter gewandt fragte sie: „Darf ich später mit ihm spielen, wenn wir ihn gezähmt haben, Papi?“ Gomez Eins antwortete mit einem Knurren und einem Schulterzucken und die junge Frau fragte Derek: „Und? Kannst du sprechen Wölfchen?“ „Nicht mit jedem!“ Knurrte dieser verdrießlich: „Komm´ schon! Sei lieb!“ säuselte die Blondine und hielt ihre Hand durch die Gitterstäbe: „Wenn du nett zu mir bist, dann kann das Leben hier bei uns für dich recht angenehm werden.“ Derek schoß hervor, so weit die Ketten es ihm erlaubten, fuhr Krallen und Zähne aus und bellte: „Ich habe nicht die Absicht, bei euch zu bleiben, Miststück!“ Gomez Eins legte das Gewehr an und rief in passablem Englisch: „Reiß´ dich zusammen, klar! Sonst schicke ich dich schlafen!“ Es handelte sich also um ein Betäubungsgewehr. Derek hielt beschwichtigend die Hände vor den eigenen Körper und versicherte: „Ist in Ordnung. Ich bin schon ruhig!“ Denn gerade war ihm eine Idee gekommen! Kapitel 26: Sie hatten ein Rudel bestellt? ------------------------------------------ Die drei Autos kamen an dem, von Parrish beschriebenen verlassenen Rastplatz an. Es war ganz eindeutig, dass die Freakshow hier Halt gemacht hatte. Im Schlamm fanden sich ein paar ihrer Plakate, für die sie nun offenbar keine Verwendung mehr hatten, denn ihre große Attraktion, das Wolfsmädchen, war ja nicht mehr in ihrer Gewalt. Es war ein Schauplatz der Verwüstung. Müll war einfach achtlos überall liegengelassen worden. Im weichen Boden fanden sich allenthalben Fußspuren und Abdrücke von Rädern; schmale, wie man sie von Zirkuswägen erwarten würde und breite von je einem Auto und einem Traktor. Scott verfluchte sich, weil sie nicht Chris gebeten hatten, mit ihnen zu kommen; den erfahrenen Spurensucher. So musste er nun selbst sein Bestes geben, aus diesem Durcheinander ein sinnvolles Bild zusammenzusetzen. Falls allerdings irgendwelche Zweifel daran bestanden hätten, ob sie tatsächlich am richtigen Ort wären, musste man nur einen Blick auf die kleine Loba werfen, die plötzlich sehr nervös wirkte. Selbst in seiner nervlich angespannten Situation entging Stiles der Zustand des Mädchens nicht. Er ging vor ihr in die Knie und sagte ruhig und bestimmt: „Nein, mein Liebling! Wir bringen dich NICHT zu diesen bösen Leuten zurück. Wir holen nur Derek nachhause, verstehst du mich? Du gehörst jetzt zu uns! Ich gebe dich nie wieder her, mein Schatz!“ Verblüfft registrierte Stiles, dass Loba nickte: „Daddy!“ sagte sie und schlang die Arme um Stiles. Ihr aktiver Wortschatz mochte noch immer gering sein, doch offenbar verstand sie mehr, als man ahnte. Stiles nahm sie hoch, als sei sie ein sehr viel jüngeres Kind und sie schlang die Beine um seine Hüften und klammerte sich an ihn, wie ein kleines Äffchen: „Du musst keine mehr Angst haben, Baby!“ flüsterte er, hielt sie ganz fest. Und das beruhigte überraschenderweise nicht nur Loba, sondern auch Stiles selbst! „Ich nehme keine Blutspuren wahr, doch irgendwie muss es diesen Unmenschen dennoch gelungen sein, Derek zu überwältigen.“ gab Scott nach einer Weile bekannt, nachdem er alles genauestens inspiziert hatte. Ich habe die Abdrücke seiner Schuhe gefunden und die Stelle, wo er zu Boden gegangen ist, dann Schleifspuren, die plötzlich enden. Offenbar wurde er da wohl verladen!“ Stiles begann zu zittern. Loba stupste ihn besänftigend mit ihrer Nase an und sein Dad versicherte: „Derek lebt, Stiles! Für diese Monster ist er lebendig doch viel wertvoller! Sieh´ es doch mal aus ihrer Warte: Sie haben einen großartigen Tausch gemacht! Vorher hatten sie ein schwaches, dürres Wolfsmädchen und jetzt hingegen ein ausgewachsenes Prachtexemplar von einem Werwolf. Sie werden ihn nicht töten, Sohn! Dein...“ kurzes Stocken: „...dein Geliebter wird bald wieder bei dir sein. Versprochen!“ Irgendwie schienen die Worte seines Vaters Stiles tatsächlich zu überzeugen. Er nickte und atmete ein wenig durch. „Wir werden uns nun aufteilen und in verschiedene Richtungen aufbrechen.“ Bestimmte Scott und Peter schlug vor, dass er den Camaro nehmen könne. Stiles warf ihm den Zweitschlüssel zu. „Niemand stellt sich diesen Typen allein!“ befahl Scott: „Wer immer sie zuerst findet, informiert die Anderen und dann bekommen sie es mit dem ganzen Rudel zu tun!“ „Und mit dem Gesetz!“ fügte der Sheriff hinzu. Sie brachen auf. Der Sheriff setzte Peter bei Dereks Auto ab und hatte nun auch Liam und Mason bei sich, da Lydia sich beklagt hatte dass es zu fünft, zusammen mit Danny und Kira einfach zu eng in ihrem kleinen Autochen wäre. Derek lächelte in sich hinein, als er auf seine Hand- und Fußschellen hinabblickte. Stiles behauptete zwar immer, sein Wolf habe dicke, klobige Pfoten, aber ganz so schlimm konnte es wohl nicht sein, denn als er sich kurz verwandelte, gelang es ihm mit Leichtigkeit, aus den Fesseln zu schlüpfen. Nun musste er nur noch die Tür seines Gefängnisses aufbrechen, ohne allzu viel Aufsehen zu erregen und schon wäre er frei. Unter der Plane war es zu dunkel, ium rgendetwas genau erkennen zu können, selbst mit Wolfsaugen, also versuche er, mit den Fingern zu ergründen, mit welcher Art Schloss er es zu tun hatte. Schließlich entschied er, dass ein kräftiger, gezielter Fußtritt wohl ausreichen würde, um diesen verdammten Stall zu öffnen Der Suchtrupp fuhr zweieinhalb Stunden ziellos in der Gegend umher und schließlich fand die Gruppe um Scott die drei Zirkuswägen als Erste. Sie standen in einiger Entfernung, ein wenig verborgen in einer kleinen Senke hinter mehreren Felsen. Zwei der Wägen sahen aus, als handele es sich um Tierkäfige, welche unter bunten Planen verborgen waren. Ein dritter diente offenbar als Behausung für die Menschen. Alle drei Wägen waren miteinander verbunden und die Zugmaschine war, wie Scott schon vermutet hatte, ein großer Traktor. Außerdem hatte die Bande einen alten, klapprigen Mercedes dabei. Stiles versuchte sogleich, aus dem Auto zu springen. Er wollte ohne Umschweife zu Dereks Rettung eilen; ohne Plan, ohne Rückendeckung, einfach nur mit einer ungesunden Portion Todesverachtung und der erstickenden Angst um seinen Geliebten, doch Loba hielt ihn fest, ängstlich schreiend und mit ausgefahrenen Krallen und nun ging Malia dazwischen: „Was soll das werden, Trottel!“ schimpfte sie: „Du machst ihr Angst! Wir gehen alle, oder keiner von uns!“ Auch Scott stieg nun aus dem Wagen, legte beruhigend einen Arm um den besten Freund und hielt in der anderen Hand sein Handy, um das Rudel hierher zu bestellen. Stiles knete seine Hände vor der Brust und lief unruhig auf und ab, während sie auf das Eintreffen der Anderen warteten. Ihm war, als müsse er aus der Haut fahren. Loba dagegen versteckte sich im Fußraum des Autos; zweifelsohne, damit ihre früheren Gefängniswärter sie nicht fänden und Malia war bei ihr, um ihr den Kopf zu kraulen und zu versichern, dass alles gut werden werden würde. Der Camaro und das Auto von Lydia kamen beinahe im gleichen Augenblick an, als ein Schuss ertönte, der von den Zirkuswägen herüber hallte und nun gab es für Stiles wirklich kein Halten mehr. Er rannte los, so schnell er es vermochte. Er kam gerade rechtzeitig, um Derek nach einem weiteren Schuss fallen zu sehen. Er hatte keine Ahnung, was sich hinter ihm abspielte und ob die Anderen ihm gefolgt waren. Ihm war auch gleichgültig, was mit ihm selbst passierte und ob man auch ihn erschießen würde. Er wollte so oder so einfach nur bei Derek sein! Er stürzte auf ihn zu, ging vor ihm in die Knie und warf seinen Körper schützend über seinen Liebhaber, ganz so, als könne er so die Schüsse, die bereits gefallen waren jetzt noch auf sich selbst nehmen. Vage bekam Stiles mit, dass um ihn herum plötzlich ein ziemlicher Tumult entstanden war, doch er kümmerte sich nicht darum. Es war, als hätte sich um ihn und Derek eine schützende Blase gebildet; ihr eigener, kleiner Kosmos, in welchem nur sie beide existierten. Stiles blickte seinem Geliebten in Gesicht, doch dieses wirkte blass und abwesend: „Bist du schwer verletzt? Kannst du sprechen?“ fragte er erstickt. Dereks Mund öffnete sich doch es kam kein Ton. Stattdessen riss er die großen, grünen Augen ängstlich noch ein wenig weiter auf. Stiles begann nun damit, Dereks Körper zu untersuchen. Doch wo waren die Einschusslöcher? Wo war das Blut? Stattdessen fand Stiles zwei silberne, kleine Metallpfeile, einen in Dereks Hüfte und einen in der Schulter. Ein Betäubungsgewehr? Er zog die Pfeile aus dem Fleisch des Werwolfs und begann ein wenig hysterisch zu lachen: „Alles gut mein Engel. Du wirst wieder, hörst du?“ murmelte er dankbar. Er zeigte seinem benommenen Freund, was ihn außer Gefecht gesetzt hatte, hob dessen Oberkörper hoch und bettete ihn auf seine Knie: „Ich liebe dich!“ flüsterte er: „Jag´ mir nie wieder so einen Schrecken ein, Mann!“ Und endlich war Stiles wieder in der Lage, wahrzunehmen was sich in seinem Umfeld abspielte: Sie waren alle da, das ganze Rudel und mittlerweile auch sein Dad, der zwei unappetitlichen Kerlen, offensichtlich Zwillinge, die Handschellen anlegte! Malia, Liam, Mason, Kira, Danny, Lydia und Scott standen um die drei herum und gaben dem Sheriff Deckung. Loba und Peter konnte Stiles zunächst nicht entdecken, doch als er sich ein wenig umwandte, sah er sie mit einem Mal in einiger Entfernung. Sie machten Jagd auf eine junge Frau mit langen, blonden Haaren. Schließlich hatte Peter das Mädchen erwischt und hielt sie fest, bis Loba die beiden erreicht hatte. Sie hatte sich vollständig verwandelt und ihr Gesicht war verzerrt von Hass. Stiles sah es mit Entsetzen: „Ich bin gleich wieder bei dir!“ Versprach er Derek und rannte hastig auf Loba zu, die soeben im Begriff war, auf die junge Fremde loszugehen. „Na komm´ schon, Kleine! Nimm´ Rache! Du wirst sehen, wie gut das tut!“ feuerte Peter die kleine Werwölfin an: „Loba! Nicht!“ schrie Stiles: „Komm´ zu mir! Komm´ zu Daddy, Spätzchen!“ Widerwillig hielt das Mädchen in ihrem Tun inne und drehte sich zu Stiles um. Dieser nickte ihr aufmunternd zu und öffnete seine Arme für sie. Peter schnaubte genervt. Loba schien immer noch ausschließlich aus Klauen, scharfen Zähnen und glühenden Augen zu bestehen, als sie langsam auf Stiles zutrat und sich von ihm in die Arme schließen ließ. Er wich dennoch nicht zurück; dafür hatte er sich schon viel zu oft mit Raubtieren umgeben: „Ist gut, mein Mädchen! Alles wird gut!“ flüsterte er und streichelte Lobas Kopf sacht: „Jetzt werden SIE in Käfigen leben und DU wirst frei sein. Und du wirst bei mir sein!“ Ein Beben ging durch den Körper des Mädchens und es bildeten sich nasse Flecken auf Stiles T-Shirt. Loba weinte. Zum ersten Mal, seit er sie kannte! Stiles hob sie hoch, wie ein Baby und bedeckte ihr Gesicht mit kleinen Küssen: „Shh, mein Schatz!“ flüsterte er in ihr Ohr: „Sei ganz ruhig!“ Er wiegte sie eine Weile hin und her. Schließlich setzte er sie wieder ab, drückte ihr noch einmal einen dicken Kuss auf die Stirn, ehe er sich der blonden Frau zuwendete, die immer noch in Peters Griff zappelte: „Danke, Kleiner! Du hast mir das Leben gerettet!“ sagte diese nun schnurrend: „Kannst du mir das andere Monster hier nun vielleicht auch noch vom Hals schaffen?“Sie deutete mit dem Kopf auf Peter und versprach: „Ich würde mich auch erkenntlich zeigen!“ Stiles schüttelte sich innerlich. Da war etwas wahnsinnig Böses, Gewissenloses an diesem hübschen, jungen Mädchen. Irgendwie wusste er, wie man eben manchmal Dinge wusste, ohne dafür wirkliche Anhaltspunkte zu haben, dass sie das kriminelle Genie hinter all´ der Grausamkeit war, die Loba hatte erdulden müssen. Und da überkam es ihn einfach: „Träum´weiter, Süße!“ sagte er kaltlächelnd. Er ballte seine Rechte und schlug ihr geradewegs ins Gesicht. Peter zog überrascht und belustigt die Augenbrauen hoch. Der Sheriff hatte mittlerweile die Menschen in dem zweiten Käfig entdeckt und befreit. Der nackten Intersexuellen, die vor Erleichterung heftig schluchzte und von der bärtigen Frau getröstet wurde, hatte er seine Jacke geliehen. Er gab Anweisung, dass jemand aus dem Wohnwagen eine Decke besorgen sollte, um den Mann dem sämtliche Gliedmaßen fehlten darauf zu betten und nahm nun das verstörte Kleinkind mit dem krankhaft vergrößerten Kopf auf dem Arm. Er reichte ihm einen Lutscher, welche er immer in seiner Tasche hatte, für Fälle wie diesen, wo er es mit verstörten, traumatisierten Kindern zu tun hatte. Ein Blick in das Gesicht seines Dads zeigte Stiles genau dessen Gefühlslage auf: Entsetzen, Zorn, Traurigkeit! Trotz der Schrecken, die sein Vater in seinem Beruf tagtäglich sah, hatte er es geschafft, berührbar zu bleiben und sich emotional nicht zu verschließen. Stiles sah es und liebte seinen Dad dafür sogar noch ein kleines bisschen mehr. Endlich tauchte auch die mexikanische Polizei auf, die der Sheriff verständigt hatte und da die Beamten nur geringe Englischkenntnisse hatten und das spanisch des Sheriffs ein wenig eingerostet war, betätigte sich Lydia als Dolmetscherin. Stiles nahm Loba bei der Hand und kehrte zu Derek zurück, der immer noch bewegungsunfähig am Boden lag. Loba blickte verstört zu Stiles auf, doch der versicherte: „Keine Sorge, Engelchen! Derek geht es bald wieder gut!“ Das Mädchen schien da ihre Zweifel zu haben. Sie begab sich zu dem Werwolf an den Boden, legte den Kopf auf seine Brust und gab gurrende Laute von sich, die beinahe wie Gesang klangen. In diesem Moment trat Peter auf die drei zu und wollte von Stiles wissen: „Was hältst du davon, wenn wir jetzt meinen Neffen zurück nach Beacon Hills bringen? Es scheint, als hätten dein Vater und die Anderen hier alles prima im Griff. Und ich glaube, auch euer Mädchen könnte eine Pause gebrauchen!“ Stiles nickte. Sie verabschiedeten sich von allen und dann hievten sie Derek hoch und schleppten ihn gemeinsam hinüber zum Camaro. Loba folgte ihnen dichtauf. Auf dem Weg zum Wagen wollte Peter wissen: „Warum hast du Loba nicht erlaubt, sich diese kleine Bitch vorzuknöpfen? Wie soll sie je mit dem abschließen, was ihr hier angetan wurde, wenn du ihr nicht erlaubst, Rache zu nehmen?“ „DAS IST IMMER DEINE LÖSUNG FÜR ALLES, WAS PETER?“ grollte Stiles: „Gewalt! Auge um Auge! Aber Loba ist nicht wie du. Sie ist kein Monster!“ Peters Kopf schwenkte abrupt zu Stiles herum, als er dies sagte, doch der Jüngere fuhr unbeirrt fort: „Loba hätte dieses Mädchen in Stücke gerissen, wenn ich sie nicht aufgehalten hätte und irgendwann wäre ihr ihre Tat bewusst geworden. Sie hat bereits genug, womit sie fertig werden muss. Sie soll nicht auch noch die Schuld an einem Mord mit sich herumtragen müssen. Ich will, dass sie einen friedfertigeren Weg lernt!“ Peter schüttelte den Kopf und spottete: „Na, da haben du und deine Faust ja ganze Arbeit geleistet, ihr das vorzuleben, Dr. M.L.King!“ Stiles gab ein kleines Lachen von sich: „Ist das nicht das Privileg von Eltern; dass sie das eine predigen und das Gegenteil tun dürfen? Außerdem wollte ich, dass Loba sieht, dass ich für sie kämpfe!“ Am Wagen angekommen, wurde Derek auf dem Rücksitz platziert und Stiles und Loba quetschten sich neben ihn. Peter nahm auf dem Fahrersitz Platz. Stiles saß in der Mitte. Loba lehnte sich erschöpft an ihn und war binnen kurzem eingeschlafen. Stiles konnte sich nicht einmal vorstellen, welchen emotionalen Stress diese heutige Erfahrung bei ihr ausgelöst haben musste, aber vielleicht würde es ihr auf längere Sicht auch dabei helfen, die traumatisierende Vergangenheit ein Stück weit hinter sich zu lassen; zu erkennen, dass man sich wehren konnte, dass es ein Rudel und Ersatzeltern gab, die für sie einstanden; vielleicht würde es ihr helfen zu begreifen, dass sie nun nie wieder an diesen furchtbaren Ort zurückkehren musste und ihre Folterknechte für das bestraft werden würden, was sie ihr angetan hatten. Stiles hauchte dem Mädchen einen zarten Kuss auf die Stirn. Derek hing immer noch ziemlich durch, doch das änderte sich nach einer Weile. Und je munterer er jedoch wurde, umso eigenartiger begann er sich auch zu benehmen. Zum Beispiel schnellte er einmal urplötzlich vor und zischte Peter in den Nacken, so dass dieser vor Schreck beinahe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hätte: „Ruhe! Das Jodeln ist hier verboten!“ Dabei lallte er wie ein Betrunkener. Dann betrachtete er geschlagene zehn Minuten lang seine Hand, als habe er sie noch nie gesehen und kommentierte schließlich: „Toll! Das ist soo toll!“ „Alles O.K., Baby?“ wollte Stiles schließlich wissen. Und scheinbar wurde sich Derek überhaupt erst an diesem Punkt seines Sitznachbarn bewusst: „Du riechst gut!“ Stellte er nuschelnd fest und begann nun, Stiles enorm auf die Pelle zu rücken, wobei er angeregt schnupperte: „Du bist verdammt sexy!“ raunte Derek heiser in Stiles Halsbeuge und seine Wolfsaugen flackerten auf: „Danke?“ erwiderte Stiles, doch es klang wie eine Frage. Dann sagte er: „Hey!“ Und noch einmal lauter: „HEY! WAS MACHST DU?“ als Derek seine Hände unter Stiles T-Shirt schob: „Wir sind hier nicht allein! Da ist Loba!“ Stiles deutete auf das schlafende Kind: „Und außerdem ist da noch Peter!“ „Wer is´n Peter?“ fragte Derek, als er ungeschickt versuchtem sich aus seinem Gurt herauszuwurschteln. Wie man diesen öffnete, hatte er scheinbar momentan vergessen. „Verdammt Stiles! Hol´ dein Handy raus und mach´ einen Film davon! Das ist ja zum Schreien komisch!“ befand Peter: „Das können wir ihm immer wieder vorführen und ihn bis an sein Lebensende damit quälen, oder es auf Youtube einstellen, oder...“ Stiles schüttelte energisch den Kopf: „Halt die Klappe, Peter! Wir werden nichts dergleichen tun!“ grollte er und zog Dereks freche Finger wieder unter seinem T-Shirt hervor, hielt seine Hände fest in den seinen und sagte: „Hör zu, mein Liebling! Das sind bloß die Betäubungspfeile, die eine komische Wirkung auf dich haben. Du musst dich jetzt wieder beruhigen, in Ordnung? Schlaf ein bisschen! Wenn du wieder aufwachst, geht es dir bestimmt wieder besser.“ Scheinbar fiel es Derek schwer, Stiles Worten zu folgen, weil etwas anderes nun seine Aufmerksamkeit auf sich zog: „Kühe!“ rief er begeistert, zeigte mit dem Finger aus dem Fenster und forderte dann: „ANHALTEN! Ich will jetzt eine Kuh umschubsen!“ Peter brach in schallendes Gelächter aus: „Ich muss unbedingt herausfinden, was in dem Betäubungsgewehr für Munition war. Das hier ist so wahnsinnig witzig! So gefällt mir mein Neffe!“ „Das ist überhaupt nicht witzig!“ erklärte Stiles und versuchte ein weiteres Mal, Derek zu beruhigen, zog dessen Kopf an seine Brust, kraulte ihm die Haare und streichelte ihm besänftigend das Gesicht. Derek versuchte noch zwei, drei Mal, Stiles den Zeigefinger in Nase und Ohren zu stecken, doch nach und nach wurde er tatsächlich ein wenig ruhiger und schlief schließlich an Stiles geschmiegt ein. Auf diese Weise von beiden Seiten von je einem schlafenden Werwolf gewärmt wurde Stiles selbst ein wenig schläfrig. Er wurde von Peters Stimme wieder wach, der munter verkündete: „So Kinderchen! Alles aussteigen! Wir sind zuhause!“ Auch Derek und Loba öffneten nun die Augen und blinzelten verschlafen. „Gott, mein Schädel!“ stöhnte Derek nun. Dann wurde er bleich und riss die Augen entsetzt auf: „Oh, Mann! Entweder hatte ich einen echt schrägen Traum, oder...“ Er blickte verlegen zu Stiles hinüber: „Kann es sein, dass ich mich vorhin sehr eigenartig benommen habe?“ Stiles küsste ihn: „Vergiss´ es! Du warst nicht du selbst!“ versuchte er ihn zu beruhigen, doch Peter spottete: „Es war großartig, Neffe. Die Show war wirklich ihr Geld wert! Ich habe mich fast nassgemacht vor Lachen!“ Derek knurrte und Stiles befahl: „Verschwinde nachhause, wo absolut NIEMAND auf dich wartet und dann frag´ dich mal, warum das so ist! Für uns drei gibt es jetzt nämlich Familienzeit. Ohne dich!“ Mit diesen Worten schnappte er sich Loba und stieg aus dem Wagen. Derek folgte den beiden und oben in seinem Appartment murmelte er Verlegen: „Himmel Stiles, ich schäme mich so sehr dafür, dass du mich so gesehen hast!“ Stiles blickte ihn zärtlich mit einem kleinen Kopfschütteln an und erwiderte sanft, aber bestimmt: „Ich möchte, dass das Eine ein für alle Mal klar ist, Mann: Nichts was du tust, nichts was du sagst und nichts was du bist muss dir jemals vor mir peinlich sein, O.K.? Ich liebe dich nämlich!“ Dann forderte er: „Und jetzt geh´ duschen. Ich mache uns inzwischen etwas zu essen. Später im Bett, Loba lag zwischen ihnen, je eine kleine Hand in die T-Shirts ihrer beiden Stiefväter gekrallt, als wollte sie sicher gehen, dass sie ihr nicht entwischten, sagte Derek leise: „Ich konnte es riechen, Stiles; all` die Angst, die Einsamkeit, die Verzweiflung, die Ohnmacht, die unser Mädchen über so viele Jahre ertragen musste. Es war, als wäre es auf ewig in diese Wände eingebrannt. Du ahnst nicht, was sie ertragen musste. So etwas darf ihr nie wieder passieren! Wir werden gut Acht auf sie geben, richtig? Wir werden sie beschützen?“ Stiles Augen waren feucht geworden. Er rückte ein Stück näher an Derek heran und legte einen weichen Kuss auf dessen Lippen: „Danke!“ war seine einzige Antwort. Die beiden Männer legten die Arme umeinander und damit auch um das Mädchen zwischen ihnen. Und Loba lächelte im Schlaf! Kapitel 27: Family Business --------------------------- Vorwort: Entschuldigt! Dieses Kapitel ist endlos lang und auch ein bisschen gefühlsduselig geworden. Hoffentlich macht es euch trotzdem ein bisschen Freude. Und wer ist mein Held oder meine Heldin und findet das wunderbare Serienzitat, dass ich hier versteckt habe? ;-) Liebe Grüße, Ginger ____________________________________________________ „Was, wenn sie mich zur Ballkönigin nominieren und mir dann bei der Krönung einen Eimer Schweineblut über den Kopf gießen?“ murmelte Stiles in Dereks Achselhöhle. Loba war heute bei Peter, um mit ihm Großonkel-Qualitätszeit zu verbringen; erst große Mengen Fast-Food und dann ein Animationsfilm. Stiles hatte geglaubt, er höre nicht richtig, als Dereks Onkel das vorgeschlagen hatte. Das war auch der Grund, aus welchem Derek und Stiles an einem ganz gewöhnlichen Mittwochabend Zeit für süße, ungezogene Exzesse gehabt hatten und nun lagen sie postorgasmisch beieinander. Derek bemühte sich, Stiles zu folgen und erwiderte verwirrt: „Ballkönigin? Du bist ein Kerl, Süßer! Ich habe mich gerade erst wieder Höchstselbst davon überzeugen können: „Weiß ich selbst!“ grummelte Stiles: „Aber was, wenn du und ich auf diesem Ball auftauchen und dann endgültig alle mitkriegen, dass wir...ich meine dass ich...also was ich bin! Was wenn sie mich dann zur Ballkönigin nominieren, um mich zu verspotten? Und was, wenn ich dann, um Größe zu zeigen so tue, als mache es mir gar nichts aus? Und was, wenn ich dann für die Krönung auf diese Bühne steige, um schließlich von oben eine Dusche aus Schweineblut zu erhalten?“ „Ernsthaft, Stiles? Darüber denkst du jetzt nach?“knurrte Derek beleidigt: „Ich meine, wir haben doch gerade...also, das war doch schön, oder nicht? Und nun denkst an SCHWEINEBLUT?“ „Nein, ich denke an den Abschlussball und wie es da wohl wird. Und dann musste ich an diesen Film denken!“ rechtfertigte sich Stiles: „Diesen Horrorfilmklassiker `Carrie´.“ Derek holte erst mal tief Luft und betete still um Geduld und Einsicht in die Psyche eines Achtzehnjährigen, der an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt stand; dem bevorstehenden Schulabschluss, damit verbunden dem Abschied von einigen seiner Freunde und natürlich nicht zuletzt die unerwartete Elternschaft. Er setzte sich also im Bett auf, versuchte sich an so etwas wie einem Lächeln, verwarf die Idee jedoch wieder, blickte dann auf Stiles hinab und erwiderte ruhig: „Dein Abschlussball ist doch erst in einigen Wochen? Warum regst du dich jetzt schon auf?Aber wenn du nicht da hinwillst, gehen wir eben nicht. Und wenn du dich wegen uns beiden schämst und lieber allein mit deinen Freunden gehen willst, oder mit eine Mädchen, dann tust du das, in Ordnung Süßer?“ „Ich...waa…?“ stammelte Stiles: „Du denkst, ICH würde mich wegen DIR schämen! Bist du irre? Ich wache morgens auf, blicke zu dir herüber und denke `Verdammt! Das ist ja Derek Hale, der da bei mir liegt! Und er gibt sich mit MIR ab?´ Wie könnte ich mich für DICH schämen? Im Gegenteil; ich bin wahnsinnig stolz, dein Freund zu sein. Und glücklich! Ich bin glücklich und stolz!“ Derek schüttelte schmunzelnd den Kopf: „Ich bin auch glücklich und stolz, dein Liebhaber zu sein!“ Stiles blickte ihn an; skeptisch, misstrauisch, so, als habe er sich verhört. Vorsorglich schaute er nochmal hinter sich, um sich zu vergewissern, ob da nicht noch jemand anders läge, mit dem Derek gesprochen haben könnte, was diesem ein nachsichtiges Lachen entlockte: „Ja, ich rede mit dir, du kleiner Spinner!“ Derek, brachte sich über Stiles und raunte: „Ich bin verrückt nach dir! Weißt du das denn immer noch nicht?“ Stiles machte Kulleraugen und schüttelte den Kopf. „Willst du, dass ich es dir noch einmal beweise?“ Ein freches kleines Grinsen kräuselte Stiles Lippen. Er nickte! Es fühlte sich eigenartig an, wie Lobas kleine, knochige Hand so vertrauensvoll in der von Peter lag. Er blickte hinab auf das Mädchen und schaute sich dann ein wenig nervös nach den Leuten im Einkaufszentrum um, wo sich das Kino befand. Irgendwie hatte Peter die wahnwitzige Idee, irgendwer könnte ihn jede Minute fragen, was er denn mit dem Kind vorhabe und ob er wohl einer von diesen ein kranken Mistkerlen sei, die kleine Mädchen entführten, doch niemand achtete auch nur im Geringsten auf die beiden und Loba wirkte völlig entspannt. Oder zumindest so entspannt, wie es dem traumatisierten, kleinen Mädchen eben möglich war: „Hungrig!“ verkündete sie nun. Peter nickte: „Ich weiß, kleine Maus! Wir gehen jetzt los und füllen dein Bäuchlein mit Burgern und Pommes! Was hältst du davon?“ Loba legte den Kopf schief, denn sie hatte offensichtlich keine Ahnung, wovon Peter sprach, doch diese Wissenslücke würde sich nun schließen. Sie betraten die Filiale einer großen Burgerkette und als Peter an der Reihe war, dachte er kurze Zeit über eine Juniortüte für seine Begleiterin nach, doch dann betrachtete er das magere, kleine Ding genauer und bestimmte: „Fünf Hamburger, fünf Cheeseburger, zweimal große Pommes und Cola bitte.“ Es sollte sich schnell zeigen, dass diese Bestellung keineswegs übertrieben war. Im Gegenteil! Peter musste sich sogar ein bisschen ranhalten, um überhaupt etwas abzubekommen. Das Mädchen schien die Mahlzeit geradezu einzuatmen und ihre Augen leuchtete beim Essen, also spendierte Peter auch noch ein Eis hinterher. Im Kino erhielt Loba dann sogar noch eine Badewanne voll Popcorn. Butter, Zucker und Mais verströmten einen verführerischen Duft und Loba schnupperte begeistert. Dann sah es mit einem Mal aus, als wolle sie regelrecht in das gepuffte Getreide hinein krabbeln und Peter musste lachen: „Na komm´ Süße! Das Beste kommt erst noch.“ Versprach er. Sie betraten den Kinosaal und suchten sich gute Plätze. Es ging in dem Film offenbar um einen Fisch mit Alzheimer, auch wenn Peter von der Handlung selbst nicht viel mitbekam. Das war jedoch auch nicht weiter schlimm, denn das eigentlich Sehenswerte spielte sich ohnehin auf dem Sitz neben ihm ab. Loba gluckste vor Vergnügen, rupfte zwischendurch aufgeregt an Peters T-Shirt, wenn sie etwas besonders begeisterte und rief immer wieder Peters Namen, um sicherzugehen, dass dieser auch ja mitbekam, wie großartig das Ganze war: „Ja, ich weiß Prinzessin!“ bestätigte er dann jedes Mal. Peter betrachtete das Mädchen neben sich nachdenklich und fragte sich, wie es möglich war, dass ein Kind mit ihrer Geschichte ein derart freundliches, friedfertiges Wesen besitzen konnte. Eigentlich sollte sie doch mit einer Stinkwut herumlaufen und den Wunsch verspüren, jedes lebende Wesen in Fetzen zu reißen. So wie es ihm zuzeiten in seinem Leben ergangen war. So wie er sich heute noch manchmal fühlte. Er legte unbeholfen den Arm um die Kleine. Vielleicht in der Hoffnung, dass etwas von dem, was sie war auch auf ihn abfärben möge? Als der Film vorüber und der Zentner Popcorn verputzt waren, wollte Peter von Loba wissen: „Hungrig!“ Und er war beinahe überrascht, dass Loba den Kopf schüttelte. Die kleine Raupe Nimmersatt war also endlich einmal vollständig zufrieden. „Müde?“ Wollte er also von dem Mädchen wissen. Loba nickte und rieb zur Bestätigung ihr Gesicht an Peters Seite, welchen die unerwartete Annäherung in Schockstarre verfallen ließ. Er hatte diese ganze Daddy-Sache wirklich noch nicht ganz raus. Bei Malia hatte er nicht die Gelegenheit dazu gehabt und nun hatten Stiles und Derek ihm tatsächlich heute dieses zarte, zerbrechlich kleine Ding als Übungsobjekt überlassen. Was, wenn er etwas falsch machte? Was, wenn er ihr wehtat? Peter seufzte, nahm Lobas Hand in seine und sie kehrten zum Auto zurück, wo er sich dreimal versicherte, dass ihr Gurt auch wirklich fest war. Zurück im Loft richtete Peter für Loba das Sofa her. Er hatte einen riesigen, albernen, rosafarbenen Teddybären besorgt, von dem er Derek und Stiles natürlich nichts erzählen würde, von dem er sich aber erhoffte, dass er Loba dabei helfen würde, sich in seinem zugigen, für Kinder absolut ungeeigneten Zuhause ein wenig behaglich zu fühlen. Das Mädchen strahlte, als sie das Ungetüm erblickte und schmiegte sich an den weichen Plüsch. Peter war gerade dabei wegzudämmern, als er das Patschen nackter Füßchen auf Steinfußboden hörte, welches am Fußende seines Bettes endete. Als er sich erhob, sah er dort Loba abwartend stehen; das Kuscheltier im Gebäck. Peter seufzte. Dann hob er sein Decke an und Loba kroch zu ihm, schmiegte sich in seine Armbeuge und legte ihm einen Arm um die breite Brust. Das letzte Mal, dass Peter so mit einem Kind gekuschelt hatte, war vor sehr langer Zeit gewesen. Damals, als es noch ein großes, gemütliches Haus voll mit Familie gegeben hatte, mit Nichten, Neffen, Geschwistern, Cousins und Cousinen. Plötzlich hatte Peter das Bedürfnis, Loba ganz fest zu halten, nur um sicher zu gehen. Er fragte sich kurz, wie es seinem Neffen wohl ging, seitdem die Kleine bei ihm war, denn schließlich war auch er Überlebender. „Denkst du etwa immer noch über den verflixten Abschlussball nach?“ knurrte Derek ärgerlich in die Dunkelheit hinein, nachdem er Stiles eine halbe Stunde lang dabei zugehört hatte, wie dieser sich schlaflos von einer Seite auf die andere geworfen hatte: „Entschuldige!“ murmelte Stiles zerknirscht: „Ich dachte, du schläfst schon. Ich wollte dich nicht wach halten.“ Derek seufzte. Er hatte natürlich mittlerweile mitbekommen, dass ein gesunder Nachtschlaf für seinen Freund leider keine Selbstverständlichkeit war. Er knipste die Nachttischlampe an, zog Stiles zu sich heran und fragte, diesmal sanfter: „Was geht da wieder in deinem Kopf vor, hmm? Wieso schläfst du denn nicht, Süßer?“ Stiles schluckte: „Ich habe Angst vor dem Termin übermorgen! Was, wenn sie uns Loba wegnehmen?“ „Das sollen sie ruhig versuchen. Dann jage ich ihnen eine ganze Armee von Anwälten auf den Hals!“ erklärte Derek entschlossen und fügte hinzu: „Aber ich glaube daran, dass alles gut gehen wird, Stiles. Die Leute von den Social-Services werden sehen, dass Loba es gut bei uns hat und dann lassen sie sie hier bleiben; ganz offiziell und mit staatlicher Zustimmung! Dann sind wir eine von diesen Regenbogenfamilien aus den Talkshows und leben glücklich bis an Ende unserer Tage. Oder zumindest, bis unser Mädchen in die Pubertät kommt, uns an allem die Schuld gibt und uns hasst.“ Stiles Mund stand eine Weile offen. Entdeckte Derek da gerade ihm zuliebe die Kunst des positiven Denkens? Was war das hier? Eine Alternative Realität etwa, in der die Flüsse aufwärts flossen und Grummelwölfe plötzlich anfingen, ausgelassen singend über Blumenwiesen zu hoppeln? Stiles küsste seinen Freund und grinste: „O.K., wir kriegen also unser Happy End, richtig? Dann brauchen wir aber einen Plan!“ Und dann fing Stiles an, zu beschreiben, was ihm vorschwebte. Am nächsten Tag stürzte sich Stiles nach der Schule mit Derek gemeinsam in die Vorbereitungen. Erst gingen sie zusammen mit Loba einkaufen. Zwar gab es in Dereks Apartment mittlerweile ein improvisiertes Kinderzimmer; ein Bett, einen Kleiderschrank, ein Regal für ihre Spielsachen und ein Nachttischchen, doch Stiles befand, dass dem Raum `Wärme´ fehlen würde, was immer das heißen mochte. Und nun stand Stiles im Baumarkt und betrachtete mit versonnenem Blick Wandtattoos, bis Derek mit zweifelnd zusammengezogenen Augenbrauen fragte: „Im Ernst Mann? Feen, Einhörner und Prinzessinnen? Das ist ja zum Fürchten!“ Doch dann schaute Stiles ihn auf diese spezielle Art an; unschuldig, von unten her, wie Bambi, wenn sie in die Gewehrläufe der Jäger blickte.“ Derek gab ein kleines resigniertes Knurren von sich: „Du weißt, dass das nicht fair ist Kleiner, oder? Dass ich zu allem `Ja´ sagen würde, wenn du so guckst?“ Stiles grinste, entschuldigte sich mit einem Kuss und legte die rosafarbene Abscheulichkeit Loba zur Beurteilung vor. Ihr Strahlen gab schließlich den Ausschlag und die visuelle Beleidigung wurde im Einkaufswagen verstaut, zusammen mit ein paar Bildern, die ebenfalls dazu angetan waren, die Wände von Lobas Zimmer freundlicher zu gestalten. Dann bestand Stiles darauf, dass Loba einen Schreibtisch brauchen würde. Derek blickte ihn fragend an: „Na ja, irgendwann wird sie in die Schule kommen!“ erklärte Stiles. Derek runzelte die Stirn: „Baby, sie kann noch nicht einmal richtig sprechen und du denkst schon über Hausaufgaben nach?“ Stiles nickte eifrig: „Das wird kommen!“ versicherte er: „Früher, als du denkst! Sie ist intelligent. Ich werde sie unterrichten!“ Er legte einen Arm um Loba und sagte zu ihr: „Stimmt´s nicht, Spätzchen? Wir schaffen das, oder?“ Loba, die natürlich keine Ahnung hatte, wovon die Rede war, fand es dennoch schön, dass Stiles mit ihr kuschelte, schlang die Arme ihrerseits um ihn und versicherte: „Ja Daddy!“ „Hörst du?“ rief Stiles begeistert: „Unsere Tochter ist meiner Meinung.“ Und so wurde auch noch ein Schreibtisch mit allem Zubehör angeschafft. Zuhause machten sich die drei zunächst an die Einrichtungsarbeiten im Kinderzimmer, doch damit war für Stiles die Arbeit noch lange nicht getan. Im Anschluß begann er, Dereks Apartment zu putzen und spannte hierfür auch eine erstaunte Loba und einen unwilligen Derek ein. Letzterer betrachtete griesgrämig den Stubsauger, der ihm an die Hand gegeben wurde und kommentierte: „Ich habe geglaubt, du wüsstest gar nicht, wozu dieses Ding gut ist. Wozu habe ich eine Reinigungskraft, hmm? Bei mir ist es doch immer sauber!“ Stiles antwortete ihm nicht, hatte ihm höchstwahrscheinlich nicht einmal zugehört und war längst mit etwas anderem beschäftigt, nämlich damit, saubere Fenster zu putzen. Zwei Stunden lang putzte, wienerte und schrubbte Stiles alles, was er erreichen konnte und Derek half ihm artig, doch als sein Freund dann auch noch anfing, Möbel abzurücken, um auch darunter sauber zu machen, trat Derek offen in einen Streik: „Also wirklich Stiles! Diese Jugendamtleute werden nicht den Kühlschrank abziehen, um zu sehen ob darunter Krümel liegen. Du musst dich jetzt bitte endlich wieder entspannen, in Ordnung?“ Als Stiles von seiner Arbeit aufschaute, konnte Derek die Panikattacke in seinem Blick erkennen, die gerade anrollte: „Shht!“ machte Derek und zog ihn in seine Arme: „Alles wird gut werden! Diese Leute sollen froh sein, dass es Leute wie uns gibt, die Loba liebhaben und sie aufnehmen wollen. Bitte Stiles, hab´ein bisschen Vertrauen!“ Stiles war klar, dass etwas grundlegend falsch lief, wenn ausgerechnet Derek Hale ihm Vertrauen predigte! Nun stieß auch noch Loba zu ihnen und blickte Stiles sorgenvoll an. Es war also höchste Zeit, sich ein wenig zusammenzureißen: „Ist schon wieder gut, mein Schatz!“ versicherte er: „Es wird Zeit, dass du ins Bettchen kommst!“ Sie gingen also gemeinsam zum Zähne putzen ins Bad und das klappte mittlerweile auch schon recht gut. Stiles hatte es geschafft, dass das Mädchen sich nun nicht mehr jedes Mal in einen bösen, kleinen Werwolf verwandelte, während sie das taten. Sie biss nicht mehr auf der Zahnbürste herum, oder leckte die Kinderzahnpasta mit Erdbeergeschmack herunter, sondern hielt einfach still und ließ Stiles machen. Später zog Stiles Loba seinen alten Star-Wars-Pyjama über, der mittlerweile in den Besitz seiner Ziehtochter übergegangen war und dann legten sich Derek und er für einen Moment mit ihr ins Bett. Sie lasen ihr aus einem Bilderbuch vor und blieben bei ihr und kraulten sie, bis sie eingeschlafen war. Auf diese Weise zu Bett gebracht, klappte es in manchen Nächten sogar, dass sie bis zum Morgen hier blieb und nicht irgendwann im Laufe der Nacht zu Stiles und Derek gekrochen kam. Dennoch machte Derek sich auf eine weitere schlaflose Nacht gefasst, denn natürlich war ihm klar, dass Stiles noch immer nervös war beim Gedanken an den morgigen Tag: „Vielleicht sollte ich das College sausen lassen und mir lieber gleich einen Job suchen.“ murmelte er tatsächlich irgendwann in die Dunkelheit hinein: „WAS?“ fragte Derek entsetzt: „Wie kommst du denn auf diesen absolut blödsinnigen Gedanken?“ „Na ja, ich sollte Geld verdienen.“ gab Stiles zurück: „Immer kaufst du alles für Loba. Das ist nicht fair! Ich sollte etwas beisteuern!“ „Du spinnst doch! Du kannst anfangen, Rechnungen zu bezahlen, wenn du erst einmal Arzt oder Anwalt bist. Ich werde bestimmt nicht zulassen, dass du in irgendeiner Burgerbude für einen Hungerlohn arbeitest! Du tust so vieles für Loba, was ich ich nicht kann. Du verstehst, was sie braucht. Alles was sie bis jetzt bereits gelernt hat, kann sie nur wegen dir. Ohne dich wäre ich mit ihr völlig aufgeschmissen. Was macht es da schon, wenn ich die Rechnungen bezahle?“ „Aber du wolltest sie doch erst gar nicht haben. Ich habe dich ja quasi in diese ganze Sache hineingedrängt.“ gab Stiles zurück: „Und damit ist Loba ja wohl auch allein meine Verantwortung.“ „Ich war ein Idiot und ich habe mich geirrt, O.K!“ erwiderte Derek aufrichtig: „Loba gehört zu uns und mittlerweile habe ich die kleine Maus genauso lieb wie du, Stiles. Darum wird sie auch bei uns bleiben! Und das ist genau das, was wir den Social-Services-Leuten klarmachen müssen.“ Etwa eine Stunde später, Derek hatte eigentlich schon die Hoffnung gehabt, Stiles sei nun endlich eingeschlafen, ließ dieser ihn zusammenzucken, indem er völlig unvermittelt feststellte: „Wir müssen das Zeug aus dem Nachtisch wegschließen!“ Derek seufzte und zählte innerlich langsam bis zehn: „Welches Problem sollte das Jungendamt mit Kondomen und Gleitgel haben?“ „WIR HABEN EIN KIND IM HAUS!“ erwiderte Stiles heftig: „Das haben andere Eltern auch.“ erwiderte Derek mit einem kleinen Lächeln: „Und falls dein Dad das bei deiner Sexualerziehung vergessen haben sollte zu erwähnen: Die Tatsache, dass sie Sex haben ist bei vielen Leuten sogar schuld daran, dass sie überhaupt Eltern geworden sind! Das ist kein Verbrechen, weißt du?“ „Ich will diesen Leuten doch bloß keinen Grund liefern, dass sie uns Loba wegnehmen!“ Derek nickte: „Weiß ich doch, Süßer, aber wir werden uns auch nicht verstecken! Wir sind zwei Kerle und wir lieben uns; und manchmal eben auch körperlich, Basta! Daran ist nicht falsch und es ist nichts, was Loba einen Schaden zufügen kann. Wir tun es doch nicht vor ihren Augen! Und könntest du mir jetzt bitte einen Gefallen tun und noch ein paar Stunden schlafen? Sonst bist du doch morgen total fertig und das macht auch keinen guten Eindruck.“ Stiles ließ sich nun klaglos von Derek in den Schlaf streicheln und am Ende war es der Werwolf selbst, der keinen Schlaf fand, weil er sich von der Sorge seines Liebhabers hatte anstecken lassen. Am folgenden Tag trat Stufe Zwei von Stiles Plan in Kraft, um das Jugendamt davon zu überzeugen, dass Loba bei Derek und ihm bestens aufgehoben sei. Nachdem sie gestern die räumlichen Voraussetzungen optimiert hatten, ging es heute darum, die sozialen Bedingungen darzustellen. Wirklich alle, die mit der Erziehung von Loba zu tun haben würden waren eingeladen und saßen nun abwartend bei Tee und Keksen auf verschiedenen Sitzmöbeln im Wohnzimmer verteilt und erwarteten den hohen Besuch. Peter war der Letzte, der eintraf. Er umarmte Stiles zur Begrüßung im Flur und flüsterte ihm zu: „Wenn Mr. Social-Services nicht so spurt, wie wir wollen, kann ich ihn immer noch für dich um die Ecke bringen, Süßer. Ich lasse es wie einen hässlichen Unfall aussehen. Die kriegen unser Mädchen nicht!“ Stiles wären beinahe die Tränen gekommen, als er diese eigenartige Loyalitätsbekundung ausgerechnet von dieser unerwarteten Seite hört. Dennoch erwiderte er: „Nennen wir das einfach `Plan B´, in Ordnung Peter? Vielleicht lassen wir den Auftragskiller für´s Erste an der Leine und du bist einfach nur der liebe Onkel, der den schwulen Dads den Rücken stärkt. Kriegst du das hin?“ „Sicher Schätzchen. Ich kann einen netten Kerl glaubhaft imitieren, wenn ich will!“ versicherte Peter zwinkernd und begab sich zu den Anderen ins Wohnzimmer. Als es an der Tür klingelte, zuckten die Anwesenden kollektiv zusammen und auch Loba schien die Anspannung zu spüren. Derek hatte den ganzen Vormittag mit ihr geübt, sich nicht zu verwandeln, komme was wolle, doch nun funkelten ihre Augen dennoch hellblau auf: „Nein, Loba!“ sagte Derek streng, denn wenn die Person vom Jugendamt sah, was Loba war, hätten sie eine Menge zu erklären gehabt; und zwar Dinge, die man ihnen ohnehin nicht glauben würde. Stiles erhob und straffte sich und öffnete die Wohnungstür. Er führte den Mann vom Jugendamt, der sich als Eric Whittaker vorstellte ins Wohnzimmer, wo dieser stirnrunzelnd seinen Blick über die versammelte Mannschaft schweifen ließ und dann mit Loba, Stiles und Derek am Esstisch Platz nahm. Als erstes richtete der Fremde sein Wort an Loba, indem er sagte: „Wir wollen heute über dich sprechen und darüber, wo du zukünftig leben wirst. Hast du eine Meinung dazu?“ Loba hatte keine Ahnung, wovon der fremde Mann sprach. Sie spürte nur das Misstrauen, dass alle anderen Anwesenden ihm entgegenbrachten, also hielt sie seinem Blick stand, so lange sie konnte und griff dann in Stiles T-Shirt um ihr Gesicht darin zu verstecken und Derek knurrte: „Entschuldigung, aber haben sie Lobas Akte überhaupt gelesen? Sie kann nicht sprechen! Wie soll unsere Tochter ihnen auf ihre Frage antworten?“ „Das wollen wir doch erst mal sehen!“ beharrte Eric-Whittaker-Social-Services: „Habla espaniol, Loba?“ Das Mädchen blickte ängstlich zu Stiles auf. Sie war sich scheinbar deutlich bewusst, dass hier etwas von ihr erwartet wurde, nur nicht, was das sei. Schließlich legte Stiles beide Arme um sie streichelte ihren Kopf und versicherte: „Es ist alles in Ordnung, Baby! Du musst keine Angst haben!“ an Eric Whittaker gewandt fragte er ärgerlich: „Glauben sie wirklich, wir wären in der ganzen Zeit, in der Loba bei uns ist noch nicht auf die Idee gekommen, sie auf spanisch anzusprechen? Sie hat das sprechen nicht gelernt, weil sie dort, wo sie hergekommen ist nichts außer Grausamkeit und Misshandlung erfahren hat. Sie fängt langsam an, einige Worte zu sagen und einfache Sätze zu verstehen, doch das reicht sicherlich nicht aus, um mit ihr diese Art Gespräch zu führen, welches sie sich gerade vorstellen!“ Der Jugendamtsmitarbeiter ignorierte Stiles zunächst und richtete sein Wort an Derek: „Sie wollen also ein Pflegekind aufnehmen? Wie mir scheint, haben sie bereits eins!“ Dann wandte er sich wieder Stiles zu und fragte: „Wie alt bist du, Sohn?“ Stiles fiel die Kinnlade herunter, als er hörte, welche Richtung dieses Gespräch nehmen sollte und ihm fiel auf die Schnelle wirklich nichts ein, was er auf diese Unverschämtheit antworten könnte, doch das musste er auch nicht, denn sein Vater übernahm das für ihn: „Bei allem Respekt Sir, aber dieser junge Mann ist nicht IHR Sohn, sondern meiner und er ist alt genug, um zu entscheiden, mit wem er sein Leben verbringen möchte. Nicht dass Stiles meine Einwilligung brauchen würde, um mit seinem Freund zusammen zu sein, denn er ist volljährig, doch er hat sie dennoch. Diese beiden Jungs lieben sich! Sie sind füreinander geschaffen, auch wenn ich als Vater eine Weile gebraucht habe, um das zu verstehen. Aber noch wichtiger ist, dass sie dieses kleine Mädchen lieben und bereit sind, für sie zu sorgen und alles dafür zu tun, was notwendig ist!“ Die feurige Rede des Sheriffs lenkte nun die Aufmerksamkeit von Eric Whittaker auf die übrigen Anwesenden: „Ich verstehe! Und darf ich erfahren, wer sie alle sind und warum sie bei unserem Gespräch anwesend sein müssen?“ Diese Frage beantwortete Scott und erhob sich dafür: „Sie kennen doch sicher das Sprichwort, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind großzuziehen? Und das sind wir! Wir sind ein Dorf! Ich zum Beispiel bin Scott McCall. Stiles ist mein bester Freund; mein Bruder sozusagen und dieser Umstand macht mich zu Lobas Onkel.“ In diesem Augenblick erhob sich Scotts Mutter. Sie lächelte, knetete sanft die Schulter ihres Sohnes und sagte: „Ich bin Melissa McCall, seine Mutter und das macht mich wohl zu Lobas Großtante.“ Sie ging hinüber zu dem Mädchen, welches sich immer noch an Stiles klammerte und küsste sie auf den Kopf. Als nächstes stand der Sheriff vom Sofa auf und sagte seinen Text: „Ich bin John Stilinski, der Sheriff dieser Stadt. Und ich bin Lobas Großvater!“ Dann folgten alle Anderen dem Beispiel ihrer Vorredner. Peter stellte sich zu den Anderen und sagte: „Ich bin Dereks Onkel und damit der Großonkel des Mädchens.“ „Malia Tate, Peters Tochter, Dereks Cousine und damit Lobas Großcousine.“ verkündete daraufhin die Werkoyotin. Liam, Mason, Danny, Lydia und Kira erhoben sich gemeinsam, nahmen einander bei den Händen und ratterten ihren zuvor einstudierten Text herunter: „Wir sind enge Freunde der Familie, Babysitter und Ratgeber. Wir geloben, die Dads von Loba nach Kräften in ihrer Aufgabe zu unterstützen!“ Whittaker hatte all´ dies zunächst kommentarlos hingenommen. Dann stellte er an Stiles und Derek gerichtet fest: „Also gut; wie es aussieht, haben sie eine ganze Menge Unterstützung, meine Herren. Doch können sie mir auch erklären, was sie beide qualifiziert, ein schwer traumatisiertes, kleines Mädchen zu erziehen? Loba ist schätzungsweise elf bis zwölf Jahre alt. Damit sind sie gerade mal sechs bis sieben Jahre älter als Loba, Mr. Stilinski. Sie gehen noch in die Schule und werden demnächst mit dem College beginnen. Wie sollten sie da jetzt schon in der Lage sein, ein Kind zu versorgen?“ Derek warf einen zärtlichen Seitenblick auf Stiles und erwiderte sanft: „Das ist eine gute Frage. Ich kann nur sagen, dass er es kann! Er hat sowahnsinnig viel Geduld mit ihr, er versteht, was Loba braucht, auch wenn sie es uns noch nicht sagen kann. Er hat sie von der ersten Minute an geliebt und das erste Wort, dass unsere Tochter gelernt hat war „Daddy“ und damit hat sie ihn gemeint. Wenn sie nur ein bisschen was von ihrem Job verstehen, dann werden sie Loba nicht von ihrem Vater trennen.“ Während er sprach, war Derek nah an Stiles herangerückt, welcher sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel wischte und küsste ihn. Ihm war gleichgültig, wie Eric-Whittaker-Social-Services das beurteilte: „Ich bin stolz auf dich, Baby!“ fügte er leise hinzu. Der Mann vom Jugendamt verzog keine Miene und wollte lediglich wissen: „Und was ist mit ihnen, Mr. Hale? Ich habe nämlich meine Hausaufgaben gemacht und Einblick in ihre Polizeiakte genommen. Sie sind mehrfach festgenommen und schwerer Verbrechen beschuldigt worden; unter anderem Mord.“ Es war wiederum der Sheriff, der an Dereks Stelle antwortete: „Jetzt machen sie aber mal einen Punkt, Mann!“ schimpfte er: „Derek ist vollständig rehabilitiert! Eines Verbrechens beschuldigt zu werden ist nämlich nicht dasselbe, wie es begangen zu haben, müssen sie wissen!“ Als er dies sagte, wanderte der Blick des Sheriffs unwillkürlich hinüber zu Peter Hale, welcher immerhin den Anstand besaß, beschämt den Kopf zu senken. Whittaker nickte, ohne die Ausführungen des Sheriffs zu kommentieren und verlangte dann zu wissen: „Also gut, aber da gibt es noch etwas, was sie mir erklären müssen! Mir sind die Umstände immer noch nicht ganz klar, unter denen das Mädchen zu ihnen gekommen ist. In der Akte war zu lesen, sie hätten sie `auf der Straße gefunden´? Wie sind sie auch die Idee gekommen, dass es in Ordnung sei, einfach so ein wildfremdes Kind mitzunehmen?“ Stiles seufzte, sagte sich, dass es nun einmal der Job dieses Mannes war, diese Fragen zu stellen und er am Ende vermutlich auch nur das Beste für Loba wollte. Und so kramte er die Erinnerung an diesen furchtbaren Abend wieder aus seinem Hirn hervor, während er Loba unbewusst ein wenig enger an sich heranzog und ihr gleichmäßig den Rücken zu streicheln begann: „Wir kamen zurück aus Mexiko. Es wurde bereits dunkel und Loba lag mitten auf der Fahrbahn. Wir hätten sie um ein Haar überfahren. Sie war verletzt und kurz vor einer Bewusstlosigkeit. Weit und breit war nichts; keine Ortschaften, keine Häuser, keine Menschen. Und glauben sie mir; sie war nicht einfach bloß irgendein Mädchen, das aus ihrem Elternhaus abgehauen war: Sie war vollständig verwahrlost, verdreckt, mit verfilzten Haaren, abgemagert. Sie hatte Angst, sprach kein Wort...“ Whittaker unterbrach Stiles mit der naheliegenden Frage: „Wieso haben sie ein Kind in diesem Zustand nicht den zuständigen Behörden übergeben? Wieso haben sie sie nicht in ein Krankenhaus gebracht?“ Stiles stockte. Was sollte er darauf antworten, wenn nicht die Wahrheit, die da lautete: Loba war eine völlig verwilderte Werwölfin, die ihren Arzt wohl zerfetzt hätte, wenn man sie in ein Krankenhaus gebracht hätte. Überdies verfügte sie über Selbstheilungskräfte und hat daher kein Krankenhaus gebraucht? Wohl eher nicht! An dieser Stelle schaltete sich Melissa ein: „Derek und Stiles riefen mich an und ich habe die Wunden des Mädchens versorgt. Es handelte sich um nichts Ernsthaftes. Sicher, Loba war in einem furchtbaren Allgemeinzustand; erschöpft, ausgehungert, traumatisiert, verwahrlost, aber es war nichts, was wir nicht genauso gut auch vor Ort hätten behandeln können. Wir befanden daher gemeinsam, dass sie hier am besten aufgehoben sei, wo es ruhig war und man sich liebevoll um sie kümmerte.“ Log sie. Whittaker runzelte die Stirn: „Sie sind keine Ärztin Mrs. McCall, richtig?“ Melissas Gesicht verfinsterte sich, als sie mit unterdrücktem Ärger antwortete: „Nein Sir, bin ich nicht! Ich bin Krankenschwester. Ich weiß nicht, ob sie Ärzte kennen, ich hingegen habe jeden Tag mit ihnen zu tun. Sie sind diejenigen, die kurz hereinschweben, die Diagnosen in den Raum bellen, Rezepte unterschreiben oder ihre Patienten aufschneiden, um das zu beheben, was im Körper falsch läuft und dann den blutigen Menschen hinter sich lassen, ohne einen Blick zurück zu werfen. Wir Krankenschwestern hingegen sind diejenigen, die trösten, Menschen aus ihrem eigenen Dreck holen, Verbände anlegen, Medikamente verabreichen und vieles mehr. Glauben sie mir, wenn ich ihnen sage, dass ich mehr als kompetent war, den Zustand von Loba einzuschätzen. Sie war bestens versorgt. Und nur zur Information: Die örtlichen Behörden waren informiert!“ Sie warf einen Seitenblick auf John Stilinski und nun fuhr der Sheriff fort: „Das ist wahr. Ich war der Erste vor Ort. Die beiden Jungs haben mich gleich nach ihrer Ankunft angerufen. Und nachdem Melissa mir versichert hat, dass die Verletzungen nur oberflächlich wären und ich gesehen habe, dass Loba sich bei meinem Sohn und seinem Freund offensichtlich sicher fühlte, hielt ich es für das Beste, sie genau hier zu lassen, um sie zur Ruhe kommen zu lassen.“ „Sie sagen immer wieder, Loba sei in einem so verwahrlosten Zustand gewesen. Gibt es dafür eigentlich irgendwelche Beweise?“ Fragte Whittaker nun skeptisch: „Es gibt die Augenzeugenberichte von meinem Sohn, Derek Hale, Melissa McCall, Malia Tate, Peter Hale und natürlich von mir!“ erwiderte Sheriff Stilinski giftig: „Doch wenn ihnen das nicht reicht, dann sagen Bilder ja immer noch mehr als tausend Worte, richtig?“ Er zückte sein Handy und zeigte Whittaker ein Foto, dass er von Loba am allerersten Abend gemacht hatte. Stiles hatte damals gar nicht mitbekommen, dass sein Dad dieses Bild geschossen hatte, doch nun war er wahnsinnig froh, dass es existierte, denn es würde ihnen nicht nur jetzt, sondern auch später vor Gericht helfen, wenn man Lobas Folterknechten den Prozess machen würde. Es zeigte Loba; schmutzig, mager, in Lumpen gekleidet und mit verfilzten Haaren. Doch das eindrücklichste war wohl der Gesichtsausdruck des Mädchens; verzweifelt und wild. Das hatte Stiles schon beinahe wieder vergessen. Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und blickte hinüber zu Whittaker, der beim Anblick der Fotografie ein wenig blass geworden war und nun seine Augen zwischen dem Bild und dem Mädchen von heute hin- und herwandern ließ: „Sie ist wirklich sehr mager.“ kommentierte er. „Loba hat zwölf Pfund zugenommen, seit sie bei uns lebt!“ erwiderte Stiles schlicht. Whittaker schien genug gehört zu haben. Er warf einen Blick in die Runde und resümierte dann: „Meine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass das Wohl eines Kindes gewährleistet ist. Ich will ehrlich zu ihnen sein, ich denke immer noch, dass ein Kind einen Vater UND eine Mutter haben sollte. Ich finde es überdies befremdlich einen Achtzehnjährigen in einer Beziehung mit einem Neunundzwanzigjährigen zu sehen und mir überdies vorzustellen, dass diese beiden ein Mädchen wie Loba erziehen sollen.“ Ein empörtes Raunen ging durch den Raum, doch noch ehe irgendwer protestieren konnte, fuhr Whittaker fort: „Dennoch muss ich feststellen, dass Loba sich hier wohlzufühlen scheint. Insbesondere zu ihnen, Mr. Stilinski hat sie ganz offensichtlich eine sehr enge Bindung entwickelt. Sie hat sich an sie geklammert, seit wir hier beieinandersitzen und hat sie keine Minute lang losgelassen. Ich kann überdies sehen, dass sie beide eine Menge Rückhalt haben; ein großes soziales Netz von Menschen, die alle um Lobas Wohl besorgt sind. Diese beiden Umstände lassen mich nun zu der Entscheidung kommen, dass es vorerst das Beste für das Kind sein dürfte, sie bei ihnen zu belassen Mr. Hale und Mr. Stilinski, im Sinne einer Kurzzeitpflege und bis ein geeigneteres Paar, oder aber die leiblichen Eltern gefunden wurden, bei denen Loba aufwachsen kann. Machen sie sich in der Zwischenzeit auf Hausbesuche einer unserer Außendienstmitarbeiterinnen gefasst. Einige werden mit Vorankündigung erfolgen, andere werden hingegen überraschend sein. Außerdem verpflichte ich sie dazu, dafür zu sorgen, dass Loba schnellstmöglich das Sprechen erlernt und in einer Schule angemeldet werden kann. Ich denke, dies sollte in etwa einem halben Jahr möglich sein.“ Nun erhob sich Protest bei den Anwesenden. Melissa wollte von Mr. Social-Services wissen, ob er wohl den Verstand verloren habe und wie Derek und Stiles es bitteschön schaffen sollten, ein Mädchen, dem sämtliche Grundlagen fehlten in sechs Monaten auf den Schulbesuch mit Gleichaltrigen vorzubereiten. Der Sheriff beschimpfte Whittaker als einen `Ewig Gestrigen´, als einen Homophoben und einen Einfaltspinsel. Peter knurrte leise und stieß üble Flüche aus. Scott versuchte es mit Vernunft und legte seine Argumente dar, warum seiner Ansicht nach Loba bereits genau an dem Ort angekommen sei, an dem sie aufwachsen sollte. Malia stampfte mit geballten Fäusten und knirschenden Zähnen im Zimmer auf und ab. Danny erklärte, dass seine Mutter die Ortsverbandsvorsitzende von PFLAG sei und das Whittaker es mit mit sämtlichen LGBTIQ-Verbänden des Landes zu tun bekommen würde; Presse, Unterschriftenaktionen, Demonstrationen, sofern er es wagen sollte, Loba von Derek und Stiles wegzuholen. Nur Stiles und Derek selbst schwiegen. Whittaker schien von all´ dem wenig beeindruckt und erklärte schließlich: „Ich habe alles gesagt, was zu sagen war. Sie dürfen sich gerne bei meinen Vorgesetzten über meine Entscheidung beschweren. Ich wünsche ihnen allen einen schönen Tag!“ Und mit diesen Worten zog er sich zurück. Derek erhob sich und verschwand ohne einen weiteren Kommentar im Schlafzimmer, wo er die Tür lautstark hinter sich zuschlagen ließ. Die anderen blickten ihm ratlos hinterher und Stiles sagte schließlich müde: „Ich danke euch, dass ihr heute Abend hier gewesen seid, um uns zu unterstützen, aber ich denke, Derek und ich brauchen jetzt erst mal eine Weile, um mit dem klar zu kommen, was heute passiert ist. Macht es euch etwas aus, uns nun allein zu lassen?“ Die Anwesenden erklärten ihr Verständnis und erhoben sich. Melissa sagte nicht viel zum Abschied, doch sie legte ihre Arme um Stiles und küsste ihn auf die Wange wie eine Mom. Bloß eine kleine Geste, doch sie führte dazu, dass Stiles in Tränen ausbrach, also hielt sie ihn eine Weile fest, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Der Nächste war Scott, der seine Stirn an die von Stiles legte und versprach: „Das Rudel steht hinter euch! Wir werden alles tun, was wir können!“ Danny bebte immer noch vor Wut und versicherte: „Die werden was zu hören bekommen! Meine Mutter wird ihnen die Hölle heiß machen! Die gesamte Community wird dem Jungendamt von Beacon Hills auf´s Dach steigen. Die Schweine machen wir fertig!“ Stiles konnte nicht anders; er musste ein wenig lachen. Danny klang gerade genauso, wie seine Mutter und in seinem überaktiven Hirn entstand eine Vision davon, wie eine Armee aus Drag-Queens, Lederkerlen und Motoradlesben über Beacon-Hills hereinbrach, wie ein Schwarm Heuschrecken: „Danke!“ murmelte er zu Abschied: „Es tut gut, das zu hören!“ Der Sheriff versprach, dass er Loba mitnehmen und heute Nacht auf sie achten wolle, damit Stiles und Derek sich erst einmal um einander kümmern und könnten. Als Peter einwarf, dass er genauso gut auf Loba aufpassen könne, brach ein kleiner Disput zwischen den beiden aus, in dessen Verlauf der Sheriff ausrief: „Ich traue ihnen nicht im Geringsten, Hale! Ich verstehe nicht, wieso Derek und mein Sohn sie überhaupt in die Nähe von Loba lassen! Mein Sohn muss etwas in ihnen sehen, was mir entgeht, aber so viel steht fest: Loba kommt mit mir!“ Stiles rieb sich angestrengt die Stirn und bat: „Bitte nicht heute Abend, Dad. Ich kann das jetzt nicht ertragen. Loba geht heute mit dir und wir reden ein anderes Mal über Peters Sozialprognose, in Ordnung?“ Der Sheriff nickte und warf Peter noch einen letzten finsteren Blick zu, während Stiles für Loba eine Tasche für die Nacht packte und ihr das Versprechen abnahm, lieb zu ihrem Grandpa zu sein. Das Mädchen blickte ihn ratlos an und Stiles erklärte: „Ja ich weiß, Süße; du verstehst gar nicht, was heute hier passiert ist, richtig? Aber du musst dir keine Sorgen machen. Alles wird gut! Niemand wird dich uns wegnehmen! Eher flüchte ich mit dir einmal um die halbe Welt!“ Er drückte das Mädchen fest an sich und dann verblüffte Loba ihn, indem sie sagte: „Liebe, Daddy!“ Stiles lachte und weinte zur gleichen Zeit und platzierte dann dicke, fette Küsse überall in Lobas Gesicht, bis diese kichernd und spielerisch versuchte, ihn abzuwehren: „Ich liebe dich auch, Kleines!“ versicherte Stiles: „Und nun lauf und hab´ viel Spaß mit deinem Großvater.“ Peter war der letzte, der sich zum Gehen wandte, doch nicht ohne sein Angebot von zuvor zu wiederholen: „Ich kann diesen Whittaker immer noch umlegen. Ich kann dafür sorgen, dass man nie wieder ein Haar von ihm findet.“ Stiles schüttelte den Kopf: „Manchmal weiß ich nicht, ob du einen Scherz machst, oder nicht und ehrlich gesagt habe ich Angst zu fragen.“ erwiderte er müde: „Ich will nur, dass du weißt, dass ich euch helfen werde, wenn ich kann! Ich...habe Loba irgendwie gern!“ Peter klang verlegen, als sei es ein unglaublich schmutziges Bekenntnis, zuzugeben, dass das kleine Mädchen ihm ans Herz gewachsen war. Stiles küsste ihn auf die Wange und flüsterte: „Ich danke dir, aber versuch´es bitte ohne Gewalt, in Ordnung?“ Peter gab ein kleines Lachen von sich und wollte wissen: „Und wie stehst du zu Sachbeschädigung? Ich könnte Whittakers Auto zerkratzen und seine Reifen aufschlitzen.“ Über diese Vorstellung musste Stiles lachen und hatte folgenden Gegenvorschlag: „Oder du stellst ihm eine brennende Papiertüte mit Hundekacke auf die Fußmatte, klingelst und läufst dann weg!“ „Wie wär´s mit Zahnpasta auf seiner Türklinke. Das sieht Whittaker bestimmt nicht kommen!“ wandte Peter zwinkernd ein. Stiles drückte Peters Hand und forderte: „Geh´ nachhause, du Spaßvogel! Ich muss mich um Derek kümmern!“ „Sicher, dass du jetzt zu diesem eingeschnappten Humorallergiker ins Bett krabbeln willst? Du könntest auch mit mir kommen. Dann bringe ich dich noch eine Weile zum Lachen. Und später haben wir dann auf andere Weise unseren Spaß.“ Stiles rollte genervt mit den Augen und erwiderte nachsichtiger, als Dereks Onkel es verdiente: „Verschwinde Peter!“ Als endlich alle fort waren, folgte Stiles Derek ins Schlafzimmer, knipste die Nachttischlampe an und hockte sich auf die Hüfte seines Freundes, welcher auf dem Bett ausgestreckt dalag und griesgrämig an die Decke schaute. Eine ganze Weile sagte keiner von beiden ein Wort, ehe Derek schließlich den Anfang machte: „Denkst du ich bin...?“ „NEIN!“ erwiderte Stiles energisch: „Du weißt gar nicht, was ich sagen wollte.“ beschwerte sich der Werwolf. Stiles gab ein kleines Lachen von sich: „Doch Derek, das weiß ich, denn ich kenne dich schließlich schon ein bisschen! Du wolltest mich in etwa folgendes fragen: `Denkst du ich bin ein alter Perverser, der einen Schuljungen missbraucht und hat Mr. Wichtig vom Jungendamt möglicherweise recht, wenn er mir nicht zutraut, mich um ein Kind zu kümmern?´ Und die Antwort lautet ganz klar `Nein!´ Der Typ ist ein homophobes Arschloch, das höchstwahrscheinlich nur deswegen so schlecht drauf ist, weil er schon seit einer Ewigkeit nicht mehr flachgelegt wurde!“ Gegen seinen Willen musste Derek lächeln, doch Stiles hatte noch mehr zu sagen: „Und ich will, dass du das Eine weißt, mein Liebling: Vor dem heutigen Termin hatte ich zwar große Angst, dass sie uns Loba wegholen, doch die habe ich nun nicht mehr! Wir werden kämpfen, Derek! Spätestens morgen früh stehen sämtliche Lesben- und Schwulenverbände des Landes auf deiner Fußmatte und am Ende werden wir gewinnen. Außerdem steht das ganze Rudel hinter uns und wird uns helfen!“ „Hab´s gehört!“ Knurrte Derek: „Ich habe alles gehört, was die Anderen gesagt haben, als ich hier lag; auch auf welche Weise Peter gedenkt `hinter dir zu stehen´!“ Stiles kicherte: „Und du bist gar nicht angeflitzt gekommen, um meine Ehre zu retten, mein Prinz?“ „Wieso? Du hattest doch alles im Griff!“ gab Derek zurück. Dann murmelte er sehr leise: „Aber irgendwann drehe ich dem Scheißkerl den Hals um!“ Stiles lächelte leise, küsste Derek und schmiegte sich an seine Seite. Dann wollte er von seinem Freund wissen: „Bereust du das mit uns gerade?“ „Wie bitte?“ fragte Derek entsetzt: „Wie kommst du denn auf so etwas!“ Stiles zuckte unzufrieden mit den Schultern: „Na ja, jetzt hast du zum ersten Mal die Schattenseite unseres Zusammenseins zu spüren bekommen. Wenn du noch mit Braeden zusammen wärst und ihr wolltet einen kleinen Wolfswelpen adoptieren, dann hätte Whittaker wahrscheinlich keine Sekunde gezögert, hätte dir hier heute die Hand gereicht und dich beglückwünscht. Aber du bist mit mir zusammen und aus diesem Grund hat er dir das Gefühl gegeben, als wäre irgendetwas grundlegend verkehrt mit dir. Das tut mir leid. Irgendwie fühle ich mich schuldig deswegen.“ „NEIN STILES!“ Erwiderte Derek: „Ich bereue es nicht und es ist nicht deine Schuld dass der Kerl ein Idiot ist! Ich liebe dich, Mann. Und mir tut es leid, dass ich vorhin einfach rausgestürmt bin, wie ein beleidigtes Baby! Ich bin froh, dass wir Loba vorerst behalten dürfen und wir geben sie auch nicht wieder her! Versprochen! Und wenn ich dafür durch sämtliche Talkshows tingeln, Prozesse führen und für alle Welt nur noch der `schwule Vater´ sein muss! Ich tue alles, was nötig ist“ Stiles lächelte zärtlich auf ihn hinab: „Ich bin wahnsinnig stolz auf dich!“ versicherte er. Dann fiel ihm noch etwas ein: „Wir haben `sturmfreie Bude´. Solltest du dir diesen Umstand nicht irgendwie zunutze machen?“ fragte er listig. Kapitel 28: Der „Carrie“-Moment ------------------------------- „Kommst du auch irgendwann mal wieder aus dieser Umkleidekabine raus, Stiles?“ knurrte Derek gelangweilt: „Es kann doch nicht so schwer sein, so einen verdammten Anzug anzuprobieren.“ „Ich will nicht!“ kam es gequält zurück: „O.K., dann lass´es mich anders formulieren: Entweder du kommst jetzt da raus oder ich komme zu dir rein!“ Gab Derek zurück. Stiles kicherte: „Was soll das sein, Hale? So etwas wie eine Drohung? Ist mir doch egal, ob du...“ Weiter kam er nicht, weil der Vorhang aufgerissen und in Windeseile wieder zugezogen wurde, nachdem Derek bei ihm drinnen war. Der Werwolf blickte Stiles an, riss überrascht die grünen Augen weit auf, grinste dann, legte einen Arm um den Jüngeren und zog ihn mit einem Ruck zu sich heran, um ihn zu küssen. Das alles geschah in Windeseile und noch ehe Stiles recht begriff, wie ihm geschah. Überrumpelt ließ er sich in die Umarmung fallen, wie eine Leinwanddiva: „Unfair!“ murmelte er: „Du bist so verdammt schnell!“ „Du siehst heiß aus!“ kommentierte Derek mit einem Grinsen und ließ ihn wieder los. Stiles machte ein eigenartiges Gesicht und grummelte: „Du willst mich wohl verarschen? Ich sehe lächerlich aus. In dem Ding kann ich unmöglich zu diesem Ball gehen. Alle werden sich über mich lustig machen. Das bin doch nicht ich!“ Derek musterte Stiles von oben bis unten. Der tiefschwarze Smoking mit den glänzenden Seidenaufschlägen passte wie angegossen. Im Kontrast dazu stand das schlichte, blütenweiße Hemd und vervollständigt wurde das Bild von einem schmalen, tiefroten, aber schlecht gebundenen Schlips. Nach diesem griff Derek nun und richtete ihn mit einem kleinen Lächeln: „Jetzt ist es perfekt!“ versicherte er und fügte beinahe schnurrend hinzu: „Das bist vielleicht nicht du, aber dann muss es wohl James Bond sein: Mit der Lizenz, mich um den Verstand zu bringen!“ Er küsste Stiles noch ein weiteres Mal: „Findest du wirklich, dass ich so gehen kann?“ erkundigte der Jüngere sich stirnrunzelnd. Derek schüttelte den Kopf: „Nein, auf keinen Fall kannst du so gehen.“ bestimmte er mit einem Zwinkern: „So unglaublich, wie du aussiehst, werde ich dann ja den ganzen Abend darauf aufpassen müssen, dass niemand versucht, dich mir auszuspannen.“ Stiles grinste: „Das wird sicher kein Problem werden, solange du nur in meiner Nähe bleibst!“ versicherte er: „Sobald einer versucht, Hand an mich zu legen, deute ich einfach hinter mich, sage dass du mein Wachhund bist und du machst dann diese Sache mit den Augenbrauen, die du so gut beherrschst und schon nimmt jeder potenzielle Freier Reißaus!“ Welche `Sache mit den Augenbrauen´?“ fragte Derek grummelnd und machte die Sache mit den Augenbrauen. Stiles musste lachen, drehte Dereks Gesicht zum Spiegel und erwiderte: „Genau die!“ Derek schenkte Stiles im Spiegel ein schiefes Grinsen und wollte wissen: „Also willst du den Anzug nun kaufen?“ „Leihen!“ gab Stiles zurück: „Kaufen lohnt sich ja wohl nicht. Das Ding trag´ ich doch nie wieder!“ „Wer sagt das?“ wollte Derek wissen, während sich seine Finger nun an den Hemdknöpfen zu schaffen machten, um sich dann unter den Stoff vorzuarbeiten: „Ich finde schon passende Anlässe für dich, einen Smoking zu tragen, jetzt wo ich weiß, wie unglaublich du darin aussiehst. Und wenn du ihn einfach nur zuhause für mich trägst, zu meiner...Inspiration. Wir nehmen ihn!“ „Mir gefällt dein Blick nicht, Hale!“ behauptete Stiles, als Derek immer näher auf ihn zukam, während er selbst sich rückwärts von ihm fort bewegte, bis er mit der Wand zusammenstieß. Eine dreiste Lüge! In Wirklichkeit liebte er diesen Blick, doch er wusste auch genau, wohin er führte und er legte wirklich keinen Wert darauf, dass die Verkäuferinnen in diesem Schuppen die Cops riefen, weil aus einer der Kabinen verdächtige Geräusche kämen und er und Derek von seinem Dad wegen Unzucht in der Öffentlichkeit festgenommen werden würden. Nein, vielen Dank! Diese Vorstellung war überhaupt nicht sexy! „Derek, Aus!“ sagte er zwischen zwei Küssen, darum bemüht streng zu klingen. Heraus kamen seine Worte dann jedoch eher ein wenig atemlos und gehaucht. Fester sagte er nun: „Kasse! O.K.?“ Derek zuckte beleidigt mit den Schultern: „Wirst du das Ding denn Zuhause wieder für mich anziehen?“ Stiles setzte ein böses Lächeln auf und schüttelte den Kopf: „Du wirst dich bis zu Prom-Night gedulden müssen, sonst nutzt sich der Reiz ab.“ Bestimmte er. „Sadist!“ brummte Derek, doch er erlaubte Stiles nun widerwillig, sich wieder seine Straßenkleidung anzuziehen. Die Kassiererin der Boutique musterte die beiden Männer scharf. Sie musste den Telefonhörer wohl schon in der Hand gehabt haben, um den Sheriff zu verständigen, überlegte Stiles. Derek fixierte nun angestrengt den Verkaufstresen, als gäbe es dort etwas wahnsinnig Interessantes zu sehen, als er ihr seine Kreditkarte herüberreichte. Stiles dagegen dachte gar nicht daran, sich zu verstecken. Er stützte die Ellenbogen auf den Kassentisch, grinste der Dame unschuldig ins Gesicht und zwinkerte ihr zu. Im Hinausgehen setzte er noch einen drauf, indem er seine Hand zu Dereks Gesäß hinunter wandern ließ und sagte: „Na komm´ schon Baby! Bring´ mich nachhause!“ Im Auto blickte Derek Stiles strafend an und wollte wissen: „War das wirklich nötig?“ „Yupp, das war es!“ Stiles kicherte: „Was denn? Hinter verschlossenen Vorhängen bist du mutig, aber wenn sie dein Gesicht sehen können, dann kneifst du, oder wie?“ Derek ließ den Kopf hängen: „Ich schätze diese ganze Coming Out-Sache war in letzter Sache wohl ein bisschen viel für mich: All die Anwälte, mit denen ich unsere persönliche Situation besprechen musste, diese Aktivisten aus San Francisco, die bei uns neuerdings ein und aus gehen, Dannys Mutter, die jeden Tag mit selbstgebackenen Muffins vor unserer Tür steht und feurige Reden hält und als Krönung dieses Interview mit dem `Avocate´* vorletzte Woche. Manchmal möchte ich einfach in den Schrank zurück kriechen, aus dem wir gekommen sind, um da ein gemütliches und geheimes Leben mit dir und Loba zu führen, wie damals, in den guten alten fünfziger Jahren!“ Stiles streckte entschuldigend die Hand nach der von Derek aus: „Tut mir leid!“ murmelte er. Der Ältere schüttelte den Kopf: „Dir muss überhaupt nichts leidtun, Baby!“ versicherte er: „Ich bin einfach bloß froh, wenn sich der Trubel ein bisschen gelegt hat und wir endlich das O.K. haben, Loba auf Dauer zu behalten; wenn ich nicht mehr hauptberuflich schwul sein muss, sondern einfach wieder Derek sein darf!“ Er startete den Wagen. Stiles blickte seinen Freund auf der Heimfahrt verstohlen von der Seite an. `Schwul´! War es das, was sie beide waren? Nun ja, sie waren zusammen, Liebhaber, ein Paar! Und wenn alles so lief, wie Stiles sich das erhoffte, dann würde das auch so bleiben. Und da machten die Feinheiten wohl eher keinen Unterschied, oder? Zurück in Dereks Apartment fanden sie Loba und Peter auf dem Sofa lümmelnd vor, wie sie sich kichernd eine Tüte Gummibärchen teilten und Cartoons im Fernsehen anschauten. Loba hatte ihren Kopf auf Peters Bauch gelegt und ließ sich das Haar kraulen. In solchen Momenten vergaß Stiles beinahe, warum Peter im Grunde genommen von früh bis spät Schläge verdient hatte, sondern verspürte stattdessen eine beinahe zärtliche Regung in seiner Brust für den älteren Werwolf. Leider hatte Peter ein todsicheres Gespür dafür, wie man Augenblicke wie diesen sogleich effektiv wieder zunichte machte und so auch heute wieder: „Na Süßer? Habt ihr ein hübsches Ballkleid für dich gefunden? Beschreib´ es mir! Ist es rückenfrei? Gerüscht? Tiefes Dekolleté? Welche Farbe? Willst du gleich deine Freundinnen anrufen und es ihnen vorführen? Ich könnte dir auch beim zuknöpfen helfen.“ Stiles schüttelte den Kopf: „Is´ schon klar Peter; ich bin ein Mädchen. Das ist wirklich wahnsinnig witzig! Großartiger Sexistenhumor. Wieso wirst du eigentlich nicht endlich mal erwachsen, hmm?“ erwiderte er, setzte sich an Lobas andere Seite und platzierte ihre Beine auf seinem Schoß. „Weil das unglaublich langweilig ist.“ gab Peter zwinkernd zurück: „Was ist denn nun? Darf ich deinen Anzug jetzt sehen?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Kommt nicht in Frage!“ erwiderte er: „Erstens hast du dir dieses Privileg mit deiner Frechheit gerade verspielt und zweitens sehe ich offenbar unwiderstehlich darin aus und es reicht, wenn mich bereits EIN Hale heute in dem Ding angefallen hat. Peter lachte und rief zu Derek hinüber: „Donnerwetter Neffe! Sex in der Öffentlichkeit? Und ich dachte immer, du wärst ein total öder Langweiler!“ Derek ließ ein kleines Knurren vernehmen und warf Stiles einen strafenden Blick zu, ehe er sich ein wenig abseits auf einen der Sessel platzierte. Loba wurde auf den Unfrieden aufmerksam, schnappte sich die Gummibärchen, sprang vom Sofa auf, kletterte auf Dereks Schoß und begann, diesen mit den Süßigkeiten zu füttern. Und schließlich konnte Derek gar nicht mehr anders; er musste lachen. So wurde ihm auch plötzlich wieder ganz deutlich bewusst, wofür sie die ganzen Strapazen auf sich nahmen. Er küsste seiner Tochter die Stirn. Es klingelte an der Tür. Stiles ging um zu öffnen und kam wenig später mit Danny und Cynthia Mahealani zurück ins Wohnzimmer. Dannys Mutter hatte einen Teller mit selbstgebackenen Brownies in der einen Hand und eine druckfrische Ausgabe des `Advocate´ in der anderen: „Ist das aufregend, Jungs!“ jubelte sie: „Ihr seid berühmt!“ „Na großartig!“ knurrte Derek: „Genau das, was ich immer schon wollte!“ Loba kletterte von Dereks Schoß herunter und folgte ihrem feinen Näschen bis zu dem Teller mit den Brownies. Cynthia zog das Zellophan von dem Gebäck und ließ das Mädchen sich bedienen. Als sie den Teller nun auch an Stiles weiterreichen wollte, klagte dieser scherzhaft: „Ich habe heute eine Anzug für die Prom-Night gekauft. Wenn ich jeden Tag Kuchen esse, werde ich an meinem großen Abend den Hosenknopf nicht mehr zubekommen. Peter hingegen griff zu und bemerkte: „Dann müssen mein Neffe und du eben ein bisschen härter `trainieren´. Ich biete mich hiermit auch großzügig als Ersatzmann an, falls Derek zwischendrin die Puste ausgeht.“ „Uagh!“ machte Stiles: „Das ist widerlich!“ Derek war inzwischen aufgesprungen und bellte: „Wolltest du nicht gerade gehen, Peter?“ „Nö!“ machte dieser ungerührt, biss ein weiteres Mal herzhaft in das Gebäck und kommentierte: „Das ist wirklich fantastisch, Mrs. Mahealani.“ Diese nahm auf dem Sofa Platz, schlug das Magazin an einer bestimmten Seite auf und klopfte neben sich, damit auch Derek käme, um mit hineinschauen zu können. Da war ein zweiseitiger Artikel über sie; Auszüge aus dem Interview, welches sie gegeben hatten, ein Foto von Derek, Stiles und Loba hier in diesem Apartment und dann noch einige Fakten und Meinungen zu Regenbogenfamilien im Allgemeinen. Ihre Gesichter, ihre Worte, ihr Zuhause; ausgestellt, ausgebreitet für die Öffentlichkeit und das auch noch landesweit. Derek hatte plötzlich das Gefühl, die halbe Nation würde auf ihrer Bettkante sitzen und er bekam Bauchschmerzen. Peter beugte sich über Stiles und maulte: „Wieso bin ich eigentlich nicht mit auf dem Foto? Ich bin doch ausgesprochen fotogen!“ „Und inwiefern sollte das unserer Sache helfen,wenn du mit auf dem Bild wärst?“ knurrte Derek genervt: „Eurer Sache vielleicht nicht, aber meiner!“ Gab Peter schelmisch zurück: „Stellt euch die ganzen Zuschriften der heißen, jungen Männer vor, die mich kennenlernen wollen!“ „Pfft!“ machte Derek genervt: „Warum bewirbst du dich dann nicht gleich beim `Advocate´ als alternder Posterboy. Du hast bestimmt recht und es gibt mit Sicherheit ein paar gutherzige Jungs da draußen, die bereit wären, einen alten Sack wie dich mit dem Schwamm zu waschen, zu füttern oder was auch immer du dieser Tage so für Pflegebedürfnisse hast, Onkel. Toi, toi,toi!“ Derek streckte beide Daumen in die Luft und hatte ein falsches Lächeln aufgesetzt. „Nur kein Neid Neffe.“ gab Peter giftig zurück: „Wir wollen doch mal sehen, ob du in ein paar Jahren auch noch so blendend aussiehst, wie ich. Bei deiner ewigen schlechten Laune möchte ich das stark bezweifeln. Du hast ja jetzt schon so einen verkniffenen Ausdruck um die Mundwinkel. Und machen wir uns nichts vor Derek: So viel jünger als ich bist du nun auch wieder nicht!“ Die Kabbelei von Onkel und Neffe ging noch eine Weile so weiter und Stiles stellte überrascht fest, dass sie dieses Mal heftiger ausfiel, als gewöhnlich und fragte sich, wieso? Eine Weile später waren die Gäste verschwunden und Stiles setzte etwas fort, was er am Tag nach dem ersten Besuch des Jugendamtes begonnen hatte: Er plakatierte Dereks Wohnung mit Post-It´s, auf welchem die Namen der jeweiligen Gegenstände in großen Druckbuchstaben vermerkt waren! Zu jedem Gegenstand sprach er dann dessen Namen sehr gut akzentuiert aus, ließ ihn Loba mehrmals nachsprechen und sie das Wort in ungelenken Buchstaben einem Collegeblock schreiben. Das ganze Apartment begann nun langsam, wie ein gelber Blätterwald auszusehen. Als Derek stirnrunzelnd die Frage stellte, ob Stiles wirklich allen Ernstes glaube, dass Loba auf diese Weise das Sprechen, das Lesen UND das Schreiben auf einmal lernen würde und ob dies für das arme Ding nicht eine komplette Überforderung darstelle, erhielt auch er selbst einen Post-it mit seinem Namen auf die Stirn geklebt, was Derek ein ärgerliches Knurren entlockte, Loba und Stiles jedoch in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. Und um zu beweisen, dass seine pädagogisch-didaktischen Überlegungen wirksam waren, machte Stiles hinterher den Test und ließ Loba die neu gelernten Worte in der Wohnung suchen. Er sagte zum Beispiel `Kühlschrank´ und ließ sich diesen dann von Loba zeigen. Und sogar Stiles selbst war verblüfft, dass das Kind es beinahe ohne großes Nachdenken in fast jedem Fall auf Anhieb richtig machte: „Siehst du, wie schlau sie ist!“ rief Stiles begeistert aus und küsste und umarmte das Mädchen stürmisch. Derek nickte: „Schätze, das hat sie von ihrem Daddy.“ gab er schmunzelnd zurück. In der folgenden Nacht, als Derek und Stiles nebeneinander im Bett lagen, war es ausnahmsweise einmal der Werwolf, der sich schlaflos und unruhig im Bett herumwälzte, bis Stiles sich schließlich stirnrunzelnd erkundigte: „Hey mein Liebling? Alles in Ordnung bei dir?“ „Hmm...“ machte Derek vage. Stiles setzte sich auf und knipste die Nachttischlampe an: „Was?“ fragte er nun ernsthaft besorgt. Auch Derek nahm eine sitzende Position ein, verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte: „Ich musste gerade an Peter denken.“ „Oh...kay?“ machte Stiles ratlos und wartete, ob da noch eine Konkretisierung der Überlegungen seines Liebhabers folgen würde, jedoch musste er auf diese ein kleines Weilchen warten, in welchem Dereks Miene verschiedene Grade der Düsternis und des Unbehagens spiegelte. Als Derek sich dann endlich doch noch zu weiteren Worten durchringen konnte, stellte er die Frage: „Sag´ mal, gefällt dir mein Onkel? „Wie Bitte!“ fragte Stiles verwirrt und konnte sich zunächst gar nicht vorstellen, wie zum Teufel diese Frage gemeint sein könnte. Ein Blick in das grimmige Gesicht seines Gefährten ließ es ihn dann doch noch erraten: „Du...du meinst ALS MANN? Du willst wissen, ob ich ihn attraktiv finde?“ Derek zuckte mürrisch mit den Schultern: „SAG MAL, HAST DU DEN VERSTAND VERLOREN!“ rief Stiles entsetzt aus. Augenbrauen kollidierten mit Augäpfeln und Kiefer mahlten auf Kiefern- ein klassischer Hale: „Warum flirtest du dann ständig mit ihm?“ grollte der Werwolf: „Waa...ICH? ...NEIN!“ stotterte Stiles: „Das tue ich nicht! Bloß weil ihm nicht permanent eins mit meinen Baseballschläger überbrate, wie er es verdient hätte, bedeutet das noch lange nicht, dass ich mit ihm flirten würde.“ „Aber es gefällt dir, das er mit DIR flirtet!“ stellte Derek unbehaglich fest. Stiles war klar, dass sich die Bedenken seines Liebhabers nicht einfach mit einer flapsigen Bemerkung wegwischen lassen würden, also versuchte er sich an absoluter Ehrlichkeit: „O.K. Derek, lass´uns Klartext reden.“ begann er: „Dein Onkel ist ein attraktiver Mann. Es passiert mir nicht allzu oft, dass attraktive Leute Interesse an mir haben. Mir ist zum Beispiel völlig schleierhaft, was ausgerechnet du an mir findest, denn du bist ja wohl das absolut Schönste, was ich je gesehen habe. Wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, es schmeichelt mir ein wenig, dass dein Onkel Interesse bekundet, aber das bedeutet nicht, dass er auch nur den Hauch einer Chance bei mir hätte und das hat mehrere Gründe: Erstens weiß ich genau, wer er ist; nämlich ein Lügner, ein Mörder, der König der Manipulation und besessen von seinem Wunsch nach Macht. Ich könnte ihm niemals genug vertrauen, um ihn wirklich nah an mich heranzulassen. Und zweitens, und das ist noch viel wichtiger; Ich LIEBE dich, Mann! Du bist alles was ich brauche und will und du hast von absolut niemandem etwas zu befürchten. Und wenn ich mich darum bemühe, mit deinem Onkel irgendeine halbwegs normale Form des Umgangs zu finden, dann tue ich das allein deswegen, weil er deine Familie ist und nun einmal zu dir gehört, so gruselig das auch ist. Ist deine Frage damit ausreichend beantwortet, mein Herz?“ „Du liebst mich?“ fragte Derek kleinlaut. Stiles rollte genervt mit den Augen: „So könnte man meine Worte wohl interpretieren und das ist doch auch nicht gerade eine Neuigkeit, oder? Ja Derek, das tue ich. Ich liebe dich. Sehr!“ Er zog Dereks Kopf an seine Brust und streichelte ihm durch das Haar: „Entschuldige. Ich bin diesbezüglich wohl ein bisschen vergesslich.“ murmelte der Ältere kleinlaut: „Offensichtlich!“ erwiderte Stiles gutmütig und fragte dann: „Du weißt, dass du die Sache mit deiner Eifersucht in den Griff bekommen musst, oder?“ Derek nickte: „Ja weiß ich!“ „Du weißt auch, dass du bei mir in Sicherheit bist, richtig?“ fuhr Stiles fort: „Ich will niemals etwas tun, um dich absichtlich zu verletzen.“ Derek zuckte unglücklich mit den Schultern. Stiles seufzte. Das war wohl der größte Unterschied zwischen ihnen beiden, schoss es ihm durch den Kopf: Für ihn selbst war die Liebe noch neu und er ging ganz unbedarft an die ganze Sache heran. Derek hingegen, war `beschädigte Ware´. Sein Herz war schon einige Male gebrochen gewesen. Und abgesehen davon hatte er bisher nicht gerade die Art Leben geführt, die dazu einlud, sich vertrauensvoll in etwas Neues zu stürzen. Und plötzlich wurde Stiles klar, welch ein Wunder es war, dass Derek es mit ihm dennoch gewagt hatte. Er zog ihn noch ein wenig enger an sich heran und versicherte noch einmal: „Du bist sicher bei mir!“ Derek nickte und eine Weile später war er eingeschlafen. Die letzten Schultage waren eigenartig für Stiles und seine Freunde. Da sie wussten, dass es bald vorbei sein würde, war alles mit einem Mal bedeutungsvoll und emotional. Spinde wurden nach und nach abdekoriert und ausgeräumt, denn es wurde Zeit, sich Stück für Stück von hier aus der Schule zurückzuziehen, die so lange ein Teil ihres Lebens gewesen war, weil ihre Welt bald so viel größer werden würde. Das war ja auch schön. Aber es war auch absolut furchteinflößend! Doch genauso wichtig, wie es war, von hier zu verschwinden war es auch, irgendwelche Spuren zu hinterlassen; zu zeigen, dass sie hier gewesen waren und dass es die letzten Jahre wirklich gegeben hatte. Und so kam es auch, als Scott, Lydia, Danny und Stiles einmal Mittags am Schulschild, dem geheimen Eingang zum Hale-Verlies, ein Päuschen einlegten und Milchshakes tranken, dass Stiles plötzlich einen dicken schwarzen Filzstift zückte, seinen Namen seitlich an das Schild kritzelte und den Stift dann an Lydia weitergab. Sie tat es ihm gleich und auch die Anderen folgten ihrem Beispiel. Scott war der Letzte gewesen, der sich verewigte, doch etwas erschien ihm nicht richtig. Und schließlich schrieb er neben seinen Namen auch noch die von Isaac, Erica und Boyd. Daraufhin verlangte auch Danny noch einmal den Stift und fügte Ethans Namen hinzu. Lydia nickte, schnappte sich den Filzschreiber und ergänzte Allisons und Aidens Namen, wobei sie auf beide ì´s ein Herzchen malte. Während sie hier ihre Marke hinterließen, sprachen die Freunde kein einziges Wort und als es erledigt war und die Schulglocke sie zurück zum Unterricht rief, erhoben sie sich ganz einfach wieder und verschwanden schwermütig jeder für sich in die unterschiedlichen Richtungen. Endlich war der Tag des Abschlussballs gekommen. Stiles war den ganzen Tag über kribbelig gewesen, wie ein Ameisenhaufen und nun war er gemeinsam mit Loba bei seinem Dad zuhause. Das Mädchen würde heute bei ihrem Großvater übernachten, denn Derek hatte für später noch geheimnisvolle Pläne, über die er unverschämter Weise einfach nichts verraten wollte. Stiles kam aus der Dusche und blickte sich selbst im Spiegel an: blasse Haut, wahrlich keine Schönheit, nicht eben eine Sportskanone, also alles in allem wirklich nichts Besonderes, aber immerhin gefielen ihm seine eigenen breiten Schultern. Er rasierte sich heute besonders sorgfältig, bearbeitete seine Haare mit Gel und knetete und formte daran herum, bis er ein halbwegs zufriedenstellendes Ergebnis erzielt hatte. Er wollte gut aussehen für diesen Abend und für Derek; zumindest so gut, wie er eben konnte. Ein kleiner Spritzer von Dads Rasierwasser, nicht zu viel, um die Wolfsnase seines Liebhabers nicht überzustrapazieren und dann war er soweit. Er legte den Smoking mit Bedacht an, so als sei dieser eine Art religiöses Gewand für ein altertümliches Initiationsritual zum Übergang in das Erwachsenenleben. Mit dem Schlips gab er sich zwar alle Mühe, doch das Ergebnis machte Stiles dennoch nicht glücklich, also lief er die Treppe hinab und rief: „Dad? Kannst du mir helfen? Ich bekomme das mit dem blöden Ding einfach nicht hin!“ Als sein Vater ihn erblickte, schlich sich so ein eigenartiger Ausdruck auch dessen Gesicht: „Oh, nein, Dad! Du wirst doch jetzt nicht heulen, oder?“ rief Stiles unsicher: „Wenn du weinst, dann weine ich auch, hörst du?“ „Nein, geht schon wieder!“ behauptete der Sheriff tapfer: „Du siehst nur so...erwachsen aus. Verdammt, du bist überhaupt nicht mehr mein kleiner Junge, sondern ein richtiger, erwachsener Mann! Nicht mehr lange und du bist endgültig ausgezogen und vergisst deinen alten Vater. Du bist ja sogar jetzt schon öfter bei deinem Freund zuhause, als bei mir! Und bald beginnt das College.“ Nun rollte doch eine kleine Träne über die Wange von John Stilinski. Stiles wischte sie lächelnd mit dem Daumen fort und sagte: „Aber es musste doch irgendwann mal passieren, dass ich erwachsen werde, oder nicht Dad? Deswegen vergesse ich dich doch nicht und das ist auch kein Grund, um traurig zu sein. Du solltest stattdessen lieber eine Party feiern, weil du es zu guter Letzt doch noch geschafft hast, mich groß zu kriegen. Endlich ist dann niemand mehr da, um den du dir ständig Sorgen machen musst und der dir auf den Wecker geht.“ Der Sheriff lachte leise: „Ich werde mir immer Sorgen um dich machen, auch dann noch, wenn du selbst schon ein alter Mann sein wirst, denn ich kenne dich schließlich, Stiles. Du kannst deine Nase einfach nicht aus gefährlichen Dingen heraushalten!“ Zwinkernd fügte er hinzu: „Und aus diesem Grund wirst du mir auch IMMER auf den Wecker gehen!“ „Vermutlich!“ Gestand Stiles ein: „Aber sieh´ es doch mal so; wenn ich erst mal ausgezogen bin kannst alles machen, was du immer schon tun wolltest. Du könntest damit anfangen ein paar Frauenherzen brechen, dir ein gefährliches Hobby suchen, wie Bungee-Jumping oder Höhlenkletterei; du könntest an deinen freien Tagen nackt auf dem Sofa sitzen und Eistorte essen, ohne Angst haben zu müssen, dass ich plötzlich zur Tür hereinspaziert komme und dir einen Vortrag über das Diabetes-Risiko halte. Das wird der Hit, Dad!“ John Stilinski lachte: „Du hast zwar wirklich interessante Ideen, wie ich meine zweite Lebenshälfte verbringen sollte, aber ehrlich gesagt fand ich mein Leben eigentlich ganz schön, so wie es bisher war.“ Stiles grinste: „Also wenn du mit dem Thema Elternschaft immer noch nicht durch bist Dad, dann wüsste ich etwas.“ Erklärte er und deutete mit dem Kinn auf Loba, welche soeben mit mäßigem Erfolg damit beschäftigt war, die Schnürsenkel ihrer Turnschuhe zuzubinden, wobei sie leise und ungeduldig vor sich hin knurrte. Ihre Augen waren angestrengt zusammengekniffen und ihre Zungenspitze klebt in ihrem Mundwinkel. Irgendwann blickte sie zu den beiden Männern auf und quengelte: „Hilfe! Kaputt!“ Der Sheriff lachte: „Na komm´ her Spätzchen! Ich zeig´ dir noch einmal wie es geht.“ In diesem Moment klingelte es an der Tür. War es albern, dass Stiles jetzt Herzrasen bekam? Vermutlich! Und noch erbärmlicher war es wohl, dass Derek auf der anderen Seite der Tür es höchstwahrscheinlich deutlich hören konnte. Seltsamerweise wirkte Derek an diesem Abend schüchtern. Er begrüßte Stiles mit einem gehauchten Kuss auf die Lippen, lächelte leise, als er die schlecht gebundene Krawatte entdeckte und richtete sie unaufgefordert: „Du bist schön!“ flüsterte er Stiles ins Ohr: „Du brauchst wohl ´ne Brille, Hale!“ erwiderte er verlegen. Derek schüttelte leise lächelnd den Kopf. Dann nahm er eine der beiden vollkommenen dunkelroten Rosen, die er in seinem Knopfloch trug heraus, um sie Stiles anzustecken: „Du bist wirklich ein altmodischer Junge!“ kommentierte Stiles mit einem kleinen Lachen und nahm seinen Freund genau in Augenschein. Der Anzug, den er trug, sah teuer und maßgeschneidert aus. Das konnte zum Einen daran liegen, dass es tatsächlich so war, zum Anderen aber auch daran, dass an Derek eigentlich immer alles gut aussah: „Wenn ich mit dir heute da auftauche, werden sicher alle annehmen, ich hätte einen Haufen Kohle für deine Begleitung hingeblättert!“ murmelte Stiles: „Na besten Dank!“ erwiderte Derek mit einem schiefen Grinsen: „Ist das deine subtile Art mir mitzuteilen, dass ich wie eine Hure aussehe?“ Stiles schüttelte den Kopf: „Nein, das ist meine ungeschickte Art dir zu sagen, dass du wahnsinnig toll aussiehst und keiner mit nur ein bisschen Verstand glauben würde, dass jemand wie du sich tatsächlich dazu herablassen würde, sich freiwillig mit mir abzugeben.“ Derek schüttelte den Kopf und sagte sanft: „Wie ist es möglich, dass jemand, der so schlau ist wie du, so ein dummes Zeug erzählt?“ Sie gingen kurz hinüber ins Wohnzimmer, um sich von Stiles Dad und Loba zu verabschieden und dann erkundigte sich Derek: „Bist du bereit, Süßer?“ Stiles holte einmal tief Luft und nickte: „Auf in den Kampf!“ Ursprünglich hatte Stiles darüber nachgedacht, Loba zu seinem Abschlussball mitzunehmen und hatte sich schon ausgemalt, wie süß sie in einem Ballkleidchen aussehen würde, doch das hatte Derek vehement mit der Begründung abgelehnt , dass Stiles wenigstens EINEN perfekten Highschoolmoment haben sollte, wenn sein übriges Leben schon so unglaublich verrückt und außergewöhnlich war; ein Abend an dem er einfach bloß ein ganz normaler Teenager war, der eine ganz normale Highschoolsache tat. Vor dem Haus küsste Derek Stiles noch einmal und diesmal mit ein wenig mehr Leidenschaft und als Stiles in den Camaro einsteigen wollte, beeilte der Werwolf sich, um ihm die Tür zu öffnen. `Sein Freund war wirklich ein sehr altmodischer Junge!´ dachte Stiles belustigt. Sie fuhren nicht lange und bevor sie aus dem Wagen stiegen, wollte Stiles wissen: „Mit wem warst du eigentlich auf deinem eigenen Abschlussball. Mit einem Mädchen?“ „Ich war nicht dort!“ erwiderte Derek: „Paige war…“ er schluckte: „…sie war tot...und ich hatte nach ihr eine Weile keine Freundin. Ich war noch nicht wieder so weit.“ „Das waren dann ja fast drei Jahre, Derek!“ flüsterte Stiles traurig: „Deine ganze Jugend!“ „Ich binde mich eben nicht so leicht!“ erwiderte Derek schlicht. Stiles löste seinen Gurt und krabbelte hinüber auf den Fahrersitz, wo er auf Dereks Hüfte Platz nahm und sich zu einem Kuss zu ihm herunterbeugte: „Immer wenn ich denke, ich würde bereits alle Schichten deiner Traurigkeit kennen, dann kommt darunter noch eine weitere zum Vorschein!“ flüsterte er und legte seine Stirn an die des Werwolfs: „Entschuldige!“ gab Derek kleinlaut zurück. Stiles schüttelte den Kopf: „Nein, Derek! Entschuldige dich nicht dafür. Und hab´ keine Angst: Ich kümmere mich darum!“ Dann fragte er mit einem kleinen Grinsen: „Und? Bist du bereit für unseren Abschlussball?“ Derek nickte. „Hunger, Grandpa!“ erklärte Loba: „Das dachte ich mir.“ Erwiderte John Stilinski: „Was hältst du von hausgemachter Pizza?“ „Piz-za!“ wiederholte das Mädchen und folgte dem Sheriff in die Küche, wo dieser den bereits vorbereiteten Teig hervorholte, um ihn mit einem Nudelholz auszurollen: „Ich will auch!“ gab Loba bekannt und schnappte sich die Teigrolle, ohne eine Antwort abzuwarten: „O.K.?“ machte der Sheriff überrumpelt und begann nun damit, sich um die Beläge zu kümmern, die Stiles mit Sicherheit allesamt nicht gutgeheißen hätte, wegen Cholesterin, Darmkrebs, Skorbut oder was auch immer, doch Stiles war heute nicht da und darum konnte John seine Pizza belegen, mit was immer ihm auch gefiel. In diesem Fall waren es Zwiebeln und Dosentomaten, die als Alibigemüse herhalten mussten, sowie Hackfleisch, Salami, gebratene Hähnchenbruststreifen und mehrere Sorten Käse. Stiles mochten diese Zutaten vielleicht nicht gefallen, Loba hingegen schien sie zu lieben und wollte sich am liebsten gleich darüber hermachen. Es war gar nicht so leicht, ihr zu vermitteln, dass die Ingredienzien später auf der Pizza umso besser schmecken würden. Schließlich gelang es dem erfahrenen Vater, das kleine Werwolfsmädchen mit einem großen Schokokeks abzulenken und so das Pizzablech seiner Bestimmung im Ofen bei 225° Celsius zuzuführen. Derek und Stiles betraten die festlich geschmückte Turnhalle Hand in Hand und blickten sich scheu um. Die schummrige Beleuchtung, die laute Musik, die Diskokugel, die Lichtsprengsel in alle Richtungen warf, erschwerten im ersten Moment die Orientierung, bis sie beide ihre Namen hörten und dann auf einen Scott aufmerksam wurden, der wie ein aufgeregte kleiner Junge auf und ab sprang, was einen krassen Gegensatz zu seinem sehr erwachsenen Abendanzug darstellte. Das Paar lief zu Sott hinüber und dort befand sich auch der Rest ihrer Clique. Stiles musterte sie und stellte fest, dass sie alle großartig aussahen. Kiras Ballkleid war eher punkig als vornehm; vielfarbig, gemustert, mit einem Ballonrock. Sie sah bezaubernd darin aus. Lydias Begleiter war Parrish. Der schmale, junge Deputy wirkte elegant in seinem anthrazitfarbenen Anzug und Stiles hätte wetten mögen, dass Lydia ihn für ihn ausgesucht hatte. Die Erdbeerblondine selbst trug ein hellgrünes, schulterfreies, bodenlanges, ausgestelltes Taftkleid, das ihr offensichtlich Engel direkt auf den Leib geschneidert hatten. Sie sah darin aus wie eine Göttin und für einen kurzen Moment erinnerte sich Stiles wieder daran, warum er jahrelang wie besessen von ihr gewesen war. Danny hatte irgendeinen gutaussehenden Kerl dabei, den Stiles noch nie gesehen hatte und der vermutlich bloß ein Platzhalter war, bis Danny sich endlich mal wieder richtig verliebte. Malia war ohne Begleiter gekommen. Sie wirkte in ihrem engen, langen, dunkelblauen Seidenkleid ein wenig deplatziert, was nicht daran lag, dass es nicht gut an ihr ausgesehen hätte, oder ihre Vorzüge vorteilhaft hervorbrachte. Es machte ganz einfach den Anschein, dass sie lieber etwas getragen hätte, in dem sie sich bewegen konnte; etwas dass der wilden, kleinen Koyotin in ihr erlaubt hätte, sich auszutoben: „Du siehst heiß aus!“ sagte Stiles zu ihrer Begrüßung und erhielt ein geknurrtes: „Spar´s dir, Stilinski!“ zur Antwort. Seine Ex konnte mit Komplimenten scheinbar genauso schlecht umgehen, wie er selbst. Stiles lachte. „Und was nun?“ fragte Derek unbehaglich und schaute sie im Saal um: „Punsch!“ bestimmte Stiles Derek nickte: „Ich hol´ dir welchen!“ „Nein, du rosenverschenkender, autotürenaufhaltender Prinz. ICH werde DIR welchen holen.“ erklärte Stiles und küsste Derek, jedoch nicht, ohne sich hinterher nach allen Seiten zu versichern, wer sie beide dabei gesehen und etwas dagegen haben könnte. Überraschenderweise schien es jedoch überhaupt niemanden zu interessieren, wessen Lippen diejenigen von Stiles berührten, oder dass diese einem anderen Kerl gehörten. „Wirst du eigentlich auch mit mir tanzen?“ wollte Stiles eine Weile später von Derek wissen, als sie all´ ihren Freunden auf der Tanzfläche zuschauten, während sie selbst wie Mauerblümchen am Rand herumstanden. Der Werwolf sah unbehaglich aus, als er antwortete: „Ich tanze nicht!“ „Verstehe!“ machte Stiles enttäuscht, als er plötzlich von hinten an den Hüften gepackt wurde und eine, leider allzu vertraute Stimme verkündete: „Keine Sorge, Kleiner! ICH tanze mit dir!“ Peter war aus dem Nichts aufgetaucht und schleifte Stiles hinüber zur Tanzfläche. Dieser warf einen `Bitte-rette-mich-Blick´ zurück zu seinem Freund, der ihm mit einem hilflosen Achselzucken antwortete. „Was machst du hier, Peter!“ fragte Stiles also genervt, als er und der Werwolf miteinander tanzten. „Meine Tochter ist heute hier zum Schulball!“ lautete die fadenscheinige Antwort des Älteren: „Sicher!“ ätzte Stiles: „Das ist ja auch die normalste und gesündeste Sache der Welt; seine Tochter auf dem Schulball zu stalken, um dann ihren Exfreund gewaltsam zu nötigen, mit ihm das Tanzbein zu schwingen. Ich wette, wenn wir uns ein bisschen umschauen, finden wir hier dutzende Väter, die es ganz genauso machen, wie du.“ „Ja, das denke ich auch!“ gab Peter unbewegt zurück: „ Sieh´ nur der Kerl da drüben. Ich schätze, der hat die gleichen guten Absichten, wie ich!“ Stiles schüttelte grinsend den Kopf: „Das ist Mrs. Milton. Sie unterrichtet Feldhockey!“ „Oh!“ machte Peter und legte den Kopf schief: „Sicher? Mein Fehler!“ Er schlang die Arme noch ein wenig enger um Stiles, so dass dieser den Eindruck gewann, mit einer anhänglichen Anakonda zu tanzen und schnurrte: „Na, irgendwas musste ich mir doch einfallen lassen, um dich in deinem Smoking zu sehen, mein Schatz. Und ich muss sagen, ich kann verstehen, wie mein Neffe auf die Idee kommen konnte, sich gleich dort in der Boutique mit dir paaren zu wollen.“ Der Ältere ließ seine Hände Stiles Rücken hinab bis zu dessen Hinterteil gleiten. Stiles hingegen schnappte sich Peters Finger, schob sie umgehend wieder nach oben und versuchte dann erfolglos, sich loszumachen. Glücklicherweise war in diesem Moment Derek zur Stelle: „Darf ich abklatschen“ fragte er, doch es klang mehr nach einer donnernde Drohung, als nach einer höflichen Anfrage. Peter lächelte sein typisches, böses, kleines Lächeln und behauptete: „Aber sicher doch, Derek. Ich halte ihn doch bloß ein bisschen für dich warm.“ „Seltsam!“ wandte Stiles ein: „Davon merke ich überhaupt nichts. Mir gefriert hier nämlich gerade eher das Blut in den Adern!“ Bevor er verschwand, besaß Peter tatsächlich die Frechheit, Stiles auf die Stirn zu küssen. Derek fuhr die Klauen aus, doch Stiles legte ihm beschwichtigend die Hand auf den Oberarm: „Lass´ gut sein!“ flüsterte er:“ Er will dich doch bloß provozieren!“ Als Peter sich entfernt hatte, um nun seiner Tochter auf die Nerven zu gehen, blickte Stiles Derek erwartungsvoll an: „Also gut Süßer! Aber nur, weil du es bist!“ sagte dieser schließlich, nahm eine von Stiles Händen in seine und platzierte die andere sacht in seinem Rücken. Derek als Tanzpartner war das genaue Gegenteil von seinem Vorgänger. Stiles fühlte sich gehalten und sanft geführt, während sie sich ruhig und wie eins zur Musik bewegten. Er schmiegte sich an den Älteren und legte ihm den Kopf auf die Schulter: „Das ist schön!“ nuschelte er gegen den weichen Anzugstoff. „Stimmt!“ bestätigte Derek, lehnte seine Wange an Stiles Hinterkopf und schloss die Augen. Als eine Weile später Ballkönig- und Königin verkündet werden sollten, wurde Stiles tatsächlich doch ein wenig nervös und Derek drückte beruhigend seine Hand. Natürlich fiel Stiles Name in diesem Moment nicht; weder als König, noch als Königin, dafür aber etwas später, denn es gab noch etliche andere Nominierungen an diesem Abend: Das schönste Kleid, der beste Sportler und Dutzende weitere, tödlich langweilige Rubriken und dann war es so weit: Die Wahl des süßesten Paares des Abends ginge an Stiles Stilinski und seinen Begleiter, verkündete Greenburg, der Sprecher der heutigen Ballnacht asthmatisch und mit quietschender Stimme: „Schweineblut...“ flüsterte Stiles ängstlich doch Derek schüttelte energisch den Kopf, zog ihn hinter sich her zur Bühne und erwiderte: „Das ist Blödsinn, Stiles!“ Und dann standen sie da oben und Stiles warf einen Blick über die versammelten Anwesenden: Freunde, Bekannte, Lehrer, Leute, die ihm vage vertraut vorkamen, einzelne, scheinbar vollkommen Unbekannte, Widersacher und obendrein Peter Hale blickten ihn und Derek erwartungsvoll an. Und dann tat Derek etwas, womit Stiles im Leben nicht gerechnet hätte; er blickte ihm tief in die Augen, schlang die Arme um ihn und dann küsste er ihn innig und lang; vor der versammelten Schülerschaft und allen Anwesenden. Die erwartete, unangenehme Dusche blieb aus. Stattdessen applaudierte man ihnen und einzelne johlten sogar. Und weil Stiles es einfach nicht lassen konnte, seine vorlaute Klappe aufzureißen, schnappte er sich das Mikrofon von Greenburg und sagte: „Danke Leute! Vielen Dank! Verpasst nicht unsere Vorstellungen um zweiundzwanzig Uhr und um zweiundzwanzig Uhr dreißig! Und denkt dran: Ihr könnt uns auch buchen; zum Beispiel für Kindergeburtstage und Bar Mitzvahs!“ Unter dem brüllenden Lachen des Publikums stieg das Paar von der Bühne herunter und Derek kommentierte grinsend: „Du bist echt unmöglich Stilinski!“ Stiles grinste: „Und DU bist wahnsinnig mutig!“ dann forderte er: „Lass´ uns jetzt verschwinden, ja? Oder bringt das deinen Zeitplan durcheinander, für den geheimnisumwitterten weiteren Fortgang des Abends?“ Derek schüttelte den Kopf: „Nein, es passt perfekt!“ Sie verabschiedeten sich von allen; sogar von Peter und saßen einen Augenblick später nebeneinander im Auto: „Eigentlich sollte ich dir die Augen verbinden.“ stellte Derek fest, doch Stiles erwiderte kopfschüttelnd: „Sorry, das ist mir zu kinky! Außerdem würde ich dir dann auch ziemlich schnell auf´s Armaturenbrett kotzen. Kontrollfreak, weißt du? Ich muss sehen, wohin die Reise geht.“ Derek nickte. Sie fuhren eine ganze Weile durch die Nacht, ließen Beacon Hills hinter sich und zunächst hatte Stiles nicht den leisesten Schimmer, wohin sie wohl unterwegs sein mochten. Dann hielten sie vor einem Hotel, in dem Stiles schon einmal gewesen war: „Hier haben wir uns zum ersten Mal geküsst!“ stellte er überrascht fest. „Ja!“ gab Derek zurück, nahm Stiles bei der Hand und führte ihn hinein. Sie schritten die Treppen hinauf und Stiles bemerkte: „Es ist auch das gleiche Zimmer!“ Derek nickte und schloss die Tür auf. Drinnen gingen Stiles beinahe die Augen über. Derek musste am Nachmittag schon einmal hier gewesen sein, um alles vorzubereiten. Auf beiden Nachttischen standen Vasen mit wundervollen roten Rosen, die den Raum mit ihrem Duft erfüllten. Es waren genau dieselben, wie jene, die sie in ihren Knopflöchern hatten und verteilt auf dem Bett lagen die Blütenblätter von Dutzenden weiteren Rosen. Stiles nahm ein paar davon in seine Hand, schnupperte daran und um zu überspielen, wie überwältigt er war, kommentierte er flapsig: „Das ist total cheesy, weißt du das Hale?“ „Du findest es blöd!“ murmelte Derek mit hängendem Kopf. Sofort tat Stiles seine Bemerkung leid. Er küsste Derek und versicherte: „Es ist überhaupt nicht blöd! Es ist herzzerreißend schön und du weißt wie schlecht ich damit umgehen kann. Dann entdeckte Stiles den Sektkühler mit der Magnumflasche Champagner darin und er riss fragend die Augen auf: „Erzähl bloß deinem Vater nichts davon, denn du bist ja noch unter einundzwanzig. Wenn ich´s mir recht überlege, sollten wir ihn wohl besser zulassen.“ beeilte sich Derek zu sagen, doch in dem Moment hatte Stiles bereits den Korken geöffnet, setzte, die Sektflöten, die auf dem Tisch standen ignorierend, die große Flasche an und nahm einen tüchtigen Schluck: „Versuchst du denn wohl, mich auf diese Weise gefügig zu machen, Hale?“ fragte Stiles und legte verführerisch den Kopf schief: „Brauche ich dafür etwa jetzt schon Hilfsmittel?“ wollte Derek wissen und nahm die Flasche an sich, um selbst daraus zu trinken: „Tja, was soll ich sagen?“ gab Stiles frech zurück: „Das mit uns geht ja nun schon ein paar Monate, Baby. Der Lack ist ab!“ Mit diesem Worten löste er seine Krawatte und begann sehr langsam, die Knöpfe seines Hemdes einen nach dem anderen zu öffnen. Derek setzte sich auf das Bett und genoss die Show. Stück für Stück flogen die Kleider und schließlich trat Stiles an die Schlafstatt heran und verkündete: „Wir schulden diesem Zimmer noch etwas. Als wir das letzte Mal hier waren, hast du mich zurückgewiesen, erinnerst du dich?“ „Wie könnte ich das wohl vergessen? Denkst du etwa, mir wäre das leicht gefallen? Aber du warst noch minderjährig und es war das Richtige, es nicht zu tun!“ rechtfertigte sich Derek: Stiles küsste seine Nasenspitze: „War es nicht! Es hat mich damals beinahe um den Verstand gebracht und nun musst du es wieder gut machen, hörst du, Freundchen?“ „Zu Befehl!“ erwiderte Derek grinsend und schaute hinab auf Stiles Finger, die sich an seinen Hemdknöpfen zu schaffen machten. Diese ganze Nacht, der Ball, seine Freunde, tanzen mit Derek, ihre Ehrung vor Pubikum und alles was darauf folgte würde Stiles sein Leben lang als absolut vollkommenes Erlebnis in Erinnerung bleiben. Und der befürchtete `Carrie´-Moment, war einfach ausgeblieben. *`The Advocate´ ist eine große, queere amerikanische Zeitschrift, die alle zwei Monate erscheint. Kapitel 29: Bashed ------------------ „Wo ist er?“ schrie Derek außer sich. Scott war bleich wie eine dieser Krankenhauswände, konnte nicht antworten, weil seine Stimme ihm nicht gehorchen wollte, bedeutete dem Älteren lediglich mit der Hand, dass er ihm folgen solle. Sie gingen nicht, sie rannten die Flure des Krankenhauses entlang, als könnte das etwas an dem ändern, was Stiles zugestoßen war. Als sie sein Zimmer erreichten und hineinstürmten, fuhr ein Arzt sie an: „Was zum Teufel machen sie hier? Das hier ist eine Intensivstation und keine Sporthalle, meine Herren. Sind sie Familienangehörige? Wenn nicht, dann verschwinden sie gefälligst gleich wieder!“ „Es ist in Ordnung!“ wandte Melissa ein, die sich ebenfalls im Zimmer aufhielt. Sie deutete auf Scott und erklärte: „Das ist mein Sohn, der beste Freund des Patienten und bei ihm ist der Lebensgefährte des Verletzten!“ „Sie dürfen einen Moment bleiben!“ sagte der Arzt, der sich als Dr. Marshall vorstellte zu Derek: „Aber sie müssen gehen, Mr. McCall! Sie sind kein Familienmitglied und ein Krankenzimmer ist kein Rummelplatz!“ `Nein verflucht!´ wollte Scott ausrufen `Ich bin Familie! Ich bin sein Bruder!´, doch ein Blick in das Gesicht seiner Mutter ließ ihn stumm bleiben. Sie trat hinter ihn und drückte zärtlich seine Schulter: „Ist O.K. Junge!“ versicherte sie: „Du kannst hier nichts ausrichten und Stiles ist in besten Händen. Du kannst dich in den Wartebereich setzen. Ich komme dann später zu dir und erzähle dir, sobald es etwas Neues gibt.“ Scott nickte, legte noch einmal freundschaftlich eine Hand auf Dereks Rücken und warf einen letzten Blick auf seinen Freund in seinem Krankenbett, ehe er sich zurückzog. „Warum ist er nicht bei Bewusstsein?“ fragte Derek kläglich, mit tonloser Stimme und richtete einen trüben Blick vage in Melissas Richtung: „Was sollen die ganzen Schläuche und Maschinen? Ist das ein Koma?“ „Es ist ein künstliches Koma. Wir konnten nicht einschätzen, wie schwer die Kopfverletzungen deines Freundes sind und wollten nichts riskieren. Später wird ein MRT gemacht und dann wissen wir mehr.“ erwiderte Melissa sanft. Derek nickte abwesend. Dann traute er sich erstmals, Stiles wirklich anzuschauen, nicht bloß das Drumherum; das Krankenzimmer, die Maschinen, die Aussicht aus dem Fenster, sondern seinen Liebhaber, den irgendwelche Unmenschen brutal überfallen und zusammengeschlagen hatten und dessen schönes Gesicht nun grün-blau verfärbt, geschwollen und teilweise blutig war. Es sei ein `Hassverbrechen´ gewesen, vermute man, hatte der Sheriff zu Scott gesagt. Hassverbrechen! Derek wusste haargenau, was das übersetzt bedeutete. Man hatte Stiles wegen IHM verprügelt; weil sie beide sich liebten. Hier ging es einmal nicht um Werwölfe, Wendigos, Berserker, Kanimas, oder mit was auch immer sie sich über die Jahre herumgeschlagen hatten. Hier ging es zur Abwechslung einmal um menschliche Gewalt. Gegen einen anderen Menschen. Gegen Stiles! Es ging um Engstirnigkeit, Intoleranz und Grausamkeit! Derek schaute nun sehr genau hin, um zu ergründen, ob er etwas wahrnehmen konnte, was den Ärzten entgangen sein mochte. Der linke Arm war in Gips, doch die rechte Hand wirkte relativ unverletzt, also griff er sanft danach und verschränkte ihre Finger. Und weil der Doktor mit Melissa mittlerweile das Zimmer verlassen hatte, konnte Derek es wagen, seinen Wolfsblick anzuwenden. Er konnte die Wärmeunterschiede an Stiles Leib erkennen. Überall dort, wo Hitze war, gab es Prellungen oder Verletzungen und der Körper versuchte, mit Wärmeentwicklung und gesteigerter Blutversorgung, sich selbst zu helfen. Menschen waren einfach so zerbrechlich und überdies so wahnsinnig schlecht darin, wenn es darum ging, hinterher wieder zu genesen, dachte Derek bitter! Auch wenn ihm Stiles immer so unverwüstlich vorkam, mit seiner burschikosen Art und seiner riesigen, vorlauten Klappe, so war er doch auch bloß einer von ihnen, wurde Derek mit einem Mal mit Entsetzen klar. Er lauschte in Stiles Körper hinein, horchte auf die Organe und versuchte zu ergründen, ob sie alle noch ihre Funktion erfüllten. Beim Herzen verweilte er kurz. Es schlug kräftig und relativ regelmäßig, bis auf die charakteristischen Aussetzer und der Klang erschien Derek in diesem Moment wie die wundervollste Musik, weil er bedeutete, dass Stiles lebte. Zumindest im Augenblick! Am meisten ängstigte Derek der Kopf. Dieser hatte einiges abbekommen, soviel war klar; doch die Sinne des Werwolfes waren nicht fein genug, um ihm zu verraten, was im Inneren des Schädels vorging. Ein menschliches Gehirn war komplex und in seiner Funktion schwer zu ergründen. Und es war das, was einen Menschen ausmachte. Vielleicht würde Stiles nie wieder derselbe sein, schoss es Derek durch den Kopf. Sein Witz, sein Scharfsinn, sein Licht; sie wären möglicherweise für immer verloren. Derek schluckte, blickte hinab auf seine Hand, welche immer noch die von Stiles hielt und da wusste er es wieder! Er hatte es zwischenzeitlich verdrängt, weil er losgelassen hatte, glücklich gewesen war und es gar nicht wissen wollte, doch es war genau so, wie immer schon in seinem Leben: Alles, was er berührte, starb! Er war der Tod! Und er würde alles zurücknehmen; jeden Kuss, jede Berührung, jedes Mal, da sie miteinander geschlafen hatten, wenn es das ungeschehen machen könnte, was Stiles zugestoßen war. Er weinte und war sich doch gleichzeitig bewusst, wie sinnlos, erbärmlich und schwach das war. Doch er und Stiles waren allein im Zimmer und hier war niemand, der ihn dafür verurteilen konnte. Außer ihm selbst! Nach und nach fand sich das gesamte Rudel bei Scott im Wartebereich des Krankenhauses ein. Kira war die Erste. Sie küsste ihren Freund, nahm wortlos neben ihm Platz und griff nach seiner Hand. Liam hatte Mason mitgebracht. Die beiden Jungs wirkten unbeholfen und betroffen. Sie setzten sich Scott gegenüber, ließen die Köpfe hängen und warteten auf die Dinge, die da kommen mochten. Als Malia eintraf hatte sie offensichtlich eine Stinkwut im Bauch. Sie knurrte zur Begrüßung: „Ich reiße die Kerle in Stücke, die das getan haben. Ich mache Konfetti aus ihnen. Nicht einmal ihre eigene Mutter wird sie noch erkennen, wenn ich mit ihnen fertig bin!“ Sie stapfte zornig auf und ab. Danny kam in Begleitung von Lydia und alle starrten die Banshee ängstlich und erwartungsvoll an, bis sie schließlich sagte: „Ich weiß auch nicht mehr als ihr, verdammt! Ich hoffe nur, dass das bedeutet, dass Stiles Leben wird.“ Peter war der Letzte und er hatte Loba dabei: „Warum hast du sie mitgebracht? Derek wollte das Mädchen erst einmal aus allem heraushalten, um sie nicht zu ängstigen!“ sagte Scott vorwurfsvoll: „Das ist Pferdescheiße!“ bellte Peter: „Sie spürt doch, dass etwas los ist, also kann sie auch dabei sein. Hier hat sie wenigstens ihr Rudel um sich, das auf sie acht geben kann. So, und jetzt will ich genau wissen, was passiert ist.“ Also berichtete Scott. Stiles war mit Derek in der Mall gewesen. Dort mussten die Angreifer die beiden wohl beobachtet haben, hatte der Sheriff vermutet. Nachdem Derek sich von Stiles verabschiedet hatte, hatte dieser auf dem Parkdeck auf Scott gewartet, wo sie verabredet gewesen waren. Dort hatte der Überfall stattgefunden.Und dort hatte der Alpha seinen Freund dann auch gefunden; blutend und bewusstlos. Ein Angriff am helllichten Tag und keine Zeugen, keine Verdächtigen, keine Festnahme! Sheriff Stilinski hatte am Tatort bleiben müssen, um zu ermitteln, also war Scott es gewesen, der Stiles im Krankenwagen begleitet und danach per SMS alle informiert hatte. Der junge Alpha ballte die Fäuste, während er berichtete. „Wo ist sein Zimmer?“ verlangte Peter zu wissen: „Sie lassen dich nicht zu ihm!“ gab Scott zurück: „Nur Familie! Mich haben sie auch schon hinausgeworfen. Derek ist bei ihm.“ „Das werden wir doch mal sehen!“ erwiderte Peter: „Und jetzt sag´ mir die verdammte Zimmernummer!“ Scott zuckte mit den Achseln und gab sie ihm, weil ihm die Energie für den Widerstand fehlte. Derek, seine Mum, oder das Krankenhaussicherheitspersonal würden sich schon darum kümmern, wenn Peter sich nicht benahm. „Was willst du hier, Peter?“ fragte Derek, der sich mittlerweile einen Stuhl an Stiles Bett gezogen hatte und hob matt den Kopf, welcher bis gerade eben auf der Bettkante gelegen hatte: „Sie sagen, Stiles bräuchte Ruhe. Er ist nicht in der Verfassung, um hier jede Menge Besucher zu empfangen.“ Peter warf einen Blick auf den Verletzten und schüttelte den Kopf: „So ein Blödsinn! Schau dir unseren Jungen an! Sie Haben ihn so sehr mit Medikamenten vollgepumpt, dass er es nicht einmal mitbekommen würde, wenn wir ihn in seinem Krankenbett zum Mardi Gras oder zum Karneval in Rio mitnehmen würden!“ Dann wollte Peter wissen: „Was haben die Ärzte gesagt? Was ist mit Stiles? Wann wird er wieder gesund?“ Derek sah jung und verletzt aus, als er antwortete: „Sie wissen es noch nicht. Sie...sie können nicht sagen, ob...“ seine Stimme versagte: „Sie holen ihn bald zum MRT. Es ist sein Kopf, weißt du?“ „Hör zu, Derek!“ sagte Peter streng: „Stiles schafft das! Er ist das zähste menschliche Wesen, dass ich kenne!“ Der Ältere streichelte das Gesicht des Bewusstlosen sacht mit Zeige- und Mittelfinger und Derek ließ ihn gewähren: „Es ist meine Schuld!“ verkündete Derek unvermittelt. Peter blickte ihn verständnislos an: „Wie bitte? Wovon sprichst du bitte? Hast DU ihn etwa verprügelt?“ Derek schüttelte, entsetzt von der Vorstellung heftig den Kopf: „WAS? NEIN! Natürlich nicht. Ich würde nie...!“ Er schluckte: „Nein, es ist meine Schuld, weil diese Kerle gesehen haben müssen, wie Stiles und ich uns geküsst haben. Deswegen haben sie ihm das angetan!“ Peter stöhnte genervt: „Nein, Neffe! Ich weiß, du liebst Schuld und du badest dich nur zu gern darin, aber hierfür kannst du nun wirklich nichts, verflucht! Diese Kerle haben Stiles das angetan, weil manche Menschen einfach so sind: Sie hassen aufgrund von Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder aus irgendeinem anderen bescheuerten Grund, weil es nämlich ihre erbärmliche Existenz ein bisschen erträglicher macht, ihren Selbsthass auf Andere zu projizieren. Ich weiß, wovon ich rede, denn mit Hass kenne ich mich aus!“ Peter nahm auf Stiles Bettkante Platz und blickte noch eine Weile auf den Verletzten hinab. Schließlich verkündete er: „Weißt du was? Ich verschwinde wieder! Ich kann Krankenhäuser nicht leiden; schließlich habe ich sechs lange Jahre in einem zugebracht, als ich im Koma lag. Außerdem habe ich Besseres zu tun, als hier herumzuhängen und zu warten, ob unser Schneewittchen noch einmal aufwacht oder nicht! Ruf´ mich an, wenn du weißt, was bei dem MRT herausgekommen ist! Ciao!“ Derek blickte ihn ungläubig an. Wie konnte Peter bloß so gleichgültig sein, wo er Stiles doch angeblich so abgöttisch liebte? Das war wieder einmal typisch für seinen Onkel. Jetzt wo die Möglichkeit, Stiles vielleicht doch eines Tages flachlegen zu können in weite Ferne gerückt war; wo von Stiles möglicherweise nicht sehr viel mehr übrig war, als ein körperlich und geistig dauerhaft schwer geschädigtes Wrack, verlor Peter das Interesse. Und es würde nicht lange dauern, bis er sich etwas Neues gesucht hätte; das seine Aufmerksamkeit fesselte; dessen war Derek sich sicher: „O.K., dann verschwinde doch, aber verrate mit zuerst, wo unsere Tochter ist“ sagte er böse: „Du solltest schließlich auf sie aufpassen. Du hast Loba doch nicht etwa irgendwo allein gelassen, oder?“ Peter schüttelte ärgerlich den Kopf: „Na sicher doch, Neffe! Ich habe sie im Tierheim abgegeben.“ Er knurrte:“Was denkst du denn von mir? Loba ist vorne bei meiner Tochter und deinem Alpha und es geht ihr gut.“ Mit diesen Worten wandte er sich um und verschwand. Endlich hatte John Stilinski sich im Revier loseisen können, um nun nach seinem Jungen im Krankenhaus zu sehen. Ihm war schlecht bei dem Gedanken daran, wie es Stiles mittlerweile gehen mochte. Im Wartebereich fand er zunächst einmal dessen Freunde inklusive seiner Enkelin, die aufgeregt in seine Arme sprang, als sie ihn kommen sah: „Grandpa!“ rief das Mädchen: „Daddy? Daddy WO?“ Der Sheriff fing das Kind auf und hob es hoch. Sie schlang sogleich Arme und Beine um ihn, schmiegte ihr Köpfchen in seine Halsbeuge und jammerte wieder: Daddy! Daddy wo?“ John hielt Loba ganz fest und flüsterte: „Ist gut, Spätzchen! Grandpa ist doch jetzt da!“ Er wiegte sie ein wenig, streichelte ihr Haar und küsste sie auf Wange und Stirn. Dann wollte er von Scott wissen: „Was macht Loba hier? Ich dachte, Peter würde auf sie aufpassen. Wo steckt dieser Kerl?“ „Er hat sie hier bei uns abgeladen, wollte wissen was passiert ist, hat kurz nach Stiles gesehen und ist dann einfach abgehauen. Er hat nicht gesagt, wohin er wollte.“ Der Sheriff nahm es zunächst zur Kenntnis, doch irgendwas an diesen Worten machte ihn stutzig, auch wenn er in diesem Moment nicht den Finger darauf legen konnte, was es war. Er setzte Loba auf Scotts Schoß und machte sich auf, um seinen Sohn zu sehen. „Oh, Himmel!“ rief Stilinski aus, als er ins Patientenzimmer trat und sah, in welch erschreckendem Zustand Stiles war. Derek erhob sich, doch anstatt den Sheriff zum Beispiel mit einer Umarmung oder einem Handschlag zu begrüßen, blieb er unbehaglich in seiner Ecke des Raumes stehen: „Es tut mir leid, John!“ Murmelte Derek. Der Sheriff schenkte ihm einen fragenden Blick und so erklärte der Werwolf: „Als Stiles und ich ein Paar wurden, habe ich dir versprochen, dass ich auf ihn aufpassen würde. Ich habe versagt! Es tut mir so wahnsinnig leid!“ John Stilinski runzelte die Stirn: „Was ist denn das für ein Quatsch, Junge? Denkst du, ich hätte erwartet, dass du rund um die Uhr bei ihm bist, um jedes Unheil von Stiles fernzuhalten? Mein Sohn würde so etwas doch auch niemals erlauben. Er braucht seine Unabhängigkeit! Der Überfall geschah mitten am Tag an einem öffentlichen Ort. Niemand hätte mit so etwas rechnen können.“ Derek zuckte fahrig mit den Schultern: „Ich will nur dass du weißt, dass ich meine Beziehung mit Stiles beenden werde, falls...“ er schluckte: „Ich meine, WENN er wieder gesund wird. Ich werde ich mit ihm Schluss machen.“ Der Sheriff starrte den Werwolf fassungslos an: „WIE BITTE? Was soll das, Derek? Was redest du denn da?“ „Stiles wurde überfallen, weil er mich liebt. So etwas werde ich nicht noch einmal zulassen!“ sagte der Werwolf fest. John Stilinski schüttelte den Kopf: „Bisher habe ich dich immer verteidigt, wenn mein Sohn zu mir gekommen ist und gesagt hat, du seist ein sturer Esel mit eigenartigen Vorstellungen von Anstand und Moral, doch wie ich sehe hatte er recht! Du redest kompletten Blödsinn, Derek. Du beherrschst das Schicksal doch nicht. Niemand von uns tut das! Wenn du eure Beziehung beendest, dann erreichst du damit nur das Eine, nämlich dass ihr beide unglücklich werdet. Und Stiles sucht sich dann vielleicht irgendwann den nächsten Kerl.“ Der Sheriff legte Derek väterlich die Hand auf die Schulter: „Das was heute geschehen ist, war einfach Pech. Stiles ist zur falschen Zeit den falschen Leuten begegnet. Man kann diese Dinge manchmal nicht verhindern. Du tust meinem Jungen gut, Derek. Noch nie zuvor habe ich ihn so ausgeglichen und zufrieden erlebt, wie jetzt, wo er mit dir zusammen ist. Also sei kein Idiot!“ Derek schluckte und murmelte mit brüchiger Stimme: „In Ordnung. Danke John!“ Loba war blass und nervös. Sicherlich verstand sie nicht, was passiert war, doch dass ihr bewusst war, dass etwas nicht stimmte war mehr als deutlich und darum wollte Scott versuchen, sie ein wenig aufzumuntern, denn schließlich gehörte auch das zu seinen Aufgaben als Alpha; dafür Sorge zu tragen, dass es dem Nachwuchs gut ging. Er nahm sie also bei der Hand und führte sie zum Snackautomaten: „Schau´ mal Engelchen. Magst du etwas etwas Süßes?“ Wollte er wissen. Das Mädchen blickte in die kleinen Fensterchen des Automaten, dann griff sie mit den Fingern danach, suchte den Zugang und weil ihr Geduldsfaden im Augenblick sehr kurz war, war sie schnell dabei zu versuchen, die gesamte Maschine umzustürzen, während Scott noch nach seiner Geldbörse in der Tasche seiner Jeansjacke kramte: „Hey, hey Mäuschen!“ sagte er schnell: „Du bist wirklich die Tochter deines Vaters, wie? Der hat das auch schon einmal gemacht. Aber es gibt einen besseren Weg, an die leckeren Sachen heranzukommen.“ Er nahm das Mädchen auf den Arm, damit sie auch sehen konnte, was weiter oben angeboten wurde und fragte dann: „Und was willst du jetzt haben? Zeig´ mit dem Finger drauf´!“ Scott machte es ihr vor. Schließlich hatte Loba ihre Auswahl getroffen. Scott holte zwei Dollarnoten hervor und drückte die entsprechenden Zahlenkombinationen. Sie kehrten zum übrigen Rudel zurück und Loba wurde mit ihren Schokodragees und den Lakritzschnüren, die sie erhalten hatte in die Kinderecke zu den Spielsachen und Bilderbüchern gesetzt. Sie kaute eher halbherzig auf ihren Süßigkeiten herum und hatte in diesem Moment kein Interesse an den Bilderbüchern. Stattdessen schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Das Krankenhaus war voll von Geräuschen, voll von Menschen, doch sie suchte nur nach einem ganz bestimmten Klang, nämlich nach einem ganz charakteristischen Herzschlag, der von ADHS-Medikamenten gelegentlich aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Selbst für eine junge Werwölfin mit ausgezeichneten Ohren wie den ihren, war es schwer, in diesem Durcheinander das Gewünschte auszumachen, doch dann hatte sie schließlich geortet, wonach sie suchte. Loba vergewissert sich, dass im Augenblick niemand auf sie achtete und dann schlich sie sich davon. Keiner achtete auf die Zwölfjährige, die allein durch die Krankenhausflure lief und sich dann sogar auf die Intensivstation stahl. Loba fand das Zimmer, öffnete die Tür, doch auf den Anblick, der sie erwartete, war sie nicht gefasst. Derek und John schreckten zusammen, als sie das markerschütternde Heulen, halb verwundeter Werwolf, halb verlassener Säugling hörten, welches Loba ausstieß, als sie ihren Daddy schwer verletzt und ohne Bewusstsein in seinem Bett liegen sah. Derek griff sich das Mädchen rasch, nahm sie hoch und presste sie fest an sich, um sie zu beruhigen und der Sheriff fluchte: „Verdammt! Was macht sie hier? Hat dieses Mädchen denn noch nicht genug durchgemacht? Warum haben diese Kinder denn nicht besser auf sie aufgepasst?“ Natürlich rief der Lärm, den Loba verursachte das Krankenhauspersonal auf den Plan. Melissa und Dr. Marshall kamen hereingestürmt und der Arzt schimpfte: „Was ist denn hier los, zum Teufel? Wer ist dieses Kind? Bringen sie es zum Schweigen, Mann! Sagen sie ihr, dass sie ruhig sein muss!“ „Sie ist unsere Pflegetochter. Sie hat uns irgendwie hier gefunden. Sie kann nicht sprechen und versteht nicht, was hier vorgeht!“ rechtfertigte sich Derek eilig, doch der Doktor zeigte wenig Verständnis und forderte: „Schaffen sie den kleinen Schreihals hier raus, aber sofort!“ Dr. Marshall streckte die Hand nach Loba aus, doch Derek schüttelte ihn ab, als sei er nichts weiter als eine lästige Fliege: „Rühren sie sie nicht an!“ befahl er und klang mehr wie ein Werwolf, als wie ein Mensch. Der Arzt wich erschrocken zurück doch nun mischte sich der Sheriff ein und versicherte: „Wir haben alles im Griff, Sir! Ich bin der Vater des Opfers und wie sie sehen, der Sheriff dieser Stadt.“ Er deutete auf seinen Stern: „Wir bringen meine Enkelin gleich zur Ruhe. Geben sie uns einen Moment!“ Melissa nickte zur Bestätigung und zog Dr. Marshall am Ärmel aus dem Zimmer. „Was war das?“ fragte Marshall vor der Zimmertür. Melissa lächelte beschwichtigend und antwortete: „Mr. Hale hat ein etwas aufbrausendes Temperament, aber es ist nichts,was ihnen Sorgen machen müsste. Die Familie kriegt die Situation da drinnen in den Griff!“ Der Arzt schenkte der Krankenschwester einen zweifelnden Blick. Lobas Klagen war kaum leiser geworden. Außerdem wollte sie mittlerweile mit Fängen und Klauen auf Derek losgehen, weil der sie daran hinderte, zu Stiles zu gelangen, bis John sagte: „Lass´ sie, Derek! Sie wird vorsichtig sein. Lass´sie zu ihrem Vater!“ Derek blickte den Sheriff unsicher an, ehe er das Mädchen absetzte, sie jedoch weiterhin fest an der Hand behielt. Sie schrie nicht mehr, doch versuchte nun, Derek hinter sich her zu ziehen, um endlich zu Stiles zu gelangen. Dieser erlaubt ihr nun ganz langsam, sich zu nähern. Als sie nun endlich nah genug an ihren Vater herankam, um ihn zu berühren, verhielt sie sich tatsächlich ganz sanft und bedächtig, wie es der Sheriff prognostiziert hatte. Loba verwandelte sich und schnupperte. Dann begann sie mit den Fingerspitzen sehr zart die unverletzten Bereiche von Stiles Körper zu streicheln, während riesige Tränen still über ihre Wangen kullerten: „Ich könnte meinen Onkel erwürgen, dafür dass er Loba einfach hier abgeladen hat, um dann zu verschwinden und sich irgendwo anders zu amüsieren. So etwas ist selbst für jemanden wie ihn schwach!“ schimpfte Derek und legte behutsam von hinten die Arme um sein kleines Mädchen. Und in diesem Augenblick fiel beim Sheriff endlich der Groschen: „Dieser verdammte Mistkerl!“ rief er aus. Derek blickte sich überrascht zu ihm um und John fuhr fort: „Oh, verdammt! Ich muss los und deinen Onkel finden, ehe es zu spät ist!“ Einen Augenblick wirkte der Werwolf verwirrt, doch dann trat ein Ausdruck der Erkenntnis in seinen Blick: „Du glaubst doch nicht wirklich, dass Peter das tun würde?“ „Doch, genau das glaube ich!“ erwiderte der Sheriff. „Ich muss ihn aufhalten! Ruf´ mich sofort an, wenn es etwas Neues gibt oder das MRT-Ergebnis vorliegt.“ Peter hatte den Platz auf dem Parkdeck, wo der Kampf stattgefunden hatte schnell gefunden. Der Geruch des Blutes wies ihm den Weg. Er kniete sich hin, schloss die Augen und konzentrierte sich. Angst! Bosheit! Verzweiflung! Stiles hatte scheinbar versucht, sich zu wehren, denn sein Blut war nicht das Einzige, welches sich am Tatort befand. Peter war stolz auf ihn! Der Werwolf nahm den Geruch des Blutes, des Adrenalins und des Schweißes von drei weiteren Personen wahr. Er prägte sie sich genau ein. Er spürte dieses altbekannte Beben in seinem Körper. Sein innerer Dämon erwachte und verlangte nach Rache. Er war nun ganz und gar Raubtier und er war auf der Pirsch. Ganz gleich, wie sehr Peter sich bemühte, es zeigte sich schnell, dass es unmöglich war, der Spur in der belebten Mall zu folgen. Zu viele Menschen hatten zuvor und seitdem ihre Duftmarken verteilt. Hinzu kamen die Gerüche, die hier ohnehin in der Luft lagen; von Imbissbuden; Restaurants, Parfümerien und so weiter. Und so blieb Peter nur Plan B: Er würde so lange suchen, bis er die Schuldigen gefunden hatte. Er hatte Geduld! Früher oder später würde er sie richten für das, was sie getan hatten. Es spielte keine große Rolle, ob sie noch einen Tag mehr oder weniger zu leben hätten. Doch heimlich hoffte er natürlich doch, dass diese Schweine noch irgendwo in der Nähe wären. Peter durchkämmte die Mall systematisch Stockwerk für Stockwerk, Geschäft für Geschäft. Hier und da nahm er den Geruch der Täter deutlich wahr. Scheinbar handelte es sich um Kids, die sich häufig hier aufhielten, wahrscheinlich irgendwelche arbeitslosen, perspektivlosen, von Selbsthass zerfressenen Arschgeigen, die nichts zu tun und daher die Freiheit hatten, in diesem Tempel des Kapitalismus ihre Lebenszeit zu verplempern, sich mit kleinen Ladendiebstählen zu amüsieren und hin und wieder jemanden zusammenzutreten, dessen Nase ihnen nicht passte. Peter lächelte. Es war nur eine Frage der Zeit! Der Sheriff kehrte an den Tatort zurück und die Blutlache trieb ihm einen kurzen Moment lang die Tränen in die Augen, als er sich bewusst machte, dass es das Blut seines Sohnes war. Hier hatte Stiles um sein Leben gekämpft, war unterlegen und nun hing sein Schicksal in der Schwebe. John holte tief Luft und rang um Fassung. Natürlich war Peter nicht mehr hier, doch er würde ihn finden. Oder er würde es zumindest versuchen, auch wenn ihm sämtliche werwölfischen Sinne fehlten, die hier ein klarer Vorteil wären. Peter war einer vielversprechenden Duftspur vor die Mall gefolgt. Draußen dämmerte bereits der Abend herauf. Der Werwolf spitzte die Ohren und schließlich hörte er sie: Drei Stimmen und raues Gelächter ertönten aus einer Gasse zwischen Mall und Parkplatz. Und sie prahlten damit, wie sie die kleine Schwuchtel fertig gemacht hatten. Peter schmunzelte in sich hinein. Party! Der Sheriff war schon kurz davor gewesen, seine Suche aufgeben zu wollen. Vielleicht hatte er sich das alles ja auch bloß eingebildet. Vielleicht war es Peter ja auch wirklich scheißegal, was Stiles zugestoßen war und er saß zuhause, mit einer Hand in der Hose und zog sich Pornos rein? John befand sich bereits auf dem Rückweg zu seinem Dienstwagen, als er die Kampfgeräusche hörte. Zwei der miesen Punks lagen bereits bewusstlos am Boden. Dafür hatte es wirklich nicht viel gebraucht. Peter hatte sich ihre Köpfe gegriffen und sie gegeneinander geschlagen. Der Dritte hatte versucht, abzuhauen, schreiend wie ein Baby, als er den Werwolf sah, doch Peter hatte ihn mühelos eingeholt, hob ihn nun über seinen Kopf und warf ihn mit Wucht gegen eine der Hauswände. Keiner der drei rührte sich nun noch. Peter blickte zufrieden auf sein Werk hinab und hatte beschlossen, es seiner Beute nicht zu leicht zu machen. Sie würden langsam sterben. Er musste sich nur überlegen, wie er sie ungesehen in sein Auto und von hier fort bekam. Der Werwolf hatte sich ewig nicht mehr so lebendig gefühlt und befand sich im absoluten Machtrausch. Nur so war zu erklären, dass er die Schritte nicht wahrgenommen hatte, die sich ihm von hinten genähert hatten. Aber er spürte sehr wohl den Lauf der Waffe an seinem Hinterkopf: „Hören sie auf Hale! Sie werden sie nicht töten. Ich übernehme ab hier!“ Peter drehte sich sehr langsam zum Sheriff um und dieser erschrak ein wenig beim Anblick des Werwolfs. Dies war nicht die normale Betaform, die er früher schon gesehen hatte. In diesem Moment war Peter weit mehr Wolf, als Mensch. Ihm spross Fell im Gesicht und am Körper, ein Mund war eine Schnauze und seine Augen funkelten leuchtend blau. Der Werwolf grollte bedrohlich und kam beinahe unmerklich immer näher. Der Sheriff schluckte: „ES IST MEIN SOHN, DER DA IM KRANKENHAUS LIEGT UND UM SEIN LEBEN KÄMPFT!“ sagte er eindringlich: „Denken sie nicht, das ich diese Kerle auch gern tot sehen wollte?“ Peter verwandelte sich schleichend wieder in einen Menschen und antwortete dann bedrohlich leise: „Drehen sie sich einfach um und tun sie so, als hätten sie mich nie gefunden Sheriff. Ich erledige das hier. Man wird niemals eine Spur von diesen Clowns finden. Sie werden ihre Strafe erhalten und weder sie, noch die Gerichte müssen sich mit ihnen herumärgern. Da war ein kurzes Zögern; Peter hatte es deutlich wahrgenommen, doch dann schüttelte John Stilinski energisch den Kopf. Seine Waffe war immer noch auf Peters Schädel gerichtet: „Nein! Diese Männer werden dem Gesetz übergeben. Ich werde jetzt meine Kollegen anrufen. Sie haben zwei Möglichkeiten, Hale: Entweder sie verschwinden und ich halte ihren Namen aus der Sache heraus, oder ich werde sie auch mit auf´s Revier nehmen. Der Sheriff wusste, dass er gar nichts in der Hand hatte. Peter war ihm in wirklich allen Punkten überlegen, er war schneller, stärker und gewissenloser. Wenn er es gewollt hätte, wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, den Gesetzeshüter zu überwältigen. Seltsamerweise tat er es nicht. Er nickte kaum merklich, sprang dann mit einem gewaltigen Satz über den hohen Zaun und war verschwunden. John wischte sich den Angstschweiß von der Stirn und rief über sein mobiles Funkgerät Verstärkung. Während er auf seine Mitarbeiter wartete, klingelte sein Handy. Auf dem Display erschien Dereks Name. Kapitel 30: Die „Vater-des-Jahres-Plakette“ ------------------------------------------- Peter blickte hinab auf seine Hände. Die Krallen wollten sich einfach nicht zurückziehen. Er bebte noch immer. Da war die Jagd gewesen, die Beute, doch nicht die Tötung. Der Werwolf hörte das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Gerade hatte Derek angerufen. Es war ein kurzes Gespräch gewesen; eine knappe Mitteilung: Der Schädel sei nicht gebrochen und es gäbe dennoch eine leichte Hirnschwellung. Stiles müsse noch eine Weile im Krankenhaus verbleiben. Eine Prognose, ob er einen dauerhaften Hirnschaden zurückbehalten würde, könne man jetzt noch nicht geben. Peter bedankte sich für die Information und legte auf, ganz so, wie ein zivilisiertes Wesen es tun würde. In Wirklichkeit jedoch war er wie im Fieber. Sein Wolf und der Mensch lagen miteinander im Kampf. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, setzte Peter sich ins Auto und fuhr weit hinaus ins Beacon Hills Resevat, zu einem Ort, wo er mit Sicherheit keinem anderen Menschen begegnen würde. Dort ließ er seinen Wagen zurück, entkleidete und verwandelte sich und dann rannte er los. Er hatte kein Ziel vor Augen. Stiles Freunde saßen immer noch mit angespannten Gesichtern im Wartebereich. Derek und Loba waren auch wieder bei ihnen. Das Kind hatte die Arme eng um den eigenen Körper geschlungen und wiegte sich selbst. Sie ließ niemanden an sich heran, wollte keinen Trost und knurrte, wenn man sie berührte. Derek hielt sich ganz in ihrer Nähe, um zu zeigen, dass er da war, doch er respektierte ihr Bedürfnis nach Rückzug, denn es war wirklich etwas, was er nachfühlen konnte. Wenn er in diesem Moment allein nach seinem Gefühl gehandelt hätte, dann wäre er jetzt bestimmt nicht hier in einem grell beleuchteten Krankenhausflur unter so vielen Menschen, sondern irgendwo da draußen in der modrigen Finsternis und würde den Mond anheulen: ein Klagelied für seinen verwundeten Gefährten! John kehrte eine Weile später ins Krankenhaus zurück, um von der Festnahme zu berichten, doch nur Derek gegenüber verriet er die Wahrheit über die Beteiligung von dessen Onkels. Die offizielle Version, die der Sheriff auch zu Bericht gegeben hatte lautete, er habe einen anonymen Tipp bekommen und dann die bewusstlosen Täter aufgefunden. Glücklicherweise waren die Aussagen der drei Schläger darüber, wer sie so zugerichtet hatte derart unglaubwürdig, dass nichts auf Peter Hale schließen ließ und schon gar niemand auf die Idee kommen würde, anzunehmen, es sei der Sheriff selbst gewesen, um Rache für seinen Sohn zu nehmen. Zwei der Kerle behaupteten allen Ernstes, ein hundegesichtiger Kerl, mit Krallen und Reißzähnen habe sie attackiert, während der dritte aussagte, es sei ein Terminator aus der Zukunft gewesen. Als man ihnen später im Krankenhaus Blut abgenommen hatte, stellte man darin verschiedene Partydrogen und eine gehörige Dosis THC fest. Johns Blick fiel auf seine Enkelin: „Was ist mit ihr?“ wollte er von Derek wissen: „Soll ich sie mit nachhause nehmen? Es ist spät! Sie sollte zu Abend essen und dann ins Bett, oder nicht?“ „Lassen wir sie noch eine Weile hier.“ Entschied Derek: „Sie bringen Stiles gleich in sein Zimmer zurück. Loba sollte ihn wenigstens noch einmal sehen.“ Zwanzig Minuten später stand das Mädchen ein weiteres Mal am Bett ihres bewusstlosen Herzensvaters, starrte ihn an und rührte sich nicht. Schließlich traf Loba eine Entscheidung: Sehr vorsichtig kletterte sie neben Stiles in das Krankenbett und streckte sich aus. Schmal wie sie war, hatte sie dort genügend Platz: „Wach auf, Daddy!“ flüsterte sie leise und schmiegte sich vorsichtig an ihn. Ein wenig mulmig war Derek schon zumute, denn er fürchtete, dass sie Stiles unabsichtlich weh tun könnte, doch er hielt sich zurück und ließ das Kind gewähren. Er und der Sheriff hielten sich im Hintergrund und nahmen auf zwei Stühlen Platz. Nach einer halben Stunde bestimmte Derek: „Sie sollte jetzt wohl wirklich gehen. Kannst du sie über Nacht zu dir nehmen, John?“ Der Sheriff nickte und versuchte nun, Loba zu überreden, ihm zu folgen. Natürlich weigerte sie sich und der Sheriff versuchte es mit Versprechungen: „Komm´ schon, kleine Maus! Wir werden Cartoons schauen und deine Lieblingspizza essen; die mit den Pilzen, ja? Bist du denn gar nicht müde? Na komm!“ bettelte er, doch das Kind weigerte sich und schließlich verlor Derek, der ohnehin schon mit den Nerven am Ende war die Geduld und er bediente sich weniger sanfter Mitteln. Er verwandelte sich und knurrte: „Hör auf mit dem Quatsch und geh´ mit deinem Großvater, verdammt!“ Loba sprang vom Bett auf, transformierte sich ihrerseits, grollte ihrem Ziehvater entgegen, bis der Sheriff dazwischenging und schimpfte: „AUS! HÖRT AUF! Was soll denn das, ihr zwei?“ Er ignorierte Reißzähne und Klauen und nahm Loba hoch: „Ist gut, Baby!“ sagte er besänftigend: „Wir kommen gleich morgen früh wieder hierher. Versprochen! Und Derek bleibt hier und wird auf Stiles aufpassen, während er schläft, in Ordnung?“ Loba sah mittlerweile wieder aus, wie ein ganz normales Mädchen. Sie blickte John Stilinski aus großen, verwundeten, kohleschwarzen Augen an. Dann nickte sie. Der Sheriff küsste seinem Sohn zum Abschied noch einmal sehr sacht die Stirn und Loba folgte seinem Beispiel. Dann tauschten sie und Derek noch einen weiteren feindseligen Blick, ehe sie sich mit ihrem Großvater auf den Weg machte. Derek ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken. `Was sollte er bloß mit Loba anstellen, wenn Stiles...also wenn er nicht mehr der Alte werden sollte?´, fragte er sich selbst. Sein Gefährte war der Kitt zwischen Derek und dem Mädchen. Obwohl auch sie ein Wolf war, verstand Stiles Loba so viel besser, als er selbst und ohne ihn hätte Derek das Mädchen ehrlicherweise gar nicht erst zu sich genommen. Derek war jedoch auch bewusst, dass Stiles es ihm niemals verzeihen würde, wenn er einfach aufgab und das Mädchen weggab, wie einen Wanderpokal. Er musste sich dem Gedanken stellen, dass er sie möglicherweise allein großziehen musste. Nackte Angst erfasste Derek und er griff unwillkürlich nach der Hand von Stiles. Peter kehrte zu seinem Wagen zurück, nahm sich ein Handtuch aus dem Kofferraum und wischte sich die blutigen Hände sauber. Ein Hirsch, ein großes, altes, prächtiges Tier hatte dran glauben müssen. Peter hatte es nicht einfach erlegt, er hatte es geopfert! Er hatte es mit Fängen und Klauen zerrissen und nun war ihm schon wieder ein klein wenig besser zumute. Er hatte vielleicht noch nicht wieder vollständig zu seiner Mitte zurückgefunden, doch er hatte immerhin auch nicht mehr dass Bedürfnis, jedes lebende Wesen auf grausame Weise zu vernichten. Er zog sich wieder an, stieg in seinen Wagen und fuhr nachhause, wo er duschte, sich frische Kleidung überzog und etwas zu essen machte. Danach wurde ihm klar, was er nun noch brauchte, um wieder vollständig runterzukommen. Er kramte nach seinem kleinen, roten Telefonbuch und begann zu blättern. Vorname, Adresse, Telefonnummer und irgendein Wort, um die Person zu beschreiben war hier vermerkt. Bei Lloyd, LEIDENSFÄHIG, blieb er hängen. Er wählte die Nummer. John und Loba hatten auf dem Heimweg die versprochene Pizza besorgt und saßen einander nun am Esstisch gegenüber. Beide starrten sie eher missmutig auf ihre Teller, nahmen hie und da einen Verlegenheitsbissen, doch es wurde deutlich, dass ihnen nicht nach essen zumute war. Irgendwann räumte der Sheriff ganz einfach die halbvollen Teller ab und machte der Qual ein Ende. Dann zogen sie um ins Wohnzimmer, um Cartoons anzuschauen. Für gewöhnlich gab es für Loba kein Halten mehr, wenn der Fernseher lief und sie starrte wie hypnotisiert hin, aber nicht heute. Stattdessen schaute sie ihren Großvater an und ihr Blick war ein einziges Fragezeichen. Ihr Anliegen indes war nicht schwer zu erraten, auch wenn dem Kind noch die sprachlichen Möglichkeiten fehlten die naheliegenden Fragen zu formulieren, wie etwa: Was zur Hölle ist hier passiert? Wird Stiles wieder gesund werden? Wieso wacht er nicht auf? Warum darf ich nicht bei ihm sein? Was wird denn nun aus mir? John wusste, dass Lobas passiver Sprachschatz weitaus größer war, als der aktive. Vieles von dem, was man ihr erklärte, konnte sie verstehen. Und so schaltete er den Fernseher aus und begann darzulegen; dass man Stiles angegriffen hatte, dass die Verantwortlichen nun im Gefängnis wären, dass man Stiles im Krankenhaus Medizin gegeben hatte, damit er schlief und er dadurch leichter gesund werden konnte. Aber er erklärte ihr auch die schweren Dinge, wie dass sie nicht wussten, wie lange Stiles noch schlafen musste und dass er vielleicht zu schwer verletzt wäre, um wieder so wie vorher zu werden. Loba lauschte aufmerksam und daran, dass sie zu weinen begann, konnte John sehen, dass das Mädchen sehr wohl begriffen hatte, was er sagte. Und schließlich weinten sie beide und hielten und trösteten sich gegenseitig. Einmal mehr staunte der Sheriff über dieses eigenartige kleine Mädchen, dass doch eigentlich hart und hasserfüllt sein müsste, nach allem, was es bereits erlebt hatte und in Wirklichkeit doch so sensibel und freundlich war und in diesem Moment fasste er einen Entschluss: Ganz gleich, was mit Stiles werden würde, dieses Kind würde seine Enkelin bleiben; ein Teil seiner Familie! Er würde immer für sie da sein, weil es andernfalls nichts Gutes; keine Gerechtigkeit, nichts, woran man glauben konnte mehr in dieser Welt gab. Und noch etwas wurde ihm klar: Auch wenn er sie erst so kurz kannte, er hatte sie bereits jetzt schon lieb, denn er konnte gar nicht anders! „Komm´ schon, Spätzchen!“ sagte er nun: „Es wird Zeit, dass du schlafen gehst!“ Er nahm sie bei der Hand, führte sie ins Bad und wollte ihr beim Zähneputzen helfen, stellte jedoch fest, dass sie das, mit Sicherheit durch die eifrige Unterstützung seines Sohnes, mittlerweile schon sehr gut allein beherrschte. Dann legte sich das Mädchen in Stiles Bett und der Sheriff nahm neben ihr Platz, um ihr ein paar Bilderbücher vorzulesen. Eines davon war „Die schöne und das Biest“ und als John auf das Bild des Biestes deutete, welches hier groß, düster und mit buschigen Augenbrauen dargestellt war und fragte: „Schau mal Mäuschen! Sieht das nicht genauso aus, wie dein Daddy Derek?“ brachte er sie mit diesem Vergleich sogar ein klein wenig zum Lachen. John ließ die kleine Nachttischlampe brennen, küsste Loba auf die Stirn und ging dann wieder hinunter. Er setzte sich an den Küchentisch und lauschte der Stille im Haus. Und dann tat er etwas, von dem er wusste, dass Stiles es hassen würde: Er holte eine Flasche Whiskey und ein Glas hervor und begann zu trinken, während er die düsteren Gedanken in seinem Hirn von der Leine ließ. Er dachte an Claudia. Sie war seine große Liebe gewesen. Vom ersten Moment an hatte John gewusst, dass sie beide dazu bestimmt wären, miteinander alt zu werden. Und dann hatten sie geheiratet und sie war schwanger geworden. Ihn selbst hatte man zum Sheriff befördert und damit war alles absolut vollkommen gewesen! Aber dann war Claudia aus der Mitte ihres gemeinsamen Lebens einfach herausgerissen worden. Es hatte mit Vergesslichkeit angefangen und sie hatten sich zunächst noch nicht viel dabei gedacht, hatten Stress dafür verantwortlich gemacht. Dann waren sie irgendwann doch noch zum Arzt gegangen und zu noch einem und noch einem und noch einem, hatten nach einer Ewigkeit endlich eine Diagnose erhalten, doch ab da war es dann auch bereits ganz schnell gegangen. Zuletzt war Claudia kaum noch sie selbst gewesen und ein halbes Jahr später war sie einfach nicht mehr da. Doch auf diesem Weg John hatte nicht mit ihr gehen dürfen, denn er trug ja nun die Verantwortung für Stiles ganz allein. Und jetzt schien die Geschichte sich in gewisser Weise zu wiederholen. Stiles hatte doch gerade erst damit angefangen, glücklich zu sein und ausgeglichener und ruhiger zu werden, als sein Vater ihn je erlebt hatte. Sein Sohn war verliebt und er war glücklich! Und auf einem verrückten Weg war Stiles sogar selbst zu einem Vater geworden. Dies war zwar sicher nicht das Leben, dass John sich einst für Stiles ausgemalt hatte, doch er war klug genug, um zu wissen, dass es dennoch gut und richtig war. Dann kamen drei gelangweilte, hasserfüllte Wichte vorbei, um all´ dies mit Fäusten und schweren Stiefeln zu zerstören! John nahm einen weiteren zornigen Zug aus seinem Glas. Und wieder war da ein Kind, dass zurückblieb. Als Peter Hale angeboten hatte, diese Schläger zu töten und die Leichen verschwinden zu lassen; wie gern hätte John da einfach seinen niederen Instinkten nachgegeben. Doch das er hatte nicht und nun bestand eine gute Chance, dass ein milder kalifornischer Richter diese drei Unmenschen mit Sozialstunden davonkommen ließe. Und Stiles, sein hochintelligenter, wunderbarer Junge würde sein Leben möglicherweise von jetzt an als ein Stück Gemüse fristen. John schüttete grimmig sein drittes Glas in einem Zug herunter. Doch dann geschah etwas Eigenartiges: Plötzlich sah der Sheriff vor seinem geistigen Auge in unwahrscheinlich großer Klarheit seinen Sohn, welcher ihm die Flasche wegnahm und sie wieder in der Hausbar verstaute. Und weil Stiles nun einmal gerade nicht hier war, um genau dies für ihn zu tun, erledigte John es selbst! Er stieg nun die Treppen wieder hinauf, verschwand kurz im Bad und legte sich ins Bett. Hier blieb er jedoch nicht lange allein, denn das Patschen nackter Füße auf dem Parkettboden verriet ihm, dass Loba zu ihm gekommen war. So war es auch nach Claudias Tod gewesen. Nacht für Nacht war Stiles zu ihm ins Schlafzimmer gekommen und John hatte dann seine Decke angehoben und sein Sohn war neben ihn gekrochen, denn sie hatten beide die Gesellschaft des jeweils Anderen gebraucht. Und heute machte er es wieder ganz genau so; er schlug die Decke beiseite und Loba legte sich zu ihm. Dann nahm er das magere, kleine Ding in seine Arme und schlief ein. Loba selbst fand zwar keinen Schlaf, doch es war allemal besser, liebevoll gehalten zu werden, während sie wachlag, als allein zu sein. Scott und Stiles hatten eigentlich vorgehabt, während der Sommerpause, die zwischen Schule und College lag, ein paar Tage zu verreisen und auf den Putz zu hauen. Kira und Derek hätten sie zuhause gelassen, denn dieser Trip hatte nur für sie beide sein sollen, weil es das schon so lange nicht mehr gegeben hatte: heilige, unbeschwerte Bro-Zeit! Es sollte ein letzter kleiner, kindischer Roadtrip werden sollen. Ein Abenteuer! Vielleicht ein kleiner Abstecher nach San Francisco, bei Scotts Dad reinschauen und anschließend irgendwo Marihuana herbekommen und dann nachts am Strand aromatischen Rauch in die Luft blasen (das natürlich OHNE seinen Dad, den FBI-Beamten!), obwohl vermutlich nur einer von ihnen beiden die berauschende Wirkung hätte genießen können. Stiles hatte gewitzelt, dass sie für Scott stattdessen vielleicht ersatzweise Katzenminze hätten nehmen können, denn was die Katze berauschte, wirkte ja vielleicht auch bei einem Werwolf. Scott hatte anstandshalber ein ganz kleines bisschen darüber gelacht. Doch jetzt würden nichts von alledem tun! Stattdessen lag Stiles in diesem verdammten Krankenhausbett und war noch blasser als gewöhnlich. Scott hatte lange mit seiner Mom gesprochen und sie hatte versucht, ihm schonend beizubringen, dass diese College-Sache, die vor ihm lag, möglicherweise ein Solo-Flug für ihn werden würde, weil Stiles dazu vielleicht nicht mehr in der Lage wäre. Verdammt! Wozu war man denn ein mächtiger Alpha, wenn man nicht einmal seinen besten Freund vor ein paar Schlägertypen beschützen konnte. In seinem Kopf hatten sich seine Gedanken schon hunderte von Malen um diesen einen verdammten Tag gedreht, an welchem Stiles verletzt worden war. Wäre er doch bloß ein paar Minuten früher dagewesen und hätte nicht wie immer getrödelt. Hätte Derek doch bloß gemeinsam mit Stiles auf ihn gewartet. Aber andererseits war es doch mitten am Tag geschehen? An einem öffentlichen Ort? Das alles war so vollkommen sinnlos! Aber es gab doch die EINE Sache, die ein Alpha tun konnte, falls Stiles Zustand sich nicht verbessern würde und die würde er, wenn nötig auch tun. Und er würde weder Sheriff Stilinski noch Derek hierfür um Erlaubnis bitten. Er hoffte, Stiles würde ihm vergeben. In all´ den Jahren hatte sein bester Freund nie um den Biss gebeten und als Peter ihm dieses, in seinem Fall zugegebenermaßen sehr fragwürdiges Angebot gemacht hatte, hatte Stiles es ausgeschlagen. Doch wenn die Optionen waren, entweder für den Rest seines Lebens dahinzuvegetieren oder ein Werwolf zu werden, so hoffte Scott, Stiles würde sich für die zweite Variante entscheiden. Aber vielleicht schaffte sein Freund es ja auch ohne seine Hilfe. Immerhin war er verdammt zäh! Man musste es abwarten. Doch Geduld gehörte nicht zu Scotts Stärken. Das war etwas, worin sein bester Freund und er sich ähnelten. Mitten in Scotts Gedanken hinein öffnete sich plötzlich die Tür des Krankenzimmers und Derek kam herein. Der war inzwischen zuhause gewesen um zu duschen, sich zu rasieren, wenigstens noch eine Stunde zu schlafen und dann zurückzukehren, während Scott hier die Stellung gehalten hatte: „Danke, dass du bei ihm geblieben bist.“ murmelte Stiles Partner und zog sich einen der Stühle ans Bett. Er nahm eine von Stiles Händen in seine und teilte dem Bewusstlosen mit: „Ich bin wieder da, mein Liebling! Tut mir leid, dass ich weg musste.“ Dann führte er die Hand zu seinen Lippen und fügte hinzu: „Ich liebe dich, Kleiner!“ Scott beobachtete das Schauspiel und schluckte. Er hatte plötzlich das Gefühl, sich zurückziehen und die zwei allein lassen zu sollen, jedoch nicht ohne vorher dem, ihm eigenen, übergroßen Bedürfnis nach körperlicher Nähe nachzugeben. Erst war der komatöse Stiles an der Reihe. Scott legte einen Arm um ihn, rieb seine Wange an der seines Bruders und flüsterte: „Komm´ zurück zu uns, O.K.? Ich schaff´ das hier nicht ohne dich!“ Mit einem kurzen Blick auf Derek fügte er hinzu: „Und der Große braucht dich auch!“ Dann war Derek an der Reihe und dieser ertrug die Umarmung seines Alpha mit bewundernswerter Haltung und ohne allzu großes Knurren und Murren. Scott war fort, doch Derek blieb mit Stiles nicht lange allein, denn eine halbe Stunde später kam John mit Loba ins Krankenhaus, damit sie, wie versprochen Stiles wiedersehen konnte: „Ich muss bald zum Dienst! Eure Tochter hat in der Nacht nicht wirklich geschlafen.“ gab der Sheriff bekannt: „Willst du herumtelefonieren und sehen, ob du einen Babysitter für Loba findest? Aber bitte nicht deinen Onkel, denn nachdem ich ihn gesehen habe, wie er diese Kerle zerfleischen wollte, habe ich kein gutes Gefühl mehr dabei, ihn mit dem Mädchen allein zu lassen. Ich kann sie zur Not auch mit auf´s Revier nehmen. Die Frage ist nur, was ich mit ihr mache, wenn wir einen Einsatz haben?“ John antwortete auf seine eigene Frage: „Na ja, es wird sich schon etwas finden. Mit Stiles musste ich es oft auch so machen, als er noch klein war. Dann wird halt mal ein Kollege einen Moment auf sie aufpassen“ Der Gedanke, die Verantwortung für das Mädchen einfach einem Anderen auf´s Auge zu drücken war reizvoll, doch Derek hatte eine Entscheidung getroffen: Er würde dieses Mädchen aufziehen, gleichgültig, ob er es mit oder ohne Stiles tun würde und so sagte er seufzend: „Loba bleibt bei mir!“ John Stlinski blickte seinen Beinahe-Schwiegersohn zweifelnd an und darum versicherte Derek: „Ich bekomme das hin und ich schwöre, ich werde sie nicht wieder anbrüllen, so wie gestern. Ich werde schon lernen, mit ihr umzugehen. Ich muss!“ Loba küsste den schlafenden Stiles auf die Stirn und nahm dann in einem Stuhl auf der gegenüberliegenden Bettseite Platz, von wo aus sie Derek finster anstarrte. Kein Zweifel, dass sie ihm immer noch böse war, wegen des kleinen, wölfischen Machtkampfes, welchen sie beide gestern hier im Krankenzimmer ausgetragen hatten: „Entschuldige, kleine Maus! Ich hatte kein recht, dich so anzubrüllen.“ murmelte Derek und fand dies selbst ziemlich großzügig von sich, doch was tat Loba? Sie knurrte ihn leise an und erwiderte: „Böser Daddy!“ Also gut; die Kunst der Vergebung musste seine Tochter offensichtlich erst noch erlernen. Derek zählte innerlich bis zehn und strafte das Mädchen lediglich mit gezieltem Augenbraueneinsatz: „Ich sollte wohl lieber noch einen Augenblick hierbleiben?“ fragte der Sheriff vorsichtig. Derek schüttelte den Kopf: „Danke John, aber wir zwei schaffen das!“ Und leise fügte er hinzu: „Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben!“ Sheriff Stilinski streichelte seinem Sohn die Wange, küsste seine Enkelin auf den Scheitel und dann bot er Derek eine Umarmung an, von der er sicher war, dass dieser sie ausschlagen würde, doch das tat er nicht. Im Gegenteil! Derek Hele erhob sich eigens dafür und ließ sich in die väterliche Umfassung fallen, ohne offensichtlich die Absicht zu haben, diese allzu bald wieder zu beenden. Derek musste sich wohl unglaublich verloren fühlen, wenn er dies zuließ, dachte John bei sich. Er blickte Derek noch einen Augenblick lang prüfend an. Dann nickte er und verabschiedete sich. Den halben Vormittag lang schauten sich Derek und Loba über Stiles bewusstlosen Körper hinweg eisig an, bis dem Mädchen irgendwann die Augen zufielen und sie von ihrem Stuhl zu fallen drohte. Da endlich erhob sich Derek, ging um das Bett herum und öffnete seine Arme: „Komm´ schon Süße! Komm´ zu Daddy, damit du ein bisschen schlafen kannst, ja?“ Loba schaute ihn misstrauisch an, doch Derek blieb hartnäckig stehen, wie er war und hielt die Einladung aufrecht, bis Loba schließlich ein großmütiges Einsehen hatte. Ob sie Derek tatsächlich vergeben hatte, oder einfach bloß so müde war, dass es ihr egal war, ließ sie offen. Derek wertete es so oder so als einen guten Anfang, hob das Mädchen hoch, setzte sich mit ihr wieder hin und legte die Arme so um sie, so dass sie es bequem hatte: „Ich hab´ dich lieb, du dummes kleines Wölfchen. Weißt du das denn gar nicht?“ Schalt er sie zärtlich und küsste ihr auf die Stirn. Anstatt einer verbalen Antwort, die nun einmal nicht Lobas Stärke waren, kuschelte sie ihr Gesicht in Dereks Brust und schlang nun ihrerseits die Arme um ihren großen, grimmigen, emotional verstockten Ziehvater. Wenig später schlief sie. Es war auf die Dauer sogar für Derek als Werwolf anstrengend, eine schlafende Zwölfjährige zu halten, aber es war auch noch etwas anderes; nämlich schön! Ihr Körper war warm, ihre regelmäßige Atmung und der ruhige Herzschlag wirkten wohltuend und das Vertrauen, dass darin zum Ausdruck kam, dass sie so fest schlafen konnte, obwohl ihr einziger Halt die Arme eines Anderen; nämlich seine Arme waren, berührte Derek ganz eigenartig. Die nächsten beiden Tage vergingen mit einer Unzahl an Untersuchungen, die am bewusstlosen Stiles vorgenommen wurden und am Abend des zweiten Tages war das ganze Rudel, einschließlich John und Peter im Krankenhaus eingetroffen und Melissa versammelte sie alle um sich, um ihnen die Ergebnisse mitzuteilen. Man wolle Stiles Medikamente absetzen, da die Hirnschwellung bereits zurückgegangen sei, verkündete sie. Dies würde allerdings nicht bedeuten, dass er sofort aufwachen werde, weil man die Medikation ausschleichen müsse. Beim Erwachen werde Stiles zunächst desorientiert sein und sich vielleicht auch nur bruchstückhaft an sein Leben erinnern. Die Erinnerungen sollten früher oder später wieder zu ihm zurückkehren. Seine Freunde könnten ihn darin unterstützen, indem sie mit ihm sprachen oder ihn mit vertrauten Gegenständen, Klängen, Gerüchen und dergleichen umgaben. Langzeitschäden seien leider nicht völlig auszuschließen, wie etwa ein geschwächtes Immunsystem, oder lebenslange Kopfschmerzen, doch das sei sehr unwahrscheinlich, da das künstliche Koma nur so kurze Zeit bestanden habe und Stiles noch so ein junger Mensch sei. Als sie in die betretenen Gesichter von Stiles Freunden und Familie blickte, fügte Melissa lächelnd hinzu: „Leute! Das sind im Großen und Ganzen wirklich gute Neuigkeiten. Als ich Stiles gesehen habe, als sie ihn hier einlieferten, habe ich das Schlimmste angenommen! Aber wir werden ihn wiederbekommen und wenn wir Glück haben, bleibt diese Sache ohne größere Folgen für ihn!“ Sie atmete tief durch und fügte an: „Zumindest in körperlicher Hinsicht. Was diese Sache auf psychischer Ebene angerichtet haben mag, werden wir abwarten müssen.“ „Wie lange kann es dauern, bis Stiles aufwacht?“ wollte nun Derek wissen. Melissa zuckte mit den Schultern: „Das kann ich nicht sagen. Tage? Vielleicht Wochen!“ Derek schluckte: „Verstehe!“ murmelte er. In den folgenden zweieinhalb Wochen wichen Derek und Loba tagsüber nicht von Stiles Bettseite, berührten ihn, sprachen mit ihm, spielten seine Lieblingsmusik, taten alles, was möglicherweise helfen konnte, Stiles schneller zu ihnen zurückzuholen. Am Abend kehrten sie dann in Dereks Apartment zurück und jemand anderes übernahm die `Nachtschicht´ in Stiles Krankenzimmer. Meist waren es Scott und der Sheriff. In diesen Wochen lernte Derek eine ganze Menge neues über seine Ziehtochter. Es reichte vielleicht noch nicht, um sich selbst die `Vater-des-Jahres-Plakette´zu verlieren, aber er wusste nun, dass sie ihre Schokomilch beinahe schwarz und zuckersüß mochte, dass sie mittlerweile so unverschämt gut mit den Controllern von Stiles Spielekonsole umgehen konnte, dass sie Derek auch noch mit verbundenen Augen schlagen würde und er hatte gelernt, dass der rote Rollkragenpullover niemals, unter gar keinen Umständen zu ihrer grünen Cordhose getragen wurde. Nachts schliefen sie in einem Bett und Derek stand jetzt schon der Schweiß auf der Stirn, wenn er an die Strafpredigt dachte, die Stiles ihm sicherlich halten würde, wenn das Mädchen sich später weigern würde, wieder im eigenen Bett zu liegen. Aber dies hier war eine Ausnahmesituation, richtig? Da konnte man doch wohl nicht von Loba verlangen, dass sie sich des nachts fürchtete, oder? ODER? Am siebzehnten Tag um die Mittagszeit war es dann endlich so weit. Loba hielt in ihrem Stuhl ein kleines Nickerchen und Derek blätterte in einer Zeitschrift, als er plötzlich Stiles kratzige Stimme vernahm: „Du bist Derek Hale!“ Stellte Stiles fest: „Du bist ein paar Jahre älter als ich...deine Familie...vor zehn Jahren...! Du...du bist zurück in Beacon Hills? Was machst du hier im Krankenhaus? Was mache ICH hier im Krankenhaus?“ Kapitel 31: Somewhere over the rainbow -------------------------------------- Stiles war wie ausgewechselt, nachdem er aus seinem Koma erwacht war. Von dem freundlichen, fürsorglichen, schlauen und lustigen jungen Mann, in welchen Derek sich verliebt hatte, war nicht viel übrig geblieben. Stiles wurde schnell ungeduldig, wenn er sich nicht an die Dinge erinnerte, von denen ihm berichtet wurde, brüllte scheinbar grundlos herum oder warf mit Gegenständen um sich: Er war ganz einfach verdammt wütend! Und ein großer Teil dieses Zorns schien sich dabei gegen Derek zu richten. Derek war dennoch jeden Tag bei ihm im Krankenhaus, ertrug stoisch jede Feindseligkeit, jede Beleidigung und jeden Plastikbecher, der ihn am Kopf traf. Loba brachte er allerdings nur noch gelegentlich mit, weil er sie diesem neuen Stiles nicht allzu häufig aussetzen wollte, welcher sich ja nicht einmal mehr an sie erinnerte. Sie würde es nicht verstehen was vorging. Und doch war Loba die einzige Person, der gegenüber Stiles es schaffte, seine Launen zu zügeln. Er ließ sogar ihren Körperkontakt zu und das war etwas, was Stiles momentan keinem anderen Menschen erlaubte. Selbst das Krankenhauspersonal wurde von ihm angefaucht, wenn es ihm zu nahe kommen wollte. Aber eben die Tatsache, dass Stiles es schaffte, sich dem Mädchen gegenüber friedfertig zu verhalten, hielt in Derek die kleine Hoffnung wach, dass SEIN Stiles noch irgendwo unter dieser zornigen Oberfläche stecken musste. Loba konnte mittlerweile ein kleines bisschen sprechen und machte sogar schon erste Versuche beim Schreiben und Rechnen. Dieser Erfolg war der Tatsache geschuldet, dass Derek und der Sheriff hart mit ihr daran arbeiteten. Derek hatte ein Menge Lehrmaterial angeschafft und eine Privatlehrerin angestellt, die Loba an jedem Morgen für zwei Stunden unterrichtete, denn alle zwei Wochen standen die Leute vom Jugendamt vor der Tür, um Lobas Fortschritte unter die Lupe zu nehmen und die waren gar nicht erfreut angesichts der jüngsten Veränderungen, die aus Derek sozusagen einen Singlevater gemacht hatten. Er wusste, dass nicht Loba, sondern ER auf dem Prüfstein stand, doch er würde sie nicht auch noch verlieren, nachdem ihm schon Stiles immer mehr entglitt. Nein! Das war einfach keine Option! Der Sheriff unterstützte Derek, so gut er konnte in seiner Aufsicht und Fürsorge für das Mädchen. Und er flehte diesen an, Stiles bitte, bitte nicht aufzugeben: „Mein Junge wird wieder!“ behauptete John Stilinski: „Er macht eine schwere Zeit durch, aber er wird wieder der Alte werden. Da bin ich mir ganz sicher! Irgendwo in ihm muss es einfach einen Teil geben, der sich daran erinnert, dass er dich liebt, Derek!“ Derek war sich nicht sicher, ob der Sheriff mit seinen Worten ihn, oder sich selbst überzeugen wollte, aber das war auch nicht wichtig, denn es brauchte keine Überzeugungskraft. Stiles war SEIN GEFÄHRTE! Und er würde ihn niemals aufgeben; auch nicht, wenn er ihm bis zum Ende seiner Tage Geschirr und Beschimpfungen an den Kopf werfen würde. Das hieß jedoch nicht, dass es leicht gewesen wäre, diese furchtbare Situation zu bewältigen. Derek trainierte viel. Zweieinhalb Stunden Joggen am Morgen und mindestens eine Stunde intensives Krafttraining am Nachmittag. Er musste ganz einfach Stress abbauen und durfte nicht riskieren, dass er seinen Frust an seiner Tochter ausließ. An Halloween war es Derek gewesen, der sein kleines Mädchen von Tür zu Tür begleitet und „Süßes sonst gibt’s Saures“ gerufen hatte. Die beide waren als Werwölfe gegangen und man hatte ihre großartigen, lebensechten Kostüme gelobt. Derek war es auch gewesen, der an Thanksgiving einen Truthahn in den Ofen geschoben hatte. Zum Glück war John zur Stelle gewesen, um einen Wohnungsbrand zu verhindern. Derek versuchte alles, was in seinen Kräften stand, um für Loba und sich selbst ein bisschen Normalität in all´ dem Wahnsinn aufrecht zu erhalten. Und nun stand die Weihnachtszeit vor der Tür. Es würde Lobas erstes Weihnachtsfest werden und Derek überschlug sich beinahe, denn es sollte alles perfekt werden. Er wollte, dass es so wurde, wie die Weihnachtsfeste seiner Kindheit, als seine Familie noch lebt: Vollkommene Momente, die aus der Vergangenheit herüberstrahlten und die Verlust, Trauer und Schrecken überlebt hatten. Auch seine Tochter sollte irgendwann zurückblicken und solche Juwelen in der Schatzkiste ihrer Erinnerungen haben. Und zufrieden stellte Derek fest, dass er scheinbar irgendetwas richtig machen musste, denn Loba liebte die kitschige, knartschbunte Dekoration, die sie gemeinsam in seinem Apartment aufgehängt hatten, den Weihnachtsbaum, der im Wohnzimmer stand, dass Plätzchen backen und insbesondere deren anschließenden Verzehr. Auf das Schlittschuhlaufen, zu welchem Derek sie mitgenommen hatte, hätte sie allerdings verzichten können, denn sie war dabei ein paar Mal beinahe hingefallen, wann immer ihr Daddy sie nicht festgehalten hatte. Sie verstand absolut nicht, warum sie sich drückende Schuhe mit Metall darunter anziehen sollte, nur um dann auf einem spiegelglatten Untergrund herumzuschliddern. Eigentlich schien es Loba recht gut zu gehen, dachte Derek halbwegs berihigt: Sie lachte, sie lernte und sie probierte neue Dinge aus. Und Derek konnte ihre Bedürfnisse mittlerweile viel besser lesen. Er tat sein Bestes. Im Grunde war alles in Ordnung. Wären da nicht die Nächte gewesen. Loba wurde abends von Derek in ihr eigenes Bett gebracht, nur blieb sie nicht dort! Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie an Dereks Seite kroch. Und sobald sie dann endlich eingeschlafen war, träumte sie und erwachte weinend. Sie wollte Derek nicht verraten, was sie träumte, aber er wusste es trotzdem, denn das Mädchen rief im Schlaf nach ihrem Daddy. Und Derek war klar, dass er nicht gemeint war! Nachdem seinem Erwachen, hatte Stiles keine Ahnung gehabt, wie ihm überhaupt geschah. Ein, im Grunde Fremder hatte an seinem Bett gesessen. Irgendein Kerl der ihm vage bekannt vorgekommen war! Nur, dass dieser dann tatsächlich behauptet hatte, sein Liebhaber zu sein. Zunächst hatte Stiles geglaubt, man wolle ihm bloß einen Streich spielen, indem man ihm einredete, er habe Jahre seiner Erinnerung verloren, sei nun allen Ernstes mit diesem Derek Hale liiert, habe sogar eine Adoptivtochter mit ihm. Bullshit! Und dann kam ja auch noch das ganze andere Zeug über Werwölfe, Kanimas, Wendigos, Kitsunes, Jäger und so weiter hinzu. War das hier etwa ein schlechter Scherz? All´ das klang wie ein wildes, total verrücktes Märchen und doch da war das Gesicht seines besten Freundes Scott, das viel älter aussah, als Stiles es in Erinnerung hatte. Und eben auch jenes andere Gesicht; das mit den rotglühenden Augen. Dies hatte ihn schließlich daran glauben lassen, dass dieser ganze Wahnsinn, egal wie schwer zu glauben, dennoch seine Lebensrealität war. Trotzdem hasste Stiles das Ganze! Stiles war mittlerweile in die Reha verlegt worden. Man führte mit ihm Physiotherapie durch, um den Muskelaufbau nach der langen Bettlägerigkeit wieder zu betreiben und Stiles Motorik von neuem auf die Sprünge zu helfen, die seit dem Überfall nicht mehr dieselbe war. Die Fortschritte, die er hierbei machte, gingen Stiles, der noch nie mit Geduld gesegnet gewesen war, natürlich viel zu langsam. Er brüllte seinen Therapeuten an, trat gegen die Einrichtungsgegenstände und fluchte, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Und dann war da die Psychotherapie, um das Trauma zu bearbeiten, an welches Stiles sich ja noch nicht einmal erinnern konnte und von dem er auch rein gar nichts spürte. Er hatte bloß diese Scheißwut im Bauch und den Wunsch, irgendwem den Hals umzudrehen. Sonst nichts! Und so saß Stiles in diesen Therapiestunden, verschränkte die Arme vor der Brust und probierte, ob er das Herz seines Therapeuten durch niederstarren zum Stillstand bringen konnte. Aber am schlimmsten war die Gedächtnisarbeit! Stiles sollte alles aufschreiben, an das er sich erinnerte, doch das war eben nicht viel. Und manchmal war es mehr so etwas wie eine Ahnung. So wie bei Loba! Stiles erinnerte sich nicht an sie, nicht, wie sie zu ihm gekommen war und auch nicht daran, was er seither mit ihr erlebt hatte und dennoch wusste er, dass sie zu ihm gehörte und dass er lieb zu ihr sein musste. Mit Derek lag der Fall allerdings ganz anders. Stiles schaute ihn an und verspürte Enttäuschung. Nein, eigentlich war es sogar mehr als das: Es hatte das Gefühl, von ihm verraten worden zu sein! Und in abgeschwächter Form hatte er ein ähnliches Gefühl auch gegenüber seinem Vater und Scott. Keiner der drei hatte es geschafft, ihn zu beschützen und deshalb war sein Leben nun ein dampfender Haufen Pferdescheiße! Ständige Kopfschmerzen, Zittern in seiner linken Hand und große Teile seiner jüngeren Vergangenheit waren wie ausgelöscht! Es war sicherlich kein Zufall, dass Dereks Onkel immer dann bei Stiles auftauchte, wenn kein Anderer in der Nähe war. Auch nicht, dass er immer verschwand, ehe er von irgendwem gesehen werden konnte. Zwar hatte Peter Stiles nicht zum Schweigen verpflichtet, aber er behielt diese Besuche dennoch sicherheitshalber für sich. Sie waren ihr kleines Geheimnis! Peter hatte Stiles alles erzählt, was er wissen musste: Während Derek, Scott und die Anderen weinend und nutzlos an seinem Krankenbett gehockt hatten, war Peter da draußen gewesen und hatte die Kerle, die Stiles verletzt hatten gestellt! Und wenn sein eigener Vater Peter nicht gestoppt hätte, dann wären diese Kerle jetzt schon Geschichte. Es war eine befriedigende Vorstellung, sich auszumalen, wie Peter diese drei in Fetzen riss, aber nein! Nun würde Stiles vor Gericht gegen sie aussagen müssen. Und da er sich ja an rein gar nichts erinnerte, war jetzt schon klar wie das ausgehen würde. Diese Typen würden einfach so ungeschoren davonkommen. Sollte es wirklich so weit kommen, dann würde Stiles sich diese Typen eben selbst vornehmen, hatte er beschlossen! Und Peter hatte versprochen, dass er ihm helfen würde! Es gab zwar die Aufnahmen der Überwachungskameras aus dem Parkhaus, doch die bewiesen nur, dass diese Jungs zum Tatzeitpunkt dort gewesen waren. Die Schlägerei selbst hatte in einem toten Winkel der Kameras stattgefunden und die Bilder waren damit nur Indizienbeweise. Und leider waren diese Typen nicht dumm genug gewesen, ein volles Geständnis abzulegen. Wenn Peter zu ihm kam, verspürte Stiles regelmäßig dieses kleine, aufregendes Ziehen in seinem Bauch. Es gefiel ihm, wie der Ältere ihn anschaute. Da war dieser Hunger in seinem Blick, so als wolle er ihn mit Haut und Haaren verschlingen! Stiles wusste, dass sowohl Derek, als auch sein Dad von ihm erwarteten, dass er zu ihnen nachhause käme, wenn er in zwei Tagen entlassen werden würde, doch das hatte er nicht vor. Stattdessen würde er nämlich Peters Einladung folgen! Und nun saßen sein Vater und Derek an Stiles Bett und da eröffnete er ihnen sein Vorhaben. Derek, dieser Waschlappen, sagte natürlich überhaupt nichts dazu. Er saß nur da, mit starrem Gesichtsausdruck und unbeweglich, wie ein Fels. Stiles Dad hingegen fing sofort an zu brüllen. Er wollte wissen, ob Stiles nun wohl endgültig seinen Verstand verloren habe? Ob er denn nicht wisse, was dieser Peter Hale für ein Mensch sei? Wie er das Derek und Loba antun könne? Wie er überhaupt auf so einen absurden Gedanken käme? Und schließlich erklärte John Stilinski, dass er es nicht erlauben werde. Das Lachen, welches Stiles daraufhin von sich gab klang hart und gemein: „Vergiss´ es alter Mann. Du hast mir gar nichts mehr zu sagen, denn ich bin volljährig. Schon vergessen?“ Stiles und John brüllten einander noch eine ganze Weile an, doch sie verstummten, als sich Derek zu Wort meldete: „Was ist mit unserer Tochter?“ wollte der Werwolf wissen: „Ich will ein Besuchsrecht!“ Erwiderte Stiles lediglich kalt. Derek nickte und erhob sich: „Abgemacht!“ sagte er unbeteiligt und dann verschwand er aus dem Raum. Peter öffnete erst nach dem dritten Klingeln und Derek hielt sich nicht lange mit Worten auf, sondern ging ohne Umschweife dazu über, seinem Onkel nach allen Regeln der Kunst die Fresse zu polieren. Peter brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was hier gerade passierte, aber dann ging er zum Gegenangriff über. Es wurde schnell deutlich, dass beide Männer es todernst meinten. Sie kämpften bis auf´s Blut und dabei ging nicht bloß Peters Einrichtung zu Bruch. Für einen Beta war Peter verdammt stark, doch am Ende behielt Derek doch die Oberhand. Als sie beide irgendwann verwundet und atemlos am Boden lagen, konnte Peter nur noch aus einem Auge sehen, weil das andere komplett zugeschwollen war und er spuckte Blut bei der Frage: „Darf ich erfahren, womit ich diese Behandlung verdient habe, Neffe?“ Derek, der auf Peters Brust hockte und auf seinen Onkel nieder blickte, sagte verächtlich: „Ehrlich Peter? Jetzt leugnest du auch noch, was du getan hast? Du hast dich heimtückisch an Stiles herangeschlichen, als er schwach und verwundbar war, hast dich mit Lügen und süßen Worten in sein Herz gemogelt, bloß weil du ihn flachlegen willst, wie du es schon von Anfang an vorgehabt hast. Und dabei ist es dir im Grunde völlig gleichgültig, dass Stiles Platz an meiner Seite ist, oder dass wir eine Familie sind! Du glaubst scheinbar, dass das Schicksal die Karten zu deinen Gunsten neu gemischt hat, wie?“ Peter wischte sich mit dem Ärmel das Blut aus dem Mundwinkel und schnappte: „Gibst du mir etwa die Schuld, weil du deinen Jungen nicht dauerhaft für dich interessieren kannst, Arschloch!“ Derek holte ein letztes mal mit der Faust aus. Peters Kopf flog zur Seite. Derek erhob sich und sagte zu dem Halbbewusstlosen: „Wenn ich mitbekomme, dass du ihm wehtust, komme ich wieder und mache Konfetti aus dir, du mieser Penner! Du wirst ihn mit deinem Leben beschützen und für ihn sorgen, kapiert?“ Dann verließ er das Apartment seines Onkels, ohne sich noch einmal umzublicken. Stiles hatte mittlerweile die zweite Nacht auf Peters erstaunlich bequemen Sofa zugebracht, obgleich dieser ihm einen Platz in seinem Bett angeboten hatte. Es war der Morgen des vierundzwanzigsten Dezember und sein Gastgeber brachte ein Tablett mit Kaffee, Bagels und Frischkäse und stellte es neben Stiles auf dem Couchtisch ab. Dieser richtete sich auf und rieb sich die Augen: „Wow! Frühstück ans Bett!“ murmelte er und reckte und streckte sich. Peters Blessuren waren schon wieder weitgehend verblasst. Er hatte Stiles ums Verrecken nicht verraten wollen, wer ihn so zugerichtet hatte, doch er hatte übel ausgesehen, als Stiles vorgestern hier angekommen war. Nun hatte Peter bei Stiles auf dem Sofa, schenkte ihm sein schiefes Lächeln, welches irgendwie immer etwas Unverschämtes und irgendwie auch Dreckiges an sich hatte, bestrich sich seinen Bagel und schob das Tablett zu seinem Gast herüber: „Wie hast du geschlafen, Stiles?“ wollte er wissen: „Gut!“ erwiderte dieser: „Aber ich denke, ich habe eine Menge geträumt!“ Peter nickte schmunzelnd: „Das stimmt wohl. Du warst unruhig und du hast...gestöhnt! Hast du vielleicht von mir geträumt?“ Stiles fühlte die Hand seines Gastgebers sehr, sehr weit oben auf seinem Oberschenkel! „Ich...ich glaube nicht!“ murmelte er nervös, nahm einen großen Schluck von seinem viel zu heißen Kaffee und verbrannte sich den Mund. Peter musterte Stiles wie das Raubtier, dass er war und dann schien er unmerklich immer näher zu rutschen, während er sein Frühstück vertilgte. Als der Bagel verspeist war, nahm Peter Stiles schließlich seinen Becher aus der Hand, legte seine Hände auf die Schultern des Jüngeren, drückte ihn auf das Sofa und brachte sich über ihn. Stiles Herz raste, als Peter das Kunststückchen gelang, gleichzeitig ihrer beider Lippen miteinander zu verschließen, eine Hand unter sein T-Shirt und die andere unter den Saum seiner Boxershorts zu schieben. Und während die fremde Zunge seinen Mund erforschte, geschah etwas Eigenartiges und sehr Machtvolles mit Stiles. Die Erinnerung an einen anderen Kuss vor beinahe drei Jahren erschien vor seinem geistigen Auge. Und es war nicht nur das Bild dieses besonderen Ereignisses, welches vor Stiles geistigem Auge entstand. Es wurde begleitet von all´ den wunderbaren Gefühlen, die dies damals in ihm ausgelöst hatte. Und da wusste Stiles plötzlich mit kristallener Klarheit, wie falsch das war, was gerade in diesem Augenblick vor sich ging. Und so entzog er Peter seinen Mund und schaffte es irgendwie, sich unter diesem hervor zu arbeiten, was dazu führte, dass er vom Sofa fiel und auf dem Hintern landete. Schnell rappelte Stiles sich auf, nur um festzustellen, das Peter offensichtlich nicht die Absicht hatte, ihn einfach so gehen zu lassen. Auch er stand mittlerweile wieder auf seinen zwei Beinen und während Stiles sich rückwärts in ängstlichen Trippelschritten von Peter entfernte, folgte dieser ihm ebenso langsam und knurrend. Irgendwann wurde Stiles von der Wand in seinem Rücken gebremst und er drängte sich in eine Zimmerecke: „Bitte nicht, Peter!“ murmelte er furchtsam. Kapitel 32: It´s coming on Christmas ------------------------------------ Vorwort: Ihr Lieben, wundert Euch nicht, denn ich bin mit meiner Zeitplanung aus verschiedenen Gründen total hinterher. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten 2016! ;-)) Es war der Morgen des fünfundzwanzigsten Dezember. Stiles trottete wie betäubt durch die Mall im Zentrum von Beacon Hills. Er fühlte sich kalt, verzweifelt, durcheinander und hatte keine Ahnung, wohin er sich wenden sollte. Den Leuten um ihn herum schien es hingegen völlig anders zu gehen. Jeder hier hatte sein Ziel fest vor Augen und alle hatten es wahnsinnig eilig, die letzten Besorgungen vor den Feiertagen zu machen. Und Stiles stand scheinbar überall im Weg. In diesem Tempel des Kapitalismus am einnahmenstärksten Tag des Jahres wurde er in eine fort angerempelt, herumgestoßen oder beschimpft. Die Mall war festlich geschmückt. Überall blinkte kitschig-schöne Weihnachtsdekoration, die Stiles schallend auslachte, weil er wie ein Vollidiot alle Brücken hinter sich abgebrochen hatte, so dass es nun keinen Ort mehr für ihn gab, an welchem er an den Feiertagen ein gern gesehener Gast gewesen wäre. Und es spielte keine Rolle, dass jede Erinnerung an sein Leben der letzten Jahre und jedes Gefühl nun wieder in aller Deutlichkeit zu ihm zurückgekehrt war, oder dass er es ganz furchtbar bereute, wie er sich in den letzten Wochen aufgeführt hatte. Über Wochen hatte er seinen Liebhaber beschimpft, für Dinge bestraft, die überhaupt nicht seine Schuld waren und war sogar körperlich gewalttätig gegen ihn geworden. Doch am Ende war es wohl dieser letzte Schlag ins Gesicht, den Derek niemals verwinden würde: Stiles hatte PETER HALE seinem Gefährten vorgezogen! Überdies hatte Stiles seine Tochter im Stich gelassen und seinen Vater und seinen besten Freund von sich gestoßen. Er hatte wirklich ganze Arbeit geleistet und jetzt hatte er niemanden mehr! Stiles stolperte durch die Geschäfte, um nach Weihnachtsgeschenken Ausschau zu halten, von denen er fürchtete, dass sie niemals jemand öffnen würde. Er fröstelte bei der Erinnerung daran, wie dieser Tag angefangen hatte. Nachdem Peter Stiles in eine Ecke seines Apartments gedrängt hatte, war der Junge sich sicher gewesen, dass er nicht mehr heil aus dieser Situation herauskommen würde. Peters Absichten waren mehr als eindeutig gewesen, denn schließlich hatte er verdammt lange auf seinen Preis warten müssen. Und zunächst hatte Stiles ja auch mitgemacht, bis dann endlich doch noch der Moment der Erkenntnis bei ihm einsetzte, jedoch zu spät, denn Stiles war sich sicher gewesen, dass Peter nicht in die Kategorie Mann gehörte, die mit dem Wort `Nein´ allzu viel anfangen konnte, wenn er etwas wirklich wollte. Und so hatte der Ältere dann auch tatsächlich damit begonnen, seine Finger nach ihm auszustrecken, hatte versucht, Stiles aus seiner Ecke zu zerren und gewaltsam seine Jeans zu öffnen. „Bitte nicht!“ Stiles hatte zu weinen begonnen. Da hatte Peter innegehalten und scheinbar selbst nicht gewusst, was er nun mit ihm anstellen sollte. Er hatte Stiles lediglich kalt und finster angestarrt. Schließlich hatte der Werwolf eine Entscheidung getroffen, hatte Stiles grob am Arm gepackt, hinter sich her, zur Tür des Lofts gezerrt und ihn hinausgeworfen. Ein paar Sekunden später war dann seine Tasche hinterher geflogen und die Tür war krachend zugefallen. Stiles fröstelte bei der Erinnerung. Als er durch den Spielzeugladen irrte, in der Hoffnung, das vollkommene Geschenk für seine Tochter zu finden, das in der Lage wäre, sein grandioses Versagen der vergangenen Zeit vollkommen auszulöschen, kamen ihm schon wieder die Tränen. Am Ende griff er nach einem Stofftier; einem pummeligen Schäfchen mit drolligem Gesicht, das einen Strickpullover anhatte. Er entschied sich nicht deswegen dafür, weil es das vollkommene Geschenk gewesen wäre. Nein, in Wahrheit war es wohl eher das armseligste Geschenk, das sich finden ließ und überdies in keiner Weise altersangemessen. Stile griff eigentlich bloß danach, weil der liebenswerte Anblick dieser kleinen Kreatur ihn selbst ein kleines bisschen tröstete. Für Scott besorgte er eine seltene Ausgabe von `Swamp-Thing´, die in dessen Comicsammlung fehlte. Melissa sollte ein hübsches Seidentuch bekommen und Malia ein paar Ohrringe. Für seinen Vater suchte Stiles eine neue Thermoskanne für das Revier aus und einen kuscheligen Schal, weil jener, den der Sheriff im Winter trug zum einen unglaublich hässlich und bereits mindestens zwanzig Jahre alt war und er zum anderen noch nicht einmal wirklich warm hielt. Am schwersten fiel Stiles jedoch die Wahl eines Geschenks für Derek. Derek, der ihn mit Sicherheit hasste für das, was er ihm angetan hatte! Stiles hatte ihn gedemütigt und verraten und Derek, der Verrat nur allzu gut kannte, würde ihm das niemals vergeben! Und Stiles fand auch nicht, dass er Vergebung verdient hatte. Nein, er verdiente die Höchststrafe, weil er ein so unfassbarer Idiot gewesen war! In der Auslage eines Antiquitätengeschäfts entdeckte Stiles einen Ring. Er war aus Silber, groß und schwer, trug vorn den Kopf eines Wolfes als Gravur und war unheimlich schön. Er kostete Stiles beinahe seine gesamten Ersparnisse, aber wenn es nun einmal das letzte Geschenk war, dass er Derek je machen konnte, ein Abschiedsgeschenk sozusagen, dann war es die Sache wert. Es war mittlerweile halb vier am Nachmittag, die Geschäfte hatten beinahe alle geschlossen und draußen hatte es zu nieseln begonnen. Stiles hatte heute noch nichts gegessen oder getrunken, teilweise weil er einfach nicht glaubte, irgendetwas herunterbringen zu können und teilweise auch, weil er sich selbst zu bestrafen wollte. Langsam wurde ihm ein bisschen schwindelig. Er seufzte tief, denn nun begann der schwierige Teil des Tages. Es wurde Zeit herauszufinden, was von seinem Leben noch übrig war, also machte er sich auf den Weg. Als er an seinem Elternhaus ankam, war da niemand. Das war seltsam! Wahrscheinlich hatte sein Vater kurzfristig entschieden, die Feiertagsschicht zu übernehmen, um nicht daran denken zu müssen, wo seine Enttäuschung von Sohn wohl gerade steckte und was er und Peter Hale gerade so trieben. Stiles machte sich also auf ins Revier, nur um festzustellen, dass sein Dad auch dort nicht war. Es gab heute lediglich drei diensthabende Beamte. Keinen von ihnen kannte Stiles näher und natürlich konnte ihm auch niemand verraten, wo sich der Sheriff gerade herumtrieb. Auch bei Malia und ihrem Stiefvater hatte Stiles kein Glück, denn sie waren nicht zuhause. Frustriert setzte Stiles seinen `Gang nach Canossa´ fort. Am Haus der McCalls öffnete ihm niemand und es brannte auch kein Licht. Zur Sicherheit blickte Stiles noch einmal in die Fenster, weil er plötzlich das wahnwitzige Idee hatte, Scott und Melissa könnten sich vor ihm verstecken, weil sie zu wütend auf ihn waren, um ihn sehen zu wollen. Natürlich war das Unsinn, doch wo waren sie bloß alle? Nun gab es nur noch eine Tür, an die Stiles klopfen musste, doch das fiel ihm am Allerschwersten! Stiles nahm extra einen Umweg zu Dereks Apartment, weil er wirklich keine Eile hatte, sich dort seine Abfuhr abzuholen, aber schließlich kam er dennoch dort an und seine heimliche Hoffnung, dass vielleicht auch Derek und seine Tochter gar nicht zuhause sein mochten, so wie alle anderen wurde enttäuscht, denn er konnte schon von unten her durch die Fenster sehen, dass Licht brannte. Mit schweren Schritten stieg er die Stufen hinauf und brauchte einige Sekunden, ehe er sich traute zu klingeln. Schritte näherten sich der Tür, es wurde geöffnet und vor Stiles stand seine Tochter in einem hübschen neuen, roten Samtkleidchen. Sie blickte ihn zunächst misstrauisch aus großen, schwarzen Augen an, als wüsste sie nicht, was sie davon zu halten hatte. Dann jedoch änderte sich ihr Gesichtsausdruck und zeigte helle Begeisterung: „DADDY!“ rief sie schrill: „Du bist zuhause, Daddy!“ Ein vollständiger, grammatikalisch korrekter Satz. Das hatten Derek und sie ohne ihn geschafft. Sie brauchten ihn nicht mehr! Allerdings hatte Stiles ihnen ja auch gar keine andere Wahl gelassen, indem er sie beide im Stich gelassen hatte. Unsicher streckte er die Arme nach dem Kind aus und stellte erleichtert fest, dass Loba sich ohne Vorbehalte an seine Brust warf und forderte: „Komm´ Daddy! Alle sind da!“ Das Mädchen nahm ihn bei der Hand, zog ihn ins Innere des Apartments und es sollte sich zeigen, dass es stimmte: Sie waren wirklich ALLE da! Stiles hatte niemanden Zuhause angetroffen, weil sie alle bei Derek waren, verteilt auf Sofas, Sesseln und Stühlen; sein Dad, Scott, Melissa und Malia. Und alle schauten sie ihn erwartungsvoll an. Lediglich von Derek selbst war keine Spur zu entdecken: „Hey!“ sagte Stiles dümmlich, weil ihm absolut nichts besseres einfiel: „Ich bin wieder da! Frohe Weihnachten, Leute!“ Er war ja so ein Arschloch! Scott war der Erste, der reagierte. Er stand auf, zog Stiles in seine Arme und wollte wissen: „Bist du also endlich wieder zur Vernunft gekommen, Mann? Wurde aber auch höchste Zeit!“ „Es tut mir so leid!“ brachte Stiles schluchzend hervor: „Scheiße, es tut mir so unendlich leid!“ Und plötzlich waren sie alle um ihn herum, redeten auf ihn ein, reichten ihn herum und umarmten ihn. Stiles wusste gar nicht recht, wie ihm geschah und konnte einfach nicht aufhören zu heulen. In diese Moment kam Derek mit einem großen Tablett aus der Küche: „Diesmal habe ich den Truthahn nicht anbrennen lassen, John!“ verkündete er zufrieden und da erst sah er, wer unerwartet seinen Weg nachhause gefunden hatte. Derek hätte beinahe das Tablett fallen lassen! Er stellte es ab und lief auf Stiles zu. Alle anderen traten ein Stück zurück und beobachteten gespannt, was nun wohl geschehen mochte: „DU hast einen TRUTHAHN gebraten?“ fragte Stiles leise und ungläubig. Er hatte beklommen die Arme um den eigenen Körper geschlungen und traute sich nicht, seinen Gefährten anzuschauen: „Der Truthahn an Thanksgiving hätte beinahe den ganzen Häuserblock in Brand gesteckt, wenn dein Vater nicht zur Stelle gewesen wäre, aber diesmal habe ich besser aufgepasst.“ gab Derek zurück und wollte wissen: „Hast du Hunger, Stiles!“ Der Heimkehrer nickte leise, wagte aber immer noch nicht, aufzublicken: „Ist okay! Willkommen zuhause, Baby!“ flüsterte Derek und zog Stiles in seine Arme. Zu allen anderen im Raum sagte er bellend: „Seht zu, dass ihr auf eure Plätze kommt! Das verdammte Essen wird kalt!“ Sie hätten Stiles das Leben schwer machen können. Sie hätten ihn mit berechtigten Fragen quälen können. Sie hätten ihm auch sagen können, dass er gleich wieder verschwinden könne, nach allem, was er sich in letzter Zeit erlaubt hatte. Doch Stiles Freunde und seine Familie taten nichts dergleichen. Sie zeigten nichts weiter als Freude darüber, dass er endlich wieder nachhause und zur Vernunft gekommen war. Loba bestand sogar darauf, dass sie beim Essen auf jeden Fall auf seinem Schoß sitzen müsse. Wahrscheinlich wollte sie auf diese Weise bloß sicherstellen, dass ihr Dad sich nicht wieder aus dem Staub machte. Stiles warf einen fassungslosen Blick auf die gedeckte Tafel und dann auf Derek. Er hatte seinen Freund, solange sie zusammen waren, noch nie etwas aufwendigeres als Fertigpasta mit einer schnellen Tomatensoße zubereiten sehen und nun dass hier? Der Eggnog war hausgemacht, den Truthahn hätte Stiles selbst nicht besser hinbekommen, die Füllung war köstlich, als weitere Beilagen wurden Zwiebeln in seine Sahnesoße und Corn-Pudding gereicht und auf dem Fensterbrett stand ein Früchtekuchen zum abkühlen. Unter dem Tisch griff Stiles zaghaft nach Dereks Hand. Dieser antwortete, indem er ihre Finger mit einander verschränkte und ihm zuzwinkerte. Nach dem Essen war die Zeit für die Bescherung gekommen. Loba saß ungeduldig vor einem riesigen Haufen Geschenke und wartete auf das `Go´. Schüchtern legte Stiles das kleine Päckchen, dass er für sie hatte dazu und es war dann auch das erste, welches seine Tochter aufriss. Zunächst betrachtete sie es aufmerksam und dann hielt sie ihr Geschenk hoch und verkündete kichernd und enthusiastisch: „Schaf mit Pullover!“ als sei das die größte Sensation, die man sich vorstellen konnte. Und Stiles fühlte sich wie ein Schwein, weil er ihr und seiner ganzen Familie den Rücken gekehrt hatte. Welcher Teufel hatte ihn denn bloß geritten? In Windeseile hatte Loba auch noch den Rest ihrer Geschenke ausgewickelt; Spielsachen, Kinderbücher, Kleidung und ein Schminkkoffer für Kinder, mit allem, was kleine Mädchen liebten. Das konnte nur von einem gekommen sein, war Stiles klar und er blickte Scott scharf an, doch der zuckte nur grinsend mit den Schultern. Schließlich warf Loba sich glücklich auf den vor ihr liegenden Haufen, schloss die Geschenke mitsamt Verpackungsmaterial in die Arme und stellte fest: „Meins!“ Nun, da Loba fertig war, begannen auch die Erwachsenen damit, ihre Gaben zu verteilen und auszuwickeln. Stiles hatte eigentlich damit gerechnet, leer auszugehen, doch so war es nicht. Sie hatten alle etwas für ihn, so als hätten sie gewusst, dass er rechtzeitig zu Weihnachten wieder zu sich kommen würde. Doch da war ein Geschenk, das alle anderen überstrahlte, dabei war es das kleinste und es kam in einer winzigen Schachtel. Es war von Derek und es war eine kleine goldene Triskele an einer Halskette. „Frohe Weihnachten, Stiles. Ich liebe dich!“ sagte Derek. Stiles, der genau wusste, dass er all das nicht verdient hatte heulte los, wie ein Schlosshund: „Ist okay, Baby! Nun wird alles gut!“ behauptete Derek einfach so. Stiles hatte keine Ahnung, wie das möglich sein sollte, nach allem, was passiert war. „Nicht weinen, Daddy!“ forderte Loba verstört. Stiles straffte sich ein wenig, nickte, zwang sich zu einem Lächeln und zog sein Mädchen zu sich und Derek heran. Der Abend wurde später, sie stellten das Radio an, doch auf allen Frequenzen lief nichts anderes, als blöde Weihnachtslieder. Scott ließ sich dadurch jedoch nicht davon abhalten, erst mit Loba, dann mit seiner Mutter und Malia und schließlich sogar mit Stiles zu tanzen: „Du bist so ein Spinner, Mann!“ ließ dieser ihn wissen, doch der Alpha lachte bloß, wirbelte ihn herum wie einen Drehkreisel und erwiderte: „Selber Spinner!“ Die Freunde halfen am Ende noch ein wenig beim aufräumen, Loba wurde von ihrem Großvater zum übernachten mitgenommen, auch wenn sie sich nur ungern von ihrem heimgekehrten Daddy trennte und schließlich waren Derek und Stiles ganz allein. Stiles stieg unter die Dusche, schlüpfte in seinen Pyjama, putzte sich die Zähne und stellte sich dann unschlüssig in die Schlafzimmertür: „Soll ich lieber erst einmal im Gästezimmer schlafen?“ wollte er wissen. Derek gab ein kleines Knurren von sich: „Bist du irre? Schwing´ auf der Stelle deinen Arsch hierher ins Bett!“ Stiles kroch auf seine Bettseite, zog sich die Decke bis unter das Kinn und blickte Derek mit großen Augen an: „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, mich für das zu entschuldigen, was ich getan habe. Das kann ich doch niemals wieder gut machen!“ „Zwischen uns ist alles in Ordnung, Stiles. Ehrlich!“ versicherte Derek: „Ich weiß, was du durchgemacht hast. Es tut mir so wahnsinnig leid, dass ich dich davor nicht beschützen konnte und dass diese Kerle dir das angetan haben! Ich verstehe, wie wütend und verwirrt du gewesen sein musst.“ Stiles legte seine Stirn an die von Derek: „Das ist aber nicht deine Schuld! Du hättest nicht verhindern können, was mir zugestoßen ist. Wer hätte so etwas denn auch ahnen können. Ich hatte kein Recht, es an dir auszulassen! Ich war ein Monster und es tut mir so leid! Ich...“ „Lass´ uns schlafen!“ unterbrach ihn Derek: „Wir müssen jetzt nicht darüber sprechen! Wenn du willst, müssen wir überhaupt nicht darüber reden. Ich will einfach nur noch schlafen. Ich habe das Gefühl, ich bin seit einer Ewigkeit wach. Loba war jede Nacht hier im Bett und hat mich wach gehalten. Außerdem war ohne dich an Schlaf nicht zu denken,“ Stiles nickte, küsste ihn entschuldigend und richtete sich in der Umarmung seines Gefährten ein. Nach einer Weile, er dachte schon, Derek sei eingeschlafen, fragte dieser in die Dunkelheit hinein: „Stiles? Es ändert zwar nichts zwischen uns, aber ich muss es dennoch wissen: Peter und du... habt ihr...?“ „Nein Derek!“ versicherte Stiles schnell: „Nein, ich habe nicht mit ihm geschlafen!“ Derek atmete auf und zog Stiles noch ein wenig enger an sich heran. Wenig später war er fest eingeschlafen. Kapitel 33: Harte Zeiten - Teil 1 --------------------------------- Stiles war klar, dass ihm und seiner Familie in der nächsten Zeit einiges bevorstand und dass sie nun sehr stark sein mussten. Und am schwersten zu ertragen war die Tatsache, dass es fast immer von anderen abhängen würde, in welchen Bahnen ihr weiteres Leben verlaufen würde; nämlich von Geschworenen, Behördenmenschen und Verwaltungsmitarbeitern. Sie selbst hatten darauf nur sehr geringen Einfluss. Sie konnten bloß versuchen, überzeugend zu sein, sich anstrengen und dann das Beste hoffen! Gleich nach Neujahr begann es damit, dass Stiles als Bittsteller beim Dekan der UC Beacon Hills vorsprach und darum bat, dass er die Prüfungen des ersten Semesters, welches ja bereits im März schon wieder endete nachholen dürfte, um dann nach dem Springbreak mit seinen Freunden gemeinsam im zweiten Semester weitermachen zu können. Stiles hatte sich Scott und seinen Vater als Rückendeckung zu diesem Gespräch mitgenommen. John stellte dar, wie sein Sohn als Opfer homophober Gewalt Monate in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen zugebracht und sich dort ins Leben zurückgekämpft hatte. Es könne doch nicht angehen, dass man ihn dafür bestrafe, argumentierte er! Scott verwies darüber hinaus auf Stiles überragende Schulnoten und seine Fähigkeit, Wissen praktisch zu absorbieren, wie ein Schwamm. Er versicherte, Stiles beim Nachholen des versäumten Lehrstoffs zu unterstützen und ihn mit allen Studienunterlagen der letzten Monate zu versorgen. Schließlich zeigte der Dekan Herz, oder was er dafür hielt, denn er gab Stiles vier Wochen um die gesamten versäumten Inhalte aufzuholen, um diese anschließend in einer fünfstündigen Prüfung abfragen zu lassen. Außerdem dürfe er ab jetzt, bis zum Ende des ersten Semesters keine einzige Vorlesung versäumen. Stiles versprach sein Bestes zu geben und für die Prüfung Ende Januar bereit zu sein, machte jedoch eine Einschränkung bezüglich der geforderten Anwesenheiten, indem er darauf hinwies, dass er in nächster Zeit vermutlich eine Menge wichtiger Termine bei Gerichten oder mit Behörden haben würde, auf deren Zeitpunkte er selbst keinen Einfluss habe. Der Dekan nahm diese Information mit wenig Verständnis auf und forderte eindringlich, dass Stiles sich die Notwendigkeit jedes einzelnen Termins dieser Art amtlich bestätigen lassen müsse, um tatsächlich entschuldigt zu sein. Scott und John hoben an, zu protestieren angesichts dieses Mangels an Empathie, doch Stiles winkte ab und versicherte, dass er sich daran halten werde. Sie fuhren nachhause und Stiles begann umgehend damit, den Lehrstoff durchzuarbeiten. Er wollte diese erste Januarwoche nutzen, so gut es ging, denn die Vorlesungen würde erst in der nächsten wieder beginnen. Er stellte sich also an jedem Morgen früh den Wecker und machte sich dann über die Lehrbücher und Scotts Mitschriften her und legte beides erst wieder weg, wenn es dunkel wurde. Von den Kopfschmerzen, die morgens moderat begannen und sich dann jedoch im Laufe des Tages in ein grandioses `molto furioso´ steigerten, hatte er Derek eigentlich gar nichts erzählen wollen, doch als er am Abend des zweiten Tages lediglich noch dazu in der Lage war, sich mit letzter Kraft ins Bett zu schleppen und dort im Dunkeln zu liegen, wurde seinem Freund natürlich klar, dass etwas nicht stimmte: „Warum sagst du mir denn nicht, dass du Schmerzen hast? Ich kann dir doch helfen!“ sagte Derek vorwurfsvoll: „Ist es immer noch wegen des Angriffs?“ „Ja! Aber es geht schon!“ behauptete Stiles. Dabei klang er, als läge er in den letzten Zügen: „Kleiner Idiot!“ knurrte Derek, setzte sich mit dem Kopfteil im Rücken ins Bett, zog Stiles an sich, so dass dessen Kopf auf seiner Brust platziert war, legte ihm die warmen Hände auf die Stirn und nahm ihm die Schmerzen. Und daraus machten sie von nun an ein tägliches Ritual. Auch Loba musste sich sehr anstrengen und lernen, denn in der nächsten Woche würde ebenso für sie der Ernst des Lebens beginnen, denn sie würde eingeschult werden. Ihre Privatlehrerin war nun jeden Tag für mehrere Stunden da, um sie auf diese neue Anforderung vorzubereiten. Loba beherrschte mittlerweile die Grundrechenarten einigermaßen, konnte ganz passabel in Druckschrift lesen und schreiben und bereits recht gut sprechen. Schon vor Weihnachten hatte Derek sie zu einem Test in der Schulbehörde zur Einstufung ihres Wissensstandes begleitet, welcher ergeben hatte, dass sie in der vierten Klasse beginnen könne. Dort wäre sie zwar gut zwei Jahre älter als alle anderen Kinder, aber dafür sollte es ihr, nach Einschätzung der Experten möglich sein, dem Unterricht zu folgen und je nachdem, wie sie sich entwickele, könne sie ja vielleicht später ein, oder zwei Klassen überspringen und so mit ihren Altersgenossen aufschließen. Stiles und Derek hatten große Befürchtungen, dass die Schulzeit für Loba eine unangenehme Erfahrung werden könnte. Ihr kleines Mädchen würde aus so vielen Gründen herausstechen! Nicht nur, dass sie die Älteste wäre, mitten im Schuljahr begänne, in eine Klasse käme, welche sich bereits seit dreieinhalb Jahren kannte und Loba vieles von dem, was für die anderen Kinder selbstverständlich war, nicht wusste; nein sie unterschied sich auch in ihrem Wesen und durch einige Verhaltensweisen, die den anderen Kindern vielleicht exotisch erscheinen mochten, denn natürlich hatte eine Aufwachsen ohne Liebe und Fürsorge in Isolation und Gefangenschaft mit regelmäßigen Misshandlungen seine Spuren hinterlassen. Überdies gab es da ja noch Lobas eigenartige Sprechweise, welche vielleicht einigen Schulhofrowdys Anlass für Spott geben würde, denn Loba konnte sich zwar mittlerweile in einfachen Worten recht gut ausdrücken, dennoch kamen einige Worte mühsam über ihre Lippen und es klang beinahe wie eine Art fremdartiger Akzent! Und zu allem Überfluss kam noch hinzu, dass Loba das Adoptivkind mit den beiden Daddys sein würde. Und sie war ein Werwolf, was niemand jemals herausfinden durfte! Stiles, für den Mobbing in der Schule immer noch eine lebhafte Erinnerung war fand die Vorstellung, dass seiner Tochter Ähnliches oder Schlimmeres blühen könnte unerträglich. Er setzte Lydia darauf an, sicherzustellen, dass Loba, das hübscheste Mädchen auf dem Schulhof wäre. Sie experimentierten mit dezentem Make-Up und Lydia sollte für die entsprechende Garderobe sorgen. Die kleine Loba, die zwar nicht ganz verstand, was das ganze Theater sollte, ihrem Daddy jedoch einen Gefallen tun wollte, ließ das alles geduldig über sich ergehen und betrachtete sich anschließend kritisch im Spiegel. Derek übte mit Loba täglich, dass sie sich nicht verwandeln durfte, wenn sie in der Schule war, egal, was passierte, was irgendjemand sagte, oder wie aufgeregt sie wäre. Und eines Abends, beim Essen teilte ihre Tochter Derek und Stiles mit, dass sie lieber nicht in die Schule gehen wolle, wenn es sie beide so nervös mache. Sie würde dann lieber hier bei ihnen zuhause bleiben! Na toll! Sie hatten es vergeigt! Bei all´den Befürchtungen bezüglich der Dinge, die schief gehen konnten, hatten sie völlig vergessen, die Freude auf die Schulzeit in ihrer Tochter zu wecken! „Nein, Spätzchen! Die Schule wird toll werden! Da sind andere Kinder und du wirst Freunde finden! Dein Onkel Scott und ich hatten so viel Spaß in der Schule!“ sagte Stiles eilig und ein wenig hilflos und fügte hinzu: „Außerdem MUSST du in die Schule gehen. Alle Kinder müssen das und wenn du das nicht tust, dann werden die Leute vom Jugendamt sagen, dass Derek und ich keine guten Daddys sind und werden dich am Ende noch von uns wegholen!“ Lobas Augen weiteten sich ängstlich. Großartig! Jetzt hatte sie nicht nur keine Lust auf die Schule, sondern auch noch Angst davor! Stiles beglückwünschte sich innerlich bitter zu diesem beherzten Griff in Klo! Er nahm seine Tochter auf den Schoß und versicherte: „Alles wird gut, mein Schatz! Hör´ gar nicht auf mich! Ich mache mir nur unnötig Sorgen! Du bist ein tolles Mädchen und deine Mitschüler werden dich lieben. Sei einfach nur du selbst und schon können sie gar nicht anders!“ Loba blickte ihn zweifelnd an, doch dann nickte sie. Was hätte sie auch sonst tun können? Man ließ ihr ja keine Wahl! Vor Lobas erstem Schultag war Stiles dann bis spät in die Nacht mit dem Backen von Cupcakes beschäftigt, welche er mit verschiedenfarbigen Icings bestrich und mit wundervollen Toppings beklebte;wie Zuckerherzen, Gummibärchen, bunten Streuseln und Schokoladenperlen. Um ganz sicher zu gehen, dass seine Tochter einen guten Start hatte, würde er Lobas neue Mitschüler eben ganz einfach schamlos mit Zucker bestechen, hatte er entschieden! Irgendwann kam Derek verschlafen, barfuß und im Pyjama in die Küche getapst und wollte wissen: „Sag´ mal, was machst du denn hier, du kleiner Verrückter? Wieso schläfst du nicht? Morgen wird ein anstrengender Tag!“ Stiles erklärte ihm seine Überlegungen zum Thema Bestechung und Derek schüttelte nur den Kopf: „Du bist... du bist... ach ich weiß auch nicht!“ murmelte er: „Was denn? Was bin ich? Ein Idiot? Ein Spinner? Ein Blödmann?“ bot Stiles hilfreich an. Derek lachte leise: „Du bist süß! Süßer, als diese kleinen Kalorienbomben hier!“ Er zog den Menschen an sich und küsste ihn auf die Nase. Doch er stutzte als er spürte, wie steif und unbehaglich Stiles sich in seiner Umarmung anfühlte. „Was?“ fragte er verunsichert. Stiles fixierte angestrengt seine Füße: „Wenn ich süß bin und wenn zwischen uns alles wieder in Ordnung ist, wie du immer wieder betonst, warum schlafen wir dann eigentlich nicht mehr miteinander, Derek?“ „Ich... also... uhm...?“ stammelte der Ältere und griff nach Stiles Hand. Die beiden blickten einander unbehaglich an und es entstand ein langes Schweigen, bis Derek zu einem weiteren Erklärungsversuch ansetzte: „Es war so viel los in letzter Zeit. Du musstest ständig lernen und dann deine Kopfschmerzen....! Es gab einfach so vieles, an das wir denken mussten! Es schien nie der rechte Zeitpunkt zu sein!“ Stiles schaute ihn eindringlich an: „Das ist aber nicht alles, oder?“ fragte er: „Es ist wegen Peter, richtig? Glaubst du mir, dass zwischen ihm und mir nichts gewesen ist, Derek?“ „Ich glaube dir! Ich weiß, dass du mich nicht belügen würdest!“ erwiderte Derek leise: „Aber!“ fragte Stiles beklommen: Derek seufzte schwer: „Aber diese Sache hat mir mehr zugesetzt, als ich wahrhaben wollte. Du hast einfach vergessen, dass es mich überhaupt gibt, Stiles! Alles was wir waren und was wir hatten, war auf einmal nicht mehr da! Das war echt hart! Außerdem bist du richtig gemein zu mir gewesen. Und du hast mich mit unserer Tochter allein gelassen, als wir dich wirklich gebraucht haben!“ Derek hielt kurz inne und schenkte Stiles einen verzweifelten Blick: „Ich weiß, dass das alles nicht deine Schuld ist und dass du nicht wirklich du selbst warst! Ich weiß, dass du verletzt und voller Wut gewesen bist. Und ich weiß auch, dass meine Gefühle ungerecht und irrational sind! Es tut mir leid!“ Stiles schluckte schwer und wollte wissen: „Vertraust du mir noch? Liebst du mich noch, Derek?“ Der Angesprochene blickte bestürzt auf: „Ich würde dir jederzeit mein Leben anvertrauen! Und ich liebe dich mehr, als irgendwen sonst auf der Welt!“ versicherte er: „Das weißt du doch, oder nicht?“ Der Junge zuckte unzufrieden mit den Schulter. Derek zog ihn in seinen Arm und flüsterte: „Geh´ doch schon mal ins Bett! Ich beseitige das Chaos und komme dann nach, in Ordnung?“ „Musst du nicht! Ich helfe dir! Immerhin habe ich es ja auch schmutzig gemacht!“ versicherte Stiles schnell: „Du bist doch total erschöpft! Und außerdem: Wenn du dich schon stundenlang in die Küche stellst, um für Loba zu backen, kann ich doch wenigstens hinterher aufräumen.“ Stiles schüttelte den Kopf: „Wir machen es gemeinsam, dann kommen wir auch schneller ins Bett. Wir brauchen schließlich BEIDE unseren Schlaf für morgen. “ bestimmte er. Eine halbe Stunde später lagen sie dann nebeneinander in ihrem Schlafzimmer; beklommen, auf dem Rücken, den Blick zur Zimmerdecke gerichtet und waren mit einem Mal hellwach. „Ich kann nicht schlafen!“ flüsterte Derek in die Dunkelheit: „Darf zu dir kommen?“ Stiles atmete auf: „Ich hatte gehofft, dass du fragen würdest. Ich habe mich nämlich nicht getraut.“ Derek knipste die Nachttischlampe an und blickte Stiles ernst in die Augen: „Ich liebe dich, hörst du! Auch wenn ich gerade ein bisschen blöd bin, an dieser Tatsache musst niemals zweifeln!“ „Du bist überhaupt nicht blöd!“ versicherte Stiles: „Ich verstehe dich!“ „Doch bin ich!“ beharrte Derek: „Ich liege hier neben meiner großen Liebe und er weiß es gar nicht, weil ich mich wie in Eisschrank aufführe!“ „Große Liebe?“ murmelte Stiles schüchtern: „Ich!“ Derek rollte mit den Augen: „Na wer denn sonst, Dummerchen?“ Stiles zuckte mit den Schulter: „Na, jemand, der irgendwie... besser ist.“ Derek beugte sich lächelnd zu einem Kuss zu Stiles hinüber, schob ihm dann vorsichtig eine Hand unter sein Schlaf-T-Shirt und begann zaghaft damit, ihm über Bauch und Brust zu streicheln: „Gott, das habe ich so vermisst!“ seufzte Stiles erleichtert, zog den Älteren auf sich und schlang die Arme um ihn: „Ich auch!“ versicherte Derek. Dann grinste er schelmisch auf Stiles hinab und wollte wissen: „Was hältst du eigentlich von einem Geschwisterchen für Loba?“ und begann damit, anregend sein Becken zu bewegen. Stiles grinste: „Das ist grundsätzlich eine schöne Idee, aber SO werden die nicht gemacht. Hast du denn nicht aufgepasst, als deine Eltern mit dir `Das Gespräch´ hatten?“ „Man weiß doch nie was geschieht, wenn wir uns nur genug anstrengen?“ wendete Derek ein und zwinkerte frech. Stiles erwiderte das Schmunzeln und erklärte: „In Ordnung, probieren wir es! Aber du trägst es aus, denn ich werde mir bestimmt nicht meine knabenhafte Figur ruinieren!“ „In Ordnung!“ bestätigte Derek: „Dann musst du aber auch damit leben, dass ich fett werde und Hängebrüste bekomme!“ Stiles kicherte bei dieser Vorstellung. Und weil es nun sowieso schon gleichgültig war, denn sie würden morgen ohnehin hoffnungslos unausgeschlafen sein, fielen sie nun über einander her, weil es einfach schon viel zu lange her war! `Und vielleicht war es auch gar nicht das Schlechteste, wenn sie morgen zu müde wären, um aufgeregt zu sein?´ war der letzte sinnvolle Gedanke, den Stiles hatte, bevor sein Großhirn sich verabschiedete. Als vier Stunden später der Wecker unbarmherzig schrill läutete, rührte keiner von den beiden einen Finger, um diesen auszuschalten, bis Loba mit ihrem Plüschwolf unter dem Arm in ihrem Nachthemdchen hereingestürmt kam, sich auf das Bett schwang, darauf herum hopste und genervt rief: „DADDYS! Das ist so laut!“ „Ja, Spätzchen!“ brummte Derek, streckte seinen Arm unter der Decke hervor und tastete nach dem Wecker, um ihn zum Schweigen zu bringen. Stiles hatte derweil Lobas Hand genommen und sie zu sich heruntergezogen, um die lästigen Erschütterungen seiner Schlafstätte zu beenden: „Komm´ mein Schatz! Wir kuscheln noch ein bisschen, ja?“ murmelte er und schlang seine Arme um das Mädchen. „Da mache ich mit!“ verkündete Derek und zog beide zu sich heran. Loba liebte ihre Streicheleinheiten für gewöhnlich, doch heute war sie dafür absolut nicht in Stimmung. Bereits nach wenigen Minuten begann sie zu quengeln: „Hungrig, Daddy! Und dann muss ich in die doofe Schule!“ „Bist du aufgeregt, Baby!“ wollte Stiles wissen. Loba antwortete nicht und schaute ihn nur an, als habe er eine sehr dumme Frage gestellt. Und Stiles musste zugeben, schuldig zu sein im Sinne der Anklage. Sie deckten also den Frühstückstisch, obwohl Loba es viel mehr auf die wunderbaren Cupcakes abgesehen hatte, welche Stiles vergangene Nacht produziert hatte: „Nein, mein Engelchen! Die schenkst du nachher den anderen Kindern.“ erklärte er ihr ruhig: „Und immer, wenn sie dann später an dich denken, werden sie sich an leckere kleine Kuchen erinnern und schon mögen dich alle! Das ist doch eine gute Idee, findest du nicht auch?“ Nein, das fand Loba nicht! Sie blickte Stiles unzufrieden an, und hörte nicht damit auf, ehe sie einen der Cupcakes als Nachtisch erhielt. Erst da war sie wieder ein wenig versöhnt. Stiles hatte nur wenig Zeit, um sich ein Bild von der neuen schulischen Umgebung seiner Tochter zu machen. Er bekam gerade noch mit, wie die Lehrerin Loba der Klasse vorstellte und sie auf den freien Platz neben einen süßen, schielenden, bebrillten, blondgelockten Jungen namens Matthew gesetzt wurde, welcher mit seiner neuen Sitznachbarin offenbar sehr einverstanden war, so wie er sie anhimmelte. Irgendwie musste Stiles da an jenen Moment denken, als er selbst das erste Mal einen Blick auf eine gewisse Lydia Martin geworfen hatte und da hatte er plötzlich die Gewissheit, dass hier alles gut werden würde. Mit diesem Gefühl konnte er sich erleichtert verabschieden. Derek hingegen blieb noch eine Weile, bis er schließlich freundlich, aber dennoch bestimmt von der Lehrerin aus dem Klassenzimmer hinauskomplimentiert wurde. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen, in der Nähe zu verweilen, setzte sich in seinen Camaro und harrte auf dem Parkplatz der Beacon Hills Junnior High aus; die Wolfsohren angestrengt gespitzt, um zur Stelle zu sein, falls etwas schief ginge und seine Tochter ihn bräuchte. Und sollte irgendwer die Polizei rufen, weil sich ein gruseliger Typ auf dem Schulgelände herumtrieb, war Derek froh, dass sein Schwiegervater in spe der Sheriff war, der ihn da wieder herausboxen könnte. Stiles wusste auf Anhieb, dass er das College lieben würde, denn hier wimmelte es von Leuten, die so waren, wie er selbst; die das Wissen liebten! Hier war er endlich mal nicht der seltsame Nerd und Klugscheißer. Er war endlich angekommen! Und als Bonus kam hinzu, dass er jeden Tag Danny und Scott bei sich haben würde. Er musste nun bloß noch diese verdammt Prüfung in drei Wochen bestehen und dann würde alles ganz großartig werden. Am späten Nachmittag, als Stiles im Bus nachhause saß, spürte er mit einem Mal den versäumten Schlaf und das, obwohl ihm der wichtigste und furchterregendste Termin des Tages noch bevorstand. Sein Dad saß bereits mit Loba bei ihnen auf dem Sofa und teilte Stiles mit, dass Derek noch unterwegs sei, um das Abendessen für sie alle vom asiatischen Take-Away zu besorgen. Stiles war heilfroh, dass er sich nicht auch noch darum kümmern musste, dass sie etwas zu essen auf den Tisch bekämen. Sie waren gerade dabei, ihre Mahlzeit einzunehmen, als der gefürchtete Besuch klingelte. John ging öffnen, gefolgt von seiner Enkelin, die sich sofort hinter dem Rücken des Sheriffs versteckte, als sie die vier Leute vom Jugendamt erblickte. „Imbiss-Essen?“ war das erste, was Ms. Miller-Smith, welche die heutige Gesprächsführung übernehmen würde feststellte, noch bevor sie einen guten Abend wünschte. `Was für ein selten bescheuerter Doppelname!´ dachte Stiles mürrisch. Laut sagte er: „Normalerweise kochen wir frisch!“ und ärgerte sich sogleich über sich selbst, denn welche Grund hatte er denn überhaupt, sich zu rechtfertigen? Er bot der Delegation des Schreckens einen Sitzplatz, ein Getränk und etwas von dem Abendessen an. Letzteres wurde von sauertöpfischen Mienen dankend abgelehnt! Irgendwie war auch dem Hale-Stilinski-Clan nun der Appetit vergangen, also ging man hinüber ins Wohnzimmer und ließ sich dort mit einem Kaffee nieder. „Sie wissen, warum wir heute hier sind?“ leitete Ms.-Lahmer-Doppelname das Gespräch ein. Stiles und Derek tauschten genervte Blicke. Selbstverständlich wussten sie, warum diese Leute hier waren und beide ärgerten sie sich im Stillen über diese schulmeisterliche Art der Fragestellung! Die Jugendamtleute waren zu einer letzten Inspektion gekommen; würden Loba, ihre Fortschritte, ihre Väter und ihr Elternhaus genau unter die Lupe nehmen und dann ihren Abschlussbericht einschließlich Empfehlung zu Lobas zukünftiger Unterbringung beim Familiengericht abgeben. Oder anders ausgedrückt: Sie würden heute über sie alle zu Gericht sitzen! Unglaublicher Weise behauptete Ms. Miller-Smith in diesem Augenblick: „Wir werden uns jetzt erst einmal ganz zwanglos unterhalten!“ Und schon begann sie mit ihrem Verhör nach Stasi-Art: „Wie ich sehe, sind sie wieder zuhause, Mr. Stilinski. Bedeutet das denn wohl, dass sie nun wieder vollkommen genesen sind?“ Stiles starrte sie finster an und erwiderte: „Das Problem, wenn Typen in Stiefeln versuchen, einem den Schädel mit ihren Tritten zu zertrümmern ist, dass einem der Kopf danach noch eine ganze Weile wehtut. Aber abgesehen davon geht es mir wesentlich besser; Danke! Ich habe mein Gedächtnis vollständig wiedererlangt und gehe bereits wieder auf´s College.“ Die vier unliebsamen Gäste senkten zeitgleich die Köpfe und kritzelten etwas auf die Schreibblöcke, welche jeder von ihnen auf dem Schoß hatte. Stiles fragte sich, ob das bedeutete, dass er das Richtige oder genau das Falsche gesagt hatte? Offenbar war es das Falsche, denn nun fragte Ms.-Häufigster-Plus-Zweithäufigster-Nachname-im-englischen-Sprachraum: „Und wer wird sich um Loba kümmern, wenn sie im College sind, Mr. Stilinski!“ Sie ließ es so klingen, als sei es etwas besonders Frivoles, dass Stiles nun eine Ausbildung begonnen hatte, anstatt als Vollzeitvater zuhause zu bleiben, wie es jedes einigermaßen verantwortungsvolle Elternteil in jedem Fall tun würde. Stiles Nerven lagen blank und er war drauf und dran, dieser Frau an die Gurgel zu gehen, doch Derek, ungewöhnlich besonnen, kam ihm mit seiner Antwort zuvor: „Loba wird nun Vormittags in der Schule sein. Und anschließend wird sich dieselbe Person um sie kümmern, die es auch schon in den zurückliegenden Monaten getan hat, als Stiles unglücklicherweise nicht bei uns sein konnte, nämlich ich! Wie sie wissen, bin ich finanziell unabhängig und habe Zeit. Und nach den Vorlesungen wird Lobas anderer Vater ja auch wieder heimkehren und dann können wir Zeit als Familie verbringen!“ Wieder kritzelten die Vier etwas in ihre Schreibblöcke und dann schwenkte Ms. Miller-Smith mit ihrer Aufmerksamkeit auf Loba um: „Heute war also dein erster Schultag, Kleine?“ fragte sie: „Und? Wie hat dir das gefallen?“ Das Mädchen kniff skeptisch die Augen zusammen und musterte die fremde Frau. Dann blickte sie auf Stiles, der ihr aufmunternd zunickte und sagte: „Ist okay, Spätzchen! Du kannst es ihr ruhig erzählen!“ Loba griff sicherheitshalber nach Stiles Hand und berichtete dann: „Ich habe Kuchen gegessen!“ Ms. Miller-Smith zog eine Augenbraue hoch und erklärte an Derek und Stiles gewandt streng: „Kuchen ist kein angemessenes Frühstück, meine Herren! Übergewicht ist ein schwerwiegendes, gesundheitliches Problem in diesem Land!“ Stiles zählte innerlich bis zehn, um den gewalttätigen Impuls in sich niederzuringen. Was hatte diese Frau bloß immer für ein Problem mit dem Essen? Wahrscheinlich war diese verkniffene Kuh eine von denen, die lebenslang auf Diät war. Das würde jedenfalls einiges erklären! Er versuchte, allen Sarkasmus aus seinen Worten zu verbannen, als er erwiderte: „Das ist mir bewusst, Ma´am. Die Cupcakes waren lediglich ein Begrüßungsgeschenk an Lobas neue Mitschüler, um ihr einen guten Einstand zu verschaffen. Ich habe sie selbst gebacken. Falls es sie beruhigt; es handelte sich um einen Vollkorn-Karotten-Teig. Und ich möchte darauf hinweisen, dass Übergewicht vielleicht ein Problem in diesem Land sein mag, aber nicht für unsere Tochter, die lebensbedrohlich untergewichtig war, als sie zu uns kam und sich, dank unserer Fürsorge nun langsam dem Normalgewicht annähert! Ich denke, der Befundbericht des Kinderarztes liegt ihnen vor, richtig? Aus ihm geht hervor, dass Loba in hervorragender körperlicher Verfassung ist.“ Stiles kochte innerlich vor Wut! Und nun behauptete Ms. Miller-Smith auch noch: „Niemand wirft ihnen beiden etwas vor, meine Herren. Es geht hier lediglich um das Wohl eines Kindes und da müssen wir eben sehr genau sein, insbesondere in einem Fall wie ihrem!“ „Was soll das denn bedeuten?“ knurrte Derek: „Geht es darum, dass wir zwei Männer sind, oder wie?“ Die Jugendamtsmitarbeiterin lachte gekünstelt und forderte: „Nun machen sie daraus doch bitte kein Politikum, Mr. Hale! Ich weiß, Leute wie sie fühlen sich gerne schnell diskriminiert, aber hier geht es viel mehr darum, dass ihr `Partner´...“ sie sagte es so, dass die Anführungszeichen nicht zu überhören waren: „... selbst noch ein Jugendlicher ist! Mr. Stilinski ist gerade mal achtzehn Jahre alt. Wollen sie dieses Leben wirklich für diesen Jungen?“ Stiles knirschte mit den Zähnen und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Der einzige Grund, warum er ruhig blieb, war Loba. Wenn er es sich mit diesen Arschgeigen verscherzte, dann würden sie sie ihnen mit Sicherheit wegnehmen. So ruhig, wie es ihm möglich war antwortete er also: „Ich sitze genau hier! Ich kann sie hören und ich liebe es gar nicht, wenn man über mich spricht, als wäre ich gar nicht im Zimmer. Und das eine möchte ich klarstellen: Ich bin ein Erwachsener und ich treffe meine eigenen Lebensentscheidungen. Und die wichtigste, die ich in der jüngsten Vergangenheit getroffen habe war die, der Vater dieses Mädchens zu werden. Ihnen mögen unsere Lebensweise, oder der Altersunterschied zwischen uns nicht gefallen , doch um dieses Urteil zu fällen sind sie nicht hier. Sie sind hier, um zu entscheiden, ob Loba ein gutes Zuhause hat, in welchem sie gesund und glücklich auswachsen kann und ich denke, wenn es ihnen gelingt, für einen Moment unvoreingenommen zu sein, dann werden sie erkennen, dass sie das hier bei uns hat.“ „Wir werden sehen!“ erwiderte Ms. Miller-Smith: „Wir haben noch gar nicht Lobas Sichtweise gehört.“ Sie wendete sich dem Mädchen zu und fragte zuckersüß: „Zeigst du uns dein Zimmer Loba? Deine Daddys können ja solange hier im Wohnzimmer warten.“ Ms. Miler-Smith streckte ihr die magere, klauenartige Hand entgegen. Die Augen des Mädchens weiteten sich vor Schreck: „Daddy?“ fragte ängstlich und kroch dann, so weit es ihr möglich war unter Stiles Pullover. Die Jungendamtsmitarbeiterin registrierte es verstört und während ihre Kollegen wieder fleißig Notizen in ihre Blöcke kritzelten, fragte sie: „Macht Loba so etwas öfter? Das ist aber kein altersentsprechendes Verhalten!“ „So etwas macht unsere Tochter nur, wenn jemand sie zu Tode erschreckt!“ erwiderte Stiles unwirsch und schloss die Arme um das Kind. Erst als er spürte, dass sie etwas ruhiger geworden war, holte er sie wieder unter seinem Sweatshirt hervor und versprach: „Die Leute wollen dir nichts tun, Baby! Sie möchten nur kurz allein mit dir sprechen, aber niemand wird dir wehtun, hörst du? Du zeigst den Leuten jetzt dein Zimmer und deine Spielsachen und wenn ihr fertig seid mit reden, dann warten wir hier schon auf dich. Schaffst du das, meine Große?“ Loba wirkte unschlüssig, doch dann nickte sie und führte die Fremden in ihr Zimmer. Sie sagte ihnen die Namen der Prinzessinnen auf ihrer Tapete, führte ihre Kuscheltiere, ihre Buntstifte und ihre Bilderbücher vor und wurde aufgefordert, aus letzteren ein wenig vorzulesen, was sie dann auch mühsam und stockend tat. Dann nahmen die Fremden in Lobas Zimmer Platz, obwohl sie diese gar nicht dazu eingeladen hatte und Ms. Miller-Smith stellte dem Mädchen Fragen. Ob sie glücklich sei? Loba wusste nicht, was das bedeutete. Stattdessen antwortete sie, dass sie schon Fahrrad fahren könne. Ob sie Freunde habe? „Tante Malia kann ein Hund sein, wenn sie will!“ erklärte Loba: „Und Grandpa ist ein Polizist!“ Ob sie manchmal Angst habe? „Manchmal habe ich träume und dann weine ich. Dann schlafe ich bei meinen Daddys. Da können mich die Träume nicht finden!“ beteuerte das Mädchen. Dann wurde Loba gebeten, einige Rechenaufgaben lösen. Das Mädchen brauchte ein wenig Zeit, kniff angestrengt die Augen zusammen, hatte die Zunge im Mundwinkel und musste die Finger zu Hilfe nehmen, doch schließlich konnte sie die korrekte Antwort geben. Und nun erklärte Ms. Miller-Smith, dass es verschiedene Möglichkeiten gäbe, wie Loba leben könne. Sie müsse nicht hier bei Stiles und Derek bleiben, sondern könne auch in einem Haus mit ganz vielen anderen Kindern leben. Oder in einer richtigen Familie, mit Geschwistern. Ganz normal! Das wäre doch schön, oder nicht? Loba wurde schlecht vor Entsetzen: „NEIN!“ schrie sie. Und dann immer wieder: „Neinneinneinnein...!“ bis John, Stiles und Derek ins Kinderzimmer gestürmt kamen. Derek nahm sein kleines Mädchen, dass sich weinend auf dem Teppich zusammengerollt hatte hoch und nahm sie fest in den Arm: „Ich gut, mein Schatz. Alles wird wieder gut!“ murmelte er und kraulte das Kind sanft. Stiles fragte wütend: „Was zur Hölle haben sie zu ihr gesagt?“ Ms. Miller-Smith ließ diese Situation scheinbar vollkommen kalt. Sie ignorierte Stiles Frage, schlug vor, wieder ins Wohnzimmer umzuziehen und dort zog sie ihr Fazit, während Derek mit Loba im Kinderzimmer zurückblieb: „Dieses Mädchen kann sehr schlecht lesen für ein Kind von zwölf Jahren, es fällt ihr schwer, selbst auf einfache Fragen zu ihrem Leben und ihrer Befindlichkeit sinnvolle Antworten zu geben und sie zeigt ein sehr retardiertes Verhalten. Emotional bewegt sie sich scheinbar noch auf dem Niveau einer Fünfjährigen und hat eine viel zu enge Bindung insbesondere an sie, Mr. Stilinski! Außerdem hat sie uns erzählt, sie schläft noch bei ihnen im Bett? Halten sie dies wirklich für angemessen für ein Mädchen, welches gerade im Begriff ist, in die Pubertät einzutreten?“ Stiles fiel die Kinnlade herunter. Er hatte kein Ahnung, wie er auf diesen Haufen Schwachsinn reagieren sollte, ohne ausfallend zu werden. John hingegen wusste es scheinbar, denn er ergriff nun das Wort: „Sie haben sicherlich recht, dass Loba sich nicht wie ein Kind ihrer Altersklasse verhält, aber überrascht sie das allen Ernstes?“ fragte er erstaunlich gefasst: „Vor einem halben Jahr konnte meine Enkelin nicht einmal sprechen. Sie wusste nicht, wie man sich die Zähne putzt, zur Toilette geht oder Besteck benutzt. Sie war emotional vollkommen unversorgt, körperlich in erbärmlichem Zustand, hatte in ihrem bisherigen Leben nur Folter, Isolation und Demütigung erlebt. Es ist ein Wunder, wie sich dieses Kind in der kurzen Zeit entwickelt hat, seit sie bei meinem Sohn und seinem Partner lebt. Sie kann sprechen, besucht nun sogar schon die Schule, ist fröhlich und ausgeglichen und es ist ihr gelungen, Vertrauen zu anderen Menschen entwickeln.“ John atmete tief durch und wiederholte mit bewegter Stimme: „Es grenzt wirklich an ein Wunder! Und nun kommen sie mit ihren Erwartungen und unrealistischen Forderungen daher und behaupten, mit dem Mädchen sei etwas nicht in Ordnung? Menschen passen nun einmal in kein Raster! Und insbesondere jemand mit einem einzigartigen Schicksal wie Loba sollte das Recht haben, sich in seinem eigenen Tempo zu entwickeln. Aber nun lassen sie uns doch einmal über eine Sache sprechen, über die hier noch kein Wort verloren wurde. Liebe! Loba wird geliebt; von ihren Vätern, ihren diversen Wahlonkeln- und tanten und ihrem Großvater! Und Loba liebt uns. Wenn sie nur ein bisschen was von ihrem Beruf verstehen, dann dürfte ihnen klar werden, dass es letztlich vor allem darauf ankommt und nicht darauf, dass im heutigen Abendessen Glutamat enthalten war!“ „Aber Glutamat ist... !“ setzte Ms. Miller-Smith an, wurde jedoch von einer Kollegin unterbrochen; einer blassen, blonden, dünnen, unscheinbaren Frau, an der das einzig Bemerkenswerte ihre freundlichen türkisblauen Augen waren: „Ich denke, der Sheriff hat recht, Claire! Dieses Mädchen wird geliebt und sie hat es gut hier. Also ich habe zumindest genug gesehen, um mir ein Urteil bilden und meinen Bericht schreiben zu können! Wir sollten die Familie nun nicht noch länger als nötig aufhalten. Ihr Tag war sicherlich ohnehin schon lang genug!“ Miller-Smith, die es scheinbar gar nicht liebte, wenn man ihr ins Wort fiel, die aber offenbar in dieser Situation auch keine peinliche Diskussion beginnen wollte, funkelte ihre Kollegin lediglich böse an und wendete sich dann an ihre beiden männlichen Mitarbeiter. Dummerweise waren die Herren offenbar auch der Meinung, dass sie nun ausreichend Informationen hätten und Ms. Doppelname fehlte der Rückhalt in ihrem eigenen Team. Aber natürlich ließ die Dame es sich am Ende nicht nehmen, das letzte Wort zu haben: „Sie und Mr. Hale werden vom Gericht hören. Leben sie wohl Mr. Stilinski! Sheriff!“ Sie sagte es so, dass es wie eine Drohung klang. Die Delegation erhob sich und folgte Ms. Miller-Smith zunächst zum Kinderzimmer, um sich dort ebenfalls zu verabschieden. Loba zeigte hieran jedoch nicht das geringste Interesse, sondern versteckte sich stattdessen hinter dem breiten Rücken ihres älteren Ziehvaters und dieser dachte gar nicht daran seiner Tochter die Deckung zu nehmen, sondern ließ sie gewähren, was ihm einen strengen Blick von Ms. Miller-Smith einbrachte. Es hätte Derek nicht gleichgültiger sein können, ob sie Loba deswegen für eine verzogene Göre halten würde! Gemeinsam mit Stiles brachte er anschließend die Gäste zur Tür. Ms. Miller-Smith und ihre beiden männlichen Kollegen waren schnell verschwunden, doch die andere Kollegin, die sich ihnen nun als Ms. Pierce vorstellte wartete, bis ihre Mitarbeiter außer Hörweite waren und sagte dann: „Meine Frau und ich habe zwei Jungs. Als Mutter und Mensch möchte ich ihnen sagen, dass ich denke, dass sie ihre Sache mit Loba sehr gut machen. Ich werde mich in meiner Behörde für sie einsetzen. Ich wünsche ihnen alles Gute und insbesondere ihnen Mr. Stilinski weiterhin gute Genesung!“ Derek und Stiles klappte der Unterkiefer herunter. Sie brachten gerade noch ein verblüfftes : „Dankeschön!“ heraus und da war Ms. Pierce auch schon verschwunden. „Böse Menschen!“ zischte Loba, die sich nun wieder aus ihrem Zimmer heraus getraut hatte, nachdem die Luft rein war. Stiles zog das Mädchen an sich und murmelte: „Gott, ich bin so erschöpft!“ Derek nickte: „Ich weiß Baby! Verkraftest du trotzdem noch eine weitere Sache?“ „Was ist es?“ fragte Stiles, auf das Schlimmste gefasst. Derek legte ihm mehrere Briefumschläge in die Hand und erklärte: „Das war heute in der Post! Sie sind da!“ Es handelte sich um Vorladungen des Gerichts. Kapitel 34: Harte Zeiten – Teil 2 --------------------------------- Stiles wog die beiden Briefumschläge in seiner Hand und starrte sie so fest an, dass sie vor seinen Augen immer größer zu werden schienen, bis sie beinahe sein gesamtes Gesichtsfeld einnahmen. Schließlich zwang er sich aufzublicken und schaute Derek an: „Komm´ schon, Süßer!“ sagte dieser aufmunternd: „Wir wussten, dass das passieren wird. Und wir schaffen dass!“ Huch? Optimismus? Und das aus Dereks Munde? Dagegen konnte Stiles einfach nichts einwenden. Und was hätte er auch sagen sollen? Kneifen war nicht möglich; das war ihm auch klar! Sie mussten also da durch, egal ob sie wollten, oder nicht. Und wie hatte es Winston Churchill einmal ausgedrückt? `Wenn du durch die Hölle musst, dann bleib nicht stehen!´ Der Prozesstermin gegen die Schausteller war für Mitte Februar angesetzt und es würde dabei um all ihre Opfer gehen und nicht nur um Loba allein. Das erleichterte die beiden Väter ein wenig, weil es so hoffentlich die Chance auf ein hartes Urteil gab, wie sie sich ausrechneten. Was Stiles und Derek jedoch überhaupt nicht gefiel, war die Aussicht, dass man Loba in den Zeugenstand rufen könnte. Am Liebsten würden sie sie nicht einmal nicht zu den Verhandlungen mitnehmen, denn sie wollten sie diesen Leuten und vor allem dem ganzen damit verbundenen Stress kein weiteres Mal aussetzen. Doch weil dies nun einmal nicht möglich war, würden sie sich Wohl oder Übel auf die zweitbeste Lösung konzentrieren müssen: Sie würden Loba bestmöglich auf das vorbereiten, was vor ihr lag. Stiles öffnete den zweiten Briefumschlag und war nicht überrascht, dass dieser ebenfalls eine Vorladung des Gerichts enthielt. Und natürlich ging es hierbei um die drei Kerle, die ihn beinahe zu Tode geprügelt hatten. Diese Verhandlung würde nicht einmal zwei Wochen später stattfinden und Stiles erfasste das kalte Grauen. Er wollte diesen Männern nicht gegenübertreten, die mit ihrer Gewalt sein Leben mal eben im Vorbeigehen aus den Angeln gehoben hatten. Was scherte es ihn, wenn sie ohne seine Aussage ungeschoren davonkämen, dachte er trotzig? Diese Gerichtsverhandlung würde doch bloß gerade erst verschorfte Wunden wieder aufreißen! Derek schüttelte ernst den Kopf und erklärte mit fester Stimme: „Du denkst so laut, dass ich es hören kann, Baby und dazu gibt es nur eines zu sagen: Kommt nicht in Frage! Du schaffst das, Stiles! Ganz sicher! Und ich werde die ganze Zeit bei dir sein.“ `Schon wieder dieser Optimismus!´ stellte Stiles im Stillen verdrießlich fest. Doch dann sprach Derek weiter und da klang er schon wieder ein wenig mehr wie er selbst: „Diese Typen sollen für das, was sie dir angetan haben auf ewig im Knast verrotten und hoffentlich werden sie dort jeden Tag von einer ganzen Gruppe vergewaltigt!“ „Ganz schön rachsüchtig, oder nicht?“ stellte Stiles mit einer Spur Belustigung fest. Derek sah unbehaglich aus: „Sie haben dir wehgetan!“ murmelte er beklommen. Stiles legte seinem Gefährten die Arme um den Hals, strich ihm mit den Fingern durch das Haar und versprach: „Ich komme wieder ganz in Ordnung! Ehrlich!“ Im Grunde war Stiles nach diesem Tag, der hinter ihm lag schon jetzt bereits total überreizt, doch er wusste auch, dass es Loba nicht anders ging, wenn nicht gar schlimmer und wenn er nicht wollte, dass ihre Tochter wieder einmal eine unruhige, schlaflose Nacht im elterlichen Bett verbrachte, dann musste er sich etwas einfallen lassen: „Jetzt ist Kuschelzeit!“ ordnete er daher an, parkte seine beiden Wölfe auf dem Sofa, holte Eiscreme und drei Löffel aus der Küche, schaltete die Glotze ein und hockte sich zu seiner Familie. Er nahm eine von Dereks Händen in seine und nutzte die andere um Lobas Kopf an seine Brust zu ziehen und ihr den Nacken zu kraulen: „Erzählst du mir denn jetzt, wie dein erster Schultag war, Spätzchen?“ wollte er wissen. Das Mädchen blickte von unten her in seine Augen: „Die Lehrerin ist nett. Schule ist gut. Aber Pausen sind blöd!“ erklärte sie schlicht, denn viele Worte waren nun einmal nicht ihre Sache. Stiles zog ratlos die Stirn kraus: „Ehrlich? Pausen sind blöd? Ich dachte immer, die Pause wären das Beste?“ Loba schüttelte den Kopf: „Wenn die Lehrerin sagt `Lesen!´, dann lesen wir, wenn sie sagt `Rechnen!´, dann rechnen wir. Und die anderen Kinder müssen dann mit mir sprechen. Aber in der Pause sagt niemand, was wir tun müssen und niemand spricht mit mir!“ „Hmm!“ machte Stiles traurig: „Weißt du, was du da machen kannst? Du suchst dir irgendein Kind aus, dass du nett findest und das genauso allein ist wie du, gehst zu ihm hin und fragst: `Wollen wir spielen?´ Bestimmt freut es sich darüber. Manchmal darf man einfach nicht warten, bis die Anderen zu einem kommen, sondern muss selbst den Anfang machen. Hätte ich darauf gewartet, dass dein Daddy Derek irgendwann merkt dass ich ihn mag, dann wären wir heute bestimmt keine Familie!“ Derek schüttelte gutmütig den Kopf und begann damit, Loba und Stiles mit Eiscreme zu füttern. Das süße, sahnige Eis, die Streicheleinheiten und die wohlige Körperwärme ihrer beiden Väter links und rechts führten langsam dazu dass Loba begann, schläfrig zu werden und nach einer Weile beschloss Derek, dass es für sie Zeit wurde, ins Bett zu gehen. Nach dem Waschen und Zähneputzen, was sie mittlerweile vollkommen selbstständig und ohne Extraaufforderung erledigte, kam Loba in ihr Zimmer, wo ihre Väter bereits auf sie warteten. Aus dem abendlichen Vorlesen war inzwischen ein Dialog geworden. Sie lasen alle drei abwechselnd einen Abschnitt und ganz nebenbei und mit Spaß an der Sache trainierte das Mädchen auf diese Weise ihre Lesekünste und ihr Textverständnis. Das war natürlich Stiles Idee gewesen und Derek war einmal mehr wahnsinnig stolz auf ihn. Das schräge, väterliche Schlafliedsingen, das darauf folgte war nun, da sie endlich wieder alle zusammen waren ein Duett. Loba durfte sich etwas wünschen und wählte `You are my sunshine´, welches Stiles und Derek; wenn auch nicht ganz fehlerfrei, aber dafür zweistimmig und mit viel Liebe vortrugen. Abschließend erhielt das Mädchen noch von beiden Männern einen Kuss und wurde zugedeckt, doch da war sie beinahe schon eingeschlafen. Derek und Stiles räumten noch ein wenig auf und machten sich dann über einen Umweg über das Bad ebenfalls auf den Weg ins Bett. „Ist nicht dein Ernst?“ fragte Derek, als er erkannte, dass Stiles sich einen dicken Psychologie-Wälzer als Bettlektüre mitgebracht hatte. „In nicht einmal drei Wochen ist die Prüfung, Derek!“ erwiderte der Jüngere hilflos: „Wie soll ich das schaffen, wenn ich nicht lerne?“ „Bist du nicht so eine Art Genie?“ schnurrte Derek verführerisch, schob Stiles T-Shirt hoch und begann damit, seinen Bauch zu küssen: „Das machst du doch mit links!“ „Du bist ein sehr, sehr böser Junge!“ erwiderte Stiles mit einem kleinen, gutmütigen Lächeln, legte das dicke Buch beiseite und wendete sich dem liebesbedürftigen Werwolf zu. Aber abgesehen von kleinen Ausrutschern wie diesem nahm Stiles es mit der Lernerei in nächster Zeit dennoch sehr genau und trieb sich selbst zeitweise gar bis an den Rand der Erschöpfung, verbrachte Stunden um Stunden in der Bibliothek der Fakultät, oder im Internet und studierte nicht nur den vorgeschrieben Lehrstoff, sondern ging auch den Quellennachweisen nach und las Sekundärliteratur; alles nur um optimal auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. In seinem Größenwahn hatte Stiles eigentlich auch noch gedacht, er könne seinen Teil der Hausarbeit erledigen und abends kochen, doch den Zahn hatte Derek ihm schnell gezogen! Alles was Stiles neben seinen Pflichtanwesenheiten in den Vorlesungen und dem Pauken für die Prüfung zu tun erlaubt war, war Zeit mit seiner Tochter zu verbringen. Und während Derek putzte, Wäsche wusch, irgendwie auch kochte, auch wenn dies wahrlich nicht seine Stärke war und sogar bügelte, schauten Loba und Stiles in dessen begrenzter Freizeit gemeinsam Cartoons, gingen auf den Spielplatz, in den Park, ins Freibad oder in Eisdielen und Burgerbuden. Natürlich fühlte Stiles sich Derek gegenüber deswegen schuldig, weil er gerade so wahnsinnig nutzlos war und versicherte Zwei- Dreihundert Mal, wie dankbar er ihm für seine Unterstützung sei und dass er das niemals, niemals, niemals würde wieder gut machen können, bis Derek schließlich der Kragen platzte und er androhte, Stiles seine Kehle mit den Zähnen herauszureißen, wenn dieser nicht endlich still wäre. Und die einzig vernünftige Reaktion auf diese blutige Drohung war selbstverständlich ein versonnenes Grinsen seines Liebsten, bei dem diese Äußerung süße Erinnerungen an ihrer beider Anfänge weckte. Loba hatte den Rat von Stiles befolgt und hatte sich auf dem Schulhof nach Kindern umgeschaut, die sie nett fand und die allein waren und da war ihr sofort ein Mädchen aufgefallen, dass ihr gefiel. Ihr Name war Moesha, sie war groß, sogar größer als Loba selbst, obwohl diese ja bereits zwei Jahre älter war, rundlich, afroamerikanisch, hatte humorvoll funkelnde Augen und ein lautes, ansteckendes Lachen. Moesha war eigentlich immer allein auf dem Schulhof, denn irgendwie war sie offenbar zu anders für die anderen Kinder. Und das war etwas, was Loba wirklich gut nachvollziehen konnte. Die Mädchen mochten Moesha nicht, weil sie sie zu laut, zu groß, zu dick und zu wenig mädchenhaft fanden. Die Jungen mieden Moesha, weil sie ein wenig von ihr eingeschüchtert waren. Loba hätte das sicher nicht so formulieren können, denn als kleines, verwildertes Wölfchen, dass sie die längste Zeit ihres Lebens gewesen war, hatte sie noch nicht gelernt, die Dinge von einer intellektuellen Ebene aus zu betrachten und ging eher nach ihrem Gefühl, doch auf irgendeiner Ebene war sie sich dessen bewusst, dass sie vermutlich niemals Freundschaft mit den anderen Kindern schließen würde, wenn sie sich mit jemandem wie Moesha einließ. Andererseits fand sie die anderen Kinder aber auch nicht so nett wie diese. Und vielleicht war es ja am Ende viel besser, EINE ganz tolle Freundin zu haben, als viele nicht so tolle, oder? Und dann gab es da noch etwas anderes, was Loba zu Moesha hinzog. Ganz am Anfang hatte Loba sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, dass ihre Eltern zwei Männer waren. Sie waren ganz einfach Stiles und Derek, welche sie zum Glück gefunden hatten, bevor es für sie zu spät gewesen war, die ihre Väter sein wollten und die sich um sie sorgten, sie beschützten und alles für sie taten. Doch mittlerweile geschah es immer öfter, das Leute die Beziehung ihrer Eltern scheinbar für etwas Ungewöhnliches und Besonderes hielten und Loba mit ihren Fragen danach verunsicherten. Die Lehrerin zum Beispiel hatte sie gleich an ihrem zweiten Tag aufgefordert, vor der ganzen Klasse darüber zu sprechen, wie es denn wäre, bei zwei Väter aufzuwachsen. Nicht nur, dass Loba überhaupt noch nie vor so vielen Leuten gesprochen hatte; es war ihr auch unangenehm eben genau darüber zu reden, weil es ihr deutlich machte, dass es offenbar etwas Außergewöhnliches war! Dies merkte sie auch an den Fragen, die ihr die anderen Kinder seitdem dazu stellten und am deutlichsten war es ihr an dem Tag bewusst geworden, als sie mit den Leuten vom Jugendamt hatte sprechen müssen. Überdies hatte das Mädchen auch mittlerweile verstanden, dass die Männer, die Stiles weh getan hatten, es deshalb getan haben, weil er und Derek sich vor ihren Augen geküsst hatten. Und nun war Loba verwirrt und wollte am Liebsten, dass in Zukunft niemand mehr etwas davon erfuhr, damit man sie nicht mehr so komisch anschaute und damit Stiles in Sicherheit wäre. Aber Moesha war in diesem Punkt ganz anders! Eines der ersten Dinge, die sie zu Loba gesagt hatte, nachdem sie Freundschaft geschlossen hatten war: „Meine Mutter ist lesbisch!“ Dieses Wort hatte Loba noch nie gehört, also erklärte Moesha es ihr: „Mein Vater war ein Mistkerl und darum hat meine Mum ihn zum Teufel gejagt! Und jetzt hat sie Linda! Sie schlafen im selben Bett und sie haben sich lieb. Loba hatte noch nicht gelernt, das manche Dinge die Leute sagten, nicht wörtlich zu nehmen waren. Sie hatte Moeshas Mutter bereits einmal gesehen, als diese ihre Tochter zur Schule gebracht hatte und konnte sich sehr gut vorstellen, wie diese jemanden zum Teufel jagte. Sie war nämlich praktisch die erwachsene Ausgabe ihrer Tochter; groß, mindestens so groß wie Derek und hatte einen üppigen Körper mit riesigen Brüsten. Die magere, kleine Loba fand das toll und stellte sich vor, wie schön es für Moesha sein musste, so jemanden zum kuscheln zu haben. Sie fragte ihre Freundin: „Und muss dein Vater jetzt für immer beim Teufel bleiben?“ Da hatte Moesha schallend gelacht und behauptet Loba sei witzig, auch wenn diese keine Ahnung hatte, wieso. Gegenüber ihrer Freundin fühlte Loba sich nicht so, als sei es etwas Eigenartiges, dass sie zwei Väter hatte. Es kam ihr eher so vor, als sei es irgendwie verdammt cool! Je näher der Tag der Prüfung rückte, umso weniger schlief Stiles. Er lud nur noch Wissen in seinen armen Kopf, bis dieser sich anfühlte, als müsste er schier platzen. Natürlich wurden auch die Kopfschmerzen dadurch beinahe unerträglich und Derek war nun ständig dabei, Stiles die Hand auf die Stirn zu legen und ihm so viel wie möglich von diesem Schmerz zu nehmen, um für seinen Gefährten endlich einen halbwegs erträglichen Zustand herzustellen. Doch schließlich war es dann soweit und Stiles war regelrecht dankbar dafür. Für Prüfungsangst war er ohnehin längst viel zu übermüdet. Er saß also nun vor dieser Prüfungskommission, mit Augenringen und fünf Kilo leichter, als noch vor zwei Wochen, weil er regelmäßig das Essen vergessen hatte, sofern Derek es ihm nicht gerade in mundgerechten Happen vor seine Nase gestellt hatte. Vor ihm lag ein fünfstündiger Marathon, um all´ die Informationen wieder auszuspucken, die er über die letzten Wochen gesammelt hatte. Er hatte zu viel Adderall intus und sprach so schnell, dass sich die Prüfer sehr konzentrieren mussten, um seinen Ausführungen zu folgen. Dennoch kamen seine Antworten geschliffen, wohlüberlegt und sachlich korrekt. Im schriftlichen Teil des Tests sprengte die Länge von Stiles Antworten dann auch bei jeder Frage das dafür vorgesehen Kästchen, weil er so viel zu Schreiben wusste. Als die Prüfung vorüber war, wartete Stiles erschöpft auf das Ergebnis und hatte den Kopf auf Scotts Schulter abgelegt, welcher nun mit ihm hier im Universitätsflur ausharrte. Als die Prüferin ihn endlich wieder hineinrief, hatte sie ein kleines Lächeln auf den Lippen. Stiles nahm also ein weiteres Mal vor den vier Professoren Platz und blickte sie erwartungsvoll an. Dieselbe Frau, die ihn hereingerufen hatte ergriff nun das Wort: „Lassen sie es mich kurz machen, Mister Stilinski: Sie haben die volle Punktzahl erreicht und das auch nur, weil es uns nicht möglich war, ihnen noch mehr Punkte zu geben. Sie haben unsere Erwartungen bei weitem übertroffen und das, obwohl sie erst im ersten Semester sind und wir uns ihrer gegenwärtigen, besonderen und schwierigen Lebenssituation bewusst sind! Wir sind sehr beeindruckt von ihnen und werden sie im Auge behalten. Einen Ausnahmestudenten wie sie haben wir hier nicht alle Tage bei uns. Sie dürfen stolz auf sie sein.“ Stiles blickte die Prüfer ein wenig ratlos an: „Heißt das, ich darf jetzt nachhause gehen?“ wollte er wissen. Die Professorin lachte: „Gehen sie nachhause zu ihrer Familie, Mr. Stilinski. Feiern sie! Ruhen sie sich aus! Sie haben es sich verdient.“ Stiles atmete aus und fiel ein wenig in sich zusammen, wie ein Ballon, der Luft verlor. Dann straffte er sich, erhob sich, drückte jedem der Prüfer einzeln die Hand und bedankte sich, ehe er sich erleichtert aus dem Staub machte. Draußen berichtete er Scott von dem Ergebnis, dieser fiel ihm stürmisch um den Hals und sie wirbelten jubelnd im Kreis herum, wie kleine Kinder. Danny, der mittlerweile auch zu ihnen gestoßen war, rollte mit den Augen und ließ die beiden wissen: „Ihr Zwei seid echt SO peinlich!“ Wieder zuhause berichtete Stiles Derek freudestrahlend, was seine Prüfer gesagt hatten. Der Werwolf vergewisserte sich mit einem Blick über die Schulter, dass ihre Tochter immer noch in ein Spiel „Grand Theft Auto“ vertieft war, ehe er dem Jüngeren zuraunte: „Das feiern wir heute Nacht mit einem kleinen Spiel. Du setzt dir so eine eine hässliche Hornbrille auf, ziehst eins deiner komischen Nerd-T-Shirts an und spielst den zerstreuten Professor und ich bin der muskulöse Handwerker der dir zeigt, wo der Hammer hängt, oder so!“ Stiles brach in schallendes Gelächter aus, auch deshalb weil er so erleichtert war, dass er wenigstens diese erste Hürde schon überwunden hatte und als er wieder genug Luft zum sprechen hatte, erwiderte er: „Okay, Kumpel! Keine Pornos mehr für dich! Die bringen dich bloß auf total bescheuerte Ideen.“ Derek grinste. Angelockt von Stiles Gelächter kam Loba angetrabt und wollte wissen: „Warum lachen wir, Daddys!“ „Weil Derek ein Spinner ist, Spätzchen!“ gab Stiles zurück, beugte sich zu einem Kuss zu seinem Liebhaber hinüber und Loba erhielt ebenfalls einen. Gerade als die Hale/Stilinski-Familie ein wenig Routine in ihrem Alltag zurückerlangt hatte, stand auch schon die erste Gerichtsverhandlung vor der Tür. Sie hatten einen Anwalt hinzugezogen, der sie angesichts der besonderen Umstände dieses Falles im Vorfeld beraten sollte . Charlie Kaine war bereits seit zwei Jahrzehnten der Rechtsberater der Familie Hale. Er war ein Mann Ende fünfzig mit schneeweißem, vollem Haar, sonnengebräunter Haut und einem ausgesprochen markanten, attraktiven Gesicht. Kaine war nicht übertrieben breit, doch die Muskeln, welche sich unter dem maßgeschneiderten Anzug abzeichneten, waren eisenhart. Stiles mochte ihn nicht! Charlie Kaine war kühl, rational, unglaublich intelligent und gewissenlos; alles Qualitäten, die ihn wohl zu einem hervorragenden Anwalt machten, aber sympathisch machte ihn dies sicherlich nicht. Doch Kaine hatte in ihrem Fall einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Rechtsbeiständen, denn er war ein Werwolf. Mit ihm konnten sie offen über alles sprechen und das war in dieser Sache ja auch notwendig, denn natürlich konnten sie vor Gereicht nicht behaupten, dass Loba ein echter, wahrhaftiger Werwolf sei. Ihre Version lautete also, dass die Schausteller ein verwildertes, verschmutzes Mädchen, welches nie zu sprechen, oder sich auszudrücken gelernt hatte, in einen Käfig gesteckt und als angebliches Wolfsmädchen ausgestellt hatten. Loba wurde von dem Juristen gründlich auf die Vernehmung im Zeugenstand vorbereitet, um ihr genauestens einzutrichtern was sie sagen und wie sie sich verhalten dürfte. Stiles bestand allerdings darauf, dass Derek bei jedem der drei Termine bei ihrer Tochter wäre und diese mit Kaine keine Sekunde allein wäre, denn der Kerl bereitete ihm eine Gänsehaut! Stiles spürte einfach instinktiv, dass der Anwalt ihrem Mädchen schwer zusetzen würde und möglicherweise ging es ja auch gar nicht anders, aber dann sollte sie sich wenigstens des Schutzes ihres großen, starken Vaters sicher sein können. Und Stiles hatte sein Gefühl nicht getrogen: Loba war jedes Mal vollkommen aufgewühlt, wenn sie von diesen Terminen nachhause kam und es war dann an ihm, sein Nervenbündel von Tochter anschließend wieder von der Decke zu kratzen. Kaine konfrontierte Loba mit den Fragen, welche der Anwalt der Gegenseite ihr vermutlich auch stellen würde und übte so lange mit ihr, bis das Mädchen die gewünschten Antworten gab. Loba fiel es selbstverständlich schwer nachzuvollziehen, was dieser ganze Blödsinn sollte und war einfach nur froh, wenn ihr menschlicher Daddy sich nach diesen Terminen liebevoll um sie kümmerte. Stiles besänftigte sie dann mit allem, was die väterliche Trickkiste zu bieten hatte: Zärtlichkeiten, Süßigkeiten, ein entspannendes Bad, oder verschiedenerlei Ablenkungen wie Vorlesen, Videospiele und Fernsehen. Vom dritten und letzten dieser Vorbereitungstreffen kehrte Derek schließlich mit Loba an der Hand und einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck zurück. Er sah... irgendwie stolz aus und lächelte leise in sich hinein. Seltsam! „Okay.. was ist hier passiert!“ fragte Stiles stutzig. Dereks Grinsen wurde breiter: „Ich schätze, ich werde Kaine wohl zu einem ziemlich teuren Essen einladen müssen, wenn das hier vorüber ist.“ erklärte er: „Unsere Prinzessin hat ihn nämlich heute gebissen!“ „Und nun?“ fragte Stiles entsetzt: „Er wird uns doch nicht hängenlassen, oder?“ Derek lachte: „Ist doch egal. Sein Job ist getan. Unsere Seite vertritt doch der Staatsanwalt und wir brauchen Kaine nicht mehr. Außerdem wird ein alter, gestandener Wolf ja wohl nicht gleich in Tränen ausbrechen, im Angesicht eines kleinen aufsässigen Welpen! Und im übrigen wird Kaine von mir für seine Arbeit fürstlich entlohnt. Der beruhigt sich schon wieder.“ Er strich Loba zärtlich über den Kopf und diese schimpfte über den Anwalt: „So ein böser Wolf!“ „Im Gerichtssaal darfst du aber niemanden beißen, hörst du Baby? Das wäre sehr, sehr schlimm!“ sagte Stiles so eindringlich wie möglich. Dann nahm er mit hängendem Kopf in einem Sessel Platz. Derek, der Stiles ja nicht erst seit gestern kannte, wusste sogleich was los war: „Hey Süßer! Ist es wegen dem, was ich über das Geld gesagt habe? Mach´ dir doch darüber keine Gedanken! Das Anwaltshonorar ist bestens angelegt, wenn Loba dadurch am Ende weiß, was zu tun ist und diese Unmenschen dafür dann für viele Jahre in den Knast wandern. Du musst endlich aufhören, dir immer wieder über das dumme Geld Gedanken zu machen! Das ist anstrengend! Es ist da, also wird es ausgegeben. Basta!“ Stiles Blick war zerknirscht und Derek liebte ihn noch ein kleines bisschen mehr! Am Morgen des ersten Prozesstages war Stiles ein nervliches Wrack. Er hatte Loba sich dreimal umziehen lassen, als ob der Prozessausgang irgendetwas damit zu tun haben würde, welche Kleidung seine Tochter trug. Natürlich ließ Loba sich von Stiles Unruhe prompt anstecken und Derek war klar, dass es nun an ihm und seinen breiten Schulter lag, den beiden wieder Halt und Boden unter den Füßen zu bieten. Ganz entgegen seinem Naturell schuf er um sich herum also eine Aura der Zuversicht und behauptete immer wieder: `Wir schaffen das! Wir sind immerhin die Hale-Stilinski-Familie!´ Und Stiles liebte ihn noch ein kleines bisschen mehr! Malia und John waren im Gerichtssaal, weil sie aussagen würden, in welchem Zustand sie Loba an ihrem ersten Abend bei Stiles und Derek vorgefunden hatten. Es war Kaine gewesen, der darauf bestanden hatte, dass man Peter, obschon er an diesem Abend auch anwesend gewesen ist, nicht vorladen sollte. Dies lag nicht nur daran, dass der Anwalt und Dereks Onkel seit Jahren miteinander im Clinch lagen, wobei nicht einmal Derek genau wusste, worum es dabei eigentlich ging, oder aber daran, dass niemand, nicht einmal Malia wusste, wo Peter gegenwärtig überhaupt steckte; nein es war insbesondere durch Peters schlechtem Leumund begründet, dass man auf seine Aussage verzichtete. Niemand erwartete, dass Peter Hale irgendetwas Hilfreiches beizutragen hätte und so war es dann wohl besser, wenn er wegblieb. Anstatt dessen waren aber Andere gekommen, um zu helfen und die saßen nun verteilt im Zuschauerraum, um Loba in diesen schweren Tagen beizustehen. Selbstverständlich war Scott anwesend, denn immerhin ging es hier um sein jüngstes Rudelmitglied und da dachte der Alpha nicht einmal im Traum daran, irgendwo anders zu sein. Er hatte ihr eine Tüte Lakritz mitgebracht, welche Loba in diesem Augenblick verspeiste und überdies hatte Onkel Scott seine Mutter Melissa im Schlepptau, welche Loba zuversichtlich zuzwinkerte und ihr eine Kusshand aus den hinteren Rängen zuwarf. Danny war gekommen, ebenso wie Kira, die nun Scotts Hand hielt und selbst Cora und Isaac waren aus Mexiko angereist. Derek und Stiles hatten natürlich alles getan, um Loba klarzumachen, was dieser Tage geschehen würde, was eine Gerichtsverhandlung war und auch, dass sie hier leider ein letztes Mal auf die Menschen treffen musste, welche sie gequält und gefangen gehalten hatten und das Mädchen hatte das auch alles intellektuell verstanden. Das hieß jedoch nicht, dass sie nicht trotzdem vor Entsetzen erstarrte, als nun die Angeklagten hereingeführt wurden. Stiles und Derek links und rechts von ihr rückten noch ein wenig enger an sie heran und Derek flüsterte: „Keine Angst, mein kleines Wölfchen! Daddy passt auf! Sie können dir nichts mehr tun. Nie wieder!“ Und Loba verblüffte Derek, indem sie sich tatsächlich dieses eine Mal Schutz suchend an SEINE Brust warf und nicht an die von Stiles. Gerührt legte er die Arme um das Mädchen. Von nun an ging alles seinen Gang. Die Anklage wurde verlesen und die Zeugen von Anklage und Verteidigung wurden gehört. Und es kristallisierte sich langsam heraus, welche Strategie der Verteidigung verfolgte. Man versuchte alles Ernstes, diese grausamen, gewissenlosen Täter als Menschenfreunde hinzustellen, welche lediglich versucht hätten, mehreren hilfsbedürftigen Personen ein Zuhause zu bieten. Stiles ballte die Fäuste. Derek knurrte leise. Sicherlich war dies wohl die einzige Möglichkeit für die Verteidigung sinnvoll zu erklären, warum sich Loba und die anderen Opfer bei den Gomez Brüdern und ihrer Begleiterin, deren Name Mary Townsend war, aufgehalten haben könnten, doch es war einfach nur schamlos! Zum Glück gab es ausreichend Zeugen, die bestätigten in welch erbarmungswürdigen Zustand die Opfer nach ihrer Befreiung gewesen waren, sowie Fotos von ihnen und ihren Gefängnissen, welche dies eindrücklich belegten. Hinzu kam die schmierige, heuchlerische Art und Weise, auf welche sich die Angeklagten im Zeugenstand präsentierten. Die Geschworenen glaubten ihnen nicht ein Wort; das war mehr als deutlich, wie Stiles mit Genugtuung feststellte. Die Nächte nach jedem Prozesstag waren grauenhaft. Loba, die sonst eigentlich immer hungrig war, stocherte lustlos in ihrem Abendessen herum. Sie in ihr eigenes Bett zu bringen war eine sinnlose Übung, denn sie ertrug es einfach nicht, allein zu sein. Sie war blass, sie fror, sprach kaum ein Wort und in ihren Augen spiegelte sich das blanke Entsetzen, welches sie empfand. Derek und Stiles fühlten sich hilflos weil sie spürten, dass sie ihr kleines Mädchen zur Zeit nicht erreichen konnten, ganz so, als stecke Loba ein weiteres Mal in einem Käfig; isoliert, traurig und verloren. Dabei stand Loba das Schwerste noch bevor, nämlich ihre eigene Aussage, welche jedoch erst zum Ende des Prozesses vorgesehen war. Doch auch die schwersten Tage gingen einmal vorbei. Endlich war der letzte Prozesstag gekommen und nun sprachen die Opfer! Das, was sie zu berichten hatten, trieb so manchem im Saal die Tränen in die Augen, so auch Stiles, für den das, was Loba über so viele Jahre durchgemacht erst jetzt voll und ganz real wurde. Es war beinahe so, als sei es bislang für ihn nur eine besonders furchtbare Geschichte gewesen; beinahe so, als würde ihm erst jetzt klar werden: Das Ganze ist wirklich passiert! Und dann wurde Loba in den Zeugenstand gerufen! Stiles und Derek umarmten sie noch einmal und flüsterten ihr zu, dass sie sich nicht verwandeln dürfe, ganz gleich was nun geschähe. Das Mädchen nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte und machte sich dann mit wackligen Beinen auf den Weg, so als ginge es zur Schlachtbank. Lobas Antworten vielen knapp und präzise aus. Zunächst einmal wurde sie aufgefordert zu beschreiben, was sie in ihrer Zeit bei den Schaustellern erlebt hatte, was sie auch tat.Ihre Sätze kamen dabei abgehackt und ihr Blick war ins Leere gerichtet. Stiles Fäuste waren so fest geballt, als er ihr lauschte, dass sie schmerzten und er war auf dem Sprung und jederzeit bereit seinem Kind zu Hilfe zu eilen wie eine Löwenmutter, wenn das nötig werden sollte. Als Loba mit ihren Ausführungen fertig war, machte der gegnerische Anwalt einen durchsichtigen Versuch, das Mädchen mit seinen Fragen moralisch in die Enge zu drängen. `Sei es nicht richtig, dass die Schausteller sich wie Eltern um Loba gekümmert hätten, als sie sie als Baby gefunden hätten? Immerhin habe man sie doch großgezogen!´ `Nein!´ lautete Lobas knappe Antwort und dabei schaute sie fest hinüber zu ihren wirklichen Eltern. `Aber müsse man nicht dankbar sein, dass die Schausteller sie nicht hätten sterben lassen, sondern Loba bei ihnen Aufnahme gefunden habe?´ `Nein! Sterben wäre besser gewesen!´ Die Stimme des Mädchens war eisig. `Aber sei sie nicht immer mit Güte und Freundlichkeit behandelt worden?´ Da wurde es Loba zu bunt, soviel konnte Stiles von seinem Platz aus sehen. Er fragte sich, was seine Tochter nun vorhatte, denn sie erhob sich aus ihrem Sitz. Sie wollte doch nicht etwa weglaufen, oder? Doch Loba lief nicht weg. Stattdessen zog sie sich ihr Shirt und ihr Unterhemd über den Kopf. Sie scherte sich nicht darum, dass jeder im Saal ihren bereits vorhandenen kleinen Brustansatz sehen konnte. Sie drehte den Geschworenen nun den Rücken zu, weil sie offenbar bereits begriffen hatte, dass darum ging, ebendiese zu überzeugen. Loba mochte ein Werwolf sein, doch die Narben vor Stock- und Peitschenhieben auf ihrem Leib waren noch immer zu erkennen und würden ihr vielleicht auch ein Leben lang erhalten bleiben: „Ist das Güte und Freundlichkeit?“ wollte sie wissen. Einige der Geschworenen zogen scharf Luft ein, als sie die Spuren der Misshandlung auf dem Kinderkörper erblickten. Der Richter ermahnte das Mädchen streng, sich wieder anzuziehen, doch das Gesehene ließ sich ohnehin nicht wieder zurücknehmen. Loba hatte erreicht, was sie wollte und zog sich wieder an. Der Anwalt der Verteidigung machte noch ein paar halbherzige Versuche, Loba zu verunsichern und zu retten, was zu retten war, doch er wusste im Grunde bereits, dass die Sache gelaufen war. Stiles war unwahrscheinlich stolz auf seine Tochter. Er warf einen Blick neben sich auf Derek und der fühlte ganz offensichtlich dasselbe. Loba wurde schließlich wieder aus dem Zeugenstand entlassen und als sie wieder bei ihren Vätern war, sackte sie erschöpft in sich zusammen. Derek setzte sie sich auf den Schoß und hielt sie ganz fest. Kurze Zeit später wurde die Jury aufgefordert, sich zur Beratung zurückzuziehen, was ihnen allen die Gelegenheit gab, zunächst einmal einen Moment durchatmen. Der Prozess war vorbei! Sie mussten nun nur noch auf das Urteil warten. Derek, Stiles, Loba und ihre Freunde gingen zunächst etwas essen. Loba musste dorthin getragen werden, weil sie zu schwach zum Laufen war und ließ sich bei Tisch füttern, wie ein Baby: „Was ist denn bloß mit ihr?“ fragte Stiles ängstlich in die Runde, doch es war Loba selbst die ihm antwortete: „Keine Angst, Daddy! Ich bin nur müde. Ich bin SO müde!“ „Posttraumatischer Stress!“ murmelte Melissa ohne große Überzeugung. Auch sie sah ein klein wenig besorgt aus, als sie den Zustand des Mädchens erkannte. „Sie muss einfach bloß nachhause! Es wird Zeit, dass dieser Quatsch hier vorbei ist!“ knurrte Derek und zog das Kind beschützend ein wenig enger an sich heran. Unter der grimmigen Fassade wirkte jedoch auch er besorgt. Als sie aus dem Restaurant zurückkehrten, hatten die Geschworenen bereits ihr Urteil gefunden und sie nahmen Alle ein letztes Mal im Gerichtssaal für dessen Verkündigung Platz. Der Geschworenenvertreter erhob sich und mit ihm auch jeder andere im Saal. Einen Augenblick lang war es so still, das man eine Stecknadel hätte fallen hören können und dann wurde das Urteil verlesen. Die Jury verurteilte jeden der drei Täter zu einundzwanzig Jahren Gefängnisstrafe ohne Bewährung. Ein kollektives Aufatmen ging durch den Raum und lediglich bei den Beklagten erhob sich leiser Protest. Der Richter entließ die Anwesenden und im Hinausgehen fing Derek ein Gespräch zwischen den Verurteilten und ihrem Anwalt auf. Offenbar hofften diese, in Berufung gehen zu können, doch davon riet ihr Rechtsbeistand ihnen ab, und wollte wissen, ob sie es am Ende wohl auf eine lebenslängliche Haft abgesehen hätten? Derek hörte auch den Unterton in der Stimme des Anwalts; den Abscheu, den er gegen seine Mandanten empfand. Auf dem Weg zu den Autos versuchte Stiles Loba zu überzeugen, dass das Urteil doch eine gute Sache sei, weil nun die Menschen, die sie lange Jahre gefangen gehalten hatten selbst für sehr lange Zeit hinter Gittern landen würden, doch wie es schien, war das dem Mädchen vollkommen gleichgültig. Sie hing apathisch in seinen Armen und stolperte hinter ihm her. Ihr glasiger Blick und ihre ausdruckslose Miene erschreckten ihn beinahe zu Tode. Alle waren hilflos und hatten keine Ahnung, wie sie dem Mädchen helfen sollten. Alle bis auf Malia! Sie stieß ihren Cousin von der Seite an und bestimmte: „Wir fahren jetzt mit ihr hinüber ins Reservat!“ „Und was machen wir dort mit Loba?“ wollte Stiles wissen, doch seine Ex erwiderte bloß: „DU wirst dort gar nichts tun! Menschen sind dabei nicht zugelassen!“ Normalerweise würde Stiles so eine Frechheit nicht einfach so im Raum stehen lassen, doch im Augenblick war es ihm vollkommen gleichgültig, solange Loba nur geholfen wurde. Er küsste Derek und Loba und fand sich ganz einfach damit ab. Scott wollte wissen, ob er auch mitkommen solle, doch Derek fand, dies sei wohl eher eine Familiensache. Und so fuhr er mit Malia und Loba ins Beacon Hills Reservat und Stiles ließen sie zurück. Dieser ließ sich dann von seinem Vater nachhause mitnehmen, weil er in diesem Moment auf keinen Fall allein sein konnte. Er war traurig, ausgelaugt und voller Sorge. Erst am Abend kam die Hale-Stilinski-Familie wieder in Dereks Apartment zusammen. Wie es aussah, sollte Stiles tatsächlich niemals erfahren, was sich an diesem Tag dort draußen im Wald abgespielt hatte, doch eigentlich spielte es auch keine Rolle, denn bei ihrer Rückkehr war Loba zwar vollkommen erschöpft, aber ansonsten mehr oder weniger wieder die Alte und das war alles, was zählte! Und als sie sich schließlich auf die gebackenen Hühnchenteile und den Mais zum Abendessen stürzte, wie ein ausgehungertes Raubtier, war er dann schließlich wieder voll und ganz beruhigt. Stiles eigener Prozess nahte heran und Derek und er waren sich einig, Loba davon nichts mitbekommen sollte. Sie erklärten ihr zwar, warum sie in den nächsten Tagen weniger Zeit für sie haben würden, doch auf keinen Fall würden sie sie auch nur noch ein einziges Mal mit in einen Gerichtssaal nehmen! Stattdessen würden sie dafür sorgen, dass ihr Mädchen eine schöne Zeit mit anderen Leuten haben würde. Danny und seine Mutter hatten sich angeboten, etwas mit ihr zu unternehmen, Scott selbstverständlich auch und außerdem konnte sich Loba an den Nachmittagen auch mit ihrer neuen Freundin Moesha verabreden, wenn sie wollte. Seit Weihnachten und das lag mittlerweile immerhin schon zwei Monate zurück hatte Peter Hale kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen. Am ersten Prozesstag saß er jedoch urplötzlich in der hintersten Reihe des Zuschauerraumes. Und nur mit Mühe konnte Stiles Derek davon abhalten, aufzuspringen und seinem Onkel die Gurgel herauszureißen: „Nicht, Derek! Es ist in Ordnung!“ versicherte Stiles: „Er will auf seine verkorkste Art sicher nur helfen und er ist trotz allem, was geschehen ist doch immer noch deine Familie.“ „Ja, bedauerlicherweise!“ knurrte Derek finster und verlegte sich von da an darauf, Peter nach Kräften zu ignorieren, ganz so, als könne er ihn dadurch verschwinden lassen. Was Stiles besser für sich behielt, weil es sogar zu erschreckend war, um es vor sich selbst einzugestehen, war die Tatsache, dass Peters Anwesenheit ihm tatsächlich in gewisser Weise Sicherheit und Zuversicht vermittelte. Er war ganz offensichtlich selbst ziemlich verkorkst! Derek würde ihm diese Gefühle sicherlich niemals verzeihen, wenn er von ihnen wüsste und Stiles konnte es ihm nicht einmal verdenken, wenn er daran dachte, wie Peter sich wie eine Schlange sein Vertrauen erschlichen hatte, als Stiles verletzt und ohne Gedächtnis gewesen war. Doch auf der anderen Seite war Peter auch bereit gewesen, für Stiles zu töten und nun war er sogar hierher gekommen, um ihm beizustehen, obwohl das sicher nicht leicht für ihn gewesen ist. Nein, diese Gedanken waren definitiv nichts, was Stiles jemals mit Derek diskutieren wollten! Obwohl Stiles sein Gedächtnis bereits vor einer Weile vollständig wiedererlangt hatte, konnte er sich an die Gesichter der Männer, welche ihn verprügelt hatten absolut nicht erinnern, ebenso wenig erinnerte er sich an das, was sie ihm angetan hatten. Ihm graute bereits vor seiner Aussage, denn er würde vermutlich einfach nur sprachlos dasitzen und konnte nichts gegen sie vorbringen, malte er sich aus. Doch das war, bevor er sie wiedersah, denn nun wurden die Täter hereingeführt und seine eigenen Erinnerungen trafen Stiles, wie eine Faust im Magen. Wie sie gelacht hatten! Dass es ihnen Spaß gemacht hatte! Wie viel Angst er selbst gehabt hatte! Die Ohnmacht, die er empfunden hatte! Und wie diese Kerle immer weiter auf ihn eingeprügelt hatten, als sei er überhaupt kein menschliches Wesen, bis Stiles schließlich gnädigerweise das Bewusstsein verloren hatte! Derek mit seinen feinen Sinnen bemerkte die Panikattacke bereits, bevor Stiles sich ihrer richtig bewusst wurde und er zog ihn fest an sich. Über die Schulter seines Gefährten hinweg konnte Stiles Peters hilflosen Gesichtsausdruck sehen. Stiles Herz pochte so heftig, dass er kurz Angst hatte, er würde möglicherweise einen Infarkt erleiden, sein Brustkorb und seine Gedärme krampften sich schmerzhaft zusammen und ihm war mit einem Mal kotzübel: „Ich hab´ dich, Stiles! Dir kann nichts passieren! Ich werde nicht noch einmal zulassen, dass dir irgendetwas geschieht!“ flüsterte Derek und strich beruhigend mit einer seiner warmen, großen Hände über Stiles Rückseite. Dieser barg seinen Kopf unter dem Kinn seines Geliebten, so dass er sich in dessen Umarmung nun beinahe wie in einem Schutz spendenden Kokon fühlte und ganz langsam kehrte in seinem Inneren wieder ein wenig Ruhe ein. Für diesen Prozess waren drei Tage angesetzt worden. Da es keine Zeugen für die Tat gab, würden lediglich die Aussagen von Tätern und Opfer gehört, sowie von Stiles Vater und seinen Kollegen, die in diesem Fall ermittelt hatten. Es würden medizinische Gutachten verlesen werden, die Aussagen darüber machten, welchen körperlichen Schaden Stiles davongetragen hatte. Und schließlich würden toxikologischen Befunde der Täter ins Feld geführt werden, welche ja allesamt zum Tatzeitpunkt alkoholisiert und unter Drogeneinfluss gewesen sind. Grimmig fragte sich Stiles, welche Rolle es wohl spielte, ob sie ihm nun nüchtern, oder unter Einfluss von Narkotika das Leben aus dem Leib hatten prügeln wollen? Nach dem ersten Prozesstag war Stiles eigenartig schweigsam und das gefiel Derek überhaupt nicht. Normalerweise hielt sein Gefährte niemals die Klappe und insgeheim mochte Derek das, auch wenn er immer das Gegenteil behauptete. Es gehörte einfach zu Stiles! Und dass er in diesem Augenblick stumm blieb, machte Stiles Zustand klarer, als jede wortreiche Erklärung darüber, was er momentan empfand: „Was kann ich tun?“ erkundigte sich der Werwolf hilflos: „Sei einfach nur da!“ forderte Stiles und legte sich den Arm des Älteren um die Schultern. Als sie nachhause kamen, hockte Loba mit Malia, ihrem Babysitter des Tages vor der Spielekonsole. Als Dereks Cousine erkannte, in welch bemitleidenswertem Zustand ihr Ex-Freund war, zog sie sich diskret zurück, damit die Familie sich ungestört um einander kümmern konnte. Auch Loba blieb der Zustand ihres menschlichen Vaters nicht verborgen und sie entdeckte in diesem Moment eine neue Qualität an sich: Fürsorge! Als es ihr Prozess gewesen war, hatte Stiles alle Register gezogen, um seine Tochter zu trösten und wieder aufzurichten und nun war es an Loba, das Gleiche für ihn zu tun. Sie schleppte ein paar ihrer Bilderbücher herbei und las ihrem Daddy mit stockender Sprechweise daraus vor. Dann zwang sie ihn, Schokolade zu essen, auch wenn Stiles behauptete, keinen Appetit zu haben und schließlich kuschelte sie sich an ihn und schnurrte dabei süß, wie ein kleines Kätzchen. Und Stiles, der genau begriff was Loba da gerade versuchte, musste zur gleichen Zeit lachen und weinen. Und da kam ihm eine bedeutungsvolle Erkenntnis: Es war vollkommen egal, wie dieser Prozess ausging, oder was in der Vergangenheit geschehen war. Er hatte Alles; eine Familie, eine großartige Partnerschaft, Liebe und Freundschaft! Diese Kerle hatten ihm mit ihrem Hass nichts davon nehmen können und darum hatte er gewonnen! Und so kam es auch, das ihn das Urteil, welches zwei Tage in seinem Fall gefällt wurde auch nicht aus der Fassung bringen. Die Täter erhielten lediglich eine ein Jungendstrafe und kamen für lächerliche drei Jahre in Haft. Als mildernder Umstand wurde dabei, wie schon befürchtete der Drogenkonsum der Schläger berücksichtigt. Stiles sämtliche Freunde waren an diesem Tag gekommen und empörten sich nun natürlich darüber und schimpften, dass dieses Urteil eine Unverschämtheit sei. Cynthia Mahealani witterte Homophobie und kündigte an, dass sie landesweit die queere Community mobilisieren würde, um diesen Skandal anzuprangern. Derek kündigte an sie werden in Berufung gehen. Gleich morgen früh werde er einen Termin mit Caine, dem Anwalt machen, doch Stiles winkte ab: „Es ist okay, Leute! Ich will das alles nicht! Es ist wirklich in Ordnung! Ich bin einfach nur froh, dass es jetzt endlich vorbei ist. Das Einzige, was ich wirklich jetzt will ist feiern!“ Und so machten sie es dann auch. Sie verließen das Gerichtsgebäude, bildeten eine Autokolonne in Richtung Supermarkt, kauften alles Nötige für eine große Party ein und von da aus ging es dann in Dereks Apartment. Einige von ihnen dekorierten die Wohnung mit Lampions und Girlanden, andere kochten ein kleines, improvisiertes Festmahl und nach dem Essen stellten sie die Stereoanlage an und es wurde wild getanzt. Nur dank Dereks scharfer Werwolfsohren hörten sie überhaupt, dass irgendwann die Türklingel läutete. Stiles und Derek gingen gemeinsam, um zu öffnen und vor der Tür stand Ms. Pierce, die Frau vom Jungendamt, welche sich bei ihre letzten Termin vor ihnen als lesbische Mutter geoutet hatte. Sie hatte ein breites Lächeln auf den Lippen und einen Briefumschlag in der Hand: „Wie ich sehe feiern sie bereits! Hier bringe ich ihnen noch einen weiteren Grund zur Freude.“ erklärte sie und überreichte das Schriftstück: „Ihr Fall ist mir ehrlich gesagt sehr nahe gegangen und da wollte ich es mir nicht nehmen lassen, ihnen die frohe Kunde persönlich zu überbringen.“ Eilig riss Stiles den Umschlag auf und zerrte mehrere, zusammengeheftete Blätter Papier hervor: Die Adoptionspapiere! Derek und Stiles fielen erst einander und dann auch noch Ms. Pierce erleichtert und überglücklich um den Hals. Sie hatten es geschafft! Sie und Loba waren nun endlich auch vor dem Gesetz eine Familie! Nun konnte die Zukunft ruhig kommen! Kapitel 35: Pride ----------------- „Was bildet diese Frau sich eigentlich ein?“ knurrte Derek und warf die Autotür hinter sich zu: „Hey, Grumpy! Jetzt beruhige dich doch erst mal. So schlimm war es doch gar nicht.“ versuchte Stiles ihn zu besänftigen: „Vielleicht hat Alicia ja auch mit einigem, was sie gesagt hat Recht?“ Das wollte Derek nun wirklich nicht hören! Gerade kamen er und Stiles nämlich von einem Abendessen bei Alicia und Linda, den Müttern von Moesha, der neuen Freundin von Loba wieder und ihre Tochter hatten sie zu einem Übernachtungsbesuch dort gelassen. Zu sagen, Alicia und Derek hätten sich an diesem Abend nicht ganz so gut vertragen, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen, denn diese beiden waren sich über absolut nichts einig. „Wie bitte?“ polterte Derek darum nun auch erbost los: „Hast du nicht gehört, was diese Frau alles gesagt hat? Ob wir mit Loba spanisch sprechen würden? Ob wir ihr denn auch Raum geben würden, ihr Latina-Erbe zu erforschen? Was ist das denn für ein hirnverbrannter Schwachsinn? Ich meine, wir können doch froh sein, dass unsere Tochter überhaupt das Sprechen gelernt hat, oder nicht? Ist Zweisprachigkeit da nicht ein bisschen überambitioniert? Und ihr Latina-Erbe? Was soll damit sein? Wir wissen ja nicht einmal genau, wo sie herkommt; ob nun aus Mexiko, oder von irgendwo anders her? Was gibt es denn da großartig zu erforschen? Sie ist unsere Tochter und das ist doch schließlich alles, was zählt! Dieses Weib tut ja gerade so, als seien du und ich so eine Art... `Brangelina´ , oder so, die aus einer Laune heraus auf jedem Kontinent ein Kind adoptieren! Dabei war das mit Loba doch ganz anders. Wir haben sie doch nicht gewaltsam irgendwo entwurzelt, verdammt! Wir haben sie aufgenommen, weil sie niemand anderen hatte und dann haben wir sie liebgewonnen! Was bildet diese Frau sich eigentlich ein, über uns zu urteilen?“ „Ach komm´ schon, Derek! Du nimmst das zu persönlich! Alicia ist eine stolze, schwarze Frau, die ihr Erbe ehrt. Sie meint es doch nur gut mit Loba! Und was wäre so schlimm daran, wenn wir unserer Kleinen etwas über Mexiko oder so erzählen würden? Bei der gegenwärtigen politischen Stimmung hier im Land wird unsere Tochter früher oder später mit Sicherheit einmal von irgendeinem verbretterten Vollidioten gefragt werden, ob sie in diesem Land geboren wurde, oder ob sie legal hier ist, oder was auch immer und dann sollte sie darauf eine gute Antwort haben, findest du nicht auch? Und irgendwann wird ihr beim Blick in den Spiegel ja vielleicht auch auffallen, dass sie anders aussieht, als wir zwei Weißbrote!“ Stiles hatte möglicherweise Recht. Derek HASSTE es, wenn er Recht hatten! „Es spielt keine Rolle, ob ihre Haut braun ist, oder ihre Haare und Augen schwarz sind. Sie ist unser kleiner Engel! Sie ist wundervoll, lieb, bildhübsch und vollkommen! Und jedem, der etwas anderes sagt, oder der gemein zu ihr ist, dem reiße ich den Arsch auf!“ knurrte er. Wieso grinste Stiles denn jetzt? Und nun beugte er sich auch noch zu einem Kuss zu ihm hinüber und erklärte: „Ich liebe dich, Mann! So sehr! Aber du wirst nicht Lobas Leben lang an ihrer Seite stehen, um sie zu beschützen, Derek. Und das bedeutet, dass wir Loba stark gegen Angriffe von außen machen müssen, verstehst du?“ „Mir behagt es trotzdem nicht, dass unsere Tochter jetzt bei diesen Frauen zuhause ist. Wer weiß, was sie ihr gerade einflüstern? Vielleicht wettern sie genau in dieser Minute gegen uns; diese beiden ahnungslosen Volltrottel, die sich einbilden, sie könnten ein Kind großziehen!“ murrte Derek. Stiles schüttelte den Kopf: „Warum sollten sie den so etwas tun? Sie wissen selbst doch am besten, dass es gleichgeschlechtliche Elternpaare schwerer haben, als alle anderen. Warum sollten sie uns denn noch weitere Steine in den Weg legen wollen? Das ist doch Unsinn!“ „Aber diese Alicia ist feindselig! Ich denke, sie mag keine Männer!“ knurrte Derek finster. „Du hast dich auch nicht gerade von deiner charmantesten Seite gezeigt, mein Liebster!“ stellte Stiles fest. „Solltest du als mein Gefährte nicht irgendwie auf meiner Seite sein?“ murrte Derek beleidigt. Stiles seufzte schwer: „Ich bin immer auf deiner Seite! Aber unsere Tochter hat zum ersten Mal in ihrem Leben eine Freundin und wie es aussieht haben die beiden Mädchen sich richtig gern. Ohne Scott hätte ich die Schulzeit vermutlich niemals überstanden und das will ich für Loba auch; jemanden, der zu ihr hält, ganz gleich, was passiert! Und darum sollten wir alles dafür tun, dass sie das auch haben kann. Und wenn du dich dafür mit einer afroamerikanischen Amazone gut stellen musst , die dir altkluge Ratschläge gibt, dann ist das wohl nicht zu viel verlangt, oder? Außerdem haben Moeshas Mütter ja auch wirklich mehr Erfahrung in Sachen Kindererziehung als wir! Wir können möglicherweise sogar von ihrem Rat profitieren, denkst du nicht?“ Derek markierte den bösen Wolf, knurrte und verrenkte sich die Augenbrauen, doch glücklicherweise wusste Stiles ganz genau, wie er ihn wieder aufheitern konnte: „Hör mal, Liebling!“ säuselte er: „Es ist eine Samstagnacht, wir können morgen früh ausschlafen und wir müssen nicht leise sein, weil ein Kind in der Nähe ist. Sollten wir diesen Umstand nicht irgendwie ausnutzen?“ Derek wollte an seinem Ärger festhalten. Das wollte er wirklich, denn im Grunde liebte er es, sauer zu sein. Aber Stiles liebte er mehr! Außerdem war die Aussicht, welche sein Geliebter ihm gerade eröffnet hatte, war einfach unwiderstehlich und darum lächelte er. Und jedes Mal wenn Derek lächelte, fühlte sich Stiles, als wenn nach einem endlosen, öden Regentag der Himmel aufriss und die Sonne alles wieder golden machte! Sie starteten den Wagen und überschritten auf dem Weg nachhause tüchtig die zulässige Höchstgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften! Das Paar hatten sich den Wecker auf zehn gestellt; eigentlich eine gute Zeit um aufzustehen, doch nun brummten sie beide unzufrieden vor sich hin und das lag daran, dass es gestern reichlich spät geworden war. Verschlafen schlurften sie gemeinsam ins Bad und stellten sich erst mal für eine lange Zeit Arm in Arm unter die heiße Dusche, bis sie endlich bereit waren, dem neuen Tag ihr schönstes Lächeln zu zeigen. Nachdem Stiles und Derek sich angezogen und ein kleines Frühstück eingenommen hatten, machten sie sich auf den Weg, um ihre Tochter wieder abzuholen. Derek hatte zwar vorgeschlagen, er könne auch im Auto warten, doch das hatte Stiles ihm nicht natürlich durchgehen lassen und so klingelten sie nun an der Tür von Moeshas Müttern. Ihnen wurde von einer gut gelaunten Linda geöffnet, welche sie aufforderte: „Kommt doch rein, Jungs. Der Kaffee ist gerade fertig und die Mädchen haben offensichtlich eine kleine Überraschung für uns Vier.“ Also folgten sie der Frau, welche in so vielen Punkten das genaue Gegenteil zu ihrer Lebenspartnerin darstellte, ins Innere des Hauses. Linda war eher ruhig, bescheiden und zurückhaltend, ziemlich schmal und klein, mit feinem, kurzem, blondem Haar und heller Porzellanhaut, mit einigen Sommersprossen und vielen kleinen Mimikfältchen, welche verrieten, dass sie gern lachte. Neben der großen, kraftvollen, dunkelhäutigen, ein wenig grimmig dreinschauenden Alicia wirkte sie beinahe winzig. Derek hatte so gehofft, dass das hier schnell gehen würde; Loba ins Auto laden und dann nichts wie weg, doch ihm blieb einfach nichts erspart! Diese blöde Alicia drückte ihm eine Kaffeetasse in die Hand und wies ihm einen Platz auf de Sofa zu. „Die Mädchen haben sich gestern den ganzen Abend im Zimmer eingeschlossen und irgendetwas vorbereitet. Sie wollten uns nicht verraten was los ist, aber sie planen offensichtlich eine kleine Showeinlage für uns; ihr geneigtes Publikum!“ verkündete Linda fröhlich. Kaum hatten die Erwachsenen Platz genommen, forderte Moesha vom Kinderzimmer aus rufend: „Ihr müsst alle Vorhänge zuziehen und das Licht ausmachen!“ Sobald Linda diesen Anweisungen gefolgt war, ertönte laute Musik, welche Stiles als `Wannabe´ von den `Spice Girls´ identifizierte. Die Tür des Kinderzimmers klappte zu und die Mädchen näherten sich, den Text dieses alten Stücks lauthals mitsingend, über den Flur dem Wohnzimmer. Dort angekommen knallte Moesha die laut plärrende Boombox auf den Tisch vor die Erwachsenen, stellte sich neben Loba und die beiden begannen eine einstudierte Choreografie zu tanzen. Die Mädchen hatten sich großartig zurecht gemacht, viel zu viel Make-Up aufgelegt, sich die Haare toupiert, so dass diese wild in alle Richtungen abstanden und sie hatten überdies irgendein Glitzerspray hineingegeben. Sie hatten sich außerdem verkleidet und trugen nun identische Kleidung, auch wenn sie an den Mädchen sehr unterschiedlich wirkte. Sie hatten untenherum schwarze Leggins an, die an Loba dürren Beinen herum schlackerten, während Moeshas stämmige Schenkel sie gut ausfüllten. Oben trugen sie weiße Oberhemden, die sie unter der Brust geknotet hatten, so dass sie bauchfrei waren. Moesha hatte eindeutig Rhythmus im Blut, tanzte was das Zeug hielt und ihr rundes, braunes Bäuchlein wackelte dabei lustig mit. Loba wirkte daneben eher ein klein wenig schlaksig und ungelenk, aber das machte überhaupt nichts, denn beide Mädchen schienen so glücklich und zufrieden mit sich und der Welt, dass das gar nicht ins Gewicht fiel. Stiles war total begeistert von dem Anblick der tanzenden Mädchen und insbesondere davon, wie gelöst und fröhlich seine Tochter wirkte. Am liebsten hätte er vor Entzücken gerufen, gepfiffen oder laut gelacht, doch er wollte die Mädchen nicht verunsichern. Weil seine Begeisterung aber dennoch irgendein Ventil brauchte, krallte er sich mit beiden Händen schmerzhaft an Dereks Oberarm fest und ließ sich auch nicht davon stören, dass sein Gefährte ihm dafür einen überaus bösen Blick zuwarf. Die Mädchen hatten noch für vier weitere Lieder Choreografien vorbereitet und am Ende wurde es fast ein wenig akrobatisch, denn es gab Hebefiguren, bei denen die stämmige, kleine Moesha Loba über ihren Kopf stemmte und in einem Fall auch beinahe fallen ließ. Nachdem die Show dann beendet war, nahmen die Mädchen huldvoll den frenetischen Applaus ihres Publikums entgegen und verbeugten sich. „Das habt ihr so toll gemacht!“ rief Stiles hinterher begeistert aus und streckte Arme nach seiner Tochter aus. Diese sprang ihm auch sogleich auf den Schoß und wurde zur Belohnung stürmisch gedrückt und geküsst. Dann blickte sie fragend zu ihrem anderen Vater auf, der zu solchen Überschwang natürlich nicht fähig war, doch er zeigte sein strahlendstes Lächeln und für Loba, die den alten Griesgram ja mittlerweile ein wenig kannte, war das mehr als genug. Das Mädchen war selig! Und nun hatte sie ihren Vätern auch noch etwa zu berichten: „Im Sommer nehmen mich Alicia, Linda und Moesha zu einem gaaaanz großen Fest mit. Es findet mitten auf der Straße statt und ist ganz weit weg!“ Dereks Kopf schnellte misstrauisch herum und auch Stiles blickte Moeshas Mütter gespannt an, was es damit wohl auf sich hatte. Kleinlaut vor Verlegenheit korrigierte Alicia: „Wenn deine Dads es erlauben, haben wir gesagt, Loba!“ und an Stiles und Derek gerichtet fügte sie hinzu: „Wir drei werden im Sommer zum Pride March nach San Francisco fahren und Moesha würde sich sehr freuen, wenn ihre Freundin mitkommen könnte.“ Der Blick, den die Frau Derek nun zuwarf verriet, dass dieser nicht der einzige war, der sich verunsichert fühlte, sondern dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. Beinahe schon schüchtern fügte sie hinzu: „Für Loba wäre es bestimmt auch gut, wenn die sehen würde, dass es viele von uns gibt. Wir würden mit ihr im Block mit anderen gleichgeschlechtlichen Eltern laufen. Es würde vielleicht Lobas Selbstbewusstsein stärken?“ Es musste Dereks Verunsicherung zuzuschreiben sein, was er als nächstes sagte und dem Umstand, dass er ganz offensichtlich glaubte, etwas beweisen zu müssen, denn er schlug allen Ernstes vor: „Warum fahren wir denn dann nicht alle zusammen?“ Stiles fiel vor Schreck beinahe sein Kaffeebecher aus der Hand und Loba jubelte und fiel ihrem großen Daddy um den Hals. „Vielen Dank, Liebling!“ sagte Stiles überwältigt: „ Es wäre ehrlich ein Traum für mich, mit meiner Familie bei der zur größten Pride-Parade der Welt zu mitzumarschieren!“ Derek schluckte und schien von seinem eigenen Vorschlag überrumpelt: „Gerne doch, Baby!“ behauptete er und entweder ignorierte Stiles den falschen Unterton in der Stimme seines Geliebten, oder er hörte ihn wirklich nicht. Die nächsten Wochen und Monate plätscherten leise und ereignislos vor sich hin. Stiles ging morgens in die Uni, Loba zur Schule und Derek war aus irgendeinem Grund hochzufrieden damit, den Hausmann zu spielen. Es gab keine Dramen, keine Monster, keine Toten oder Verletzten... so konnte das Leben wirklich weitergehen! Und dann war es ganz plötzlich da; das letzte Wochenende im Juni und Derek verfluchte sich selbst und sein blödes, großes Maul! Er hatte ein wenig recherchiert. Zum CSD in San Francisco wurden in diesem Jahr zwei Millionen Menschen erwartet, dabei konnte Derek die meisten Menschen überhaupt nicht leiden! UND SCHON GAR NICHT WOLLTE ER MIT ZWEI MILLIONEN VON IHNEN EINE PARTY FEIERN! Was hatte er sich denn bloß dabei gedacht? Die Antwort darauf war ganz einfach: Er hatte überhaupt nicht gedacht! Er hatte lediglich Stiles glücklich machen wollen, indem er ihm bewies, dass er ein guter Vater war, denn irgendwie hatte dieser kleine Mensch ihn fest in seiner Hand, seit sie ein Paar waren und normalerweise störte Derek das nicht einmal. Nur jetzt, wo er sich selbst in diesen Schlamassel befördert hatte; da störte es ihn sehr. Es war Freitagmorgen, der vierundzwanzigste Juni 2017; noch ein Tag, ehe es ernst wurde! Wie jeden Morgen kochte Derek Kaffee für Stiles und sich selbst und einen Kakao für Loba. Außerdem bereite er für die beiden Lunchpakete vor. Am Anfang hatte Stiles ihn dafür belächelt, doch mittlerweile freute er sich jedes Mal, wenn er morgens eine braune Papiertüte in die Hand gedrückt bekam. Noch war alles gut, doch morgen Mittag würden Stiles, Loba und er selbst sie sich ins Auto setzen und ihn eine sehr große Stadt fahren. Derek könnte immer noch behaupten, dass er krank sei, nahm er sich vor! Nur das seine Spezies nun mal nicht krank wurde, verdammt nochmal und eine andere Ausrede wollte ihm einfach nicht einfallen! Wie immer konnte Derek vor Stiles seine wahre Verfassung nicht lange verbergen, dabei verfügte der Mensch ja nicht einmal über Werwolfsinne! „Wir werden eine wunderschöne Zeit in San Francisco haben, Liebling! Mach dir keine Sorgen!“ versicherte Stiles, bevor er an diesem Morgen aufbrach und verabschiedete sich mit einem extra-dicken Kuss. Damit diese Prognose eintreten konnte, musste Derek jedoch erst einmal seinen Stresspegel enorm senken, also würde er nun Sport treiben! Er schnappte sich seine Turnschuhe, fuhr hinüber ins Naturschutzgebiet und begab sich auf einen ausgedehnten Waldlauf. An einem Baum machte er dann später Klimmzüge und dann ging es hinunter auf den Waldboden, um ein paar Dutzend Liegestütze zu absolvieren. Danach ging es dem Werwolf schon wieder ein wenig besser. Bis er an zwei Millionen Menschen dachte, die auf der Straße tanzten und an sich selbst mittendrin in diesem ganzen Trubel. Da wurde ihm dann wieder ganz schlecht! Derek fuhr also wieder nachhause, erledigte ein paar Hausarbeiten und machte sich dann ans Kofferpacken, wobei er darauf achtete, für Stiles nach Möglichkeit nur Rollkrägen und ähnlich hochgeschlossene Kleidungsstücke einzupacken. Da unten in Frisco sollte bloß keiner auf die Idee kommen, sein Gefährte sei noch in irgendeiner Weise auf dem Markt und verfügbar! Als Stiles von den Vorlesungen wiederkam, packte er als erstes den Koffer wieder aus und ersetze alle ihm zugedachten Jeans durch engere Modelle und alle Rollkragenshirts, durch tiefe V-Ausschnitte und Tanktops. Derek stand im Türrahmen, beobachtete die Szene und knurrte leise, doch er wurde ganz einfach ignoriert. Loba hatte ebenfalls ein Veto bezüglich der Kleider, die ihr großer Dad für sie ausgewählt hatte und sie nahm noch einige Veränderungen vor. Am Samstag nach dem Mittagessen machten sie sich dann schließlich auf den Weg und Moesha und ihre Mütter fuhren im eigenen Wagen hinter ihnen her. Für Derek gab es nun keinen Weg mehr zurück! In San Francisco angekommen machten die beiden Elternpaare mit ihren Töchtern zunächst einen kleinen Bummel durch das Stadtzentrum. Der Abend war warm und die Stadt pulsierte praktisch vor freudiger Erwartung. Regenbogenfahnen hingen quasi vor jedem Haus und die Menschen wirkten entspannt und glücklich. „Ich will mit der komischen, klingelnden Eisenbahn fahren!“ erklärte Loba entzückt. Moesha schloss sich ihr an und die beiden quengelten so lange, bis ihre Eltern sich bereit erklärten, mit ihnen eine Tour mit der Straßenbahn zu unternehmen. Zum Abendessen kehrte die kleine Reisegruppe dann in ein gemütliches Fischrestaurant unten im Hafen mit Blick auf die Golden Gate Bridge ein. Anschließend machten sie sich auf in ihr Hotel und wie sich zeigen sollte, war es gut, dass sie ihre Zimmer schon lange im voraus gebucht hatten, denn in der ganzen Stadt waren sämtliche Unterkünfte mittlerweile ausgebucht. Sie hatten insgesamt drei Zimmer; eines für die Mädchen und je eines für die Elternpaare. Als Stiles ausgepackt hatte, ging er den Gang hinunter, um nach seiner Tochter zu sehen. Schon im Näherkommen hörte er das Jauchzen und Kichern der Kinder. Als er eintrat schauten die beiden, die bis eben noch ausgelassen auf dem Ehebett herumgehüpft hatten ihn schuldbewusst an, doch anstatt zu schimpfen, strahlte Stiles über das ganze Gesicht. Seine Tochter machte mittlerweile denselben Blödsinn, wie andere Kinder auch. Nichts hätte ihn glücklicher machen können! „Macht nur weiter, ihr zwei Rockstars! Aber wenn ihr das Hotelzimmer zerlegt, dann zahlt ihr den Schaden von eurem Taschengeld, verstanden?“ kommentierte er lachend. Bis hierhin war ja noch alles ganz gut gegangen, doch Derek graute in erster Linie vor dem nächsten Programmpunkt: Stiles und die Frauen hatten nämlich beschlossen, dass sie zur großen Eröffnungsparty wollten um dort ausgiebig zu tanzen. Derek hatte man dazu natürlich nicht befragt. Denn Derek tanzte nicht! Die laute Musik tat seinen Ohren weh! Und von den Gerüchen, welche von den verschwitzten, hormonschwangeren Leiber ausgingen, wollte er lieber gar nicht erst anfangen! Und so schlug Derek vor, als Stiles zu ihm ins Zimmer zurückkehrte: „Ich sollte vielleicht lieber hier im Hotel bei den Mädchen bleiben, oder nicht? Loba war immerhin noch nie über Nacht allein! Sie wird es vielleicht mit der Angst zu tun bekommen?“ „Klar doch! Bleib ruhig hier! Ich komme schon klar mit den ganzen liebeshungrigen Männern, die mich in diesem Club mit ihren Augen ausziehen werden. Und wenn ich tanzen will, dann suche ich mir einfach den größten und schönsten von ihnen aus, um mich ein wenig an ihm zu reiben!“ erwiderte Stiles mit einem bösen, kleinen Grinsen. „Ich hasse dich Stilinski! Das tue ich wirklich, hörst du?“ schimpfte Derek unwillig. Stiles lachte leise: „Tust du nicht! Dein Leben wäre vielleicht leichter, wenn du es könntest, aber in Wirklichkeit liebst du mich über alles!“ Der Werwolf zog den jungen Mann mit einem Ruck an sich und bestätigte geschlagen: „Stimmt!“ Er beugte sich zu einem kleinen Kuss zu seinem Gefährten herunter und wollte wissen: „Aber was ist denn nun mit Loba? Können wir sie wirklich allein lassen?“ „Wir lassen sie doch gar nicht allein! Sie wird bei ihrer besten Freundin bleiben und die Mädchen werden sich auch ohne uns königlich amüsieren. Und wenn irgendetwas sein sollte, können die beiden sich an das Hotelpersonal wenden, oder uns notfalls mit ihren Handys anrufen. Es passiert schon nichts! Loba ist schließlich kein Baby mehr!“ Dagegen ließ sich nichts sagen, stellte Derek missmutig fest. Er kam wohl nicht darum herum, Stiles zu dieser doofen Tanzveranstaltung zu begleiten. Sie verschwanden also kurz gemeinsam im Bad und zogen sich danach um. Derek war nicht glücklich über Stiles Kleiderwahl. Nein, ganz und gar nicht! In diesem Tanktop würde alle Welt dessen schöne, breite Schultern sehen, dabei waren die doch nur für IHN bestimmt! Und die enge Jeans bildete die ganzen anderen, in Dereks Besitz befindlichen Kostbarkeiten für dessen Geschmack viel zu deutlich ab! Darum antwortete er auch auf Stiles Frage, danach wie er aussähe: „Wie ein Flittchen!“ Stiles knuffte ihn mit der Faust in den Oberarm: „Hey, was soll das? Wenn du dir jetzt was anziehst, das deinen Luxuskörper schamlos zur Schau stellt, dann werde ich immerhin auch kein Theater machen. Im Gegenteil; ich werde jedem, der es nicht hören will sagen: Schaut her, Bitches! Diese ganze Herrlichkeit gehört mir ganz allein!“ Derek grinste ein wenig dümmlich, griff, derart ermuntert ebenfalls zu Jeans und Trägerhemd und warf Stiles einen fragenden Blick zu. Und anstatt einen Kommentar zu Dereks Outfit zu abzugeben, schlich sich ein lüsternes Grinsen auf Stiles Gesicht, er sprang ihn kurzerhand an, schlang dem Älteren die Beine um die Hüfte und begann ihn leidenschaftlich zu küssen. Zum Glück war Derek auf solche Übersprungshandlungen seitens seines Gefährten gefasst, denn sonst hätte es ihn möglicherweise aus dem Gleichgewicht gebracht und sie wären beide der Länge nach hingefallen. Die beiden Männer versorgten ihre Tochter noch rasch mit reichlich Anweisungen und Snacks, ehe sie und Moeshas Mütter bereit zum Aufbruch waren. Die Mädchen versicherten, dass sie bestens klarkommen würden. Sie hätten sich im Pay-TV schon einen langen Abend mit Disney-Filmen zusammengestellt und ihre Eltern sollten nun endlich verschwinden, damit sie ihre Ruhe hätten! Auf diese Weise unsanft hinauskomplimentiert, machten sich die vier Erwachsenen also auf den Weg. Stiles hatte es bereits ein-, zweimal geschafft, Derek zuhause in Beacon Hills mit ins `Jungle´ zu schleifen; dem einzigen Schwulenclub im Ort, doch die Party, die sie heute hier besuchten, hatte eine völlig andere Größenordnung. Es dauerte über eine Stunde, ehe sie überhaupt hineingelassen wurden. Die Ausmaße im Inneren waren schier gigantisch! Es gab mehrere Tanzflächen mit einer Auswahl brüllend lauter Musik unterschiedlicher Stilrichtungen und jeder Raum war versehen mit einer eigenen Bar. Und dann die Menschen! Es waren einfach viel zu viele! Derek bekam auf der Stelle Beklemmungen! Die beiden Paare entschieden sich für einen kleineren Tanzsaal mit älterem Publikum, wo Musik aus den 70er- und 80er-Jahren gespielt wurde. Derek verkrümelte sich sofort in eine Loungeecke, wo es nicht ganz so voll und laut war und blickte sich misstrauisch um. Stiles betrachtete ihn mit ein klein wenig Rührung, denn der Anblick ließ ihn an einen Hund denken, der sich bei Gewitter unter dem Bett versteckte. Zu seiner Überraschung hockte sich Alicia gleich neben den Werwolf. Scheinbar war auch sie eher von der menschenscheuen Sorte. Noch etwas, was die beiden gemeinsam hatten! Linda hingegen war da ganz anders. Und als plötzlich `It´s raining men´ von den `Weather Girls´gespielt wurde, blickten sie und Stiles sich mit leuchtenden Augen an, kreischten vor Begeisterung, liefen hinüber zur Tanzfläche und legten los. Genau so hatte Derek sich das vorgestellt; dass er hier wie ein Mauerblümchen herumsitzen würde und angesichts der Lautstärke aus den Ohren blutete, während Stiles sich köstlich amüsierte! So war es doch eigentlich immer! Blöder Mist! Eine Weile beobachtete Derek schlecht gelaunt die zuckenden Leiber der Menschen auf der Tanzfläche. Etwas später besorgte er für Alicia und sich selbst jeweils ein schamlos überteuertes Flaschenbier und weil dieses irgendwann auch wieder raus wollte, machte er sich noch eine Weile später auf die Suche nach einem Klo. Auf dem Weg dorthin wurde er viermal angemacht. Ein Typ hatte sogar die Frechheit besessen, ihm direkt in den Schritt zu packen. Kurz hatte Derek darüber nachgedacht, dem Kerl alle Finger einzeln zu brechen, doch dann hatte er sich lediglich darauf beschränkt, mit der Schulter auszuholen und den Grabscher damit aus dem Weg zu räumen, wie ein Schneepflug. Schade, dass Stiles jetzt nicht hier war, um ihn für sein persönliches Wachstum zu loben. Nach dem Klogang kehrte Derek an seinen Platz bei Alicia zurück, doch da war Stiles immer noch am Tanzen und Derek verlegte sich ganz einfach nur noch darauf zu warten, dass er endlich wieder gehen durfte! Aber dann schien Stiles sich schließlich doch noch daran zu erinnern, dass es Derek überhaupt gab, denn er kam an dessen Platz und hockte sich auf seinen Schoß und schnurrte ihm verführerisch ins Ohr: „Hey schöner Mann! Bist du öfter hier?“ „Nur wenn man mich zwingt!“ murrte Derek übellaunig: „Ach komm schon, Sourwolf! Tanzt du vielleicht mal mit mir?“ versuchte es Stiles weiter und klimperte süß mit den Wimpern. Das war Dereks Kryptonit! Und ehe er sich´s versah, hatte sein Gefährte ihn auf die Füße und hinter sich her auf die Tanzfläche gezogen. Hier blickte der Werwolf sich misstrauisch um, als erwarte er einen feindlichen Angriff, doch Stiles nahm ganz einfach sein Gesicht in seine Hände, blickte ihn aus seinen Honigaugen an und forderte: „Vergiss´ alles drum herum. Konzentriere dich bloß auf mich und meinen Herzschlag, in Ordnung?“ Und das tat Derek; er konzentrierte sich auf Stiles und dessen Herzschlag und wurde schlagartig ganz ruhig. Der DJ spielte `Time after time´ von Cindy Lauper, Derek und Stiles bewegten sich eng ineinander verschlungen sanft zur Musik und einen Augenblick lang war alles ganz einfach wunderschön! Als sie ins Hotel zurückkehrten, sahen sie als erstes nach den Kindern, doch sie stellten schnell fest, dass es diesen bestens ging. Der Fernsehapparat lief noch immer, doch die Mädchen schliefen bereits tief und fest. Sie hatten das King-Size-Bett tüchtig zerwühlt und lagen darin nun beide kreuz und quer mit ausgestreckten Gliedmaßen und zusammengesteckten Köpfen. Ihre Eltern blickten lächelnd auf die Kinder hinab. Derek schaltete den Fernseher aus, Stiles fegte mit der Hand ein paar Keks- und Chipskrümel auf den Boden und Linda deckte die beiden noch einmal richtig zu, ehe die Erwachsenen sich voneinander verabschiedeten und sich in ihre eigenen Zimmer zurückzogen. Kaum hatte Stiles die Tür hinter ihnen geschlossen, fing er an seine Kleider fallen zu lassen und Derek wollte wissen: „Was wird das den jetzt?“ „Ich habe den ganzen Abend getanzt! Ich bin total verschwitzt, also werde ich duschen gehen. Und du kommst mit, um meine schwer erreichbaren Stellen zu schrubben!“ befahl Stiles hochherrschaftlich. „Verstehe!“ erwiderte der Werwolf, zog sich gehorsam aus und folgte seinem Liebhaber ins Bad, wo sie beide erst einmal mit großer Freude gründlich herumsauten, ehe es daran ging, sich tatsächlich zu reinigen. Anschließend fielen sie erschöpft und zufrieden ins Bett, bis der Wecker sie viel zu früh am nächsten morgen weckte. Stiles wickelte sich knurrend wie ein Werwolf die Bettdecke als Lärmschutz um den Kopf. Derek schaltete den Krach aus, kraulte seinem Bettnachbarn sanft das Hinterteil und murmelte: „Willst du denn nicht aufstehen, Baby? Heute ist diese doofe Parade, zu der du unbedingt so unbedingt wolltest!“ „Mir egal! ZU FRÜH!“ maulte Stiles, doch da hämmerte auch schon ihre Tochter an die Tür und verkündete: „Hunger, Daddys!“ Derek sprang also aus dem Bett, zog sich rasch eine Hose über, deckte Stiles zu, damit die Mädchen nicht als erstes von dessen nacktem Hintern begrüßt wurden und öffnete dann die Tür: „Gib uns noch ein paar Minuten und dann gehen wir Pfannkuchen essen, ja Spätzchen?“ vertröstete er Loba. Diese Aussicht sollte ihre ständig hungrige Tochter wohl erst einmal lang genug beschäftigen, um Stiles in Ruhe wach werden zu lassen. Eine Dreiviertelstunde später saßen sie tatsächlich zu sechst in einem Pfannkuchenhaus, frühstückten ausgiebig und danach wurde es auch schon Zeit, zur Parade aufzubrechen. Der Umzug startete in der Market Street und da hier kaum ein Durchkommen war, stellten sich die beiden Elternpaare mit ihrem Nachwuchs an den Straßenrand, um zunächst einmal von hier aus zuzuschauen. Loba hüpfte auf und ab um besser sehen zu können, bis Derek sie sich auf die Schulter setzte. Natürlich wollte Moesha nicht nachstehen und ihre Mutter Alicia verblüffte Derek, indem sie das große, rundliche Mädchen mit Leichtigkeit hochhob und ihr ebenfalls diesen großartigen Aussichtspunkt auf ihren Schultern anbot. Was war diese Frau? Vielleicht eine ehemalige Weltmeisterin im Kugelstoßen oder Gewichtheben? Dereks Nase verriet ihm jedenfalls, dass Alicia lediglich ein ganz gewöhnlicher Mensch war, wenn auch erstaunlich groß und kräftig. Loba hatte noch nie so viele Menschen an einem Ort gesehen. Alles war bunt und schön und sie lachte und klatschte begeistert in die Hände. Dann setzten sich die `Dykes on Bikes´ in Bewegung; hunderte von Frauen auf schweren, lauten stinkenden, Maschinen, die hier, wie auch bei jeder anderen Pride-Parade auf der ganzen Welt den Marsch traditionell anführten. Loba war vollkommen entzückt! Den Motorrädern folgten unzählige Fußgruppen, bunt geschmückte Wägen mit wummernder Musik und tanzenden, schrill gekleideten Menschen darauf und dann natürlich noch die scheinbar endlos lange Regenbogenfahne, die von vielen Menschen getragen wurde. Und was für Derek eine Zumutung und Reizüberflutung darstellte, löste bei seiner Tochter unglaublicher Weise die reine Wonne aus. Irgendwann jedoch forderte Loba, heruntergelassen zu werden, denn sie hatte etwas entdeckt. Kaum hatte das Mädchen wieder festen Boden unter den Füßen rannte sie los, mitten durch den Festzug, auf die andere Straßenseite und Stiles folgte ihr dichtauf. Loba war es tatsächlich gelungen, hier unter Zweimillionen Fremden ein einzelnes, vertrautes und lange vermisstes Gesicht auszumachen: „Onkel Peter!“ rief sie begeistert aus und sprang dem Mann mit eine Satz in den Arm. Als Stiles Peter Hale erblickte, setzte sein Herz eine Sekunde aus und auch Dereks Onkel selbst erstarrte für einen kurzen Moment, ehe er sich wieder fasste, Loba hochnahm, ihr einen Kuss auf die Stirn drückte und sie mit: „Hey Prinzessin!“ begrüßte. Stiles musterte Peter genau. Er war in Gesellschaft von zwei schmalen, hübschen Jungs, trug Lederchaps über einer zerfetzten, hellen Jeans und obenrum nichts weiter, als einen Harness: „Ein Leather-Daddy? Das hätte ich mir eigentlich denken können, Hale!“ begrüßte Stiles Peter mit einer Spur Belustigung: „Und ist einer diese Halbwüchsigen vielleicht neuerdings dein besonderer Freund, oder wie?“ „Sie sind beide volljährig. Ich habe mir die Ausweise zeigen lassen! Und du weißt doch, ich hab´s nicht so mit `besonderen Freunden´. Solche Schweinereien überlasse ich Leuten wie dir und meinem Neffen. Ich habe lediglich Spielkameraden!“ erwiderte Peter mit jenem, für ihn typischen, frechen Zwinkern Stiles schüttelte den Kopf und Loba wollte wissen: „Wo warst du denn, Onkel Peter? Ich habe dich so vermisst!“ Der ältere Werwolf sah unbehaglich aus und schien nicht zu wissen, was er dazu sagen sollte, streichelte dem Mädchen lediglich den Kopf, bis ihn dann auch noch Stiles fragte: „Ja, Peter, wo warst du die ganzen Monate? Lebst du jetzt hier in San Francisco, oder was?“ Dereks Onkel schüttelte den Kopf: „Nein, ich bin hier nur zu Besuch, genau wie ihr. Ich dachte einfach bloß, dass ich euch allen lieber aus dem Weg gehen sollte, nach... ALLEM!“ Peter wirkte tatsächlich aufrichtig geknickt und etwas in Stiles schmolz: „Es hat mir etwas bedeutet, dass du damals im Gericht gewesen bist!“ ließ er den Älteren wissen. Peter zuckte mit den Schultern und betrachtete aufmerksam seine eigenen Schuhspitzen und so fügte Stiles hinzu: „Wenn es nach mir geht, kannst du jetzt damit aufhören, uns aus dem Weg zu gehen. Du hörst es ja; Loba vermisst ihren Onkel. Und ich wette, Malia fehlst du auch. Was allerdings der Große dazu sagt, kann ich dir nicht beantworten.“ Die Blicke von Stiles und Peter wanderten hinüber auf die andere Straßenseite zu Derek. Dessen Gesicht war zur Faust geballt war und er beobachtete die Szene genauestens. Und höchstwahrscheinlich hatte er außerdem jedes Wort mit angehört. „Ich schätze, mein Neffe braucht wohl noch ein paar Jahrzehnte, ehe er mir vergibt, was?“ stellte Peter lakonisch fest. „Schon möglich. Ich denke, wir geben ihm besser noch ein wenig Zeit!“ erwiderte Stiles, nahm Loba bei der Hand und sagte Peter zum Abschied mit vielsagendem Blick: „Spiel schön, böser Wolf! Aber treib´s nicht zu bunt!“ Dann kehrten sie zu Derek zurück. Stiles war überrascht, das Derek kein Wort zu dieser Begegnung sagte, keine Fragen stellte und sich sogar bemühte, seine schlechte Laune, die dieses Zusammentreffen ausgelöst hatte herunterzuschlucken. Derek hatte jedoch eines mittlerweile gelernt: Diese Sache, die es da zwischen Stiles und seinem Onkel gab, würde er niemals auch nur ansatzweise verstehen. Er würde es auch nicht versuchen, indem er Stiles mit Fragen löcherte, denn im Grunde war ihm klar, dass es besser für seinen eigenen Seelenfrieden wäre, wenn er die Antworten nicht kannte. Und das einzig Wichtige war, dass Stiles bei IHM und nicht bei seinem Onkel sein wollte. Sein Gefährte hatte sich zweimal für Derek entschieden; einmal als sie damals ein Paar geworden waren und dann noch einmal, als Stiles verletzt und ohne Gedächtnis gewesen war und Peter ein sehr schmutziges Spiel gespielt hatte, um den Menschen doch noch für sich zu gewinnen. Und so legte Derek ganz einfach von hinten die Arme um Stiles, küsste dessen Nacken, warf einen mitleidigen Blick hinüber zu Peter, in der Gewissheit, dass Stiles Sein war, selbst wenn dieser dies vielleicht anders formulieren würde. Endlich zog die Gruppe der homosexuellen Eltern mit ihren Kindern vorbei und dort reihten sich die San-Francisco-Reisenden ein, wie sie es geplant hatten. Und als der Wagen, der vor ihnen herfuhr `Wannabe´von den Spice Girls spielte, begannen Loba und Moesha mit jener kleinen Choreographie, welche sie vor einigen Monaten zu diesem Stück entwickelt hatten. Die Umstehenden ließen sich schnell von ihnen anstecken, begannen mit ihnen zu singen, zu klatschen oder den Tanz von ihnen zu erlernen. Die Mädchen strahlten über das ganze Gesicht und fühlten sich einen kurzen Moment lang wie Stars. Als das Lied vorbei war erklärte Loba ihren Vätern mit glühenden Wangen: „Ich bin so wahnsinnig glücklich!“ Stiles kamen spontan die Tränen! Es war ein vollkommener Moment! Kapitel 36: Baby-Party ---------------------- Es gab da etwas, was Stiles schon seit einer Weile belastete; insbesondere nachdem sie vor knapp zwei Monaten Dereks Geburtstag gefeiert hatten. Denn nachdem alle Gäste fort gewesen waren und sie gemeinsam das Chaos beseitigt hatten, hatte Loba unvermittelt gefragt: „Wann habe ich denn eigentlich Geburtstag, Daddy?“ Stiles hatte es wie eine Faust im Magen getroffen! Er hatte keine Ahnung, wie er darauf antworten sollte. Niemand kannte schließlich Lobas wahren Geburtstag, denn sie hatten ja gar keine Ahnung, wer ihr Mädchen zur Welt gebracht hatte. Zwar hatte Derek vor einer Weile einen Privatdetektiv damit beauftragt, etwas über ihre leibliche Mutter herauszufinden, allein schon um unangenehme Überraschungen bei der Adoption zu vermeiden, aber der hatte ebenso wenig ermitteln können, wie die zuständige Behörde, da es einfach zu wenig Anhaltspunkte gab. Man konnte ja nicht einmal genau sagen, wie alt Loba in Wirklichkeit war. Sie war zwar medizinisch untersucht worden, als sie zu Derek und Stiles gekommen war, sogar bis hin zum Röntgen der Handwurzelknochen, einer der zuverlässigsten Methoden zur Altersbestimmung und man hatte ihr Alter auf zwölf Jahre geschätzt, doch zu hundert Prozent sicher sein konnte man natürlich nicht; zumal sie ein Werwolf war und sich ihr Reifungsprozess damit möglicherweise von dem eines normalen Menschen unterschied. Und nun standen Lobas Väter vor einem Dilemma, denn natürlich sollte auch ihr kleines Mädchen einen besonderen Tag haben, zu dem alle ihre Freunde kamen und an welchem eine große Party stieg. Aber dann hatte Stiles eine Idee gehabt, die so simpel wie genial war: In Kurze jährte sich nämlich der Tag, an welchem sie Loba gefunden und zu sich genommen hatten zum ersten Mal. Und was glich in Lobas Leben wohl mehr einem Geburtstag, als dieses besondere Ereignis? Und so stellten sie bei der Behörden den Antrag, dieses Datum als Geburtstag in Lobas Ausweis einzutragen! Ab da war Stiles Feuer und Flamme für diese Sache und behauptete immer wieder, seine Tochter werde ein Jahr alt! Und damit war dann auch schon das Partymotto geboren: Babys erster Geburtstag! Derek machte sich Sorgen, dass diese Angelegenheit ein klein wenig aus dem Ruder laufen könnte, bei allem was sein Gefährte so plante, doch das eigentliche Entsetzen kam eigentlich erst, als Stiles im Internet diese Strampelanzüge für Erwachsene fand und mit Überzeugung behauptete, jeder müsse an diesem Tag so ein Ding tragen: „Kommt nicht in die Tüte, Stiles!“ grollte er: „Ich werde das nicht anziehen! Da kannst du dich auf den Kopf stellen! Keine Chance! Niemals! Vergiss´ es! Ich mache mich doch nicht zum Affen!“ Stiles war gut darin geworden, solche Ausbrüche seines Liebhabers ganz schlicht zu ignorieren und orderte gnadenlos Strampelanzüge für Erwachsene für eine ganze Kompanie auf Dereks Kosten. „Ich hasse dich, Stilinski!“ hatte Derek knurrend behauptet, doch Stiles hatte bloß gelacht, ihn geküsst und erwidert: „Das sagst du immer wieder. Wem willst du hier eigentlich etwas vormachen?“ Loba hingegen war vollkommen entzückt von der Idee, dass sie und ihre Gäste Babykleidung tragen würden, probierte sich sofort quer durch die Kollektion, als diese geliefert wurde und suchte dann für sich selbst den schönsten und buntesten Strampler heraus, denn es war ja immerhin IHRE Party. Gemeinsam mit seiner Tochter erstellte Stiles dann eine Gästeliste. Natürlich wollte das Mädchen ihren Großvater und Malia dabei haben, aber auch Scott und Danny, sowie deren Mütter durften nicht fehlen, ebenso wenig wie ein paar ihrer Freunde aus der Schule, allen voran natürlich Moesha mit ihren Müttern Alicia und Linda. Als Peters Name fiel, musste Stiles schwer schlucken und Derek fragte Loba ernsthaft: „Muss das denn wirklich sein, Prinzessin?“ Natürlich hatte Loba längst gespürt, dass irgendetwas zwischen ihren Vätern und Peter nicht in Ordnung war, seit Stiles damals im Krankenhaus gewesen war, auch wenn die Erwachsenen nicht mit ihr darüber sprachen, aber dies hier war doch ihr Geburtstag, oder nicht? Und Peter war ihr Onkel und sie hatte ihn lieb! Auch wenn er vielleicht manchmal ein böser Mann sein mochte, wie alle behaupteten; zu ihr war er immer lieb! Und darum ignorierte sie das väterliche Veto, setzte seinen Namen auf die Gästeliste und malte sogar noch ein Herzchen drumherum! Gegen so ein überzeugendes Argument ließ sich nur schwer etwas sagen und damit blieb Stiles und Derek nichts anderes übrig, als es hinzunehmen. Damit die Gäste wüssten, wann sie wo zu sein hatten, gestalteten Loba und Stiles bunte Einladungskarten, welche sie mit reichlich Glitter, Flitter und Pailletten beklebten und welche das Mädchen dann in den nächsten Tagen austragen würde. Anschließend suchten Vater und Tochter im Internet ein Rezept für eine Torte aus, welche Stiles dann für sie backen würde und Loba machte sich daran, einen Wunschzettel zu schreiben. Während die beiden vollkommen von Planungsfieber erfasst waren, kicherten sie und steckten die Köpfe zusammen. Derek fühlte sich dabei einmal mehr wie ein Außenstehender und ein Versager als Vater, denn er war nun einmal nicht so kreativ wie Stiles, war nicht verspielt, oder lustig und backen konnte er schon gar nicht, verdammt! Und wie er so dasaß und sich selbst leid tat, blitzte in seinem Hirn ganz kurz eine Vision seiner zwanzigjährigen Tochter auf, die ihrer Psychoanalytikerin erzählte, dass ihr Leben nur deswegen so verkorkst sei, weil ihr Daddy Derek sich nie richtig um sie gekümmert, oder sich für sie interessiert hätte. Da konnte aus ihr ja bloß eine koksende Stripperin werden! Derek machte ein langes Gesicht und beobachtete die vollkommene Harmonie zwischen seinen Freund und ihrem gemeinsamem Kind. Irgendwann bemerkte Loba natürlich die düstere Stimmung ihres großen Daddys. Sie schnupperte an ihm und wollte dann wissen: „Bist du traurig, dass DU nicht Geburtstag hast? Macht doch nichts! Wir können doch so tun, als ob es auch deiner wäre, okay?“ Da konnte Derek nicht anders, als ein wenig zu lachen. Er hob das Mädchen auf seinen Schoß, legte die Arme um sie und versicherte: „Nein, ich bin gar nicht traurig! Und ich will auch nicht, dass du deinen Geburtstag mit mir teilst. Es ist ganz allein deiner und ich freue mich schon riesig auf deine Party!“ Derek gab sich Mühe. Das tat er wirklich, denn er wollte es gut machen mit seiner Familie, nun da er endlich wieder eine hatte. Er stand morgens mit Stiles und Loba auf, um ihnen Frühstück zu machen, obwohl er im Grunde wirklich kein Morgenwolf war. Er schmierte den beiden sogar ihre Pausenbrote für die Schule und das College, erledigte den Großteil der Hausarbeiten und dennoch gab es Dinge, die ihm einfach nicht gelingen wollten. Kochen war zum Beispiel auch so eine Sache. Da ging eigentlich jedes Mal etwas schief, vollkommen egal, wie sehr er sich anstrengte. Es war schon beinahe lächerlich, wie dumm er sich dabei anstellte. Neulich hatte er sogar Kartoffeln anbrennen lassen. Kartoffeln! Also wirklich! Aber vielmehr als seine begrenzten praktischen Fähigkeiten störte es den Werwolf, dass ihm offenbar selbst die grundlegensten sozialen Kompetenzen abgingen. Nur so ließ es sich wohl erklären, dass Loba mit allem, was sie wirklich beschäftigte zu Stiles ging, wenn sie die Wahl hatte. Heute allerdings hatte sie die nicht und seine Tochter würde mit ihm vorlieb nehmen müssen. Es war eine Woche vor der geplanten Geburtstagsparty an einem Vormittag, als die Schule anrief um mitzuteilen, dass man Loba nachhause geschickt habe, weil sie sich nicht gut fühlen würde. Natürlich war Derek beunruhigt, denn er war ein Werwolf und man würde ihm das Überbeschützerische in diesem Leben wohl nicht mehr austreiben können. Und so wartete er ungeduldig auf die Heimkehr seiner Tochter, doch anstatt zu ihm zu kommen und mitzuteilen was vorgefallen war, rannte Loba direkt in ihr Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Geschlagene fünf Minuten stand Derek davor, wie so ein Idiot, ehe er sich endlich traute zu klopfen und das auch nur, weil Loba mittlerweile zu weinen begonnen hatte und das war nun einmal mehr, als er ertragen konnte! Derek erhielt keine Antwort, doch er trat trotzdem ein und fand seine Tochter in ihrem Bett, versteckt unter einem Haufen Decken, Kissen und Kuscheltieren. Er grub das schluchzende Kind vorsichtig aus und als er ihr die Hand sacht auf den Rücken legte erschrak er: „Du hast ja Schmerzen, Süße!“ stellte er überflüssigerweise fest. Irgendwie war Derek davon ausgegangen, dass das Leiden seiner Tochter seelischer Natur sein müsse, weil vielleicht ein anderes Kind sie geärgert hätte, was manchmal vorkam, weil sie nun einmal anders war, als die Anderen. Und als Derek dann noch den Geruch von Blut wahrnahm, war er endgültig alarmiert! Er drehte Loba zu sich herum, riss sie an seine Brust und wollte wissen: „Oh Gott, was ist denn mit dir, mein Schatz? Hast du dich verletzt? Hat dir etwa jemand wehgetan? Sag´ es Daddy!“ Nun weinte Loba noch heftiger, schlüpfte mit dem Kopf unter Dereks Shirt, um sich zu verstecken, wie ein kleines Kind und brauchte ewig bis sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie mitteilen konnte: „Ich glaube ich sterbe, Daddy! Da war ganz viel Blut und mein Bauch tut so doll weh!“ Da endlich schwante es Derek und er kam sich vor, wie ein Idiot, denn immerhin war er doch mit Schwestern aufgewachsen: „Hast du das Blut gesehen, als du auf der Toilette warst?“ fragte er also so sanft wie möglich. Lobas Kopf unter seinem Shirt nickte gegen seinen Bauch. Derek atmete erleichtert auf: „Dann ist alles in Ordnung, mein Engelchen. Du stirbst gar nicht! Das Blut bedeutet bloß, dass du schon ein großes Mädchen bist!“ Loba tauchte wieder unter Dereks Shirt hervor und musterte ihren Vater misstrauisch. Ganz offensichtlich wartete sie auf eine weitergehende Erklärung, doch um ganz ehrlich zu sein wusste Derek selbst nicht ganz genau, was da eigentlich einmal im Monat im Körper einer Frau vor sich ging. Ein richtig guter Vater hätte sich natürlich vorbereitet; hätte detaillierte Informationen eingeholt, hätte vorsorglich die entsprechenden Utensilien besorgt, doch Derek hatte natürlich nichts davon getan. Selbstverständlich gab es hierfür auch Gründe, auch wenn diese bei Licht betrachtet reichlich dämlich waren! Zum einen lag es nämlich daran, dass die vergangenen Monate so ereignisreich gewesen waren und vollgestopft mit Dingen, die man regeln oder in Ordnung bringen musste und zum anderen war Derek naiverweise davon ausgegangen, das Loba sich mit der ganzen Frauensache noch ein paar Jahre Zeit lassen würde, denn sie war doch noch so unschuldig, süß und klein. Er war ja so ein Vollidiot! Doch nun war keine Zeit für großartiges Bedauern, denn es bestand Handlungsbedarf! „Das mit dem Blut, dass wird jetzt einmal im Monat passieren, mein Engelchen!“ begann Derek zu erklären: „Das ist bei allen Frauen so, damit sie Babys bekommen können!“ Loba richtete sich ruckartig auf und blickte ihn entsetzt an: „Jeden Monat? Nein, Daddy! Ich will keine Babys! Mach´dass das wieder aufhört!“ „Das kann ich aber nicht.“ erwiderte er hilflos: „Das ist so wie mit dem Vollmond: Einmal im Monat fühlen wir Werwölfe uns doch auch ein wenig unwohl. Und so geht es auch den Frauen, verstehst du?“ Loba schüttelte heftig den Kopf und erklärte, dass sie dann doch lieber ein Junge wäre! Derek seufzte. Er nahm das Handy zur Hand, in der Absicht, Stiles aus seinen Vorlesungen herbei zu telefonieren. Sicher würde der diese Angelegenheit sehr viel besser handhaben, als er selbst das vermochte. Doch da bemerkte Derek den erwartungsvollen und ängstlichen Blick seiner Tochter, der sagte: `Bitte Daddy, tu doch was!´ Und da wurde Derek klar, dass es höchste Zeit war, den Kopf aus dem Arsch zu ziehen und zu handeln. Er steckte das Handy weg, denn er konnte schließlich nicht immer alles, was ihm selbst zu schwierig erschien auf Stiles abwälzen! „Lass´ mich erst mal dafür sorgen, dass es nicht mehr wehtut, ja Spätzchen?“ sagte er also und legte Loba die Hände auf den Bauch, um ihr die Schmerzen zu nehmen. Als das getan war, wickelte er sie in ihre Decke und trug sie hinüber ins Wohnzimmer, wo er sie in einem Sessel vor dem Fernseher parkte und ihr Cartoons anmachte. Als nächstes verschwand er in der Küche, bereitete ihr einen Kakao mit zwei Kugeln Vanilleeis darin, Sprühsahne obendrauf und für die Optik streute er noch bunte Schokolinsen hinüber. Zufrieden betrachtete er sein Werk und befand, dass Stiles das auch nicht besser hinbekommen hätte! Er trug die süße Schweinerei zu seiner Tochter hinüber und als er sah, wie sich Lobas Augen begeistert weiteten, erfüllte ihn das mit Stolz. Als das Mädchen mit dem Verzehr beschäftigt war erklärte er: „Ich hole jetzt etwas für dich vom Supermarkt. Ich bin gleich wieder da!“ Loba sah wirkte sehr unzufrieden damit, in ihrer dunkelsten Stunde allein gelassen zu werden, also küsste Derek ihre Stirn und versicherte: „Zwanzig Minuten, nicht länger! Tut mir Leid, aber es muss leider sein!“ Zum Glück war der Wal-Mart nur zwei Straßen weiter und Derek beeilte sich. Doch dann fand er sich vor einem zwölf Meter langen, mannshohen Regal mit Damenhygieneartikeln wieder und hatte nicht die geringste Ahnung, was er nun nehmen sollte? Kurz dachte er darüber nach, eine Verkäuferin danach zu fragen, bis er sich klar machte, dass er dann ja mit einer Verkäuferin darüber sprechen müsste, also fiel diese Möglichkeit aus. Er würde es schon irgendwie allein schaffen! Denn mal ehrlich: Wie schwer konnte das sein? Derek fand heraus, dass es zwei Möglichkeiten gab: Damenbinden, oder Tampons. Das Dumme war nur, dass es beides in schier unzähligen Varianten gab; Flügel, parfümiert, unparfümiert, Einführhilfe, Tag, Nacht, extra-lang, extra-dünn, super-dry, mini, normal und maxi waren nur einige der Stichworte, mit denen er hier konfrontiert wurde und schließlich griff er in blinder Panik einfach nach zwei Dutzend verschiedenen Varianten und schob einen halbvollen Einkaufswagen zur Kasse. Die Kassierein staunte nicht schlecht, als sie diesen Hamsterkauf erblickte und Derek reichte ihr errötend und mit leisem Knurren seine Visa-Card. Wieder daheim schickte er seine Tochter als erstes unter die Dusche, stellte dann fest, das es für seinen Einkauf höchste Zeit gewesen war, denn absolut alles war voller Blutflecken, die Jeans und die Unterwäsche, die sie angehabt hatte, die Bettdecke und sogar der Ledersessel in welchem Loba gesessen hatte, also warf Derek die Waschmaschine an und versuchte dann herauszufinden, wie das Zeug funktionierte, dass er just erworben hatte. Bei den Tampons entschied er schnell, dass das gar nicht in Frage kam für so ein kleines Mädchen und schob die Dinger verächtlich beiseite. Blieben also die Binden und auch wenn die in unterschiedlichen Variationen daherkamen, lief es doch immer auf dasselbe hinaus: Watte in irgendwelchem Vliesmaterial und Klebestreifen. Derek brauchte ein wenig , um zu begreifen das letztere dazu da waren, in die Wäsche und nicht auf den Körper geklebt zu werden, doch dann fühlte er sich gerüstet! Und als Loba aus dem Bad zurückkehrte, konnte er ihr erklären, was zu tun sei. Ihm war es ein bisschen peinlich, Loba war es ein bisschen peinlich, aber sie brachten es tapfer hinter sich und auch wenn Derek hinterher das Gefühl hatte, Schwerstarbeit geleistet zu haben, so war er dennoch verdammt zufrieden mit sich selbst. Er hatte es geschafft, ohne wie eine Memme nach Stiles zu rufen! Und als Daddy Nummer zwei von den Vorlesungen heimkehrte, lagen Derek und Loba faul auf dem Sofa, tranken Bubble-Tea, schauten Zeichentrickfilme und der Couchtisch vor ihnen quoll über vor Damenhygieneartikeln. Stiles blickte die zwei ratlos an und Loba erläuterte: „Ich kann jetzt Babys kriegen, aber ich will nicht!“ Stiles gingen beinahe die Augen über. Er kniete sich vor das Sofa, gab Derek einen flüchtigen Kuss, zog dann seine Tochter an sich und erklärte: „Das sollst du auch noch nicht, denn du bist schließlich immer noch MEIN Baby!“ Dann flegelte er sich zu den beiden auf die Couch und schmiegte sich an jene Seite Dereks, welche nicht von Loba belagert wurde. Das mit dem Großwerden seiner Tochter ging ihm auf einmal viel zu schnell und er trocknete seine feuchten Augen an Dereks Shirt. Wenig später bereitete Stiles das Abendessen für seine Familie. Und weil er fand, dass Loba über die Veränderungen in ihrem Körper mit Frauen sprechen sollte, lud er Moesha und ihre beiden Mütter dazu ein. Das schmeckte Derek zunächst gar nicht, denn er hatte doch bis hierher alles bestens im Griff gehabt, oder etwa nicht? Er hätte so gern das Gefühl gehabt, dass Stiles und er es allein schaffen würden, alles zu sein, was ihre Tochter benötigte, doch andererseits sah er ein, dass dieses spezielle Thema vielleicht eine klitzekleine Ausnahme bildete, denn was wussten sie beide schon? Sie waren schließlich keine Frauen. Und so durfte Loba nach dem Essen Moeshas Mütter mit ihren Fragen bombardieren. Als erstes und dringendstes wollte das Mädchen wissen: „Wie bekomme ich das wieder weg? Ich will diese Sache nicht haben!“ Alicia schüttelte bedauernd den Kopf: „Ich kann verstehen, dass dich das nervt, Kleines!“ erklärte sie: „Als das bei mir angefangen hat, war ich auch nicht begeistert, aber dann wurde ich erwachsen, habe mich verliebt und habe bemerkt, dass ich eine Familie gründen möchte und da fand ich es plötzlich gut.“ Sie lächelte und verwuschelte ihrer Tochter Moesha das krause Haar noch ein wenig mehr: „Darum geht es nämlich bei der ganzen Sache, weißt du? In deinem Körper gibt es nämlich hunderte wundervoller, winziger Perlen und jeden Monat wird eine davon reif und möchte ein Baby werden. Und der Körperteil, in dem dieses Baby heranwachsen würde, deine Gebärmutter ist wie ein Kinderzimmer. Sie produziert eine kuschelig-warme Haut, in der sich das Baby wohlfühlen kann. Aber wenn das Ei nicht befruchtet wird, dann werden diese Haut und auch die Perle gemeinsam abgestoßen und deshalb blutet es. Und im nächsten Monat fängt dein Körper dann wieder von vorn an. Das geht dann so weiter, bis du zu alt bist, um Babys zu bekommen.“ „Ich will aber gar keine Babys, also kann mein Körper auch jetzt gleich wieder damit aufhören!“ trotzte Loba und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das wird er aber nicht. Und vielleicht änderst du deine Meinung ja auch mal, wenn du größer wirst?“ schlug Alicia vor: Loba schüttelte heftig den Kopf. Dann fiel ihr noch etwas ein, was sie vorher nicht verstanden hatte: „Was ist denn überhaupt `Befruchtung´?“ Alicia warf einen fragenden Blick auf Lobas Väter, um sich zu vergewissern, ob es in Ordnung wäre, wenn sie nun `Das Gespräch´ mit dem Mädchen führte. Und als die beiden Männer nickten, erklärte Alicia dem Mädchen, wo die Babys herkamen. Loba hörte sich das alles stirnrunzelnd an, doch dann stutzte sie: „Aber ihr habt gar keine Männer!“ stellte sie fest: „Wie habt ihr es gemacht?“ Noch ehe Linda oder Alicia darauf antworten konnten, übernahm Moesha: „Ich war eine Samenspende!“ plapperte sie munter und erklärte ihrer besten Freundin dann alles, was sie zum Thema wusste. Dann ergänzte sie noch, dass sie ihre Menstruation ja auch schon längst hätte und so schlimm sei das gar nicht, denn dann dürfe man immer reichlich Schokolade und Eiscreme essen und Leute anmeckern und die dürften sich nicht wehren, weil man ja nichts dafür könne, dass man schlechte Laune hätte. Ihre Mütter schauten einander zweifelnd an, denn ganz so, hatten sie ihr das mit Sicherheit nicht erklärt, aber sie sagten nichts dazu, weil die arme Loba gerade endlich wieder dabei war, sich ein klein wenig zu entspannen. Babys wollte sie deswegen aber immer noch keine! Keine Chance! Sie war lediglich erleichtert, weil sie nun wusste, dass sie nicht sterben würde und das sie auch nicht die Einzige auf der Welt war, die sich mit diesem Mist herumschlagen musste. Und weil heute irgendwie ein besonderer Tag war, setzten die Mädchen ihren Eltern gegenüber durch, dass Moesha im Hale-Stilinski-Haushalt übernachten durfte, obwohl doch ein ganz normaler Wochentag war. Später im Auto würde Linda Alicia spöttisch fragen: „Kuschelig-warme Haut? Wundervolle Perlen? Kinderzimmer? Du solltest echt Kinderbücher zu diesem Thema schreiben, mein Schatz!“ Ihre Liebste grinste und erwiderte: „Ich weiß auch schon einen Titel: `Rotkäppchen und die rote Woche!´“ Eine Woche später war Lobas blutiger Schrecken dann erst einmal für einen Monat vergessen und er war endlich da: Ihr allererster Geburtstag! Die Party würde in Stiles Elternhaus stattfinden, denn für das was Stiles geplant hatte, brauchten sie viel Platz und einen Garten. Es war morgens um neun und Loba befand sich in der Schule. Stiles jedoch hatte das College heute geschwänzt und sogar Danny und Scott dazu angestiftet, es ihm gleich zu tun, denn er brauchte ein ganzes Heer williger Arbeitsbienchen, weil es eine Menge zu tun gab. „Was soll ich tun?“ wollte Scott wissen: „Blasen!“ erwiderte Stiles. Sein bester Freund setzte ein unverschämtes Grinsen auf und wollte wissen: „Wäre einer von euch dafür nicht wesentlich geeigneter?“ Stiles knuffte ihn in den Oberarm und drückte ihm dann eine Tüte mit Luftballons und eine Kiste mit Girlanden und Luftschlangen in die Hände: „Es gibt einen Grund, warum ich in unserer Beziehung für die Witze zuständig bin: Du bist nicht lustig, Scotty!“ knurrte er: „Und um dein Aufgabengebiet für die nächsten Stunden noch einmal deutlich zu umreißen: Du bist das Dekorations-Kommittee! Also halt dein freches Schandmaul und verteile hier im Haus Feenstaub, kapiert? Und wehe, du machst das nicht ordentlich; denn dann bist du ein ganz schlechter Alpha und dein jüngstes Rudelmitglied wird dich für immer hassen!“ Scott versprach feierlich sein Bestes zu geben, die innere Fee zu aktivieren und machte sich an die Arbeit. In der Küche schmollte Derek beim pellen eines gefühlten Zentners Kartoffeln für den Kartoffelsalat. Er klagte, dass dies eine Arbeit für Idioten sei und wollte wissen: „Wieso kann ich denn nicht das Dekorations-Kommitee sein?“ „DUUU?“ fragte Stiles und das Entsetzen in seiner Stimme war wirklich übertrieben, wie Derek fand. Doch Stiles war noch längst nicht fertig und ereiferte sich nun: „Erinnerst du dich noch, was passiert ist, als ich dich neulich gebeten habe, die Rosen für das Dinner mit meinem Dad zu arrangieren? Es sah aus, wie ein floraler Kriegsschauplatz! Oder als hatten die Blumen eine üble Prügelei miteinander angefangen! Nein, mein Schatz; du bleibst schön hier, wo ich dich im Blick habe und du nichts kaputt machen kannst!“ „HEY!“ beschwerte sich der Werwolf entrüstet: „Du stellst mich immer dar, als sei ich ein nichtsnutziger Volltrottel. Ich tue doch schon, was ich kann!“ „Weiß ich doch. Und du bist auch kein Nichtsnutz! Aber Kochen und dekorieren gehört nun einmal nicht zu deinen Stärken!“ erwiderte Stiles und legte beschwichtigend die Arme um seinen Gefährten: „Dafür hast du andere Qualitäten.“ „Ach ja? Und welche?“ knurrte Derek verstimmt gegen Stiles Brust: „Und vergiss´ nicht, dass ich bewaffnet bin!“ Er hielt drohend das kleine, stumpfe Schälmesser in seiner Hand in die Höhe, welches Stiles ihm gegeben hatte, damit er sich nicht verletzte. „Das weißt du doch ganz genau, du dummer Wolf.“ erwiderte Stiles gutmütig: „Du schaffst, was kein anderer auf der Welt kann; du schaffst es, dass ich mich ruhig und sicher fühle. Du bringst Ordnung und Klarheit in mein Chaos. DU bist ganz einfach mein Fels, Derek Hale!“ Damit war der Ältere schon beinahe wieder versöhnt und Danny, der bei ihnen in der Küche stand und die kalten Platten dekorieren durfte, weil er ja schließlich keine ungeschickten Wurstfinger hatte, die alles versauen konnten kommentierte: „Ihr Zwei seid so verdammt süß, dass ich wohl gleich eine Dosis Insulin brauchen werde!“ Stiles lachte. Derek knurrte. Und gerade als er sich beschweren wollte, fiel der Blick des Werwolfs aus dem Fenster und er glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können: „Stiles? Wieso steht da draußen ein Dromedar?“ verlangte er zu wissen. Stiles blickte von seiner Arbeit auf und nach draußen und versicherte: „Da steht kein Dromedar, mein Engel!“ Nun begann das große, haarige Ungetüm an die Scheibe zu sabbern und zu röhren und Derek fragte ungehalten: „Willst du mich verarschen? Und was ist das dann, was uns da gerade entgegen rülpst?“ „Das ist kein Dromedar.“ erklärte Stiles leichthin: „Es ist ein Trampeltier!“ Derek zählte innerlich bis zehn und fragte dann, so ruhig er konnte: „Also gut Stiles: Und wieso steht da ein TRAMPELTIER im Garten?“ Der Jüngere blickte ihn verständnislos an: „Ich habe dir doch gesagt, dass ich für heute einen Streichelzoo bestellt habe. Ich frage ich bloß, warum die so früh dran sind?“ „Streichelzoo?“ schnappte Derek sarkastisch: „Ich dachte das bedeutet Welpen, Häschen und Kätzchen und nicht Dromedar. Warum dann nicht gleich ein Elefant, oder so?“ „Es ist ein Trampeltier!“ berichtigte Stiles: „Und der Elefant ist heute nicht dabei, weil er beschäftigt ist. Hollywood hat ihn für Dreharbeiten gebucht!“ Derek riss ungläubig die Augen auf: „Du meinst, ansonsten würde da draußen neben dem Trampeltier auch noch ein Dickhäuter stehen? Was hast du noch im Angebot? Löwen und Tiger vielleicht, die unsere Tochter fressen werden?“ Stiles rollte mit den Augen: „Was du immer gleich denkst! Nein, natürlich nicht! Sie haben noch kleine, dicke Ponys dabei, ein paar Gänse und Hühner, zwei Hunde und ein Gehege voller Nager; Ratten, Hamster, Mäuse, Zwergkaninchen....“ In diesem Moment kam Sheriff Stilinski vom Dienst heim, um bei den Partyvorbereitungen zu helfen und brummte: „Wenn das große Lama da draußen in meinen Garten kackt, dann machst du das wieder weg, Stiles!“ Der Angesprochene reckte verzweifelt die Hände gen Himmel und erwiderte: „Das IST KEIN Lama. Und es ist auch kein Dromedar! Habt ihr in Biologie denn alle geschlafen?“ „Wo ist der Unterschied?“ fragte John ratlos: „Kacke ist Kacke!“ „Der Unterschied ist zum Beispiel, das Lamas keine Höcker haben, Dromedare haben eins und Trapeltiere haben zwei. Der Unterschied ist außerdem, das Lamas aus Südamerika kommen, Dromedare aus Afrika und Trampeltiere aus Asien! Soll ich weitermachen?“ knurrte Stiles: „Nein, bitte verschone uns!“ forderte Derek genervt: „Du bist ja wie besessen davon!“ „Also gut!“ lenkte Stiles ein: „Ich werde mich mal um die Streichelzoo-Leute kümmern. Dad, du könntest inzwischen die Buttercremetorte mit den Zuckertieren und Süßigkeiten bekleben. Aber lass´ dich nicht von Derek dazu überreden, eure Aufgaben zu tauschen. Er wird behaupten, er hätte es drauf, doch das hat er nicht! Also NEIN! Kommt nicht in Frage!“ Da wurde es Derek endgültig zu dumm. Knurrend sprang er auf, schnappte sich seinen Gefährten von hinten und grub seine Zähne in dessen Genick. „Na, na, na! Böses Wölfchen!“ schimpfte der Mensch: „Zwing mich nicht mit dir zu Deaton zu gehen, damit er dir die Reißzähne zieht!“ doch er drehte sich um und küsste das ungezogene Raubtier auf die Nase, ehe er nach draußen verschwand. Nach und nach fügte sich alles so, wie Stiles es geplant hatte und er begann, sich ein wenig zu entspannen. Die Leute, die die Hüpfburg und das Riesentrampolin aufbauen wollten kamen pünktlich, der weibliche Clown, den sie gebucht hatten, um Zuckerwatte und Ballontiere zu produzieren, war auch tatsächlich lustig und das Essen für´s Buffet, das Stiles mithilfe seiner Crew selbst zubereitet hatte, wurde ohne Pannen rechtzeitig fertig Und das Lob für die köstliche Wanne voll Kartoffelsalat würde später Derek allein einheimsen, denn er hatte immerhin die ganze Fleißarbeit geleistet und sich beim Pellen die Finger verbrannt! Im Wohnzimmer würden die Kinder am Nachmittag Disco machen, wenn sie Lust hätten und ansonsten gab es im Garten noch Dosen werfen und Apfelessen, wobei man versuchen musste, allein mit dem Mund einen Apfel aus eine großen, mit Wasser gefüllten Wanne zu befördern. Und alle Gewinner würden kleine Preise bekommen. Besonders stolz war Stiles auf die riesige Piniata, welche er in mehreren Nachtschichten angefertigt hatte, wenn Loba bereits im Bett war und welche jetzt bunt und prächtig in einem Baum hängend darauf wartete, zerschlagen zu werden, um Bonbons auf das Geburtstagskind und seine Freunde regnen zu lassen. Gemeinsam mit Derek machte Stiles einen letzten Rundgang in Haus und Garten, doch es war alles fertig, perfekt organisiert und selbst das Wetter spielte mit! „Das hast du wirklich toll gemacht, Stiles!“ erklärte Derek stolz und belohnte seinen Gefährten mit einem dicken Kuss. „Nicht bloß ich! Du zahlst immerhin für den ganzen Spaß und das nicht zu knapp!“ erwiderte der Jüngere. Derek lachte: „Wenigstens eine Sache, die ich tun kann, ohne alles kaputt zu machen, wie?“ „Entschuldige!“ murmelte Stiles kleinlaut: „Ich war heute ganz schön gemein zu dir. Ich war einfach so nervös und da ist die Bitch mit mir durchgegangen!“ „Stimmt! Du warst gemein!“ bestätigte der Ältere: „Aber du hast auch Recht. Du kannst diese Dinge und ich eben nicht!“ „Weißt du denn gar nicht, dass das alles nur an dir liegt?“ wollte Stiles wissen: „Ohne die Sicherheit die du mir gibst, würde ich im Leben rein gar nichts zustande bringen und wäre immer noch bloß ein dürrer Spinner, der die Klappe zu weit aufreißt!“ Wenn er es nicht besser wüsste, würde Stiles beinahe behaupten, dass er da ganz kurz ein verdächtiges Glitzern in den Augen des Werwolfs gesehen hatte. Als Loba von der Schule zum Haus ihres Großvaters kam und entdeckte, was hier anlässlich ihres Geburtstags vorbereitet worden war traute sie ihren Augen kaum. Gemeinsam mit ihren Vätern machte sie einen Rundgang und hinterher war sie vollkommen überwältigt. Erst weinte sie. Dann lachte sie und schließlich weinte sie wieder. Sie fiel ihren Eltern um den Hals, rief aus, dass ihre Gäste nun endlich kommen sollten, weil sie sonst verrückt werden würde, obwohl es bis dahin noch über eine Stunde hin war. Und weil sie nun vor lauter Vorfreude nicht mehr stillhalten konnte, rannte sie noch einmal überall herum, hopste zuerst auf dem Trampolin, dann auf der Hüpfburg, ging den Ponys und dem Trampeltier mit ihrer Nervosität auf die Nerven, naschte heimlich von der Buttercreme auf der Torte und zum Schluss starrte sie bloß noch auf die Uhr und raufte sie sich vor Verzweiflung die Haare. „Sie ist ist wirklich deine Tochter, Stiles!“ lachte John mit großväterlichem Stolz und dieser erwiderte lachend: „Natürlich ist sie das! Denkst du, ich lasse mir einfach ein Kind unterschieben?“ Und dann endlich war es soweit und Lobas Leiden hatte ein Ende. Die Gäste kamen und natürlich mussten sie auch in die vorgesehene Partykleidung schlüpfen. Wie sich zeigen sollte, sah sogar ein Halunke wie Peter in einem Strampelanzug irgendwie süß und unschuldig aus und selbst Derek konnte sich nicht davor drücken, einen überzuziehen, bestand jedoch darauf, dass er seine Lederjacke über dem Strampler tragen musste, was selbstverständlich ein ziemlich groteskes Bild abgab. Lobas Klassenkameraden gingen die Augen über, als sie sahen, was ihre beiden Dads alles für sie auf die Beine gestellt hatten. Einige von ihnen boten sich sogar selbst zur Adoption an, doch da verstand Loba keinen Spaß! Ihre Daddys gehörten ihr ganz allein! Das Trampeltier war der Hit! Es steckte voller Liebe, ließ sich ausgiebig von den Kindern streicheln und herumführen und es war sehr freigiebig mit seinem Küssen. Dumm nur, dass es ebenso großzügig mit seinem Speichel war, welcher ihm von den weichen, herabhängenden Lippen tropfte! Aber nicht nur die Kinder, auch die geladenen Erwachsenen amüsierten sich großartig, genossen das gute essen und sogar der Sheriff ließ sich irgendwann dazu herab, wie ein Fünfjährige auf der Hüpfburg herumzuspringen. Zufrieden erkannte Stiles, dass Lobas Geburtstagsparty sicherlich sehr bald zur Legende werden würde, über die in der Beacon Hills Junior Highschool noch in Jahren gesprochen werden würde. Und niemand würde es je wieder wagen, gemein zu ihrem kleinen Mädchen zu sein, weil jeder hoffen würde, eines Tages auch zu einem solchen Event geladen zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)