Versuchsleitereffekt von -Zerschmetterling- (Weil Forschung Wissen schafft.) ================================================================================ Kapitel 2: Randomisierung ------------------------- -2-   Die restliche Zeit über hatte ein unangenehmes Schweigen geherrscht. Sogar die Blondine hatte aufgehört, vor sich hinzuplappern und warf nur noch immer mal wieder prüfende Blicke in ihren Taschenspiegel. Als schließlich die Tür aufging und eine dunkelhaarige Frau in einem weißen Kittel hereinkam, stieß Naruto erleichtert die Luft aus. Erst jetzt merkte er, wie angespannt er gewesen war. Schweigen war definitiv nicht sein Ding und normalerweise ließ er sich auch nicht so leicht einschüchtern, aber der rothaarige Kerl war wirklich gruselig gewesen. Und so hatte er tatsächlich still auf dem letzten freien Stuhl am Rand gesessen und gewartet.   „Hallo, entschuldigt bitte die Wartezeit“, begann die Frau. „Mein Name ist Konan und ich bin einer der Versuchsleiter dieser Studie. Ich würde euch bitten, dass ihr mir alle nochmal eure Namen nennt, damit auch ich weiß, mit wem ich es zu tun habe und anschließend werde ich euch mit den wichtigsten Informationen vertraut machen.“   Konan wirkte auf ihn wie eine Frau, die keine Zeit verschwendete. In der Hand hielt sie ein wichtig aussehendes hellblaues Klemmbrett, an dem ein schmaler schwarzer Kugelschreiber hing. Sie griff nach dem Stift und sah Naruto dann auffordernd an. Es dauerte einen Moment, bis er schaltete und er konnte bereits sehen, wie Sasuke leicht die Augen verdrehte.   „Naruto Uzumaki“, nannte er schnell seinen Namen.   Sie nickte und machte sich eine kurze Notiz an den Rand ihrer Liste. Er hätte zu gerne gewusst, was sie sich notiert hatte, doch das ließ sein Blickwinkel leider nicht zu. Es konnte nicht besonders viel gewesen sein. Höchstens zwei, drei Worte. Ihr Blick wanderte weiter zu seinem Nebenmann.   „Shikamaru Nara“, murmelte der Braunhaarige.   Es schien ihm unangenehm zu sein, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Von allen Anwesenden war er wohl derjenige, der die Stille zuvor am meisten genossen hatte und wahrscheinlich hätte er auch noch ewig hier sitzen und warten können. Allerdings war es damit nun endgültig vorbei.   „Ino Yamanaka“, nannte die Blonde ihren Namen und schenkte Konan ein selbstbewusstes Lächeln.   Sie war die Art von Mädchen, die man sich ohne weiteres auf dem Cover einer Modezeitschrift vorstellen konnte. Nicht, dass Naruto sich besonders gut damit auskannte, aber Ino war einfach der Inbegriff einer klassischen Schönheit und er hatte das Gefühl, dass sie ihre Reize auch einzusetzen wusste. Nicht umsonst warf sie ständig verstohlene Blicke in Richtung Sasuke, der jedoch vollkommen auf Konan fixiert war. Auch er und Gaara stellten sich knapp vor, wobei Naruto nicht sagen konnte, wer von beiden den emotionsloseren Ton anschlug. Sie waren wohl beide nicht gerade das, was man eine Frohnatur nennen würde.   „Sehr schön, vielen Dank“, ergriff Konan wieder das Wort. „Dann nehmt bitte euer Gepäck. Wir machen uns auf den Weg in die Aufenthaltsräume und beginnen dort mit einer kleinen Führung.“   Wieder einmal verschwendete sie keine Zeit und drehte sich im selben Moment, als sie ihren Satz beendet hatte, bereits zur Tür um. Naruto schnappte sich hastig den Griff seiner Reisetasche, die er neben sich auf dem Boden abgestellt hatte. In seinem Rücken glaubte er Sasukes Blicke spüren zu können. Betont locker schwang er sich die Tasche über die Schultern und versuchte, sich nichts von dem Gewicht anmerken zu lassen. Nachdem er sich schon dank der blöden Verträge blamiert hatte, durfte er zumindest jetzt keine Schwäche zeigen.   Im Gänsemarsch folgten sie Konan durch die Gänge. Naruto ging direkt hinter Ino, deren lilafarbener Rollkoffer jedes Mal ein leises Klackern von sich gab, wenn er über eine der Fugen am Boden fuhr, und Shikamaru bildete die Nachhut. Sie gingen ungefähr fünf Minuten, bis sie schließlich vor einer großen stählernen Tür stehen blieben. Rechts daneben war ein digitales Tastenfeld in die Wand eingelassen, in das Konan einige Zahlen eintippte. Schwerfällig schob sich die Tür zur Seite und gab den Blick auf einen Raum frei, der vergleichsweise klein wirkte.   „Das ist der Eingang zu eurem neuen Zuhause während der nächsten Wochen“, verkündete die Versuchsleiterin. „Wie ihr seht, ist der Zugang gut gesichert, um zu verhindern, dass Unbefugte sich einfach Zutritt verschaffen. Ihr müsst euch also keine Sorgen machen.“   Wenn Naruto ehrlich war, war es gerade die dicke Stahltür, die ihm Sorgen bereitete. Denn sie bedeutete nicht nur, dass keine ungebetenen Gäste hereinkamen, sondern auch, dass keiner der Versuchsteilnehmer so einfach herauskommen würde. Nicht, dass er davon ausging, dass man sie hier einsperrte, aber es hatte ihm schon immer Unbehagen bereitet, wenn er einen Ort nicht selbstständig verlassen konnte. Es erinnerte ihn ein bisschen an die Zeit im Heim, als man ihm immer wieder Hausarrest verpasst hatte, weil er eine Vorliebe dafür entwickelt hatte, die Wände zu bemalen.   „Links neben mir geht es zu den Labors“, Konan deutete auf eine schmale, weiße Tür. „Wenn ihr einen Termin bei einem unserer Ärzte habt, werdet ihr hier von den Assistenten abgeholt und zu den jeweiligen Räumlichkeiten begleitet. Unser Projekt wird von zwei Ärzten betreut, von denen jeweils einer für euch zuständig sein wird. Es wird auch rund um die Uhr immer einer der beiden im Haus sein, falls es zu irgendwelchen Komplikationen kommen sollte, wovon wir aber natürlich nicht ausgehen.“   Sie schenkte jedem in der Runde ein beruhigendes Lächeln und machte dann einen kleinen Haken neben dem ersten Punkt auf ihrer Liste. Thema Nummer eins war somit erledigt. Offenbar hatten sie hier für alles irgendwelche Listen, Regeln und Vorschriften und Naruto ahnte schon jetzt, dass ihm genau das früher oder später Probleme bereiten würde. Er war einfach nicht der Typ dazu, streng nach Plan vorzugehen. Sein Talent lag eher in der Improvisation.   „Stellt doch euer Gepäck erst mal hier ab. Dann können wir uns in aller Ruhe den Wohnbereich ansehen“, schlug Konan vor und bedeutete ihnen mit einer kleinen Handbewegung, ihre Koffer in der Ecke neben der Tür zu verstauen.   Naruto spürte wieder dieses nervöse Kribbeln. Gleich würde er sehen, wo er einen Großteil seiner Semesterferien verbringen würde und auch, wenn er das niemals offen zugeben würde, machte ihm insbesondere das Zusammenleben mit der Gruppe ein wenig Angst. Was, wenn er mit den anderen nicht klarkommen würde? Mit Kiba hatte er sich auf Anhieb gut verstanden, aber Gaara und Sasuke waren eine ganz andere Art von Mensch. Außerdem hatte er schon jetzt einen nicht gerade vorteilhaften Eindruck hinterlassen.   Wieder ging Konan voran und sie folgten ihr in den großzügigen Wohnbereich. Beim Betreten des Raumes konnte Naruto nicht anders als zu staunen. Für gerade einmal fünf Personen war das hier fast schon zu viel Platz und allmählich fragte er sich, woher eigentlich die Gelder für dieses Forschungsprojekt stammten. Die Einrichtung wirkte edel und modern und so als hätte hier vor ihnen noch nie jemand gewohnt. Alles war so unberührt. Und das stand im krassen Gegensatz zu Narutos bisherigen Bleiben.   Schon damals im Heim hatte er immer nur mit gebrauchtem Spielzeug gespielt. Er hatte in gebrauchten Betten geschlafen. Er hatte seine gebrauchten Klamotten in einem Jahrzehnte alten Schrank verstaut, den schon Generationen von Kindern vor ihm benutzt hatten und dessen Tür beim Schließen jedes Mal ein leises Quietschgeräusch von sich gegeben hatte. Es war nahezu unmöglich gewesen, sich nachts heimlich anzuziehen, um sich dann raus zu schleichen. Das Geräusch hatte ihn jedes Mal verraten. Und irgendwann war er eben im Schlafanzug abgehauen. In einem gebrauchten, selbstverständlich.   Später mit seinem Studium hatte sich das auch nicht unbedingt gebessert. Er hatte einen Studienkredit aufgenommen und sich ein kleines möbliertes Zimmer im Studentenwohnheim gemietet. Geld für eigenes Inventar war einfach nicht vorhanden gewesen. Auch seine Bücher kaufte er stets gebraucht oder lieh sie sich in der Bibliothek aus. Das einzige, was sich gebessert hatte waren seine Klamotten, denn immerhin die waren neu.   Das hier war aber nun eine ganz andere Hausnummer und er wusste gar nicht, wo er zuerst hinsehen sollte. Am liebsten wäre er im gesamten Zimmer umhergelaufen, hätte die Schränke aufgerissen und den Inhalt begutachtet. Er wollte sich in die sorgsam drapierten Kissen werfen und ausprobieren, wie oft er sich über die überdimensional große Sofalandschaft wälzen konnte, bevor er mit dem Rücken an der Kante anstieß. Er wollte die Tür des stählernen Kühlschranks aufreißen, um zu sehen, was man ihnen an Lebensmitteln zur Verfügung gestellt hatte. Es kribbelte ihm in den Fingern. Doch das ging nicht. Noch nicht.   Und so folgte er schweigend Konan, die ihnen eine kurze Führung durch den Wohnbereich gab und immer mal wieder stehen blieb, um irgendetwas etwas zu erklären. Was sie genau erzählte, bekam er gar nicht richtig mit. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, die Umgebung und das Mobiliar zu betrachten und sich schon mal zu überlegen, was er als erstes machen würde, wenn sie weg war. Das Wichtigste würde sie sicherlich sowieso nochmal sagen und den Rest konnte er sich dann auch selbst zusammenreimen.   Mittlerweile waren sie in der offene Küche angelangt, die nur durch eine schlanke Theke vom Rest des Raumes abgetrennt wurde. Direkt daneben stand ein großer, weißer Tisch mit acht Stühlen und Shikamaru zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Irgendetwas schien ihn an dem Bild zu stören.   „Kriegen wir noch Besuch oder warum ist der Tisch für acht Personen gedeckt?“   Mit seiner Frage riss er Naruto aus seinen Tagträumen und auch er musterte den Essbereich ein wenig genauer. Tatsächlich gab es nicht nur zu viele Stühle, es befand sich auch an jedem Platz ein Gedeck. Sauber und ordentlich angerichtet, so wie alles hier.   „Gut, dass du es ansprichst“, Konan nickte geschäftig und machte sich wieder eine Notiz auf ihrer Liste. „Es gibt in der Tat eine zweite Gruppe, die später noch zu euch stoßen wird. Momentan machen sie noch ein paar Tests, aber das wird nicht mehr lange dauern. Insgesamt werdet ihr dann zu acht sein.“   „Kiba!“, rief Naruto begeistert aus und warf die Hände in die Luft.   Wieder einmal erntete er von allen Seiten befremdliche Blicke, doch diesmal war es ihm egal. Also würde er seinen Kumpel schon bald wiedersehen und war nicht für die restliche Zeit mit diesem Haufen Langweiler hier drin eingesperrt. Das war alles, was im Moment zählte. Zumindest ging er davon aus, dass Kiba zur zweiten Gruppe gehörte und wenn er sich nicht verrechnet hatte, würden neben ihm noch zwei weitere Personen zu ihnen stoßen. Vielleicht waren sogar ein paar Mädels dabei? Nichts gegen Ino, aber sie schien schon jetzt extrem auf Sasuke fixiert zu sein und er rechnete sich eher keine Chancen bei ihr aus.   „Warum müssen wir keine Tests machen?“, fragte Gaara misstrauisch.   Es war immer wieder seltsam, ihn sprechen zu hören. Die tiefe dunkle Stimme, wollte einfach nicht zum dem zierlichen, fast schon kindlichen Körper passen und ganz egal, was er sagte: Es klang jedes Mal nach einer Drohung.   „Das kommt noch“, erklärte Konan und schenkte ihm ein Lächeln, das jedoch auffällig sachlich wirkte. „Ihr wurdet von unseren Ärzten in zwei Gruppen aufgeteilt, damit sie die Medikation besser überwachen können. Die andere Gruppe erhält Medikamente, die ihre physischen Fähigkeiten verbessern sollen, deswegen überprüfen wir nochmal alle Körperfunktionen, damit uns auch nichts entgeht, was später wichtig sein könnte.“   Ehrlich gesagt war Naruto in diesem Moment ganz froh darüber, dass er die ganzen Tests nicht nochmal über sich ergehen lassen musste. Denn erstens hatte das ziemlich lange gedauert und zweitens waren die meisten davon auch noch verdammt anstrengend gewesen. Außerdem hatte es möglicherweise Vorteile, dass er zu der Gruppe gehörte, die als erstes hier war. So konnte er für sich und Kiba schon mal den besten Platz am Esstisch aussuchen, den gemütlichsten Teil des Sofas und die besten Zimmer. Die zweite Gruppe musste sich dann mit dem zufrieden geben, was noch übrig war. Wer zuerst kommt malt zuerst. Oder so ähnlich.   „Das bedeutet, wir bekommen dann wahrscheinlich Medikamente, die auf mentale Fähigkeiten abzielen“, folgerte Sasuke.   Im selben Atemzug warf er Naruto einen etwas skeptischen Blick zu, den dieser jedoch nicht deuten konnte.   „Richtig, Herr Uchiha“, bestätigte Konan. „Die genauen Zuteilungen erfahren sie dann beim ersten Gespräch mit dem jeweiligen Arzt, der für sie zuständig ist. In ihrem Fall wird das Dr. Orochimaru sein. Aber seien Sie unbesorgt, er wird ihnen alles sehr genau erklären und falls Sie dennoch weitere Fragen zur Wirkungsweise Ihres Medikaments haben, können Sie sich jederzeit an die Ärzte wenden. Das gilt übrigens für euch alle.“   So oft, wie Konan betonte, das rund um die Uhr jemand für ihre Betreuung hier sein würde, konnte man meinen, dass sie alle fünf Minuten mit einem Notfall rechnete. Wahrscheinlich aber lag es einfach daran, dass für solche Forschungsprojekte nun mal jede Menge Vorschriften galten, an die sie sich halten musste. Dass die Wissenschaft unglaublich streng reglementiert war, das wusste sogar Naruto und auch, dass Konan wahrscheinlich strikte Vorgaben hatte, was sie ihnen sagen musste.   „Wann finden denn die ersten Gespräche statt?“, erkundigte sich Ino und strich beiläufig ihren Pony aus dem Gesicht.   Statt ihr zu antworten, winkte Konan sie etwas näher heran und deutete auf eine große, weiße Tafel, die direkt neben der Theke an der Wand hing. Jemand hatte eine Art Tabelle darauf gemalt, die jedoch bis auf die Beschriftung der Randspalten noch vollkommen leer war. Oben standen Uhrzeiten, links standen die Wochentage.   „Das hier ist jetzt sehr wichtig, also hört gut zu“ – Naruto unterdrückte ein Grinsen. Wie er bereits vermutet hatte, wurden die wirklich wichtigen Dinge nochmal extra hervorgehoben – „Auf dieser Tafel werden eure Termine eingetragen. Bisher ist sie noch vollkommen leer, was daran liegt, dass unsere Ärzte momentan noch mit den Tests der zweiten Gruppe beschäftigt sind. Allerdings wird die Tafel täglich aktualisiert und ich bitte euch, regelmäßig darauf zu sehen, bevor ihr schlafen geht, damit ihr keine Termine verpasst. Möglicherweise müsst ihr euch sogar einen Wecker stellen.“   Shikamaru und Naruto verzogen zeitgleich das Gesicht. Schon in der Schulzeit hatte er es immer gehasst, morgens früh aufzustehen. Wecker hatten bei ihm grundsätzlich keine besonders hohe Lebenserwartung, was wahrscheinlich daran lag, dass sein Biorhythmus einfach nicht mit dem seiner Umgebung übereinstimmen wollte. Er litt an lebenslangem Jetlag. Vielleicht war er einfach im falschen Teil der Welt geboren worden und sein Körper gehörte eigentlich nach Kirigakure. Das würde zumindest einiges erklären.   „Wenn ihr einen Termin habt, begebt euch bitte zur angegebenen Zeit in den Eingangsbereich, wo ihr dann von einem der Assistenzärzte abgeholt und zum entsprechenden Labor gebracht werdet. Achtet bitte darauf pünktlich zu sein. Denn wie unser Buchhalter Kakuzu immer sagt, Zeit ist Geld. Und glaubt mir, wenn ich euch sage, dass er das bitter ernst meint und auch nicht davor zurückschreckt, euch dieses Geld wieder von eurer Aufwandsentschädigung abzuziehen.“   Sofort musste Naruto wieder an den Kerl denken, bei dem er sich gemeinsam mit Kiba angemeldet hatte. Tatsächlich würde er ihm so etwas ohne zu zögern zutrauen und das bedeutete, dass er sich diesmal wirklich zusammenreißen musste. Pünktlichkeit gehörte nicht gerade zu seinen zahlreichen Stärken, aber er wollte auch unter keinen Umständen auf nur einen einzigen Yen verzichten.   „Der Tag heute ist dazu da, dass ihr erstmal ankommt und euch hier ein bisschen einlebt. Die ersten Gespräche mit euren Ärzten sind dann für morgen angesetzt, beginnend etwa um neun Uhr. Der letzte Termin des Tages findet jeweils um 17 Uhr statt. Habt ihr soweit alles verstanden, oder gibt es noch Fragen?“   Naruto wollte fragen, ob es möglich war, Termine zu tauschen. Vielleicht gab es in ihrer Gruppe ja einen leidenschaftlichen Frühaufsteher, der es liebte, sich morgens aus dem Bett zu schälen und direkt die ersten Verpflichtungen des Tages wahrzunehmen. Shikamaru und Ino sahen nicht gerade so aus, aber vielleicht ja Sasuke? Wobei der wahrscheinlich schon aus Prinzip nicht mit ihm tauschen würde, einfach um ihm eins reinzuwürgen. Doch noch bevor er sich entschieden hatte, die Frage laut zu stellen, fuhr Konan auch schon wieder fort.   „Sehr schön. Dann kommen wir zum nächsten Teil auf meiner Liste. Folgt mir bitte nach oben, damit ich euch die Schlafzimmer zeigen kann.“   Sie ging auf die schmale Treppe zu, die direkt neben der Eingangstür nach oben zu einer kleinen Galerie führte. Von dort aus hatte man einen guten Überblick über den gesamten Wohnbereich. Umgekehrt war es jedoch schwierig vom Erdgeschoss aus zu sehen, was sich hier oben abspielte. So kam es auch, dass Naruto die fünf Türen zuvor noch gar nicht aufgefallen waren, die von der Galerie aus abgingen.   „Ganz links befindet sich der Fitnessraum. Ihr könnt hier gerne in eurer Freizeit trainieren, sprecht aber auch das bitte mit den Ärzten ab, damit keine unerwünschten Nebeneffekte auftreten. Möglicherweise gehören regelmäßige Fitnessübungen auch zu eurem Programm, dann bekommt ihr sowieso noch einmal gesonderte Instruktionen. Hier ist jedenfalls der dazugehörige Raum.“   Sie waren fünf Personen. Zumindest noch. Es gab fünf Türen. Und die erste davon führte schon mal nicht zu einem der Schlafzimmer. Das bedeutete entweder, dass hier irgendwo noch ein paar Räume versteckt waren oder dass sie sich die Zimmer teilen mussten. Für Naruto war das allerdings kein Problem, da er es bereits gewohnt war, mit einer anderen Person im selben Raum zu schlafen. Eigentlich fand er es sogar gar nicht mal so schlecht. Und wenn er an die Einsamkeit dachte, die ihn manchmal in seinem winzigen möblierten Zimmer heimsuchte, war er ganz froh darüber, nicht allein sein zu müssen.   „Bei dem Rest handelt es sich um die Schlafzimmer.“   Konan öffnete die Tür direkt neben dem Fitnessraum und trat dann zur Seite, um ihnen einen Blick in das Zimmer zu ermöglichen. Neugierig streckte sich Naruto und versuchte, an ihrer schmalen Statur vorbeizusehen. Was er sah, war nicht besonders spektakulär. Es gab zwei Betten, zwei kleine Tischchen daneben und zwei – zugegebenermaßen ziemlich große – Schränke. Also würden sie sich die Zimmer tatsächlich teilen.   Diese Erkenntnis schien auch allmählich bei den anderen einzusickern, doch die sahen bei Weitem nicht so begeistert darüber aus wie Naruto. Sasuke und Gaara wirkten fast schon frustriert, Shikamaru seufzte einmal leise beim Anblick der zwei Betten und Ino konnte sich wohl nicht recht entscheiden, wie sie das finden sollte. Immer wieder sah sie zwischen den Jungs hin und her und malte sich wahrscheinlich gedanklich gerade aus, wie es wäre, mit ihnen ein Zimmer zu teilen.   „Es gibt keine Einzelzimmer?“, fragte sie mit einer Spur Verzweiflung in der Stimme.   Ihr Blick blieb an Sasuke haften. Es war nicht schwer zu erraten, mit wem sie am liebsten in einem Raum schlafen würde. Doch für Naruto spielte das keine Rolle. Er hatte sich bereits entschieden.   „Kommen die anderen auch noch dazu?“, grätschte er dazwischen, bevor Konan überhaupt eine Chance hatte, zu antworten „Kiba und ich nehmen dann ein Zimmer zusammen.“   Wenn er in seiner Schulzeit und auf sämtlichen Klassenfahrten eins gelernt hatte, dann dass man sich nie früh genug um die Zimmeraufteilung kümmern konnte. Wenn man am Ende nicht mit den langweiligen Strebern zusammenwohnen wollte, die schon um halb zehn ins Bett gingen, musste man die Initiative ergreifen. Und zwar so bald wie möglich und noch bevor die anderen reagieren konnten.   Konan blinzelte ein wenig überrumpelt. „Nun ja, um die erste Frage zu beantworten: Es gibt insgesamt vier Doppelzimmer, die jeweils über ein eigenes Badezimmer verfügen. Die Badezimmer sind übrigens der einzige Bereich, in dem ihr nicht gefilmt werdet, da wir eure Privatsphäre schützen wollen. Allerdings können die Türen nicht abgeschlossen werden, damit im Notfall sofort jemand zu euch reinkommen kann und wir bitten euch, sie auch nicht auf andere Art und Weise irgendwie zu versperren.“   „Ja, ja, ja“, winkte Naruto ungeduldig ab. Damit konnte er sich auch noch später befassen. Momentan gab es einfach wichtigeres. „Was ist mit der Zimmeraufteilung?“   Sasuke verdrehte wieder einmal genervt die Augen, doch Naruto wusste, dass es ihn insgeheim mindestens genauso sehr interessierte. Immerhin war das die Frage. Sie würden hier mehrere Wochen verbringen und das konnte entweder richtig gut werden oder in einem Martyrium enden.   „Das Zimmer ganz hinten geht an die beiden Mädchen“, erklärte Konan. „Die restlichen Zimmer wurden randomisiert zugeteilt.“   „Randomisiert?“, wiederholte Naruto irritiert.   Das Wort hatte er irgendwo schon mal gehört und wahrscheinlich sollte er nach mittlerweile drei Semestern Politikwissenschaften auch wissen, was es bedeutete. Aber im Moment verstand er nur Bahnhof. Warum mussten diese Wissenschaftler auch für alles irgendwelche komplizierten Fachwörter benutzen? Er hatte immer gedacht, dass es in der Forschung darum ging, Dinge zu erklären und nicht, Menschen unnötig zu verwirren.   „Das bedeutet zufällig, Idiot“, knurrte Sasuke entnervt. „Es wurde ausgelost.“   Richtig. Da klingelte irgendwas bei ihm. Aber das bedeutete dann wohl auch, dass er auf die Aufteilung keinen Einfluss mehr nehmen konnte. Es war völlig umsonst gewesen, dass er seine gesamte Klassenfahrt-Erfahrung genutzt hatte und letztendlich würde wohl doch nur das Glück entscheiden, ob er mit Kiba zusammenwohnen würde oder nicht. Zumindest war er beim Losen immer recht gut gewesen. Auf dem Jahrmarkt hatte er sogar mal einen Hauptgewinn gezogen.  Noch war also nicht die Zeit gekommen, um den Kopf in den Sand zu stecken. Was im Übrigen hier in Suna gar nicht mal so schwer zu realisieren wäre.   „Oh“, machte er stattdessen wenig geistreich. „Und an wen gehen die Zimmer jetzt?“   Konan seufzte und warf ihm einen mahnenden Blick zu.   „Das wollte ich gerade sagen. Es wäre schön, wenn Sie mich zwischendrin auch mal ausreden lassen, Herr Uzumaki.“ Dann wandte sie sich an Gaara. „Sie können eigentlich gleich hier bleiben. Das erste Zimmer geht an Sie und Herrn Inuzuka.“   Normalerweise hätte sie ihm jetzt wohl so etwas wie einen Schlüssel überreicht, aber man durfte die Türen ja nicht abschließen. Verdammt. So viel zum Thema Glück. Also war Kiba schon mal aus dem Rennen. Gaara allerdings auch. Das nächstkleinere Übel wäre dann wohl dieser Shikamaru. Er machte zwar einen unglaublich trägen Eindruck, aber möglicherweise würde er ja irgendwann nochmal aus den Puschen kommen. Und vielleicht war er ja sogar ganz nett.   „Das zweite Zimmer ist für Herrn Rock und Herrn Nara“, fuhr Konan fort und sah dann vorsichtig zu Naruto und Sasuke. „Und damit bleiben noch Herr Uzumaki und Herr Uchiha für das letzte Zimmer.“   Hatte Naruto gerade behauptet, dass er bei solchen Sachen oft Glück hatte? Wohl eher nicht. Das hier war ganz eindeutig der Worst Case. Es war sogar schlimmer als die Zeit als er übergangsweise mit einem Typen namens Bee zusammengewohnt hatte, der pausenlos vor sich hin gerappt hatte. Und zwar nicht besonders gut. Was ihn in keinster Weise davon abgehalten  hatte weiterzumachen, und irgendwann war Naruto förmlich durchgedreht. Trotzdem war das hier schlimmer.   „Entschuldigen Sie, aber warum muss jemand mit so guten Testergebnissen wie ich in einem Zimmer mit diesem Blödmann sein?“, protestierte er sofort.   Es war ihm egal, das Konans Geduld allmählich am Ende war und es war ihm auch egal, dass die anderen ihm mal wieder böse Blicke zuwarfen. Sasuke hatte ihn vorhin als Idioten bezeichnet und das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Und noch viel weniger konnte er zulassen, dass ausgerechnet Sasuke ihm in nächster Zeit ständig Gesellschaft leisten würde. Da schlief er ja noch lieber auf dem Sofa.    „Herr Uchiha hatte von allen Teilnehmern die besten Ergebnisse in der Vorstudie. Sie sind dagegen nur nachgerückt, Herr Uzumaki“, wies Konan ihn zurecht. „Die Zimmer wurden nach dem Zufallsprinzip zugeteilt und es entspricht nicht meinen Kompetenzen, an dieser Aufteilung nachträglich etwas zu ändern. Es läge also im Interesse aller, wenn Sie versuchen würden, ihre Differenzen beizulegen.“   Man sah ihr deutlich an, dass es ihr immer schwerer fiel, ruhig und sachlich zu bleiben, auch wenn sie sich natürlich um Neutralität bemühte. Trotzdem hatte sie ihn gerade vor allen anderen nach allen Regeln der Kunst in die Pfanne gehauen. Sasuke lächelte bei ihren Worten spöttisch und Naruto hätte ihm dafür am liebsten eine verpasst. Immerhin kämpfte er hier gewissermaßen für ihrer beider Interessen und außerdem bestätigte das nur noch einmal das Bild, das er sowieso schon von ihm hatte. Dass er sich für etwas Besseres hielt.   Sasuke warf ihm einen herausfordernden Blick zu und Naruto erwiderte mit stoischer Hartnäckigkeit. Es war zu spät, um noch irgendwelche Differenzen beizulegen und zwar schon seit dem Moment, in dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren, das wussten sie beide. Die Frage war nur, wer als Sieger aus diesem kleinen Kampf hervorgehen würde. Sasuke unterbrach als erster den Blickkontakt und beugte sich leicht nach vorne, sodass sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten.    „Komm mir einfach nicht in die Quere, Nachrücker“, raunte er.   Wütend biss Naruto die Zähne zusammen. Nachrücker. In seinen Augen war das die reinste Provokation, aber wenn Sasuke Krieg haben wollte, dann konnte er Krieg haben. Und oh, er würde ihm sowas von in die Quere kommen, darauf konnte er Gift nehmen. 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