Versuchsleitereffekt von -Zerschmetterling- (Weil Forschung Wissen schafft.) ================================================================================ Kapitel 1: Vorstudie -------------------- -1-   Naruto hatte nicht viel Ahnung von Wissenschaft. Er studierte zwar bereits im dritten Semester Politikwissenschaften, aber sobald er auch nur das Wort Variable hörte, war er raus. Forschung interessierte ihn in etwa so viel wie die Zusammensetzung einer Dunstabzugshaube. Nämlich gar nicht. Was ihn aber interessierte, war Geld, und das konnte möglicherweise damit zusammenhängen, dass er als Student nun mal chronisch pleite war. Wenn man ihm also Geld dafür bot, dass er bei irgendwelchen Forschungsprojekten mitmachte, dann war er sofort dabei. Wissenschaft hin oder her.   Für 12.500 Yen fuhr er gerne drei Stunden mit dem Zug, um in die Labors irgendwo in einem weit abgeschiedenen Vorort von Suna zu kommen. Er ließ sich gerne Blut abnehmen, füllte irgendwelche dämlichen Fragebögen aus, ließ von einem Arzt sämtliche Körperregionen abchecken und machte sogar ein verdammtes Belastungs-EKG, für das er so lange auf einem Laufband trainieren musste, bis ihm schlecht vor Anstrengung wurde. Eher ungerne, ließ er sich eine Nadel durch die Kopfhaut stechen, um seinen Gleichgewichtssinn zu messen. Aber er tat es. Und am Ende lohnte es sich tatsächlich. Sogar mehr als er zunächst angenommen hatte.   Nur wenige Wochen nach seiner Teilnahme erhielt er einen förmlich aussehenden Brief, der die Einladung zu einem weiteren Experiment enthielt. Seine Testergebnisse hatten scheinbar den Erwartungen entsprochen und er war geeignet für die Hauptstudie. Es ging um Medikamententests, irgendetwas für das Militär, was er nicht ganz verstand, aber das war in diesem Moment auch nur zweitrangig.   Wichtig war, dass er für seine Teilnahme eine Aufwandsentschädigung von insgesamt 300.000 Yen erhalten sollte und alles was er dafür tun musste, war ein paar Pillen zu schlucken und sich ab und zu mal durchchecken zu lassen. Leichter hatte er noch nie Geld verdient und es würde definitiv der lukrativste Ferienjob seines Lebens werden. Er musste seine Semesterferien ausnahmsweise mal nicht damit verbringen, sich an irgendeiner Supermarktkasse von frustrierten Hausfrauen anmaulen zu lassen. Schneller als es ihm vermutlich irgendjemand zugetraut hätte, waren seine Koffer für den mehrwöchigen Aufenthalt gepackt.    Und hier war er nun. Stand vor einem riesigen Gebäudekomplex, der von außen eher an eine riesige Lagerhalle erinnerte, und wäre das selbstgebastelte Schild mit der Aufschrift „Studie“ nicht gewesen, hätte er wahrscheinlich auf dem Absatz wieder kehrtgemacht, weil er dachte, dass er sich verlaufen hatte. Seine Hand klammerte sich fest um den Griff der Reisetasche und er trat unentschlossen von einem Bein auf das andere. Noch hatte er die Möglichkeit umzukehren. Allerdings müsste er dann auch die Spielekonsole zurückschicken, die er sich bereits von dem Geld gegönnt hatte, und das kam nun mal absolut nicht in Frage.   „Hey Mann, machst du auch bei der Studie mit?“   Überrascht drehte er sich zu dem jungen Kerl um, der ihn gerade angesprochen hatte. Naruto hatte ihn nicht kommen hören, so sehr war er in seine eigenen Gedanken vertieft gewesen, und er fragte sich, wie lange der andere dort schon stand. Die Hände in den Taschen der dunklen Lederjacke vergraben, lachte er ihn verwegen an und wartete offenbar auf eine Reaktion.   „Genau“, bestätigte Naruto grinsend. „Ich konnte nur nicht glauben, dass das hier echt so abgelegen sein soll.“   Demonstrativ machte er eine ausladende Handbewegung und deutete auf das gesamte Areal. Es war von hohen Maschendrahtzäunen begrenzt und abgesehen von Sand, Sand und noch mehr Sand gab es um sie herum nichts. Zumindest nichts, was darauf schließen ließ, dass diese Gegend hier in irgendeiner Weise bewohnt wurde. Der Bus hatte ihn ein paar Meter weiter an einer einsamen Straße abgesetzt und er war die letzten Schritte zu Fuß gegangen. Warum es hier überhaupt eine Haltestelle gab, konnte er sich auch nicht erklären.   „Doch, doch“, bekräftigte der Andere. „Das ist die Adresse. Ich bin mir absolut sicher. Vielleicht wollen die dadurch Störvariablen oder sowas ausschalten.“   Naruto nickte. Nicht, weil er verstanden hatte, was der Kerl damit sagen wollte, sondern schlicht und ergreifend aus dem Grund, weil er nicht von Anfang an einen dämlichen Eindruck hinterlassen wollte.   „Ich bin übrigens Kiba“, fügte der andere noch hinzu und reichte ihm die Hand.   „Naruto.“   Kiba war ihm von Anfang an sympathisch. Er strahlte irgendwie etwas Unkompliziertes aus und gleichzeitig wirkte er extrem selbstbewusst und so als wüsste er genau, was er tat. Als er sich seine Reisetasche in einer kraftvollen Bewegung über die Schulter schwang, waren auch Narutos Zweifel mit einem Mal verschwunden. Er war ein Gruppenmensch und er hasste es, Dinge alleine zu tun. Zusammen mit Kiba war es schon viel einfacher, den ausgeschilderten Weg zur Studie einzuschlagen, und allmählich breitete sich ein nervöses Prickeln in ihm aus. Neugier.   „Ja? Wer ist da?“   Die Stimme, die ihnen aus der Gegensprechanlage entgegenschallte, klang seltsam verzerrt und blechern. Abgesehen davon, gehörte sie nicht gerade zu den freundlichsten Stimmen, die er bisher in seinem Leben gehört hatte.   „Hier sind Naruto Uzumaki und Kiba…. Äh?“   Fragend sah er seinen Begleiter an.   „Inuzuka“, kam der ihm zu Hilfe. „Wir sind Teilnehmer an der Studie.“   Ein lautes Knistern ertönte, dann ein Räuspern.   „Würden Sie bitte ihre Probanden-ID nennen, die Ihnen zusammen mit der Einladung zur Studie zugeschickt wurde?“   Ungeschickt begann Naruto in seiner Tasche zu kramen. Natürlich steckte der Brief irgendwo ganz unten, vergraben zwischen Socken und einigen Packungen seiner geliebten Insta-Ramen. Kiba hatte seine Nummer bereits parat und ratterte die Zahlen herunter, als wäre er Angestellter des Monats bei irgendeiner Telefonhotline. Vielleicht war er das ja auch, wenn er nicht gerade bei ominösen Militärprojekten mitmachte. Bei Naruto dauerte es etwas länger, aber auch er fand schließlich seine ID und sie wurden hereingelassen.   Direkt hinter dem Eingang begann ein langer, künstlich beleuchteter Flur. Es gab keine Fenster, dafür aber mehrere Türen, die zu beiden Seiten hin abgingen. Auch hier war der Weg zur Studie mit mehreren Schildern ausgewiesen, damit sich selbst die größten Idioten nicht verlaufen konnten. Nicht, dass er von sich selbst behaupten würde, dass er ein Idiot war. Sich zu verlaufen konnte jedem Mal passieren. Außerdem hatte er in der Vorstudie zum räumlichen Vorstellungsvermögen gar nicht mal so schlecht abgeschnitten. Er war ein Meister darin, immer wieder einen Weg zu finden, selbst wenn er mal falsch abgebogen war.   „Da hinten.“   Kiba deutete auf eine etwas breitere Tür und beschleunigte seinen Schritt, sodass Naruto Mühe hatte ihm zu folgen. Fairerweise musste man sagen, dass seine Tasche auch bedeutend größer war. Nachdem er ja nicht genau wusste, was auf ihn zukam, hatte er einfach mal ein paar Sachen mehr eingepackt und das Gewicht drückte ihn nun unbarmherzig nach unten. Schwungvoll riss Kiba die Türe auf und gab den Blick auf eine Art kleinen Vorraum frei. Der Mann hinter dem metallenen Schreibtisch sah sie missgelaunt an.   „Name?“, knurrte er, ohne sie vorher zu begrüßen.   Es war definitiv eine andere Stimme als die, die sie an der Gegensprechanlage gehört hatten.   „Naruto Uzumaki.“   Falls das überhaupt noch möglich war, wurde seine Miene noch finsterer und seine stechend grünen Augen fixierten eine Weile den Bildschirm seines Computers, bis er ihn wohl auf seiner Liste entdeckt hatte. Er nickte kurz, dann zog er ein Blatt Papier hervor und reichte es ihm.   „Gut, Uzumaki. Wenn du an der Studie teilnehmen willst, dann unterschreib‘ diese Zettel. Das ist ein Haftungsausschluss und gleichzeitig wird damit sichergestellt, dass du am Ende des Experiments die Aufwandsentschädigung bekommst.“   Naruto nahm die Formulare entgegen und überflog die verschiedenen Paragraphen, die darauf abgedruckt waren. Wenn er ehrlich war, verstand er davon sogar noch weniger als von Variablen, aber am Ende musste er das Ding ja so oder so unterschreiben. Kiba linste ihm über die Schulter.   „Haftungsausschluss?“, hakte er misstrauisch nach. „Ihr wollt uns doch nicht umbringen oder so?“   Der Typ hinter dem Schreibtisch sah nicht gerade so aus, als ob er das lustig finden würde. Viel mehr verzog er sein wettergegerbtes Gesicht zu einer angespannten Fratze und funkelte ihn böse an.   „Das sind bloß Formalien. Das ist die Standardprozedur“, erklärte er kurzangebunden. „Es geht darum, dass jeder bekommt, was er will. Wir kriegen eure Daten und verpflichten uns, sie anonym zu behandeln. Ihr bekommt das Geld. Mir persönlich ist es ja egal, ob ihr hier mitmacht. Ich bin nur der Buchhalter. Also, wenn es euch nicht passt, dann lasst es einfach sein.“   Kiba hob beschwichtigend die Arme.   „Schon gut. Man wird ja wohl noch fragen dürfen.“   Auch ihm wurden ein paar Formulare in die Hand gedrückt, nachdem er dem mürrischen Typen seinen Namen genannt hatte. Wie ein Buchhalter sah er nicht gerade aus. Eher wie jemand, der sich ganz gerne mal in eine Kneipenschlägerei verwickeln ließ und bereit war, für Geld so ziemlich alles zu tun. Dementsprechend kleinlaut übergab Naruto ihm auch die unterschriebenen Blätter und verkniff sich jegliche weitere Fragen.   „Uzumaki, du kannst durch die Tür da gehen.“   Der Buchhalter deutete nach rechts.   „Ich warte noch auf Kiba“, verkündete Naruto und grinste seinen neu gewonnenen Freund breit an.   Es konnte nie etwas schaden, sich schon früh Verbündete zu suchen. Immerhin würden sie hier noch etwas länger bleiben und wer wusste schon, was auf sie zukam.   „Inuzuka geht durch die andere Tür. Es bringt also nichts, wenn du wartest“, stellte der Buchhalter klar.   Naruto glaubte fast, so etwas wie Genugtuung in seinem Gesicht erkennen zu können. Kurz tauschte er einen fragenden Blick mit Kiba aus, der ihm aber nur auffordern zunickte. Also wurden sie bereits zu Beginn des Experimentes voneinander getrennt und er musste den Rest des Weges wieder allein antreten.   „Na gut“, erwiderte er dann schulterzuckend. „Man sieht sich ja vielleicht.“   Ein letztes Mal hob er die Hand zum Gruß, dann ging er durch die unscheinbare Tür in den nächsten Raum. Es war wieder ein Flur und allmählich fragte er sich, wie verwinkelt dieses Gebäude eigentlich noch sein konnte. Nun, da er allein war, hatte er noch mehr das Gefühl, sich irgendwie verlaufen zu haben. Aus dem Raum am Ende des Ganges drangen mehrere Stimmen, von denen eine ganz  besonders herausstach. Sie war laut und schrill. Und eindeutig weiblich.   „Kannst du vielleicht mal aus dem Licht gehen? Wie soll ich denn so etwas sehen?“   Naruto klopfte einmal fest gegen die Tür, doch als ihn keiner hereinbat, drückte er vorsichtig die Klinke hinunter und lugte in das Zimmer. Um einen großen Tisch herum standen fünf Stühle, von denen bereits vier besetzt waren. Unter den Personen war insgesamt nur eine Frau. Dann war sie es wohl gewesen, die er schon von draußen auf dem Gang gehört hatte. Sie hatte einen kleinen Taschenspiegel in der Hand und schürzte gerade die Lippen, um sie mit einem Stift nachzuziehen. Der Kerl, der neben ihr saß, verdrehte genervt die Augen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.   „Oh Mann, du bist doch schon geschminkt“, stellte er kopfschüttelnd fest. „Ich glaube, ich werde euch Frauen niemals verstehen.“   Er seufzte, als wäre allein schon der Gedanke daran viel zu anstrengend und schloss dann entspannt die Augen, als würde ihn das alles hier nichts mehr angehen. Die junge Frau strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht, die aus ihrem Zopf gefallen war und warf ihm einen missbilligenden Blick zu.   „Das nennt man Auffrischen, mein Lieber. Und ich will ja gut aussehen für die Kameras“, erklärte sie mit gewichtiger Miene.   Aus dem Augenwinkel sah sie jedoch nach links ans andere Ende des Tisches, wo noch zwei weitere junge Männer Platz genommen hatten. Naruto beschlich sofort der Verdacht, dass einer der beiden möglicherweise auch etwas mit ihrem Schönheitswahn zu tun haben könnte. Er beschloss, dass er lange genug Mäuschen gespielt hatte und schob die Tür ganz auf. Sofort lagen alle Blicke auf ihm. Neugierig und gleichzeitig abwägend. Er kratzte sich kurz am Hinterkopf und grinste dann verlegen in die Runde. Da er nun aber schon mal die Aufmerksamkeit aller hatte, konnte er auch direkt eine wichtige Frage loswerden.   „Kameras? Was denn für Kameras?“   Die Blonde warf ihm einen ungläubigen Blick zu, während der Kerl neben ihr erneut seufzte.     „Die Kameras, die uns die ganze Zeit über filmen werden“, erklärte sie dann in einem belehrenden Tonfall.   Überrascht riss Naruto die Augen auf und sah sich reflexartig in dem kleinen Raum um.   „Wir werden gefilmt?“   Er konnte nirgendwo irgendetwas entdecken. Das Zimmer war recht kahl und abgesehen von dem großen Tisch in der Mitte gab es nur noch ein eher spärlich bestücktes Bücherregal an der hinteren Wand. In Krimis steckten die Kameras manchmal hinter den Buchrücken, aber Naruto bezweifelte, dass das hier der Fall war. Auch in den Ecken des Raumes konnte er nichts Verdächtiges finden. Als letzte Option blieb eigentlich nur noch der Rauchmelder, aber war das überhaupt eine günstige Perspektive? Er sah nach oben an die Decke.   „Wow. Hast du dir auch nur einen Satz von dem durchgelesen, was du da gerade unterschrieben hast?“   Die Stimme triefte nur so vor Hohn und auch wenn der Typ leise sprach, waren seine Worte schneidend wie ein arktischer Wind. Bisher hatte er sich, genau wie sein rothaariger Nebenmann, komplett aus den Gesprächen herausgehalten, doch nun fixierte er Naruto aus tiefdunklen Augen und schenkte ihm ein spöttisches Lächeln. Es war derselbe Kerl, den die Blondine vorhin so angestarrt hatte. Narutos Puls schoss sofort leicht in die Höhe. Er konnte es absolut nicht leiden, wenn man so mit ihm redete und abgesehen davon hatte er dem Typen überhaupt nichts getan. Statt sich über ihn lustig zu machen, könnte er auch einfach seine Frage beantworten. Aber scheinbar war das bereits zu viel verlangt.   „Ich habe mir sogar mehrere Sätze durchgelesen“, entgegnete Naruto also beherrscht und wiederholte dann im Brustton der Überzeugung das, was der Buchhalter zuvor zu ihnen gesagt hatte: „Aber das sind sowieso bloß Formalien. Die Standardprozedur eben.“   Vielleicht konnte er sein Unwissen ja auch einfach überspielen. Er war sicher nicht der Einzige, der sich die dämlichen Paragraphen nicht so genau angesehen hatte. Hilfesuchend sah er einen nach dem anderen an, doch er erntete nur mitleidige Blicke und schließlich blieb sein Blick wieder an dem arroganten Idioten hängen. Dessen Lippen kräuselten sich zu einem dünnen Strich und er schnaubte abfällig.   „Tz.“   Naruto konnte nicht sagen, was es genau war, aber irgendetwas an diesem Mann machte ihn aggressiv. Er verspürte den unbändigen Drang, ihn an seinem fein gebügelten Hemdkragen zu packen und gegen die nächstbeste Wand zu drücken. Überhaupt nervte es ihn, dass an diesem Kerl scheinbar alles perfekt zu sein schien. Von der schicken Kleidung, bis hin zu dem weich glänzenden schwarzen Haar und der makellos blassen Haut. Und das Schlimmste daran war, dass er sich dessen sehr wohl bewusst war.   „Du hältst dich wohl für was Besseres, was?“, knurrte Naruto und konnte sich nur mühsam davon abhalten, die letzten paar Meter zu überbrücken und sich bedrohlich vor ihm aufzubauen.   Normalerweise neigte er nicht gerade zu gewalttätigem Verhalten, aber das hier war ein Ausnahmefall. Immerhin war er direkt angegriffen worden, noch bevor er überhaupt die Gelegenheit bekommen hatte, sich vorzustellen. Unfreundlicher ging es ja wohl kaum.   „Und wenn es so wäre?“   Wieder erntete er nur ein spöttisches Schmunzeln. Offenbar hatte der Typ es darauf angelegt, ihn zu provozieren. Aber nicht mit ihm. Naruto würde ihm schon noch zeigen, dass er sich den Falschen ausgesucht hatte.     „Dann täuschst du dich gewaltig“, verkündete er überzeugt. „Ich bin genauso wie du für die Hauptstudie zugelassen.“   Man konnte Naruto vieles vorwerfen, aber irgendetwas musste er ja richtig gemacht haben, wenn die Leute vom Militär ihn für das Projekt ausgewählt hatten. Vielleicht hatte er ein paar Schwächen in Mathematik und möglicherweise war er auch nicht der Schnellste im Intelligenztest gewesen, aber dafür waren seine körperlichen Werte allesamt ausgezeichnet. Der Schwarzhaarige wirkte zwar sportlich, doch im Gegensatz zu Naruto hatte er einen eher sehnigen Körperbau und war von der Statur her deutlich schmaler. Dementsprechend würde er seine neu erworbene Spielekonsole darauf verwetten, dass er ihn in einem Kampf von Mann zu Mann besiegen könnte.   „Dann bin ich mal gespannt, was sie dir geben werden.“   Der Tonfall des anderen klang irgendwie lauernd und Naruto zog misstrauisch eine Augenbraue nach oben.   „Wieso?“   Der Typ verschränkte die Finger ineinander und stützte sein Kind darauf ab.   „Weil die Medikamente entsprechend der Fähigkeiten zugeteilt werden und bei dir sehe ich da ehrlich gesagt keinen Ansatzpunkt.“   In Naruto brodelte es. Wütend schlug er mit beiden Händen auf die Tischplatte vor sich und verengte seine Augen zu gefährlichen Schlitzen, doch der Kerl zuckte nicht einmal mit der Wimper. Dafür sahen ihn die anderen Studienteilnehmer ein wenig besorgt an und drückten sich unauffällig mehr in ihre Stühle. Nur der Rothaarige blieb vollkommen reglos auf seinem Platz sitzen und starrte an die Wand gegenüber.   In seiner Rage hatte Naruto die Umgebung vollkommen ausgeblendet. Das passierte ihm öfter, wenn er wütend wurde, und nun tat es ihm fast schon wieder leid, dass er sich so hatte gehen lassen. Immerhin wollte er die anderen nicht erschrecken. Er atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Es hatte keinen Sinn, sich über diesen Bastard aufzuregen. Trotzdem konnte er den letzten Kommentar unmöglich einfach so auf sich sitzen lassen.    „Ach ja, aber du hast einen Ansatzpunkt oder was?“   Herausfordernd verschränkte er die Arme vor der Brust.   „Allerdings.“   Wieder dieses Schmunzeln. Es war nur eine winzig kleine Bewegung des Mundwinkels. Ganz so, als wäre Naruto es nicht wert, eine richtige Regung zu zeigen. Und gleichzeitig steckte in dieser winzigen Geste so viel mehr Überheblichkeit, als Naruto jemals mit seinem gesamten Körper hätte ausdrücken können.   „Erzähl mir doch keinen Mist“, widersprach er verärgert. „Als ob du so viel toller bist als wir alle. Immerhin bist du nicht der einzige, der…“   Naruto kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu vollenden, da sich plötzlich der Rothaarige mit in das Gespräch einmischte.   „Wie heißt du?“, fragte er mit einer tiefen, monotonklingenden Stimme an seinen Sitznachbarn gewandt.   Sein Blick wirkte seltsam leer, so als würde er durch ihn hindurchsehen, und der Effekt wurde nur noch verstärkt durch die tiefen, dunklen Augenringe, die sein Gesicht in müde Schatten tauchten. Ein bisschen wirkte er so, als würde er geradewegs aus einer anderen Welt kommen oder zumindest nicht genau wissen, ob er nun wach war oder schlief. Er strahlte eine körperliche Präsenz aus und war gleichzeitig geistig in etwa so anwesend wie ein Komapatient. Dass er nun plötzlich das Wort ergriffen hatte, überrumpelte Naruto so sehr, dass er ausnahmsweise tatsächlich einmal die Klappe hielt.   „Sasuke Uchiha“, antwortete der Schwarzhaarige in einem ruhigen Tonfall. Seine Stimme klang nun fast schon samtig. „Und wer bist du?“   Erst jetzt fiel Naruto auf, dass er schon viel eher nach den Namen der anderen hätte fragen können. Bisher kannte er nur Kiba und der war ja bedauerlicherweise durch die andere Tür gegangen. Wahrscheinlich wäre das alles hier viel besser gelaufen, wenn er mit ihm den Raum betreten hätte. Vielleicht hätte er sich dann auch nicht so leicht provozieren lassen.   „Mein Name ist Gaara“, verkündete der Rothaarige.   Gut, Kiba war nicht hier. Und Naruto wusste auch nicht, ob er ihm im Rahmen der Studie nochmal über den Weg laufen würde oder ob sie jetzt für den Rest der Zeit getrennt wurden. Aber das bedeutete ja nicht, dass er sich nicht neue Freunde suchen konnte. Der Start war vielleicht etwas suboptimal verlaufen. Er hatte sich nicht gerade von seiner besten Seite gezeigt – was allein Sasukes Schuld war – aber vielleicht konnte er die anderen ja noch davon überzeugen, was für ein cooler Kerl er war. Zumindest musste er es probieren und er durfte sich unter keinen Umständen von diesem Sasuke abhängen lassen.   „Hey Gaara, ich wette, du willst auch meinen Namen erfahren!“, rief er deshalb.   Er setzte ein fröhliches Grinsen auf, doch es gefror ihm nur wenige Sekunden später auf den Lippen, als Gaara ihn nur mit seinen eiskalten blauen Augen durchbohrte. Offenbar schien er nicht wirklich viel Wert auf ein bisschen Smalltalk mit ihm zu legen.   „Behalte ihn für dich.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)