Zodiac von BleedingRose ================================================================================ Kapitel 4: Im Reich der Vampire ------------------------------- Herbst 2015, Siebenbürgen Selest Peterson Vorhin war ich ja noch der Meinung am Arsch der Welt zu sein, ohne jegliche Zivilisation in der Nähe, doch wenn ich mir das Burginnere so ansehe, dann muss ich mein vorhin getroffenes Urteil revidieren. Hier ist richtig was los. Die unterschiedlichsten Menschen sind hier anzutreffen und doch haben sie alle eines gemeinsam. Sie wandeln auf den Spuren von Vlad III. Typisch Touristen eben. Arashi drängt sich an allen vorbei, immer darauf bedacht meine Hand nicht los zu lassen, die er mit der Begründung gegriffen hat, er will nur dafür sorgen das ich nicht verloren gehe – so ein Lügenbold. Natürlich habe ich das grinsen in seinem Gesicht gesehen, als er meine Hand ergriff und mich dann mit sich zog. Ich entschuldige mich schnell bei einer etwas älteren Dame, der ich eben auf den Fuß getreten bin und auch bei einer jungen Frau mit Kinderwagen, die ich mit meinem Ellenbogen angerempelt habe, als Arashi und ich auch schon hinter einer Tür, mit der Aufschrift: Nur für Personal, verschwunden sind. Ich seufze erleichtert auf. „Was ist das denn für eine Menschenansammlung gewesen?“, frage ich meinen Begleiter, der gerade dabei ist seine Klamotten glatt zu streichen. Er sieht mich belustigt an und marschiert dann Seelenruhig weiter. Ich folge ihm grummelnd. Was anderes bleibt mir ja aber auch nicht übrig. „Meine Mom hat einen Teil der Burg als Hotel umfunktioniert. Sie hat immer gerne was zu tun und sie hat gerne Menschen um sich“, erklärt er mir. Wir betreten einen alten Fahrstuhl und fahren mit ihm mehrere Etagen nach unten. Als er seine Türen öffnet, staune ich nicht schlecht, bei dem Bild welches sich mir hier unten bietet. Vor uns erstreckt sich ein Gang, der keinerlei Ähnlichkeit mehr zu oben aufweist. Kahle Wände, bis auf die Fackeln, die alle zwei Meter an der Wand hängen und ein mehr als unangenehmer Geruch, liegt in der Luft. „Was riecht denn hier so bestialisch?“, frage ich, obwohl ich die Antwort nicht wirklich wissen will. „Das ist der Geruch von Blut“, sagt Arashi achselzuckend und zieht mich dann wieder einmal hinter sich her. Genau das konnte ich mir nämlich denken. Die Frage ist jetzt nur, wessen Blut ist es? Je weiter wir gehen, desto unangenehmer wird der Geruch für mich. Ich halte mir die Nase zu und hoffe inständig, dass ich das hier überleben werde. Eigentlich habe ich ja kein Problem mit Blut. Ganz im Gegenteil, ich habe sogar Hunger bekommen, als ich mal einen Einführungskurs in der Gerichtsmedizin besucht habe und wir bei einer Obduktion zusehen durften. Aber das hier ist dann doch etwas anderes. Und beängstigender. Während wir jetzt schon seit gut einer viertel Stunde diesen trostlosen Gang entlanggehen, habe ich festgestellt, dass die Fackeln nicht das einzige sind, was es hier zu sehen gibt. Alle paar Meter sind wir an dicken Eisentüren vorbeigekommen, hinter die ich nur zu gerne geschaut hätte. Also wenn Fackeln und Türen alles ist was es hier unten zu sehen gibt, dann bin ich ehrlich gesagt, etwas enttäuscht. Hier sieht es so trostlos aus, dass ich mir nicht mal vorstellen kann, wie hier irgendjemand, überhaupt wohnen kann. Ich rümpfe meine Nase – dieser eklige Geruch wird immer schlechter zu ignorieren – und puste eine Haarsträhne weg, die mir ihm Gesicht hing. Mein Magen rebelliert und ich fühle mich mehr als unwohl. Ich könnte kotzen. Arashi sieht mich besorgt an und legt eine seiner kalten Hände auf meine Stirn. „Wir sollten dich erst einmal zu meiner Mutter bringen“, sagt er mit besorgter Stimme. „Ich hätte nicht gedacht, dass dir der Geruch so viel ausmachen würde. Die anderen Menschen sind nicht so empfindlich wie du. Du bist doch wohl nicht schwanger?“ Ich klotze ihn empört an. „Bitte was hast du eben gesagt? Schwanger! Ich! Der spinnt ja wohl. Ich reiße mich von ihm los und gehe dann einfach weiter. Wie kommt der Idiot nur auf solch eine komische Idee. Also wirklich. „Du läufst in die falsche Richtung“, höre ich ihn belustigt sagen. Ich drehe mich nach hinten zu ihm um und will ihn gerade anmeckern, als ich den Grund seines Einwurfs erkenne. Wir befinden uns nicht mehr in diesem langweiligen Gang, sondern ich stehe inmitten einer riesigen Höhle, deren Wände bestimmt an die 20 bis 30 Meter hoch sind, ehe sie die Decke erreichen. Ich drehe mich im Urzeigersinn und stelle fest, dass es mir hier eigentlich gefällt, zumindest ist es schöner als dieser langweilige Gang. Wenn nur dieser infernale Geruch nicht wäre. Die Wände dieser Höhle, in der ich immer noch wie angewurzelt stehe und mich umsehe, erinnern mich ein wenig an ein Gefängnis, da sie kahl sind und das pure Gestein zu sehen ist. Also nicht unbedingt eine Besserung zu eben. Außerdem ist es hier kälter und dunkler und auch die Luft ist feuchter als vorher, und von weiter weg hört man Wasser, tropfend auf den Boden fallen. Je länger ich hier verweile, desto beängstigender fühlt sich diese Trostlosigkeit hier an, sodass ich am liebsten davon laufen würde, um wieder das Tageslicht sehen zu können. Außerdem mischt sich hier unten noch ein weiterer Geruch mit ein. Es riecht zusätzlich noch nach vermoderten Wasser, als wäre mein Brechreiz nicht so schon kurz davor auszubrechen. In der Dunkelheit kann ich schemenhaft eine Person ausmachen, die immer näher zu kommen scheint. Ich dränge mich dichter an meinen Begleiter, der sofort seine Arme um mich legt. Ich fühle mich sicherer, aber gleichzeitig auch angreifbarer. Vielleicht hätte ich doch einen der anderen, am liebsten Jolina, mitnehmen sollen. „Du brauchst keine Angst zu haben, das ist nur meine Mom die da kommt.“ Puh. Irgendwie beruhigt mich das ungemein, auch wenn seine Mom ja auch eine Vampirin ist und man bei denen nie wissen kann, ob die nicht plötzlich Appetit bekommen. Doch ich bin eigentlich ganz zuverlässig. Ich löse mich sachte von Arashi und trete ein paar Schritte zur Seite, da ich mich in seiner Gegenwart merkwürdig fühle und ich Angst habe, dass ich ihn gleich anspringe. Er hat einfach diese Ausstrahlung auf mich, die ich anziehend finde. Und ich glaube nicht dass das einen guten ersten Eindruck macht, wenn ich ihn, vor den Augen seiner Mom, anspringe. Oh weh. Ich brauche ganz dringend Abstand von ihm. „Und wann lerne ich deinen Vater kennen?“, will ich wissen. Schließlich bin ich nur seinetwegen hier, also weil meine Mom meinte, dass ich mit ihm reden soll. Weil er eben die Antworten hat, die ich suche. „Du musst dich leider noch einen Augenblick gedulden, Liebes.“ Arashis Mom steht jetzt direkt vor mir und lächelt mich an. Und es ist ein ehrliches Lächeln, welches sie mir da entgegenbringt. „Mein Mann ist gerade in einer sehr wichtigen Besprechung.“ Ich nicke verstehend. Arashis Mom sieht wirklich hübsch aus. Aber das muss sie ja, bei dem Sohnemann. Ich erwidere das Lächeln und sehe dann ein wenig verwirrt – seine Mom sieht mich so merkwürdig an – zu Arashi rüber. Der schüttelt nur kurz mit dem Kopf und widmet sich dann seiner Mutter zu. „Wer ist bei ihm?“, will er wissen. „Zarjo. Und worüber sie reden kannst du dir bestimmt denken, mein Sohn. Es ist immer das gleiche mit den beiden.“ Zarjo. Das ist ein eher ungewöhnlicher Name, wie ich finde. Wer das wohl sein mag? Ich frage nicht nach, muss ja nicht alles wissen. „Na prima. Dann wird Vater nach dem Gespräch ja wunderbare Laune habe“, seufzt Arashi. „Vielleicht sollten wir das Treffen lieber auf morgen verschieben?“ Schweigen. Ein wenig durcheinander sehe ich Arashi an. „Ach du meinst mich.“ Er nickt mir zu und ich überlege kurz. „Was? Nein. So viel Zeit habe ich nicht. Außerdem hat mir meine Mom gesagt, dass ich heute mit deinen Vater reden muss. Bitte, Arashi.“ Ich sehe ihn flehend an. Er seufzt. „Ok. Aber sage hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ „Jaja.“ „Hihi. Ihr beide scheint euch ja prächtig zu verstehen. Arashi. Bitte gehe zu deinem Vater und versuche ihn bei Laune zu halten. Ich werde deine kleine Freundin derweil hier herumführen. Geh!“ Arashi setzt sich sofort in Bewegung und ich sehe ihm hinterher. Es dauert nicht lange, dann ist er auch schon aus meinem Blickfeld verschwunden. Er kann mich doch nicht alleine lassen. Zwar glaube ich nicht dass seine Mutter über mich herfallen wird, aber… „Nur keine Angst, ich beiße nicht!“, sagt sie und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. Bestimmt hat sie meine Unsicherheit vernommen und versucht es mir so angenehm wie möglich zu machen. Gefällt mir. „Na komm. Gehen wir in meine Räumlichkeiten, dort kannst du dich etwas ausruhen. Es wird noch etwas dauern, bis du auf meinen Mann triffst.“ Arashis Mom ist jetzt schon seit gut einer halben Stunde verschwunden. Kurz nachdem sie mich in ihre Räumlichkeiten gebracht hat, kam ein junger Mann hinein – er sah jedenfalls jung aus, aber bei den Blutsaugern weiß man ja nie – und sagte ihr, dass sie dringend Oben gebraucht wird. Sie entschuldigte sich bei mir und wies mich, bevor sie ging noch an, den Raum nicht ohne Arashi oder sie zu verlassen. Ich sehe mich in dem großräumigen Zimmer etwas um. Schon beim herein kommen habe ich gesehen, dass auf den Kommoden und auch an den Wänden Bilder hängen. Und da ich schon immer neugierig war, außerdem, was soll ich hier drin auch sonst machen, beschließe ich, mir die Bilder etwas genauer anzusehen. Vielleicht sehe ich ja ein früheres Bild von Arashi, als er noch ein kleiner Gnom war. Auf dem ersten Bild ist Arashis Mom zu sehen, zusammen mit einem verdammt gutaussehenden jungen Mann, der mich an Arashi selbst erinnert. Er hat genauso wie er, schwarze lange Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden sind. Sowas wie Frieseure scheinen die in dieser Familie wohl nicht zu kennen. Ich betrachte das nächste Bild und auf diesem sehe ich Arashis Mom, den jungen Mann von eben – ich schätze mal das wird sein Vater sein – und ihn höchstpersönlich. Alle drei Lachen sie in die Kamera hinein und sehen sehr glücklich aus. Auf dem nächsten Bild sind Arashi und zwei junge Mädchen zu sehen. Ich schaue mir dieses Bild etwas genauer an. Die beiden Mädels sind zwar wesentlich jünger als Arashi, aber dennoch, mein Herz beginnt zu rasen, und ich merke ganz deutlich, wie sich ein kleines bisschen Eifersucht in mein Herz schleicht. Dabei habe ich gar kein Anrecht auf den Vampir. Und kennen tue ich ihn auch nicht wirklich. Irgendwie ist das merkwürdig. Ich empfinde etwas für Arashi. Etwas, was ich nicht mal wirklich beschreiben kann, und das, obwohl ich ihn gerade mal 24 Stunden lang kenne. Und in diesen Stunden, hat er sich nicht gerade Gentlemen like verhalten. Er hat mich immerhin ohne meine Einwilligung vorher einzuholen gebissen – und das war definit nicht das schönste Gefühl. Kann es vielleicht sein…. Immerhin fühle ich mich erst seit er mich gebissen hat, in seiner Gegenwart wie ein kleines verliebtes Schulmädchen. Irgendwie unsicher. Und dabei habe ich sonst nie Probleme mich mit dem anderen Geschlecht zu unterhalten. Das liegt definitiv an ihm. Diesem… Bevor ich mein gesamtes Repertoire an Schimpfwörter loslassen kann – öffnet sich mit Schwung die Tür zum Zimmer und eines der beiden Mädchen, von dem dritten Bild welches ich mir eben angesehen habe, kommt herein. Ich sehe sie mir von oben bis unten genau an. Sie sieht aus wie auf dem Bild. Sie trägt ein lilafarbenes Kleid – meiner Meinung nach, ist es viel zu altmodisch und steht ihr überhaupt nicht. Ihre Haare sind pechschwarz und relativ kurzgeschnitten, was ihr wiederum ausgezeichnet zu Gesicht steht. Aber das kann auch an der Art und Weise liegen, wie sie gestylt sind. Irgendwie so Fransig. „Hey!“, begrüße ich sie. Sie aber antwortet mir nicht, setzt sich stattdessen elegant auf die Tischkante, überschlägt ihre Beine und beobachtet nun mich. Ihr mehr als stechender Blick lässt mich nervös werden. „Du bist also Selest, ja.“ Die Stimme der Kleinen Vampirin – was soll sie sonst sein – schmerzt in meinen Ohren. So quickig und… irgendwie unecht. „Hm!“ Sie steht auf und kommt auf mich zu. Da ich ein ungutes Gefühl bei ihr habe, gehe ich ein paar Schritte rückwärts, bis ich an der Wand angekommen bin und nicht mehr weiter kann. Die mir noch immer unbekannte Vampirin steht nun direkt vor mir und kommt meinem Gesicht, mit ihren spitzen Zähnen, gefährlich nahe. Ich drehe mein Gesicht zur Seite, was nicht unbedingt meine beste Idee gewesen zu sein scheint, denn jetzt spüre ich den frisch nach Apfelsinen riechenden Atem, an meinem Hals. Ich kneife meine Augen zusammen und warte auf den Schmerz. Doch der bleibt aus. „Hast du Angst?“ Und wie, doch das werde ich bestimmt nicht freiwillig zugeben. Ich schüttele also meinen Kopf und öffne meine Augen wieder, um ihr genau das zu beweisen. „Nein!“, sage ich, doch anhand meiner brüchigen Stimmlage, kann man ganz genau erkennen, dass das gelogen ist. Verdammt aber auch. Dieses kleine Biest grinst mich an. „Solltest du aber“, sagt sie und rammt ihre Zähne in meinen Hals. Erschrocken schreie ich laut auf. Herbst 2015, Siebenbürgen Kira Vaillant „Ayaka!“ Erschrocken über das was ich hier zu sehen bekomme, rufe ich den Name einer meiner wenigen Freundinnen und renne zu ihr. Zu ihr und Selest. Was macht sie überhaupt hier? Sie dürfte gar nicht hier sein. Für sie ist es hier viel zu gefährlich… und wo zum Teufel steckt Arashi? Wenn er sie schon zur Hochburg der Vampire mitbringt, dann sollte er gefälligst auch in ihrer Nähe sein. Bei Ayaka und Selest, die kaum mehr bei Bewusstsein ist, angekommen, stoße ich Ayaka von ihr weg. Selest fällt zu Boden, doch ich schaffe es gerade noch rechtzeitig ihren Sturz etwas zu mildern, und so liegt sie nun in meinen Armen. Ich überprüfe ihren Puls, und stelle entsetzt fest, dass er sehr niedrig ist. Viel zu niedrig. „Verdammt!“, zische ich und tätschle ihr sachte die Wange. Doch sie reagiert nicht. „Komm schon, Selest. Wach auf!“ Hinter mir spüre ich eine fremde Aura. Ich drehe mich um und blicke in eine entstellte Fratze. Akaya greift nach mir und schleudert mich an die gegenüberliegende Wand. Ich muss wohl ein paar Sekunden lang weggetreten gewesen sein, denn mittlerweile hat sich Ayaka wieder an Selests Hals festgebissen. Ich hole mit meiner rechten Hand aus und schleudere die junge Vampirin, mit Hilfe meiner Magie weg von ihrem Opfer. Dann rapple ich mich wieder auf, und konzentriere mich auf eine der Fackeln, die rechts und links neben der Eisentür hängen. Das Feuer der Fackel lodert stark auf und keine Sekunde später ist es erloschen, nur um sich in Kreisform um Ayaka zu schlängeln. Sie sitzt in der Falle. Da vor allem junge Vampire, Angst vor Feuer haben, geht Ayaka laut kreischend in die Hocke und krümmt sich dort zusammen. Das ist meine Chance, mich wieder um Selest zu kümmern, diesmal aber ohne Behinderung durch eine verrückt gewordene Ayaka. Bei meiner verletzten Zimmermitbewohnerin angekommen, setze ich mich zu ihr, indem ich in die Hocke gehe und mich mit den Knien am Boden abstütze. Dann bette ich Selest Kopf auf eben diese und tätschle ihr immer wieder an die Wange, bis sie endlich ein Lebenszeichen von sich gibt. Sie stöhnt leise auf und fast mit ihrer linken Hand an ihren Hals. Nicht“, sage ich und nehme sachte ihre Hand von ihrem verletzten Hals. Sie sollte nun wirklich nicht in ihrer Wunde herumfuschen. „Bleib liegen und versuche erst einmal einen klaren Kopf zu bekommen“, füge ich dem noch hinzu, da sie gerade dabei war sich aufzurichten, oder besser gesagt, zu versuchen sich aufzurichten. Bei dem Blutverlust den sie erlitten hat, dürfte sie dafür nicht wirklich die Kraft haben. Ich nehme Selest Hände in meine und versuche ihr so, etwas von meiner Magie zu geben. Vielleicht hilft ihr das, schneller wieder Herrin ihrer Sinner zu werden. Mit Schwung geht die schwere Eisentür auf und Arashi stürmt, inklusiver seiner Eltern und Akaya, ins Zimmer. Während Arashi und Akisa zu Selest und mir kommen, stürmen die anderen beiden zu der, immer noch im Flammenkäfig gefangenen Ayaka. Sie schreit nicht mehr, sondern liegt schwer atmend auf dem kühlen Boden und versucht so, der Hitze zu entkommen. „Kira!“ Ich blicke zu Akito und nicke ihm zu. Ich lasse die Feuerwand wieder verschwinden, damit er und Akaya sich um Ayaka kümmern können. Akito nimmt seine Tochter auf den Arm und verlässt dann mit ihr und ihrer Zwillingsschwester die Räumlichkeiten seiner Frau. Beim Vorbeigehen flüstert mir Akaya noch ein zaghaftes Danke zu, ehe sie ihrem Vater nach draußen folgt. Ich widme mich wieder Selest zu. Arashi hat sie mir mittlerweile aus den Armen gerissen und besieht sich nun ihre Verletzung an. Er atmet erleichtert aus, nachdem er sie sich mehrere Minuten lang angesehen hat. „Ich bringe sie in mein Zimmer und werde ihr dann etwas von meinem Blut geben, damit sie schnell wieder auf die Beine kommt“, sagt er und hievt sie auf seine Arme. „Das hätte einfach nicht passieren dürfen“, murmelt er, während er mit der verletzten Selest nun ebenfalls das Zimmer seiner Mutter verlässt. Damit bin ich mit Akisa alleine, die mich traurig und zugleich dankbar mustert. Wir beide schweigen eine Weile, ehe Akisa die Ruhe bricht. „Was ist hier drinnen passiert?“ Ich lehne mich an die Wand hinter mir an und schließe für einen Moment meine Augen. Da ich selber nicht weiß, was hier genau vorgefallen ist und warum Ayaka Selest angegriffen hat, zucke ich nur mit den Achseln. „Ich habe dein Zimmer betreten, und da sah ich, wie Ayaka sich an Selest festgebissen hat. Ich kann dir nicht sagen wieso sie das gemacht hat. Ich kann es mir auch nicht wirklich erklären. Ich meine, klar… Die Zwillinge sind erst seit fünf Jahren Vampire, aber sie haben sich doch eigentlich gut unter Kontrolle.“ Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich Akisa an und erkenne an ihrem nachdenklichen Blick, dass es irgendetwas gibt, was sie mir verschweigt. Ehe ich aber nachfragen kann was los ist, fängt sie von sich aus an zu erzählen. „Ayaka hat seit mehreren Wochen immer mal wieder Aussetzer“, flüstert Akisa und steht dann auf. Sie geht zu einem ihrer Schränke und holt etwas aus ihnen heraus. Wieder bei mir angekommen kann ich erkennen, dass es sich um eine Art Stein handelt, der in einem Tuch eingewickelt ist. Obwohl der Stein dunkelbraun, ja fast schon schwarz ist, leuchtet er ab und zu dunkellila auf. „Ich habe ihn gestern Früh in ihrem Zimmer gefunden, er war zwischen ihren Sachen versteckt.“ „Was ist damit?“, frage ich und nehme ihr den Stein aus der Hand. Ich drehe ihn mehrmals, kann aber nichts Ungewöhnliches erkennen, bis auf, dass er ab und zu seine Farbe minimal verändert. „Das ist ein Dolerit. Und irgendwas stimmt damit nicht, das habe ich sofort gespürt, als ich ihn in der Hand hielt. Deshalb habe ich ihn ja auch dieses Tuch eingewickelt.“ Akisa nimmt mir den Stein wieder aus der Hand und wickelt ihn augenblicklich wieder in das Tuch ein. „Kannst du irgendwie herausfinden ob ich mit meiner Vermutung richtig liege?“, bittet sie mich und reicht mir den eingewickelten Stein wieder. „Ich weiß nicht“, sage ich und stehe endlich mal auf. Ich gehe ans andere Ende des Zimmers und lege den Dolerit auf dem Tisch ab, der glücklicherweise ganz geblieben ist. „Sowas habe ich bisher noch nicht gemacht, aber ich kann es versuchen. Kannst du in der Zeit bitte zu Arashi gehen und nach Selest sehen. Es kann sein das ich ihre Hilfe hierbei brauche.“ Akisa nickt mir zu und verlässt dann ihr Zimmer. Und ich widme mich wieder dem Gestein. Ich wickle ihn wieder aus dem Tuch aus und nehme ihn erneut in die Hand. Ich umfasse ihn mit beiden Händen, schließe meine Augen und konzentriere mich voll und ganz auf den Stein. Es vergehen endlos lange Minuten, aber nichts Ungewöhnliches ist zu spüren. Ich will schon frustriert aufhören, als ich eine leise und unheimlich klingende Stimme höre. Leider kann ich nicht verstehen was sie sagt, da die Stimme in einer mir unbekannte Sprache spricht. Dennoch lausche ich weiterhin den Worten. Die Stimme wird immer lauter, ja fast schon penetrant und spricht dabei immer und immer wieder dieselben Worte. Ganz wie ein Mantra. Ich bin so auf die Stimme konzentriert, dass ich fast nicht den Rauchschwaden bemerke, der sich um den Stein schlängelt. Sofort lasse ich den Stein fallen und nehme das Tuch in die Hand, welches ich sofort um den Dolerit wickle. Die Rauchschwaden verschwinden so schnell und heimlich wieder, wie sie gekommen sind. Akisa hatte recht gehabt. Ich stürme aus dem Zimmer raus, darauf bedacht, den Stein nicht zu berühren und renne den Gang nach links entlang. Unterwegs treffe ich auf den jungen Vampir, der mich vorhin zu Akisa ins Zimmer geschickt hat. Von ihm erfahre ich, dass sie, Akito und Arashi im Thronsaal sind. Ich renne also den Weg wieder zurück. Im Thronsaal angekommen – der so trostlos wie eh und je ist – sehe ich Selest, die auf einem der schwarzen Marmorstühle sitzt. Hinter ihr hat sich Arashi aufgestellt und beide sehen schweigend der Diskussion zu, die sich zwischen Akisa und Akito abspielt. „Du hattest recht gehabt“, unterbreche ich die beiden und lege den Stein auf der Lehne des Throns ab. Dann packe ich ihn aus dem Tuch aus und nehme ihn, wie eben in Akisas Zimmer, wieder in beide Hände. „Was hast du herausgefunden?“ Akisa gesellt sich zu mir und sieht mir dabei zu, wie ich mich auf den Stein in meinen Händen konzentriere. Auch Akito, Arashi und Selest stellen sich zu uns. Es vergehen wieder ein paar Minuten, bevor endlich das Mantra einsetzt. „Hört ihr das?“, frage ich in die Runde. Selest ist die erste, die scheinbar die fremden Worte vernimmt. „Was ist das für eine Sprache?“, will sie wissen. Ich schüttle den Kopf. „Ich weiß es nicht“, sage ich und drehe mich den drei Vampiren zu. „Hört ihr es auch?“ „Ja!“ „Und? Habt ihr irgendeine Ahnung, was das für eine Sprache sein könnte? Ich kenne sie nicht!“ „Nein, leider nicht“, sagt Akisa und will mir gerade den Stein aus der Hand nehmen, als sich die Rauchschwaden bilden und den Stein umschlängeln. Erschrocken weicht sie einen Schritt zurück. „Was ist das denn jetzt?“ „Ich habe keine Ahnung. Aber was auch immer es ist, es ist definitiv nichts Gutes.“ Ich lege den Stein wieder auf die Lehne und wickle das Tuch drum. Dann wende ich mich an Akito, der mir viel zu ruhig ist. „Wisst ihr was es ist?“ Akito sieht mich an, ehe er nickt. „Ich habe diese Sprache schon ewig nicht mehr gehört. Vor gut 1000 Jahren ist sie eigentlich mit Acha, der ersten Hohepriesterin der Stonehenge-Hexen gestorben. Nach ihr hat niemand mehr diese Sprache gesprochen, da sie großes Unheil verbringen kann.“ „Wie kann denn eine Sprache Unheil bringen?“, fragt Selest nach und wendet sich dabei an mich. „Das darfst du mich nicht fragen“, sage ich achselzuckend. „An sich kann das eine einfache Sprache natürlich nicht. Es kommt immer auf denjenigen an, der sie spricht, aber Acha war eine paranoide und rachsüchtige Hexe, die darüber hinaus auch noch verdammt mächtig war. Um ihre Feinde auszulöschen, ohne selber einen Finger dabei krumm zu machen, entwickelte sie eine Sprache, die denjenigen der sie über mehrere Tage hinweg vernimmt, unter ihre Kontrolle stellt, ohne dass der das überhaupt mitbekommt“, erklärt uns Akito. „Und was heißt das jetzt genau?“, will Selest wissen und sieht uns einen nach dem anderen an. „Wenn diese Acha doch tot ist – das nehme ich zumindest an – und niemand mehr ihre geheime Sprache spricht, wieso…“ Sie zeigt auf den Dolerit, „ist sie dann in diesem Stein drin. Beherbergt er etwa ihre Seele, oder sowas in der Art?“ „Das glaube ich nicht. Vielmehr bin ich der Meinung dass irgendwer, und damit meine ich die Unbekannte aus deiner Traumvision, die alte Sprache Achas gelernt hat und diesen Stein hier als Werkzeug benutzt, um dich zu töten. Lykan hat ja versagt gehabt.“ „Ok aber, woher sollte sie überhaupt wissen das ich hier bin?“, fragt mich Selest. „Außer Arashi wusste niemand das ich hierher will. Also was ist es.“ Ich seufze laut auf. „Ich weiß es nicht. Außerdem war das ja auch nur eine vage Vermutung“, sage ich frustriert. Und warum mache ich mir überhaupt deswegen eine Platte. Im Grunde müsste es mir egal sein, was mit Selest passiert. Ich bin nicht für sie verantwortlich und darüber hinaus habe ich andere Prioritäten. Für ihre Probleme habe ich nun wirklich keine Zeit. Schließlich bin ich nur hier, weil Akito mit meinen Eltern befreundet war und mir hoffentlich Antworten auf die Frage geben kann, wieso es meine Eltern nach der Macht der Zodiac-Hexen verlangte. „Beruhige dich, Kira“, sagt Akisa und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Niemand verlangt von dir, dass du alle Antworten hast. Und Selest hat das bestimmt auch nicht so gemeint wie es klang, nicht wahr?“ „Natürlich nicht“, sagt sie wie aus der Pistole geschossen. Sie kommt zu mir und umarmt mich dann ohne weitere Worte zu verlieren. „Und es tut mir wirklich leid, was ich vorgestern zu dir gesagt habe. Ich hatte nicht nachgedacht und habe dir dann Sachen an den Kopf geworfen, die nicht schön waren.“ Sie löst sich wieder von mir, bleibt aber noch dicht bei mir stehen. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Das haben wir alle… sogar Derek. Der sucht wahrscheinlich immer noch in den Wäldern nach dir.“ Ja klar. Als wenn Derek sich um jemand anderes als Paul sorgen macht. Der kennt doch nur seinen Bruder und sonst niemanden. Arashi stellt sich zu Selest und mir. Stellt sich praktisch zwischen uns. Er legt einen Arm um Selest, die das widerstandlos mit sich geschehen lässt. Läuft da was zwischen den beiden? „Es könnte ja sein, dass das gestern bei der Zeremonie gar nicht deine Mutter war. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, wie jemand wissen konnte dass du hier bist. Sie hat dich immerhin hiergeführt.“ „Nein! Das glaube ich nicht. Ich kenne doch meine Mutter.“ Selest schient ziemlich empört über Arashis Worte zu sein. Sie schupst ihn von sich und bringt so Abstand zwischen sich und ihn. „Du warst 1 Jahr alt als deine Mutter starb, also bitte verzeihe mir, wenn ich an deiner Aussage – Ich kenne doch meine Mutter – Zweifel habe. Und außerdem hast du nur ihren Geist gesehen. Den kann auch eine andere Hexe herbeigerufen haben. So schwer ist das nicht.“ Ich gebe es ungern zu, aber da hat Arashi Recht. Den Geist einer Hexe heraufzubeschwören ist alles andere als schwer. „Wie geht es eigentlich Ayaka?“, frage ich Akisa. Hoffentlich ist ihre Besessenheit, oder wie auch immer man ihren Zustand nennen kann, nicht von Dauer. Das wäre alles andere als schön. „Das wird schon wieder“, ist alles was mir Akisa sagt. Auch wenn ich gerne mehr über Ayakas Zustand gewusst hätte, kann ich verstehen, wieso sie mir keine Details nennt. Auch in unserem Zirkel gibt es Geheimnisse, die Andere nicht erfahren dürfen. Und so akzeptiere ich Akisas mehr als dürftige Aussage. „Sie ist ein taffes Mädchen. Dennoch finde ich es besser, wenn wir diesen verdammten Stein zerstören. So als Absicherung.“ Kaum ausgesprochen, zückt Akito sein Tsurugi, ein gerades Schwert mit einer symmetrischen, zweischneidigen Klinge und zentrierter Spitze, welches er immer mit sich führt und lässt es auf den Dolerit niedersausen. Doch anders als gewollt, bricht er nicht entzwei. Dafür aber wird Akito von einer Druckwelle erfasst und quer durch den Thronsaal geschleudert. Akisa und Arashi schaffen es gerade noch rechtzeitig in Deckung zu gehen, und letztgenannter reist mich und Selest mit sich zu Boden. Nachdem die Schreckenssekunde vergangen ist, rennt Akisa sofort zu ihrem Mann, während Arashi Selest und mir wieder auf die Beine hilft. Kaum das ich wieder stehe, blicke ich kurz zu Akisa und Akito. Scheinbar hat der selbsternannte König der Vampire sich eine Verletzung zugezogen, da er noch immer auf dem Boden liegt. Doch Sorgen muss ich mir um ihn nun wirklich keine machen. Er ist immerhin ein ziemlich robuster Mann. Den haut so schnell nichts um. „Ok. Das bringt dann also schon einmal nichts“, sage ich und klopfe mir den Dreck von den Klamotten. Noch immer habe ich es nicht geschafft mich umzuziehen was heißt, dass ich die Klamotten von Ian anhabe. Ich sollte also unbedingt aufpassen das sie nicht kaputt gehen, denn erklären wie es dazu kam, will ich nicht. „Vielleicht sollten wir es mit einem Zauber versuchen“, gibt Selest zu Besten. Ich sehe zu ihr rüber. „Ich meine natürlich du… vielleicht solltest du es mit einem Zauber versuchen“, stottert sie und reibt sich dabei den Kopf. „Das würde für alle Anwesenden vermutlich schlimmere Konsequenzen mit sich ziehen, als eine kleine Beule.“ Mir ist natürlich nicht entfallen, dass Selest mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen ist. „Mir geht es gut“, sagt sie daraufhin, verzieht aber das Gesicht vor Schmerzen. „Natürlich. Falls du deinen Stolz dann heruntergeschluckt hast, kannst du ja immer noch Arashi fragen, der hilft dir bestimmt, die Schmerzen zu vergessen.“ „Wie meinst du denn das jetzt?“ Als wenn sie nicht ganz genau wüsste wie ich das meine. So wie die beiden sich die ganze Zeit angesehen haben ist es jawohl klar, dass zwischen ihnen was läuft. Ich mag ja vielleicht keine Ahnung von Liebe und dem ganzen Zeugs haben, aber Blind bin ich deswegen noch lange nicht. „Streitet euch nicht“, versucht Arashi zwischen Selest und mir zu vermitteln. Na warte Freundchen, du kommst auch noch dran. Ich wende mich an den Lustmolch und stemme meine Arme in die Seiten, ehe ich mich auf die Zehnspitzen stelle und ihn mit böse funkelnden Augen ansehe. Für einen Japaner ist dieser Mistkerl erstaunlich groß. „Was hast du dir überhaupt dabei gedacht mit Selest hierher zu kommen, hä. Nur weil sie mit deinem Vater reden wollte? Der muss spätestens morgen eh beim Zirkeltreffen erscheinen und da hätte Selest immer noch mit ihm reden können. Also was ist deine Ausrede?“ Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Akito und Akisa sich wieder zu uns gesellen. Doch anstatt zu fragen ob mit Akito alles ok ist, warte ich ungeduldig auf eine plausible Erklärung von Arashi. Selest sollte immerhin nicht irgendwo herumstreunen, sondern im Schutze des Zirkels, bei uns zuhause sein. „Diesmal bin ich völlig unschuldig“, schwört mir Arashi. „Ich habe sie ja noch darum gebeten wenigstens Jolina mitzunehmen, aber nein… Madam wollte nicht.“ „Was sagst du dazu?“ Ich drehe mich Selest zu, die nur stumm zwischen Arashi und mich, hin und her sieht. Sie zuckt etwas zusammen, nachdem ich sie angesprochen habe. „Ähm… Ja. Er hat schon recht damit. Naja ich, ich weiß halt nicht wem ich überhaupt trauen kann.“ „Was soll das denn jetzt heißen? Wieso… Doch nicht etwa weil meine Mom deine…“ „Nein das ist es nicht. Vielmehr...“ Selest blickt gen Boden und schabt mit ihrem rechten Fuß auf dem Boden rum. Dabei wirbelt sie etwas Dreck auf. „Ich glaube nicht dass deine Mom meine umgebracht hat.“ Bitte was? „Klärt das bitte später Mädels“, unterbricht uns Akito. „Wir sollten jetzt erst einmal herausfinden, wer versucht diese junge Dame hier umzubringen und für diese Tat meine Tochter missbraucht hat. Normalerweise mische ich mich ja nicht in die Angelegenheiten von euch Hexen ein, doch wenn man schon meine Familie mit hineinzieht, dann soll es so sein. Arashi!“ Akito legt seinem Sohn eine Hand auf die Schulter und sieht ihm dabei in die Augen. „Ich überlasse dir die Recherche. Finde heraus wer deiner Schwester das angetan hat und wie man sie vom Einfluss dieses verdammten Steins befreien kann.“ „Jawohl Vater!“ Arashi geht zum Thron. Das heißt dann also, dass es Ayaka nicht wirklich gut geht. Ich hoffe nur, dass diese Stimme ihr nur gesagt hat Selest zu töten. Nicht das Akaya auch in Gefahr ist, nur weil sie bei ihrer Schwester geblieben ist. „Wo ist er“, höre ich Arashi rufen. „Wo ist dieser verdammte Stein!?“ Herbst 2015, Siebenbürgen Selest Peterson Wir sitzen jetzt schon seit mehreren Stunden in Arashis Zimmer und überlegen uns was wir machen können. Wie wir herausfinden können, wer Ayaka diesen Stein gegeben hat und sie so dazu trieb, mich umzubringen. Arashi sitzt auf seinem Bett, Kira und ich haben es uns davor auf dem Boden gemütlich gemacht. Jeder von uns hat ein Glas Saft in der Hand, welche aber noch unberührt sind. Das kann doch alles nicht wahr sein, denke ich und seufze laut auf. Wieso nur muss ausgerechnet mir das passieren? Ich habe doch nun wirklich niemanden was getan, wieso also will man meinen Tod. Nur weil ich eine Zodiac sein soll? Apropos Zodiac… „Ähm Arashi.“ Ich sehe zu ihm auf und schlucke einen Klos hinunter, der sich mittlerweile gebildet hat. Er sieht mich erwartend an. „Wie sicher können wir uns eigentlich sein, dass deine Schwester mich überhaupt umbringen wollte? Ich meine, diese Unbekannte aus meiner Vision sagte doch, dass sie mich lebend braucht, um halt an die Macht der Zodiac ran zu kommen. Also kann es dann nicht vielleicht eher so sein, dass…“ „Moment mal. Bitte was?“ Kira sieht mich erschrocken an. „Du bist eine Zodiac? Seit wann?“ Ich wende mich Kira ab und Arashi zu. Dieser schüttelt mit dem Kopf und schlägt seine Augen nieder. „So viel dazu, dass du das bitte für dich behältst.“ „Sorry!“ „Ja schon gut. Kira ist nicht deine Feindin, also ist es bei ihr nicht so schlimm.“ Arashi steht von seinem Bett auf und setzt sich zu Kira und mir nach unten auf den weichen Fußboden. „Behalte dieses Wissen bitte für dich, Kira“, bittet er sie und macht eine kurze Pause, ehe er fortfährt. „Aber ja, es stimmt. Selest ist eine Zodiac. Sie war es auch, die Lykan vertrieben hat, als er euch beide angegriffen hat und nicht ich. Ich sagte euch nur dass ich es war, um sie zu schützen. Um ihr Geheimnis zu schützen. Außer uns dreien, Fanny und Daniel weiß es niemand. Und das soll auch bitte so bleiben. Du kannst dir ja bestimmt denken was alles passieren würde, wenn herauskommt, dass Selest eine Zodiac ist. Dann wäre sie vor niemanden mehr sicher.“ Kira sieht uns beide mit offenen Mund an, nickt dann aber zaghaft und fährt sich einmal mit der Hand durch die Haare. Puh, da habe ich wohl noch mal Glück gehabt. „Das wirft dann aber wirklich ein ganz anderes Licht auf die Sache mit Ayaka. Wenn das wirklich wahr ist, dass Selest eine Zodiac ist und diese Unbekannte nun deshalb hinter ihr her ist, dann sollte sie sie wirklich nicht umbringen, sondern nur lahm legen. Das bedeutet aber auch, dass es hier unten irgendeinen Verräter gibt, oder halt noch einen weiteren, der manipuliert wurde. Ich glaube jedenfalls nicht, dass Ayaka die einzige ist. Ich meine, wie hätte sie Selest denn hier rausbekommen sollen, ohne dass jemand was mitbekommt.“ „Das stimmt. Dann werde ich meinen Vater bitten das ganze Heim, nach weiteren Doleriten durchsuchen zu lassen. Wer weiß, vielleicht liegst du mit deiner Vermutung ja richtig, Kira.“ Arashi erhebt sich wieder und geht dann aus seinem Zimmer raus. Das ist die Gelegenheit für mich, mich mit Kira auszusprechen. Ich hadere mit mir. Bin mir nicht wirklich sicher was ich zu Kira sagen soll. Ob es überhaupt etwas gibt, was ich ihr sagen kann, außer, dass es mir leid tut. Und genau das habe ich ihr ja auch schon gesagt. Doch reicht das aus? Reicht es zu jemanden zu sagen ´es tut mir leid´, wenn man jemanden Dinge an den Kopf geknallt hat, für die derjenige eigentlich nichts kann? Ich weiß es nicht. Doch wenn ich es nicht wenigstens versuche, kann ich es auch nicht herausfinden. Ich straffe meine Schultern und hole einmal kräftig Luft. Dann nehme ich all meinen Mut zusammen und spreche Kira an, die immer noch mit starrem Blick auf den Doleriten schaut. „Ähm, Kira!“ Sie zuckt leicht zusammen. „Wegen dem was ich vorgestern zu dir gesagt habe… Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir das eigentlich nicht alles an den Kopf knallen, aber irgendwie ist es mit mir durchgegangen. Ich habe nicht nachgedacht und… und… Ich weiß, ein einfaches Sorry, wird es nicht ungeschehen machen, was ich gesagt habe, aber ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihen kannst. Es tut mir wirklich leid.“ Kira sieht mich mit undefinierbarem Blick an. Ich kann nicht sagen was sie gerade denkt und ob sie bereit ist mir zu verzeihen. Irgendwann zu verzeihen. Es vergehen fast fünf Minuten, ehe ich ein Lebenszeichen von ihr erhalte. Kira steht auf, läuft zu dem einzigen Fenster hier im Zimmer und sieht nach draußen. „Dir muss überhaupt nichts leidtun“, sagt sie mit brüchiger Stimme. „Ich kann verstehen dass du so reagiert hast, immerhin ist meine Mutter dafür verantwortlich, dass du deine nie kennenlernen konntest. Weil sie sie umgebracht hat.“ Kira dreht sich um, lehnt sich an die kalte Steinmauer an und schließt dann ihre Augen. „Ich kann nicht verstehen wie jemand seine beste Freundin umbringen kann. Wie man auch nur daran denken kann. Ich könnte Eileen sowas niemals antun, zumindest dachte ich das immer. Aber was ist… was ist wenn ich so bin wie meine Mutter? Wenn ich auch zu solch einer Tat fähig bin?“ Ich stehe blitzschnell auf. Überlege nicht lange, als mich meine Beine zu Kira bringen und ich sie ohne ein Wort zu verlieren umarme. „Das bist du nicht“, sage ich und drücke sie dabei dichter an mich. Ich spüre wie Kira ihre Arme um mich legt und ihr Körper zu beben beginnt. „Ich kenne dich zwar noch nicht so lange, aber glaube mir wenn ich dir sage, dass ich der Felsenfesten Überzeugung bin, dass du zu so etwas niemals fähig wärst.“ Und deine Mutter es auch nicht war, füge ich in Gedanken hinzu. „Danke!“, flüstert Kira leise, so dass ich es beinahe nicht verstanden hätte. Wir lösen uns nicht voneinander, sondern bleiben noch eine kleine Weile so stehen. Bis wir vom Quietschen der Tür, so dermaßen erschrocken zusammenzucken, dass wir uns vor Schreck loslassen. „Wegen mir müsst ihr nicht aufhören“, vernehmen wir Arashis lästige und amüsant klingende Stimme. Noch nie hat mich sein Erscheinen mehr gestört als jetzt. „Du bist ja nur neidisch“, sagt Kira zu dem Störenfried und nickt mir dankend zu. Ich gebe ihr kurz zu verstehen, dass sie mir deswegen nicht danken muss, ehe ich mich Arashi zuwende, auch wenn er es nicht verdient hat. „Was hat dein Vater gesagt?“ Arashi setzt sich auf den Boden und sieht Kira und mich von dort unten an. Nach kurzem Zögern setze ich mich zu dem Vampir, genauso wie Kira. „Mein Vater lässt die ganze Burg durchsuchen, genauso wie das Hotel oben. Wir können nicht ausschließen, dass, wer auch immer unsere Gegnerin ist, nicht auch einen der Touristen manipuliert hat. Mein Vater denkt, dass sie sich eher einen außenstehenden untertan gemacht hat, immerhin werden die Touristen nicht durchsucht, wenn sie das Hotel verlassen. Anders als unsere Vampire, wenn sie die Burg verlassen.“ „Ihr durchsucht eure eigenen Leute?“, frage ich verwirrt nach. Also das nenne ich mal einen Vertrauensbeweis. „Mich würde das stören, ganz ehrlich.“ „So ist das nicht gemeint“, sagt Kira. „Natürlich werden sie nicht im klassischen Sinne durchsucht. Es ist vielmehr so, dass niemand ohne Akitos ausdrücklichen Befehl, die Hochburg verlassen darf. Also nicht die Burg an sich, sondern Siebenbürgen. Und sollte das doch jemand tun, dass wird derjenige von den Wachen aufgehalten.“ „Wachen? Was für Wachen?“ „Wir leben in sehr gefährlichen Zeiten, Selest.“ Arashi schnappt sich meine Hand und zieht mich nach oben. Dann führt er mich zum Fenster, aus dem vorhin schon Kira hinausgesehen hat. „Sieh genau hin“, flüstert er in mein Ohr und stellt sich ganz dicht hinter mich. Seine starken Arme umschlingen meinen Körper, „und schließe deine Augen.“ „Ich dachte ich soll hinsehen?“, meckere ich und ernte dafür ein strenges Pst von Kira. Unsere Blicke kreuzen sich. „Du musst langsam anfangen wie eine Hexe zu denken, Selest, und nicht wie ein Mensch. Verlasse dich auf deine Sinne und du wirst anfangen die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.“ Was soll das denn jetzt wieder heißen? Und wie soll ich etwas sehen, wenn ich meine Augen schließe, das geht doch nicht. „Du denkst zu viel nach, Selest. Und jetzt schließe deine Augen, und konzentriere dich. Genauso, wie vor zwei Tagen, als du mit deine Tante eine Traumreise gemacht hast. Nur lass dich diesmal von Arashis Magie leiten.“ Ich soll dem vertrauen? Das letzte Mal als ich das tat, endete es damit, dass er mich ausgesaugt hat und ich ohnmächtig wurde. Und darauf kann ich ehrlich gesagt verzichten. Da es mich aber durchaus interessiert, was Kira mit den Worten ´Du wirst anfangen die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind`, gemeint hat, tue ich wie mir geheißen und schließe meine Augen. Ich versuche mich zu konzentrieren, was mir aber nur schwerlich gelingt, da ich irgendwie von der Nähe zu dem Vampir abgelenkt bin. Was muss der aber auch solch eine Anziehung auf mich haben. Nach einem weiteren Anschiss von Kira, ich solle mich gefälligst zusammenreißen und das hier ernst nehmen, versuche ich es erneut. So stelle ich mir einfach vor es wäre mein Vater, der mich hier umarmt und nicht Arashi. Und tatsächlich…, ich spüre eine fremde Magie, wie sie meinen Körper durchströmt und mich sogar noch innerlich erwärmt. Dann öffne ich meine Augen wieder. Eben sah ich draußen nichts anderes außer Bäume und sehr, sehr viel Grün. Jetzt aber… ist von all dem nicht mehr viel zu sehen. Anstatt all dem Grün, sehe ich alte Ruinen, von denen einige zerfallen aussehen und andere wiederum völlig intakt zu sein scheinen, so als würde jemand in ihnen hausen. Was vermutlich auch der Fall sein wird. Es juckt mich dort hinaus zu gehen und mir alles ganz genau anzusehen. Ich lasse meinen Blick weiter durch die dunkle Nacht wandern. Der Mond steht hoch oben und beleuchtet das Tal, auf welches ich gerade blicke. Dieser Anblick sieht einfach atemberaubend schön aus. Ich zucke zusammen und verliere eine Millisekunde lang mein Gleichgewicht, als vor mir völlig unerwartet, ein in schwarzer Lederkluft gekleideter junger Mann erscheint, der dazu auch noch bis auf die Zähnen bewaffnet ist. Und als reichte es nicht nur aus, dass ich mich an Arashi festklammere, nein, mir erfuhr auch noch ein spitzer Schrei, so sehr habe ich mich erschrocken gehabt. Natürlich findet dieser Trottel das alles sehr amüsant. Er drückt mir einen Kuss auf die Wange und legt sein Kinn auf meinem Kopf ab, sodass ich regelrecht in seinen Armen gefangen bin und mich kaum mehr bewegen kann. „Gibt es schon Neuigkeiten bezüglich dieses verdammten Steines?“ „Ja mein Herr. Ihr Vater wünscht euch, Kira und die andere junge Hexe sofort zu sehen.“ „In Ordnung. Sag ihm das wir kommen.“ „Jawohl mein Herr.“ So schnell wie der andere junge Vampir erschienen ist, ist er auch wieder verschwunden. Und ich löse mich endlich aus Arashis Umklammerung. Dann schnappe ich hörbar nach Luft, da es mir so vorkommt, als hätte ich die ganze Zeit lang die Luft angehalten, die er mich im Arm hielt. Und kaum das ich wieder ordentlich Luft bekomme und sich auch mein Herzschlag so gut es geht normalisiert hat, steuere ich die Tür an. Kira folgt mir, dicht gefolgt von einem grinsenden Arashi. Was findet der denn jetzt wieder so witzig? „Und ich sage dir du irrst dich, wenn du denkst dass Zarjos Jüngster hinter dem Anschlag steckt, Vater. Das ist totaler Blödsinn. Denn auch wenn wir kein gutes Verhältnis mehr zum Nikolov Clan haben, würde Zarjo solch eine Maßnahme nicht billigen.“ Vater und Sohn stehen sich im Thronsaal gegenüber und diskutieren jetzt schon eine gute Stunde darüber, wer von ihnen Recht hat. Kira hat sich bisher noch nicht zu den Streitereien der beiden geäußert, genauso wie ich. Aber bei mir liegt es eher daran, dass ich kein Wort verstehe, von dem was sie labern. Das einzige was ich mitbekommen habe ist, dass Akito wohl glaubt, dass der jüngste Sohn seines Widersachers, diesen Doleriten - Stein in die Burg geschmuggelt und Ayaka untergejubelt haben muss. Schließlich soll dieser Typ vor ca. zwei Wochen hier in der Burg gewesen sein, um die Nachricht zu überbringen, dass sein Vater Zarjo, eine Audienz beim König wünscht. Doch Arashi ist davon wohl nicht überzeugt. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann würde ich auch eher Arashi zustimmen – aber nicht wegen des mehr als zutreffenden Faktes, dass ich in ihn verschossen bin – sondern weil Arashi mit seiner Begründung einfach richtig liegt. Denn auch diese uns immer noch Unbekannte, die hinter mir her ist, konnte nicht schon vor zwei Wochen wissen dass ich hierher kommen würde. Doch davon wollte Akito absolut nichts wissen und so kommt es, dass beide immer noch hier stehen und sich gegenseitig anschreien. Und das gefällt mir gar nicht. Ich mag es nicht wenn sich andere meinetwegen in die Wolle bekommen. Da bekomme ich immer so ein schlechtes Gewissen. „Gibt es denn eine Chance herauszufinden ob ihr Recht habt, König Akito“, versuche ich die beiden Streithähne auf was wesentliche zurückzuführen, nämlich einen weiteren Komplizen zu entlarven, falls es solch einen überhaupt gibt. Die beiden aber lassen sich nicht beirren und streiten munter weiter, weswegen ich dieselbe Frage an Kira stelle. „Die gäbe es in der Tat“, sagt Kira und verschränkt ihre Arme. Sie überlegt kurz. „Doch das zu beweisen dürfte nicht so einfach werden.“ „Wieso nicht“, will ich wissen. „Nun ja. Ioan ist eigentlich nur noch in einer Blutbar, unten im Dorf anzutreffen. Das ist glücklicherweise einer der wenigen Orte an denen Menschen kaum anzutreffen sind, da dieser Ort eine mehr als dunkle und gefährliche Aura ausstrahlt. Und auch wenn Menschen nicht die Fähigkeit haben, solch eine Aura zu erspüren, so spüren sie dennoch etwas. Stell es dir so in etwa vor wie… nun ja, ein schlechtes Gefühl eben. Du hast doch bestimmt schon mal solch ein Gefühl verspürt, oder?“ Ich überlege kurz. „Hm.“ Ja, das habe ich. Vor ein paar Monaten sogar erst. Mein bester Freund, Emanuel, wollte mit mir und zwei weiteren meiner Freunde zu irgendeinem Gothic-Treffen, in der Nähe von Berlin gehen, welches von einer kleinen Gruppe privat veranstaltet wurde. Zuerst wollte ich auch hingehen, doch schon als er mir davon erzählte, hatte ich ein flaues Gefühl im Magen. Und als ich dann auch noch in der Nacht zuvor einen merkwürdigen Traum hatte... Ich träumte von eben dieser Veranstaltung und das ich dort wieder von diesem Monster, von Lykan angegriffen werde, nur das diesmal nicht ich sterbe, sondern Emanuel. …Da war es für mich klar, zu dem Treffen werde ich nicht gehen. Und so sagte ich ab und überredete auch Emanuel dazu, nicht zu dem Treffen zu gehen. Scheinbar war es eine gute Entscheidung gewesen. „Doch trotz dieses Gefühls der androhenden Gefahr, treibt es immer wieder ein paar Menschen in die Bar.“ „Und liege ich richtig in der Annahme, dass ich in diese Bar gehen soll und…“ Ja, und was eigentlich? Dort nach einem weiteren Dolerit suchen? Womöglich alleine. „Das wäre eine Möglichkeit, aber…“ „Vergesst das mal ganz schnell wieder, ihr beiden“, unterbricht uns Arashi. So wie es aussieht, sind er und sein Vater fertig mit Diskutieren. Arashi steht mit verschränkten Armen vor uns, von seinem Vater ist nichts mehr zu sehen, und funkelt uns aus seinen schwarzen Augen, finster an. „Wie kannst du nur solch einen Vorschlag machen, Kira. Du weißt ganz genau wie gefährlich dieser Ort ist und dann willst du Selest alleine dort rein schicken? Du spinnst doch.“ „Hey!“ Wie redet der denn mit Kira. Zumal sie ja nicht sagte, ich solle das machen, sondern einfach nur auf meine Frage geantwortet hat, anders wie sein Vater und er selber. Die beiden fanden es ja angebrachter zu diskutieren, anstatt Vorschläge zu machen. „Du weißt doch gar nicht warum Kira das vorschlug, also halt mal schön den Ball flach“, meckere ich ihn an und bohre meinen Zeigefinger tief in seine Brust. „Ich wollte lediglich wissen ob es eine Möglichkeit gibt, den Verdacht deines Vaters zu überprüfen. Niemand hat davon gesprochen, dass wir das wirklich durchziehen. Obwohl ich schon dafür wäre. Immerhin geht es hier um mein Leben.“ „Und das wird schneller verwirkt sein als du denkst, wenn du in die Blutbar der Zarjos gehst. Darüber hinaus werden sie meinen Duft an dir wahrnehmen und sofort wissen, dass du zu mir gehörst.“ „Nicht wenn ich einen Zauber über Selest lege, der für ca. eine Stunde alle fremden Gerüche von ihr nimmt“, sagt Kira. Arashi und Kira sehen sich beide in die Augen, tragen einen regelrechtes Blickduell aus, welches scheinbar Kira gewonnen hat, denn der Vampir schnaubt nur verächtlich und dreht sich dann beleidigt von ihr weg. Und der soll wirklich älter sein als wir beide zusammen? So verhalten tut er sich definitiv nicht. „Macht doch was ihr wollt“, zischt er und spielt weiterhin die beleidigte Leberwurst. Wenn er meint dass er das tun muss, soll er doch. Mir egal. Er wird uns eh folgen, also was soll ich mich groß aufregen. „Doch jammert hinterher nicht rum und hofft erst recht nicht, dass ich euch erneut retten komme. Denn das werde ich nicht. Nicht diesmal.“ „Wann hast du uns jemals schon gerettet“, will ich von ihm wissen. Immerhin war ich es, die Kira und auch mir selber das Leben gerettet hat. Also soll er mal schön die Klappe halten. „Dich vielleicht nicht, aber dafür Kira umso öfters. Nicht wahr?“ Arashi sieht mit schelmischen Blick zu Kira rüber, die ihn aber ignorieren tut. Gut so. Aber nichts desto trotz, würde es mich schon irgendwie interessieren, wobei Arashi ihr mal geholfen hat. „Los, gib es zu. Sag es ihr“, drängt er sie. Doch Kira bleibt stur. Und bevor Arashi ihr noch weiterhin auf den Senkel geht, gehe ich vorsichtshalber mal dazwischen. „Wir haben wirklich besseres zu tun, als uns deine Heldentaten anzuhören, also hör auf Kira zu nerven, und lasst uns irgendetwas unternehmen. Ich will endlich wissen wer mir nach dem Leben trachtet.“ Arashi zwinkert mir zu und schiebt mich aus dem Thronsaal seines Vaters raus. Kira folgt uns Kopfschüttelnd. „Na dann, legen wir los, bevor du noch einen weiteren Wutanfall bekommt“, erwidert Arashi daraufhin und grinst mich wie ein Honigkuchenpferd an. Sieh an, sieh an, da hat sich jemand aber schnell wieder erholt, denke ich und lasse mich immer noch von Arashi weiter vor sich her schubsen. Also manchmal frage ich mich wirklich, wie ein Mensch nur unter solch starken Stimmungsschwankungen leiden kann. Der ist echt anstrengend der Kerl. Kira läuft neben uns und liest dabei in einem kleinen Buch. Wo hat sie das denn her? Hatte sie es schon die ganze Zeit über bei sich, oder… Ne, das wäre mir aufgefallen. „Was ist das?“, frage ich und deute auf das Buch in ihrer Hand. Kira sieht zu mir auf und schaut mich komisch an. Was habe ich denn jetzt wieder falsches gesagt. „Das ist Kiras weißes Buch“, antwortet Arashi und sofort fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ja klar. Kira hat es mir doch vor ein paar Tagen schon einmal gezeigt gehabt, kurz nachdem ich diese Traumbegegnung mit Lykan hatte, wo er sich zuvor mit der Unbekannten Frau getroffen hatte. Darauf hätte ich auch selber kommen können. Andererseits habe ich auch eine gute Ausrede dafür, wieso ich es nicht mehr wusste, bei dem was inzwischen schon alles passiert ist. Da kann man sich ja nun wirklich nicht mehr an alles erinnern. Arashi lässt von mir ab und bleibt dann vor einer Steinwand stehen. Was hat der denn jetzt wieder vor? „Seine Bedeutung erklären wir dir aber ein andermal, jetzt ist erst mal wichtig, dass Kira dich mit einem Tarnzauber bedeckt, damit wir endlich anfangen können. Ich will das ganze so schnell es geht hinter mich bringen“, sagt er und wie von Zauberhand, öffnet sich ein kleiner Spalt in der Wand. Ein Geheimgang. Cool. Herbst 2015, Siebenbürgen Kira Vaillant Wir haben vor gut einer halben Stunde die Hochburg der Vampire verlassen und sind auf dem Weg zur Blutbar. Der Tarnzauber ist griffbereit und kurz bevor wir unser Ziel erreicht haben, werde ich ihn bei Selest anwenden. Allerdings werde ich ihn etwas abändern, sodass Selest dann nicht mehr nur von fremden Gerüchen befreit sein wird, sondern dann selber eine vampirische Aura ausstrahlt. Das wird ihr dort drinnen sehr von Nutzen sein. Zumindest hoffe ich es. Mein Handy vibriert. Ich hole es aus der Hosentasche raus und schaue aufs Display. Der Name Julian, blinkt mir entgegen. Ich überlege ob ich rangehen soll oder nicht. Doch dann fällt mir ein, dass er hier ja noch immer irgendwo auf mich wartet. Verdammt. Eigentlich hatte ich ja nur vor gehabt mit Akito zu reden und dann gleich wieder abzuhauen. Ich wusste doch, dass es ein Fehler war Julian klein beizugeben, als er darauf bestand auf mich zu warten. Ich nehme das Telefonat entgegen. „Ja!“ Arashi wirft mir von der Seite einen undefinierbaren Blick zu, den ich aber ignoriere. Spätestens wenn er dem Gespräch lauscht, weiß er von dem jungen Polizisten. „Was heißt hier ja“, schallt es ein klein wenig aggressiv aus meinem Handy heraus. „Wo steckst du Kira. Ich warte hier schon seit gut vier Stunden in der Lobby auf dich. So langsam aber sicher mache ich mir sorgen um dich.“ „Ich…“ Verdammt. Was soll ich ihm denn jetzt sagen? Ich brauche eine gute Ausrede, eine, die er mir ohne Zweifel zu haben abkauft, obwohl… Eigentlich müsste ich ihm überhaupt nichts sagen. Er wollte schließlich mit mir mitkommen und auf mich warten. Ich hatte ihn zu nichts gezwungen. „Tut mir leid dass ich mich noch nicht gemeldet habe. Ne Freundin von mir braucht meine Hilfe. Du kannst also ruhig wieder nach Hause fahren. Dein Chef wird sich bestimmt schon fragen wo du bleibst. Tut mir Leid wegen der Umstände die ich dir bereitet habe. Und was die Klamotten deines Bruders angeht…“ Arashis Augen werden Groß. „…die bringe ich ihm demnächst vorbei, ok.“ „Nein nicht, ok. Wo bist du Kira, ich komme zu dir.“ „Das brauchst du nicht.“ „Und ob. Diese Gegend hier ist nicht die Beste. Immer wieder verschwinden hier Touristen und ich will nicht das du bald zu ihnen zählst, also sag mir verdammt noch einmal wo du bist, bevor ich dein Handy orten lasse.“ Das ist Erpressung. „Pst!“ Ich remple Arashi mit meinem Ellenbogen an, da er mich immer wieder dazu drängt das Telefonat zu beenden. Ich muss mich konzentrieren und überlegen, wie ich das jetzt am besten mache. Ich kann Julian schließlich schlecht weitere vier Stunden in der Hotellobby auf mich warten lassen. Das gehört sich einfach nicht. Doch mitnehmen kann ich ihn auch nicht. Das wäre viel zu gefährlich, obwohl… „Bleib kurz dran, ok?“ Ich stecke mein Handy wieder in die Hosentasche, dann wende ich mich an Arashi. „Sag mal. Wenn ein Polizist in die Blutbar kommt, dann werden die Vampire doch nichts unternehmen, oder? Verschwundene Touristen sind ja eine Sache, aber wenn ein Polizist verschwindet… dieses Risiko werden sie doch bestimmt nicht eingehen, oder?“ „Kommt drauf an. Worauf willst du hinaus? Und wer zum Henker ist dieser Kerl da am Telefon?“ „Das ist Julian. Du weißt schon der Polizist, der wegen Biancas Tod ermittelt. Ich bin mit ihm zusammen hierhergekommen und er wollte unbedingt auf mich warten. Der Kerl hat leider einen sehr ausgeprägten Helferkomplex, den haben wohl alle Polizisten. Er wollte mich hier nicht alleine hinschicken, und jetzt wartet er in der Lobby eures Hotels auf mich. Ich kann ihn da nicht noch länger auf mich warten lassen, zumal wir ja nicht mal wissen wie lange wir brauchen werden, um den Verdacht deines Vaters zu überprüfen. Also dachte ich mir, wenn er schon mal hier ist, dann können wir das für uns nutzen. Ich treffe mich mit ihm in der Bar und kann gleichzeitig Selest im Auge behalten, nicht das unser Plan doch schief geht und sie auffliegt. Das dürfte doch sicherlich auch in deinem Interesse sein, oder?“ Die ganze Zeit über wie ich geredet habe, hat Arashi mir stillschweigend zugehört. Zwar zuckten immer mal wieder seine Augenbrauen nach oben und er ließ ein nachdenkliches Hm verlauten, doch unterbrochen hat er mich diesmal nicht. Jetzt sieht er abwechselnd zu Selest und mir, bleibt dann bei ihr hängen. „Ok. Sag ihm er soll dich dort treffen, aber Kira…“ Er hält mich an Arm fest. „Sobald das erledigt ist, schickst du ihn weg, verstanden!“ „Das hatte ich eh vorgehabt“, sage ich seufzend und hole dann mein Handy wieder hervor. „Bist du noch dran“, frage ich an Julian gerichtet. „Ja“, antwortet er mir und jetzt klingt seine Stimme auch wieder freundlicher. „Triff mich in der Bar Bloody Mary“, sage ich und lege dann auf, ohne ihm irgendeine Erklärung zu geben, oder ihm zu sagen wo er die Bar findet. Doch allzu schwer den Weg bis dorthin zu finden, wird es schon nicht werden. Und wenn doch…, mir egal. Ich stecke mein Handy weg und hole stattdessen mein weißes Buch wieder hervor. Ich lese mir den Zauber noch einmal kurz durch, und als ich mir sicher bin ihn verinnerlicht zu haben, schließe ich das Buch wieder und verstaue es in der Innentasche meiner Jacke. Dann wende ich mich Selest zu. Wir drei stehen in einiger Entfernung zu Bar. Selest sieht sehr nervös aus, was ich ihr nicht mal verübeln kann. Immerhin wird sie gleich ganz alleine in eine Bar voller Vampire gehen. Doch lange wird das nicht so bleiben, da ich ihr bald folgen werde. Wir sollten nur nicht gemeinsam hereingehen, da das viel zu auffällig wäre und ich das Glück nun wirklich nicht herausfordern will. „Versuche bitte so ruhig wie nur möglich zu bleiben“, erklärt Arashi, der nervösen Selest. Er fasst sie bei der Schulter und sieht ihr direkt in die Augen. Ich wende meinen Blick von den beiden ab und gehe noch dazu ein paar Schritte von ihnen weg. Dann setze ich mich auf einen abgeschlagenen Baumstupf. Ich schließe meine Augen und versuche mich völlig ruhig auf die Aura von Selest zu konzentrieren. Das jetzt ist das erste Mal, dass ich eine Aura verändere und auch wenn ich eigentlich immer recht gut im Erlernen von neuen Zaubern war, so bin ich doch etwas angespannt. Es hängt immerhin einiges von dem Zauber ab und somit auch von mir. Meine Magie fließt durch meinen Körper. Ich spüre sie so deutlich wie schon lange nicht mehr, was daran liegt, dass ich diese Art der Magie seit drei Jahren nicht mehr ausgeführt habe. Und das lässt mich, ich muss es ehrlich zugeben, regelrecht nervös werden. Fehler darf ich mir hier nicht erlauben. Aber wie pflegte Eileen früher immer zu sagen. Mit dem Umgang unserer Magie ist es wie mit dem Fahrradfahren. Beides verlernst du nie wieder, sobald du es erst einmal kannst. Stimmt zwar irgendwo, aber Fehler sind auch schon den erfahrensten Hexen passiert. Kaum das sich meine Magie an einem Punkt in mir gesammelt hat und ich mir sicher bin sie dort auch halten zu können, stehe ich wieder auf und gehe zu den beiden Verliebten zurück. Die stehen sich immer noch gegenüber und halten mittlerweile Händchen. Ich gönne ihnen ja wirklich diese kleine Zweisamkeit, aber da ich nicht weiß wie lange ich meine Magie so konzentriert und gebündelt aufrechterhalten kann, dränge ich mich zwischen die beiden und greife meinerseits nach Selest Hände. Verdutzt sieht sie mich an. „Ich versuche jetzt meine Magie mit deiner zu verbinden“, erkläre ich ihr mein Eingreifen, „und sobald das geschehen ist, kannst du ungefähr für zwei Stunden, auf die meine Zugreifen und so deine Aura unterdrücken.“ „Und wie mache ich das jetzt?“, will sie wissen und sieht mich ein wenig ängstlich an. Ich hoffe wirklich das sie das noch in den Griff bekommt, denn so nervös wie sie noch ist, wird sie in der Bar sofort auffallen. „Ich habe sowas noch nie gemacht.“ „Ich werde dir dabei helfen“, sagt Arashi. Der Vampir stellt sich hinter Selest, so wie er es in seinem Zimmer, als sie das erste Mal den Blick der Hexen genutzt hat, auch schon getan hat. Er schlingt seine Arme um ihren Körper. „Hörst du mich“, fragt er sie. „Ja“, antwortet Selest. Arashi schüttelt seinen Kopf. „Denk deine Antwort und sprich sie nicht aus.“ Es vergehen knapp zehn Minuten, bis es Selest dann mal gelungen ist Arashi in Gedanken zu antworten. Um ehrlich zu sein hätte ich gedacht, dass sie dafür länger braucht. Da scheint jemand ein Naturtalent zu sein, zumindest was das Gedankenspiel angeht. Doch wenn man es ganz genau nimmt, ist das auch eines der einfachsten Zauber überhaupt. Da gibt es viel schwierigere, doch für den Anfang, macht sie sich ganz gut. „Und wie soll mir das in der Bar helfen?“, fragt Selest. Arashi und ich lachen kurz auf. „Du kannst wieder normal mit uns reden. Diese Art der Kommunikation nutzen wir eigentlich nur, wenn wir nicht wollen dass unsere Gespräche belauscht werden. Und um deine Frage zu beantworten. Jetzt da du meine Gedanken hören kannst – also nur wenn ich will dass du das tust – bist du sozusagen auch mit meiner Magie verbunden.“ „Es gibt nicht viele Hexe, die ihre Magie auf diese Art mit einer anderen teilt. Es hat zwar etliche Vorteile, doch leider auch ein paar lästige Nachteile. Doch keine Sorge, du kannst jederzeit eine solche Verbindung wieder trennen. Also solltest du irgendwelche Bedenken haben…“ „Was für Nachteile wären das denn?“, unterbricht sie mich. „Nachteil Nummer Eins wäre der, dass du jetzt sowohl auf meine als auch auf Arashis Magie jederzeit zugreifen kannst. Im Endeffekt bedeutet das, dass alles was wir können, du auch kannst. So zum Beispiel deine Aura zu verändern. Demnach ist es nicht mal so schlecht, dass Arashi dir seine Magie zur Verfügung gestellt hat. Vampire besitzen zwar nur sehr wenig Magie, aber dafür sind sie die unangefochtenen Meister der Tarnung. Für ein Kind der Nacht ist es eine Kleinigkeit die Aura so zu verändern, dass man sie nicht mehr wahrnimmt.“ „Das klingt für mich aber nicht wie ein Nachteil“, sagt Selest und hält sich die Hand auf die Brust. „Oh Gott, mein Herz schlägt noch immer ganz wild. Werden die das nicht hören?“ „Werden sie und darum musst du dich jetzt auch mal langsam wieder beruhigen. Du bist ja nicht alleine. Kira wird ebenfalls in der Bar sein und ich bin hier draußen und… beobachte alles aus der Ferne. Sollte also etwas schiefgehen, greifen wir beide sofort ein. Du bekommst das schon hin, Selest.“ „Na wenn du das sagst.“ Glücklicherweise hat Selest nicht mitbekommen, dass Arashi eben etwas in seiner kleinen Ansprache gehakt hat. Und das ist auch ganz gut so. Denn wenn wir Glück haben, trennt Selest nach diesem Einsatz unsere Verbindung und bekommt so nie heraus, was es wirklich bedeutet, seine Magie mit jemand anderem zu verbinden. Herbst 2015, Siebenbürgen Selest Peterson Ich hätte niemals den Vorschlag unterbreiten dürfen hier alleine in die Bar rein zu spazieren. Von Kira fehlt nämlich immer noch jede Spur. Und das lässt mich wieder nervös werden. Mein Herzschlag beschleunigt sich wieder und auch Arashis wohlklingende Worte, können daran nichts ändern. „Du brauchst keine Angst zu haben, Selest. Kira kommt gleich rein und ich habe von hier draußen ein Auge auf dich.“ „Ich weiß“, murmle ich und bemerke zu spät, dass ich es laut ausgesprochen habe. Der Vampir neben mir am Tresen wendet seinen Kopf in meine Richtung und mustert mich von oben bis unten. Sein vielsagender Blick lässt mich noch nervöser werden. So wies aussieht, bin ich gerade eben als seine Mahlzeit auserkoren worden. „Was weißt du, Süße?“ Der Vampir lehnt sich dicht zu mir und legt einen seiner Arme um mich. Sein kalter Atem streift meine Wange und ich muss mich regelrecht anstrengen, um nicht kreischend davonzulaufen. Wieso nur habe ich mich freiwillig hierfür gemeldet. „Verlasse die Theke und suche nach dem Stein, Selest. Und reiße dich zusammen, ja. Das hier ist immerhin dein Vorschlag gewesen.“ „Ist ja gut“, denke ich und streife dann langsam, und mit einem Lächeln im Gesicht den Arm des Vampires von meinen zitternden Oberschenkeln. „Entschuldigen Sie, aber ich bin bereits vergeben. Und so sehr mich ihr Angebot auch schmeichelt, aber ich bin meinem Verlobten treu“, hauche ich in sein Ohr und stehe dann vom Hocker auf. Aus den Augenwinkeln erkenne ich, dass meine Abfuhr dem Vampir ganz und gar nicht gefällt. „Nicht schlecht. Ich wusste gar nicht, dass du Verlobt bist, Selest. Das hättest du mir wirklich sagen sollen, dann hätte ich dich nicht gebissen.“ Arashis fröhlich klingende Stimme versuche ich so gut es geht auszublenden. Ich habe jetzt wirklich nicht den Nerv, um mich mit ihm zu streiten. „Du weißt wirklich wie man die Träume eines Kerls zu platzen bringt. Das hätte ich wirklich nicht von dir gedacht.“ „Halt die Klappe, Arashi“, fauche ich in Gedanken. „Sag mir lieber ob du schon die Gegenwart des Steins gespürt hast.“ Es vergehen fast zwei Minuten, bis ich Arashis Stimme wieder in meinem Kopf höre. „Wie kommst du darauf, dass ich die Gegenwart des Steins spüren kann“, will er von mir wissen. Ich zucke mit den Achseln – obwohl er das ja nicht sehen kann – und blicke mich dann weiter in der Bar um. Überall sehe ich Vampire, zumindest gehe ich davon aus das es welche sind. Man sieht es ihnen ja leider nicht an der Nasenspitze an das sie Vampire sind. Schade eigentlich. Die meisten Vampire sitzen an runden Tischen und unterhalten sich. Neben mir steht ein junges Pärchen auf und verzieht sich hinter einen dunklen Vorhang. Und der Vampir der bis eben noch an der Bar neben mir saß läuft jetzt mit drei anderen Vampiren die kleine Treppe hinauf, die hinter dem Tresen ist. Ich blicke ihm hinterher, wende dann aber schleunigst meinen Blick von ihm, als er in meine Richtung blickt. Hoffentlich hat er nicht mitbekommen, dass ich ihn beobachtet habe. „Hat er. Und jetzt verrate mir wie du auf die Idee kommst…“ „Würdet ihr euren Streit bitte auf später verschieben“, vernehme ich verärgerte Stimme von Kira war. Ich schaue zur Eingangstür. Sie kommt zusammen mit einem gutaussehenden jungen Mann herein und steuert sofort den Tresen an. Beide setzen sich auf die Plätze, wo der aufdringliche Vampir und ich bis eben noch saßen. „Wir haben nicht viel Zeit, bis Ioan Arashis Anwesenheit draußen bemerkt“, fährt Kira fort. „Also beeilt euch endlich.“ „Jaja!“ Ich nicke Kira kurz zu und suche dann einfach weiter. So gut es geht versuche ich zu verdrängen, dass ich in einer Bar für Vampire bin und konzentriere mich ganz auf den Stein. Ich kann es mir nicht erklären, aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass er hier irgendwo ist. Nur wo? „Kann ich dich was fragen, Arashi?“ „Klar.“ „Ähm also…“ Wie sage ich das nur. Immerhin ist es ja auch nur eine Theorie von mir und ich will nicht das Arashi mich für bescheuert hält oder so. Andererseits habe ich keine Ahnung wie Magie funktioniert und… nun ja. Geht man aber davon aus das ich eine Zodiac bin, dann kann’s ja sein das es doch mehr ist, als nur eine simple Theorie von mir. Wer weiß schon wozu ich als Zodiac alles in der Lage bin, außer einem verrückten Wolfsmenschen zu verjagen. „Hast du es dir jetzt anders überlegt, oder fragst du mich endlich was du mich fragen willst?“ „Sorry. War nur eben in Gedanken“, entschuldige ich die lange Wartezeit. Aber Moment Mal. „Hast du den Wirrwarr in meinen Gedanken eben mitbekommen?“ „Nein!“ „Gut.“ Ich hole einmal kurz Luft, und fange dann an mich zu erklären. „Nun ja die Sache ist die. Ich weiß nicht woher ich diese Ahnung habe, falls es denn eine ist und nicht nur ein dummer Gedanke von mir, aber… Mir ist vorhin in den Sinn gekommen, dass du die Gegenwart des Steins spüren kannst.“ „Deswegen hast du mich danach gefragt“, sagt Arashi. Mehr aber zu sich selbst als zu mir, wie ich glaube. Da kann er seine Gedanken wohl doch nicht so gut vor mir verbergen, wie vor einer halben Stunde noch behauptet. Oder aber ich bin besser als er dachte. Was irgendwie cool wäre. „Ist das denn möglich? Kira was meinst du?“, wende ich mich an sie. Und diesmal ist sie es, die lange für eine Antwort braucht. „Möglich wäre es. Das würde dann bedeuten, dass die beiden Steine irgendwie zusammenhängen.“ „Sie sind von ein und derselben Person weitergeben wurden, würde ich sagen. Oder? Ich meine, diese Unbekannte Frau – die meinen Tod will, ach ne, jetzt scheinbar nicht mehr, weil ich ja eine Zodiac bin – hat ihn doch Ayaka und wie es scheint auch Ioan gegeben. Hängt bestimmt damit zusammen.“ „Nein! Die Steine müssen anders zusammen gehören.“ „Vielleicht kann ich euch da weiterhelfen“, vernehme ich eine düstere Stimme hinter mir. Ich drehe mich um. Auf den oberen Stufen der Treppe steht ein Vampir, vollkommen in schwarz gekleidet. Hinter ihm stehen drei weitere, dieser Typ von der Bar ist einer von ihnen – mit verzehrten Gesichtern. So sehen Vampire also aus wenn sie in ihrem… nun ja, Vampir-Modus sind. Ich drehe mich einmal im Kreis. Alle Vampire die bis eben noch an ihren Tischen saßen, sind mittlerweile aufgestanden und haben sich um mich gestellt. Verdammt. Ich war wohl so in Gedanken vertieft gewesen, dass ich das nicht mitbekommen habe. Dieser Vampir von der Treppe, der eben gesprochen hat und bei dem es sich wohl um diesem Ioan handelt, kommt mit geschmeidigen Schritten nach unten. Sein blutrünstiger Blick haftet an mir. Ängstlich schließe ich meine Augen – so nach dem Motto: Sehe ich dich nicht, siehst du mich auch nicht. „Ich gebe dir eine Minute um hierher zu kommen, Arashi, oder ich bringe deine kleine Hexenfreundin um.“ Und bei diesen Worten ist es vorbei mit der Starre, die sich um meinen Körper gelegt hat. Ich drehe mich rasch um und will losrennen – raus aus dieser Blutbar, als ich plötzlich von hinten gepackt und an einen kalten Körper gedrückt werde. „Du gehst nirgendswo hin, Kleines.“ Erschrocken zucke ich zusammen, als ich die kalte Hand von Ioan an meiner Wange fühle. Es ist dieselbe Stelle, die der andere Vampir vorhin mit seinem Atem gestreift hat. Augenblicklich läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. „Nur keine Angst, Süße. Ich habe nicht vor dich zu töten. Dafür bist du wertvoll“, haucht er in mein Ohr. „Lass sie in Frieden“, sagt Kira. Ich bin so abgelenkt von Ioan und den ganzen anderen Vampiren um mich herum gewesen, dass ich nicht mitbekommen habe dass sie und dieser junge Polizist mittlerweile neben mir stehen. Auch die beiden werden von zwei Muskelbepackten Vampiren festgehalten. Ioan wendet sich grinsend an Kira. „Leider gilt das nicht für dich, Kleines“, sagt er und leckt sich dabei über die Lippen. „Das Blut von euch Hexen ist etwas ganz besonderes. Meine Brüder und Schwestern werden mir unendlich dankbar sein, wenn ich ihnen solch einen Leckerbissen wie euch überlasse.“ Der junge Polizist versucht sich gegen seinen Angreifer zu währen, doch dem scheint dieser Versuch nicht im Geringsten zu stören. „Was wollt ihr von uns?“, fragt er und zum ersten Mal höre ich seine Stimme. Und ich muss sagen, sie passt zu ihm. Sanft und doch in gewisser Weise bestimmend. Und das wundert mich irgendwie, denn auch ihm dürfte wohl aufgefallen sein, dass die Leute hier in der Bar nicht normal sind. Es sei denn er sieht die verzerrten Gesichtszüge der Barbesucher nicht. Oder aber… „Von euch will ich gar nichts, mein Guter“, antwortet Ioan dem jungen Polizisten – Ich glaube Kira nannte ihn Julian. „Und doch werde ich euch nicht laufen lassen. Dafür habt ihr viel zu viel gesehen. Doch wenn ihr keinerlei Schwierigkeiten macht, dann überlege ich mir vielleicht, euch zu einem von uns zu machen. Ihr scheint stark zu sein, junger Freund.“ „Ich bin gewiss nicht euer Freund“, antwortet Julian und kassiert daraufhin eine Kopfnuss seines Bewachers. Julian lässt sich das allerdings nicht gefallen und wirft seinen Kopf nach hinten und trifft seinen Bewacher völlig unvorbereitet. Die Nase des Vampirs fängt an zu bluten. Sofort eilt ein anderer Vampir hervor und greift nach Julians Arme, um ihn so in Schach zu halten. Ioan beobachtet die Szenerie freudig. „Ich hatte Recht was euch betrifft, mein Freund!“ Er betont das Wort Freund extra und wendet sich dann schmunzelnd an seinen verletzten Vampirbruder. „Alles ok bei dir?“, fragt er ihn mit fester Stimme. Der Verletzte nickt und macht einen Schritt auf Julian zu – wohl um sich für die blutige Nase zu rächen –, da stellt sich ihm aber plötzlich Ioan in den Weg. „Gut!“ Mit einer schnellen Handbewegung, trennt er ihm den Kopf vom Rumpf. Der Vampir ist tot. Vor Schreck ziehe ich scharf die Luft ein und drehe meinen Kopf, völlig angewidert von Ioan weg. „Er war schwach“, kommentiert Ioan seine Tat. Er wischt sich seine blutige Hand an einer Serviette ab, die ihm von einer älteren Vampirin gereicht wird. „Und solche Vampire kann ich nicht gebrauchen. Also dann, wo waren wir doch gleich noch einmal stehen geblieben? Ach ja. Ich habe euch ein Angebot gemacht, mein junger Freund. Also… wie sieht es aus? Wollt ihr?“ „Das dürft ihr nicht machen“, schreit Kira und verzieht das Gesicht vor Schmerz, als der Typ der sie festhält seinen Druck verstärkt. Doch hindert das Kira nicht daran weiter zu reden. „Es ist gegen das Gesetzt, Menschen zu wandeln und das wisst ihr.“ „Das stimmt“, antwortet Ioan. „Doch dummerweise wird es keine Überlebenden geben, die uns verpetzen können. Und darüber hinaus, unterstehen mein Vater und ich nicht euren dummen Gesetzen, Hexe. Wir sind nämlich nicht solche Luschen wie König Akito und seine Anhänger.“ „Damit werdet ihr nicht durchkommen“, mische ich mich mit ein. Mir ist nämlich durchaus aufgefallen, dass die eine Minute die Ioan Arashi gegeben hat um hier aufzutauchen, schon längst vorbei ist. Wo also steckt dieser Mistkerl nur. Ioan vollführt mit seiner Hand irgendein Zeichen und keine Sekunde später tritt einer der umherstehenden Vampire hervor und greift nach meinen Armen. Ich werde von Kira und Julian getrennt. „Lass mich los“, schreie ich. Auch von Kira höre ich Worte des Protestes, doch es ist zwecklos. Dieser Vampir schiebt mich vor sich her, in Richtung der schwarzen Vorhänge, wo vorhin das junge Pärchen entschwunden ist. Und bevor ich ebenfalls dort hinter verschwinde, höre ich Kira schreien. Ihr Schrei fährt mir durch Mark und Bein. Lass mich los, schreie ich meinen Bewacher in Gedanken an und kaum das ich es gedacht habe, lässt der wirklich von mir ab. Ich habe nicht die geringste Ahnung wie ich das gemacht habe, aber das interessiert mich im Moment auch nicht. Ich verpasse dem Vampir einen festen Tritt in seine Kronjuwelen und beobachte mit Freude, wie der daraufhin zu Boden geht. Dann drehe ich mich um und befinde mich einer Horde geschockter Vampire gegenüber. Auch Ioan sieht mich unglaubwürdig an. Leider erholt er sich schnell wieder und greift seinerseits nach Kira, die erschöpft und Blutend – dort wo sie gebissen wurde – in den Armen des Vampirs liegt. Ioan zieht sie zu sich und versenkt nun selber seine Zähne in ihren Hals. „Wenn du einen Krieg mit den Phönix-Hexen anfangen willst, dann mach weiter. Töte sie“, erklingt Arashis feste Stimme. Endlich, seufze ich. Erleichtert schaue ich in die Richtung, aus der ich Arashis Stimme vernommen habe. Auch alle anderen herumstehenden Vampire blicken in diese Richtung. Und kaum das sie Arashi und seine acht Begleiter – darunter Akito und Akaya – erblicken, treten sie stillschweigend, mehrere Schritte zurück. Arashi geht mit langsamen und irgendwie auch gefährlich wirkenden Schritten auf Ioan zu. An seiner Seite, seine Schwester und sein Vater. Die anderen bleiben in einiger Entfernung stehen und lassen die feindlichen Vampire nicht aus den Augen. Ioan lässt Kira achtlos auf den Boden fallen und stürmt dann ohne Vorwarnung auf Arashi drauf zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)