Zu viel... von Phoenix_ ================================================================================ Kapitel 1: Zu viel... --------------------- Sie sah so schön aus mit ihren goldbraunen, funkelnden Augen und den langen, blauen Haaren, die ihr in zwei Strähnen in das Gesicht fielen. Ein Gesicht, das unendlich anbetungswürdig aussah. So symmetrisch und mit zarten Zügen, einer kleinen Nase und vollen Lippen. MingMing war nicht nur eine berühmte Sängerin, sondern ebenso eine gute Bladerin. Seit sie sich vor fünf Jahren zum ersten Mal begegnet waren, schlug das Herz in seiner Brust nur noch für sie. Für diese goldenen Augen, für diese vollen Lippen. Er würde sie für immer verehren, sie für immer lieben. Lächelnd strich er über das Gesicht auf dem Portrait und klebte die Briefmarke auf den Umschlag. „Bald gehörst du mir, meine Liebe. Dann wird uns niemand mehr trennen können. Ich weiß, dass du auch etwas für mich empfindest. Es werden uns alle bewundern. Uns alle beneiden, denn an unsere Liebe kommt keiner heran. Ich werde dich beschützen und dich bis in den Tod lieben.“ Ein leises Lachen entkam ihm und er schloss die Augen, weil sein Werk für heute beendet war. Nur noch auf die Post… MingMing ließ sich erschöpft auf den Stuhl in der Umkleidekabine fallen und blickte ihr Spiegelbild an. Sie sah müde aus, die dunklen Augenringe, die sie heute Morgen noch gehabt hatte, hatte ihre Stylistin zum Glück mit Schminke verstecken können, sodass selbst die Nahaufnahmen auf der Bühne ihre Unpässlichkeit ihren Fans nicht aufzeigen konnte. Sie fühlte sich einfach nur noch am Ende ihrer Kräfte. Jede Nacht um genau 2:22 Uhr klingelte ihr Handy und am anderen Ende hörte sie dann ein verhaltenes Stöhnen und rauschenden Atem. Seit Wochen ging es schon so. Seit Wochen bekam sie diese Anrufe. Seit Wochen bekam sie Briefe und Blumen. Und seit Wochen konnte sie nicht mehr schlafen. Die Anrufe ließen sich nicht zurück verfolgen und die Polizei wollte ihr keinen Schutz bieten, weil sie sagten, dass sie nicht eingreifen dürfen, bis etwas passierte. Pah! Und wenn etwas passierte, dann war es doch schon längst zu spät! MingMing seufzte und vergrub den Kopf in ihren Händen, schloss müde die Augen. Wie sollte sie das nur die nächsten Tage und Wochen überstehen? Ihre Tour würde bald beginnen, vielleicht würde das etwas Erlösung bringen? Immerhin wäre sie dann nicht mehr Zuhause, es würde niemand mehr anrufen können. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ja, das hörte sich gut an. Wenn sie erst einmal auf Tour war, würde sie ihr unbekannter Stalker nicht mehr nerven können. Keine Anrufe würden zu ihr durchgestellt werden, weil sie im Hotel leben würde. Das würde paradiesisch werden. Vielleicht würde er dann auch aufhören, sie anzurufen oder ihr Geschenke zu schicken, wenn sie einige Wochen nicht erreichbar war. Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken und sie wirbelte zur Tür herum, die in dem Moment aufgemacht wurde. „Hey Ming!“ MingMing sprang auf und fiel Hilary – ihrer besten Freundin – um den Hals. „Hilary! Ich bin so froh, dass du heute Zeit für mich gefunden hast. Wie hat dir das Konzert gefallen?“ Hilary lachte und umarmte MingMing fest, bevor sie sich von ihr löste und sie angrinste. „Ganz gut. Du warst mal wieder vollkommen in deinem Element! Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell du in diese fünf Jahren an die Spitze des Pop-Himmels geklettert bist.“ Seit die BEGA vor fünf Jahren niedergeschlagen worden war, war MingMings Karriere noch steiler in die Höhe geschossen als vorher schon und seit diesem entscheidenden Kampf waren sie auch Freunde. Kenny hatte sie einmal dazu überredet auf eins von MingMings Konzerten zu gehen und nachdem sie die Blauhaarige privat kennengelernt hatte, wusste sie, was sie an ihr schätzte. Sie waren gute Freundinnen geworden, die besten sogar. „Du weißt doch, wie sehr ich es liebe, auf der Bühne zu stehen! Und? Kann ich heute bei dir schlafen?“ Vor allem: Wieder einmal richtig durchschlafen und nicht nachts aufgeweckt werden von einem ominösen Anrufer? „Natürlich! Es ist schon alles vorbereitet für den Mädelsabend. Auch wenn dieser heute wohl nur aus zwei Gläsern Wein zu Pizza und einem Film reicht, aber das ist auch viel wert.“ Hilary grinste, als MingMing vor Begeisterung quiekte und umarmte ihre Freundin noch einmal. Sie wusste um ihre Ängste und Sorgen, die Sängerin hatte sie ins Vertrauen gezogen und ihr alles erzählt. Das arme Ding, wurde gestalkt. Entspannt und zutiefst zufrieden zog MingMing die Decke hoch bis zu ihrem Hals und seufzte leise. „Ich bin wirklich froh, dass du heute Zeit hattest“, murmelte sie zu Hilary und bekam ein leises Lachen als Antwort. „Ach komm, so selten wie wir uns sehen, ist es doch selbstverständlich. Außerdem bist du bald auf Tour und wir sehen uns nicht“, antwortete Hilary und machte es sich in ihrem Bett bequem. MingMing lächelte leicht und schloss die Augen, während sie sich etwas auf der Matratze zurecht rückte. Hilarys Sofa ließ sich nicht aufklappen, damit sie es sich auf dem hätte bequem machen können und zu ihr ins Bett wollte sie auch nicht krabbeln, also war ihre Schlafstätte eine Luftmatratze. „Sicher, dass du da unten schlafen willst?“ „Klar. Die Matratze ist bequem.“ Ruhiger Schlaf. MingMing schreckte auf, als die ein Klingeln hörte. Mit großen Augen starrte sie auf das Hoteltelefon, welches wieder einen Ton von sich gab. Ihr Blick wanderte zu ihrem Handy: 2:22 Uhr. Aber woher wusste er, wo sie war? Sie hatte sich in keinem bekannten Hotel ein Zimmer gebucht, um genau diese Situation zu umgehen, aber es schien, als hätte sie kein Glück. Zitternd griff sie nach dem Hörer, weil das Klingeln noch immer nicht aufhörte. „Hallo?“ „Schlaf schön, meine Kleine. Bald bist du sicher in meinen Armen.“ MingMing schlug sofort den Hörer zurück auf die Gabel und schlang die Decke um ihren Körper. Sie zitterte wie Espenlaub und konnte nicht glauben, dass dieser verrückte Idiot sie sogar in dem Hotel am anderen Ende von Japan gefunden hatte. Ihr Atem ging schnell und flach, ihr Herz schlug viel zu hart in ihrer Brust und ihr Mund fühlte sich trocken an. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich und sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Bald bist du sicher in meinen Armen. Hatte der Typ sie noch alle beisammen? Das glaubte sie nicht, aber dennoch raubte es ihr die Luft und ihr Hals fühlte sich an, als hätte jemand einen Strick darum gelegt. MingMing griff nach ihrem Handy und wählte die Nummer ihrer besten Freundin. „Hilary? Er hat wieder angerufen.“ Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Sie sagte ihre Tour aus gesundheitlichen Gründen ab und kehrte zurück nach Tokio, weil sie es nicht mehr aushalten konnte. Ihre Nerven flatterten, sie sah sich jedes Mal panisch um, wenn ein Telefonklingeln ertönte und ihr Herz schlug Purzelbäume, wenn die Melodie ihres Handys erklang. Sie wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Sie wusste nur noch, dass ihr Leben Kopf stand und ihr anscheinend keiner helfen konnte. MingMing verkroch sich bei Hilary, weil ihr Stalker ihre Nummer nicht kannte. Hier war sie immer sicher, hier hatte sie immer Ruhe. Und Hilary gewährte ihr diese Zuflucht. „Ich danke dir so sehr.“ Seit drei Tagen versteckte sie sich in der Zwei-Zimmer-Wohnung ihrer besten Freundin. „Gerne. Wenn du hier etwas Ruhe findest, kannst du dich hier so lange aufhalten, wie es nötig ist.“ Hilary strich der Blauhaarigen sanft durch das Haar, weil sie es sich zu zweit auf dem Sofa bequem gemacht hatten und MingMing mit dem Kopf auf Hilarys Schoß lag. „Ich will dich trotzdem nicht stören. Was sagt denn Tyson dazu, dass du keine Zeit für ihn hast?“ Immerhin wusste sie, wie sehr der ehemalige BeyBlade-Weltmeister die Braunhaarige liebte, auch wenn sie sich öfter einmal stritten. „Was soll er schon dazu sagen? Er predigt doch immer etwas von Freundschaft. Mach dir keine Gedanken. Du störst mich nicht. Ich bin froh, wenn du in Sicherheit bist.“ Hilary beugte sich vor und küsste MingMing flüchtig auf das Haar. „Morgen schau ich mich nach einer neuen Wohnung um.“ „Okay, ich begleite dich, Ming. Am besten in einem Viertel, in dem man einen Pop-Star nicht erwarten würde. Oder du verschanzt dich in genau solch einem Viertel, weil es dort nur so vor Überwachung wimmelt.“ „Das hatte ich mir überlegt, ja.“ Hoffentlich würde sie bald ihre Freiheit wieder bekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)