Bananeneis von Raija ================================================================================ Kapitel 8: Kronleuchter über dem Krankenbett -------------------------------------------- Als Mara erwachte verspürte sie sofort ein unangenehmes Pochen an ihren Schläfen. Stöhnend rieb sie sich die Augen, die vom Weinen geschwollen waren. Warum hatte sie sich nur so gehen lassen? Das fragte sie sich mehrfach und schämte sich für ihre Heulattacke. Wie unreif die doch manchmal war. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie Erwin den Raum betrat. Sie fiel beinahe aus allen Wolken und fragte sich, warum er noch da war. Da begriff sie, dass sie sich in ihrem Bett befand und nicht auf der Couch, wo sie sich mit Erwin niedergelassen hatte, um sich bei ihm auszuheulen. Ruckartig setzte sie sich auf, weshalb Erwin sich überrascht ihr zu wandte. „Guten Morgen", lächelte er ihr entgegen. „Du bist noch hier?", fragte Mara, statt seinen Gruß zu erwidern. „Sieht ganz danach aus", zwinkerte er ihr zu, während er sich die Krawatte vor ihrem Wandspiegel band. „Ich habe mir erlaubt dich ins Bett zu bringen, nachdem du eingeschlafen warst, und bin bei dir geblieben." Mara spürte, wie sie errötete. „Ich muss jetzt leider los", setzte Erwin fort und schlüpfte in ein Jackett. Mara fragte sich, wo der Anzug plötzlich her kam, da er gestern Jeans und Hemd getragen hatte. „Ich habe noch Termine." „An einem Sonntag?" Irritiert legte sie den Kopf schief. „Keine offiziellen Termine", erklärte er, wobei sie dadurch auch nicht schlauer wurde. „Wir sehen uns später", versprach er und wandte sich zum Gehen. „Warte", hielt Mara ihn noch auf, bevor er aus dem Zimmer treten konnte. Erwin drehte sich um und sah sie erwartungsvoll an. „Danke", flüsterte sie. Mit großen Schritten durchquerte er den Raum, nahm ihr Gesicht zwischen seine warmen Hände und küsste sie. Erneut verspürte sie dieses Hochgefühl. All ihre Sorgen waren vergessen; in diesem Moment gab es nur sie beide und die Schmetterlinge in ihrem Bauch. Viel zu früh trennte er sich wieder von ihr und verschwand mit einem letzten Lächeln Richtung Tür. Mara blieb mit ihren Schmetterlingen zurück. Sie hätte erwartet, dass sich diese erdrückende Leere wieder in ihrer Brust ausbreiten würde, sobald die Haustüre hinter ihm ins Schloss fiel, doch war dieser Platz vollkommen ausgefüllt von Erwin. Außergewöhnlich gut gelaunt schwang sie die Beine aus dem Bett und begab sich ins Bad, um sich für den Tag herzurichten. ☼◙☼◙☼ Einige Zeit später saß sie auf Levis Krankenbett, wo sie seinen Kopf auf ihrem Schoß gebettet hatte. Mit dem Kamm fuhr sie immer wieder durch sein Haar, das seinen seidigen Glanz verloren hatte und mittlerweile zu lang für Levis Geschmack war, wie sie wusste. „Oh Levi, wenn du dich sehen könntest, du würdest wahrscheinlich einen Herzkasper bekommen", murmelte Mara und werkelte an seinem Haar „Und wenn du mitbekommen würdest, dass ich dir kleine Zöpfchen flechte, dann", sie brach ab und sah nachdenklich an die alte Zimmerdecke, „keine Ahnung was du mit mir anstellen würdest. Jedenfalls nichts nettes." Marcel kam freudig strahlend ins Zimmer. „Guten Tag Mara", grüßte er sie sogleich. Er marschierte direkt auf das Bett zu und nestelte an Levis Infusionen. „Sie können schon mal die Habseligkeiten Ihres Bruders zusammen packen, der Krankenwagen sollte jeden Moment eintreffen." Total konfus sah sie den Pfleger an. „Welcher Krankenwagen?", wollte sie wissen und machte sich keine Mühe ihre Verwirrung zu verstecken. „Der Antrag zur Verlegung ist durch und wir transportieren Ihren Bruder heute noch ins Sina Hospital", klärte Marcel sie auf. „Ins Sina Hospital?", ihre Stimme überschlug sich. Das Sina Hospital war eines der angesehensten Krankenhäuser mit dem best ausgebildeten Personal. Allerdings nur für Menschen mit dem entsprechenden Portmonee. „Ja, Ihr Lebenspartner kümmert sich gerade um die letzten Formalitäten", sagte Marcel. „Ihr Lebenspartner", hallte es in Maras Kopf wieder. Sie erhob sich vom Bett und trat hinaus auf den Flur, wo sie Erwin an der Anmeldung ausfindig machte. „Können wir kurz reden?“, fragte sie unsicher, als er sie bemerkte. „Natürlich.“ Zusammen gingen sie ein paar Schritte den Flur entlang. „Was tust du hier?“, erkundigte Mara sich, als sie sicher war, außerhalb der Hörweite der neugierigen Schwestern zu sein. „Mich vergewissern, dass alles seine Richtigkeit hat“, meinte er und schenkte ihr wieder eines seiner atemberaubenden Lächeln. „Nein, ich meine, wieso lässt du Levi verlegen?“, konkretisierte sie ihre Frage. „Ich gehe sicher, dass dein Bruder die bestmögliche Behandlung erhält“, erklärte Erwin. Dabei klang er, als wäre das das Normalste auf der Welt. Mara seufzte. Sie konnte ihm nicht böse sein, allein schon nicht aus dem Grund, dass er ihr einfach nur helfen wollte. Dennoch ärgerte es sie, dass er über ihren Kopf hinweg Entscheidungen getroffen hatte, ohne vorher mit ihr darüber zu reden. „Dafür bin ich dir unglaublich dankbar, aber ich werde dir das niemals zurückgeben können“, versuchte sie ihre Bedenken zum Ausdruck zu bringen. Zärtlich strich er über ihre Wange. „Das spielt für mich keine Rolle, ich will dich einfach nur glücklich sehen“, erwiderte er darauf. „Wieso? Du kennst mich doch gar nicht.“ Es wollte Mara einfach nicht in den Kopf gehen, wieso er ihr solch ein großzügiges Geschenk machte. „Brauchst du denn unbedingt einen Grund dafür, wieso ich dir eine Freude machen möchte?“, stellte er die Gegenfrage. Nachdenklich runzelte sie die Stirn. War der Grund wirklich so wichtig? Nein, es war viel mehr das Gefühl, das sie empfand. „Ich fühle mich unwohl dabei“, gestand sie schließlich. „Du fühlst dich unwohl dabei deinem Bruder etwas gutes zu tun?“, hakte Erwin nach, wobei der Unterton seiner Stimme zwischen Unglauben und Belustigung schwang. In diesem Moment wurde Levi auf seinem Krankenbett über den Flur Richtung Aufzüge geschoben. Mara sah in sein blasses Gesicht, das von Hämatomen gespickt war, und ein Klos bildete sich in ihrem Hals. „Ich würde alles für ihn tun“, flüsterte sie mehr zu sich selbst, während sie Levi hinterher sah, ehe er in einem Aufzug verschwand. Sie atmete einmal tief durch, bevor sie sich Erwin wieder zu wandte. „Aber“, setzte sie an, doch unterbrach er sie, indem er einen Finger auf ihre Lippen legte. „Zerbreche dir nicht den hübschen Kopf darüber, ok?“ Er küsste sie auf die Stirn. „Hast du alles?“ Jeder Einwand war verflogen. Wie konnte sie jetzt noch ablehnen? „Ich hole nur schnell seine Sachen.“ „Ich warte unten“, sagte Erwin, bevor er sich ebenfalls zu den Aufzügen begab. Während Mara Levis wenige Habseligkeiten zusammenpackte, vernahm sie Stimmen draußen auf dem Gang. „Und ich sag dir, die ist jeden Tag da und sitzt an seinem Bett, wie ein Wachhund.“ „So eine blöde Kuh! Denkt die etwa, die kann mich ewig von ihm fernhalten?“ Die Stimmen näherten sich dem Zimmer. Mara stoppte ihre Tätigkeit und wandte sich zur Tür um. „Wenn ich ihre Fresse schon sehe, dann könnte ich“, augenblicklich brach die quietsche Stimme ab, als sie den Raum betrat und Mara erkannte. Diese hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Dann könntest du was, Hannah?“, erkundigte sie sich, wobei sie eine feine Augenbraue hoch zog. „Äh Mara“, stotterte die Frau, die Levi einst geheiratet hatte. „Wieso ist sie hier? Ich dachte, die Luft wäre rein“, zischte sie die Krankenschwester an, die mit ihr auf dem Flur getuschelt hatte. Anscheinend kannten die Beiden sich und die Schwester hatte Levis Aufenthaltsort wohl an Hannah weitergegeben. Ungeduldig klopfte Mara mit der Fußspitze auf den Boden, wobei sie noch immer auf eine Antwort wartete. Da diese jedoch ausblieb, widmete sie sich wieder dem Packen. „Wo ist Levi?“, brauste Hannah schließlich auf. „Außerhalb deiner Reichweite“, knurrte Mara, die die letzten Sachen in einer Tasche verstaute. Mittlerweile war sie sogar froh darüber, dass Erwin diesen Schritt gegangen war und Levis Verlegung beantragt hatte. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, welches Affentheater ausgebrochen wäre, wenn Levi nun noch anwesend wäre. „Was soll das denn heißen?“ Hannah klang wie ein schnippischer Teenager. Mit ihrer Beherrschung ringend zog Mara den Reißverschluss der Tasche zu und schulterte diese. „Das soll heißen“, zickte sie im gleichen Tonfall zurück, „dass du mich mal am Arsch lecken kannst.“ Sie zeigte ihrer Schwägerin den Finger und schob sich an dieser vorbei hinaus auf den Gang. Als sie Hannah empört schnauben hörte, reckte sie den Kopf nochmals ins Zimmer. „Übrigens würde ich an deiner Stelle heute besonders aufpassen, dass du nicht ausrutschst. Ich meine, nicht, dass du noch aus versehen auf einen Schwanz fällst und schon wieder schwanger wirst. Das wollen wir doch nicht.“ Mara wusste, wie pubertär sie sich verhielt, doch in diesem Moment tat es verdammt gut ihren Frust an Hannah abzubauen. Besonders, da dieser die Zornesröte ins Gesicht stieg. Sie winkte ihr herzallerliebst zu, ehe sie über den Flur zu den Aufzügen schlenderte, gefolgt von ihrem eigenen gehässigem Lachen. Erwin erwartete sie im Erdgeschoss. „Woher kommt die gute Laune so plötzlich?“, fragte er, als er den heiteren Ausdruck in ihrem Gesicht wahrnahm. „Du machst mir eine große Freude“, lächelte sie ihm entgegen. Dabei dachte sie an Hannahs wutverzerrtes Gesicht zurück, was ihre Mundwinkel weiter nach oben zucken ließ. Gemeinsam folgten sie mit Erwins Volvo dem Krankentransport zum Sina Hospital, wo Levi herzlich in Empfang genommen wurde. Sofort wurde er auf sein Zimmer gebracht und ärztlich versorgt. Keine Sekunde später stellte sich Dr. Wolf vor, der Levi ab diesen Tag an betreuen würde. Erwin trat aus dem Krankenzimmer, während Wolf mit Mara über die Untersuchungen, die er für den nächsten Tag plante, sprach. Maras Kopf rauchte, als der Arzt das Zimmer verließ. So viele neue Informationen, die sie verarbeiten musste. Allerdings verstand sie jetzt, wieso Erwin ihren Bruder unbedingt hier unterbringen wollte. Diese Klinik besaß ganz andere Möglichkeiten, als das städtische Krankenhaus. Eine dampfende Tasse Kaffee wurde ihr unter die Nase gehalten. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie Erwin zurückgekehrt war. „Danke“, sagte sie, als sie die Tasse entgegen nahm. „Und? Gefällt es dir?“, wollte er von ihr wissen und ließ sich auf einen gepolsterten Sessel nahe dem Fenster sinken. Maras Blick schweifte durch das modern und glanzvoll eingerichtete Einzelzimmer. „Ganz ehrlich?“, fragte sie, woraufhin Erwin nickte. „Es fehlt nur noch der Kronleuchter über dem Bett“, lachte sie auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)