Underworld II von Tomanto (Der Satansbraten) ================================================================================ Kapitel 16: Von Engeln und Blumen --------------------------------- ~ Hans' Sicht ~ Mary ist gerade dabei eine Kiste in den Flur zu tragen, die wohl ein bisschen zu schwer für ihre dünnen Arme ist. Wir sind dabei alte Sachen aus Klein Karens Kinderzimmer zu sortieren, für die sie keine Verwendung mehr hat. Naja, "wir" sei mal so dahingestellt. Ich liege auf der Couch und streichele meine Albinofledermaus, Simon. Mehr bleibt mir nicht übrig. »Schatz, lass mich dir helfen«, beschwichtige ich sie. Mary keucht aus Erleichterung, als sie die Kiste auf den Boden knallen lässt. »Auf keinen Fall«, meint sie und streckt den Rücken durch, »Du musst dich schonen! Du darfst keine schweren Sachen heben. Der Arzt hat gesagt-«. »Ich weiß, was der Arzt gesagt hat, aber ich kann dich das doch nicht alleine machen lassen«. »Hans, ich verstehe, dass du dich nur nützlich machen willst, jetzt da du mittlerweile fast ein Jahr lang krankgeschrieben bist und deine Arbeit das nicht gutheißt. Aber manchmal müssen wir akzeptieren, dass es nichts gibt, das wir tun können, so sehr wir das auch wollen«. Sie hat ja recht, auch wenn es vieles gibt, dass ich jetzt lieber tun will als rumzusitzen, abzuwarten und Medikamente zu nehmen. Ich bin froh, wenn ich mit meiner Tochter zum Kindergarten gehen und sie wieder abholen kann. Dann komme ich wenigstens ein bisschen aus dem Haus, ohne dass ich mir Sorgen um meine Gesundheit machen muss. »Es sind nur noch ein paar Wochen bis zum nächsten Termin, so lange musst du dich noch auskurieren. Und bis dahin darfst du nicht zu Luzifer«. »Ja ja«, murmele ich und kraule Simon das Köpfchen. Es ist schon viele Monate her, seit ich Luzifer das letzte Mal gesehen habe. Seitdem hat er sich nur selten gemeldet. Caren dafür aber öfter, hat mir Botschaften von ihm und von Helena ausrichten lassen. Ich habe mich daran gewöhnt wieder von ihm zu hören. Hätte er es nicht getan, dann wäre ich wohl ziemlich einsam gewesen. Manchmal lag ich lange wach und habe mit Luzifer gesprochen. Erst hatte ich einen Zimmergenossen, aber dann hat er darum gebeten woanders untergebracht zu werden, weil ihm mein Geflüster und die "Selbstgespräche" Angst gemacht haben. Zugegeben, das war schon witzig. »Unglaublich, dass du ihm immer noch nicht böse bist«, schnaubt Mary und klappt den alten Wickeltisch zusammen, der sich nicht falten lassen will, »Du bist vielleicht gutmütig und nicht nachtragend, aber wenn ich den in die Finger kriege dann -!«. »Mary, worüber haben wir gesprochen?«, tadele ich sie. »Ja ja«, sagt sie und klappt den Tisch zusammen. »Ich finde trotzdem, dass du zu schnell vergibst«. »Du magst vielleicht deinen Antrieb aus Wut ziehen, aber ich nicht. Ich war einfach nur verletzt, dass es passiert ist, aber deswegen hasse ich ihn nicht. Meine Gefühle sind dieselben. Außerdem haben wir darüber geredet und er hat sich entschuldigt«. »Das macht es nicht besser«. »Stimmt, das tut es nicht«, antworte ich streng und schaue ihr nach, »Aber es ist immer noch meine Entscheidung und ich erwarte, dass du sie respektierst. Ich habe dir alles gesagt, was ich sagen wollte und noch mehr. Es reicht jetzt, Mary. Ich will absolut nichts mehr darüber hören, genug ist genug. Hast du mich verstanden?«. Mary hält den Atem an und lässt nachdenklich die Hände über den eingeklappten Wickeltisch fahren. »Na gut..«, seufzt sie. »Tut mir leid. Ich höre auf«. ... Meine Güte, so streng habe ich ja noch nie mit ihr gesprochen. Mit niemandem. Das macht mir sogar Angst. Ich lächele sie freundlich an. »Hey.. Mach dir nicht so viele Sorgen. Von jetzt an fokussieren wir uns nur auf das, was vor uns liegt. Du wirst sehen, alles wird wieder besser werden. Ich versprech's. Bis dahin denken wir erst einmal positiv, ja?«. Sie lächelt in sich hinein. »Ich werd's versuchen«. »Siehste?«, heitere ich sie auf, »Das ist die Mary, in die ich mich verliebt habe«. Sie rollt mit den Augen, als wäre sie nicht gerade rot geworden. Ich würde gern aufstehen und ihre Sommersprossen mit Küsschen versehen, aber sie klemmt sich den Wickeltisch unter den Arm und trägt ihn sofort in den Keller. Es ist nicht leicht so bewegungseingeschränkt zu sein, dass ich nicht einmal aufspringen und Mary in die Arme schließen kann. Ich kann nur rumsitzen und nichts tun. Wie ätzend. Simon krabbelt auf meinen Bauch und schnuppert. Dann fiept er mich an. Wenn ich der Intuition einer Fledermaus vertrauen kann, dann würde ich sagen es bedeutet, dass Luzifer mich zu sich holt. Ich setze mich mühsam auf und schaue prüfend zur Kellertreppe. Soll ich Mary bescheid geben? Oder eine Nachricht hinterlassen? Ich stemme mich gerade hoch, da kommen auch schon die bekannten Flammen aus dem Siegel. »Luzifer..«, flüstere ich, »Ich weiß nicht, ob ich bereit bin dir gegenüber zu treten«. Die Flammen verschlingen mich und teleportieren mich fort. Ich tauche in Luzifers Gemach auf. Es sieht.. dekoriert aus. Ich trage keine Schuhe oder Socken, weswegen ich gespürt habe, dass ich auf etwas Seltsamem stehe. Ich schaue runter und sehe, unter meinen Füßen liegen rote Blüten auf dem Teppich. Ok, das ist ungewöhnlich. Ein Teufelsschweif streift meinen rechten Arm und eine Stimme erklingt über meiner linken Schulter. »Überrascht?«, fragt er, als er sich anschleicht. »Hallo, Luzifer«, begrüße ich ihn leise. »War ganz schön viel Aufwand. Nun, nicht für mich versteht sich hehe«. Ich schmunzele, erwidere aber nichts. »Endlich hab ich dich zurück«, sagt er und schlingt seine Arme um mich, »Verlass mich nie wieder, hörst du?«. Schweigend schaue ich weg. »Helena ist beschäftigt, sie wird uns nicht stören«, flüstert er und fährt zärtlich mit der Nasenspitze über meine Haut. Ich will seine Liebkosung genießen, aber.. ich kann nicht anders als angespannt reagieren. »Luzifer, ich kann das nicht«, seufze ich. Seine Berührung macht an meiner Schulter halt. Er zieht den losen Kragen meines Hemdes zur Seite. »Sind das.. Nähte?«. Ich nicke und wage es ihn anzusehen. Er sieht.. besorgt und traurig aus. »Dein Körper ist immer noch verwundet. Eins ist klar, das gibt Narben«. Er lässt mich los und ich atme auf. Er geht verzweifelt durchs Zimmer. »Bei meiner Hölle, ich habe dich völlig kaputt gemacht! Physisch und psychisch! Mein schöner Mensch..«. Ich ziehe mein Hemd zurecht und überlege was ich sagen könnte. »Ich wünschte auch, es könnte wieder so sein wie vorher«. Er hält inne und tippt sich ans Kinn. »Ist es das, was du willst?«. »Natürlich«. »Wenn das so ist, gibt es noch Hoffnung«, sagt er. »Wirklich? Wie?«. »Wirst du schon sehen«, er räuspert sich, »ALICE!«. Ungeduldig geht Luzifer vor mir auf und ab. Er schnippt mit den Fingern und zeigt lässig auf mein Hemd. »Ausziehen«. Das war eine klare Anweisung, die ich befolgen muss. Das sagt mir meine Intuition als Schüler von Caren, meiner Mentorin. Ich führe den Befehl aus und schon taucht Alice auf. »Ja, Eure Majestät?«, sagt sie tonlos. »Alice«, sagt Luzifer und reibt sich nachdenklich die Hände, »Du bist doch ein Engel, nicht wahr?«. »Ja«. »Und ich habe mich noch nicht an dir vergangen?«. »Nein, Eure Majestät«. »Gut«, sagt er und schiebt die überraschte Alice direkt vor mich, »Da. Mensch. Heilen. Jetzt«. »Äh, j-jawohl, Herr«. Alice legt ihre Hände behutsam auf meine Verletzungen. Diese beginnen kurz darauf hell zu glühen. Ich erinnere mich an das letzte Mal, als sie mich heilen musste. Da hatten wir ein nettes Gespräch geführt. Ich entscheide mich ihr zuzuflüstern. »Was wäre denn passiert, wenn er sich... du weißt schon.. an dir vergangen hätte?«. »Ich hätte meine heiligen Fähigkeiten verloren und wäre durch und durch verdorben«, flüstert sie zurück, »Du solltest froh sein, dass ich noch heilen kann. Dadurch, dass ich aus dem Himmel verbannt wurde, ist es mir strengstens verboten jemanden zu segnen«. »Warum das?«. »Die Segnung eines gefallenen, verbannten Engels ist unrein. Und dann ist der Gesegnete es auch«. Vorsichtig löst sie die Nähte mit Magie auf und schließt die Wunde oberhalb meines Schlüsselbeins. Ich mustere sie. Die Haut unter ihrem schwarzen Halsring sieht verbrannter aus als letztes Mal. Das war vorher nicht so. Wieso hat sie das nicht geheilt? Ist das Teil ihrer Strafe? »Was ist mit deinem Hals geschehen?«. Das Glühen ihrer Hände wird schwächer, als sie bedrückt die Brauen zusammenzieht. »Nicht jetzt«, flüstert sie und konzentriert sich wieder auf ihre Arbeit. Es dauert nicht lange, da sind alle Wunden und Beschwerden verschwunden, als wären sie nie da gewesen. Alice tritt zurück und ich begutachte das Ergebnis. »Hey, nichts tut mehr weh! Keine Spuren oder Kratzer!«. »Danke, Alice«, sagt Luzifer. Sie verneigt sich und verlässt das Gemach. Nanu, er hat sich bedankt. Gibt's ja nicht.. »Tja, bleibt nur noch eines zutun«, meint er und schaut mich mitfühlend an. »Ich werde damit leben müssen. Aber du musst es nicht, mein Süßer«. »Was meinst du?«, frage ich zaghaft. »Ich werde deine Gedanken an den Vorfall löschen. Dein Trauma muss auch weg«. »A-Aber, -«. »Keine Angst, es wird nicht wehtun«. Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und presst dann seinen Daumen an meine Stirn. Mit den Fingern seiner anderen Hand drückt er auf ausgewähle Fixpunkte des Siegels, welches nun aufleuchtet. »Warte Luzifer, ich muss dir etwas sa-«. »Amnesia«. Ich blinzele ein paar Male. Wow, was ist gerade geschehen? Alles sieht auf einmal so anders aus. »Warum habe ich kein Oberteil an?«, frage ich Luzifer. »Warum wohl? ~ «, antwortet er und zwinkert mir zu. Ich sehe mich um. Wie sind wir in sein Zimmer gekommen? Wann sind wir-? »Waren wir nicht gerade noch am Kekse essen??«. »Ja, und dann bist du kurz weggetreten. Um genau zu sein, fast ein Jahr lang«. »Echt?? So lange?!«. Ich fasse mir an die Stirn, auf der ein Druck liegt, der mir den Verstand vernebelt. Er hat recht, viele Monate sind vergangen bis zu diesem Punkt, ich kann es spüren. Was habe ich denn die ganze Zeit gemacht? Ich kann mich nur an kleine Dinge erinnern, alles andere, aber an eine wichtige Sache nicht. So sehr ich es auch versuche, ich komme nicht drauf. Bin ich dissoziiert? »Dann habe ich Klein Karens Geburtstag verpasst! U-Und Weihnachten!«, entgegne ich und ziehe mir mein Hemd wieder an. »Das ist nicht der einzige Geburtstag, den du verpasst hast«, sagt Luzifer und grinst. Ich blinzle verdutzt. »Wann hattest du denn Geburtstag? Und wie alt bist du eigentlich?«. »Du kennst meinen Geburtstag nicht, aber dafür den meines Großcousins? ¬_¬ «. »Luzifer!«, ruft Helena aus der Ferne, »Hilfst du mir mal eben? Au, hey!«. »Oh Mann..«, seufzt Luzifer, »MOMENT, BIN GLEICH DA SCHATZ«. »Vergiss es, ich komme zu dir!«, antwortet sie. »Ähhh, was ist denn sonst noch passiert, während ich weg war? Seit wann nennst du Helena bitte "Schatz"?«. »Wie gesagt, Karens Geburtstag ist nicht der einzige, den du verpasst hast«. Helena schreitet in den Raum. In den Armen hält sie etwas, das ich noch nie gesehen habe. Ein Dämonenbaby. Es sieht aus wie jedes andere Baby, nur hat es blutrote Haare und kleine Teufelshörner am Kopf, gleich geformt wie Lenas, allerdings ist sein linkes Horn weiß mit einem schwarzen Punkt und das rechte schwarz mit einem weißen Punkt. Auf der rechten Wange ist ein kleines Zeichen, das aussieht wie zwei liegende Dreiecke parallel voneinander. Am rechten Handgelenk ebenfalls. Sein schwarzer Schweif ist noch kurz und plump, der wird wohl länger und feiner werden, wenn es älter wird, und Flügelchen hat es auch. An der Spitze des Teufelsschweifs ist ebenfalls ein weißer Punkt. Moment mal... Helena... "Schatz"... Teufelsbaby..!!! :0 »WARTE. Weeeeer ist dAS?!«, frage ich und traue meinen Sinnen kaum. »Das ist mein Sohn, Dev«, sagt Luzifer stolz. »Ich glaube, er kommt ganz nach dir, Luzifer«, meint Helena und schaut auf ihr fröhliches Kind. »Ach, was redest du da? Sieh doch! Er hat dein Lächeln«. »Sei gegrüßt, Hans«, sagt Helena, »Wie ich sehe bist du wohlauf«. »Wow«, flüstere ich und schaue gebannt auf das Kind. Luzifer deutet mir an heranzutreten, und gibt mir die Erlaubnis es zu begutachten. »Das ist also ein Dämonenbaby.. Sowas sehe ich zum ersten Mal!«. Das Teufelchen starrt mir mit seinen großen goldenen Augen in die Seele. Dasselbe hatte meine Tochter getan, als sie noch ein Baby war. Nur bei diesem hier wirkt es ein bisschen einschüchternder. »Tja, Hans. Du bist der erste Mensch, den er sieht«, meint Luzifer. Der kleine Dev reckt sich aus den Armen seiner Mutter und gibt mir ein Küsschen auf die Nasenspitze. »D-Dev!«, flüstert Helena verlegen. »Äh, heh, Luzifer was passiert hier?«. Soll ich mich jetzt geehrt fühlen? Luzifer lehnt sich großzügig an mir an. »Wir Dämonen werden schon mit einem größeren Sexualtrieb geboren, mein Süßer«, raunt er in mein Ohr und leckt einmal kurz an meinem Tunnelpiercing. Das tut er nur, um mich verrückt zu machen! Sogleich lehne ich mich aus seiner Umklammerung raus. »Was ist? No kiss for the Devil? :( «. »So sehr mich deine Küsse auch anmachen, Luzifer. Aber Mary ist bestimmt schon sauer, dass ich wieder weg bin ohne ihr Bescheid zu sagen. Außerdem sind Kinder anwesend!«. »Also dann, war nett dich wiederzusehen, Hans. Komm schon, Luzifer. Schick ihn nach Hause«, sagt Helena und macht sich auf den Weg, »Ich erwarte dich beim Dinner, komm nicht zu spät«. »Jaja«, sagt Luzifer und schaut ihr lächelnd hinterher. Die Tür schließt sich hinter ihr und wir sind allein. Ein gemeines Funkeln liegt in Luzifers Augen, als er mich angrinst. »Uh oh«, murmele ich, da fällt er schon über mich her. Ich bin völlig überfordert, als er mich überall küsst und mir schon die Kleider vom Leib reißen will. »Helenaaaaa Hilfeee!«, rufe ich. Er kichert amüsiert. Dann treten blaue Flammen aus dem Siegel und hüllen mich ein. Luzifer lässt sofort von mir ab und ruft in Richtung Flur. »HELENAAAA! >:0«. Jetzt kichert sie amüsiert. »Lass mir meinen Hans da!«. »Hilf DU mir lieber Dev zu erziehen, dass er nicht beißen soll!«. »Ach ja, da war ja was..«. Das war das letzte, was ich gehört habe, bevor ich verschwand. Ich weiß zwar nicht, was hier abgeht, aber ich spüre tief in mir, dass ich ihn vermisst habe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)