Seduce Me! von Sky- (Drei sind (k)einer zu viel) ================================================================================ Kapitel 25: Extra: Chisako -------------------------- Die Befragung der Polizei und die Aufnahme der Personalien hatte sich eine gefühlte Ewigkeit lang hingezogen und als Chisako Amano auf die Straße trat, wurde sie nun endgültig von Erschöpfung übermannt. Insbesondere seelisch war die Erschöpfung groß und sie wollte einfach nur nach Hause. Diese beiden Polizisten hatten sie immer und immer wieder mit Fragen gelöchert und Chisako hatte gefühlte hundert Male dieselbe Geschichte erzählt. Sie hatte ohne Umschweife ausgesagt gehabt, dass ihr Ehemann Hinata geschlagen hatte. Man hatte sie nicht einmal unter Druck setzen müssen, damit sie ebenso von den Tritten erzählte und von dem Versuch, die vermeintliche Leiche ihres Sohnes in einen Müllsack zu stecken und ihn dann zu entsorgen. Sie hatte sofort zugegeben, dass sie zugesehen und nichts unternommen hatte, als ihrem Sohn der Arm gebrochen worden war oder er durch die Tritte gegen den Kopf schwer verletzt worden war. Dass ihr nun eine Anzeige und schlimmstenfalls eine Haftstrafe drohte, hatte sie hingenommen. Genauso wie sie so vieles in ihrem Leben hingenommen hatte, ohne sich zu wehren oder den Versuch zu machen, etwas zu ändern. Nein, das hatte sie schon sehr früh aufgegeben. Als Chisako die Straßen entlangging, um zu Fuß nach Hause zu gehen, dachte sie an Hiroshi und dass dieser Inspektor Kaburagi gesagt hatte, dass er eventuell lebenslänglich ins Gefängnis kam. Doch selbst da hatte sie keine sonderlichen Reaktionen gezeigt. So etwas war von ihr schon lange nicht mehr zu erwarten. Sie wusste selbst, dass ihr Herz kalt war. Nichts vermochte sie mehr sonderlich zu erschüttern oder zu erfreuen. Lediglich als sie gesehen hatte, wie sich ihr eigener Sohn gegen seinen Vater zur Wehr gesetzt hatte, als dieser ihn wie so oft schon gedemütigt und beschimpft hatte, war sie fassungslos gewesen und wusste nicht wirklich, was dazu geführt hatte, dass er sich so gegen seinen Vater auflehnte, obwohl doch von Anfang an klar gewesen war, dass es wieder eskalieren würde. Also warum hatte er das getan? Wieso hatte er nicht einfach klein bei gegeben und den Wünschen seines Vaters Folge geleistet? Dann wäre es doch nicht so weit gekommen. Sie dachte daran, was Hinata gesagt hatte. Er hatte es tatsächlich geschafft, Mangaka zu werden und war in einer homosexuellen Beziehung. Und er war einfach nach Tokyo gezogen, um Kunst zu studieren. Einfach unfassbar. Nach allem, was sein Vater ihm angetan hatte, hatte er trotzdem die Kraft gefunden, um zu rebellieren. Woher hatte er das nur? Von ihr jedenfalls nicht, Chisako hatte noch nie diesen Kampfgeist besessen, denn sie hatte schon als junges Mädchen gelernt, die Dinge so hinzunehmen wie sie waren. Sie hatte es damals hingenommen, als ihr Vater sie und ihre Mutter geschlagen hatte, wenn er wegen irgendetwas frustriert gewesen war. Und als ihr Vater sie angefasst hatte und ihre Mutter ihr keinen Glauben geschenkt hatte, genauso wie auch niemand anderes sonst, nicht einmal die Polizei, da hatte sie für sich erkannt gehabt, dass es sinnlos war, die Dinge ändern zu wollen. Niemand hatte ihr je geglaubt oder geholfen. Sie hatte es von ihren strengen Eltern schon früh eingetrichtert bekommen, dass sie, wenn sie mal heiraten sollte, den Worten ihres Mannes Folge zu leisten habe. Eine gute Ehefrau hatte ihrem Mann zu gehorchen und keine Widerworte zu leisten. Das war ihr immer und immer wieder gepredigt worden. Und nachdem sie während ihrer Jugendzeit immer wieder von ihrem Vater geschlagen und angefasst worden war, war etwas in ihr gestorben und danach waren auch ihre Gefühle im Allgemeinen abgestumpft. Als sie Hiroshi kennen lernte, waren ihre Gefühle nie sonderlich tief gegangen und sie hatte auch nie vorgehabt, eine ernste Beziehung mit ihm anzufangen. Als sie aber dann von ihm geschwängert worden war, hatten ihre konservativen Eltern sie zur Heirat gezwungen und Chisako hatte gehorcht wie eine gute Tochter ihren Eltern nun mal gehorchte und hatte Hiroshi geheiratet. Als sie ihren Job als Verkäuferin in einer Boutique aufgrund ihrer Schwangerschaft verlor und Hiroshi sie das erste Mal schlug und sie als unfähige dumme Schlampe bezeichnete, hatte sie nichts gesagt und es einfach akzeptiert. Auch als er ihr bei einem weiteren Ausraster die Nase und zwei Finger brach, erstattete sie keine Anzeige, noch verlor sie ein Wort darüber. Manche Dinge waren halt so, dachte sie sich in solchen Momenten. Chisakos Seele verödete im wahrsten Sinne des Wortes und mit den Jahren vereiste ihr Herz immer mehr. Sie arrangierte sich wirklich mit allen Dingen, die ihr widerfuhren und so empfand sie weder Hass, noch aufrichtige Liebe für ihren Mann. Ihr Pflichtgefühl als gute und gehorsame Ehefrau zwang sie dazu, bei Hiroshi zu bleiben und die Schläge und Demütigungen zu akzeptieren, die mit der Zeit immer schlimmer wurden. Sie selbst empfand ihren Mangel an tieferen Emotionen als nicht wirklich besorgniserregend oder schlimm. Nein, sie sagte sich einfach, dass es nun mal das Leben war, welches ihr vorherbestimmt war. So hatte sie ihr Leben ohne ein großes Ziel und ohne sonderliche Zukunftspläne gelebt. Und als Hiroshi sie nach einem Saufgelage ans Bett fesselte und vergewaltigte und sie danach nicht einmal weinte, sondern für sich selbst still und ohne Theater selbst diese Erniedrigung akzeptierte, hatte sie für sich selbst erkennen müssen, dass sie sich aufgegeben hatte. Und nicht nur sich selbst, sondern eigentlich ihr ganzes Leben. Das Leben bestand für sie im Grunde nur noch daraus, ihre Pflichten zu erfüllen, die von ihr verlangt wurden und dann auf das Ende zu warten, egal wie es auch aussehen mochte. Ob Hiroshi entweder an einem Herzinfarkt starb oder betrunken vors Auto lief, sie von ihm im Zorn erschlagen wurde oder selbst an irgendeinem Leiden verreckte oder im hohen Alter starb. Was soll’s… Sie hatte es schon vor langer Zeit aufgegeben, etwas vom Leben zu erwarten. Die Dinge zu akzeptieren wie sie waren, das war für sie der einzige Weg gewesen, selbst die schlimmsten Demütigungen und Schmerzen zu ertragen, ohne verrückt zu werden oder selber die Beherrschung zu verlieren. Somit waren nicht einmal mehr die Vergewaltigungen ihres Ehemannes schlimm für sie gewesen. Sie hatte nie darüber gesprochen, nicht einmal vor der Polizei, sondern es einfach für sich behalten und sich gedacht, dass das Leben nun mal so wäre und sie nichts anderes zu erwarten hätte. Als Hinata auf die Welt kam, wurde ihr das Ausmaß ihrer seelischen Verarmung im vollen Umfang bewusst, als sie dieses weinende Baby im Arm hielt und es nicht lieben konnte. Es schrie und alles, was sie empfand, war der Ärger darüber, dass es nicht endlich zu schreien aufhörte. Doch sie ging trotzdem ihrer Pflicht als Mutter nach, so wie es in ihrem konservativen Elternhaus stets verlangt worden war. Sie fütterte und wickelte das Kind, aber das war auch schon alles. Liebe konnte sie ihm keine schenken. Sie hätte es nicht mal mit jemand anderem gekonnt. Als Hinata älter wurde und Hiroshi den Entschluss fasste, aus ihm einen Anwalt zu machen, unterstützte Chisako pflichtbewusst dieses Vorhaben und ließ ihren Ehemann die strengen und grausamen Bestrafungen durchführen, wenn ihr Sohn ihn enttäuschte. Beschützt hatte sie ihr Kind nie. Sie sah sich in erster Linie als gute Ehefrau verpflichtet, alles zu tun, was ihr Mann verlangte. So war sie erzogen worden, so hatte sie es nicht anders gelernt. Und so hatte sie es auch akzeptiert. Wenn Hinata weinend zu ihr kam und Trost bei ihr suchte, empfand Chisako weder Liebe noch Mitleid für ihr Kind, welchem sie das Leben geschenkt hatte. Emotional konnte sie einfach keine Bindung zu ihm aufbauen. Darum war auch das Einzige, was sie in diesen Momenten sagte „Wenn du dich mehr anstrengen würdest, dann müsste dein Vater dich auch nicht bestrafen.“ Sie hatte erwartet, dass auch er lernte, die Dinge so zu akzeptieren wie sie waren. Es wäre das Beste für ihn gewesen. Und doch hatte er es nicht getan. Er hatte sich dem Zwang seines Vaters entzogen und war seinen eigenen Weg gegangen. Er hatte im Gegensatz zu ihr dieses Leben nicht akzeptiert, sondern für ein besseres Leben gekämpft. Doch der Gedanke daran, es ihm gleich zu tun, kam ihr nicht. Sie fragte sich nur, was sie in ihrer Rolle als Mutter falsch gemacht hatte, dass sie so sehr versagt hatte, dass ihr Sohn nicht gelernt hatte, gehorsam zu sein und es ihr gleich zu tun. Als Chisako ihr Wohnviertel erreichte, stand dort auch schon eine Gruppe Frauen ihres Alters zusammen und redeten miteinander. Sie kannte diese Frauen, es waren Nachbarinnen, die sich oft zum Tratschen trafen. Als sie an ihnen vorbei ging, rief Sachiko Takada, die selbst Mutter zweier Kinder war „Schämen Sie sich eigentlich nicht, mit einem solchen Mann verheiratet zu sein, der sein Kind fast totgetreten hat? Eine Rabenmutter sind Sie!“ Chisako reagierte nicht darauf und ging einfach weiter. Es war ihr gleich, was diese Frauen da über sie erzählten. Sie hatte sich aus ihrer eigenen Hinsicht eigentlich nichts vorzuwerfen, denn sie hatte ihr Kind auf die Weise erzogen, wie sie es für richtig erachtet hatte. War es denn ihre Schuld, dass sie außer Stande war, eine emotionale Bindung zu ihrem Sohn aufbauen zu können und dass es ihr deshalb auch nicht wehgetan hatte, mit anzusehen, wie Hinata fast totgetreten worden war? Sie hatte alles in ihrer Macht stehende getan, um ihren Sohn anständig zu erziehen und dass sie gescheitert war, lag nicht an ihr. Ihr Sohn war eben nicht wie sie. Er hatte seinen eigenen Kopf und er war halt hoffnungslos, so zumindest war ihre Sichtweise. Als sie in die Wohnung eintrat und sie sich erinnerte, dass sie von nun an ganz alleine hier leben würde, kam ihr die Frage auf, wie es denn jetzt weitergehen sollte. Sollte sie fortgehen und einen Neuanfang machen? Wo sollte sie denn schon hin und was sollte sie denn jetzt noch einen Neuanfang machen? Sie war schon über die vierzig drüber. Für einen Neuanfang war es schon zu spät. In diesem Alter würde sie keinen Mann mehr finden und für eine berufliche Neuorientierung oder Weiterbildung war es ebenfalls schon zu spät. Außerdem würde sie wahrscheinlich sowieso eine Freiheitsstrafe verbüßen müssen, da würde es sich auch nicht lohnen, nach einem Job zu suchen. Sie würde einfach warten, bis die Gerichtsverhandlung beginnen und sie ihre Strafe bekommen würde. Sie würde das Urteil hinnehmen, egal wie es ausfiel und dann sehen wie es weiterging. So und nicht anders würde es aussehen. Darum hatte sie auch keinerlei Ambitionen, noch überhaupt etwas aus ihrem Leben zu machen oder die Chance zu nutzen, um von den Fesseln ihrer Ehe loszukommen. So wie es aussah, würde Hiroshi sowieso nicht so schnell aus dem Gefängnis rauskommen. Das Einzige, was sie sich noch vorstellen konnte war, nach dem Verbüßen ihrer Strafe einen Job als Putzfrau zu suchen, denn keiner würde eine vorbestrafte Frau als Verkäuferin einstellen, eine kleine Wohnung beziehen und Hiroshi im Gefängnis besuchen, wie es von einer guten Ehefrau erwartet wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)