Ohne Moos nix los von Trinculo (Geld ist nichts. Aber viel Geld, das ist etwas anderes.) ================================================================================ Kapitel 6: Po-po-po-pokerface ----------------------------- Wie sich herausstellte, war Belphegor kein guter Pokerspieler. Es bedurfte mehreren vernichtenden Niederlagen und Massen an abfälligen Kommentaren seines Kollegen, um ihn davon zu überzeugen, dass sein Pokerface mehr als dürftig war.   „Bel-Senpai, also ich weiß nicht. Du bist so leicht zu durchschauen, da könnte man auch eine Eisstatue spielen lassen“, meinte Fran gelangweilt. „Die würde wenigstens nicht bei jedem guten Blatt grinsen, als hätte sie Zahnstocher hochkant im Gebiss stecken.“ „Halt den Mund, Frosch. Ich erhöhe.“ Chips klimperten auf das grünen Filz. Kaum war die Runde vorbei, schon waren sie von Bels Haufen verschwunden und auf einen der Gegner gewandert. Das Geld, das zuvor wie von Geisterhand auf dem Varia-Konto aufgetaucht war, hatte sich schon lange wieder in Luft aufgelöst. „Schi.“ Er war nicht begeistert.   Fran blickte emotionslos in die Runde. Um den Tisch saßen, Bel nicht mitgezählt, vier weitere Mitspieler: Ein magerer, hochgeschossener Kerl mit Nickelbrille und einem extrem glattgebügelten Nadelstreifenanzug, der ihn irgendwie zweidimensional erscheinen ließ (Fran taufte ihn heimlich 'Strich in der Landschaft'), ein verwahrloster, adipöser Schmandi mit einer Zigarre so dick wie eine Dose Pringles (Fran nannte ihn 'Mr. Meatball'), eine pferdegesichtige Frau, die ihre besten Jahre schon lange hinter sich hatte (sie trug jetzt den liebevollen Beinamen 'alte Trulla') und der Koloss, der sie vorhin über das Spiel informiert hatte ('der menschliche Schrank').   Eine interessante Gruppe.   „Spiel du doch, wenn du meinst, du könntest es besser. Das will ich sehen, unverschämter Glitschfrosch.“ Bel warf die Karten auf den Tisch. Seine Tonlage ließ vermuten, dass er viel lieber alle Anwesenden abgestochen und das Geld so mitgenommen hätte. Aber das wäre feige, und Fran würde ihm das bis in alle Ewigkeit nachtragen. Da hatte er definitiv keinen Nerv für.   Der Illusionist zuckte mit den Schultern. „Wenn du unbedingt willst, dass ich dich mit meinem umwerfenden Pokertalent auf die Knochen blamiere, bitte sehr.“ „Quatsch nicht“, grummelte Bel und räumte seinen Platz. „Noch so ein dummer Spruch und ich häute dich.“   Die Runde begann. Karten wurden ausgeteilt; jeder guckte stumm in sein Blatt, schätzte seine Gewinnchancen ab, bestimmte seinen Einsatz. Strich in der Landschaft begutachtete den Neueinsteiger mit dem albernen Froschhut misstrauisch, schien aber bald zu dem Schluss zu kommen, dass von ihm keine ernstzunehmende Gefahr ausging.   Großer Fehler, dachte Bel.   Er würde es zwar nie laut zugeben, aber Fran hatte einen gewaltigen Vorteil bei diesem Spiel – er brauchte kein Pokerface. Seine blöde Visage war immer blank wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. Manchmal fragte sich Bel sogar, ob der dämliche Frosch überhaupt Gesichtsmuskeln besaß – wahrscheinlich nicht. Tja, vielleicht barg Fran ja noch die ein oder andere Überraschung, wer konnte es wissen?   Und Bel hatte tatsächlich Recht - Fran war durchaus für die ein- oder andere Überraschung gut. Auch dieses Mal. Er starrte eine Weile konzentriert in seine Karten, bevor er sich zu dem Prinzen umdrehte. „Du, Senpai - wie spielt man dieses Spiel?“     * * * * *       Nach dem Desaster mit dem Vorstellungsgespräch im Host-Café nahm Squalo die Zügel in die Hand. Das war zum Glück nicht mehr schwer, denn Lussuria war dank seines alkoholisierten und demoralisierten Zustandes mit ein wenig roher Gewalt leicht zu überzeugen.   Squalo hatte genug von all dem albernen Herumgerenne. Und arbeiten kam für ihn auch nicht in Frage, auf gar keinen Fall. Er wollte einfach nur Geld scheffeln, es Xanxus an die Birne werfen und dann ab ins Bett und nie wieder an diese Geschichte zurückdenken.   Also hatte er in den zwei Minuten Fußmarsch, die sie vom Café bis zur städtischen Bank brauchten, einen perfiden Plan ausgeheckt, der unglaublich viel Feingefühl und taktisches Denken voraussetzte: Sie würden die Bank überfallen, massenhaft Scheine in Säcke stopfen und Fersengeld geben (ha, get it?), bevor die Polizei auch nur Wind davon bekam. Sie wurden eh schon aufgrund unautorisiertem Auseinandernehmens einer gastronomischen Einrichtung gesucht, also was sollte es?   Das war ein so simpler Plan, das selbst ein dusseliger Stümper wie Lussuria ihn nicht vergeigen konnte. Vorausgesetzt natürlich, er erfüllte seine Aufgabe. Er sollte die Wachmänner vor der Bank ablenken, während Squalo hinein spazierte, ein paar Geldautomaten in zwei Hälften schnitt, um seine Machtposition zu demonstrieren (und nebenbei seine angestauten Aggressionen auszulassen) und dann so lange mit seinem Schwert vor den Nasen der Angestellten herumfuchtelte, bis sie das Geld rausrückten.   Squalos einzige Sorge war, dass Lussuria im Stehen einschlief, bevor er sein Ablenkungsmanöver starten konnte (der Kerl vertrug absolut keinen Alkohol, was häufig dazu führte, dass er auf der Stelle einratzte und nicht mehr wach zu kriegen war) - doch dies stellte sich als völlig unbegründet heraus.   Stattdessen war Lussuria eher übermotiviert, denn für seine Show stibitzte er sich allen ernstes aus dem Kramsladen auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Hularock und ein Dutzend Blumenketten aus augenkrebserregend leuchtendem Plastik, mit denen er seinen 'Traumbody' behängte und vor den Überwachungskameras der Bank herumtanzte, bis die Wachen ihn aus dem Verkehr zogen.   Das alles konnte Squalo über die Sicherheitsmonitore im Vorraum des riesigen Tresors beobachten. Man konnte sich vorstellen, dass er in diesem Moment nicht sehr gut auf Lussuria zu sprechen war. (Eine maßlose Untertreibung. Er hatte nicht übel Lust, dem Idioten den Kopf abzureißen und an der anderen Seite seines Körpers wieder anzunähen - Aber naja, lassen wir das.) „MHEEY! PACKT DIE KOHLE IN DEN SACK DA, ABER DALLI! ICH HAB NICHT DEN GANZEN VERFLUCHTEN TAG ZEIT!“ Eine Handvoll verstörter Bankangestellter wuselten um den Tresor herum und schleppte Päckchen mit Geldscheinen hinaus. Sie versenkten sie in dem Sack zu Squalos Füßen, während sie die Klinge, die anstatt seines linken Arms bedrohlich funkelnd aus seinem Ärmel hervorragte, mit respektvollem Abstand beäugten. „HOPP HOPP! ODER WOLLT IHR, DASS ICH EUCH EINEN KOPF KÜRZER MACHE?“ Die Leute gingen mit noch mehr Elan zur Sache, sofern das überhaupt möglich war. Bald quoll der Sack über vor Geld. Das sollte ja wohl fürs erste genug sein, um Xanxus' schier unstillbaren Appetit zu sättigen, oder? „Squuu-saaaan!“ Ugh, was war denn jetzt schon wieder los? Genervt wandte Squalo sich den Monitoren zu – und erstarrte. Lussuria war unter einem Haufen uniformierter Wachmänner begraben, die ihn mit aller Kraft zu Boden drückten. Was bei seinem albernen Gezappel wohl nicht ganz einfach war. „MHEEEY! LUSSURIA, WAS MACHST DU DENN SCHON WIEDER?!“ Gut, das war dann wohl sein Signal zum Aufbruch. Er schubste kurz entschlossen die Bankangestellten aus dem Weg, packte den Sack, schwang ihn sich über die Schulter und polterte aus dem Raum zurück in die Schalterhalle der Bank.   Dort erwartete ihn eine Überraschung. Oder streng genommen auch wieder nicht, denn mit dem Auftauchen der Polizei hätte man bei dem Aufstand, den die beiden Varia veranstaltet hatten, nun wirklich rechnen können. Squalo stürmte einfach geradewegs weiter, ohne sich um die vierzig Beamten, allesamt bewaffnet, zu kümmern. Stattdessen zog er seine Boxwaffe aus der Tasche und rammte seinen Ring hinein. „AUS DEM WEG, IHR DUMMBEUTEL!“ Blaues Licht ergoss sich aus der Box, und ein gigantischer, weißer Hai fegte plötzlich über die Köpfe der Polizisten hinweg. „SQUALO GRANDE PIOGGIA!“   Teile der Marmorsäulen und der Decke regneten in die Halle hinab, als die Heckflosse des Tieres ausschlug und die Halle halb in Schutt und Asche legte. Die Polizisten gerieten völlig in Panik und stoben kreischend auseinander, sodass Squalo einfach hinaus spazieren konnte. Vor der Bank parkten die Einsatzwagen mit Blaulicht, von denen er erst einmal die nächsten drei mit seinem Schwert zerhackte und die Teile in Richtung der herannahenden Verstärkung schleuderte. Eine Massenkarambolage mitten auf der Hauptstraße war die Folge.   „GESCHIEHT EUCH RECHT!“, donnerte er und wandte sich vor dem großen Eingangsportal nach rechts, wo er Lussurias Aufenthaltsort vermutete. Tatsächlich war er nicht schwer zu finden, denn das laute „Ich LIEBE Männer in Uniform!“ wies ihm schon von Weitem den Weg. Als er ankam, fand er einen Haufen ausgeknockter Gesetzeshüter vor, die sich mit Armen und Beinen ineinander verknotet hatten. Das ganze wurde von künstlichen Blumenketten zusammengehalten. Neben dem Berg lag Lussuria, knuddelte ein nicht zuzuordnendes Paar Beine und schnarchte selig vor sich hin.   Na toll. Jetzt war er doch noch eingeschlafen. Perfektes Timing. Squalo schrie ein paar Mal kräftig in sein Ohr, aber es hatte keinen Zweck. Der ratzte wie ein Murmeltier im Winterschlaf. Nachdem er den Gedanken, Lussuria einfach hier verrotten zu lassen, schweren Herzens wieder verdrängt hatte, warf er sich ihn einfach über die noch freie Schulter, ließ Squalo Grande Piogga noch ein paar Polizeiautos zum Mittagessen verspeisen und machte sich dann flugs aus dem Staub, bevor noch das Militär anrückte.       * * * * *       Levi A Than hatte endlich einmal Zeit zum Durchatmen. Vielleicht gefiel ihm gerade deswegen dieser Job von den bisherigen am wenigsten – auf den Verkehrsfluss hatte er nämlich keine Einwirkungsmöglichkeiten. Wenn die Ampel rot war, war sie rot. Da konnte Levi schreien, zetern, mit Regenschirmen werfen und sie eine sture Kackleuchte nennen, so viel er wollte.   Durchatmen hatte einen entscheidenden Nachteil: Der Pizzaduft von seiner Lieferung stieg ihm in die Nase und brachte seinen Magen dazu, lauter zu knurren als Bester mit einem Megaphon.   Levi war eigentlich recht zufrieden mit sich. Den ganzen Tag hatte er geschuftet – da musste doch eine ganze Menge Kohle bei zusammen gekommen sein. Der Boss wäre mit Sicherheit stolz auf ihn!   Tja, wenn er sich da mal nicht irrte...       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)