Mörderische Goldgier von Anmiwin ("Geliebter Blutsbruder"- Teil II) ================================================================================ Kapitel 45: Aufgeflogen? ------------------------ Ich kann beim besten Willen nicht mehr sagen, wie viel Zeit eigentlich vergangen war, seitdem uns der Schlaf aufgrund unserer völligen Erschöpfung übermannt hatte, aber allzu lange konnte es noch nicht her gewesen sein. Es war noch hell, als ich langsam wieder in die Wirklichkeit zurückfand und schwerfällig die Augen öffnete. Erst erstaunt, dann hocherfreut und schließlich einfach nur selig registrierte ich, wo – und vor allem in welcher Lage – ich mich befand und wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als diesen Zustand für immer festhalten zu können. Gleichzeitig wurde ich mir meiner inneren Glückseligkeit und dem seltsamen Gefühl einer wundervollen Schwerelosigkeit bewusst – beinahe war es mir, als ob ich fliegen würde! In diesem Augenblick schwebte ich einfach nur zeitlos, sorglos, ziellos dahin, erfüllt von irrsinniger Freude und allerhöchstem Glück – was da eben zwischen uns geschehen war, hatte unsere Beziehung, unsere Freundschaft, unsere Liebe gewissermaßen vollendet und komplettiert, und diese Erkenntnis fühlte sich so unsagbar gut, so wundervoll und vor allem so richtig an, dass es mein Herz fast schon schmerzhaft zusammenzog. Immer noch lag ich schwer auf meinem Freund und wollte deshalb seinem abgemagerten Körper die Lage nun etwas erleichtern. Äußerst vorsichtig, Millimeter für Millimeter, begann ich mich aus ihm zurückzuziehen, ganz langsam, um ihn bloß nicht zu wecken, doch das war natürlich nur ein frommer Wunsch – er erwachte noch in derselben Sekunde. Seine Muskeln zogen sich minimal zusammen, als er sich während des Erwachens etwas bewegte, doch diese kurze Reizung wurde von meinem immer noch leicht versteiften Schaft sofort lustvoll erwidert, was meinem Freund im gleichen Augenblick ein leises Stöhnen entlockte. Wir sahen uns tief in die Augen, beide mit einem leisen Lächeln auf den Lippen – und dann schlangen wir die Arme umeinander, pressten unsere Körper fest aneinander, so fest es nur ging, und hielten uns auf diese Weise eine kleine Ewigkeit lang umarmt. Ich konnte allerdings der Versuchung irgendwann nicht mehr widerstehen und begann deshalb, mich in ihm wieder ganz leise zu bewegen, was uns beide im gleichen Moment vor Lust aufkeuchen ließ, doch ich spürte schnell, dass ich noch viel zu erschöpft war, um jetzt sofort wieder aktiv werden zu können. Auch Winnetou schien es nicht anders zu ergehen, denn nach wenigen Sekunden legten sich seine Hände auf meine Hüften und verhinderten durch festes Zupacken jede weitere Bewegung meinerseits. „Winnetou würde gern noch ein wenig ruhen“, flüsterte er in mein Ohr, und in mich hinein grinsend zog ich ihn daraufhin nur noch fester in meine Arme. „Ich jedenfalls bewege mich hier niemals wieder weg“, behauptete ich mit gespieltem Nachdruck, woraufhin er leise zu lachen begann. „Mit der Zeit würde uns das aber sicher in große Schwierigkeiten bringen“, stellte er mit einem nicht gerade erfolgreich unterdrücktem Glucksen in der Stimme fest. „Mir egal!“ Mein Grinsen wurde noch ein wenig breiter, und dann setzte ich noch eins drauf: „Das hier könnte ich sowieso mindestens eine ganze Woche lang ständig wiederholen!“ Jetzt begann mein Freund tatsächlich sogar richtig herzhaft zu lachen, und es dauerte eine Weile, bis er mühsam herauspressen konnte: „DAS würde Winnetou aber bestimmt nicht überleben!“ Nun brachen bei uns alle Dämme – und ich schwöre, dass ich meinen Winnetou noch niemals so laut und so befreit habe lachen hören! Wir befanden uns in einer völlig entspannten, gelösten und friedvollen Stimmung, und dieser Moment war einfach nur für die Ewigkeit geschaffen! Die unaufhaltsamen Heiterkeitsausbrüche ließen unsere Körper immer wieder erbeben, und in unserer weiterhin miteinander verschmolzenen Lage erzeugte jede noch so minimale Bewegung erneut ein intensives Lustgefühl. Unser Lachen erstarb daher schnell, und am liebsten wären wir sofort wieder dem beinahe übermächtigen Drang nachgekommen, das Geschehene zu wiederholen, aber wir spürten beide, dass wir dazu einfach noch viel zu erschöpft waren. Also begnügten wir uns mit ganz sanften und ruhigen Bewegungen, die uns bald in einen Zustand des unendlichen lustvollen Wohlgefühls katapultierten, ohne uns zu überanstrengen. Dieses Gefühl der vollendeten Vereinigung mit dem Menschen, den ich von ganzen Herzen liebte, das Wissen, von ihm so eng umfangen zu werden, diese innige Verbundenheit unserer Seelen und jetzt endlich auch unserer Körper war so intensiv, so einzigartig schön, dass mir beinahe die Tränen kamen. Und wieder wünschte ich mir, diese kostbaren Augenblicke für immer und ewig festhalten zu dürfen! Viele tausend kleine Unendlichkeiten später zog ich mich aber dann doch vorsichtig aus ihm zurück und umschlang meinen Freund, so fest ich nur konnte. „Wir gehören zusammen“, flüsterte ich ihm ins Ohr. „Auf ewig“, ergänzte er ebenso leise, mit einem überaus glückseligen Ausdruck im Gesicht. Wohlig seufzend schmiegte ich nun mein Gesicht an seine Halsbeuge und gab mich ganz dem wunderbaren Gefühl hin, unsere Liebe endlich einmal wieder völlig entspannt genießen zu dürfen, ganz ohne die in der Vergangenheit ständig vorhanden gewesene Angst, von den Gefährten durch Zufall entdeckt werden zu können. Stumm lagen wir über eine lange Zeit so ineinander verschlungen, bis Winnetou mit einem Mal wieder das Wort ergriff. „Warum war mein Bruder vor einigen Tagen auf einmal so besorgt um Winnetou – wirklich nur aufgrund unserer geplanten Reise?“ Etwas irritiert richtete ich mich leicht auf und sah ihn an. An diese kurze Szene vom Tag unserer Ankunft im Pueblo erinnerte er sich noch? Obwohl er da schon unter hohem Fieber gelitten hatte? Seine dunklen Augen ruhten voller Wärme auf mir, aber der fragende Ausdruck in ihnen war nicht zu übersehen. Und natürlich – im Grunde genommen war es auch nur recht und billig, dass er über meine Bedenken informiert wurde, er musste schließlich wissen, was genau in Deutschland auf ihn zukommen könnte. Daher fackelte ich jetzt auch nicht lange, strich ihm leise über die Wange und sah ihn liebevoll an, während ich mit meiner Erklärung begann: „Ich habe dich damals inmitten der innigen Umarmung deines Volkes gesehen und beobachtet – und mit einem Mal drängte sich mir die Frage auf, ob es wirklich richtig und sinnvoll ist, dich aus deiner gewohnten Umgebung herauszureißen. Du musst dich schließlich in einem dir völlig fremden Land zurechtfinden, und dort könnte dir schnell die heimatliche Landschaft fehlen...“ „Aber Winnetou ist doch dort nicht alleine! Mit dir an meiner Seite werde ich mich überall zurechtfinden. Scharlih – DU bist meine Heimat! In deiner Gegenwart kann mir gar nichts fehlen!“ Das war mal wieder eine solch rührende Liebeserklärung meines Winnetou, so voller Vertrauen zu mir, dass es bei mir schon wieder verdächtig hinter den Augenlidern brannte. Mein Herz floss über vor Liebe zu ihm, so dass ich jetzt gar nicht anders konnte als ihm einen liebevollen Kuss auf die Stirn zu geben, aber dann brachte ich ihm trotzdem noch meine restlichen Bedenken nahe: „Aber werden die Mauern der meist recht kleinen Häuser und der großen Städte dich nicht einengen, dir nicht das Gefühl des Eingesperrtseins vermitteln? Vielleicht sehnst du dich nach kurzer Zeit schon so sehr nach den unendlichen Weiten der Prärie, dass diese Sehnsucht dich noch kränker macht und eine vollkommene Heilung erst gar nicht zulässt? Und außerdem... ich werde natürlich alles dafür tun, dass du dich dort wohlfühlst – aber ich kann meine Landsleute nicht beeinflussen, vor allem dann nicht, wenn sie mir selbst fremd sind... ich habe Sorge, dass es prüfende, vielleicht sogar manchmal abweisende Blicke geben könnten, die dir schnell zu viel werden und dich zu sehr kränken könnten!“ Mein Blutsbruder sah mich jetzt eine kleine Weile nachdenklich an, bevor er antwortete: „Müssen wir uns denn stets und ausschließlich in den Städten deiner Heimat aufhalten?“ Dieser Gedanke war mir zwar auch schon mal in ähnlicher Form gekommen, aber ich hatte ihn nie bis zum Ende verfolgt. Jetzt aber... sicher, ich hatte mir schon so einige Pläne für Winnetous Besuch gemacht und mir dabei viele Orte und Sehenswürdigkeiten in Deutschland überlegt, die ihn interessieren könnten. Ich hatte vorgehabt, ihm soviel wie möglich von unserer Kultur nahezubringen – aber war das denn überhaupt nötig? Ganz plötzlich erschien ein völlig anderes Bild vor meinem inneren Auge, eine neue Perspektive, die jetzt auch schnell Gestalt annahm... ja, so könnte es gehen... Winnetou hatte mein Mienenspiel aufmerksam verfolgt, und jetzt huschte ein kleines Lächeln über sein Gesicht. „Mein Bruder hat eine Möglichkeit gefunden?“ „Ja, ich denke schon“, antwortete ich und zog ihn abermals fest in meine Arme. „Nichts und niemand wird dich auf dieser Reise in irgendeiner Hinsicht je verletzen können, weder deinen Körper noch deine Seele – dafür werde ich mit allen Mitteln sorgen!“ „Davon ist Winnetou überzeugt“, antwortete mein Freund, in dessen Augen sich ein gerührtes Funkeln geschlichen hatte. „Aber mein Bruder darf sich nicht solche Sorgen um seinen Freund machen – dieser wird sich von den lächerlichen Blicken einiger dummer Menschen bestimmt nicht verscheuchen lassen!“ Leise lachte ich in mich hinein, während ich ihn noch fester an mich drückte. Ich hatte seinen Wink natürlich verstanden und antwortete darum: „Und ich werde mich zumindest bemühen, dir auf jeden Fall genügend Freiraum zu lassen – versprochen!“ Auch Winnetou begann jetzt wieder in seiner leisen, nach innen gerichteten Art zu lachen, während er meine Umarmung ebenso fest erwiderte. Er war so gelöst, so entspannt, so wunderbar fröhlich, wie ich ihn wirklich nur äußerst selten erlebt hatte – und in solch einer Stimmung hatte ich ihn vor meiner Rückkehr nach Amerika überhaupt noch nie gesehen. Mir war bewusst, dass vor allem die neue Ebene unserer tiefen Liebe zueinander in meinem Freund jene positive Veränderung ausgelöst hatte – genauso wie ihn mit Sicherheit auch der kurze Kontakt mit dem Jenseits in diese Richtung geprägt hatte – und in solch kostbaren Momenten wie genau jetzt schwor ich mir ein weiteres Mal, dass ich alles daransetzen wollte, um Winnetous immer öfter hervortretende und so anrührende Heiterkeit nie wieder in die durch Verrat, Hass, Hinterlist und Mord verursachten dunklen Schatten seiner Seele verschwinden sehen zu müssen! Wir verblieben aber nicht mehr lange in dieser innigen Umarmung. Mittlerweile hatten sich unsere Körper wieder erholt und wiesen nun erneut deutliche Zeichen auf, dass die Begierde auf den anderen ein weiteres Mal entfacht worden war. Und nun, wo wir erfahren hatten, wie wir unsere Lust, unsere Leidenschaft sogar noch einmal steigern konnten, gab es auch kein Halten mehr – abermals verschmolz ich mit meinem Geliebten, abermals ließen wir unseren Gefühlen freien Lauf, so heftig, so unglaublich intensiv, dass ich am Ende tatsächlich Mühe hatte, überhaupt wieder zu Atem zu kommen. Die Nacht verbrachten wir dann auch mehr oder weniger gezwungenermaßen in der Höhle, denn wir waren kaum noch zu einer Bewegung fähig, geschweige denn zu einem Jagdausflug! *** ************************** Entwarnung! ********************************* *** Zum Glück hatten wir die Gefährten im Pueblo vorgewarnt, dass sich dieser Ausflug auch über zwei Tage hinziehen könnte, sollten wir am ersten Tag keinen Erfolg haben – und den hatten wir zumindest in dieser Hinsicht wirklich nicht gehabt. Der nächste Tag brachte uns dann aber doch gute und reichliche Beute, so dass wir höchst zufrieden heimkehrten, wobei ich mich allerdings schwer zusammenreißen musste, um meine gute Laune nicht zu auffällig werden zu lassen. Ich hatte das Gefühl, die ganze Welt umarmen zu wollen und bekam mein Grinsen auch kaum mehr aus dem Gesicht. Winnetou hatte sich da weit besser unter Kontrolle, doch wenn ich ihn genau betrachtete, dann konnte ich seine Augen vor Glück strahlen sehen – und dieser Anblick tat mir so unendlich wohl! Daheim im Pueblo, wenige Stunden später, nahm mich mit einem Mal Emery an die Seite und bat mich um ein Gespräch. Gespannt, was denn jetzt wohl kommen würde, folgte ich ihm, auch weil er ziemlich geheimnisvoll tat, was ich so gar nicht von ihm kannte. Seltsamerweise schien er auch darauf bedacht, dass Winnetou von unserem Gespräch auf keinen Fall etwas mitbekam, denn er hatte offensichtlich genau den Zeitpunkt abgepasst, an dem der Apatschenhäuptling einmal nicht an meiner Seite weilte. Wir setzten uns also an das Ufer des Pecos, etwas abseits von dem Gewusel rund um das Pueblo und unweit der Stelle, an der Klekih-petra, Winnetous geliebter weißer Lehrer und Ziehvater, begraben lag. Und nun begann der Engländer das Gespräch, und zwar auf eine höchst eigentümliche Weise. „Mein lieber Charley! Wir sind doch gute Freunde, nicht wahr?“ „Nun – die besten, denke ich“, antwortete ich auf diese recht seltsame Frage. „Gut! Dann stimmst du wohl auch mit mir überein, wenn ich sage, dass beste Freunde einander auch mal einen Gefallen tun?“ „Natürlich! Welch ein Frage!“, entgegnete ich, mittlerweile etwas irritiert. „Prima! Und wenn ich dich jetzt um einen Gefallen bitte, so kann ich doch hoffentlich davon ausgehen, dass du ihn mir nicht verwehren wirst?“ Vollends verwundert sah ich nun Emery an. Warum fragte er nur nach so etwas Selbstverständlichem? „Mein lieber, alter Freund – du müsstest es doch wirklich selbst am besten wissen: Dir würde ich jeden Gefallen tun, und sollte es mir noch so schwerfallen!“ Einen Moment lang glaubte ich zu sehen, wie ein befriedigtes Lächeln über sein Gesicht huschte, welches mittlerweile einen wahrhaft listigen Ausdruck angenommen hatte. „Oh, keine Sorge“, wandte er nun ein. „DIESEN Gefallen brauchst du nicht zu fürchten – er wird dir sogar sehr, sehr leicht fallen!“ Kopfschüttelnd antwortete ich: „Verzeih mir, wenn ich dir jetzt sage, dass mir dein Verhalten etwas seltsam vorkommt! Sprich doch also bitte nicht mehr in Rätseln und sage mir endlich, was genau du dir eigentlich von mir erhoffst?“ „Nun gut“, begann er, während sich sein Gesichtsausdruck langsam aber sicher in den eines Raubvogels verwandelte, der kurz davor steht, zur Erde zu stürzen und sich seine lang ausgespähte Beute zu schnappen. „Ich möchte dich bitten, mir zu erlauben, die gesamten Reisekosten für Winnetou genauso wie für dich übernehmen zu dürfen!“ Völlig verblüfft starrte ich dem Engländer ins Gesicht. „Bist du wahnsinnig?“ Das war das erste, was ich hervorbringen konnte, nachdem ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Wieso sollte ich das zulassen? Winnetou ist mein bester Freund, mein Gast, und ich werde natürlich selbst für ihn aufkommen und auch...“ „Winnetou ist auch MEIN Freund“, unterbrach er mich mit Nachdruck. „Und ich will dir auch gerne erklären, was ich mir dabei denke – wenn du mich noch für einen Moment ausreden lässt!“ Er hatte natürlich gesehen, dass mir allerlei Erwiderungen auf den Lippen lagen und wollte mir auf diese Weise zuvorkommen. Ergeben nickte ich und sah ihn aufmerksam an. „Charley – du kennst mich und weißt daher auch genau, dass ich über immens hohe finanzielle Mittel verfüge und eigentlich gar nicht mehr weiß, wie ich das alles in diesem Leben überhaupt noch ausgeben soll“, begann Emery mit seiner Erklärung. „Das soll jetzt beileibe nicht selbstgefällig klingen – aber es ist nun einmal Tatsache. Für mich bilden diese Reisekosten einen lächerlich kleinen Teil meines monatlichen Einkommens, für dich aber sind sie gar nicht so einfach zu schultern, wie ich genau weiß. Schriftsteller werden halt nicht so hoch bezahlt, und du hast leider auch keine reiche Verwandtschaft, die dir, wie in meinem Fall, beizeiten ein Vermögen vererbt hat!“ Grinsend sah er mich an, auf eine solch spitzbübische Weise, dass auch ich lachen musste, zumal er ja Recht hatte. Nur: wieso sollte ich mich von ihm aushalten lassen? Der Engländer sah mir meine Zweifel natürlich an und begann daher von Neuem: „Ich habe euch beide sehr lieb, und Winnetous Gesundheit liegt mir wirklich am Herzen. Ich frage mich daher schon seit geraumer Zeit: Wie soll dieser freiheitsliebende Mensch eine wochenlange Überfahrt auf dem Meer überstehen können, wenn er in einer engen Kabine der Zweiten, oder noch schlimmer, in den überfüllten und muffigen Quartieren der Dritten Klasse eingesperrt ist? Es ist hier wirklich deine Pflicht, ihm nichts anderes als die Erste Klasse zur Verfügung zu stellen – und dass das ein halbes Vermögen kostet, weißt du selbst am besten. Genauso sieht es mit den Bahnfahrten in Deutschland aus – und wenn du dort noch einige weitere Rundreisen oder sonstiges vorhast, kannst du das auch nur machen, indem du so viel Geld wie nur möglich ausgibst, damit Winnetou seine Ruhe hat und nicht von irgendwelchen aufdringlichen Zeitgenossen belästigt wird... Ich denke, dass diese Gedanken soweit deine Zustimmung finden, ist es nicht so?“ Auch wenn ich mich noch etwas zierte – aber ich musste ihm recht geben. Und natürlich hatte ich zu diesem Thema schon mehrfach Überlegungen angestellt und mir in Gedanken ausgerechnet, ob ich mit meinen bescheidenen Ersparnissen wirklich auskommen würde – aber alles andere als die erste Klasse, egal ob wir mit Schiff oder Bahn reisen würden, kam für meinen Blutsbruder einfach nicht in Frage. Natürlich hatte ich mit ihm noch nicht darüber gesprochen und dachte auch gar nicht daran, es jemals zu tun, denn er hätte mir sofort einen riesigen Betrag aus seinen Goldvorräten ausgehändigt – und das wollte ich auf gar keinen Fall. Er war mein Gast – und Gäste müssen bei mir niemals für sich selbst aufkommen! Ich befand mich also in einer Zwickmühle, und der Engländer nutzte diesen Umstand jetzt auch gnadenlos aus. „Du hast vorhin gesagt, dass du mir jeden Gefallen tun würdest, richtig? Nun gut: ich erbitte mir also von dir nichts weiter als die Erlaubnis, diese Reise einfach von meinem Geld bestreiten zu dürfen! Ich kann leider nichts anderes dazu beitragen, um Winnetou bei seiner Genesung zu helfen, da ich nicht an seiner Seite sein werde. Und außerdem: Wir sind Freunde, gute Freunde, sogar die besten, wie du eben ganz richtig sagtest. Unter Freunden ist es eigentlich doch ganz gleich, wem das Geld gehört, vor allem dann, wenn genug davon vorhanden ist! Was mein ist, ist also auch dein, und somit wirst du jetzt auch ohne Probleme in der Lage sein, meinen Wunsch zu erfüllen, nicht wahr?“ Emery sah mich jetzt auf eine solch treuherzige Weise an, dass ich gar nicht anders konnte als laut aufzulachen – seine Argumentation war aber auch zu drollig! Und nun wurde sein Blick auch noch richtiggehend flehend, so dass ich eigentlich gar keine andere Wahl hatte, wollte ich ihn nicht gegen meinen Willen kränken. „Also gut“, begann ich, doch ich wurde nochmals von ihm unterbrochen. „Im übrigen kannst du dich drauf verlassen, Charley, dass niemand jemals etwas davon erfahren wird – Winnetou natürlich eingeschlossen! Ich selbst möchte es auch gar nicht anders.“ Seufzend nickte ich zu seinen Worten, war aber nicht so ganz von ihnen überzeugt. Vor Winnetou etwas geheim halten zu wollen war nämlich alles andere als einfach! Man darf jetzt nur nicht glauben, dass es mir leicht fiel, Emerys Angebot anzunehmen. Noch nie habe ich mir von Freunden Geld geliehen, geschweige denn, mich von ihnen aushalten lassen! Doch die Argumente des gutherzigen Engländers waren wirklich hieb- und stichfest, und außerdem kam das alles für mich nicht so ganz ungelegen, da ich tatsächlich damit rechnen musste, je nach Dauer des ganzen Unternehmens, dass mir irgendwann das Geld ausgehen könnte. Außerdem bekam Emery dadurch auch eine Möglichkeit, Winnetou zu helfen, und das war ihm wirklich wichtig, das wusste ich schon seit langem. „Nun gut“, begann ich also erneut. „Ich glaube ja nicht, dass du mich jetzt für einen Schmarotzer hältst...“ „Wo denkst du hin?“, antwortete er empört. „Es gäbe da aber noch eine dritte Möglichkeit“, fuhr ich unbeirrt fort. „Die da wäre?“, fragte er augenrollend zurück. „Wir könnten uns die Kosten auch teilen!“ Energisch schüttelte der Engländer den Kopf. „Nichts da – ganz oder gar nicht, und ich will alles – Basta!“ Nochmals seufzte ich auf, dann aber streckte ich ihm die Hand hin. „In Ordnung! Diesen „Gefallen“ werde ich dir tun – aber gerne mache ich es eigentlich nicht!“ „Na – das ist doch mal ein Wort! Also gilt es!“ Emery ergriff rasch meine Hand, drückte sie fest und machte sich daraufhin zufrieden pfeifend von dannen. Doch nach wenigen Sekunden überlegte er es sich noch einmal anders, kehrte um und fragte mich mit einem leichten Grinsen im Gesicht: „Sag einmal, mein Freund – was genau hat dich eigentlich heute in eine solch gute Laune versetzt? Euer Jagderfolg? Der allein kann es doch nicht gewesen sein, oder doch?“ Oh je! Da hatte ich mein neu empfundenes Glück, meine überaus große Freude über das gestrige Erlebnis wohl doch nicht vollständig vor den Gefährten verbergen können! Nun galt es aber, schnellstmöglich eine harmlose Antwort für meine offenbar ziemlich auffällige Stimmungslage zu finden – wenn möglich auch eine, die Emery nicht nur noch misstrauischer werden ließ... Einige wenige Augenblicke – die für mein Empfinden allerdings viel zu lange dauerten – musste ich überlegen, und dann begann ich, in der Hoffnung, überzeugend zu wirken, was mir aber wohl mehr schlecht als recht gelang: „Nun ja... Ich bin... es ist doch wohl nicht weiter erstaunlich, dass ich über Winnetous vorläufige Genesung äußerst erfreut bin! Es ging ihm vor ein paar Tagen ja wirklich noch sehr schlecht, und nun...“ Hatte ich jetzt gehofft, dass dem Engländer diese Antwort genügen und er von dem Thema wieder ablassen würde, wurde ich nun eines Besseren belehrt. Emery machte nämlich überhaupt keine Anstalten mehr, sich wie geplant von mir zu entfernen – im Gegenteil: jetzt wirkte er noch interessierter als vorher, was sich nun auch dahingehend zeigte, dass er sich nun wieder an meine Seite setzte, um mich weiter auszuforschen: „Auch ich sehe Winnetou sehr wohl an, dass es ihm im Augenblick offenbar richtig gut geht – allerdings glaube ich nicht, dass das nur allein an seinem Gesundheitszustand liegt!“ In mir breitete sich eine leise Unruhe aus, als ich erwiderte: „Aha – und was sollte dann sonst dafür verantwortlich sein?“ Emery ließ jetzt ein wissendes Lächeln sehen und antwortete: „Nun ja – ehrlich gesagt, habe ich unseren Apatschenhäuptling noch nie so entspannt und gelöst erlebt wie im gesamten letzten halben Jahr, wobei ich sogar der Meinung bin, dass seine melancholische Ernsthaftigkeit gerade in den letzten Wochen immer öfter beiseite getreten ist, um einer – warum auch immer – neu gewonnenen Lebensfreude Platz zu machen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sogar behaupten, dass dabei die Liebe zu einer Frau im Spiel ist, so glücklich, wie er oftmals wirkt. Hast du das nicht auch bemerkt?“ Ich konnte nicht verhindern, dass ich vor Schreck über diese Worte kurz zusammenzuckte. „Hm – da ist sicherlich etwas Wahres dran“, entgegnete ich recht zögerlich, immer noch hoffend, dass das Gespräch noch eine Wendung nehmen könnte. „Und?“, forschte Emery unbeirrt weiter. „Was könnte wohl diese heitere Stimmungslage unseres Freundes ausgelöst haben?“ Zu meinem Glück fiel mir auf die Schnelle jetzt tatsächlich etwas ein, was dem Englishman als Antwort hoffentlich genügen würde: „Das ist sehr einfach zu erklären: Winnetou hat in den letzten Monaten dem Tod ein Schnippchen geschlagen, und das gleich mehrfach. Er konnte sogar schon einen Blick auf die andere Seite werfen, wie er mir selbst erzählt hat. Jemand, der so knapp nur überlebt hat, genießt das Leben natürlich noch einmal ganz anders und viel intensiver als vorher!“ Emery Blick war ganz weich geworden, während er neben mir saß und vor sich hin sinnend zu meinen Worten mehrfach nickte. Nach wenigen Augenblicken aber begann er erneut: „Natürlich wird die Todesnähe und das mehrfache Besiegen desselben eine große Rolle spielen – aber ich bin mir sicher, dass das nicht der alleinige Grund ist. Ich glaube nämlich ganz bestimmt, dass du selbst daran einen sehr großen Anteil hast!“ Jetzt wurde mir aber richtig mulmig. Ich musste mich furchtbar zusammennehmen, um meine Anspannung nicht zu offensichtlich werden zu lassen, als ich Emery fragte: „Und wie genau sollte dieser Anteil aussehen?“ „Aber Charley – die Antwort darauf kennst du doch selbst am besten!“ Emery grinste spitzbübisch, und mir wurde heiß und kalt zugleich bei seinen Worten. In diesem Moment brachte ich keinen Ton mehr heraus, konnte den Engländer nur anstarren, in der Hoffnung, dass er mir meine Fassungslosigkeit nicht ansah. Da ich nicht antwortete, übernahm er das schließlich selbst, wobei er mir lachend auf die Schulter schlug: „Ach, Charley – nur nicht so bescheiden! Dass dein Freund unendlich dankbar und hocherfreut über deine Entscheidung ist, für immer an seiner Seite zu bleiben und ihn nicht wie früher monatelang, ja, teils sogar jahrelang zu verlassen, dürfte nun wirklich keine Überraschung für dich sein! Ich habe es auch schon mehrfach von unseren Gefährten gehört, vor allem von Firehand: es ist mehr als deutlich geworden, dass du die Quelle seiner Kraft bist, die er benötigt, um dieser riesigen Verantwortung gerecht zu werden, die ihn in der Vergangenheit manchmal zu überwältigen drohte! Jetzt kann er endlich aufatmen, jetzt hat er jemanden an seiner Seite, der ihn stützt, hält und ihm Mut macht, wenn er die Gier der weißen Rasse wieder einmal als zu übermächtig empfindet!“ Beinahe hätte ich meine Erleichterung in einem lauten Seufzer nach außen getragen, konnte mich aber gerade eben noch zurückhalten. Also darum ging es meinem englischen Freund! Da hatte ich mir also völlig umsonst Gedanken gemacht... Doch leider hatte ich mich schon wieder zu früh gefreut – Emery musste nämlich doch noch etwas loswerden: „Weißt du, mein Lieber“, begann er mit einem – fast schon anzüglichen? - Grinsen im Gesicht: „Ich bin allerdings der Meinung, dass dieser Umstand noch nicht alleine für die doch recht ungewöhnliche Gemütsverfassung unseres Winnetou verantwortlich ist. Ich kenne ihn gar nicht anders als zurückhaltend, sehr ernst, in sich gekehrt – ich habe ihn eigentlich noch nie lachen gehört, und gerade in der letzten Zeit ist genau das aber schon mehrmals geschehen!“ In diesem Augenblick wusste ich wirklich nicht mehr, was ich darauf noch sagen sollte, und tat deshalb das Erstbeste, was mir einfiel: ich schwieg. Und jetzt musterte Emery mich mit einem solch intensiven Blick, als ob er meine Seele nach all ihren dunklen Flecken genauestens absuchen würde. „Charley – Dein Blutsbruder hat dich von Herzen lieb, genau wie du ihn auch, nicht wahr?“ „Ja... selbstverständlich...“ stammelte ich, fast schon entsetzt. Worauf um Himmels Willen wollte der Mann jetzt nur hinaus? „Nun – ich bin mir nämlich mittlerweile ganz sicher, dass eure Freundschaft, eure Beziehung zueinander in den letzten Monaten noch einmal sehr viel enger geworden ist, habe ich recht?“ Emerys Blick war jetzt undurchdringlich und bot mir keinerlei Möglichkeit, ihn zu durchschauen. Aber der leise Verdacht, der sich in mir schon seit einigen Minuten aufgedrängt hatte, wuchs nun zu einem riesigen Problem. Ahnte der Engländer etwas? So, wie er sich nun verhielt, gab es bald schon keine andere Erklärung mehr – und wenn dem so war, was in Gottes Namen sollte ich denn jetzt bloß tun? Niemals würde dieser Mann Verständnis für meine körperliche Beziehung zu Winnetou aufbringen – niemals! Ich hatte das Gefühl, dass mir alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war, während ich mich beinahe verzweifelt darum bemühte, irgendeine sinnvolle Entgegnung zusammenzubringen. Doch ich brachte einfach nicht mehr heraus als den verunglückten Versuch, einen halbwegs verständlichen Satz zu formulieren: „Sicher... ich... wir... nun ja, wir sind uns natürlich... ich meine... das ist doch verständlich, oder?“ „Na prima! Das ist doch wunderbar! Und es freut mich so sehr für euch beide“! Noch einmal schlug mir Emery mit Wucht auf die Schulter, stand dann auf, um sich fröhlich vor sich hin pfeifend auf den Weg zurück zum Pueblo zu machen – und ließ mich völlig verdattert und wirklich am Ende meiner Beherrschung zurück. Was sollte das? Was um alles in der Welt meinte Emery mit seinem letzten Satz? Wusste er Bescheid? Aber das konnte ja gar nicht sein – niemals hätte er dann so gelassen reagiert! Minutenlang blieb ich noch in derselben Stellung am Ufer sitzen, bis ich mich endlich dazu aufraffen konnte, ebenfalls den Rückweg anzutreten. Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass ich beinahe meinen Blutsbruder überrannt hätte, der sich schon auf die Suche nach mir gemacht hatte. Amüsiert über meine Gedankenlosigkeit lächelte er mich an, doch im gleichen Augenblick erstarb dieses Lächeln, als er meinen Gesichtsausdruck wahrnahm. „Was ist geschehen?“, fragte er mich mit deutlicher Sorge in der Stimme. Ich sah mich um, ob sich noch irgendjemand in unserer Nähe befand, dem aber nicht so war, nahm dann meinen Blutsbruder bei der Hand und führte ihn an eine versteckt gelegene Einbuchtung des Ufersteilhangs. Erwartungsvoll und vielleicht sogar schon ein wenig verstört sah Winnetou mich an. Um ihn nicht weiter zu beunruhigen, begann ich schnell, zuerst allerdings noch etwas stockend, ihm von meinem seltsamen Gespräch mit dem Engländer zu berichten. Als ich geendet hatte, sah ich meinem Freund ins Gesicht in der Erwartung, dort den gleichen ungläubigen Schrecken erkennen zu müssen, der auch mich kurzzeitig überwältigt hatte – doch dem war nicht so. Er blieb zwar eine Zeit lang still sitzen, mit unbewegter und ausdrucksloser Miene, wirkte aber im Großen und Ganzen so, als ob ihn mein Bericht nicht allzu sehr überraschen würde. Doch da er nichts sagte, schwieg ich ebenfalls und wartete einfach ab. Nach einer für mich dann aber doch schwer zu ertragenden Stille richtete sich mein Freund endlich auf und straffte die Schultern, bevor er mit seiner leisen, sonoren Stimme, die sehr gefestigt klang, zu sprechen begann. „Auch Winnetou hat in den letzten Wochen einige Anzeichen dafür zu erkennen geglaubt, dass Emery mehr zwischen Winnetou und Old Shatterhand sieht, als diese nach außen hin jemals zeigen wollten. Aber die Augen unseres englischen Freundes blicken nach wie vor sehr freundlich und auch voller Liebe auf dich und deinen Blutsbruder, so dass Winnetou glaubt, dass wir uns keine Sorgen machen brauchen!“ „Du bist also wirklich der Meinung, dass Emery Bescheid weiß?“, fragte ich ihn mit nur mühsam unterdrücktem Schrecken in der Stimme. „Ja – ich denke doch“, antwortete Winnetou ruhig. „Aber – das ist doch nicht möglich! Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wieso dieser dann noch weiterhin an unserer Freundschaft festhalten sollte! Eigentlich würde er mit diesem Wissen schnellstmöglich das Weite suchen, weil wir ihm zuwider...“ „Bin ich Old Shatterhand zuwider?“, unterbrach mich mein Freund plötzlich, mit einem Ausdruck in seinen samtenen, dunklen Augen, der mich tief berührte. „Um Himmels Willen – natürlich nicht!“, rief ich nun völlig entsetzt aus. „Winnetou – ich liebe dich doch! Ich liebe dich über alles – so etwas darfst du nicht einmal denken!“ Mein geliebter Blutsbruder musste nun doch lächeln aufgrund meines heftigen Ausbruchs, und begütigend legte er mir die Hand auf den Unterarm. „Genauso fühle ich auch“, begann er erneut. „Und Emery liebt dich ebenfalls! Natürlich auf eine andere Art als Winnetou – zumindest hoffe ich das – und dieser Umstand...“ Er wurde nun von mir unterbrochen, denn dieser kleine Halbsatz in seinen letzten Worten, dieser winzig kleine Anflug von Eifersucht berührte mich so unendlich, dass ich gar nicht anders konnte als meine Arme um ihn zu schlingen und ihn so fest es nur ging an mich zu drücken. „Ach, Winnetou...“, murmelte ich, mein Gesicht dabei in seinem Haar vergrabend. „Du bist einfach alles für mich – nur du, ganz allein!“ „Ich weiß es, Scharlih!“ Winnetous leise, melodische Stimme klang gerührt, als er sich sanft aus meiner Umklammerung löste und mir einen leichten Kuss auf die Stirn gab. „Winnetou wollte auch nur deutlich machen, dass Emerys freundschaftliche Liebe zu dir alles verzeihen würde, alles, außer Lüge, Verrat oder Hass. Der Mond hat sich sehr oft gerundet, seitdem Emery an unserer Seite weilt, und vielleicht war er am Anfang seines Verdachtes oder Wissens darüber auch sehr erschrocken – aber er wird sich im Laufe der Zeit an diese neue Möglichkeit gewöhnt haben, und vielleicht hat sich seine Einstellung zu jener anderen Art der Liebe sogar geändert!“ Immer noch war ich zutiefst erschrocken, aber Winnetous Worte bewirkten nun, dass ich deutlich ruhiger wurde. Was, wenn er tatsächlich recht mit seiner Annahme hätte? Würde es etwas verändern? Nein – zumindest ließ Emerys Reaktion vorhin darauf schließen. Aber wie konnte ich Gewissheit über dessen Erkenntnisstand erlangen? Doch nur, wenn ich noch einmal ein persönliches Gespräch mit dem Engländer suchte... Dann bestand aber immer noch die Gefahr, dass ich von einer völlig falschen Voraussetzung ausgegangen war und sein Verhalten nicht richtig eingeschätzt hatte – und dann? „Mein Bruder sollte noch einmal mit unserem englischen Freund sprechen!“ Mit diesen Worten riss mich mein Blutsbruder aus meinem Nachsinnen und bewies damit wieder einmal, wie sehr er sich in mein Seelenleben einfühlen konnte, wie sehr unsere Gedanken immer wieder eins wurden. Lächelnd legte ich meine Hand auf seine und entgegnete: „Winnetou hat wie immer recht. Ja, ich werde mit ihm sprechen, am besten noch heute Abend, bevor mich der Mut dazu wieder verlässt...“ „Old Shatterhand war noch niemals mutlos – er wird auch diese Aufgabe leicht bestehen!“ Winnetous Vertrauen zu mir war wie immer unerschütterlich, und er sprach den letzten Satz in einem solchen Brustton der Überzeugung, dass ich beinahe verlegen werden wollte. Nochmals drückte ich ihm die Hand, dann standen wir auf und traten gemeinsam den Rückweg zum Pueblo an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)