Magical Mischief Makers von SweeneyLestrange ================================================================================ Kapitel 1: Ohnmacht ------------------- Nervös blätterte Barty in seinen Unterrichtsmitschriften auf der Suche nach Zaubersprüchen, die ihm in der bevorstehenden Schlacht nützlich sein würden. Seine Hände zitterten vor Angst leicht, während er die nächste Seite umblätterte und auf die Instruktionen des Impedimenta Zaubers stierte. Im Hintergrund stimmte Potter ein weiteres Lied an, das ihren Kampfgeist stärken sollte, doch machte es für Barty alles bloß schlimmer. Je länger er dasaß und darauf wartete, dass sie mit ihrer Patrouille begannen, desto mehr schwand seine Zuversicht. Er fühlte sich schrecklich schwach. Selbst der Gedanke, dass er beim vergangenen Training von Goderic neue Kampftechniken gelernt hatte, konnte ihm keinen Mut geben. Neben ihm hatte Meaghan Platz genommen und blätterte durch den Tagespropheten. Ihr war anzusehen, dass ihre Gedanken überall waren - nur nicht bei den Artikeln, die vor ihr lagen. Todesserangriffe. Die Ereignisse in der Außenwelt schienen mit der derzeitigen Bedrohung so unglaublich bedeutungslos. „Wo ist Regulus?“, fragte Meaghan schließlich. „Bei den Heilern“, antwortete Barty. Sie verfielen wieder in Schweigen, das lediglich von Potters Gitarrenspiel durchbrochen wurde. Barty überlegte, was er sagen konnte und ob er überhaupt etwas sagen wollte. Aber weil er Regulus’ Freundin eigentlich mochte, gab er sich schließlich einen Ruck. „Wo bist du die letzten Tage gewesen?“, fragte er leise. „Meine Mutter hatte einen Unfall und ich war sie in St. Mungos besuchen“, antwortete Meaghan und sie begann von den unglücklichen Umständen zu berichten, die sich während des letzten Quidditchspiels ihrer Mutter zugetragen hatten. Schweigend lauschte Barty den Erzählungen, wie ein Drache plötzlich auf dem Feld erschienen war und die entsetzten Zauberer nicht nur das Untier sondern auch Meaghans Mutter mit ihren Zaubern erwischt hatten. Er war froh um die Ablenkung, die ihm das Gespräch schenkte. Für einen kurzen Moment schaffte er es sich einzubilden, dass eigentlich ganz normaler Alltag war, dass Regulus gleich in der Tür erscheinen und sich zu ihnen setzen würde und sie so lange über dies und das reden würden, bis es Zeit war, für die Nacht in die Gemeinschaftsräume zurückzukehren. Es würde jedoch kein Lehrer kommen und sie aus der Großen Halle schicken. Ihr seltsames Verhalten der vergangenen Unterrichtsstunden hatte gezeigt, wie egal ihnen ihre Schüler mit der Zerstörung von Slytherins Schutzstein geworden waren. Neben ihm erzählte Meaghan gerade davon, dass sie ein Stipendium erhalten hatte, mit dem sie nach Beauxbatons gehen und ein besonderes Quidditchtraining erhalten konnte. Eigentlich hatte sie deswegen mit Regulus reden wollen, aber das würde wohl warten müssen. Barty nickte gedankenverloren, während er zuhörte, wie Meaghan von Regulus sprach. Es ärgerte ihn ein bisschen, dass Regulus beschlossen hatte, sich dem Heilertrupp anzuschließen, das sich während der Schlacht im Schloss um die Verletzten kümmerte. Er hätte sich zuversichtlicher gefühlt, seinen besten Freund an seiner Seite zu wissen. So aber war er auf sich allein gestellt und konnte nur hoffen, dass sein Geschick im Zaubern ausreichen würde, um sich dort draußen verteidigen zu können. Irgendwann wurden die Stimmen leiser. Die verzauberte Decke der Großen Halle wurde von heraufziehenden Sturmwolken verdunkelt. Es brauchte kein Wort gesprochen zu werden; jeder wusste, dass es nun so weit war. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen erhob sich Barty und schloss sich der Gruppe von Lupin an. Der Plan war, dass ihre Gruppe den nördlichen Teil der Ländereien bewachen würde, während sich Potters Gruppe und die von Élodie jeweils links und rechts entlang des Waldrandes bewegen würden. Wer auf einen Feind stieß, würde kämpfen und wenn der Feind zu groß war, würde nach Verstärkung gerufen werden. Die Strategie war simpel und schien den Umständen entsprechend effektiv. Trotzdem hing die unausgesprochene Angst in der Luft, was wäre, wenn das nicht ausreichte. Wenn sie keine Chance gegen ihre Angreifer haben würden. Angreifer, von denen die meisten gegen Magie immun waren und denen nur die Waffen etwas anhaben konnten, die sie den unzähligen Rüstungen von Hogwarts Gängen geklaut hatten. „Seid ihr so weit?“, fragte Lupin. Schweigend standen sie in der kalten Januar Luft, den Blick entschlossen auf die Ländereien gerichtet, die langsam in den tiefen Schatten der untergehenden Sonne verschwanden. Ein Nicken ging durch die Reihe. Barty hielt den Zauberstab in seiner verschwitzten Hand fest umklammert und kämpfte gegen den dicken Brocken Angst an, der seine Eingeweide schmerzhaft zusammenzog und ihn seiner Stimme beraubte. Seine Augen folgten Lupin, der aufmerksam auf die ihm zugeteilten Schüler sah. Ihm war anzusehen, wie ernst er seine Aufgabe als Gruppenleiter nahm. „In Ordnung“, entschied er schließlich. „Gehen wir.“ Mit gezückten Waffen und Zauberstäben zogen sie los. In einer V-Formation stießen sie langsam vor, während sie wachsam in die heraufziehende Dunkelheit spähten, auf der Suche nach den verräterischen Silhouetten ihrer Angreifer. Jeder Schritt, der sie weiter auf die Ländereien brachte, erfüllte Barty mit größerer Angst. Er hatte sich weit ans Ende der Gruppe gestellt, da er mit seinen Zaubern weniger ausrichten konnte als die Waffenträger, die voraus schritten. Ob er überhaupt etwas ausrichten konnte? Er schluckte und versuchte sich an die Worte von Brienna zu erinnern. Wenn du deinem Gegner deine Angst zeigst, hast du schon halb verloren. Die Sache klang so einfach. Er musste sich zusammenreißen und konzentrieren, sein Gesicht leer werden lassen, wie er es all die Male schon getan hatte, wenn er die Wut seines Vaters entfacht hatte. Verunsichert spähte Barty zu der großen Gestalt von Evan Rosier, der mit erhobener Waffe an der Spitze ging. Noch war niemand zu sehen. Vielleicht würde ja auch niemand kommen. Vielleicht war sein Albtraum von Ragnar, der von einer heutigen Schlacht gekündet hatte, nur das gewesen: Ein Albtraum. In dem Moment gellte jedoch ein Schrei über die Ländereien. Alles in Barty zog sich zusammen. Hastig sah er zu den anderen Mitgliedern, die alarmiert in die Ferne starrten und er wusste, dass es so weit war. Ihre Schritte beschleunigten sich. Getrieben von Angst und Adrenalin stießen sie weiter in das Zwielicht vor, als erneut der Schrei ertönte. Er ging durch Mark und Bein und ließ in den Schülern ein blubberndes Gefühl von Unwohlsein aufsteigen. „Eine Banshee“, flüsterte Lupin leise. Dann ging alles ganz schnell. Vor ihnen auf dem Hügelkamm schälten sich dunkle Gestalten aus der heraufziehenden Dunkelheit. Erst eine, dann zwei und mit einem Mal wurden es immer mehr. Der Impuls, einfach umzudrehen und wegzulaufen, überfiel Barty mit erschreckender Heftigkeit, doch war es dafür bereits zu spät. Die ersten Gestalten hatten sich in Bewegung gesetzt. Mit keuchenden, krächzenden Lauten stürmten sie auf die kleine Gruppe von Schülern los. „Verstärkung!“, brüllte Lupin. „Wir brauchen Verstärkung!“ „Hilfe!“, erklang es aus der westlichen Richtung und Barty wusste, dass auch Potters Gruppe angegriffen wurde. „Stupor!“, schrie Lupin. Der rote Blitz, der aus dem Zauberstab schoss, prallte jedoch wirkungslos an dem verwesenden Körper des Inferius ab. „Wo seid ihr wir brauchen Verstärkung verdammt!“, schrieen Schüler gen Osten. Doch von Élodies Gruppe war nichts zu sehen. Stattdessen tauchten weitere Feinde auf. Der Schrei der Banshee hallte klagend und jammervoll über das Feld, beraubte die Schüler ihrer Orientierung und gab das Signal zum Angriff. „Petrificus Totalus!“, rief Barty und richtete seinen Zauberstab auf einen heranstürmenden Inferius. Sein Zauber prallte wirkungslos ab. „Stupor!“ Nichts geschah. Panik rumorte in Bartys Eingeweiden, während er vor dem Untoten zurückwich. Sein Blick irrte über die Ländereien auf der Suche nach Hilfe. Chaos war losgebrochen. Die Schüler mit den Waffen hatten den Kampf gegen die Inferi aufgenommen. Zauber tönten über das Schlachtfeld und wurden von den unmenschlichen Lauten ihrer Angreifer verschluckt. Die Hilferufe waren verstummt. Jeder einzelne von ihnen war in einen aussichtslosen Kampf auf Leben und Tod verstrickt. „Lumos Maxima!“, schrie Barty verzweifelt, als der Inferius nach wie vor auf ihn zu hetzte und nutzte den Moment, in dem der Untote geblendet war, um Abstand zwischen sich und seinen Gegner zu bringen. Kopflos stürmte Barty voran. Er wusste nicht, wohin ihn seine Beine trugen. Alles, was zählte, war weg von dem Feind zu sein. Irgendwo dahin, wo er von Nutzen sein konnte. Entschlossenheit packte ihn bei dem Gedanken, dass er etwas ausrichten wollte und wurde von dem Schrei der Banshee zerfetzt. Barty wurde schlecht. Taumelnd versuchte er die Orientierung zurückzugewinnen, während er bemerkte, wie neben ihm ein Mitschüler den erbitterten Kampf mit einem Inferius aufnahm. Vielleicht konnte er die Banshee zum Verstummen bringen. Ein Silencio musste doch etwas ausrichten können! Der Griff um seinen Zauberstab wurde fester. Mit zusammengebissenen Zähnen, zwang sich Barty weiterzugehen. Er konnte es schaffen! Die Banshee durfte nicht mehr weit entfernt sein. Das schwache Mondlicht, das sich hinter den schweren Wolken hervorgetraut hatte, warf jedoch kaum genügend Licht auf das Schlachtfeld, damit Barty mehr als nur dunkle Schatten ausmachen konnte. Und ein Lumos wäre leichtsinnig. Da konnte er sich gleich in die Arme des Angreifers stürzen und zerfetzen lassen. Keuchend stolperte Barty voran. Er schien Glück zu haben. Derzeit schafften es die meisten Schüler die Inferi abzulenken. Wenn er jetzt nur noch … Ein Schatten schoss aus der Dunkelheit. Hellblondes Haar blitzte in dem spärlichen Licht auf und ehe Barty wusste, wie ihm geschah, hatte sich eine gekrümmte Gestalt auf ihn geworfen. „Stupor!“, brüllte Barty. Es geschah nichts. „Stupor!“ In seiner Panik fiel ihm kein anderer Zauber mehr ein. Er wollte weg. Er musste diese Kreatur von sich halten. Dann traf ihn ein Feuerball und warf ihn zu Boden. Schreiend wälzte sich Barty im hohen Gras in dem vergeblichen Versuch, das Feuer zu ersticken. Zu seinem Glück verlor die angreifende Veela das Interesse an ihm und zog auf der Suche nach einem neuen Opfer weiter. „Aguamenti!“ Wasser spritzte auf die brennende Stelle seines Umhangs und löschte die sengenden Flammen. Sofort zwang sich Barty wieder auf die Beine und humpelte weiter. Seine Seite, die von dem Feuer getroffen worden war, schmerzte. Die kühle Nachtluft konnte das Brennen kaum lindern, aber Barty wusste, dass das gleichgültig war. Er musste weg. Durfte nicht am Boden liegen bleiben und sich dem Feind ausliefern. Er wollte die Banshee zum Verstummen bringen. Der Schrei traf ihn dieses Mal völlig unvorbereitet. Sein Trommelfell schien zu zerspringen. Alles drehte sich, sein Kopf dröhnte, Barty wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Wimmernd presste er sich die Hände gegen die Ohren und hoffte, dass es vorbei war. Es sollte einfach aufhören. Es musste aufhören. Er konnte es nicht ertragen. Dieses Kreischen, das seine Panik nur noch weiter entfachte. Ein klarer Gedanke kämpfte sich jedoch einen Weg in sein Bewusstsein: Er musste weg. Er war mitten im Kampf! Die Banshee! Angestrengt versuchte sich Barty aufzurappeln. Der Lärm des Kampfes verlor sich zu einem unwirklichen Brei, während er orientierungslos in die Dunkelheit starrte und vorwärts kroch, in die Richtung, in der er die Banshee glaubte. „Wen haben wir denn da?“ Ein eiskalter Schauer überlief Barty beim Klang dieser Stimme. Alles in ihm schrie, danach einfach loszurennen und nie wieder damit aufzuhören, bis er weg war von diesem Schlachtfeld. Stattdessen wollte er instinktiv den Kopf in die Richtung des Sprechers drehen und aus den Schatten der Dunkelheit seinen Angreifer ausmachen. Bevor Barty jedoch mehr sehen konnte, ertönte ein böses „Crucio“ und versenkte Bartys Welt unter einer Welle des Schmerzes. Er schrie. Heißes Feuer schien durch seine Adern zu brennen und ihn von innen heraus zu schmelzen. Jedes einzelne Nervende schien zu zerreißen, seine Knochen splitternd zu zerbrechen, etwas zog und zerrte und stach. Gedanken verloren sich in unendlicher Pein. Es sollte aufhören. Tränen flossen Barty über die Wangen, während sich sein Körper zuckend am Boden wand. Es sollte aufhören! Irgendwann glaubte Barty, dass das Reißen langsam erstarb. Ein schwächlicher Rest Kraft wollte in seine Glieder zurückkehren. Ein klarer Gedanke bemächtigte sich wieder seines Verstandes, als die Stimme Ragnars ein weiteres Mal dumpf zu ihm hervordrang: „Crucio!“ Jeglicher schwache Versuch, sich zu widersetzen, erstarb. Barty wurde von den Schmerzen herumgeworfen. Er glaubte, dass seine Glieder zerfetzt wurden, er hatte keine Kontrolle mehr. Alles schmerzte. Aus weiter Ferne drang ein entsetzliches Schreien an seine Ohren und verlor sich in der Bedeutungslosigkeit seiner Pein. Sein Schreien. Er konnte nicht mehr. Es sollte aufhören. Warum konnte er nicht einfach sterben? Dann würde er von den Qualen erlöst sein. Ein Wimmern entschlüpfte seiner rauen Kehle. Er wollte nicht mehr. Sein ganzer Körper zitterte. Er bemerkte gar nicht, dass die Schmerzen nachgelassen hatten. Sie wüteten einfach weiter, erfüllten dumpf seinen Verstand und beraubten ihn aller klaren Gedanken. „Barty?!“ Die Stimme klang panisch. Hände packten ihn an den Schultern und wälzten ihn auf den Rücken. Barty versuchte die Augen zu öffnen, doch es schien so schwer. Er wollte nicht mehr. „Barty. Barty, du musst durchhalten!“ Lupins Stimme. Die Silhouette des Vertrauensschülers ragte verschwommen über ihm auf. Ganz in der Nähe ertönte ein bedrohliches Ächzen, eine weitere Gestalt mit ungelenken Bewegungen trat in Bartys Sichtfeld. Ein Inferius. Lupin sprang auf. Kampfgeräusche drangen an Bartys Ohren und verloren sich in betäubender Gleichgültigkeit. Regungslos lauschte Barty dem Nachhall der Schmerzen und fragte sich, ob er nicht einfach sterben sollte. Plötzlich war Lupin wieder über ihn gebeugt. In seiner Hand hielt er irgendetwas, an dem er hektisch herumfingerte. „Hier, du musst das nehmen“, sagte er und drückte Barty eine kühle Öffnung an den Mund. Instinktiv schluckte Barty die Flüssigkeit hinunter und schüttelte sich bei dem ekligen Geschmack, der auf seiner Zunge brannte. Doch auf einmal merkte er, wie der Trank seine Wirkung entfaltete und Stärke in seine Glieder zurückkehrte. „Kannst du aufstehen?“ Barty wusste es nicht. Wollte er überhaupt aufstehen? Da hatte ihn bereits Lupin gepackt und half ihm auf die Beine. Einen Arm hatte Barty um die Schulter des älteren Schüler gelegt und taumelte ihm hinter her. Noch immer tobte um sie herum die Schlacht. „Ich bringe dich zum Schloss. Geh da in Sicherheit“, hörte er Lupin sagen. Barty nickte und stierte in die Dunkelheit. Konzentrierte sich darauf zu gehen und nicht an die Schmerzen zu denken, die ihn kurz zuvor befallen hatten. Die Mauern von Hogwarts waren nur noch wenige Meter von ihnen entfernt. Nicht mehr viel und Barty hatte es geschafft. In dem Moment schoss jedoch eine Veela hervor und trieb ihn und Lupin auseinander. „Geh zum Schloss!“, rief der Gryffindor und verschwand im Wüten des Gefechts. Benommen starrte Barty auf den Punkt, wo Lupin eben noch gestanden hatte. Die Worte hallten merkwürdig dumpf in seinem Kopf wieder. Es schien so unglaublich schwer, ihrer Bedeutung zu folgen. Erst der Angriff eines Inferius’ riss Barty wieder ins Hier und Jetzt. Ohne länger nachzudenken, hatte er bereits seinen Zauberstab gezückt und schrie ein panisches: „Stupor!“ Es half nichts. Das Monster kam unaufhaltsam näher. Wie gelähmt stand Barty da und versuchte zu handeln. „Lumos Maxima!“. Ein grelles Licht entflammte und blendete ihn sowie den Untoten gleichermaßen. Dann traf Barty endlich die Erkenntnis und er stolperte blindlings los. Zum Schloss hatte Lupin gesagt. Zum Eingang. Er würde dort sicher sein! Hinter ihm erklangen die unmenschlichen Laute des Inferius’. Barty verlor an Vorsprung. „Stupor!“, schrie er verzweifelt, um wenigstens etwas getan zu haben und ging auf einmal wimmernd in die Knie. Der Schrei der Banshee hatte ihn mit voller Wucht getroffen. Ihr Kreischen drang ihm bis ins Mark, weckte alle verdrängten Gedanken an die kürzliche Wirkung des Folterfluchs. Er war zu Boden gegangen. Schluchzend versuchte er wieder aufzustehen. Seine Finger fanden Halt in der nassen Erde und tasteten sich vorsichtig voran. Immerhin hatte der Inferius bereits ein neues Opfer gefunden, weshalb Barty glaubte, doch noch eine Chance zu haben, bis er sie sah. Die anderen Schüler, die am Boden lagen, sich vor Schmerzen wanden und wimmerten und stöhnten, während die wenigen, die noch auf den Beinen stehen konnten, sich in einem erbitterten Kampf mit Rotkappen befanden. Panisch versuchte Barty umzudrehen. Vergessen waren Lupins Worte. Er wollte einfach nur weg. Weg von diesem ganzen Grauen. Wenn er gekonnt hätte, wäre er nach Hause appariert, wo ihn seine Mutter erwartet und mit tröstenden Worten beruhigt hätte. Doch das war unmöglich. Auf einmal hörte er das keckernde Gelächter einer Rotkappe hinter sich. Kopflos stürzte Barty weiter, weg von der Rotkappe, die die Verfolgung auf ihn angesetzt hatte und genau in die Arme eines Inferius’. Hastig drehte sich Barty um. „Impedimenta!“, schrie er in seiner Verzweiflung, nur um anzusehen, wie der Zauber wirkungslos verpuffte. Die Rotkappe lachte, Barty versuchte zurückzuweichen. Er konnte sehen, wie die Rotkappe mit der Axt ausholte. Reflexartig riss Barty den Arm in die Höhe und spürte, wie die scharfe Klinge in seinen linken Arm schnitt. Ein stechender Schmerz flammte auf. Schreiend stürzte Barty zu Boden und hielt sich schluchzend seinen verletzten Arm. Er konnte nicht mehr aufstehen. Alles tat ihm weh. In der Ferne erscholl erneut das Kreischen der Banshee und stürzte ihn in einen Zustand tiefster Verzweiflung. „Barty, es wird alles gut.“ Er hatte gar nicht bemerkt, wie Elliot in seiner Nähe lag. „Barty, oh gott, Barty komm das wird“, sagte sie und robbte über den Boden auf ihn zu. Er spürte, wie ihre Hand nach seiner griff. „Komm“, keuchte sie, während sie darum kämpfte, wieder auf die Beine zu kommen. „Wir schaffen das.“ Kopfschüttelnd wollte sich Barty von ihr losreißen, doch Elliot blieb unnachgiebig. „Hier nimm das!“, bestimmte sie und drückte ihm einen ihrer beiden Dolche in die Hand. „Aber ich kann nicht“, wandte Barty mit heiserer Stimme ein, aber Elliot schnitt ihm das Wort ab. „Doch ich brauch nur einen!“ Dann packte sie den jüngeren Schüler und versuchte ihn wieder Richtung Schloss zu bringen. Willenlos stolperte er hinterher. Der Kampf um ihn herum hatte eine grauenhafte Wende genommen. Es gab kaum mehr Schüler, die sich auf den Beinen halten konnten. Überall lagen regungslose Körper, von denen Barty nicht sagen konnte, ob sie tot oder lebendig waren. Barty konnte nicht einmal sagen, ob ihm das überhaupt noch wichtig war. Plötzlich ließ Elliot ihn wieder los. Eine Veela hatte sich ihnen in den Weg gestellt und wurde von der älteren Slytherin abgelenkt. „Aguamenti“, rief Barty, der sich wieder daran erinnert, dass er etwas gegen das Feuer der Veela ausrichten konnte. Er konnte sehen, wie die Flammen erloschen, doch Elliot war bereits im Getümmel der Schlacht verschwunden und auf einmal war er ganz allein mit der Veela, die ihn kreischend anfiel. Barty versuchte sich zu wehren. Mit Händen und Füßen schlug er zu, nur damit er ein weiteres Mal feststellen musste, wie chancenlos er war. Zu seinem Glück ließ ihn die Veela jedoch irgendwann in Ruhe, verschonte den kläglichen Rest seines Lebens, um den übrigen Schülern ein ähnliches Schicksal zu bringen. Also blieb Barty einfach am Boden liegen und lauschte stumpf den Geräuschen des Kampfes. Wenn er sich nicht mehr rührte, vielleicht würden die Monster ihn in Ruhe lassen. „Barty?“ Wieder war Lupin über ihm. „Barty ist alles in Ordnung?“ Nichts war in Ordnung, warum fragte er das noch?
„Komm ich bring dich ins Schloss!“, sagte der Vertrauensschüler erneut und schaffte es ihn mit Müh und Not auf die Beine zu bringen. Barty erinnerte sich wieder an die Waffe in seiner Hand und gab sie Lupin. „Nimm“, sagte er schwach, weil er wusste, dass der andere mehr damit etwas anfangen konnte. Gryffindors waren schließlich die Typen, die einfach draufhauten. Von Lupin gestützt schaffte es Barty, bis zum Eingang des Schlosses zu kommen. „Warte hier auf die Heiler“, befahl Lupin und ehe Barty, etwas sagen konnte, war der andere bereits wieder im Gefecht verschwunden. Zitternd hielt sich Barty den blutenden Arm und fragte sich, wie es weitergehen konnte. Überall um ihn herum lagen wimmernde Schüler. Viele sahen noch schlechter aus als er selbst, hatten schwere Brand- und Schnittwunden, die dringend der Aufmerksamkeit eines Heilers bedurften. Irgendwo in der Nähe war Esther Selwyn damit beschäftigt, sich um die Verletzungen von Aidan zu kümmern. War er schon in Sicherheit? Barty wagte nicht, aufzuatmen. Sein Blick wanderte zu den Ländereien, wo er noch immer kämpfende Gestalten ausmachen konnte. Es war offensichtlich, dass sie verloren hatten. Warum halfen ihnen die Lehrer nicht? Warum glaubte ihnen niemand? Wieso kam ihnen niemand zu Hilfe? Die entsetzliche Machtlosigkeit brachte ihn beinahe um den Verstand. Wimmernd und zitternd versuchte er stark zu sein, während er zusah, wie die letzten seiner Mitschüler vor der geballten Kraft ihrer Feinde zu Boden gingen. Sie hatten keine Chance mehr. Gleich war es vorbei. Dann würden sie sterben und Ragnar seine Worte bewahrheiten, die Hallen Hogwarts’ mit dem Blut der Schüler zu fluten. „Seht her!“, rief Ragnars Stimme da über das Schlachtfeld hinweg. Eine unheimliche Stille folgte, in der sich seine Worte in den Verstand der Anwesenden fraßen. „Ist es das, was ihr wollt?“ Barty versuchte zu erkennen, was vor sich ging, doch verbarg die Dunkelheit das grausame Geschehen vor seinen Augen. „Das ist es, was mit euch geschehen wird!“, rief er. Irgendetwas lief falsch. Vergeblich beugte sich Barty nach vorne, all seine Glieder protestierten vor Schmerz, während er zu erfahren versuchte, wovon Ragnar sprach. Er glaubte, eine Gestalt zu sehen, die taumelnd auf die Beine kam und zu den Reihen Ragnars lief. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Da gellte auch schon der erste Schrei über die Felder: „Neeeeeeeeein!“ „MEAGHAN!“ Wie paralysiert starrte Barty auf die davonziehenden Angreifer. Um ihn herum hatten die Schüler zu Schluchzen und zu schreien begonnen. Irgendwo wuselte Esther hektisch um die Verletzten herum, sprach ihnen Mut zu, während sie die Wunden so gut es ging versorgte. „Alles gut bei dir?“ Barty blinzelte. Sie sprach mit ihm. „Nein“, brachte er heraus. „Was hast du?“ Was hatte er? Was sollte er darauf antworten. Die Frage schien so absurd, dass er gelacht hätte, wäre ihm nach Lachen zumute gewesen. Stattdessen blinzelte er eine Träne weg und deutete umständlich auf die tiefe Schnittwunde an seinem Arm. „Mein … Arm“, brachte er stockend heraus, bevor seine Stimme brach. Sofort hatte Esther die Situation erkannt und begann die Verletzung zu versorgen. „Das wird jetzt gleich ein bisschen wehtun“, warnte sie sanft. Dann brach brennender Schmerz über Barty herein, als irgendeine Flüssigkeit in seine Wunde tropfte. Schluchzend krümmte er sich zusammen und wünschte sich einfach nur, dass es aufhörte. Er wollte nicht mehr. Er wollte nicht mehr leiden, diese Schmerzen ertragen müssen, stark sein. Er wollte einfach nur noch ein normaler dreizehnjähriger Junge sein, der sich um die anstehenden Tests sorgen musste. „Gleich ist es vorbei“, versuchte Esther ihn zu trösten und streichelte ihm kurz über den Rücken. Doch Barty war zu beschäftigt mit seinen Schmerzen, um davon überhaupt Kenntnis zu nehmen. Als es tatsächlich vorbei und Esther wieder verschwunden war, damit sie sich um die anderen Verletzten kümmern konnte, blieb Barty regungslos sitzen. Er fühlte sich nicht in der Lage aufzustehen. Stumm beobachtete er die anderen Mitschüler, die weinend einander suchten, auf allen Vieren krochen und nach ihren Freunden suchten. „Pass auf, ich helfe dir“, hörte Barty Brodericks Stimme an seinem Ohr. Zuerst wollte der kräftige Hufflepuff ihn genau an dem verletzten Arm wieder hoch ziehen, da hatte er bemerkt, was für eine dumme Idee das war und suchte umständlich nach einer anderen Methode, den jüngeren Slytherin wieder auf die Beine zu bekommen. Irgendwie hatte Broderick es schließlich geschafft und führte Barty unter gutem Zusprechen in das Schloss hinein. Sie passierten Morag, die mit einem blutigen Verband regungslos auf dem Boden lag und über die sie fast gestolpert wären. Teilnahmslos sah Barty auf seine Mitschülerin. Wie lange sie da wohl noch so liegen bleiben würde? Dann hatten sie Große Halle erreicht. Broderick setzte ihn an einen Tisch in unmittelbarer Nähe von Aidan Lynch. Das Gesicht des sonst so entspannten und optimistischen Hufflepuffs war von tiefer Trauer gezeichnet. Barty hörte ihn leise Schluchzen und richtete seinen Blick auf den Boden. Er wollte das Elend nicht sehen. Eine Träne rollte seine Wange hinab, dann spürte er, wie auch ihm ein tiefes Schluchzen entwich. Es war nicht viel. Nicht so wie bei Aidan, der hemmungslos zu weinen begonnen hatte. Dazu fühlte sich Barty einfach zu … leer. Alles war taub. Jede einzelne Stelle seines Körpers schien zu schmerzen. In Gedanken war er wieder in dem hoffnungslosen Treiben des Schlachtfelds, hörte das Schreien der Banshee und die bösartige Stimme, die ‚Crucio‘ sagte. Seine Atmung wurde hektischer, unkontrollierter bei der Erinnerung an den Folterfluch. Er wollte nicht daran denken, doch konnte er sich nicht dagegen wehren. Er verlor sich in diesem Moment zu kraftlos, um einen Weg zurück in das Hier und Jetzt zu finden. Aber was war schon besser? Andere Schüler wurden in die Große Halle gebracht. Von den Ländereien dröhnte ein herzzerreißendes ‚KRONE!‘ ins Schloss und doch konnte Barty keine Kraft aufwenden, irgendetwas zu tun oder gar zu denken. Schweigend blickte er ins Leere, als könnte er dort einen besseren Ort finden. Irgendwann schaffte Barty es, sich dazu zu bringen, sich wenigstens einmal umzusehen. In dem schwachen Kerzenlicht konnte er Lupin ausmachen, der ihm fast gegenüber saß. Er sah wieder weg und erinnerte sich an die beiden Begebenheiten, in denen ihn der Gryffindor gerettet hatte … vielleicht sogar das Leben gerettet hatte. Wieder sah Barty langsam und unter Schmerzen zu dem älteren Jungen, den er eigentlich gar nicht so mochte, weil er immer mit Potter und den anderen beiden Störenfrieden rumhing. Doch die Nacht hatte alles verändert. Nach einem tiefen Atemzug gab sich Barty einen Ruck. „Lupin“, sagte er leise, „danke … ich glaube, ohne dich … wäre ich gestorben.“ Die Worte kosteten unglaublich viel Kraft und waren trotz alledem viel zu leise. Lupin hatte sie jedoch verstanden. Er sah auf und Barty glaubte fast, dass er sogar etwas wie ein schiefes Lächeln zustande brachte. „Hey“, sagte er und hob eine Hand, „wir haben es geschafft.“ Verwundert starrte Barty auf die erhobene Hand und begriff erst langsam, dass es nun an ihm war, einzuschlagen. Unter Schmerzen hob er seine Hand. Er war vorsichtig, viel zu vorsichtig und verfehlte Lupins Handfläche, was den Gryffindor zu einem leisen Lachen brachte, bevor sie schwach schließlich trafen. Daraufhin wandte sich Barty wieder ab. Das alles war zu viel für ihn. Er wollte allein sein. Er wollte woanders sein. Er wollte vergessen. Die weinenden Stimmen, die Anschuldigungen, alles das blendete er aus. Zeit wurde zu etwas Absurdem, das völlig willkürlichen Regeln folgte. Er merkte, dass Leute um ihn herumwuselten, nach seiner Hand griffen und ihm tröstend über den Rücken streichelten. Doch wollte er sie nicht wahrnehmen. Irgendwann hatte sich Hannah Ward neben ihn gesetzt und nahm ihn einfach in den Arm. Dann hatte sie ihm einen Becher in die Hand gedrückt. „Du musst trinken!“, sagte sie. Ausdruckslos sah Barty auf den Becher. Er spürte, wie sich seine Hand mechanisch hob und den kühlen Zinn zu seinen Lippen führte. Das kalte Wasser tat tatsächlich gut. Sein verausgabter Körper lechzte nach Flüssigkeit und dennoch konnte es ihn nicht von seinen düsteren Gedanken abbringen. Ein anderes Mal hatte Bertha Jorkins ihm etwas in die Hand gedrückt. Er müsse das trinken, hatte sie gesagt. Es würde eklig schmecken, aber dann würde es ihm besser gehen. Wieder hatte sein Körper unabhängig von seinem Denken funktioniert. Als Barty jedoch die widerliche Flüssigkeit im Mund hatte, schüttelte es ihn und würgend und hustend versuchte er sie wieder auszuspucken. Hände hielten ihn tröstend und fürsorglich. „Sch“, versuchten sie ihn zu beruhigen. „Du musst das trinken, nur noch zwei Schlücke, es wird dir helfen.“ „Ich will nicht“, brachte Barty schluchzend hervor. Seine Finger hatten sich um den Becher verkrampft, während er sich unter der ganzen Last des Elends zusammenkrümmte. Aber er trank. Und irgendwann begann der Trank seine Wirkung zu entfalten und dämmte seine Schmerzen. Er vermochte es jedoch nicht, ihm die Erinnerungen zu nehmen. Die mentalen Qualen. Den Moment, in dem er nichts machen konnte, in dem Dunkle Magie bis aufs Äußerste Schmerzen durch seinen Körper geschossen hatte. „Barty?“ Die vertraute Stimme drang dumpf zu ihm hindurch. Es war Regulus, der sich einen Weg durch die trauernden Schüler kämpfte, auf der Suche nach seinem besten Freund. „Barty?“, rief er erneut. „Ich bin hier“, sagte Barty schwach und spähte zum ersten Mal mit einem Anflug von Hoffnung auf das Geschehen. Noch nie hatte er sich so sehr darüber gefreut, seinen besten Freund in der Nähe zu wissen. Nicht mehr allein zu sein. „Barty, geht es dir gut? Was ist passiert?“, brach es aus Regulus heraus, kaum dass er vor ihm stand. Doch Barty konnte nicht antworten. Die Sorge seines Freundes brachte den Damm, der seine Tränen zurückgehalten hatte, zum Einsturz. Schluchzend vergrub Barty den Kopf in den Händen, bis sein verweintes Gesicht plötzlich gegen Regulus’ Pulli gedrückt war, als der Ältere ihn tröstend in die Arme genommen hatte. In dem Moment fühlte sich Barty wie ein kleines Kind, aber das war ihm egal. Er wollte Trost. „Ich war so machtlos“, stieß er hervor. „Da … waren so viele … ich konnte nichts machen. Und auf einmal war da Ragnar und …“ Barty konnte nicht mehr weitersprechen. Die Erinnerung an den Cruciatus-Fluch schnürte ihm die Kehle zu. „Es ist alles gut“, sagte Regulus, auch wenn er wusste, wie wenig das eigentlich beruhigen würde. Plötzlich fiel Barty etwas anderes ein. Geradezu erschrocken sah er auf und kämpfte gegen das aufkommende Schluchzen. „Meaghan“, stieß er hervor und begann wieder zu weinen. „W-was ist mit Meaghan?“, fragte Regulus. „Es … es tut mir so leid“, brachte Barty hervor. „M-Meagan ist tot.“ Die Welt schien still zu stehen. Barty konnte beobachten, wie sich Unglauben in Regulus’ Miene stahl und der Hauch einer düsteren Vorahnung. Dann war der junge Black unter den Schülern verschwunden. Barty konnte das Schluchzen hören und die ungläubigen Rufe, dass sie nicht tot sein könne. Aber alles, was Barty tun konnte, war dazusitzen, die Schmerzen auszuharren und das Geschehen passieren zu lassen. Er war wieder allein und fühlte sich seltsam fremd an diesem Ort. Vielleicht gehörte er ja auch gar nicht rein in dieses Ereignis. Eigentlich hoffte er, dass er es nicht tat, doch Regulus’ Klagen holte ihn zurück in die Realität. Meaghan war tot. Sie hatten rein gar nichts ausrichten können. Eine Schülerin hatte sterben müssen und all die anderen waren schwer verletzt. Barty blinzelte eine Träne weg und sah sich um. Sein Körper fühlte sich merkwürdig steif an. Sein Blick war stumpf, als er seinen besten Freund in der Menge der Schüler suchte. Er sah, wie Florence und Rosier bei ihm saßen und tröstend im Arm hielten. Plötzlich erklang Tumult von draußen. „Bitte gehen Sie alle in die Große Halle!“, rief eine tiefe Männerstimme. Kurz darauf erschien ein beleibter Zauberer mit Zylinder, dessen Abzeichen an seiner Weste ihn als Mitglied des Zaubererministeriums auswies. Barty hörte, wie Proteste laut wurden. Wie die Schüler sich zu wehren begannen, zu wissen verlangten, warum niemand geholfen hatte. Die einzige Antwort die sie bekamen war jedoch nur ein: „Das Ministerium ist jetzt hier und wird sich um alles kümmern!“ In dem Augenblick spürte Barty, einen Klumpen tiefster Verachtung. Wenn man ihnen eher geglaubt hätte. Wenn sein verdammter Vater auf den Brief seines Sohnes gehört hätte, wenn einfach irgendjemand etwas getan hätte, dann hätte vielleicht niemand sterben müssen. „Mussten erst Schüler sterben, damit Sie uns glauben?“, schrie Avery auf einmal vollkommen außer sich. „Bitte beruhigen Sie sich-“ „Ich denk nicht dran!“ Barty hatte Avery noch nie so aufgebracht erlebt. Seine Stimme war rau vor Trauer und Wut, sie hallte über das Schluchzen hinweg, doch die Worte verloren sich in hysterischen Rufen, die vom anderen Ende der Großen Halle kamen. Erst da sah Barty, wie zwei weitere Zauberer des Ministeriums, den reglosen und blutbesudelten Körper von Morag trugen. Und alles ergab Sinn. Mussten erst Schüler sterben … Morag war tot. Man hatte ihr doch nicht helfen können. Barty fühlte sich seltsam fremd, während er beobachtete, wie der Leichnam nach draußen getragen wurde und zuhörte, wie sich Avery mit den Ministeriumsleuten anlegte. Zeit strich dahin, in der er zu erfassen versuchte, was geschehen war. Professor Sprout war auf einmal erschienen und sprach ihnen Mut zu, forderte sie auf zu essen. Wie konnte sie jetzt ans Essen denken? Barty hatte überhaupt keinen Hunger. Stattdessen konzentrierte er sich auf Sirius, der mit Regulus im Schlepptau die Große Halle verließ. Ein Anflug von Neugier stahl sich in Bartys tiefe Teilnahmslosigkeit. Ob es um Meaghan ging? Ob er etwas tun sollte, um seinen besten Freund zu trösten? Konnte er das überhaupt? Die Entscheidung nahm ihm schließlich Florence ab, die sanft ihre Hand auf seine Schulter legte und sich zu ihm hinabbeugte. „Geh Regulus hinterher, nicht dass Sirius irgendeine Dummheit anstellt.“ Dankbar, dass man ihm die Entscheidung abgenommen hatte, versuchte Barty auf wackligen Beinen aufzustehen. Ihm schwindelte, während er sich einen Weg aus der Großen Hall kämpfte und weiter durch den Eingangsbereich schritt. Draußen vor dem Schloss glaubte er die Stimmen der beiden Black Brüder zu hören und beschloss zu warten. Er wusste, dass Regulus noch immer an seinem großen Bruder hing und er war sich sicher, dass er diesen Moment nicht stören sollte. Als sie wieder hereinkamen versuchte Barty Regulus abzufangen. „Es … es tut mir leid“, sagte er in Ermangelung besserer Worte. Regulus sah auf. Sein Gesicht war tränenverschmiert, doch er schüttelte den Kopf. „Ich konnte nichts machen“, schluchzte Barty. „D-da war Ragnar und … er hat …“ Entsetzen stahl sich in Regulus’ Miene. „Barty, ich wusste nicht“, begann er, aber Barty hatte einem Impuls folgend den Kopf an Regulus’ Schulter vergraben, während er den Mut suchte, die Worte zu sagen, die er zu verstehen versuchte. „Er hat einfach … er hat den … Cruciatus … ich konnte nicht. Ich dachte, ich … ich sterbe.“ Seine letzten Worte wurden von einem heftigen Schluchzen erstickt, als ihn mit einem Mal all die Todesangst überkam, die er in diesem Moment empfunden hatte. All der Schmerz brach hervor und suchte sich einen Weg heraus. Irgendwann war Regulus’ wieder gegangen, getrieben von Vorwürfen, Trauer und Leid, und ließ Barty allein in dem großen Eingangsbereich zurück. Verloren stand Barty da und überlegte, was er tun sollte. Er wollte nicht zurück in die Große Halle. Er wollte gar nichts mehr. Er wollte nur, dass alles vorbei war, aber das würde dauern. Schließlich war es Sirius, der ihm die nächste Entscheidung abnahm. „Wo ist Regulus?“, fragte er und echte Sorge schwang in seiner Stimme mit. „Im Gemeinschaftsraum“, antwortete Barty tonlos. „Du bist doch sein Freund. Kannst du nicht zu ihm? Ich glaube, das wäre gut für ihn.“ Barty nickte mechanisch und lief mit schmerzenden Gliedern hinab zu den Kerkern. Dort fand er ihn tatsächlich. Einsam saß Regulus in einer Ecke und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Etwas unbeholfen gesellte sich Barty dazu. „Ich glaube, Meaghan hätte es nicht gewollt, dich so zu sehen“, sagte er das, was man bei so etwas zu sagen schien. Eigentlich glaubte er, dass die Worte sogar der Wahrheit entsprachen. Er dachte zurück, als er wenige Stunden zuvor noch mit Meaghan in der Großen Halle gesessen hatte. Die Vorstellung, dass sie nie wieder mit ihm sprechen würde, nie wieder im Unterricht erscheinen würde, einfach nicht mehr da sein würde, schien so unbegreiflich. Sie verfielen wieder in tiefes Schweigen, jeder in seinen eigenen Gedanken verloren und ließen die Zeit an ihnen vorbei streichen. Was das brachte, wussten sie nicht. Erst Florence und Evan schafften es, sie aus ihrer Apathie zu reißen. „Kommt mit“, sagten sie, „es bringt nichts hier allein zu sitzen.“ Und auf einmal fand sich Barty in der Großen Halle wieder, mit einer Mahlzeit in der er lustlos herumstocherte. Um ihn herum schien es den meisten Schülern ähnlich zu ergehen. Niemand rührte sein Essen an, alle waren damit beschäftigt, teilnahmslos darin herumzustochern oder einfach nur auf die Schüssel zu starren. Die Ministeriumsleute waren wieder gegangen. Wohin wusste, Barty nicht. Aber es war ihm egal. Nachdenklich zwang er sich dazu, einen Bissen von der Abendmahlzeit zu nehmen und kaute darauf herum. Es schmeckt nach nichts. Seine Geschmacksnerven schienen genauso taub wie der Rest seines Körpers. Angeekelt würgte Barty den Bissen hinunter und legte den Löffel wieder beiseite. Er konnte nichts zu sich nehmen. Stattdessen beobachtete er stumm seine Mitschüler, die sich zu sammeln versuchten, die stark zu sein versuchten und doch den Erinnerungen der schrecklichen Ereignisse erlagen. Sirius erschien plötzlich bei Bartys und Regulus’ Platz. „Wir halten eine Gedenkfeier für Meaghan und Morag“, sagte er. „Wer will, kann sich uns anschließen.“ Automatisch folgte Barty Regulus’ Beispiel und erhob sich. Sie gesellten sich zu einer kleinen Schülertraube, die sich um Lupin sammelte und ihm schließlich hinaus in die Nacht folgte. Sie hatten Blumen und zwei Kerzen, die sie in der Nähe der Schlossmauer hinlegten. Lupin entzündete die beiden Kerzen mit einem Incendio, woraufhin andere schweigend vortraten und Blumen ablegten. Barty beobachtete das Trauerspiel schweigend. Er lauschte den letzten Worten seiner Mitschüler und wusste doch nicht, was er sagen sollte. Um wenigstens irgendetwas zu tun, legte er den Kopf in den Nacken und starrte zu dem sternenklaren Himmel. Die ruhige Nacht schien die kürzlich geschehene Schlacht zu verspotten. Wie konnte alles so ruhig und friedlich sein, wenn kurz zuvor noch die Welt untergegangen war? „Wir werden dich nie vergessen“, hörte Barty Reginald Cattermole sagen und konzentrierte sich wieder auf das eigentliche Geschehen. Als keiner mehr etwas zu sagen hatte, hob Lupin auf einmal seinen Lumos gen Nachthimmel. „Euer Tod soll nicht umsonst gewesen sein.“ Schweigend folgten die Schüler seinem Beispiel und standen mit hocherhobenem Lumos da, während sie ihren gefallenen Klassenkameraden den letzten Respekt erwiesen. Dann begann sich die Gruppe langsam zu lösen. Erst war es nur einer, danach zwei und schließlich standen nur noch Evan, Regulus und Barty vor den beiden Kerzen. „Möchtest du alleine sein?“, flüsterte Barty zu Regulus, als er es nicht mehr länger an diesem Ort aushielt. Regulus nickte stumm und Barty wandte sich ab. In diesem Moment wollte er einfach nur zurück in den Schlafsaal. Er wollte die Augen schließen und vergessen, in der Hoffnung, dass mit dem kommenden Morgen die Welt wieder ganz anders aussehen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)