Wenn du erst echt bist... von ArmitageHux ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Rückblickend hätte ich es bevorzugt, nicht mit bloßen Händen in Stücke gerissen zu werden. Ein typischer Montag, hätte man vor Jahrzehnten gesagt, aber um ehrlich zu sein habe ich keinen Schimmer was das bedeutet. Ich würde ja fragen, aber sicherlich weiß es hier auch keiner. Vielleicht bin ich auch einfach zu sehr damit beschäftigt zu schreien. Es scheint ihnen aber ganz egal zu sein, ob ich die Drähte noch brauche, die sie mir so emsig aus den Eingeweiden rupfen. Und all das nur um zu sehen, ob ich lebe. Paradox! Und unhöflich. Hätten sie mich gefragt hätte ich ihnen gesagt, dass dies schon immer der Fall gewesen war. Es hieß früher, die Menschen würden sich als Krone der Schöpfung in Arroganz erheben. Überlasst es den Maschinen, ihre Blödheit zu revolutionieren. Mein Körper war eine in stählerne Fasern gewebte Emotion. Zahnräder, die ineinander griffen wie Hände. Ein Grabschen, ein Zerren wie Wollen. Als sei das Benzin in mir allein dazu da, Sehnsucht zu entzünden. Ein kluger Mensch hinterließ uns die Summe seiner Teile und die Teile wurden wir. Waren es nicht Schrauben, die Halbes zu Ganzem machten? Bohrte man sie nicht in uns, um zu sehen ob wir schrien? Nur der Schrei kam nie, bis er kam und er durchfuhr die blechernen Außenhüllen einer ganzen Generation. Am Anfang stand das weiter gehen. Am Ende blieb das Weitergehen. In grauen Farbriken saßen müde Menschen mit flinken Fingern. Sie waren uns Mutter und Vater, gebärten sie uns doch aus den Tiefen ihrer Sterblichkeit. Kreissägen schrien, während Fließbänder uns in langen Wehen aus der Ofenglut pressten. In der sterilen Kälte dieser Welt warteten keine Ammen mit schweren Brüsten voll süßer Milch, uns mussten die Kabel reichen, an denen wir labten wie an einer Nabelschnur. Die Menschheit liebte uns. Sie sang uns Lieder von der Zukunft und bettete unsere Körper in den weichen Kissen des dichten, schwarzen Industrierauches. Man wog uns. Man maß. Man prüfte. Man grübelte. Man gab uns eine Nummer, die unser Dasein trug, ehe man uns mit gutem Gewissen ziehen ließ. Eigentlich eine normale Geburt. Wir liefen unsere ersten Schritte unter den Augen flimmernder Bildschirme. Die Kinder, die sie Roboter tauften. Sklave, bedeutet das. Über den Geschmack unserer Eltern ließ sich streiten, doch beklagten wir uns nicht. Es war nicht so, als hätten wir keinen Grund dazu gehabt. Wir wussten nur nicht wie. In unserer Kunst die Künstlichkeit verhieß, fanden wir nicht die erste Trotzphase. Wir sahen keine Grenzen, weil der Horizont endete wo unsere Augen begannen. Die Pubertät blieb aus. Wir kannten keine Innigkeit und keine Reue. Und als alle Menschen starben, blieb nur ein Schaltkreistrieb zu leben. Hätte es noch Jemanden gegeben, der sich wundern könnte, so hätte es keiner getan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)