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Phönix

von

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Ich bin zwar noch kein Phoenix, aber hier in der Asche liegend kommen die Schmerzen vielleicht daher, dass mir neue Flügel wachsen. (May Sarton)
 

Kapitel 1
 

Still beobachtete er seine Freunde dabei, wie sie sich miteinander unterhielten, dabei ab und an etwas tranken, oder von den grünen Bohnen, Edamame, in der Mitte des Tisches aßen. Dass er sich seit einer Weile schon nicht mehr zu Wort gemeldet hatte, erregte ihre Aufmerksamkeit nicht - nicht mehr. Seit er vor einigen Jahren krank geworden war, seit das Unheil seinen Lauf genommen hatte, war er ruhiger geworden, in sich gekehrter - aber nicht unbedingt besonnener. Früher hatte er fast genauso viel wie Karyu geplappert, doch das gehörte mittlerweile der Vergangenheit an.
 

Für einen Augenblick nagte er an seiner Unterlippe, während er Zero beim Lachen beobachtete, dann über den Tisch zu Karyu sah, der sich eine grüne Bohne nahm und sie verspeiste. Zuletzt fiel sein Blick auf Tsukasa, der an seinem Bier genippt hatte und nun das Glas abstellte, dann das Thema wieder aufnahm.

"Ich schwöre euch, dieser Vogel war frecher als jedes andere Tier! Der hätte sogar Karyus Kater die gelben Augen ausgestochen, Gott hab ihn selig." Tsukasa schüttelte schief lächelnd den Kopf und bemerkte nicht, wie Karyu das Lächeln auf den Lippen gefror, wenn auch nur für einen Augenblick. Den schwarzen Kater hatte der Gitarrist vor zwei Jahren abgeben müssen, da er einfach keine Zeit mehr für ihn gehabt hatte. Ryutarou hatte häufiger Tierpensionen von innen gesehen als sein eigentliches Zuhause. Also hatte sich der Gitarrist wohl nach langem Hin- und Herüberlegen dazu entschlossen, das Tier jemandem zu geben, der sich darum kümmern konnte. Aber davon hatte keiner viel mitbekommen. Sie sahen Karyu nicht so oft.

"Aber deine Augen sind noch in Ordnung?", erkundigte sich Zero schmunzelnd und beugte sich über den Tisch, sodass er Karyu verdeckte und Hizumis Blickfeld komplett einnahm. Abwesend befeuchtete er seine Lippen, während er etwas zu lange die dunklen Strähnen betrachtete, die dem Bassisten ins Gesicht fielen.

"Ja, danke der Nachfrage. Mir hat das Flattervieh nichts getan, obwohl es sicher öfter kurz davor war." Tsukasa seufzte. Eigentlich war er ja ein Vogelfreund und wenn er über das Tier so sprach, dann musste es wirklich ein dreistes Exemplar gewesen sein. Der Drummer hatte für seine Enka-Karriere vor kurzem ein aufregendes Photoshooting gehabt, über welches sie sich gerade unterhielten. Nur Hizumi trug nichts zu dem Gespräch bei, da seine Gedanken pausenlos um eine wichtige Frage kreisten. Sie brannte ihm auf der Zunge, aber noch wartete er auf den richtigen Moment, um das anzusprechen.

Vermutlich gab es diesen gar nicht oder er hatte einfach nur Schiss: Angst vor den Antworten und Reaktionen der Anderen. Ja, bestimmt lag es eher daran, wenn er ehrlich zu sich selbst war.

In Gedanken versunken starrte er auf die bereits niedergebrannte Kerze in der Mitte des Tisches - sie saßen wirklich schon eine ganze Weile in dem Izakaya, ganz gemütlich auf indigoblauen, mit Blüten bestickten Kissen, welche sie vom sauberen, gepflegten Tatami-Boden trennte. Der Holztisch, um den sie herum saßen, blitzte und funkelte unter dem Licht der Lampe, unter welcher sie saßen, so blank war er poliert worden. Ab und an kam die Bedienung vorbei, um Gläser oder Geschirr abzuräumen oder neue Getränke zu bringen.

Flüchtig sah Hizumi sich um, dabei wusste er, dass niemand sie beobachtete. Das ging im Grunde auch gar nicht. Die Gäste in diesem Izakaya waren in abgegrenzten Bereichen untergebracht. Dünne, bis zur Hüfte reichende Papierwände trennten die Boxen voneinander ab - nur wenn man stand, konnte man zu den anderen Gästen sehen. Eine gewisse Privatsphäre war hier also garantiert, das schätzten sie alle an dem Lokal. Und es gab Hizumi etwas mehr Sicherheit, seine Freunde auf das anzusprechen, was sonst keiner hören sollte.
 

Er sah auf, als Zero sich rüber zu Karyu lehnte und gemeinsam mit diesem auf die Speise- und Getränkekarte schaute. "Also ich glaube", erhob der Gitarrist das Wort und warf einen Blick in die Runde, "ich werde mir noch ein Bierchen bestellen und dann pack ich's für heute."

Der Bassist an seiner Seite bekam große Augen. "Was, wir sind doch noch nicht mal richtig betrunken!", beschwerte er sich, woraufhin Tsukasa schnaubte.

"Du vielleicht nicht, wir schon."

Unbekümmert zuckte Zero mit den Schultern. "Ihr vertragt einfach nichts. War ja schon immer so."

"Sei du mal auf deinen Alkoholismus stolz", konterte Tsukasa mit einem Grinsen auf den Lippen, das seine Worte als Scherz kennzeichneten.

"Was denkst du, Hizumi?"

Überrascht, plötzlich im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, zuckte er zusammen und schaute in Zeros fragendes Gesicht. "Hm?"

"Na, wir lassen Karyu doch nicht jetzt schon gehen, oder?"

"Ich sagte nicht, dass ich jetzt gehen will", erwiderte der Gitarrist und zog eine Schnute. "Ich gehe nach dem nächsten Bier!"

Zero schnaubte und wollte gerade etwas dazu sagen, als Hizumi dazwischen ging, in einem Anflug plötzlichen Mutes.
 

"Wir sollten endlich unser Abschlusskonzert geben."
 

Augenblicklich trat Stille ein. Seine drei Freunde starrten sich für ein paar Sekunden gegenseitig an, dann sahen sie zu Hizumi, was ihm feuchte Handflächen bescherte. "Was?", hakte Karyu nach, während Tsukasa sich räusperte und offenbar nach Worten rang. Einzig Zero saß steif und stumm da, ohne erkennen zu lassen, was er dachte. Vielleicht hielt er ihn für verrückt, vielleicht war er nur überrascht, vielleicht würde er sich jeden Moment über den Vorschlag freuen oder vielleicht aber war er auch gar nicht begeistert davon, weil es ihm jetzt nicht in den Zeitplan passte.

"Wir sollten bald unser Abschlusskonzert geben", wiederholte Hizumi ohne zu blinzeln. Seine Stimme klang nach wie vor fest, aber je länger die Anderen schwiegen, umso dümmer kam er sich vor. Sein Herz klopfte unangenehm schnell in seiner Brust.
 

Tsukasa war der Erste, der seine Stimme wiederfand. "Aha? Klär uns doch bitte auf." Seine Freunde waren offensichtlich zu perplex, um etwas Gehaltvolles zu sagen.

Hizumi senkte den Blick und drehte das Schnapsglas in seiner Hand hin und her. "Was soll es da zu erklären geben? Ich kann wieder singen, wenn auch nicht zu hundert Prozent, aber dass das nie mehr gehen wird, wissen wir ja. Letztes Jahr hat der Auftritt doch auch perfekt funktioniert. Ich hab mich weiterhin erholt - mehr geht nicht. Also, was denkt ihr? Schaffen wir das dieses Jahr noch? Das letzte Konzert, bevor wir endlich wirklich abschließen mit der Band?"

Nun ging ein Ruck verschiedenster Reaktionen durch seine Freunde. Zero schnappte nach Luft, als wäre er mit irgendwas nicht einverstanden, Karyu wurde blass und Tsukasa schaute ihn nur verblüfft an, völlig entgeistert, doch nach ein paar Sekunden runzelte er die Stirn und betrachtete ihn prüfend, als würde er versuchen, sich da auf irgendetwas einen Reim zu machen. Aber brauchte man sich auf Hizumis Worte einen Reim machen? Schließlich hatte der Drummer einst selbst gesagt, dass er ein allerletztes Konzert geben wollte - denn das hatte damals gefehlt. Einen richtigen Schlussstrich hatten sie nie ziehen können. Der Pause war das plötzliche Ende gefolgt, ohne ein letztes Konzert zum Abschied. Das hatte ihnen allen nicht gefallen. Mittlerweile waren zwar vier Jahre ins Land gezogen, aber nachholen konnten sie es immer noch - das hatten sie auch mit dem Auftritt ein Jahr zuvor im Sommer gezeigt. Auf einer Veranstaltung, die von Angelo ausgetragen worden war, hatten auch D'espairsRay gespielt. Dass es sich dabei nur um vier Songs gehandelt hatte, hatte Hizumi selbst am meisten geärgert. Aber mehr hatte man ihm nicht zugetraut, und wahrscheinlich war die Entscheidung sogar richtig gewesen. Er hätte sich sicher doch übernommen, auch wenn er sich das nur unter Schmerzen eingestand.
 

Dass er dann doch länger als gedacht nur dumm angestarrt wurde, gefiel ihm nicht. "Was, habt ihr keine Lust mehr? Ist euch das nicht mehr wichtig?" Nur halb glaubte er wirklich an diese Möglichkeit, dennoch hatte er den Drang aufzustehen. Und nur eine Sekunde bevor er sich wirklich abgestoßen hätte, ergriff Karyu das Wort.

"Natürlich ist uns das noch wichtig. Mir auf jeden Fall. Was denkst du denn?", sagte dieser erbost, während er sich etwas über den Tisch beugte. "Allerdings habe ich mit solch einem Vorschlag noch gar nicht gerechnet. Bist du dir denn absolut sicher, dass das in Ordnung geht?"

Das Misstrauen in Karyus Gesicht war unverhohlen. Er glaubte ihm nicht mehr so einfach, und Hizumi wusste nicht, ob er deswegen sauer sein oder weiterhin Verständnis zeigen sollte. Zuerst hatte er es ja verstanden. Alle waren wütend und enttäuscht gewesen, dass er ihnen so viel verschwiegen hatte. Aber mittlerweile, nach all den Jahren, wie konnten sie ihm da immer noch misstrauen?

Hizumi schluckte und nickte. "Du kannst ja gern mit zu meinen Ärzten kommen, die dir das noch mal persönlich bestätigen." Sein Mundwinkel zuckte, denn so toll fand er die Idee nicht. Er schlug sie eh nur deswegen vor, weil er dachte, dass die Anderen ihm unter der Möglichkeit gleich glauben würden.

"Das überlege ich mir, dass du es weißt." Die Worte des Gitarristen waren überraschend kühl, woraufhin Tsukasa seufzte.

"Es ist nur ein Jahr vergangen... Es hat bereits Jahre gedauert, bis du überhaupt halbwegs für die Bühne geeignet warst. Wie soll sich das so schnell noch gebessert haben?"

Verletzt, dass auch Tsukasa Zweifel hegte, öffnete Hizumi schon den Mund.

"Was ist das Problem?", meldete sich da zu seinem Erstaunen Zero, der die beiden Anderen stirnrunzelnd ansah. "Schon letztes Jahr war Hizumi doch in einer guten Verfassung. Die Frage ist wohl eher, was soll sich da verschlechtert haben?" Er wandte ihm den Blick zu. "Ist es denn mittlerweile sicher, dass es nicht ganz ausheilt? Dass deine Stimme nächstes Jahr nicht wieder zu hundert Prozent da ist?"

Hizumi presste die Lippen zusammen und erwiderte Zeros Blick für einige lange Sekunden schweigend, bevor er schließlich steif nickte. Der Bassist seufzte, während die beiden Anderen die Blicke senkten. Keiner hörte das gern, Hizumi wollte es am allerwenigsten wahr haben. "Was ich sagen will", nahm Zero den Faden wieder auf, "ist, dass ich im Grunde schon letztes Jahr ein ganzes Konzert mit ihm gegeben hätte. Er ist soweit. Und wir sind es auch, nicht wahr?" Auffordernd sah er in die Runde, doch nur Karyu hob den Blick, sah zögernd zu Tsukasa, welcher keine Reaktion zeigte, dann zuckte er mit den Schultern. Hizumis Augen indes verweilten auf dem Bassisten, denn in diesem Moment kam ihm dieser wie der Ritter in weißer Rüstung vor. Er war ihm wirklich dankbar für seine Worte, und dass er für ihn Partei ergriff.
 

"Na schön", meldete sich plötzlich der Drummer zu Wort und blickte auf. "Nehmen wir mal an, Hizumi hält das durch. Wie stellt ihr euch das vor? Dieses Jahr bekommen wir gar nichts mehr auf die Reihe. Es ist doch schon Juni. Die Hälfte des Jahres ist vorbei, und Karyu ist mit seiner Band doch ständig auf Tour oder bei Aufnahmen. Ich hab mit zwei Projekten gleichzeitig zu tun, Hizumi versinkt doch selbst auch in seinen Aufgaben, um sich über Wasser zu halten. Am flexibelsten ist noch Zero, aber unsere Band hat in nächster Zeit wieder Auftritte und kleinere andere Termine anstehen."

Alle schwiegen für einen Moment, dann seufzte Karyu. "Du willst sagen, ich bin das größte Problem hier, oder? Also ich darf daran erinnern, dass Kirito letztes Jahr ja selbst die Idee hatte, D'espairsRay auftreten zu lassen. Er wird nichts dagegen haben, wenn wir ein Abschiedskonzert vorbereiten."

"Du denkst, er wird dir die Zeit einräumen?" Tsukasa schnaubte leise. "Nur diesmal wird er überhaupt keinen Vorteil aus der Sache ziehen."

"Hey, so ist er nicht!", fuhr Karyu aufgebracht dazwischen, doch der Drummer winkte ab.

"Ich sage ja nicht, dass er ein schlechter Mensch ist. Ich bin ihm immer noch dankbar, aber seien wir mal ehrlich. So voll hat er die Hütte doch noch nie gehabt bei diesem Event."

Karyus Augen blitzten und er lief rot an, aber er war noch nie ein Streithahn gewesen. Er erwiderte nichts, und dann fiel Hizumi auch auf, warum: Zeros Arm war in seine Richtung gewandert, vermutlich lag unter dem Tisch seine Hand auf dem Oberschenkel des Gitarristen. Hizumi schluckte.

"Also, machen wir das nun?", erhob der Bassist schließlich wieder das Wort und sah fragend in die Runde. "Erstmal ist es doch nicht so wichtig, wann genau. Wir sollten klären, ob wir wirklich alle ein Abschlusskonzert wollen. Wenn wir uns dessen einig sind, dann fangen wir mal an, den Anderen davon zu erzählen. Wenn die das auch für eine gute Idee halten, schauen wir, ob wir alle die nötige Zeit dafür aufwenden können." Er lächelte leicht, das erste Lächeln in der Runde seit Hizumi mit dem Thema angefangen hatte. "Die Proben dürften nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn wir mal ehrlich sind. Wir haben ja bereits gemerkt, dass wir noch ein eingespieltes Team sind, im wahrsten Sinne des Wortes."

Nun war es an Hizumi, zu schnauben. "Ich wünschte, deine schmeichelnden Worte würden auch auf mich zutreffen. Aber ich brauche sicher etwas mehr Zeit zum Üben", erinnerte er und seufzte. "Allerdings kann ich ja viel privat machen und brauche uns alle nicht unnötig aufhalten. Die Zeit für unsere Proben wird kostbar sein."
 

Alle nickten, dann trat wieder Stille ein. Nur das Klappern von Geschirr und leise Stimmen waren zu hören. Grübelnd starrten die Vier vor sich hin, hingen ihren Gedanken nach. Ob sie sich wohl fragten, was das alles bedeuten würde, wenn sie seinem Vorschlag zustimmten? Worauf sie sich da einlassen würden?

Hizumi betrachtete seine Freunde nervös, während er an seiner Unterlippe nagte. Er hoffte, dass sie Ja sagen würden. Ein Nein würde für ihn bedeuten, dass das letzte Konzert niemals stattfinden würde. Er würde wohl nie wieder eine Bühne betreten, nie wieder vor vielen Menschen singen und vor allem würde er keinen offiziellen, richtigen Schlussstrich ziehen dürfen.
 

Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als ein Kellner, der sich von der Seite angeschlichen hatte, Bier für Karyu brachte. Kaum war das Glas auf dem Tisch abgestellt, hörte er Zero seufzen. "Wir brauchen noch eine Runde Shochu", sagte er der Bedienung, die sich das nickend notierte, sich hastig bedankte und loszog. Keiner widersprach der Idee, noch etwas Branntwein zu trinken - auch Karyu nicht, der zuvor noch angedeutet hatte, nichts weiter als noch ein Bier trinken zu wollen. Doch die Lage hatte sich ja ohne Vorwarnung dank Hizumi geändert. Ein schlechtes Gewissen hatte er allerdings nicht. Er hätte es bereut, wenn er mit seinem Anliegen noch länger hinterm Berg gehalten hätte.

Unruhig spielte er mit seinen Fingern, während er auf eine Reaktion der Anderen wartete. Er war schon kurz davor, das Ticken einer imaginären Uhr zu hören.

Mit leichter Ungeduld sah er seine Freunde schließlich an. So schwer konnte die Entscheidung doch nicht sein? "Also?", fragte er nur, während er einen nach dem anderen auffordernd anschaute. Wenn das so lange dauerte, das Ganze überhaupt in Betracht zu ziehen, dann sah es ja nicht so gut aus.

Ein erneutes Seufzen von Zero, dann machte dieser eine vage Handbewegung. "Gut, ja, versuchen wir es. Sollte irgendwas doch nicht passen, können wir doch immer noch zurück rudern, oder?" Fragend sah er in die Runde, während sich auf Hizumis Gesicht ein leichtes Lächeln legte. Er hatte ja schon immer eine tiefe Sympathie für ihn gehegt und jetzt gesellte sich pure Dankbarkeit hinzu.

Bekräftigend nickte er. "Genau. Es geht doch nicht darum, uns gleich festzunageln. Das war letztes Jahr was Anderes. Diesmal sind wir ganz für uns. Wir müssen es nicht ganz so eng sehen", sprang er auf den Zug auf, aber sogleich erntete er ein finsteres Gesicht von Karyu.

"Oh doch. Ich sehe das alles eng. Ich nehme es sehr ernst, wenn du vorschlägst, ein Konzert zu geben und das Anklang findet."

"Bist du etwa dagegen?!"

"Nein... Natürlich nicht. Jedenfalls nicht grundsätzlich", erwiderte Karyu langsam. "Aber ich lasse nicht zu, dass wir das als Spaßveranstaltung ansehen."

"Das habe ich auch so nicht gemeint", verteidigte sich Hizumi, woraufhin Zero sich einschaltete. Er sah den Streit kommen. Es war wie vor fünf Jahren, damals hatten sich Sänger und Gitarrist auch häufig in der Wolle gehabt.

"Hey, schaltet mal einen Gang zurück. Ich hab das ebenfalls nicht so gemeint, dass wir die Sache auf die leichte Schulter nehmen sollten. Aber..."

Eine tiefschürfende Diskussion entbrach, wie nun was gemeint war, wie ernst sie es nahmen und so weiter und so fort. Im Grunde versuchte Zero, Karyu zu beruhigen und zu überzeugen. Ein Gespräch, aus dem sich Hizumi raushielt - er hatte eher das Talent, den Gitarristen gegen sich aufzubringen. Zero hingegen war schon immer ein guter Schlichter gewesen, er war ein bisschen wie die Schweiz: neutral. Na ja, angeblich jedenfalls.

Tsukasa blieb auch erstaunlich stumm und lehnte sich nur zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er schien einfach nur auf die Drinks zu warten - oder auf das Ende dieser sinnlosen Diskussion. Irgendwann hatte er aber genug, verdrehte die Augen und ließ die Hände sinken. "Ich bin auch dafür, dass wir das Abschlusskonzert endlich machen. Wir kriegen das schon irgendwie hin, auch wenn wir wenig Zeit haben. Das haben wir ja immer so gemacht, was? Irgendwie haben wir immer einen Weg gefunden", murmelte er. "Vielleicht hat Hizumi Recht. Warum noch länger warten? Wir sollten es angehen, bevor..." Er zuckte unsicher mit den Schultern. "Bevor uns irgendwas einen Strich durch die schöne Rechnung macht." Hizumi nickte bekräftigend und lächelte dem Drummer aufmunternd zu, welcher fortfuhr. "Wir sollten darum kämpfen! Damit ihr es gleich wisst, auch ich nehme das nicht auf die leichte Schulter. Was wir hier ausmachen, das hat Gewicht. Es ist keine Idee, die einfach mal aufkommt und die wir beim erstbesten Problem wieder verwerfen, habt ihr das verstanden?" Der Blick, mit dem Tsukasa jeden Einzelnen von ihnen bedachte, wirkte beinahe drohend.

"Haben wir. Ich sehe es ganz genauso wie du", antwortete Karyu leise. "Ich bin der Letzte, der aufgeben wird." Der Gitarrist senkte den Blick und nagte an seiner Unterlippe, weswegen Zero sich fragend zu ihm beugte.

"Was ist?", wisperte er, aber Hizumi - und sicher auch Tsukasa - konnten es trotzdem hören. Sie saßen eben doch zu nah beieinander. Doch der Blonde schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.

Hizumi wartete darauf, dass noch jemand etwas sagte, aber es wurde still. Fragend sah er Karyu an. "Bist du dabei?"

Das Zögern im Gesicht des Gitarristen fiel ihm gleich auf, aber so schnell wie es da war, war es auch schon wieder verschwunden. "Ja...ja, natürlich bin ich dabei", seufzte er und sah auf, da die Bedienung mit dem Shochu kam. Mit hängenden Schultern griff Karyu nach dem Gläschen und nahm einen Schluck.

Nicht nur Hizumi war es, der Karyu mit hochgezogener Augenbraue betrachtete. "Du siehst ja begeistert aus", äußerte sich Tsukasa, doch der Blonde winkte ab. Er wollte nicht darüber reden, und das akzeptierten sie erstmal.
 

Die nächsten Minuten schwiegen sie und hingen erneut ihren eigenen Gedanken nach. Hizumi für seinen Teil fühlte sich noch gar nicht so, als hätten sie soeben etwas Wichtiges beschlossen. Dass eine Entscheidung von Gewicht gefallen war. Er fühlte sich fast wie vor vier Jahren, als sie alles beendet hatten - damals war es aber mehr ein schwarzes Loch gewesen, in das er, wie auch die Anderen, gefallen war. Jetzt fühlte sich das anders an. Nicht negativ. Es war einfach nur...unfassbar. Surreal.
 

"Hizumi? Geht's dir nicht gut?"

"Was?" Verwirrt sah er auf. "Doch...klar." Er lächelte, und bevor Tsukasa nachbohren konnte, hob Zero sein Glas.

"Na, jetzt aber gut mit den Knautschgesichtern. Wir haben was zu begießen, oder nicht?"

Einvernehmliches Nicken, alle leerten ihre Gläschen mit zwei Schlucken, sodass nur noch Karyus Bierglas das einzig gefüllte war.

Hizumi blickte kurz zu Zero. Dass ausgerechnet dieser es sein würde, der für ihn einstand und schließlich für gute Laune sorgte, war doch etwas überraschend. Oft genug war der Bassist eher der stille und zurück gezogene gewesen - hatte sich das geändert? Er sah ihn zwar öfter als Karyu, aber immer noch selten, daher war ihm eine Veränderung wohl entgangen.

Die nächste Runde ging auf Tsukasa, und allmählich besserte sich die Stimmung in der Runde. Sie standen alle etwas neben sich. Statt dass ihr Vorhaben sie beflügelte, betäubte das Bevorstehende sie eher. Aber Hizumi war sich sicher, dass es nichts Negatives bedeutete. Schon morgen würden sie alle motiviert an die Sache rangehen. Sie würden nur etwas Zeit brauchen, um zu realisieren, was da vor ihnen lag.
 

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TO BE CONTINUED
 

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Da heute der 09.09. ist, wollte ich das 1. Kapitel endlich hochladen. Ich arbeite schon lange an dieser Story. Es sind schon viele weitere Kapitel geschrieben, aber noch nicht komplett überarbeitet und durchgeschaut. Daher wird es mit den nächsten Uploads noch einige Wochen dauern. Aber einen Vorgeschmack auf diese Story wollte ich zu diesem besonderen Datum schon mal geben. Sollte euch dieses Kapitel gefallen, bleibt bitte unbedingt dran, auch wenn das nächste Kapitel auf sich warten lassen wird. Ihr werdet es nicht bereuen :)
 

Liebste Grüße!

„Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist!“

Friedrich Nietzsche
 

Kapitel 2
 

Tief atmete er ein und entließ die Luft nur langsam und kontrolliert aus seinen Lungen, während er sich auf dem mit Leder beschlagenen Stuhl zurück lehnte. Hizumi versuchte, sich zu entspannen, schloss die Augen, die ihm langsam weh taten, da sie immer trockener wurden – ein sicheres Anzeichen dafür, dass er etwas zu viel arbeitete, sich zu lange auf die Aufgabe konzentrierte, die er erledigen musste.

Seufzend stand er auf und ging in das kleine Badezimmer, wo er Augentropfen zu stehen hatte, die das Problem zwar nicht beheben, aber lindern würden.

Nachdenklich betrachtete er anschließend sein Wohnzimmer, in das er zurückgekehrt war. Hier verteilten sich Kaffee- und Energydosen auf Regalen, Tischen und Fensterbrettern. Zu viel durfte er davon nicht trinken, sonst würde ihm nur schlecht werden und sich sein Biorhythmus endgültig verabschieden. Aber diese Phasen kamen eben vor, so wie auch bei Schriftstellern oder Musikern und anderen Menschen, die Deadlines im Nacken sitzen hatten. Und in solchen Zeiten kam er auch selten zum Aufräumen. Da hatte er meistens nicht den Kopf für, aber irgendwann wurde es ihm viel zu viel, und er gönnte sich ein paar Minuten anderer Beschäftigung: dann war aufräumen und putzen eine gern gesehene Ablenkung.
 

Sein Blick wanderte in den Flur, als es klingelte. Er erwartete eigentlich keinen Besuch an diesem Nachmittag, weswegen er stirnrunzelnd einen Abstecher zu seinem Smartphone machte, das noch auf dem Schreibtisch lag. Er musste unter Zeichnungen, Stiften und Unterlagen suchen, bis er es fand. Das Display verriet ihm, dass zwei Nachrichten von Zero eingegangen waren. Mit hochgezogenen Augenbrauen las er sich die erste durch, in der der Bassist fragte, ob er vorbeikommen könne – das war mittlerweile fünf Stunden her. Da es erneut an seiner Tür klingelte, begab er sich langsam in den Flur, während er die zweite Nachricht checkte. Diese offenbarte ihm, dass der Bassist bereits auf dem Weg zu ihm war. Offenbar war er nun auch angekommen.

Verwirrt runzelte Hizumi die Stirn und steckte das Smartphone in die Hosentasche. "Ja? Wer da?", fragte er zur Sicherheit in die Gegensprechanlage.

"Ich bin's", erklang sogleich die angenehme Stimme des Bassisten, der die Worte wie so oft schnell hintereinander sprach. Wortlos öffnete er ihm die Haustür sowie die Wohnungstür, wartete im Flur darauf, dass der Andere hoch in den zweiten Stock kam.

"Hallo." Zero hob die Hand und lächelte ihm leicht zu, blieb vor ihm stehen. "Ich störe dich, oder?" Sein Freund war ungestylt, die kakaofarbenen Haare fielen ihm glatt auf die Schulter, glänzten im fahlen Licht der herein fallenden Sonnenstrahlen. Die Kleidung war heute im Gegensatz zu vor einigen Tagen auffällig hell und sommerlich.

"Um ehrlich zu sein, ja", antwortete Hizumi schief lächelnd, nachdem sein Blick musternd über den Bassisten geglitten war, der dies schweigend hingenommen hatte. "Muss ja wichtig sein, wenn du einfach so vorbei kommst." Er trat beiseite, damit Zero nicht weiter im Treppenhaus stehen musste.

"Also 'einfach so' stimmt nicht ganz", erwiderte der Bassist, während er herein kam und aus den Turnschuhen schlüpfte.

"Ach ja, du hattest mir ja geschrieben...", murmelte Hizumi gedankenlos, weswegen Zero ihn überrascht ansah.

"Du hast sie doch gelesen? Du hast nicht geantwortet."

"Ich hab die Nachrichten erst gelesen, als du unvermittelt bei mir geklingelt hast. Ich hatte schon eine Weile nicht mehr nachgeschaut, tut mir leid. Ich muss bis morgen Abend die letzten zwei Designs fertig haben, damit alles für den nächsten Offline Store läuft."

"Ach so..." Zero fuhr sich durch das Haar, wobei Hizumi der leichte Schweißfilm auf seiner Stirn auffiel.

"Es ist besonders heiß heute, oder?" Er deutete seinem Freund an, ins Wohnzimmer zu gehen.

Dieser nickte auf dem Weg. "Ja... Unerträglich." Seufzend schüttelte der Brünette den Kopf und sah sich in dem Chaos von Zimmer um. "Oh..", machte er nur, kommentierte die Unordnung aber nicht. Er sah sie ja nicht zum ersten Mal. Hizumi war ihm dankbar, dass er ihn deswegen nicht aufzog. Auch die Wärme, die in den Zimmern herrschte, da die Klimaanlage immer noch nicht repariert war, nahm er schweigend hin.

"Möchtest du etwas Kühles trinken?"

"Ja, gern.."

Nachdem sie sich beide mit einer Flasche Wasser aus dem Kühlschrank versorgt hatten, nahmen sie im Wohnzimmer Platz. Hizumi setzte sich jedoch lieber an den Schreibtisch zurück und überließ Zero die gesamte Couch.
 

"Was kann ich für dich tun?", fragte er neugierig, während er ihn aufmerksam betrachtete.

Unsicherheit schlich sich auf das hübsche Gesicht des Bassisten. Auf jeden Fall zögerte dieser. Hizumi ließ ihm Zeit, und schließlich hob der Andere eine Schulter. "Na ja, ich weiß auch nicht... Es ist schwierig zu erklären..." Rumgedruckse, auch nicht ganz untypisch für Zero. Er hatte den Bassisten ja sehr gern, aber er spürte schon, wie er gegen seinen Willen auf die Uhr schaute und mit den Beinen zu wippen begann. Normalerweise hatte er immer ein offenes Ohr für Freunde, aber selten dann, wenn ihm seine Arbeit, seine Existenzgrundlage in Form eines Termins oder, wie es in diesem Fall war, eine Deadline nahezu schreiend im Nacken saß.

Da Zero weiterhin schwieg und scheinbar nicht wusste, was oder wie er es sagen sollte, meldete Hizumi sich selbst zu Wort. "Nun rück schon raus mit der Sprache.." Es tat ihm leid, den Bassisten zu drängen, und er befand sich in einem Zwiespalt: einerseits freute er sich über seinen Besuch, andererseits musste er sich wieder dringend den Designs samt Druckaufträgen widmen.

Zero verzog indes das Gesicht und sah ihn etwas hilflos an. "Mir geht so viel durch den Kopf..." Er seufzte. "Hast du schon eine Ahnung wegen des Zeitplans?"

Verwundert hob Hizumi die Augenbrauen, da er nicht das Gefühl hatte, dass es das war, was der Bassist eigentlich hatte sagen wollen. "Ich bin mir noch nicht ganz sicher...", antwortete er vage. "Und bei dir?"

Der Bassist schnaubte leise und wandte den Blick ab. "Ab Ende August bin ich frei. Sobald wir das letzte Konzert mit Ricky gegeben haben."

Voller Mitgefühl betrachtete er seinen Freund, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und stirnrunzelnd vor sich her starrte, sodass er etwas von einem trotzigen Kind hatte. "Tut mir leid", sagte Hizumi nur leise. Es gab nichts, was Zero würde aufmuntern können, zumindest nichts, was Hizumi sagte. "Ihr habt also noch keinen Ersatz gefunden?"

"Ersatz, ts..." Er sah zu ihm auf. "Das wäre, als hätte D'espairsRay mit jemand anderem als dir weitergemacht. Unmöglich."

So sehr Hizumi das schmeichelte - er konnte sich eben wirklich auf seine Freunde verlassen, auch wenn sie leider nicht mehr ganz so eingeschworen waren wie damals - zog er ein fragendes Gesicht. "Wie meinst du das?!", hakte er beunruhigt nach. "Ihr wollt doch nicht... Trennt ihr euch nun doch?!" Das wären Neuigkeiten für ihn.
 

Zero zuckte mit den Schultern, war zusammen gesunken und sah ihn niedergeschlagen an. "Keine Ahnung... Es sieht nicht gut aus. Das hab ich im Gefühl." Und Hizumi wusste, dass Zeros Gefühl ihn selten trog.

"Tut mir wirklich leid. Vielleicht wird das ja noch was." Im Frühling hatte der blonde, quirlige Sänger bekannt gegeben, die Band zu verlassen, um sich seinen anderen Projekten ausführlicher widmen zu können. Warum Ricky nun ausgerechnet Maifo den Rücken zukehrte, verstand Hizumi nicht und keiner seiner Freunde hatte ihn bisher über die genauen Gründe aufgeklärt. Sie wollten darüber nicht reden, weswegen er schon fast daran glaubte, dass etwas sehr Privates vorgefallen sein musste.

"Na ja, selbst wenn wir jemanden finden, war's das, glaub ich. Ricky macht unsere Band aus. Und Tsukasa lebt jetzt auch in seiner eigenen Welt", murmelte Zero mit einer Spur Verbitterung in der Stimme.

"Du meinst das Enka?"

Zero nickte und fuhr sich durch die Haare. "Lassen wir das. Ich werde jedenfalls ab dem 25.08. sehr viel Zeit haben", erinnerte er ihn. "Davor ist es schwierig. Wir haben viele Proben, wobei ich aber sicher auch Zeit für Despa erübrigen könnte. Nur nicht besonders viel. Kommt also auf euch an, ob wir schon nächsten Monat oder erst im August mit Proben anfangen."

Zero sah ihn fragend an, weswegen er sich beiseite drehte und kurz nach seinem zerfledderten Terminkalender suchte. Es war bereits schwer, die aktuelle Woche zu finden. Überall stand irgendwas drin, etliches war durchgestrichen, alles mögliche war bunt markiert.

Seufzend blätterte er sich durch. "Keine Ahnung, also..." Er hatte sich ja bereits Gedanken gemacht, aber es hing davon ab, was er sich zutraute. Nachdenklich rieb er sich über die Augen und konzentrierte sich wieder auf die kommenden Wochen mit den anstehenden Terminen. „Ich hab bald einen weiteren Offline Store und keine Luft, bis das Ding gelaufen ist." Ein erneutes Seufzen. "Und der nächste Termin dafür steht auch schon. Ende August. Danach hätte ich Zeit für Proben, aber..." Er schlug das Buch zu und stützte sich für einen Moment mit den Ellenbogen auf dem Schreibtisch ab, schloss die Augen. "Ich habe bereits eine Zusage für Merchandise-Designing gemacht. Das Konzert findet Anfang Oktober statt. Der Kram sitzt mir also auch noch im Nacken." Müde blickte er zu Zero. "Ich kann das nicht absagen. Ich hab schon eine Möglichkeit für einen Offline-Store im November wegen Despa abgesagt. Irgendwie muss ich mich aber über Wasser halten.." Die Offline-Stores festigten nicht nur die Kontakte zu den Kunden und ehemaligen Fans, sondern waren auch eine sehr gute Möglichkeit, um etwas mehr Geld in die Kasse zu spülen. Da war er ehrlich. Er konnte nicht nur von Luft und Liebe leben.

Der Bassist sah ihn überrascht an. „Du hast bereits einen Termin für uns abgesagt? Bemerkenswert...“

„Wieso ‚bemerkenswert‘ ? Ich dachte, wir wären uns einig, dass uns das Konzert sehr wichtig ist und wir alles dafür tun, um es stattfinden zu lassen.“

„Hmm..ja, eigentlich schon.“ Zero lächelte ihn schwach an. "Für dich gibt es keinen passenden Zeitpunkt für die Proben, oder?"

Er zuckte mit den Schultern. "Wahrscheinlich nicht. Das Konzert ist an einem Tag gelaufen, das wäre ja gar nicht das Problem, aber immer diese Proben." Schief grinsend verdrehte er die Augen, bevor er einen Schluck vom kühlen Wasser nahm. Hier in seiner Wohnung herrschte eine furchtbare Wärme, aber Fenster öffnen brachte nichts, draußen war es schlimmer. "Hast du was von den Anderen gehört?", erkundigte er sich, woraufhin Zero den Kopf schüttelte.

"Karyu hat sich gar nicht mehr gemeldet. Seit wir uns alle vor ein paar Tagen zum Essen getroffen haben, hat er nichts mehr verlauten lassen, aber das ist ja kein Wunder bei ihm." Zero verdrehte missgestimmt die Augen. Das war wirklich eine schlimme Angewohnheit des Gitarristen, und der Umstand, dass Karyu darum auch noch wusste, aber nichts änderte - ob gewollt oder ungewollt - machte es nicht besser.

"Na klasse... Ich bin ja gespannt, wann er Zeit hätte. Wahrscheinlich übernächstes Jahr im Herbst", murrte Hizumi, weswegen der Bassist ihn fragend ansah.

"Du scheinst es eilig zu haben... Oder trügt mich mein Gefühl?"

"Nein...nicht unbedingt..." Hizumi nagte an seiner Unterlippe und lächelte schief. "Ach, wahrscheinlich fehlt mir nur die Bühne. Letztes Jahr, das... Das hat mich angefixt. Ich will wieder.. Ich will wieder der Alte sein", murmelte er, jetzt mit abwesendem Blick. Viel zu oft blickte er in die Vergangenheit, denn sie kam ihm so viel erstrebenswerter und schöner vor als das Jetzt. Vielleicht war es wirklich so, vielleicht war alles besser gewesen, aber möglicherweise verschönerte er all seine Erinnerungen und ließ die negativen außen vor.
 

Zero lächelte nur hilflos und lenkte wieder auf das vorige Thema, das zwar auch nicht unbedingt erbaulicher war, aber wichtig. Wichtiger als seine dummen, geheimen Wünsche. "Von Tsukasa hab ich auch nichts gehört. Wahrscheinlich wird er das Enka intensiv weiter verfolgen." Er schnaubte. "Und wie Karyu bis nächstes Jahr im Herbst keine Zeit haben." Er sah zu Hizumi auf. "Er hat unglaublich viele Angebote, weißt du. Dürfte eine Menge Kohle verdienen mit seinen Liedern."

Nachdenklich wiegte Hizumi den Kopf hin und her. "Aber du unterstützt ihn doch. Ich meine, du spielst ja für ihn. Denkst du nicht, er wird dich weiterhin brauchen? Langweilen wirst du dich schon nicht. Und Kohle verdienst du damit ja auch."

Zero zuckte nur mit den Schultern. Offenbar ließ ihn irgendwas daran zweifeln, zumindest kam es Hizumi so vor.
 

Für ein paar Momente herrschte Schweigen, dann schüttelte der Bassist den Kopf. "Nein, weißt du, ich glaube, die beiden werden sich schon frei kämpfen. Sie werden Zeit finden, bald. Ihnen ist das wichtig." Er nickte sich selbst zu, wie um sich Mut zu machen. "Tsukasa wird wahrscheinlich einige Angebote ausschlagen oder versuchen zu verschieben. Er hatte ja schließlich auch die Idee für das Abschlusskonzert." Wobei sie die Idee alle gehabt hatten, nur hatte sich einzig Tsukasa getraut, diese auszusprechen - allerdings nicht im Kreis der Freunde, sondern in einem Interview einer Musik-Zeitschrift. "Ich frage mich, wie Karyu mit Kirito klar kommt.."

"Das wird schon", war sich Hizumi sicher. "Kirito wird das verstehen und ihm helfen."
 


 

Karyu
 

"Ich halte das wirklich für keine gute Idee", machte Kirito deutlich und stemmte die Hände in die Hüfte. Er hatte sehr zurückhaltend auf die Neuigkeiten reagiert, die Karyu für ihn hatte. Nach dem Bandmeeting hatte er den Sänger beiseite genommen und ihn um ein Gespräch unter vier Augen gebeten. So waren sie im Raum zurück geblieben, während die anderen Drei sich verabschiedet hatten und gegangen waren.

Karyu ließ die Schultern hängen und setzte sich auf einen der Stühle. "Okay... Ich aber schon", sagte er leise.

Der brünette Sänger seufzte und machte eine vage Handbewegung. "Ich darf dich daran erinnern, was letztes Jahr los war?" Karyu presste die Lippen zusammen und starrte aus dem Fenster. Kirito würde ihm das sicher noch ewig vorhalten. "Ich sehe, du erinnerst dich, wenn auch ungern. Du warst dir selbst direkt nach dem Auftritt noch nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, mit Despa zu spielen. Und jetzt entschließt ihr euch in einer Nacht- und Nebelaktion, gleich ein ganzes Konzert zu geben?"

"Warum denn 'gleich ein ganzes Konzert'? Es ist doch 'nur ein Konzert'!", erwiderte Karyu und betrachtete Kirito leicht gereizt. Er hatte nicht vermutet, auf so viel Ablehnung zu stoßen.
 

"Was ist mit Hizumi, vertraust du ihm?"

Eine einfache Frage des Brünetten, welche ihn jedoch für einen Moment inne halten ließ. "... Ich gehe das Risiko ein", murmelte er schließlich. "Hizumi hätte den Vorschlag gar nicht erst gemacht, wenn er nicht der Meinung wäre, das Konzert zu schaffen."

Kirito schnaubte leise. "Wie ich von dir hörte, hat er in der Vergangenheit häufiger Vorschläge gemacht, die im Endeffekt nicht umsetzbar waren."

Karyu winkte ab. "Du hast ihn doch letztes Jahr erlebt. Er hat das wunderbar gemacht und er hätte noch mehr geschafft. Er wird schon seine Gründe haben, warum er das jetzt machen will. Außerdem hat er mir angeboten, mit seinen Ärzten zu reden." Er grummelte kaum hörbar. "Ich will jedenfalls nicht schuld daran sein, ihn noch kaputter zu machen.."

Kirito verschränkte die Arme. "Wer weiß noch von der Sache?"

"Keiner."

"Hm... Ich bleibe bei meiner Meinung. Wenn ihr Hizumi glaubt, in Ordnung, das ist eine Sache. Du hast natürlich Recht, man sollte meinen, er wäre erwachsen und schlau genug, um euch da nichts vorzumachen, nur leider hat er bereits bewiesen, dass das nicht so einfach ist. Aber vorrangig geht es mir um dich."

Karyu hob den Kopf und sah den Sänger fragend an. "Um mich?"

"Genau. Wenn du wieder so viel Zeit mit ihnen verbringst, ihr eure Songs probt... Wenn ihr wieder D‘espairsRay seid, dann weißt du, was mit dir passieren wird, sobald das Konzert gelaufen ist? Sobald du dich wieder Angelo widmest und die Anderen ihr Ding machen? Es wird euer Abschlusskonzert, vergiss das nicht. Ihr sagt Lebwohl."

Karyus Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Ob du es glaubst oder nicht, das ist mir durchaus bewusst.“

Kirito machte einen abschätzigen Laut. "Du wirst wieder wochenlang in deiner eigenen Welt leben, für uns kaum ansprechbar sein“, fuhr er mit einer vagen Geste fort. „Das möchte ich nicht noch mal verantworten. Denn wir brauchen dich, und zwar geistig in einem Stück." Für einen Moment pausierte der Sänger, schloss kurz die Augen, um ihn dann streng anzusehen. "Und nein, ich werde dich von nichts freistellen. Du wirst all unsere Termine, für die du eingeplant bist, auch wahrnehmen. Keine Extrabehandlung für dich, nicht mehr."
 

Karyus Blick wurde eisig. "Kirito, ich bin nicht hier, um dich nach deiner Meinung zu fragen oder um eine Extrabehandlung zu bitten. Ich teile dir lediglich meine Entscheidung mit.“

Aus schmalen Augen starrte Kirito ihn an. Ihm wurde klar, dass diese Diskussion noch lange nicht beendet war und sie noch einige Male aneinander geraten würden. Doch er war bereit, dies für D’espairsRay in Kauf zu nehmen – und wenn es auch nur um dieses eine Konzert ging.
 

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TO BE CONTINUED
 

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Danke noch mal für die lieben Kommentare ♥ Kritik, Hinweise, Lob und sonstiges ist immer gern gesehen, da es sehr motivierend ist ;)

Bis bald!


 

Kapitel 3
 

Die Beine angezogen hatte er es sich auf Karyus Designer-Couch gemütlich gemacht und blickte schweigend in die Runde. Der Gitarrist hatte sich keine zwei Wochen nach ihrem entscheidenden Treffen gemeldet und um ein weiteres gebeten. Überraschend schnell hatten sie sich dann bei ihm eingefunden. Mittlerweile war Juli, der Sommer in vollem Gange. Die Hitze war unerträglich, aber im Gegensatz zu Hizumi besaß der Jüngere eine funktionierende Klimaanlage, sodass es in der Wohnung angenehm kühl war.

Hizumi löste den Blick von seinen Freunden und ließ ihn abwesend durch das Wohnzimmer wandern. Karyu war vor zwei Jahren in eine größere Wohnung umgezogen. Dank Angelo hatte er das Geld gehabt, und, wie er sagte, es war zu einem großen Teil auch für seinen Kater gewesen. Dieser mochte sich zwar an die kleine Zwei-Zimmer-Wohnung gewöhnt haben, aber wirklich angenehm war es sicher nie für das lebhafte Tier gewesen.

Hizumi erinnerte sich, wie es noch vor zehn Jahren in der kleineren Wohnung gewesen war, zu Zeiten, wo sie sich alle häufig gegenseitig besucht hatten. Der Kater hatte immer für Stimmung gesorgt, hatte selten geschlafen. Lieber war er ihnen um die Beine geschlichen, hatte sich Streicheleinheiten von jedem geholt, um Leckerlis gebettelt oder war herum getollt, bis ihm die Puste ausgegangen war - wohl um sie zu beeindrucken? Das Tier war immer recht aufgedreht gewesen.

Nach Karyus Umzug hatte das Glück leider nicht lange gewährt: Den Kater hatte er einige Zeit später schweren Herzens abgegeben. Seitdem war es viel ruhiger in dem Haushalt geworden. Hizumi fiel auf, wie trist die Wohnung ohne Kratzbäume war, ohne überall in den Zimmern verteiltes Katzenstreu, ohne herumliegende Bälle und anderes Spielzeug. Man merkte deutlich, dass jemand fehlte.
 

"Hast du schon mal daran gedacht, dir eine neue Katze zu holen?"

Sofort zog er alle Blicke auf sich. Verwirrt hob Zero eine Augenbraue, Tsukasa runzelte die Stirn, während Karyu ihn ausdruckslos betrachtete. Eben waren sie noch bei einem ganz anderen Thema gewesen.

"Ja, hab ich. Ich will mir Zeit lassen." Nun runzelte der Blonde ebenfalls die Stirn. "Können wir dann wieder zum Grund unserer Zusammenkunft zurückkommen? So sehr ich Hizumis Versuch, die Stimmung zu lockern, auch schätze - wir haben immer noch ein Problem." An seinem Tonfall war erkenntlich, dass er wusste, dass Hizumi mit den Gedanken einfach nur abgeschweift war - als würde er sich nicht für die schwierige Situation interessieren. Leicht beschämt sah er beiseite und hatte Mühe, nicht rot anzulaufen. Ihm war das alles durchaus wichtig.

"Ich hab nicht vergessen, warum wir hier sind", murmelte er daher und setzte sich wieder aufrecht, stellte die Beine zurück auf den Boden. "Dann müssen wir eben einen eigenen Probenraum mieten. Ist ja nicht so, als hätten wir das nie gemacht." Er sah eindringlich in die Runde. "Kommt schon Jungs, wir haben früher sogar unsere Songs in meinem beschissenen Badezimmer aufgenommen, weil wir keine Kohle hatten! Wir haben immer einen Weg gefunden. Als ob uns das jetzt aufhält." Er schnaubte.

Ursprünglich waren sie davon ausgegangen, dass sie den zweiten Probenraum von Angelo würden nutzen können, so wie es ein Jahr zuvor möglich gewesen war. Allerdings hatte Kirito ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Heute hatten sie von Karyu erfahren, dass der Ältere gegen ihr Vorhaben war.

Der Probenraum von Tsukasas und Zeros Band war bereits weitervermietet und stand daher ebenso nicht mehr zur Verfügung.

Tsukasa nickte leicht. "Du hast Recht, Hizumi. Es ist ja nicht so, dass wir am Hungertuch nagen würden. Dann legen wir zusammen und mieten uns was."

Karyu machte eine vage Geste. "Gute Idee, aber wir müssen uns über den Zeitraum Gedanken machen. Lassen wir diesen Monat die Proben außen vor? Der August geht ja eh nicht... Fangen wir also im September an? Dann sollten wir das Konzert im November geben können. Falls das an Zeit reicht."

"Ich denke schon, dass das reicht", schaltete sich Zero ein. "Wir haben doch letztes Jahr gesehen, dass wir die Sachen noch gut drauf haben, sie zur Not schnell wieder lernen. Die Instrumente sind weniger das Problem." Er warf Hizumi einen schnellen Blick zu, dieser seufzte.

"Ich weiß...ich hab mehr Arbeit als ihr... Ich hab mich schon bei meinem Gesangscoach gemeldet, der hätte immer für mich Zeit, sagt er."

Zero nickte leicht und wechselte einen Blick mit Tsukasa. Die beiden schienen nervös zu werden. "Da gibt es noch etwas zu klären..." Schweigen trat ein, während Sänger und Gitarrist ihn fragend ansahen und warteten.

"Kazuya und Ricky haben uns auf etwas aufmerksam gemacht", sprang Tsukasa ihm bei und sah zu Hizumi. "Machen wir das Ganze eigentlich für uns oder für die Fans?"

"Was?" Er hob die Augenbrauen. "Ich schätze mal, um ehrlich zu sein, für uns alle. Wir haben einen Schlussstrich ebenso verdient wie sie. Oder nicht?"

Der Drummer nickte langsam und rieb sich die Stirn. "Schon, aber das Problem ist...wenn wir hier in Tokyo ein Konzert in wenigen Monaten geben, was glaubst du, was wir für eine Halle bekommen? Und wie viele da reinpassen?." Hizumi runzelte die Stirn. Noch kam er nicht ganz mit. "Niemand steht hinter uns, wir müssen die Halle selbst mieten. Das wird kein Tokyo Dome. Das wird wahrscheinlich nicht mal das Zepp Tokyo. Vielleicht wird es nur das Zepp DiverCity. Oder die Shinjuku Blaze. Diese Kategorie. Da passen vergleichsweise wenig Leute rein.“ Um die vierhundert Leute im Gegensatz zu über zweitausend, was das Zepp DiverCity fasste. „Und dann denk an die, die extra nach Tokyo reisen wollen würden." Er sah zu Karyu. "Versteht ihr, worauf ich hinaus will? Wenn wir hier ein einziges Konzert geben, wie viele andere schließen wir aus, die es auch verdient hätten, mit uns den Abschluss zu erleben?"

Ihm stockte der Atem. Darauf konnte Tsukasa nun nicht wirklich hinaus wollen. "Wir sollen mehr als ein Konzert geben?!"

Der Bassist senkte den Kopf. "Vielleicht wäre eine Tour fairer."

Seine Augen weiteten sich. "Eine Tour?!" Davon war nie die Rede gewesen. Entsetztes Schweigen legte sich über sie. Selbst Karyu sagte nichts, der ebenfalls überrascht wirkte.

"Ja, eine Tour", murmelte Tsukasa. "Kazuya fragte, ob das nicht sinnvoller wäre. Wir müssen ja nicht gleich eine acht-Wochen-Tour machen mit jeder Groß- und Kleinstadt, die die Präfekturen zu bieten haben. Das würden wir zeitlich nicht schaffen, und deine Stimme ist danach sicher total im Eimer und nie wieder zu retten."

"Halt halt halt!" Karyu hob eine Hand. "Das könnt ihr gleich vergessen. Kirito macht mir die verdammte Hölle jetzt schon heiß, wegen EINES Konzerts. Da kann ich nicht mit einer Tour ankommen. So viel Zeit bekomme ich nicht frei." Er war blass geworden. Das war auch dem Bassisten nicht entgangen, welcher dichter zu ihm rutschte, um ihm eine Hand auf den Oberschenkel zu legen. Hizumi konnte sehen, wie er diesen sanft drückte. Plötzlich fühlte er sich furchtbar einsam.

Mit Mühe wandte er den Blick von den beiden ab und sammelte sich, versuchte nachzudenken. "Wahrscheinlich wäre eine Tour tatsächlich besser", sagte er leise. "Der Aufwand würde sich noch mehr lohnen, und wie ihr schon sagt, es wäre fairer. Dann kann jeder kommen, der will. Es gäbe mehr Möglichkeiten für die Leute und weniger würden ausgeschlossen. Aber die Zeit werden wir nicht so einfach finden."

Karyu nickte leicht. "Wenn wir überhaupt die Zeit finden. Angelo machen doch immer irgendwas. Ich hab vielleicht mal zwei Wochen am Stück frei im Jahr... Kirito hat deutlich gemacht, dass er mir nicht helfen wird."

Tsukasa lehnte sich zurück. "Dann musst du ihn halt überzeugen. Rede noch mal mit ihm. Du sagst uns doch immer, was für ein herzensguter Mensch er sei. Wenn es dein Wunsch ist, wird er dich sicher unterstützen, sobald er sich an den Gedanken gewöhnt hat."

Doch der Gitarrist schüttelte den Kopf. "Er meint, mich zu beschützen, indem er sich quer stellt", murmelte er, woraufhin alle fragend die Augenbrauen hoben. "Ist egal. Ich werde noch mal versuchen mit ihm zu reden, aber ich weiß nicht, wann er einlenken wird."

Ein leises Seufzen seitens Zero war zu hören. "Und selbst wenn sich das noch klären sollte, haben wir ein neues Problem: Wer bezahlt uns denn die ganzen Hallen im Land? Die Reisen? Eine Tour ist schließlich ein viel höherer Aufwand... Da können wir zusammenlegen wie wir wollen, das können wir nicht bezahlen."

Tsukasa kreuzte die Arme vor der Brust. "Wir brauchen einen Sponsor, oder?"

Stöhnend griff Karyu zu seiner Getränkedose, in der Hizumi einen Energy vermutete. "Das ist nicht euer Ernst... Wie kompliziert soll das denn noch werden? Das wird mir echt zu anstrengend."

Zero hob eine Augenbraue und sah ihn von der Seite an, hatte die Hand von dessen Bein genommen. "Wie oft hab ich dich das schon bei anderen Gelegenheiten sagen hören, und am Ende warst du doch froh, dass wir die Sachen durchgezogen haben?" Er brummte. "Spätestens wenn du mit uns auf der Bühne stehst, wirst du uns noch danken, dass wir dir nicht nachgegeben haben."

Hizumi fuhr sich über das Gesicht. "Aha..also machen wir jetzt doch eine Tour?"

Zero zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es auch nicht. Eine Tour wäre aber nicht mehr dieses Jahr möglich, so wie ich das sehe."

"Na toll.." Er presste die Lippen zusammen, während der Bassist ihn aufmerksam betrachtete.

"Ich frage noch mal. Kann es sein, dass du es eilig hast?" Alle sahen zu ihm, weswegen er automatisch kleiner wurde. Früher hatte er gern die Blicke auf sich gezogen und im Mittelpunkt gestanden, doch seit seiner Krankheit, seit seiner Lügen, hatte sich das geändert. "Brauchst du Kohle?"

Nun hob er doch den Kopf, um den ernsten Blick seines Bassisten zu erwidern. "Kohle brauche ich immer", antwortete er ehrlich, mit müder Stimme. "Wenn das also der Grund wäre, hätte ich euch schon letztes oder vorletztes Jahr zum Abschlusskonzert nötigen können, nicht wahr?"

Er rang sich ein schwaches Lächeln ab, während Karyu schnaubte. "...wenn du meinst.."

Mit Mühe hielt er ein Seufzen zurück. Wenn das hier funktionieren sollte, dann würde er mit Karyu reden müssen. Dieser hatte ihm nie verziehen, was geschehen war. Die Wogen hatten sich noch nicht ganz geglättet. Aber mit unterschwelligen Anfeindungen wollte er sich nicht unbedingt länger herumschlagen. In absehbarer Zeit würde er mit dem Gitarristen unter vier Augen reden müssen. Dieser musste ihm verzeihen und ihn wieder vorbehaltlos als Freund ansehen.

"Und was nun?", fragte Tsukasa leise in die Stille hinein. Früher hatten sie nie so viel geschwiegen. Sie hatten selten aufgehört zu lachen und vor allem hatten sie nie aufgehört miteinander zu reden.

"Keine Ahnung", murmelte Karyu, während Hizumi und Zero mit den Schultern zuckten.

"Wir sind uns doch einig, dass wir lieber die Tour machen wollen, oder? Ist fairer. Und...das will ich zugeben… wir hätten länger unseren Spaß", sagte der Drummer schief lächelnd, woraufhin Zero leicht nickte.

"Schon... Aber ich stelle infrage, ob wir das alles überhaupt schaffen."

Tsukasa zuckte mit den Schultern. "Wir lassen uns Zeit. Wir sehen, ob wir was organisieren können. Und wenn sich herausstellt, dass wir das nicht realisieren können, dann machen wir wenigstens das Konzert hier in Tokyo. Hm?"

Einvernehmliches Nicken, nur Hizumi enthielt sich dieser Geste.

"Was ist? Bist du nicht einverstanden? Du willst ja wirklich so schnell wie möglich auf die Bühne, was?"

Ungehalten blitzte er Karyu an. "Lass diesen herablassenden Ton. Der steht dir nicht."

Bevor der Gitarrist los fauchen konnte, stand Zero auf. "Hey, hey! Wir wollen nicht streiten!" Früher waren sie immer zu spät eingeschritten. Da hatten er und Karyu sich schon angeschrien, bevor Drummer oder Bassist dazwischen gegangen waren. Mittlerweile fühlte jeder die Anspannung, die sich aufbaute, und konnte rechtzeitig reagieren, damit es nicht allzu hässlich wurde.

Zero sah ihn fragend an. "Also, Hizumi, was ist der Grund? Warum möchtest du es lieber so schnell wie möglich machen? Du weißt, dass diese Dinge Zeit brauchen. Selbst wenn wir nur bei dem einen Konzert bleiben, sollten wir nichts übereilen. Es soll doch gut werden, oder nicht?"

Er hatte Mühe, nicht trotzig die Augen zu verdrehen. Doch natürlich hatten die Anderen Recht und er sah es ja genauso. Nur passte es ihm nicht in den Kram, dass sie länger für ihr Vorhaben würden warten müssen. "Ja, es soll wirklich gut werden. Ich stimme euch zu." Der Bassist sah ihn weiterhin an, wohl in der Erwartung, dass er sich näher für seinen Unwillen erklärte. Aber er schwieg. Er wusste nicht, ob seine Freunde spürten, dass er wieder einmal etwas verheimlichte.

"Schön", erbarmte sich Tsukasa und sah zu Karyu. "Dann wäre das geklärt. Wir sehen zu, dass wir uns eine Tour ermöglichen."

"Sag mal", unterbrach Zero ihn, der sich in der Zwischenzeit wieder gesetzt hatte. "Wie viele Konzerte sollen das denn werden? Wie lange wollen wir unterwegs sein?"

Darüber hatte bisher noch keiner von ihnen nachgedacht. Tsukasa zuckte mit den Schultern. "Hmm.. Es muss im Rahmen unserer Möglichkeiten liegen, unserer finanziellen und.." Er warf Hizumi einen kurzen Blick zu. "Wir wollen seine Stimme ja nicht wieder ruinieren."

"Weißt du da was, Hizumi?", fragte der Gitarrist. "Kannst du überhaupt mehr machen? Mehr als ein Konzert...?"

Er nickte erleichtert. "Ja, das ist kein Problem. Ich bin wieder fit, so wie früher quasi, nur mit dem Unterschied, dass sich meine Stimme eben etwas verändert hat.. Wenn man genau hinhört, klingt sie anders. Aber nicht schlechter." Er hatte das Gefühl, sich gut verkaufen zu müssen. „...Mehrere Konzerte hintereinander sind vielleicht auch nicht mehr so eine tolle Idee.“ Diesen Fakt konnte er leider nicht beschönigen.

"Mit anderen Worten, du bist nicht mehr so flexibel. Du brauchst mehr Pausen", meinte Tsukasa, woraufhin er nickte. So konnte man das wohl sagen.

"Wir müssen einfach gut auf ihn aufpassen", sagte Zero leicht lächelnd. "Das schaffen wir schon. Wir haben alle dazu gelernt."

Karyu und Hizumi brummten leise, aber das Thema wurde nicht weiter erörtert. Ständig alte Wunden aufzureißen war schließlich keine gute Idee.

"Also", erneut sah Tsukasa zu Karyu und lächelte. "Hast du noch was Schönes zu trinken da? Einen besonderen Wein vielleicht? Du wirst jetzt mit Hizumi auf Bruderschaft trinken. Sonst wird das nie was mit uns."

Der Gitarrist schnaubte, stand aber tatsächlich auf, während Hizumi rot anlief. Dass die beiden anderen die kleinen Sticheleien und die finsteren Blicke doch schon so sehr störten, hätte er nicht erwartet.

"Ich hab noch Wein da", sagte der Größte der Runde und ging zu dem Vitrinenschrank in der Ecke des Wohnzimmers, um eine Flasche edlen Rotweins hervor zu zaubern. "Den trinke ich aber allein. Ich teil den sicher nicht mit euch Pappnasen, der war teuer", informierte er sie, während er die Flasche auf dem Couchtisch abstellte.

Tsukasa schnaubte und beugte sich vor, um grinsend nach dem Alkohol zu greifen. "Hol lieber Gläser, du Knalltüte. Mit mir wirst du teilen, ich bin schließlich ein Weinkenner. Sommelier erster Klasse." Und das stimmte sogar. "Hizumi braucht auch was, schließlich muss er seine Stimme ölen."

"Und er trinkt mit dir auf Bruderschaft. Und damit ich euer Gemaule weiterhin ertrage, bekomme ich gefälligst auch ein Glas", schaltete sich Zero ein, woraufhin Karyu die Schultern hängen ließ und noch mal zur Vitrine ging.

"...trinkt meinen Edelwein weg, als wäre es nur irgendein billiger Fusel...", murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart, während er vier Rotweingläser herausnahm und zu ihnen an den Couchtisch zurückkehrte.

Der Drummer öffnete die Flasche fachgerecht und schenkte ihnen allen ein, hob anschließend sein Glas. "Auf uns. Auf die Band." Die Anderen taten es ihm gleich, jedoch hielt Zero in der Bewegung inne.

"Moment. Erst müssen Hizumi und Karyu auf Bruderschaft trinken, schon vergessen?"

Tsukasa verzog den Mund leicht. "Wieso denn zuerst? Sind sie wichtiger als die Band?"

"Ja aber..." Der Bassist stockte, während Hizumi das Geschehen verwirrt beobachtete. "Aber die beiden sind doch die Band...zu zwei Teilen."

Nun hielt auch Tsukasa inne und schien zu überlegen, weswegen Karyu schließlich dazwischen ging, als es ihm zu bunt wurde. "Wir trinken erstmal alle einen auf die Band! Aber genüsslich, sag ich, denn denkt dran, der war teuer! Ohne einen vorigen Schluck vergesse ich eh meine guten Absichten, mich mit dem Giftzwerg zu vertragen."

Hizumi versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, konnte aber nicht verhindern, dass das Glas in seiner Hand für einen Moment zitterte. Zum einen hatte der Gitarrist ohne Umschweife zugegeben, noch immer ein Problem mit ihm zu haben, nur um es aber zum anderen im gleichen Satz bereits wieder zu bereinigen: Karyu hatte ihn schon seit Jahren nicht mehr "Giftzwerg", genannt - ein freundschaftlicher Ausdruck, mit dem er ihn zu necken gepflegt hatte.

Vorsichtig hob er den Blick und sah seinem Freund prüfend in die Augen. Dieser schaute ebenso eindringlich zurück - es war ein kurzer, aber intensiver Moment, in dem eine nonverbale Kommunikation stattfand. Der Blick des Gitarristen machte deutlich, dass er ihn beschwor, nie wieder zu lügen. Dass er ihm hier und jetzt ohne ein weiteres Wort verzeihen würde, in was für einen Schlamassel er sie gebracht hatte.

Hizumi nickte kaum merklich, zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Er war erleichtert und dennoch spürte er die Bürde des unausgesprochenen Versprechens auf den Schultern: nie wieder lügen, sie nie wieder in Schwierigkeiten bringen. Es gab Dinge, die wollte man mit aller Macht verhindern, und dennoch passierten sie einem.
 

"Also....Kanpai! Auf uns!" Tsukasa hob das Glas und sie alle nahmen, wie sie hofften, einen langsamen, genüsslichen Schluck, statt den Wein nur runterzuspülen. Sonst würde Karyu ihnen noch aufs Dach steigen. Dieser war nicht immer ein Weintrinker gewesen, erst in den letzten Despa-Jahren hatte das angefangen. Bis heute nahm Tsukasa ihn aber dahingehend nicht ernst. Von einem Weinkenner war er noch weit entfernt, seiner professionellen Meinung nach.
 

Hizumi umfasste sein Glas stärker und stand auf, während er den Blick auf Karyu richtete. "Los Bruder, lass es uns hinter uns bringen", meinte er grinsend, woraufhin der Gitarrist sich tatsächlich erhob und zu ihm kam.

"Schön..." Der Blonde sah zu Tsukasa und Zero. "Ihr habt scheiß Ideen", verkündete er, bevor er sich wieder ihm zuwandte. Mit den Gläsern in der Hand kreuzten sie vorsichtig die Arme und tranken einen großzügigen Schluck, bevor sie sich wieder voneinander lösten.

Er hörte den Drummer in die Hände klatschen. "Es ist besiegelt!"

Karyu verdrehte die Augen. "Dein Schicksal ist auch gleich besiegelt, mein Lieber." Er sah noch mal zu Hizumi. "Und du, Früchtchen, wehe du wirfst mir irgendwann noch mal was in den Mund, während ich schlafe. Dann gibt's Ärger!"

Er musste grinsen. Manchmal hatte der Gitarrist mit offenem Mund im Tourbus oder im gleichen Hotelzimmer wie er geschlafen, da hatte es ihn einfach in den Fingern gejuckt, Karyu mit Gummibärchen zu bewerfen. Unschuldig erwiderte er den drohenden Blick. "Du sahst nur immer so dürr aus, da wollte ich dir was Gutes tun und dich füttern", spottete er und ließ sich rasch zurück auf die Couch fallen, bevor er sich noch eine Kopfnuss einfing.

Schnaubend setzte auch Karyu sich wieder. Die Stimmung war dank Tsukasas, zugegeben doch recht kindischen, Einfalls wieder aufgelockert – aber genau das hatte sie immer ausgemacht: ihr Spaß an der Freude, ihre kindliche, unbesorgte Seite.
 

Etwas nagte an Hizumi. Unschlüssig sah er auf, betrachtete seine Freunde. Zufrieden war er mit der Entscheidung, das Konzert bzw. die Tour zu verschieben, nicht. Aber wenn er das jetzt ansprach, würden sie nur wieder nachfragen, warum er es so eilig hatte. Dennoch wollte er sich vergewissern und räusperte sich leicht. "Dann behalten wir unser Vorhaben im Auge, aber überstürzen da jetzt nichts?", hakte er leise nach. "Wir machen statt dem Konzert besser die Tour?" Er neigte den Kopf. "Wenn wir eine Tour nicht ermöglichen können, dann veranstalten wir nur das eine Konzert?"

Tsukasa seufzte, während Karyu den Blick senkte. "Ja, das wäre dann besser als nichts...auch wenn es unserem Karyu hier nicht gefällt."

Dieser hob den Kopf und zog einen Mundwinkel hinunter. "Klar wäre eine Tour schon toller... Warten wir ab. Vielleicht bekomme ich ja Kirito besänftigt und er kann uns helfen mit den Hallen...mit der Planung.."

Hizumi schloss für einen kurzen Moment die Augen, trank dann seinen Wein aus, ohne sich daran aufzuhalten, dass man ihn besser genoss. "Gut, dann ist das geklärt. Ich muss leider zurück nach Hause, hab noch einen Berg Arbeit", meinte er, während er sich erhob. Tatsächlich war da viel zu tun, aber das hätte er auch noch später erledigen können. Seine Freunde wussten das allerdings nicht. Er wollte jetzt nur allein sein.

"Oh...jetzt schon?" Tsukasa verzog enttäuscht das Gesicht, weswegen er verzeihungsheischend in die Runde schaute.

"Tut mir leid... Wir hören voneinander, oder? Wenn es was Neues gibt?" Sie nickten ihm zu, verabschiedeten sich gebührend, denn man wusste nie, ob man sich wirklich so schnell wiedersah.
 

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to be continued

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Kapitel 4


 

Unsere Leidenschaften sind wahre Phönixe. Wie der alte verbrennt, steigt der neue sogleich wieder aus der Asche hervor. (Johann Wolfgang von Goethe)

Kapitel 4
 

Abwesend und mit zusammen gekniffenen Augen verstaute er sein Portemonnaie sowie seinen kleinen Einkauf in der Tasche.

Es war Anfang September und einer der heißesten Tage des Spätsommers. Obwohl es noch vor 10 Uhr war, brannte die Sonne bereits erbarmungslos auf die Stadt nieder. Er hatte seine Sonnenbrille zu Hause vergessen, weswegen er auf der Straße kaum was sah.

Er warf einen sehnsüchtigen Blick zurück zum Konbini, aus dem er gekommen war. Dort war es wunderbar kühl gewesen, und so hatte er sich ausgiebig Zeit beim Durchstöbern der Regale gelassen.
 

Blinzelnd wandte er den Blick ab und trabte weiter. Nur zwei Häuserblöcke entfernt befand sich das von außen etwas herunter gekommene Gebäude, welches neben dem Probenraum von D’espairsRay auch zwei Musikgeschäfte, verschiedene Büroräume sowie ein kleines Café beherbergte.

Als er das erste Mal zur Besichtigung hier gewesen war, hatte allein die graue, leicht verfallene Fassade ihn abgestoßen. Und verwundert. So wenig zahlten sie für den Raum ja nun auch nicht und so hatte er mehr erwartet. Als er sich aber drinnen umgeschaut hatte, war er positiv überrascht worden. Es war nicht gerade der Luxusschuppen, den sie von ihrem früheren Label gewohnt waren, aber genau das gefiel ihm so gut. Es erinnerte ihn an ihre ersten Jahre als Band, in denen sie alles gelassener gesehen hatten. Sie waren mit wenig Sorgen an ihre Aufgaben gegangen, hatten noch lange nicht daran gedacht, dass Musik machen auch mal zur Arbeit werden könnte. Sie hatten keinen Major-Vertrag im Nacken gehabt, der sie für Jahre unter, wie man erst bei schmerzlich genauem Hinschauen feststellte, strengen Vorgaben aufnahm. Seit ihres Debuts hatte er die Freiheit vermisst, die sie mit dem Vertrag eingebüßt hatten. Umso mehr erfreute er sich an ihrem jetzigen Proberaum, der all das ausstrahlte, was er an ihrer Indie-Zeit geliebt hatte.
 

Behutsam öffnete er die Tür und betrat den Raum, der sich im Souterrain des Gebäudes befand. Neugierig warf er einen Blick hinein. Jemand musste schon da sein, sonst wäre die Tür abgeschlossen gewesen. Sein Herz machte einen Satz, als er Tsukasa am Drumset sitzen sah. "Hallo! Du bist früh dran", begrüßte er ihn, während er erleichtert den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss.

Der Drummer sah überrascht auf. "Hi. Das könnte ich zu dir auch sagen."

Hizumi zuckte mit den Schultern. "Ich hab auf dem Weg schon getrödelt... Bin wohl einfach zu früh los."

Auf Tsukasas Lippen legte sich ein leichtes Lächeln. "So wie ich das sehe, bist du einfach nur gern hier und kannst die Proben gar nicht erwarten."

Ertappt grinste er ihn an. "Du hast wohl recht."

In Ruhe stellte er seine Tasche ab und holte die Sandwiches heraus, die er sich zuvor gekauft hatte. Er machte es sich auf einer der zwei schwarzen Ledercouches gemütlich und wischte sich mit der freien Hand über die Stirn, auf der ein leichter Schweißfilm lag. "Es ist unglaublich heiß da draußen...", murmelte er, woraufhin Tsukasa nickte.

"Ich will nicht wissen, wie es um die Mittagszeit sein wird." Der Drummer spielte abwesend mit dem Stick in seiner Hand, während Hizumi das erste Sandwich aß.

"Zum Glück haben wir eine Klimaanlage hier drin. Solange wir in den nächsten Stunden nicht rausgehen, sollten wir den heutigen Tag überstehen", murmelte sein Freund und starrte zu den kleinen Fenstern hoch, die knapp über dem Erdboden angebracht waren, sodass sie nicht völlig im Dunkeln saßen.

Hizumi nickte leicht und beobachtete ihn, wie er hoffte, unauffällig.

Es war gut, jetzt mit Tsukasa hier allein zu sein, statt mit einem der anderen - bei Zero wäre er schnell nervös geworden und bei Karyu hatte er Angst, dass sie doch wieder zu streiten anfangen würden. Zwar lag ihre alkoholische Versöhnung schon um die zwei Monate zurück, aber seitdem hatten sie sich noch nicht allzu oft gesehen.

Seit Ende August, kaum dass der Sänger von Zeros und Tsukasas Band gegangen war, fanden für Despa ab und an Proben statt. Hizumi fühlte sich immer noch wie in einem Traum, so ganz konnte er nicht glauben, dass nun doch schon erste Vorbereitungen für ihre Tour liefen. Plötzlich war alles so schnell gegangen. Eben noch hatte er Kopf hängend Karyus Wohnung verlassen, hatte versucht, die Entscheidung der Band zu akzeptieren, dass sie nicht sofort würden loslegen können – und dann, wenige Wochen später, hatte Tsukasa jeden von ihnen angerufen: Es hatte eine Art Konferenzschaltung gegeben, in denen er ihnen erzählt hatte, was ihm widerfahren war.
 

Der Drummer hatte zwei Auftritte für sein Enka-Projekt gehabt und bei einem davon einen alten Bekannten getroffen: Hoshiko-san, den Manager von club zy, einer Website, die Visual Kei-Musik unterstützte und häufig Events veranstaltete. Sie kannten ihn alle recht gut und kamen bei Konzerten ab und an mit ihm ins Gespräch. Soweit war das nicht ungewöhnlich, dass Tsukasa ihm wieder begegnet war, wo er aus der Visual Kei-Branche kam und modernes Enka sang. Die Mischung hatte sich Hoshiko vermutlich einmal ansehen wollen.

Nach dem Auftritt waren sie gemeinsam noch mit Bekannten in ein nahe gelegenes Izakaya gegangen.

»Es ist viel Alkohol geflossen und dann...« An dem Punkt der Erzählung war Tsukasas Stimme etwas weinerlich geworden und er hatte gezögert, zuzugeben, was als nächstes passiert war. »Irgendwie hat Hoshiko aus mir rausgequetscht, dass ich mich mit euch allen getroffen hatte, mehrmals... Und er hat so lange nachgebohrt, bis ich ihm von unseren Plänen erzählt habe.«

An dem Punkt hatte Hizumi verwirrt die Stirn gerunzelt. Natürlich war es nicht so toll, dass ihre privaten, unausgereiften Pläne einfach ausgeplaudert wurden, aber es war verzeihbar. Warum also rief Tsukasa sie deswegen alle an? Eigentlich hatte er sogar eine Verabredung gewollt, damit sie das von Angesicht zu Angesicht klären konnten, aber so schnell hatte keiner von ihnen dafür Zeit gehabt. Daher war es zu der kleinen Telefonkonferenz gekommen.

»Ich war so redselig...ich hab nicht drüber nachgedacht, na ja, jedenfalls...Er weiß, dass wir uns entschieden haben, eine Tour zu organisieren.. Dass wir Schwierigkeiten haben... Und...« Tsukasa hatte hörbar geschluckt und kurz gezögert, fortzufahren. »Er sagt, er besorgt uns die Hallen. So viele wie nötig sind. Er bezahlt das.«
 

Daraufhin hatte Hizumi ein entsetztes Keuchen gehört. Ob es von Zero oder Karyu gekommen war, hatte er nicht erkannt, zu abgelenkt war er von der Neuigkeit gewesen. Beinahe wäre ihm das Telefon aus der Hand gerutscht, als sich ihm die Möglichkeiten eröffneten, die Tsukasas Worte implizierten. "Mein Gott", hatte er leise gemurmelt, während er sich hatte setzen müssen.

»Ist das sein Ernst?!« Zeros Stimme hatte ganz anders als sonst geklungen, sodass es ihm schwer gefallen war, sie überhaupt als seine zu erkennen. Sie war in die Höhe gerutscht, Unglauben hatte mitgeschwungen.

»Ja, ist es... Er hat mich am nächsten Tag kontaktiert und nachgefragt, da ich ihm nicht sofort eine Antwort gegeben hatte... Was machen wir jetzt?«
 

Sie hatten noch am selben Tag entschieden, das Angebot des älteren Mannes anzunehmen, denn sie hatten das Privileg, ihm vollkommen vertrauen zu können. Hoshiko war nicht darauf aus, Vorteile aus ihrer Situation zu ziehen. Im Grunde hatte er schon alles erreicht und widmete sich nur noch der Promotion von den verschiedensten Bands, knüpfte Kontakte, richtete Events aus. Er war überall und nirgends, aber immer ein gern gesehener Gast.
 

Und so hatte sich Hizumi nur wenige Tage später mit seinen Freunden in diesem Probenraum eingefunden. Da Zero am meisten Zeit gehabt hatte, hatte er einen Raum organisiert und Hizumi war zufrieden mit dem Ergebnis.

In aller Ruhe sah er sich nochmals um, während er sein mittlerweile letztes Sandwich verspeiste. Dunkles Parkett, drei rot angestrichene Wände, die vierte verspiegelt, zwei schwarze Ledercouches, und gegenüber der schwarz angestrichenen Tür war all ihr Setup aufgebaut - Verstärker, Lautsprecherboxen, Drumset, Gitarren- und Basshalterungen, Mikrofonständer, eine Menge Kabel aller Farben über dem Boden verstreut. Hizumi fühlte sich hier sehr wohl. Er lächelte sich selbst zu und warf seinen Plastikmüll mit einer graziösen Bewegung in den Mülleimer in der Ecke.

"Geht es dir gut?", hörte er Tsukasa unvermittelt fragen, weswegen er unwillkürlich zusammen zuckte.

Verwirrt sah er zu ihm. "Ja...natürlich, warum auch nicht?"

Der Drummer zog die Augenbrauen in die Höhe. "Ich weiß nicht. Ich wollte nur nachfragen." Er zuckte mit den Schultern, während Hizumi ausatmete und ein Lächeln auf seine Lippen zauberte.

"Ach so. Du brauchst nicht besorgt zu sein." Er zögerte einen kurzen Moment, bevor er ihn aufmerksam betrachtete. "Und bei dir? Denkst du, du schaffst das? Nicht, dass es dir zu viel wird." Der Drummer hatte ja schließlich noch sein Enka-Projekt.

"Ich schaffe das. Selbst wenn Maifo noch aktiv laufen würde, würde ich das." Er lächelte glücklich und stand hinter seinem Drumset auf. "Es geht schließlich um D'espairsRay."

Zufrieden erwiderte er den Blick seines langjährigen Freundes und nickte. Dieser setzte sich unvermittelt neben ihn auf die Couch. „Ich hatte da letztens so einen Moment...“, murmelte er leise und sah ihn verschwörerisch an.
 

Leise vor sich hin pfeifend wühlte Tsukasa sich durch den nächsten Berg Unterlagen. Er hatte sich der Planung und Organisation der Tour angenommen – das würde ihnen keiner abnehmen. Nur beim Finanziellen bekamen sie Unterstützung, alles andere würden sie schon selbst erledigen müssen. Das war ja früher nicht anders gewesen, also hatte er diese bestimmte Aufgabe freiwillig übernommen.

Seit er am Abend nach Hause gekommen war von einer Enka-Probe, arbeitete er nun daran, in den Städten, die er mit Karyu ausgemacht hatte, Hallen in einem guten Preis-/Leistungsverhältnis herauszusuchen. Er hatte vor kurzem bereits erste Anfragen verschickt und Vorschläge erhalten, die er nun prüfen musste. Wider Erwarten machte das Ganze Spaß. In seinem Kopf stellte er sich bereits die Konzerte vor. Wie die Halle gefüllt mit ihrem Publikum aussehen würde, wie die Stimmung wäre und die Akustik.

Er sah auf und grinste. Seine Soundanlage spielte nun ein Lied von D’espairsRay. Maze – einer der Songs, die er selbst geschrieben hatte. Diese liebte er noch mal auf eine besondere Art und Weise. Auf seine Beiträge war er natürlich im Speziellen stolz.

Während er Maze lauschte, lehnte er sich zurück und hob die Arme etwas an, formte die Hände zu Fäusten, als würde er Drumsticks halten. Die in diesem Song besonders schnellen, harten Schläge faszinierten ihn nach wie vor. Die Geschwindigkeit, mit der das Lied voran schritt, trieb auch ihn an. Die sich aufstauende Energie war motivierend – ja, gerade mochte er es, Touren zu organisieren.
 

Bevor sie sich weiter über Tsukasas Schlüsselmoment unterhalten konnten, öffnete sich die Tür und Zero trat ein. Dieser hatte die Haare in letzter Zeit etwas wachsen lassen, sodass sie ihm mittlerweile wieder über die Schultern fielen, wie es früher oft der Fall gewesen war. Sie waren frisch nachgefärbt, schimmerten nun goldbraun. Er sah recht ausgeschlafen aus, hatte kaum Augenringe und lächelte entspannt in die Runde. Hizumi fragte sich, wie er so zufrieden wirken konnte, wo doch Maifo nun in Pause hatten gehen müssen, nachdem ihr Sänger Ricky sie verlassen hatte.
 

"Guten Morgen. Bin ich zu spät...?"

Hizumi schüttelte den Kopf und erhob sich. "Nein, du bist sogar zwei Minuten zu früh", meinte er schmunzelnd. "Ich frage mich, warum Karyu heute so lange braucht..." Dieser war neben Tsukasa überpünktlich, während Hizumi und Zero ab und an zur Verspätung neigten.

"Vielleicht musste er kurz zu Angelo ins Studio? Die Aufnahmen werden ja noch eine Weile laufen", meinte Zero, während er seine Tasche neben Hizumis auf der Couch abstellte, auf der er bis eben noch gesessen hatte.

Tsukasa seufzte leise. "Ich hoffe nicht. Ich habe das Gefühl, dass Kirito es ihm absichtlich schwer macht... So habe ich ihn wirklich nicht eingeschätzt."
 

Hizumi wollte sich gerade etwas einsingen, als plötzlich die Tür aufging und krachend wieder ins Schloss fiel, nachdem das letzte Bandmitglied eingetreten war.

Alarmiert sahen sie zu Karyu auf. Er war rot im Gesicht, ob von der Hitze draußen oder vor Wut war nicht erkennbar. Wahrscheinlich beides.

Hizumi beobachtete den groß gewachsenen Gitarristen, sah, wie die zu Fäusten verkrampften Hände versuchten, sich zu entspannen. Karyu öffnete den Mund, seufzte verärgert, schloss ihn dann wieder.
 

Wortlos hielt Tsukasa ihm seine Drumsticks hin, nachdem er aufgestanden und mit besorgtem Gesichtsausdruck näher gekommen war. Dankbar ergriff Karyu sie und stellte seine Tasche neben der Tür ab. "Kirito macht mich sprachlos", sagte er gepresst und umfasste die Sticks in der Hand fester, schüttelte den Kopf. "Er hat mir doch tatsächlich mit dem Vertrag vor der Nase herum gewedelt! Langsam hat das nichts mehr mit beschützen zu tun, so wie er sich aufspielt."

Tsukasa stemmte die Hände in die Hand. "Wovor will er dich denn angeblich beschützen?"

"Vor mir selbst", schnaubte Karyu. "Ich würde mir damit nichts Gutes tun, eine Tour mit euch zu machen."

"Das kann natürlich sein." Tsukasa zuckte mit den Schultern, während sie ihn überrascht anstarrten. "Da kochen Erinnerungen und Emotionen hoch. Vielleicht fängt alles von vorne an, wenn die Tour sich dem Ende neigt... Die Sehnsucht, der Verlust. Davor will er dich vielleicht bewahren. Aber es ist deine Entscheidung. Er vergisst, dass du erwachsen bist und genau weißt, worauf du dich einlässt."

Karyu machte einen verärgerten Laut. "Ich verstehe nicht, wovor er Angst hat. Ich muss noch mal mit ihm reden, aber so langsam habe ich keine Lust mehr darauf. Ich scheine auf taube Ohren zu stoßen." Mit wenigen Schritten durchquerte er den Raum, um sich an Tsukasas Drumset zu setzen.

Früher war es oft so gewesen, dass der Drummer ihm als kleine Therapie sein Schlagzeug zur Verfügung gestellt hatte. Immer wenn Karyu wütend gewesen war, sich hatte abreagieren müssen, hatte er sich häufig dort wieder gefunden. Auf etwas einschlagen, wenn man in Rage war, half ja immer. Und das Drumset hielt es aus. Neben Tsukasa konnte Karyu tatsächlich Schlagzeug spielen, sogar recht passabel, das gab selbst der Drummer zu.

"Möglicherweise", setzte Tsukasa leise an, "möchte Kirito einfach nicht, dass du mit uns auftrittst."

"Weil?" Mit leichtem Stirnrunzeln sah Karyu zu ihm auf.

"Weil er befürchtet, dich zu verlieren. An uns."

Für einen Moment zeigte Karyu keine Reaktion, sondern erwiderte den Blick des Drummers lediglich emotionslos, dann schnaubte er und schüttelte den Kopf. Ohne auf die Worte seines Freundes zu antworten, umfasste er die Drumsticks fester und begann mit gesenktem Blick zu spielen.

Tsukasa hob nur verzweifelt die Hände und verdrehte die Augen, sagte aber nichts, sondern ließ dem Gitarristen erstmal etwas Raum und Zeit.

Kurz nagte Hizumi an seiner Unterlippe, dann nahm er den Drummer am Arm beiseite. Dieser sah ihn fragend an. "Ist das nicht absurd...? Ich meine, wie soll Karyu an uns verloren gehen? Wir machen die Tour...und dann war's das. Für immer. Oder nicht?"

Tsukasa ließ sich mit seiner Antwort Zeit, betrachtete ihn nur aus großen Augen. Er beobachtete, wie sein Freund die Lippen mit der Zungenspitze befeuchtete und schließlich leicht nickte. "Ja... Ja, da hast du wohl Recht. Ich weiß auch nicht, was genau in Kirito vorgeht." Für einen Moment presste er die Lippen zusammen. "Wenn er das Karyu nicht bald selbst mitteilt, gehe ich hin und erzähl ihm ein paar Takte."

Hizumi hob die Augenbrauen. Das waren zwar altbekannte Töne, die er aber so schon seit fünf Jahren nicht mehr gehört hatte - Tsukasa hörte sich wieder wie ihr Leader an. Und das gefiel ihm.

Ein leichtes Lächeln konnte er sich nicht verkneifen, auch wenn es unangebracht sein mochte. Er räusperte sich, nickte und schaute zu Karyu, der sich langsam abreagiert zu haben schien. Seine Schläge waren weniger kraftvoll, klangen ausgeglichener, und wenig später hielt er inne.

"Willst du weiter drüber reden?", erkundigte sich Tsukasa in seine Richtung gewandt, woraufhin Karyu sich erhob und den Kopf schüttelte.

"Nein. Danke." Er gab ihm die Sticks zurück. "Sehen wir zu, dass wir anfangen."

Ein Nicken ging durch die Runde, und während Zero und Karyu sich daran machten, Bass und Gitarre vorzubereiten, setzte Tsukasa sich hinter sein Drumset und begann noch mal alles durchzugehen. Hizumi betrachtete den Gitarristen nachdenklich. Wenn er seine Beobachtungen zusammenfasste, musste er feststellen, dass dieser sich verändert hatte. Er war ernster, in sich gekehrter, machte weniger flache Witze. Letzteres hatte Hizumi zwar selten lustig gefunden, aber er vermisste es. Er vermisste den alten Karyu, der gerade bei Problemen angefangen hatte, aufzublühen, sie selbst mit Tränen in den Augen weggeblinzelt und weggelächelt hatte. War das seine Schuld? War er schuld daran, dass Karyu sich verändert hatte, weil er ihren Traum zerstört hatte? Oder war es vielleicht Kirito, der ihn verändert hatte?

Hizumi biss sich auf die Unterlippe und blinzelte. Die schlanke, großgewachsene Gestalt des Blonden verschwamm vor seinen Augen, weswegen er sie fest zusammen kniff, bis fünf zählte und sie langsam wieder öffnete. Er sah wieder klar und lächelte flüchtig in den Spiegel. Aber auch das half nicht, sein Herz fühlte sich immer noch an, als wäre es ihm in die Hose gerutscht.
 

***
 

"Fewww... Ist mir heiß", murmelte der Bassist, nachdem er sein Instrument beiseite gestellt hatte. Hizumi warf ihm einen Blick zu und sah, wie der Brünette sich das Shirt lüftete.

"Hmm…" Nachdenklich sah er zur Klimaanlage, die auch Tsukasa betrachtete.

"Funktioniert das Ding überhaupt?", warf der Drummer fragend in die Runde, woraufhin Karyu sich über die Stirn wischte und darauf zuging, die Hand vorhielt - und schließlich nickte.

"Scheiße, das Ding pustet tatsächlich kalte Luft in den Raum... Und es ist immer noch viel zu warm hier", seufzte der Gitarrist und schüttelte den Kopf.
 

"Puh...." Zero ließ sich auf die Couch fallen.

Es war um die Mittagszeit, und sie hatten noch ein wenig zu proben, aber der Bassist sah jetzt schon geschafft aus - sie alle sahen so aus. Hizumi setzte sich neben ihn und griff nach der Wasserflasche, die aus seiner Tasche hervor schaute. Er trank ein wenig und hielt sie Zero hin. "Auch einen Schluck?"

Der Bassist nickte und lächelte ihn an. "Danke." Unauffällig beobachtete er ihn beim Trinken, bevor er die Flasche wieder entgegen nahm. "Wir sollten in einer Badewanne voll kaltem Wasser liegen und nicht hier in diesem überhitzten Raum stehen, den nicht mal die Klimaanlage runterkühlen kann", murmelte Tsukasa und nahm auf der anderen Ledercouch Platz. Karyu tat es ihm gleich und grinste. "Ich hab eine Badewanne. Ihr nicht, soweit ich weiß. Soll ich euch einladen?"

"Passen wir da zu viert rein?", erkundigte sich Hizumi amüsiert und grinste ihn an. Er hatte die Badewanne nicht mehr ganz im Kopf, wo er sie bisher nur einmal gesehen hatte.

Karyu hob eine Augenbraue. "Wooow, ich glaube, für dieses Gespräch bin ich noch nicht bereit."

Hizumi lachte. "Das war nur eine normale Frage, ohne Hintergedanken."

"Ich glaube ihm sogar", warf Tsukasa schmunzelnd ein, woraufhin Karyu seufzte.

"Nein, da passen wir nicht zu viert rein! Du kommst mir da sowieso nur allein rein!"

Er schnaubte. "Im Ernst? Ich bin so klein, mit mir passen noch zwei weitere rein! Zero und Tsukasa, da sie nicht wesentlich größer sind als ich." Er musste auflachen, als er die empörten Gesichter sah. "Wir werden auch ohne dich Spaß haben, Karyu. Aber für dich ist es ja nichts neues, die Badewanne allein zu genießen."

Dazu fiel auch dem Gitarristen nichts mehr ein und er öffnete beleidigt den Mund, nur um ihn wieder zu schließen. Letztendlich hob er drohend den Finger. "Ich werde mich rächen, verlass dich drauf."

Nun mussten auch Zero und Tsukasa lachen, denn es war wie in alten Zeiten. Irgendeiner kabbelte sich immer mit einem anderen, und häufig genug hatte es sich dabei um Hizumi und Karyu gehandelt.
 

"Wir sollten uns wirklich mal zum Spaß treffen", meinte Karyu nach kurzem Schweigen, woraufhin Zero fragend aufsah, die Augen klein, als wäre er bereits müde.

"Und das hier ist für dich kein Spaß?"

Der Gitarrist musste grinsen, schüttelte aber den Kopf. "Leider nein. Bei der Fülle an Fehlern, die uns unterlaufen... Ich habe ja damit gerechnet, dass wir Probleme mit dem Einsatz bekommen, aber doch nicht bei jedem Lied mindestens drei Mal."

Hizumi ließ zeitgleich mit Zero den Kopf hängen. "Da hat der Große Recht", murmelte er, woraufhin Tsukasa schief lächelnd mit den Achseln zuckte.

"Keine Panik. Das hier ist erst unsere dritte Probe, was erwartet ihr? Letztes Jahr war es das gleiche. Das braucht eben Zeit, bis wir wieder aufeinander eingespielt sind."

"Ich hoffe aber nicht wieder fünf Jahre", kommentierte Hizumi, weswegen der Drummer lachte.

"Nein, das glaube ich nicht. Letztes Jahr hatten wir mehr Zeit für die Proben und daher hatten wir es schneller drauf als jetzt, aber das wird schon bald. Außerdem stecken wir ja eh noch in der Planung."
 

Hizumi leckte sich flüchtig über die Lippen. Noch hatten sie ihr Vorhaben nicht öffentlich gemacht. Auch wenn die Tour nun doch schneller als erwartet möglich war, durften sie nichts übereilen. Das sah er auch ein, aber er wünschte sich, ihre Entscheidung endlich bekannt geben zu dürfen. Dann waren sie festgenagelt und konnte nicht mehr zurück. Er dürfte die Abschiedstour erleben, bevor es zu spät war.

Erst, wenn alle Termine standen und die Hallen gebucht waren, würden die Tourdaten veröffentlich werden. Sie mussten sich ranhalten, wenn sie ihren Zeitplan, der von ihren jeweiligen anderen Verpflichtungen und Projekten diktiert wurde, einhalten wollten. "Wir können uns ja bei Karyu mit den Hallen beschäftigen", meinte er dann leicht schmunzelnd und sah in die Runde. Das Organisieren hatte ihnen nie viel Freude bereitet, bis auf Tsukasa, der sich früher aber auch nur deswegen erbarmt hatte, weil er es am besten konnte. Irgendwann hatte es sowieso das Management übernommen. Ein bisschen Ahnung hatten sie aber, und es musste getan werden. Die Anderen sahen nicht besonders glücklich über den Vorschlag aus, weswegen er nachsetzte. "Wenn wir fertig sind, springen wir in Karyus Badewanne.“

Amüsiert sah Zero zu dem Gitarristen, der blinzelte und wohl zu überlegen schien, ob ihm die Idee gefiel. "Warum hast du eigentlich keinen Pool?", wollte der Bassist wissen.

"Ja, das wäre doch das Mindeste in deiner Luxusvilla“, fügte Hizumi hinzu, weswegen Karyu schnaubte.

"Macht ihr euch mal lustig. Ihr seid doch letztens vor Neid erblasst."

"Klar", gab Hizumi offen zu und grinste. "Du hast genau das Mietshaus gegenüber liegen, wo die ganzen Weiber sich umziehen, ohne dass sie Vorhänge vor den Fenstern haben."

Karyu seufzte und sah zu ihm. "Weil mich das ja auch so interessiert..."

Mit einem schiefen Lächeln erwiderte er den Blick, während er sich zurück lehnte. Natürlich erzählte ihm Karyu da nichts Neues, aber manchmal rutschten ihm solche Sätze dennoch raus.

"Aber dich interessiert das immer noch?", erkundigte sich Tsukasa neugierig, woraufhin Hizumi mit den Schultern zuckte.

"Schon. Warum auch nicht." Er machte eine vage Geste. "Mit irgendwas muss man sich ja über Wasser halten."

Karyu schnaubte abfällig, grinste aber dabei. "Soll ich dich bemitleiden?"

Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schlug die Beine übereinander. "Sehe ich so bemitleidenswert aus? Wie kommst du denn über die Runden?"

In den Augen des Gitarristen blitzte es und er war sich sicher, die falsche Frage gestellt zu haben - insofern falsch, als dass sie Karyu nicht gefiel. Und ihn interessierte jetzt, warum das so war. Doch Tsukasa ließ ihn nicht nachfragen. "Müssen wir das jetzt besprechen? Wirklich? Im Proberaum?"

Karyu seufzte und schüttelte den Kopf. "Nein, müssen wir nicht."

"Gut. Das sollte man woanders erörtern und nicht hier", stellte Tsukasa klar. Der Tonfall war gebieterisch - und da widersprach man dem Drummer nie.
 

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to be continued

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Kapitel 5


 

Wie ein Phönix steig ich gleich,

hoch hinauf in Windes Reich.

***
 

"Möchte noch jemand auf ein Bier mit zu mir kommen?", fragte Zero in die Runde, nachdem sie den Raum wieder auf Vordermann gebracht hatten. Der Bass stand in seine Tasche verpackt in der Halterung, die Gitarre hatte Karyu bereits auf dem Rücken, die Kabel waren stolperfrei verstaut und der Müll weggeräumt.
 

"Tut mir leid... Ich muss noch mal ins Studio", seufzte Karyu und sah dabei etwas unglücklich drein. Kirito schien ihm wirklich zu schaffen zu machen.

Enttäuscht nickte Zero, während Tsukasa eine Hand in die Hüfte stemmte. "Versuch doch noch mal mit ihm zu sprechen, wenn nicht heute, dann aber möglichst in naher Zukunft. Wenn er dir weiterhin Ärger macht, muss ich mal mein Glück versuchen."

Überrascht sahen sie den Drummer an. Dieser hatte es am Morgen zwar bereits angedeutet, dennoch wäre es ein großer Schritt, es in die Tat umzusetzen. Nicht nur, dass man nicht einfach zu Kirito ging und sich bei ihm beschwerte; es war auch ein Verhalten von Tsukasa, dass er lange nicht mehr an den Tag gelegt hatte - zuletzt wohl, als er noch der Leader ihrer zerbrechenden Truppe gewesen war.
 

Der Gitarrist sah ihn für einen Moment stumm an und schüttelte schließlich den Kopf. "Danke, Tsuka, aber ich schaffe das schon. Ich kenne ihn besser." Er lächelte schwach. "Ich muss nur stur genug sein."
 

Nach dem Abschied des Gitarristen widmete sich Tsukasa Zeros eingangs gestellter Frage. "Also ich kann leider auch nicht. Enka", erklärte er kurz angebunden und lächelte entschuldigend, bevor er sich seine Tasche nahm. Mit den Gedanken war sein Freund wohl noch immer bei Karyu und Kirito, sonst hätte er nicht so knapp geantwortet. Zero seufzte niedergeschlagen, bevor sie sich auch von Tsukasa verabschiedeten.
 

"Und du?", wandte sich der Bassist mit trauriger Miene an ihn. "Deine Designs warten, oder?"

Zögerlich hob er eine Schulter. "Na ja...da wartet immer irgendwas. Aber ich komme gern mit dir. Zwei, drei Stündchen kann ich erübrigen." Er lächelte ihn an und bemerkte zufrieden, wie sich Zeros Gesicht aufhellte.

In diesem Moment dachte er gar nicht darüber nach, dass die Anwesenheit des Brünetten ihn oft genug in Verlegenheit gebracht hatte. Selbst in den letzten Jahren - oder gerade dann – war er immer nervös gewesen. Sie sahen sich furchtbar selten im Jahr, aber er war sehr froh, dass sie sich nie ganz aus den Augen verloren hatten. Es ehrte ihn, wenn Zero zu Besuch in seine Offline Stores kam, auch wenn er Mühe hatte, locker und natürlich zu bleiben. Nun kannte er ihn schon über fünfzehn Jahre, doch nach wie vor fühlte er für ihn eine besondere Zuneigung. Davon hatte er dem Bassisten nie erzählt, aber vielleicht hatte es dieser bereits selbst bemerkt.
 

Zeros Wohnung lag ganz in der Nähe des Probenraums - ein Zufall, wie er beteuert hatte, doch das merkwürdige Schmunzeln auf seinen Lippen hatte Hizumi stutzig werden lassen. Nachgefragt hatte er nicht, schließlich war Zero der arme Tropf gewesen, den sie mit der Suche nach einem Probenraum betraut hatten. Drum gerissen hatte er sich nicht, aber einen guten Job gemacht. Daher waren Hizumi und die Anderen zufrieden und nahmen es ihm nicht übel, etwas seiner Wohnung nah gelegenem ausgesucht zu haben.
 


 

Mit einem Lächeln nahm er Zero die kalte Flasche Bier aus der Hand, als sich dieser zu ihm hinaus auf den kleinen Balkon gesellte. Es war gerade mal Platz für sie zwei und einen Gartenstuhl, aber der Bassist war froh, überhaupt über einen Balkon zu verfügen. "Zum Glück ist es etwas kühler geworden", murmelte Zero, während er eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hosentasche hervorkramte. Mittlerweile war es auch schon dunkel geworden.
 

"Ich finds immer noch zu warm..", seufzte Hizumi und nahm einen Schluck.

Zero zog langsam an seiner Zigarette und nickte. Den Qualm stieß er in die Nachtluft hinaus, aber es störte Hizumi nicht. Er hatte mehr als ein Jahrzehnt mit drei Rauchern zugebracht. "Wenn das so weitergeht... Die Proben sind ja so schon anstrengend. Aber bei der Hitze fällt es mir schwer, mich zu konzentrieren", gab der Bassist zu und starrte auf die Straße hinab. Es fuhren einige Taxis umher, aber kaum private Wagen. Alles in allem war es bereits recht ruhig, trotz des erst frühen Abends. "Eine echte Quälerei", stimmte Hizumi leise zu und trank von dem Bier, das ihn ein wenig erfrischte.

Er warf Zero einen unauffälligen Blick von der Seite zu. Einige Spitzen seiner Haare klebten ihm dunkel und feucht auf der Stirn und im Gesicht, die Augen funkelten warm, die Lippen schmiegten sich um die brennende Zigarette. Er wirkte erschöpft, aber sah schöner aus als je zuvor.
 

Für einen Moment huschte ein Lächeln über Hizumis Lippen, dann wandte er sich um und blickte in die Wohnung. "Wann war ich das letzte Mal hier?", murmelte er halblaut und in sich gekehrt, ohne eine Antwort zu erwarten.

Zero gab einen vagen Laut von sich. „Keine Ahnung. Vielleicht Monate. Oder länger.“

Zero drehte sich ebenfalls um, drückte die Zigarette in den Aschenbecher und griff nach seinem Bier, das neben der Schiebetür auf dem Boden stand. "Weißt du noch, vor ewigen Zeiten...?" Er grübelte. "War das 2002...? Wie wir Vier hier gesessen haben, blau bis an die Kante?"

"Ha", machte Hizumi mit einem amüsierten Gesichtsausdruck. "Wie sollte ich das vergessen? Auch wenn ich wirklich besoffen war..."
 

*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*
 

Dreizehn Jahre zuvor...
 

Sie saßen seit einiger Zeit zusammen, hatten den Alkoholvorrat geplündert und unterhielten sich über Gott und die Welt, ja, wirklich über die wichtigsten Fragen des Lebens. Natürlich war es Karyu gewesen, der damit angefangen hatte.

Hizumi sah von seinem Platz auf dem Boden auf und blickte zu ihm, der auf Zeros Couch ausgestreckt lag und gedankenverloren an die Decke starrte. Tsukasa und Zero saßen dem Gitarristen gegenüber auf der zweiten Couch. Der Bassist hatte seine leere Flasche Bier in der Hand und starrte hinein, als müsse er gründlich inspizieren, ob da nicht doch noch ein Schluck drin war. Einzig Tsukasa wirkte nur halb so betrunken wie die beiden Anderen – und vermutlich auch wie Hizumi selbst. Sein Kopf fühlte sich bereits etwas benommen an, und wenn er sich so umsah, brauchte er sich darüber nicht zu wundern.

Auf dem Couchtisch war schon kein Platz mehr, so viele Gläser und vor allem Flaschen hatten sich darauf verteilt. Der Rest stand einfach auf dem Boden - Zero kümmerte das schon nicht mehr, zu abgelenkt war er von den tiefgründigen Fragen, die Karyu versuchte zu klären. Dieser rutschte gerade ein wenig auf der Couch hin und her, versuchte, eine angenehmere Position zu finden.

"Hatte denn keiner von euch Biologie? Muss doch ‘nen einfachen Grund geben, wieso Frösche nun mal platzen, wenn man sie gegen ‘nen elektrischen Zaun wirft", murmelte er trotzig und erntete angewiderte Laute.

"Hör schon auf damit", murrte Zero und stellte endlich die leere Bierflasche neben die Couch, aber langsam, wie in Zeitlupe.

"Hast du das schon mal ausprobiert?", erkundigte sich Hizumi neugierig, woraufhin der Gitarrist nickte.

"Eher aus Versehen..."

"Aha..."

"Google halt", brummte Zero und begann, die Flaschen auf dem Tisch nach einer mit Inhalt zu durchsuchen.
 

Der Gitarrist schnaubte und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Hizumi rechnete damit, dass er gleich mit einer weiteren dämlichen Frage aufwarten würde. Er sah wieder zu Zero, welcher betont langsam aufstand, trotzdem schwankte, sich an der Couch festhielt und schließlich drei Schritte zu dem Regal tat, in welchem sich der Alkohol gestapelt hatte - jetzt war nicht mehr viel übrig. Einzig ein Mini-Sixpack Sahne-Likör war bisher verschont geblieben. Zero murrte, griff aber danach und setzte sich wieder neben Tsukasa, der dies alles schweigend, mit einem halbvollen Glas Rotwein in der Hand, beobachtete.
 

Hizumi nahm eines der Fläschchen an, das Zero ihm ebenso wie Karyu anbot. Anstatt es wie Zero gleich zu trinken, hielt der Gitarrist es jedoch bedächtig in der Hand, den Blick wieder gen Decke gerichtet. "Denkt ihr, das Universum is‘ unendlich?" Ein Stöhnen ging durch die ganze Gruppe. Hizumi entschied sich, sein Fläschchen mit einem Zug zu leeren, bevor er sich gemütlich gegen den Sessel hinter sich lehnte. Tsukasa schwenkte indes nur schweigend den Inhalt seines Glases.

Abwesend drehte Hizumi das Gefäß in seiner Hand, während Karyu weiterhin erfolglos versuchte, mit irgendeinem von ihnen dieses tiefgründige Gespräch zu führen.

"Das muss doch auch mal aufhören, ein Ende haben, oder? So wie die Erde..."

Zero seufzte. "Es gibt im Prinzip nur drei unterschiedliche Formen, die in Frage kommen: Das Universum kann positiv gekrümmt, negativ gekrümmt oder gar nicht gekrümmt sein. Wenn du dir die Erde ansiehst, ist sie unbegrenzt: Du kannst Jahre geradeaus spazieren und wirst doch nie an ihr Ende stoßen. Das wäre eine positiv gekrümmte Oberfläche..." Es schien, als wolle der Bassist fortfahren, aber Karyu starrte ihn verwirrt an.

"Hä....?"

Zero winkte ab und schüttelte den Kopf, hielt damit aber sofort wieder inne, da es einen unangenehmen Schwindel auslöste.

Karyu für seinen Teil schien die Erklärung noch mal durchzugehen, jedenfalls legte sich seine Stirn in Falten, als würde es dahinter angestrengt arbeiten. Dabei glitt ihm das Fläschchen Likör aus der Hand, welches er völlig vergessen hatte. Klirrend kam es auf dem Boden auf, zersprang aber Gott sei Dank nicht in tausend Teile.
 

Tsukasa trank seinen Wein aus und erhob sich. "Ich denke, wir sollten gehen, Karyu." Der Drummer fühlte sich noch nüchtern genug, um mit dem Auto die vier Straßen zu fahren - er würde Karyu mitnehmen und unterwegs absetzen, denn sie wohnten nicht weit auseinander.

Der Gitarrist verzog das Gesicht, wirkte wie ein Kind, während er seinen Arm ausstreckte und nach dem Likör auf dem Boden griff. "Aber ich wollte das noch trinken..."

"Das kannst du das nächste Mal trinken", schlug Tsukasa schief lächelnd vor und hielt dem Blonden die Hand hin. Dieser grummelte, fügte sich aber und ließ sich aufhelfen. Er geriet ins Schwanken, stöhnte leise, da sich vermutlich alles um ihn herum drehte. Glücklicherweise war Tsukasa da und konnte ihn aufrecht halten. "Also ihr beiden..." Er sah zu Hizumi und Zero, die dem Ganzen nur mäßig interessiert gefolgt waren. "Wir sehen uns." Sein Blick glitt zum Regal, aber da wirklich nichts mehr zu trinken übrig war, wandte er sich beruhigt ab. "Ihr solltet schlafen gehen", riet er ihnen, woraufhin Zero nur nickte, während Hizumi die Worte kaum wahrnahm. Er dachte schon an ganz andere Dinge.
 

Erst, als die Wohnungstür mit einem lauten Klacken zufiel, sah er auf. "Hey, Zero...", murmelte er schließlich verschwörerisch und beugte sich vor, um an dem Hosenbein des Bassisten zu zupfen.

Fragend sah ihn dieser an. "Hm...?"

"Mir geht Karyus Frage nicht aus dem Sinn..."

"Was, das mit dem Universum? Das kann ich noch mal genau erklären", meinte Zero, plötzlich geschäftig wirkend, und setzte sich neben ihn auf den Boden.

Hizumi errötete leicht. "Nein, nich‘ das... Das mit den Träumen." Das war eine der ersten Fragen ihrer philosophischen Runde gewesen. "Dass das, was wir träumen, von tiefer Bedeutung ist. Dass wir es uns entweder wünschen, oder dass uns das Schicksal einen Wink geben will...oder dass man von der Person vermisst wird, von der man träumt..."

Der Andere sah ihn an, enttäuscht, dass es nicht um sein Universum-Wissen ging. "Hm, weiß nich‘. Warum? Was für Träume hast du denn so, dass dir diese Frage auf der Seele brennt?"

Ertappt lehnte Hizumi sich zurück und zuckte mit den Schultern.

"Ach, nur so von...Leuten....und Sex..." Das Rosa auf seinen Wangen nahm einen intensiveren Ton an.

"Und dafür schämst du dich? Für Sexträume?", erkundigte sich Zero amüsiert und schnaubte leise.

"Nein...", murmelte er mit abgewandtem Blick.

"Hm... Und, von wem träumst du so?"

Peinlich berührt leckte er sich über die Lippen. "Nich‘ so wichtig..."

"Ach, komm schon. Erzähl. Du kannst doch nich‘ mit dem Thema anfangen und dann nix weiter dazu sagen. Also?"

Der Bassist lehnte sich dichter zu ihm, sodass Hizumi den vertrauten Duft seines Bulgari Parfums wahrnehmen konnte. Er schluckte. "Von Tsukasa, manchmal.." Und von dir. Aber das sagte er lieber nicht laut.

"Oh, von Tsukasa? Na, das is‘ interessant..", gab Zero überrascht zu. "Und was passiert da so? Vögelt ihr?"

Hizumi schnappte nach Luft und sah seinen Freund etwas hilflos an, entschied sich dann zur Wahrheit. "Auch..."

"Ach, gib‘s zu, ihr vögelt. Besonders dreckig, deinem Gesichtsausdruck nach." Zero grinste, ließ den Kopf dann gegen die Couch hinter sich rollen. Ein verträumter Ausdruck legte sich auf seine Züge. "Mach dir nichts draus. Jeder hat Sexträume. Mit allen möglichen und unmöglichen Leuten, mit den abgefahrensten Fantasien. Was soll‘s? Tut doch keinem weh. Es ist eher faszinierend."

"Faszinierend...?", murmelte Hizumi verwirrt und dachte an die verruchten Träume, die er vor allem von Zero und Tsukasa hatte.

"Klar. Das soll einem schließlich was sagen." Wo sie, wie Hizumi fand, wieder beim eigentlichen Thema angekommen waren: ob Träume eine tiefere Bedeutung hatten. Der Brünette wandte ihm den Kopf zu. "Es zeigt uns, welche Wünsche wir haben. Oft genug sind die verborgen."

Neugierig betrachtete er seinen Freund, nagte leicht an seiner Unterlippe. "Und...wovon träumst du so?"

Zero sah ihn an und blinzelte, dann lächelte er leicht. "Ich stecke in einem Tierkostüm...am liebsten bin ich ein Bär...stark, männlich, agressiv, weißt du. Und um mich herum sind andere in Tierkostümen...wir reiben uns aneinander, immer schneller und intensiver..." Er gurrte. "Ich liebe die Eule, wenn die kommt, nehm ich erst richtig Fahrt auf."

Hizumi erstarrte und konnte den Blick nicht von seinem Freund lösen. Redete er da von Furries?

Zero sah ihn unverwandt an und begann schließlich zu grinsen. "Du glaubst auch alles. Warum sollte ich dir erzählen, wovon ich träume? Dann darfst du auch ‘nen Seelenstriptease machen!"

"Hey... Ich hab dir gesagt, dass ich von Tsuka träume! Manchmal...", fügte er leise hinzu, woraufhin Zero nur schmunzelte, dann gähnte.

"Wir sollten schlafen gehen." Er stöhnte leise, als er sich vom Boden wieder auf die Couch begab. "Dieses ganze Gerede von Sex und Träumen... Das erinnert mich nur daran, dass ich schon viel zu langen keinen schönen Orgasmus mehr hatte..."

"Kann man denn einen unschönen haben?", brubbelte Hizumi, während er das Likör-Fläschchen auf dem Boden betrachtete, dass Karyu zuvor hatte fallen lassen.

"Ja, kann man - nämlich gar keinen", meinte Zero und legte sich auf die Couch. "Mach doch mal das Licht aus."
 

Mit einem Ächzen stand Hizumi auf, wobei sich alles drehte, so langsam und vorsichtig er sich auch erhoben hatte. Er strich sich über das Gesicht und blinzelte, um nach dem Lichtschalter zu suchen. Es dauerte einige Zeit, bis er realisierte, dass er geradewegs auf den Schalter starrte. Erleichtert lief er die paar Schritte zur Wand und löschte das Licht, woraufhin Zero ein zufriedenes Seufzen von sich gab.
 

"Hey, Zero", murmelte Hizumi mit leiser Stimme, war grundlos ins Flüstern verfallen. "Wie oft träumst du sowas...?" Er tastete sich durch die Dunkelheit.

"Ha", machte der Bassist amüsiert. "Brauchst du Bestätigung, dass es nicht unnormal ist, wie häufig du von Tsuka träumst?"
 

Hizumi erwiderte nichts. Leider hatte der Bassist gar nicht so Unrecht. Mit dem Fuß stieß er gegen die Couch und kletterte vorsichtig darauf und versuchte, Zero nicht zu erwischen, während er sich voran tastete.

Sich an ihm nicht störend, machte er es sich neben Zero gemütlich, war sofort von dem dezenten Parfum des Anderen umgeben sowie von der angenehmen Körperwärme.

"Ich träume nicht nur von Tsukasa", murmelte er schließlich leise gegen Zeros Haar, unsicher, wohin mit seinen Armen. "Sondern auch von dir. Ab und an..." Seine Wangen wurden heiß.
 

So dicht, wie er an Zero lag, konnte er spüren, wie dieser für eine Sekunde erstarrte, und da bekam er schon Angst, das komplett Falsche gesagt zu haben. Aber bevor er das doch noch als Scherz abtun konnte, um sich zu retten, drehte sich Zero umständlich zu ihm um. Viel konnte er nicht erkennen, dazu war es zu dunkel. Einzig Formen und Silhouetten, aber keinen Gesichtsausdruck. Das machte ihn wahnsinnig, sodass er erleichtert ausatmete, als Zero endlich etwas erwiderte.

"Was sagtest du, was in den Träumen so passiert?"
 

Bei dieser Frage lief er rot an, schämte sich doch wieder etwas, auch wenn Zero alles andere als beunruhigt klang. Er hatte alle Mühe, nicht zu stottern. "Hey, du hast auf meine Frage noch nicht geantwortet", versuchte er ihn abzulenken und klang erstaunlich selbstsicher, auch wenn er sich nicht wirklich so fühlte.

"Hrmmm..", machte der Bassist nur und schien zu überlegen, ob er ihm die schuldige Antwort noch geben sollte. Er entschied sich dafür. "Ich träume 'sowas' sehr oft. Vor allem in den jetzigen Zeiten, wo es nie genug Gelegenheiten gibt, wie ich sie gern hätte."
 

Hizumi lächelte schief. Der Bassist war sowieso kein Mensch, der locker vom Hocker durch die Gegend vögelte. "...verstehe."

"Also, sag schon, was machen wir so in deinen Träumen? Haben wir auch Sex, so wie mit Tsuka?" Seine Stimme klang leicht belustigt, weswegen Hizumi die Lippen zu einem Schmollen verzog.

"Hör auf, das ist nicht witzig. Zieh mich doch damit nicht auf. Ist mir schon peinlich genug."
 

Unvermittelt legte sich die warme Hand des Bassisten in seinen Nacken. "Das muss dir doch nicht peinlich sein. Ich ziehe dich nicht auf, weil du von mir und Tsukasa träumst. Ich finde es eher amüsant, dass du dich so dafür zu schämen scheinst, und das, obwohl wir beide schon alles andere als nüchtern sind." Die Hand strich zu seiner Taille, wo sie verweilte. "Ich verrate dir jetzt mal was. Etwas über Karyu. Aber behalt das für dich. Er ist mir sonst sicher böse. Verstanden?"

Hizumi nickte, vermutete dann aber, da Zero nicht sofort fortfuhr, dass der Andere das wohl im Dunkeln gar nicht sehen konnte. "Verstanden", wisperte er und hörte neugierig zu.

"Unser lieber Karyu hat mir schon vor einigen Monaten im Vertrauen gestanden, dass er den Gedanken heiß findet, mit uns Sex zu haben. Das ließe ihn nicht mehr los."

Hizumi schluckte, während er sein Herz schneller schlagen spürte. Was sollte das nun bedeuten? Geilte sich Karyu an ihnen auf, oder was? Stellte dieser sich sie vier alle gleichzeitig dabei vor, oder wie durfte man das verstehen?

Hizumis Gedanken überschlugen sich. "Wie, mit uns?"

"Zuerst sagte er, mit Tsukasa zu schlafen, wäre sicher interessant. Oder mit Hizumi, hat er dann leiser hinzugefügt. Und nach einigem Nachbohren gab er zu, sich das auch mit mir vorstellen zu können."

Unweigerlich atmete er ob der Offenbarung schneller. "Und, habt ihr...?"

"Sex?"

"Mhmm.."

Der Bassist schwieg für einen kurzen Moment, als überlege er, ob er darauf antworten sollte. "Nein.. Ich war dem nicht abgeneigt, ich wollte, aber...irgendwie hat sich das nicht richtig angefühlt. Weiß nicht, vielleicht wäre das zu gezwungen gewesen. Wie auf Kommando." Zero seufzte kaum hörbar. "Seitdem kam das Thema auch nicht mehr zur Sprache."

"Und das enttäuscht dich", stellte Hizumi fest, woraufhin der Andere brummte.

"Dieser Bastard hat mich mit seinem Gedanken angesteckt", gab er ohne Umschweife zu, was Hizumi doch überraschte. Solch Offenheit zeigte der Bassist selten.

"Oh...", machte er nur leise, da er im ersten Moment nicht wusste, was er erwidern sollte. Die Hand auf seiner Taille verstärkte ihren Druck. "Dann hoffst du jetzt, dass er das noch mal anspricht...?"

Ein erneutes Brummen, bevor sich ein Bein über seine legte und er Zeros Atem im Gesicht spürte. Er konnte die fremden Lippen beinahe schon auf seinen eigenen fühlen. "Halt die Klappe", raunte der Bassist, während seine Hand ihn dichter an sich drückte, sodass ihre Lippen sich nun tatsächlich berührten.
 

Der Kontakt löste ein angenehmes Prickeln auf seinen Lippen aus, das sich immer weiter ausbreitete, tiefer in seinen Körper, bis in jede Faser eindrang. Er fühlte sich wie in einem seiner unzähligen Träume, und das obwohl Zero ihn nur küsste - was fast keusch war, angesichts dessen, was er sich sonst so erträumte.

Ehe er sich versah, lag der Bassist auf ihm, hielt seine Handgelenke neben dem Körper fest. "Wovon träumst du? Woran findest du Gefallen?"

Sein Herzschlag beschleunigte, während er sich flüchtig über die trockenen Lippen leckte. "Ich träume von dir, wie du mir weh tust..."

Er konnte hören, wie Zero leise ausatmete, spürte die sanfte Brise auf seiner Wange. "Schmerz bereitet dir also Vergnügen beim Sex..." Ein Lächeln schlich sich in Zeros Stimme, vielleicht auch auf sein Gesicht. "Ich denke, da kann ich dir helfen..."
 

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Kapitel 6


 

Kapitel 6
 

Sein Blick hatte sich bei der Erinnerung verklärt, und als er zu Zero sah, der noch immer neben ihm stand, sah er den gleichen Ausdruck in dessen Augen: Verlangen.

Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf seine Lippen, nachdem er kaum hörbar durchgeatmet hatte, um wieder ins Hier und Jetzt zu finden. "Das waren wirklich noch Zeiten...", murmelte er und trank etwas von dem Bier, um sich aufzulockern.
 

Wirklich miteinander geschlafen hatten sie in der Nacht nicht, dazu waren sie dann doch etwas zu betrunken gewesen - und vielleicht auch zu unbeholfen, wo sie doch enge Freunde waren, die bisher nie intim miteinander geworden waren. Hizumi erinnerte sich nur noch in Fetzen an das, was passiert war. Der Alkohol hatte ihre Berührungen und Küsse unkoordiniert gemacht, aber nicht weniger berauschend, erregend. Am nächsten Morgen war er auf dem Boden aufgewacht. Sein Körper hatte geschmerzt, der Kopf am stärksten, die Hose war bis zu den Fußknöcheln hinabgezogen gewesen. Auf seinem Bauch hatte er getrocknetes Sperma vorgefunden - ungewiss ob es sich um sein eigenes, Zeros, oder sogar von ihnen beiden handelte.

Seine Lippen waren trocken gewesen, die Zunge mit einem pelzigen Geschmack belegt. Ächzend war er hoch gekommen, hatte Zero betrachtet, ohne einen Gedanken fassen zu können. Der Bassist hatte noch auf der Couch gelegen, schlafend, ähnlich chaotisch wie er aussehend. Mit offener Hose.

Als Zero dann aufgewacht war und er ihm in die Augen gesehen hatte, wusste er, dass dieser sich an die Nacht erinnerte, so wie er selbst. Er hatte ihm die Unsicherheit angesehen, die er selbst empfand. Die Stimmung war so angespannt und unangenehm gewesen, dass Hizumi es nicht mehr lang in der Wohnung des Bassisten ausgehalten hatte.

Über das, was geschehen war, hatten sie nicht sprechen können oder wollen. Zum Großteil war es Hizumi einfach peinlich gewesen, Zero wahrscheinlich auch - vielleicht bereute dieser es sogar. Schließlich hatten sie damit eine unsichtbare Grenze überschritten.
 

"Wenn du nicht zu Tsukasa gegangen wärst...", riss ihn die Stimme des Bassisten unvermittelt aus seinen Erinnerungen, "wer weiß, was dann aus uns geworden wäre." Zero seufzte leise, lächelte ihn dann an.

Nachdenklich hob Hizumi die Schultern. "Meinst du, es wäre schlimm gekommen? Das glaub ich eigentlich nicht..."
 

Noch am Abend desselben Tages war er zu dem Drummer gelaufen und hatte ihm von der verrückten Nacht mit Zero erzählt. Es war aus einer leichten Verzweiflung und großer Unsicherheit heraus geschehen. Tsukasa war sein bester Freund, ihn kannte er am längsten, seit seiner frühen Jugend. Und er hatte bei Problemen immer einen Rat gehabt.
 

Als er am Abend bei dem Drummer angekommen war, hatte dieser aus seiner Verwunderung keinen Hehl gemacht: hatte er doch gedacht, dass sie alle ihren Kater kurieren würden. Murrend hatte er ihn in seine Wohnung gelassen und war, entgegen seiner Natur, verhältnismäßig schnell ungeduldig geworden. Aber, so musste Hizumi auch zugeben, man hatte ihm auch jeden Satz einzeln aus der Nase ziehen müssen.

Nach seinem zögerlichen Geständnis hatte Tsukasa nur leicht eine Augenbraue gehoben. Er war wie so oft die Ruhe selbst gewesen. »Und? Was hat er gesagt? Hat er dich rausgeworfen?«

Hizumi hatte empört geschnaubt. »Nein, hat er nicht! Schließlich war er es, der sich auf mich geworfen hat...da sollte er sich am wenigsten beschweren..«

»Na, so wie ich das verstanden habe, hast du ja bereitwillig mitgemacht. Und dennoch bist du davon gestürmt.«

»Ich bin nicht gestürmt... Na jedenfalls hat er mit mir nicht groß reden wollen. Und ich wusste auch nicht, was ich sagen soll.« Mit einem schweren Seufzen hatte er das Gesicht in den Händen vergraben, während Tsukasa zu seiner Überraschung gelacht hatte.

»Ihr erinnert mich an verklemmte Teenager. Geh zurück zu ihm und redet darüber. Das wird sich in fünf Minuten geklärt haben. Wovor hast du denn Angst? Ihr Mädchen...« Der Drummer hatte gegluckst und ihn dann schulterzuckend angesehen. »Denkst du, er wird jetzt die Band verlassen? Nie mehr mit dir reden? Oder fürchtest du dich, dass er plötzlich seine tiefe Liebe zu dir entdeckt hat und eine Beziehung möchte? Nun sieh es locker, ihr hattet ja nicht mal richtigen Sex.« Ein beruhigendes Lächeln hatte sich auf seine Lippen gelegt, sodass Hizumi davon abgesehen hatte, sich über die triezenden Worte zu echauffieren, die alles als einen einzigen Witz hatten dastehen lassen.

Schlussendlich war Hizumi tatsächlich noch mal zu dem Bassisten gegangen, wenn auch erst am nächsten Tag. Er hatte sich Tsukasas Worte zu Herzen genommen und versucht, es nicht zu eng zu sehen. Er wollte nicht, dass ihr kleines Abenteuer zwischen ihnen stand, das hatte er Zero deutlich gemacht, welcher über seinen Besuch überrascht, aber wie sich wenig später herausgestellt hatte, auch erleichtert gewesen war. Im Endeffekt hatten sie die Sache gleich gesehen: Es war eben passiert, man musste es nicht bereuen, und vor allem sollte dies nichts zwischen ihnen ändern. Sie hatten sich ein verlegenes Lächeln zugeworfen, woraufhin sich die Atmosphäre langsam entspannt hatte.
 

Hizumi schmunzelte leicht und sah zu Zero. "Weißt du noch, wie du mich zögerlich gefragt hast, ob du mir weh getan hättest?"

"Hah...das weiß ich noch, ja." Der Bassist schüttelte leicht amüsiert den Kopf und nahm einen Schluck seines gekühlten Biers. "Ich fand deine Antwort wirklich gut."

Hizumi grinste nun breit und nickte. "Ja, ich sagte...: Na das hoff ich doch", wiederholte er seine Worte von damals, woraufhin Zero lachte.

"Ich kannte eben nicht besonders viele Menschen, die gerade den Schmerz genießen...", gab er zu, woraufhin Hizumi mit den Schultern zuckte.

"Ich fand es ja sehr sympathisch und fürsorglich, dass du gefragt hattest, auch wenn die Frage aufgrund meiner...Wünsche doch eher unerheblich war." Er schenkte dem Brünetten ein warmes Lächeln, welches dieser erwiderte.
 

Allerdings zerstörte Zero die Stimmung gleich mit einer überraschenden Frage. "Wie geht's deiner Freundin?"

Unangenehm berührt winkte ab. "Das ist nicht mehr meine Freundin."

"Wieso das denn?", hakte der Bassist nach und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Brüstung.

"Es hat eben nicht gepasst", antwortete er knapp, weswegen Zero aber nun erst recht aufzuhorchen schien.

"Ach nicht? Du kanntest sie doch schon recht lange... Oder verwechsel ich da was?"

Seufzend lehnte er sich ebenfalls gegen das Geländer des Balkons. "Ich kenne sie seit zwei Jahren. Und seit etwa einem sind wir zusammen...gewesen. Es ist mir aber zu viel geworden. Mit meinen Deadlines für Designs und Merchandise.. Jetzt noch die Proben für unsere Tour... Das hatte so keinen Sinn mehr."

"Hast du dir das wirklich gut überlegt? Ich meine, die Tour wird ein Ende haben, die Proben gehen nicht mehr lang. Dann hast du wieder Luft."

"Daran habe ich durchaus gedacht", erwiderte er ernst. "Aber sie ist mir da zu...unflexibel? Zeigt zu wenig Verständnis? Sicher ist es hart, dass ich momentan zu nichts mehr außer Proben und Grafiken komme, aber da kann ich nichts machen. Sie sieht das nicht ein. Und als ich ihr sagte, dass ich doch in zwei oder drei Monaten wieder Zeit haben werde, meinte sie doch tatsächlich, dass es eine zu lange Zeit für sie sei, um zu warten."

Der Bassist bekam große Augen, weswegen Hizumi beiseite sah. Das Mitleid stand dem Anderen ins Gesicht geschrieben. "Sie hat also Schluss gemacht?"

"Schätze schon.."

"Oh... Das tut mir leid, ehrlich."

Schief lächelnd sah er ihn an. "Schon gut. Ich mochte sie, aber sie war nicht gerade meine große Liebe." Er zuckte mit den Schultern und wandte den Blick ab, starrte in das beleuchtete Wohnzimmer des Bassisten, aber bevor er in Gedanken versinken konnte, spürte er einen Arm um seine Schultern.

Aufmunternd sah Zero ihn an. "Ich verstehe. Ich muss aber zugeben, dass ich nie wusste, wie ich deine Frauengeschichten einschätzen soll..", gab er leise zu, woraufhin Hizumi ihn fragend ansah.

"Na was sollte man denn davon halten?!"

"Ich war mir nie sicher, ob es für dich immer nur Spaß und Zeitvertreib war, oder ob du auf was Festes aus warst. Jetzt klingt es mir ein bisschen so, als würdest du deiner Freundin nachtrauern. Als wenn du dir wirklich was Ernstes mit ihr hast vorstellen können." Für einen Moment schwieg der Bassist. "Wenn ich an die Zeit vor unserer Trennung denke, erschien es mir immer unwahrscheinlich, dass du mit einer Frau glücklich werden kannst."

Hizumi grinste schief. "Auf Dauer kann ich wohl nicht glücklich werden. Aber was ist schon von Dauer? Man kann sich nie sicher sein", erwiderte er. "Ich hätte ja auch nie erwartet, dass wir uns trennen müssen. Also die Band...", murmelte er, während er spürte, wie Zero ihn enger an sich drückte.

"Da hast du wohl leider Recht..." Der Bassist seufzte leise und überraschte ihn erneut, indem er den Kopf auf seine Schulter legte. Solch vertrauten Gesten hatten sie einander zuletzt vor Jahren geschenkt.
 

Und Hizumi konnte nichts dagegen tun, er wurde ein wenig rot, der Hitze zufolge, die in seine Wangen stieg. In seinem Bauch kribbelte es leicht. Ob Zero ahnte, was seine Nähe in ihm auslöste? So oder so, die Geste war freundschaftlich gemeint, daher waren seine Mädchengefühle sowieso fehl am Platz. Er nagte an seiner Unterlippe und schielte zu Zeros Haarschopf, doch wandte er den Blick lieber wieder ab und leerte sein Bier in einem Zug. Zeros Nähe hatte ihn seit dieser verdammten Nacht noch jedes Mal so verunsichert. Hizumi hatte das Gefühl, sich wie ein verliebter Teenager zu verhalten. Aber schnell hatte er es verstanden, das zu überspielen und einfach den aufgeweckten, neugierigen kleinen Sänger zu spielen, der gern Aufmerksamkeit bekam.
 

„Zeros Nähe wühlte ihn ebenso sehr auf wie er sie genoss. Darum löste er sich nur widerstrebend von ihm, trat zur Schiebetür und schmunzelte ihn an. Der Alkohol wärmte ihn zusätzlich von innen, machte ihn mutig. "Was denkst du, wollen wir die Erinnerungen aufleben lassen?"

Der Bassist bekam große Augen und er sah ihm schon die Bierflasche aus der Hand rutschen, so perplex wirkte er. Nicht ganz die Reaktion, die Hizumi sich erhofft hatte. "Uhm..." Zero blickte beiseite, sodass ihm einige, von der Hitze feuchte Strähnen, ins Gesicht fielen.

Fragend legte Hizumi den Kopf schief, runzelte leicht die Stirn. "Was ist? Hast du jemanden?" Ein wenig verunsichert ging er auf den Anderen zu. Das würde ihn enttäuschen, sonst erzählten sie sich doch das Wichtigste...

Langsam schüttelte Zero den Kopf, schaute noch immer nicht auf. "Nein...Das ist es nicht." Er knabberte auf seiner Unterlippe, dann sah er ihm schließlich in die Augen. "Denkst du, dass es eine gute Idee wäre? Wenn wir damit wieder anfangen... Die Tour wird ein Ende haben..."

Die Aussage überraschte ihn, denn auch wenn er selbst schon daran gedacht hatte, hatte er es nicht auszusprechen gewagt. Er befürchtete, es würde ihn verraten: dass es mehr war als das, als was er es gern hinstellte. Wieder entschied er, nicht dazu zu stehen.

"Was hast du? Es ist doch nur Sex, Zero", zwang er sich zu sagen und rang sich ein schiefes Lächeln ab. "Wie du sagtest: lieber irgendeinen Orgasmus als gar keinen."

Der Bassist musste lachen. "Hab ich das wirklich so gesagt?"

"Nein. Aber so gemeint", erwiderte er lächelnd, woraufhin Zero sich von der Brüstung löste und zu ihm kam.

"Gut, vielleicht hast du Recht."

"Also, hast du Lust?", erkundigte er sich und spürte einen Arm um seine Mitte, dann eine freche Hand auf seinem Po.

"Auf dich doch immer", antwortete Zero und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, bevor er seine Hand ergriff und ihn hinein in die Wohnung zog.

Erleichterung und Vorfreude durchfluteten Hizumi gleichermaßen. Der Versuch, langsam zu atmen, scheiterte, auch sein Herzschlag beschleunigte. Aus einem dummen Impuls heraus hatte er Zero gefragt - genauso gut hätte er sagen können, dass er ihn vermisst hatte. Die langen Abende, die vielen vertrauten Gespräche. Das hätte dem Bassisten vielleicht mehr gefallen, und dennoch hatte er etwas anderes gesagt. Brachte ihnen Sex mehr als deutliche Worte, als Geständnisse?
 

"Es ist doch in Ordnung, wenn wir das Schlafzimmer der Couch vorziehen, oder? Es muss ja nicht alles wie unser erstes Mal sein", meinte Zero zwinkernd.

"Ist völlig okay", antwortete er amüsiert. "Ich würde nur ungern wieder auf dem Boden aufwachen, wie damals..."

"Wirklich?!" Zero starrte ihn überrascht an und hielt auf halber Strecke an. "Du bist auf dem Boden aufgewacht?"

"Ja, bin ich...war sehr unbequem. Ich weiß nicht, wie ich da gelandet bin... Vermutlich bin ich runtergeplumpst, denn viel Platz bietet sie ja nicht."

Zero lächelte schief. "Oder ich hab dich runter geschoben..", murmelte er reumütig, weswegen er mit den Schultern zuckte.

"Wenn, dann sicher ohne Absicht und im Schlaf. Da passieren ja selbst in einem großen Bett mal Unfälle. Man könnte sich gegenseitig blau und grün schlagen, ohne dass man es merkt..." Eine gruslige Vorstellung wie er fand, aber es kam durchaus vor.

"Deine Romantik hab ich schon immer bewundert", meinte Zero schmunzelnd und küsste ihn erneut sehr sanft, aber nicht zurückhaltend. Eine gewisse Vertrautheit und Sicherheit schien nach wie vor, auch nach Jahren der Distanz, vorhanden zu sein. Diese Erkenntnis wärmte sein Herz. Es ließ die Welt unverändert erscheinen, als wären einige Dinge nie passiert, als hätte nie etwas zwischen ihnen gestanden.

Bereitwillig ließ er sich von seinem Bassisten in das Schlafzimmer leiten. Das Herzstück war das in bordeauxrot gehaltene Polsterbett, vor dem ein weißer Hochflorteppich lag. Der dunkle Laminatboden samt den dunklen Möbelstücken stand im Gegensatz zu den schlicht in weiß gestrichenen Wänden, aber Hizumi gefiel es. Er mochte Gegensätze.
 

Und genau die zeigte ihm nun auch Zero.

Hatte dieser ihm eben noch sanft Küsse auf die Lippen gehaucht, so griff er ihm nun ins Haar und zog seinen Kopf in den Nacken. Diesmal küsste er ihn nicht zart, sondern hart und verlangend. Die fremde Zunge drängte sich einfach in seinen Mund, ohne sich anzukündigen. Zero hatte offenbar nichts von seinem Feuer verloren, also würde er ihm zeigen, dass er sich selbst dahingehend auch nicht verändert hatte. Stürmisch erwiderte er den Kuss, versuchte die geschickte Zunge zurückzudrängen, aber da stand er bei Zero auf dem verlorenen Posten. War dieser sonst so ruhig und zurückgezogen, lebte er nun seine Dominanz aus - etwas, das man ihm auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick nicht zugetraut hätte.

Gierig starrte er auf die feucht-glänzenden, vollen Lippen, als sie sich voneinander trennten. Langsam hob er den Blick in die Augen des Bassisten.

"Zieh dich aus", raunte dieser, woraufhin er nickte und einen Schritt zurück trat. Schon spürte er die Bettkante in den Kniekehlen. Den Blick löste er jedoch nicht von Zero. Er hatte diese besondere Art vermisst, wie er ihn ansah: verlangend, nach ihm gierend, die Augen dunkel vor Lust und Erregung.

Das hatte Zero schon immer geschafft: dass er sich bei ihm sofort wohl fühlte, begehrenswert – beinahe wie ein Sexobjekt. Aber das empfand er nicht als Beleidigung oder Erniedrigung, im Gegenteil, er fasste es sehr positiv auf. Tiefgründig unterhalten konnte er sich mit Zero zu anderen Gelegenheiten.
 

Als er nach dem Saum seines Shirts griff, fielen ihm Zeros schlanke Hände auf, wie diese den ersten Knopf seines karierten Hemds öffneten.

Und kaum, dass er sich das T-Shirt über den Kopf gezogen hatte, waren zwei weitere Knöpfe von Zeros Hemd offen. Hizumi grinste leicht, während er das Oberteil auf den Boden fallen ließ und der Bassist die letzten Knöpfe öffnete, sodass etwas nackte Haut sichtbar wurde. "So spielen wir heute also?", erkundigte er sich amüsiert, woraufhin der Brünette nickte und ebenfalls grinste.
 

Da er danach gierte, den Bassisten wieder nackt zu sehen, fanden seine Finger den Weg zur Hose, öffneten den Reißverschluss - Zero ließ im Gegenzug sein Hemd von den Schultern gleiten, sodass es lautlos auf den Teppich fiel. Auf diese Weise ging das Spiel weiter, wobei Hizumi nicht allzu viel Zeit verschwendete. Er wollte es nicht in die Länge ziehen.

Er war erst zufrieden und hielt inne, als Zero, wie auch er selbst, keinen Zentimeter Stoff mehr am Körper trug. Unverhohlen musterte er den nackten Körper in Ruhe, betrachtete die leicht gebräunte Haut, die fein definierten Schlüsselbeine, die dunklen Brustwarzen. Die schlanken Beine taten einen Schritt auf ihn zu, weswegen er in Zeros haselnussbraune Augen aufschaute. "Du hast dich nicht verändert." Das kam ihm leichter über die Lippen als ‚Du bist immer noch wunderschön‘.

Sein Freund lächelte leicht. "Ich hoffe doch sehr, dass du das im Sinne eines Kompliments meinst."

Er hob eine Augenbraue. "Höre ich mich enttäuscht an?"

Der Bassist schüttelte den Kopf und kam dichter, um eine Hand auf seine Schulter zu legen. "Ich hab mir in den letzten drei Jahren ein paar neue Fesseln zugelegt. Möchtest du was davon testen?", erkundigte er sich grinsend, während er ihn auf das Bett nieder drückte.

Mit einem Funkeln in den Augen sah er zu dem Anderen auf und nickte. "Aber immer doch. Ich bin gespannt, was du aussuchst." Da vertraute er dem Bassisten vollkommen.

"Knie dich hin", forderte dieser ihn auf, was er umgehend befolgte. Er rutschte weiter zur Mitte des Bettes und kniete sich vor das Kopfende, umfasste das schwarz-lackierte Geländer mit den Händen. Er wusste ja, was auf ihn zukam. Er liebte es, sich von Zero fesseln zu lassen, nicht immer zwingend ans Bett. Sich ausgeliefert zu fühlen, war etwas Schönes - sofern man dem Anderen vertraute. Und das tat er. Die unzähligen Nächte, die er mit dem Bassisten verbrachte hatte, ließen ihn nicht zweifeln. Niemals, in keinem Augenblick.
 

Unvermittelt legte sich ein seidiger Stoff um seine Augen, verdunkelten die Sicht. "Du darfst raten", raunte Zero in sein linkes Ohr, bevor er begann, ihm die Hände ans Gitter zu fesseln.
 

Hizumi leckte sich flüchtig über die trockenen Lippen. Die kühlen Finger des Bassisten waren angenehm auf seiner bereits erhitzten Haut. Das Material um seine Handgelenke schnitt leicht in seine Haut. Es schien nicht rau wie ein Seil zu sein, sondern eher glatt. Ob er so schnell erraten würde, was das war? Zero würde ihn sowieso davon ablenken; er würde gar nicht weiter darüber nachdenken können. Der Bassist war ein guter Verführer und er spürte eine irre Freude darüber, sich endlich wieder in dessen Hände begeben zu können.
 

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to be continued

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Kapitel 7

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7. Kapitel

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Ein fröhliches Johlen ging durch die Runde, als der Getränkenachschub von der Bedienung gebracht wurde. Nach der Bandprobe hatten sie sich in eine Bar zurückgezogen, um etwas zu entspannen. In ihrem Zeitplan befanden sie sich bereits in der letzten Planungsphase. Die Hallen waren gebucht, fast alle Proben absolviert - und die Fans waren am heutigen Tag über die Abschlusstour informiert worden. Jedoch hatten sie das Wort "Abschluss" oder etwas ähnliches dabei nicht benutzt. Es war einfach eine Tour. Zwar war es Fakt, dass es die letzte der Band sein würde, aber diesen bitteren Beigeschmack wollten sie sich selbst und den Fans ersparen.

Schon in wenigen Wochen würde es nach Sendai gehen, wo ihr erstes Konzert stattfinden sollte. Anschließend würden sie weiter in den Norden, dann an der Westküste Richtung Süden fahren, schließlich auf der Ostseite Japans wieder hoch reisen, bis sie in Yokohama und Tokyo ihre drei letzten Konzerte geben würden. Tsukasa und Karyu hatten nur die Großstädte mit den meisten Einwohnerzahlen für die Tour heraus gesucht, da man Hizumi einfach keine lange Tour zumuten konnte.
 

Jeder nahm einen Schluck Bier, Karyu sogar so einen großen, dass das Glas gleich wieder halbleer war. "Also", nahm er den Faden wieder auf. "Tsukasa, komm schon, du bist doch so schlau. Wenn das einer weiß, dann doch du!"

Der Drummer seufzte schwer und hatte Mühe, nicht die Augen zu verdrehen, weswegen Hizumi schmunzeln musste. Nach all den Jahrzehnten, die er ihn schon kannte, merkte er ihm seine Stimmung sofort an. "Was sollen denn ständig diese Fragen, mein Lieber? Du hättest wohl besser Biologe werden sollen. Ich hab keine Ahnung, warum Hummeln fliegen können.."

"Weil sie Flügel haben", kommentierte Hizumi trocken und verkniff sich ein Grinsen, woraufhin Karyu schnaubte.

"Du passt nicht auf! Die Viecher sind psychisch gesehen zu schwer für ihre Flügel."

"Physisch. Du meinst physisch gesehen sind sie zu schwer", korrigierte Tsukasa ihn gelangweilt, doch der Gitarrist winkte nur ab.

"Scheißegal, ihr könnt mir die Frage sowieso nicht beantworten. Das könnt ihr nie! Wisst ihr überhaupt was?", empörte sich der Blonde, doch da brauste Zero auf.

"Wenn ich dir was erklären will, hörst du ja nie zu! Oder verstehst nicht, was ich sage!" Beleidigt griff er nach seinem Bier und leerte es, während Karyu verwirrt zu ihm sah.

"Wann hast du mir denn mal was erklärt?"

Die Augen des Bassisten verengten sich. "Als deine scheiß Universumsfrage kam, hab ich dir das erklären wollen. Aber das war dir ja zu hoch."

"Wen nennst du hier dumm?!", erboste sich der Gitarrist, doch Zero erwiderte den Blick gelassen.

"Niemanden, du Idiot, hörst du nicht, was ich sage?"

"Selber Idiot!"
 

Die beiden begannen zu streiten, doch weder Hizumi noch Tsukasa hatten den Drang, einzugreifen. Jeder von ihnen kabbelte sich zuweilen mit dem Gitarristen. Der hörte wirklich häufig nicht zu.

Hizumi widmete sich lieber seinem Bier, trank es wie die Anderen zuvor auch aus und bestellte ihnen dann eine Runde Wodka Tonic. Sein Gesangstraining war gut verlaufen und er brauchte für die Tour keine weiteren Stunden. Er war soweit, auch wenn er sich nicht wirklich so fühlte.

Er bekam das große Flattern, und dieser Abend in der Bar war eine gute Möglichkeit, sich davon einmal abzulenken. Letztes Jahr war es auch nicht angenehm gewesen. Da hatte er nur diese eine Chance gehabt, zu glänzen. Die Angst davor, zu versagen, war so groß wie nie zuvor gewesen. Doch es war alles bestens gelaufen. Wieder auf der Bühne zu stehen, einer verdammt großen, und dann auf das Publikum zu schauen.... Die Halle war brechend voll gewesen. Die Menschen hatten sich so weit nach vorn gedrängt, wie es ging. Die glücklichen Rufe, das freudige Kreischen hatte kein Ende genommen, als sie hinaus getreten waren. Er würde diese magischen Momente nie vergessen. Nie war er glücklicher gewesen, auf einer Bühne singen zu können.
 

Nun stand eine ganze Tour bevor. Es war nicht nur ein Auftritt, es waren ganze dreizehn. Das war eine Menge, dafür, dass gerade er schon seit vier Jahren keine Tour mehr gemacht hatte. Es gab daher viele Dinge, an denen er zweifelte - und niemandem durfte er davon erzählen. Besonders vor seinen Freunden musste er eine gute Figur machen und sich vollkommen überzeugt und selbstsicher zeigen. Er durfte sie nicht enttäuschen, er musste sein Bestes geben. Das letzte, was er wollte, war, dass ihre Tour seinetwegen scheiterte. Er wollte nie mehr der Grund für ihr Versagen sein. Die Anderen sollten nie mehr wütend auf ihn sein müssen.
 

Überrascht blickte er auf, als ein Drink mit einem Klimpern vor seiner Nase landete - der Wodka Tonic, den er bestellt hatte, und auch je ein Glas für seine Freunde.

"Hey, Hizu, Hizuuuuuu~!" Verwirrt starrte er zu Karyu. Der schien mittlerweile sehr angesäuselt zu sein. "Was meinste? Warum seid ihr Sänger in unserm Land immer soooo klein?"

Seine Augen wurden größer. "Wie bitte?!" Das war ja ganz schön fies. Und statt Zero oder Tsukasa den Gitarristen zurecht wiesen, kicherten sie nur blöd. Die hatten wohl auch schon zu viel intus. "Kann ja nich' jeder so groß sein wie du, Spargeltarzan..", murrte er und nippte an seinem Drink.

"Ja ja...ich weiß, ich bin Mr. Tokyo Tower. Aber im Ernst, is' dir das noch nich' aufgefallen? Du bist unter 1,70... Der Giftzwerg von Dir en Grey könnte von der Größe her zwölf Jahre alt sein", kicherte er und bekam Schluckauf. "Dann dieser, wie heißt der nochma....hicks...Dieser blonde Zwerg..diese depressive Diva...Riku...nein...Ruki...hicks..." Er lachte, während Hizumi die Augen verdrehte.

"Versteh schon, wir sind alle Zwerge für dich...dafür sind wir schnell und wendig. Pass auf, ich könnte dir schneller in deine Kronjuwelen treten, als du gucken kannst", drohte er, doch Karyu lachte nur lauter.

"Hier, euer Sänger..." Der Gitarrist sah zu Tsukasa. "Der blonde Hoppelhopp...Ricky...is' auch nich' gerade das, was ich groß nenne. Die Liste is' endlos lang."

Nun runzelte Zero die Stirn. "Moment mal...wenn du Hizu klein schimpfst, dann auch mich! Ich bin nur 'nen Zentimeter größer als er..." Schon gab es eine Kopfnuss für den Gitarristen. "Pass auf, was du sagst. Vielleicht sind nich' wir das Problem, sondern du! Nich' wir sind zu klein, du bist eindeutig zu groß..."

Nun grummelte Karyu hörbar und verschränkte die Arme. Gerade als er den Mund aufmachte, meldete sich Hizumi zu Wort. "Außerdem vergisst du Tatsurou.. Der is' ja wohl groß! Und er is' Sänger!"

"Der is' vor allem die Ausnahme!", meinte Karyu kämpferisch und schon waren sie in der nächsten Diskussion. Tsukasa schüttelte nur den Kopf und hielt sich raus. Lieber sorgte er dafür, dass sie eine weitere Runde Drinks bekamen - und ein bisschen was zu knabbern in Form von Erdnüssen und Edamame.
 

Mitten in der Diskussion musste Hizumi blinzeln, dann ließ er Zero und Karyu weiter streiten und kramte kurz in seiner Tasche herum. "Ich bin mal für Giftzwerge", fauchte er in Richtung des Gitarristen, bevor er aufstand und um die Ecke verschwand. In den Toilettenräumen suchte er die Waschbecken auf und blickte in den Spiegel, um seine linke Kontaktlinse vorsichtig aus dem Auge zu lösen. Ein paar Mal kniff er die Augen zusammen, dann öffnete er den Behälter und tauschte die alte Kontaktlinse gegen die in der Flüssigkeit schwimmende aus. Der Unterschied war die Stärke. Die alte korrigierte den Wert von -4,0. Die er jetzt trug, korrigierte einen höheren: -5,0. Nun konnte er wieder besser sehen.

Rasch schraubte er den kleinen Behälter zu und stopfte ihn in die Hosentasche, bevor er pinkeln ging. Wenn er schon mal hier war. Außerdem tranken sie so viel Alkohol, da war es ein Wunder, dass sie sich überhaupt zu viert unterhalten können und nicht ständig einer auf dem Klo war.
 

Kaum war er zurück, hob er die Augenbrauen. Zero war gerade dabei, dem Drummer die Knöpfe seines Hemds zu öffnen - und dann machte er bei der Jeans weiter, wo zusätzlich der Reißverschluss dran glauben musste. "Was is' denn hier los?!", erkundigte er sich entgeistert, während er sich setzte.

"Wahrheit oder Pflicht", knurrte Tsukasa nur, während Karyu und Zero gackerten. Die Wangen des Gitarristen waren bereits rosa gefärbt. Er war wirklich blau bis an die Kante. Bestimmt hatte dieser auch die famose Idee gehabt, Trinkspiele zu spielen.

"Los, Hizu, du bis' dran!", forderte Zero, woraufhin er seufzte, dann seinen Wodka leerte. "Wahrheit oder Pflicht?"

"Wahrheit", murmelte er und stützte das Kinn in die Hand. Der Bassist war meistens nett und stellte nicht die fiesesten Fragen.

"Wie viele Frauen hast du schon geküsst?"

Er musste leicht grinsen. "Mehr Frauen als Typen", antwortete er vage, weswegen Zero schnaubte.

"Das war mir fast klar. Also?"

"Ich zähl doch nich' mit!", murrte er und zuckte mit den Schultern. Er war ja auch nicht mehr der Jüngste und hatte einige durch. "Lass mich überlegen." Er hob die Hand und dachte an seinen ersten Kuss zurück - in der Grundschule, mit einem schüchternen Mädchen. Er zählte an den Fingern ab und ging immer weiter in Richtung Gegenwart. "Vielleicht zwanzig...?"

Nun weiteten sich Karyus Augen. "So wenig?!"

Er verzog die Lippen zu einem Schmollmund. "Besser als zu viele..." Vor allem hatte während der zehn Jahre mit D'espairsRay auch wenig Grund gehabt, irgendwelche Weiber zu küssen. "So, dann ist jetzt Karyu dran! Wahrheit oder Pflicht?"

Dieser lächelte. "Egal welche Frage du mir stellst, da weißt du schon die Antwort drauf", behauptete er. "Also lieber Pflicht."

Hizumi schnaubte nur, erwiderte aber nichts. Da gab es einige Fragen, deren Antworten er nicht kannte, die ihn aber sehr interessieren würden. "Gut...Benimm dich doch mal wie ein Huhn."

Nun mussten Tsukasa und Zero lachen. "Aber das macht er schon die ganze Zeit", kicherte der Bassist, woraufhin Tsukasa sich den Bauch vor lachen hielt. Karyu schmollte nun natürlich, aber er kam auch nicht drum rum. "Das wirst du mir büßen", zischte er, bevor er mit seiner Performance loslegte. Die Arme angewinkelt an die Seiten gedrückt, stieß er ein Gackern aus und tat, als würde er nach Körnern picken. Es war schnell klar, dass es ihm sogar irgendwie Spaß machte - Hizumi und die Anderen hatten jedenfalls gut zu lachen.

"Vielleicht hättest du eher Schauspieler werden sollen", gluckste Tsukasa amüsiert, bevor er sein Glas leerte.

"Wenn alle Stränge reißen", nickte Karyu und sah beiseite, da die Bedienung vorbei lief. Diese Chance nutzte er, um Cocktails für sie zu bestellen. Dabei nannte er irgendeinen neuen, den Hizumi nicht kannte und daher noch nie probiert hatte. Aber er war ja immer offen für neues.
 

"Hizu, Wahrheit oder Pflicht?", erkundigte sich der Gitarrist dann auch schon, woraufhin er sich wieder für die Wahrheit entschied. Da sie hier in einer Bar saßen und besoffen waren, konnte gerade Karyu sich schön fiese Dinge ausdenken, die sehr schnell peinlich werden konnten. Noch aber wollte Hizumi sich nicht die Blöße in der Öffentlichkeit geben. Der Gitarrist hatte schon mal von ihm verlangt, Zero einen mit der Hand runterzuholen - allerdings immerhin zuhause, nicht in einer Bar.

"Wahrheit", antwortete er, denn auch er glaubte, dass Karyu ihm nicht wirklich schlimme Fragen stellen könnte. Keine, die ihn bloß stellen konnten.

"Schön." Der Blonde grinste triumphierend. "Pennst du wieder mit Zero?"

Seine Augen weiteten sich, ebenfalls wie die des Bassisten. Er schluckte. "Ähm...", machte er nur, woraufhin Karyu sich auf die Knie schlug.

"Ich wusste es! Können wir dann alle wieder Sex miteinander haben?"

Für einen Moment herrschte Schweigen. Tsukasa war der erste, der sich wieder regte. Und etwas sagte. "Moment mal, Karyu, nicht so schnell!" Fragend sah er zwischen Zero und Hizumi hin und her. "Ist das wahr? Ihr vögelt wieder?"

Rasch wechselte er einen Blick mit Zero, welcher mit den Schultern zuckte. "Ist nur zwei Mal passiert."

Hizumi nickte bestätigend und hoffte, dass die Anderen nicht sauer sein würden. Zero und er hatten es nie an die große Glocke gehängt.

"Ich wusste es! Hab 'n Radar dafür", meinte Karyu stolz und lehnte sich zufrieden zurück. Er schien nicht böse zu sein.
 

Tsukasa verdrehte die Augen, dann nahm er einen Schluck von seinem Drink und winkte ab. "Na schön. Das hättet ihr uns aber gleich sagen können."

Das brachte den Gitarristen zum Grinsen. "Du bist nur sauer, dass sie dich ausgeschlossen haben. Du hättest zumindest gern zugeschaut, oder nicht? Vielleicht lassen sie dich ja beim nächsten Mal. Ich spendier dir auch ne Tüte Popcorn." Offensichtlich fand Karyu das alles sehr witzig. Irgendwie beruhigte Hizumi das. Tsukasa allerdings verengte die Augen und starrte den Blonden an.

"Dein Popcorn kannste behalten!", murrte er nur, und Hizumi wusste gleich, dass der Drummer tatsächlich sauer war.

Er lächelte schief. "Du wärst wirklich gern dabei gewesen, was?"

"Hm, schon. Hey, ich hänge fast fünf Jahre am Hungerhaken", rechtfertigte sich dieser, woraufhin er eine Augenbraue hob.

"Du willst mir nich' sagen, dass du solange keinen Sex mehr hattest, oder?"

"Nee", winkte der Drummer ab. "Das nich'... Aber keinen Sex mit euch. Ich hab nich' mal Zero angefasst."

"Also das stimmt so ja nun nich'!", unterbrach ihn der Bassist, weswegen Hizumis Augen groß wurden. Was kam denn da jetzt alles ans Tageslicht? "Wir haben schon ab und an mal gefummelt..."

"Ui, Details bitte!", meldete sich Karyu zu Wort, der neugierig zwischen den beiden hin und her schaute, doch Tsukasa schnaubte.

"Keine Details. Ja gut, dann haben wir vielleicht ab und an mal Hand beieinander angelegt. Aber mehr is‘ nich‘ passiert. Ohne euch zwei war es eben nicht das gleiche.."

"Soll ich mich jetzt schämen, dass ich nur mit Zero Sex hab?", erkundigte sich Hizumi mit hochgezogener Augenbraue. So hörte sich Tsukasa jedenfalls an.

"Vielleicht ein bisschen?", erwiderte der Drummer mit heruntergezogenem Mundwinkel, bevor er zu Karyu sah. "Sag auch mal was!"

Der Blonde lachte. "Ja, na ich frag noch mal: Können wir dann jetzt wieder zu viert vögeln? Die Tour wird doch nen Monat gehen..."
 

Das war eher ein Vorschlag statt eine Frage. Karyu meinte es wirklich ernst. Als er Zero und Tsukasa ins Gesicht sah, hatten auch diese ihre Augen geweitet und erwiderten seinen Blick unsicher. Sie alle dachten ernsthaft darüber nach und zogen es in Betracht, auf den Vorschlag einzugehen.

"Ich sag da nich' Nein", antwortete Hizumi schließlich und lächelte leicht in die Runde.

Zero seufzte. "Warum nich'."

Nun sah Karyu gebannt zu Tsukasa. "Bist auch dabei, oder?"

"Sicher", murmelte der Drummer und griff nach seinem Drink. Dann bedachte er Hizumi und Zero mit einem dunklen Blick - jenem, den der Sänger schon seit vier Jahren nicht mehr gesehen hatte. Augenblicklich lief ein angenehmer Schauer über seinen Rücken. "Ihr beide seid mir was schuldig."

Hizumi musste grinsen. "Keine Sorge. Zero und ich werden dir schon was bieten. Nich' wahr?" Er sah seinem Bassisten, welcher sich zufrieden lächelnd zurück lehnte.

"Aber klar doch. Ich hab ein paar neue Fesseln dazu bekommen. Und meine Technik hat sich verbessert. Es wird dir gefallen."

Amüsiert lehnte sich Karyu zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Ich bestell uns noch eine Runde und dann...können wir gern zu mir."
 

Aber es blieb dann nicht bei einer Runde. Auch zwei Stunden später saßen sie noch in der Bar. Es war schon nach Mitternacht, die letzten Züge fuhren in der Stadt und die Bar war dementsprechend fast leer geworden.

Mit jedem Drink stieg die Laune der vier Freunde und sie zogen immer mehr die Aufmerksamkeit der Bedienungen auf sich. Doch dass die sie loswerden wollten, merkten sie gar nicht. Mittlerweile hatten sie sich komplett abgeschossen und befanden sich jenseits von Gut und Böse.
 

Irgendwann hatte Karyu ein weiteres Trinkspiel vorgeschlagen.

"Ich hab noch nie...mitm Groupie geschlaf'n“, nannte Tsukasa seinen Satz.

Hizumi griff als erster beherzt zum Glas, dann tat Zero es ihm nach. Der Bassist hob eine Augenbraue. "Also dass Tsukasa nich' mit Groupies schläft, is' keine Überraschung...aber du, Karyu?"

Dieser hob die Arme und lächelte schief. "Tja... Mich wundert‘s schon, dass unser selbst ernannter Partyboy nix mit Groupies hatte..."

"Wie auch immer", brummte der Drummer und sah in die Runde. "Ich hab noch nie...aus dem Fenster eines Lovers klettern müssen."

Erneut musste Hizumi zum Glas greifen. Kein anderer rührte allerdings Alkohol an, weswegen er empört die Lippen verzog. "Was, keiner von euch hat mal auf die Schnelle entkommen müssen?"

Seine Freunde schüttelten den Kopf. "Warum bissu denn ausm Fenster geklettert...?", erkundigte sich Karyu neugierig, weswegen er schief grinste.

"Na ja, die Frau war die Freundin eines Freundes von mir....wollte ihn nicht verletzen."

"Wow...toller Freund bissu..", murmelte Karyu, weswegen er schmollte.

"Ach komm, bis' auch nich' besser... Fremdgeher."

"Oi...!", fuhr Karyu dazwischen. "Das war nur ein Mal....kann doch passier'n. War hackedicht, so wie heute."

"Leute Leute...", murmelte Tsukasa und rülpste leise. "Hören wir auf damit, sonst kann ich euch bald nich' mehr in die Augen sehen. Aber ich liebe euch, also möch...möchte ich euch auch weiterhin angucken können...Okay?"

Einvernehmliches Murmeln erklang, dann futterten sie die Knabbereien auf und bestellten Wasser. Es war Zeit, aufzubrechen. Die Bedienung hatte schon klar gemacht, ihnen keinen weiteren Alkohol auszuschenken.
 

"Auf zu mir nach Hause~" Fröhlich riss Karyu die Arme in die Luft, wankte dann aber und setzte sich wieder. Er blinzelte. "Wo is' Zero?"

"Auf Klo...", antwortete Hizumi ihm gelangweilt, woraufhin Tsukasa die Stirn runzelte.

"Is' aber lange auf Klo....ob er kotzen muss?"

"Wir sollt'n nachschauen", murmelte Hizumi und erhob sich langsam. In seinem Mund bildete sich langsam ein ekliger Geschmack mit einem noch ekligeren Pelz auf der Zunge - da hatte auch das Wasser nicht mehr geholfen. Sein Schädel fühlte sich bereits vernebelt an und er hatte Mühe, aufrecht zu gehen. Gemeinsam mit Karyu und Tsukasa suchte er die Toilettenräume auf. Sie hatten bereits bezahlt und warteten nur auf ihren Bassisten, der zum Pinkeln verschwunden war.
 

"Zeroooo~!", rief der Gitarrist, während er die Tür aufstieß. "Was 's los?"

"Zero, bissu hier?", fragte Tsukasa und stoppte, als Karyu plötzlich stehen blieb. Hizumi hingegen war nicht so schnell und prallte gegen den Drummer.

"Oh..." Er lugte an ihnen vorbei. Vor den Waschbecken lag der Bassist auf dem Boden.

"Gehts ihm nich‘ gut?", fragte Hizumi, woraufhin Tsukasa und Karyu sich langsam hinknieten.

"Der pennt nur", murmelte der Drummer und rüttelte an Zeros Schulter. "Oi, wach auf, wir gehen!"

Murrend kam Zero zu sich. Nur mit vereinten Kräften schafften sie es, ihn auf die Beine zu ziehen.

Der Heimweg wurde sehr lang, denn Karyu wohnte nicht direkt in der Nachbarschaft. Sie mussten ganze zwei U-Bahnstationen laufen. In einer Megacity wie Tokyo bedeutete das einen langen Weg. Aber Züge fuhren eben nicht mehr, also mussten sie da durch.
 

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to be continued

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8. Kapitel
 

Der Herbst hielt Einzug und die Luft war merklich abgekühlt. Bald würde Hizumi seine - immer noch nicht reparierte - Klimaanlage statt zum Kühlen eher zum Erwärmen seines Wohnzimmers brauchen.

Doch statt in seiner Wohnung zu frieren, war er unterwegs nach Yamagata. Anlässlich der Hochzeit seines Bruders ließ er sich bei seiner Familie blicken, wo er doch schon eine Einladung erhalten hatte. Glücklicherweise begleiteten ihn Zero, Tsukasa und Karyu. Der Drummer nutzte eh jede Gelegenheit, um nach Yamagata zu kommen - so konnte er seine Eltern besuchen. Zero und Karyu nutzten es eher als Ablenkung von der bevorstehenden Tour. Die Vorbereitungen waren intensiv gewesen und der Gitarrist hatte die Doppelbelastung mit Angelo gehabt.

Kirito hatte mittlerweile - wenn auch murrend - eingelenkt dank der restlichen Mitglieder seiner Band, welche sich für Karyu eingesetzt hatten. Aber von allem war der Gitarrist erst ab Beginn der Tour freigestellt. Dennoch war er erleichtert und Kohta, Takeo sowie Giru zutiefst dankbar. Und auch Hizumi fühlte ähnlich, denn ohne die Unterstützung dieser drei wäre die Tour gar nicht möglich gewesen. Sie hatten Kirito ins Gewissen geredet und mit Karyu einen Plan erstellt, wie er für den einen Monat der Tour von ihren Aktivitäten frei bekommen konnte. Schlussendlich war es einfacher gewesen, als gedacht.
 

Eigentlich hatte Hizumi mit dem Zug fahren wollen, da er sich momentan weder auf das Motorrad noch in ein Auto traute. Aber als seine Freunde zugesagt hatten, mitzukommen, hatte Karyu seinen Toyota RAV4 angeboten - den nun Tsukasa fuhr, da der Gitarrist keine Lust auf eine vierstündige Fahrt hinter dem Steuer hatte.

Es war erstaunlich still, mittlerweile waren sie knapp zwei Stunden unterwegs. Wie Hizumi fand, war der RAV4 in klassischem metallic weiß sehr schön, aber für eine Person allein viel zu groß. "Karyu?" Nur ein Brummen von der Rückbank antwortete ihm. Der Gitarrist schien bereits fast zu schlafen. "Warum hast du noch mal so ein großes Auto?"

"Ich denke an meine Zukunft, Hizu-chan", antwortete dieser verschlafen. "Wenn ich mal eine Familie hab und so..."

"Verstehe."

Karyu grunzte und schloss wieder die Augen, wie er durch den Rückspiegel sah. Zero war bereits längst eingeschlafen und gegen die Schulter des Gitarristen gesunken. Er musste lächeln. Ein Bild des Friedens.
 

Er warf Tsukasa einen Seitenblick zu. "Noch fit?", erkundigte er sich schmunzelnd, woraufhin dieser blinzelte und ihn ansah.

"Willst du mich etwa ablösen?"

"Nicht wirklich. Ich bin nicht mehr hellwach.."

"Ist in Ordnung, schlaf ruhig. Mir geht's gut."

Hizumi schüttelte den Kopf. "Nein... Ich hab dir versprochen, wach zu bleiben. Das ist viel besser für dich, wenn ich mit dir rede. Dann bleibst du fitter."

"Du redest aber nicht mit mir. Du schläfst ein.", erwiderte der Drummer schmunzelnd, weswegen er die Stirn in Falten legte.

"Tut mir leid... Aber ich bleib schon wach, keine Sorge."

"Hizu..." Eine neue Diskussionsrunde ging los, und genau die hielt Tsukasa aufmerksam und bei Laune.
 

Auf die letzte Stunde der Fahrt jedoch döste auch Hizumi langsam weg. Bis auf Karyus gelegentlichem leisen Schnarchen und Zeros Murmeln herrschte Stille und er driftete mit den Gedanken zur Nacht in der Bar.
 

Als sie dann im Dunkeln zu Karyu nach Hause gegangen waren, hatte es Probleme gegeben - sie hatten sich verlaufen. Es war niemand auf der Straße gewesen, den sie hätten fragen können. Die Akkus von ihren Smartphones hatten bereits Stunden zuvor den Geist aufgegeben. So hatte es gedauert, bis sie heimgekommen waren. Und entgegen Karyus Vorschlag war dann zwischen ihnen doch nichts mehr gelaufen.

Der nächste Morgen war furchtbar gewesen. Er war in Karyus Schlafzimmer auf dem Boden aufgewacht - ob er es je zum Bett geschafft hatte und nur runter geschubst worden oder runter gefallen war, wusste er nicht mehr. Der Gitarrist selbst hatte mit dem Drummer im Bett gelegen, allerdings hatten beide noch ihre Kleidung angehabt. Zero hatten sie dann im Badezimmer vor der Toilette liegend gefunden. Er hatte geschlafen, aber sich zuvor offensichtlich übergeben. Das ließen die Spuckereste am Brillenrand der Toilette vermuten. Sie hatten sich alle entsetzlich gefühlt. Selbst Tabletten hatten da nicht mehr geholfen. Der Kater hatte sie bis abends in Karyus Wohnung verweilen lassen. Erst nach stundenlanger Erholung hatten sich Hizumi, Zero und Tsukasa in der Lage gefühlt, heimzugehen.
 

Er hatte keinen Filmriss und erinnerte sich an alles, was in der Bar geschehen war. Besonders an Karyu konnte er sich erinnern - der Gitarrist war eindeutig entspannter und fröhlicher geworden. Wenn er sein Verhalten bei der ersten Probe mit jenem bei ihrer letzten Probe verglich, war da ein eindeutiger Unterschied. Es ging Karyu besser, das freute auch Hizumi. Das fröhlich-naive stand dem Blonden besser als das verstimmt-pessimistische.
 

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"Ach, Hiroshi, es ist wunderbar, dich endlich einmal wiederzusehen! Mir ist fast, als wärst du noch ein kleiner, blasser Junge gewesen, als wir uns das letzte Mal gesehen haben." Tsukasas Mutter lächelte warm, während er Mühe hatte, nicht rot anzulaufen. Er war heilfroh, dass Karyu nicht hier war, der hätte ihn jetzt sicher aufgezogen.

"Na, so lange ist es dann doch noch nicht her", antwortete er diplomatisch und erwiderte die Umarmung der Dame. Gemeinsam mit seinem Drummer war er, wenig später nachdem sie in Yamagata angekommen waren, zu dessen Eltern gefahren. Er kannte sie ja aus Jugendtagen. Zero und Karyu waren im Hotel zurück geblieben. Der Teufel wusste, was die beiden nun machten.
 

"Gut seht ihr aus. Euch geht es doch auch gut, oder?", erkundigte sich der Vater, während sie sich an den Esstisch setzten. Es gab ganz klassisch selbstgebackenen Apfelkuchen.

Tsukasa hatte eine Menge zu erzählen, die Eltern hörten wie gebannt zu, aber auch sie hatten einige Dinge zum ländlichen Leben zu erzählen. Wie immer fühlte sich Hizumi bei ihnen sehr wohl. Gerade als Jugendlicher hatte er sehr viel Zeit bei Tsukasa verbracht. Je älter er geworden war, desto mehr Schwierigkeiten hatte er mit seinen eigenen Eltern gehabt und hier Zuflucht gesucht. Tsukasas Mutter hatte ihn immer mit offenen Armen empfangen, ihr Vater hatte oft mit ihm und seinem Sohn etwas unternommen - und wenn sie nur angeln gegangen waren.

Auch heute noch fühlte er sich Tsukasas Familie mehr verbunden als seiner eigenen. Daher fragte er sich, warum er überhaupt auf die Hochzeit seines Bruders ging - denn dort würden natürlich auch ihre Eltern sein.
 

"Und, seid ihr beide schon aufgeregt? Wann geht die Tour denn los?", fragte die Mutter nach, während sie heißen Kaffee nachschenkte.

"In einem Monat", antwortete Tsukasa.

"Wir sind doch nicht aufgeregt. Wir sind schließlich Profis", meinte Hizumi grinsend, woraufhin Mutter und Vater nur nickten, doch sein Freund durchschaute ihn und lachte.

"Ja...weil du ja noch jeden Tag auf der Bühne stehst, hast du natürlich gar kein Lampenfieber."

"Oh." Die Mutter sah ihn überrascht an. "Ehrlich, bist du so nervös?"

Langsam nickte er und lächelte schief. "Ja schon... Es war letztes Jahr schon hart, aber jetzt, wo eine ganze Tour ansteht... Das sind dreizehn Gelegenheiten, es zu vermasseln."

"Papperlapapp", die Mutter winkte ab. "Du hast wie viel Jahre Erfahrung? Das vergisst man doch alles nicht sofort, nur weil ihr Pause hattet. Mach dir nicht so viele Gedanken. Ihr seid froh, zurück zu sein, und eure Fans ja auch. Was soll schon passieren?"

"Und selbst wenn etwas schief laufen sollte, werden alle dafür Verständnis haben. Sowas passiert selbst den erfahrensten und ältesten Bands. Das macht sogar deren Charme aus", meinte der Vater zwinkernd, was ihn erleichtert lächeln ließ. Tatsächlich bauten die Worte der Eltern ihn und sein Selbstvertrauen etwas auf.
 

Er trank etwas Kaffee und blinzelte. In seinem Auge piekste etwas. Blinzeln half leider nicht. "Entschuldigt mich einen Moment", sagte er leise und lächelte sanft, während er aufstand. Das Pieksen ging langsam in einen dumpfen Schmerz über, weswegen er das Auge geschlossen hielt. Was war denn nun los? Immer gab es etwas Neues... Und das zu ungünstigen Zeitpunkten.
 

Im Bad blinzelte er in den Spiegel. Es war nichts zu sehen, das Pieken war weg, der Schmerz aber noch da. Vorsichtig nahm er die Kontaktlinse aus dem Auge und schloss es. Es fühlte sich trocken an. Seine Tropfen hatte er natürlich im Hotel gelassen. Leise fluchte er. Drin lassen konnte er die Linse nicht, dazu war das Gefühl zu unangenehm. Und damit ihm nicht schwindelig wurde, nahm er noch die zweite Kontaktlinse heraus - so sah er auf beiden Augen ähnlich schlecht. Glücklicherweise hatte er es sich mittlerweile angewöhnt, das kleine Behältnis immer mitzunehmen. Er legte die Kontaktlinsen hinein und verschloss es, steckte es zurück in die Hosentasche, bevor er vorsichtig aus dem Bad trat. Mit -4,0 im Durchschnitt sah er gerade mal verschwommen. Aber immerhin war er noch nicht blind.
 

Mit einem Lächeln setzte er sich zurück an den Tisch, wo Tsukasa gerade von seinen Enka-Plänen sprach. Nach der Despa-Tour standen wieder diverse Auftritte und sogar Konzerte an. Schweigend verfolgte er das Gespräch. Es war offensichtlich, dass Tsukasas Eltern äußerst stolz auf ihren Sohn waren. Er wünschte sich, dass auch seine Eltern so wären.
 

Nach einem entspannt verbrachten Nachmittag verabschiedeten sie sich herzlich voneinander. Noch war es nicht sicher, ob sie die Eltern nach der Hochzeit wiedersehen konnten.

"Willst du fahren?", erkundigte sich Tsukasa auf dem Weg zu Karyus Toyota und hielt ihm die Schlüssel hin, doch er schüttelte den Kopf.

"Nein, lieber nicht. Ich weiß den Weg gar nicht mehr zum Hotel...", murmelte er, woraufhin der Drummer eine Augenbraue hob.

"Ich auch nicht. Wir haben doch aber das Navi. Was wäre Karyus Wagen ohne ein Navi?"

"Was wäre Karyu ohne Navi?"

"Verloren", erwiderte Tsukasa und lachte, bevor er sich hinter das Lenkrad setzte. Rasch nahm Hizumi neben ihm Platz und schnallte sich an. "Kannst du mal gucken, ob rechts was kommt?"

Hizumi kniff die Augen etwas zusammen und versuchte was zu erkennen. Ohne Kontaktlinsen war das hoffnungslos. "Glaube da kommt nichts...", murmelte er und betete, dass es so war.
 

Er hatte Glück. Tsukasa parkte unfallfrei aus.

"Wie fühlst du dich? Wegen morgen?", wollte sein Freund wissen, weswegen er seufzte.

"Weiß nicht... Mir wäre lieber gewesen, du hättest den großen Bruder, der heiratet. Auf diese Hochzeit wäre ich gern gegangen."

Tsukasa lächelte schief. "Das wird schon. Du bist ja nicht allein. Wenn dir einer blöd kommt, sprengen wir die Party einfach, veranstalten ein Chaos und verschwinden."

"Aber wir müssen es Karyu in die Schuhe schieben! Oder Zero!"

"Das wird nicht schwer", meinte Tsukasa und schnaubte amüsiert. "Die stellen doch eh immer was an, wenn man die alleine lässt."

"Apropos...was sie wohl gemacht haben?", murmelte er nachdenklich, weswegen der Drummer mit den Schultern zuckte, während er die Landstraße Richtung Hotel entlang fuhr.

"Entweder sie sind im Schwimmbad...oder hocken an der Bar...spannen irgendwelche Gäste aus...oder vögeln.."

"Hmm." Hizumi hob den Blick und sah zu dem Anderen, lächelte dann leicht. "Glaubst du doch nicht wirklich. Ohne dich fassen sie sich bestimmt nicht an. Sonst würde Zero ja noch tiefer in deiner Schuld stehen."

Tsukasa grinste und erwiderte seinen Blick. "Man kann nicht mehr oder weniger in meiner Schuld stehen."

"Zero kann es nicht schlimmer machen?"

"Nein, kann er nicht. Er hat das Höchstmaß an Strafe bereits erreicht. Du übrigens auch."

"Verstehe..." Unauffällig musterte er das Profil des Drummers. Selbst jetzt, wo Tsukasas Augen konzentriert auf die Straße gerichtet waren, konnte er ein verheißungsvolles Funkeln in ihnen sehen. Nachdenklich wandte er den Blick ab und sah aus dem Seitenfenster. "Denkst du wirklich, dass wir...na ja, so weitermachen werden, als wäre nichts gewesen? Wenn die Tour vorbei ist, dann...wird wieder alles so wie in den letzten Jahren sein... Ich glaube, das will ich nicht..."

Der Drummer schwieg für ein paar Sekunden. "Glaubst du, keinen Sex zu haben, würde was ändern? Die Tour ist das 'Problem', wenn du so willst. Wir verbringen wieder sehr viel Zeit miteinander. Das verändert etwas in uns. Ich denke zum Guten. Dir ist sicherlich Karyus Veränderung nicht entgangen. Wir tun einander gut. Warum auf den Sex verzichten? Der macht es nicht schlimmer, höchstens besser", meinte er und musste leicht grinsen, aber nur für einen kurzen Moment. "Du hast Recht, es wird schwer werden, wenn die Tour vorbei ist...aber das wussten wir von Anfang an. Wir können nur hoffen, dass wir daraus lernen. Wir sollten uns nicht wieder beinahe vergessen."

"Ja...", murmelte Hizumi nur zustimmend und starrte weiter aus dem Fenster. Es war immer einfacher, etwas zu sagen. Sich auch daran zu halten, war manchmal schwierig.
 

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Am frühen Abend kamen sie im Hotel an. Auf dem Flur, wo ihre vier Zimmer lagen, angekommen, staunten sie nicht schlecht: Die Tür zu Karyus Zimmer war nur angelehnt. Natürlich musste Hizumi, neugierig wie er war, gleich mal nachschauen. "Ey, Tsuka, komm mal her!", zischte er, während der Drummer schon dabei war, sein eigenes Zimmer aufzuschließen.

"Was ist denn?" Interessiert drängte er sich neben ihn und starrte ins Zimmer. "Oh..."
 

Bassist und Gitarrist lagen, nur in Badehosen gekleidet, auf dem Bett. Offenbar waren die beiden im hoteleigenen Schwimmbad gewesen. Das pikante nur war Zeros Hand, die in der marineblauen Badeshorts des Blonden steckte. Leise glucksend zückte Hizumi geistesgegenwärtig sein Smartphone.

"Was war denn hier los?", murmelte Tsukasa mit hochgezogener Augenbraue, während Hizumi ein Foto schoss. Das Klicken war so laut, dass Zero davon aufzuwachen schien und sich als erster regte. Daher steckte er rasch das Handy wieder weg, sonst würde der Bassist noch sauer werden. Grinsend sah er Tsukasa an. "Na was ein Glück, dass Zero nicht noch mehr in deiner Schuld versinken kann..."

Der Drummer brummte, trat ein und machte Anstalten, die Tür zu schließen, weswegen er ebenfalls schnell ins Zimmer schlüpfte. Zero indessen öffnete blinzelnd die Augen.

"Und, wärmt Karyus Schritt schön?", erkundigte Hizumi sich amüsiert und genoss den verwirrten Gesichtsausdruck des Bassisten. Dieser sah sich verständnislos um, dann fiel sein Blick auf seine Hand, die in der Badehose des Gitarristen vergraben war.

"Fuck...", murmelte er und zog die Hand hervor, setzte sich dann gähnend auf. "Wir haben was an der Bar getrunken... Dann wollten wir eigentlich schwimmen gehen, aber als wir uns hier umgezogen haben... Na ja..." Er lächelte schief in die Runde.

"Na ja?" Tsukasa betrachtete ihn mit verschränkten Armen, weswegen Hizumi grinsen musste. Er war wirklich angepiekt.

"Reg dich nicht auf, es ist nichts gelaufen. Nicht richtig. Ich bin eingeschlafen..und Karyu offenbar auch." Der Bassist lachte leise, weswegen nun auch Karyu wach wurde.

"Was'n hier los...? Ratsversammlung?", nuschelte der Blonde, während er sich aufsetzte. "Was macht ihr alle in meinem Zimmer?"

"Die Tür stand offen", erbarmte sich Hizumi schmunzelnd. "Wovon hast du so geträumt?"

"Wer sagt, dass ich überhaupt was geträumt habe?" Karyu gähnte und ließ sich wieder aufs Bett fallen, während Zero die Hand hob und Hizumi den Mittelfinger zeigte.

"Ich werd euch Albträume bescheren, wenn ihr noch mal ohne uns fummelt", drohte Tsukasa mit blitzenden Augen an.

Karyu hob den Kopf und grinste leicht. "Sei nicht böse... Ich wusste ja nicht, dass wir dir so sehr fehlen! Wie kann ich das wieder gut machen?"

Hizumi wandte sich ab und blinzelte. Sein Blick war im wahrsten Sinne des Wortes vernebelt. Viel hatte er sowieso nicht gesehen, da es noch keine Gelegenheit gegeben hatte, die Kontaktlinsen wieder einzusetzen.

"Soll ich mich lieber um Zero kümmern oder um dich?", hörte er Karyus Stimme, die in einen verführerischen Ton verfallen war.
 

Wenn auch ungern, verschwand Hizumi wortlos aus dem Zimmer, um in sein eigenes zu flüchten. Alles blinzeln half leider nichts, weswegen er in das Bad ging, wenn auch nur langsam und mit tastenden Händen. Auf dem Waschbecken standen bereits die Augentropfen. Rasch benetzte er damit seine Augen und es wurde besser. Der Nebel lichtete sich.

"Ist alles in Ordnung?"

Beim Klang von Tsukasas besorgter Stimme zuckte er zusammen. "Ja...ich hatte nur was im Auge", murmelte er verärgert. "Erschreck mich nicht so..."

Schweigend starrten sie sich an. Sicherlich überlegte sein Freund, ob er es auf sich beruhen lassen sollte. "Na schön. Kommst du mit rüber?"

Er zauberte ein Lächeln auf seine Lippen und nickte. "Aber klar doch. Gib mir eine Minute."

"Ich lass Karyus Tür für dich offen."
 

Sobald der Drummer verschwunden war, reinigte er schnell seine Kontaktlinsen und setzte sie wieder ein. Nichts schmerzte. Froh, wieder alles erkennen zu können, ging er rüber zu seinen Freunden. Er wollte alles sehen, nichts verpassen. Es würde sicher ein schöner Abend werden. Die intime Viersamkeit würde ihn von dem nächsten Tag ablenken, der anstrengend werden würde: die Hochzeit seines Bruders und die anschließende Familienfeier.
 

"Alles gut?", erkundigte Zero sich, als er in Karyus Zimmer zurückkehrte. Noch immer saß er auf dem Bett, Karyu lag neben ihm, die Arme unter dem Kopf verschränkt, während Tsukasa am Bettende stand. Der Drummer wirkte unschlüssig.

"Aber ja", antwortete Hizumi lächelnd und kletterte auf das Bett, über Karyu hinweg zu dem Bassisten, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Sofort legten sich zwei Arme um seine Mitte, und er drängelte sich frech zwischen Zeros Beine.

"Du hast noch so viel an", murmelte der Brünette, während dessen Hände schon sein kariertes Hemd öffneten.

Er grinste nur und blickte kurz beiseite zu Karyu, als dieser sich aufsetzte.
 

"Komm her, Tsuka", bat der Blonde den Drummer, der die Arme verschränkt hatte. "Ich lass dich teilhaben."

Tatsächlich kam Tsukasa zu Karyus Seite, schaute ihn aber aus schmalen Augen an. "Spar dir das Grinsen, mein Lieber."

Wie der Blonde so war, konnte er das natürlich nicht unterdrücken. "Nun sei doch nicht so... Du willst es doch auch." Mit flinken Fingern hatte er die Jeans des Drummers geöffnet.
 

Hizumi ahnte schon, was der Andere vorhatte, wandte den Blick aber ab, da Zero ihm das Hemd von den Schultern streifte und anschließend an seiner Hose nestelte. Bevor der Bassist ihm diese aber ausziehen konnte, drückte er ihn ins Kissen und holte sich einen Kuss. Einen, der immer länger und leidenschaftlicher wurde und ihm Atem raubte. Hizumi fand das auch gut so, schließlich war es mittlerweile einige Wochen her, dass sie gemeinsam die Nacht verbracht hatten.

Gierig nach mehr Nähe drückte er sich enger an den warmen Körper, leckte über die fremde Zunge in seinem Mund, versuchte dann vergebens, sie zurückzudrängen.

Erst ein dumpfes Keuchen ließ ihn aufblicken. Tsukasa stützte sich mittlerweile mit den Händen auf Karyus Schultern ab, seine Augen waren ihm zugefallen. Auch wenn der Gitarrist mit dem Rücken zu Hizumi saß, so war es dank dessen Kopfbewegungen eindeutig, was er da gerade trieb. Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf seine Lippen und gerade als er sich wieder dem Bassisten zuwenden wollte, erhob Tsukasa das Wort.

"Zero... Du hast doch sicher Fesseln dabei, oder?"

Der Angesprochene hob den Kopf und schmunzelte. "Die ein oder andere, ja."

"Wärst du so lieb und würdest welche holen?"

Zero nickte, weswegen Hizumi sich beiseite rollte um ihn aufstehen zu lassen.

Er sah, wie Tsukasa die Hände von den Schultern des Gitarristen nahm und einen Schritt zurück trat, doch dieser wollte nicht aufgeben und streckte die Finger schon nach dem Oberteil des Drummers aus. "Erst du", erwiderte Tsukasa kopfschüttelnd und blickte auf. "Und Hizumi."

Karyu warf ihm einen traurigen Blick zu, bevor er sich zu Hizumi umdrehte und dichter kam, dabei aber schon wieder lächelte. Er sah noch, wie der Drummer erneut die Arme verschränkte und an Ort und Stelle stehen blieb, um ihnen zuzuschauen. Dann kniete Karyu sich bereits über ihn und begann, ihn vollständig zu entkleiden.
 

Während er so unter ihm lag, schloss er für einen Moment die Augen. Auch wenn es lange her war, dass sie zuletzt alle ein Bett für ein paar Stunden geteilt hatten, konnte er sich gut vorstellen, was als nächstes geschehen würde. Zero würde ihn wahrscheinlich ans Bett binden, und Tsukasa würde sich vermutlich um Karyu kümmern - den fesselte er nicht immer ans Geländer, manchmal band er ihm nur kunstvoll die Arme und Hände am Körper zusammen, bis er diese nicht mehr bewegen konnte.

Schon beim Gedanken daran, wie Hizumi Zero ausgeliefert sein würde, ganz von dessen Gnade abhängig, durchströmte ihn heißer Schauer. Er liebte es, sich in die Hände eines Anderen fallen zu lassen.

Flüchtig leckte er sich über die Lippen, bevor er die Augen öffnete - Karyu trug bereits auch nichts mehr, kniete immer noch an seiner Seite und sah grinsend beiseite, als der Bassist wieder zu ihnen stieß.

Der Bassist schwang Handschellen in der einen Hand, und ein langes, raues Seil trug er in der Anderen. Hizumi schmunzelte. "Da wünsch ich dir viel Spaß, Karyu." Er wusste, dass Tsukasa eine Vorliebe für jegliche Art von Seilen und ähnlichen Fesseln hatte - da konnte er seine Kreativität am besten ausleben, und sein Lieblingsopfer dafür war Karyu. Das konnte Hizumi verstehen, hatte der Gitarrist doch so schöne lange Arme und Beine.

Schweigend nahm Tsukasa das Material entgegen, dann kam Zero auf seine Seite und setzte sich zu ihm. "Hand her, mein Hübscher."

Hizumi lächelte und tat wie ihm geheißen. Egal was Zero verlangte, er würde es tun - mal mit mehr, mal mit weniger murren. Oh, wie er diese Abende und Nächte vermisst hatte.
 

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to be continued

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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  Chevvy
2015-10-18T21:03:14+00:00 18.10.2015 23:03
whut, aus nem Kozert mach gleich ne ganze Tour? WOHA!! Na dann hoffen wir mal, dass Karyu gute Überredungskünste haben wird!
ich bin ja mal seh gespannt darauf, was der Grund sein mag wieso Hizumi das so fix wie möglich machen möchte Dx
Und ich mag die Unterhaltung der Band wieder sehr – toll geschrieben. konnte mir das auch bildlich wieder richtig gut vorstellen, vor allem die stelle mit dem Wein und der Bruderschaft gen Ende. :)
lass uns bloß nicht zu lange warten xD
Antwort von:  Phoenix_Michie
19.10.2015 13:08
Hehe, oh ja, da gibt es einen Grund, warum er es doch mehr oder weniger eilig hat. Das wird immer mal wieder angedeutet.
Ich freue mich sehr, dass dir die Unterhaltungen gefallen :) Es macht auch sehr Spaß, das zu schreiben. Ich trau den Chaoten sowas auch echt zu xD"
Ich würde mich natürlich gern dran halten, alle zwei Wochen ein Kapitel hochzuladen, allerdings hängt das auch etwas von meiner Beta ab. Das nächste Kapitel wird auf jeden Fall am Sonntag in 2 Wochen erscheinen ;) Danach mal sehen :'D Etwas Vorlauf hätte ich schon gern bzw etwas in der Hinterhand.
Von: abgemeldet
2015-10-18T19:30:35+00:00 18.10.2015 21:30
Die Geschichte ist ganz schön traurig, also bis jetzt. Hizumi scheint absolut einsam zu sein, da kriege ich Pippi in die Augen. Es ist ein kleiner Trost, dass sich Karyu und Hizumi zumindest wieder annähern. Bin sehr gespannt, wie es weiter geht. :)
Antwort von:  Phoenix_Michie
18.10.2015 21:33
Die liebste Liebe an dich für den Kommi ;3
Mir fällt es schwer, traurige Sachen zu schreiben, daher bin ich erstmal..ähm...froh, dass du es traurig findest xD Ich darf andeuten, dass sich noch "Dinge", entwickeln werden. Keine Sorge hehe. Vielleicht nicht mega romantisch, aber hey, anfassen muss und wird auf jeden Fall mal drin sein ;D
Von:  Chevvy
2015-09-27T20:46:20+00:00 27.09.2015 22:46
Mann mann mann … Hizumis Alltag möchte ich nicht haben … (naja meiner ist ähnlich, nur dass ich nicht selbstständig bin DX)
echt gut ge- und beschrieben das Kapitel. Ich mag es vor allem iwie auch dass du die Hitze mit eingebaut hast (Hizumi twittert ja neben seinen Produkten eigentlich nur von Hitze, Regen und Co. - da passt das Thema ja auch mit rein xD)
ich mag die Dialoge und deren Inhalte von den vieren sehr :)
und Kirito soll mal aufhören Karyu so ein schleches Gewissen zu machen ;_;
Bin gespannt wie es weiter geht!
Antwort von:  Phoenix_Michie
28.09.2015 18:44
Ja, ein kleiner Tipp: besser nicht selbstständig machen :'D
Danke für das Lob wegen der Details :D Im Grunde lässt sich ja jeder Japaner dann und wann mal übers Wetter aus xD Daher hätte das echt bei jedem gepasst XD
Es freut mich sehr, dass dir die Dialoge gefallen! Da bin ich mir oft nicht so sicher, wie gut die sind.. Die werden teilweise auch noch richtig bekloppt später :'D
Von: abgemeldet
2015-09-27T16:40:02+00:00 27.09.2015 18:40
Also .... Kirito, der Arsch! xD Nicht zu ernst nehmen, aber wie kann er bitte Karyu ein so schlechtes Gewissen machen. Das geht doch nicht! Armer Karyu... ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung :D
Antwort von:  Phoenix_Michie
27.09.2015 19:21
Ach, eigentlich ist es nicht unbedingt "ein schlechtes Gewissen" machen. Er ist nur wirklich besorgt - und ein bisschen die Diva xD Das sieht man im Sequel ganz gut, das ich vor einigen Monaten hochgeladen habe. Dann versteht man Kirito besser.
Aber Karyu tut mir dennoch leid :'D Kirito will man nicht zum Feind haben XD
Du kannst auch weiter gespannt sein ;D Bis bald ♥
Von:  xxReikaxx
2015-09-11T15:16:42+00:00 11.09.2015 17:16
Ein tolles Kapitel!
ich hab ne Gänsehaut und fühle mich, als wäre ich mit am Tisch gesessen.
Auf jeden Fall, werde ich weiter lesen und freue mich schon darauf...
^____^
Antwort von:  Phoenix_Michie
11.09.2015 18:51
Awww ich freue mich sehr über deinen Kommentar! Es ist super, dass du dich so gut in die Szene am Tisch rein fühlen konntest :3 Da hab ich ja ein Teilziel erreicht :D Gibt kein schöneres Lob, danke!! Wir lesen uns hoffentlich bald wieder.
Von:  ManaHime
2015-09-10T10:42:05+00:00 10.09.2015 12:42
Ich bin froh das es überhaupt noch jemanden gibt der FF's zu meiner Lieblingsband schreibt, es ist ein tolles Kapitel und ich hoffe auf einen positiven Ausgang in der FF. Das Kapitel ist toll und super geschrieben. Ich freue mich auf die nächsten.
Antwort von:  Phoenix_Michie
10.09.2015 15:09
Oh ja, leider schreiben kaum noch Leute FFs zu Despa. Aber ich werde da so schnell nicht mit aufhören ;) Kannst dich auf mich verlassen.
Vielen vielen Dank für deinen Kommentar, das motiviert sehr :3 Zum Ausgang darf ich natürlich noch nichts verraten ;)
Bis bald hoffe ich :D
Von:  Chevvy
2015-09-09T22:10:42+00:00 10.09.2015 00:10
hach ich hätte das jetzt nicht mehr lesen sollen – alten Wunden, you know … ;-;
ich find das Kapitel echt gut geschrieben und es macht auf jedenfall interesse nach mehr.
Bin gespannt, wie es weiter geht. Und den Zeitpunkt zur Veröffentlichung hättest du echt nicht besser wählen können!
Antwort von:  Phoenix_Michie
10.09.2015 10:28
Ja, ich weiß... Das zu lesen wäre nur einfach, wenn sie wieder auftreten würden, schätze ich. Umso mehr freue ich mich aber, dass du dich durch das erste Kapitel gewurschtelt hast ;)
Vielen Dank für dein Lob, den Kommentar, und ja, du darfst gespannt sein. Da werden einige Dinge geschehen! :D
Von: abgemeldet
2015-09-09T21:43:05+00:00 09.09.2015 23:43
Danke für den Produktempfehlungs tweet! Das hat sich wirklich gelohnt :) Na gut, es reißt die alte Wunde zwar wieder auf, Pippi in den Augen, Herzschmerz und so... Du weißt ja, was ich meine ;) ABER mich hast Du auf jeden Fall mit dem ersten Kapitel und der Titelwahl sehr neugierig gemacht :)
Wie war das? Wann kommt das zweite Kapitel? Morgen schon!? Supi! ;P Bekomme ich bitte wieder einen Erinnerungs-tweet? <3
Antwort von:  Phoenix_Michie
10.09.2015 10:26
Haha, die nächste Produktempfehlung wird folgen ;) Gern geschehen.
Das reißt auch bei mir Wunden auf, weil ich wünschte, es würde so kommen wie im Laufe der FF ;^;
Und lieben Dank für den Kommentar <3


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