Quick Time Event von Flordelis ================================================================================ Kapitel 4: Meinst du, etwas würde mir den Kopf abbeißen? -------------------------------------------------------- Faren war wirklich ungern in Abteracht. Je weiter die Welt voranschritt, desto konservativer schien dieser Ort zu werden, der ohnehin schon einer Burg glich und einem damit das Gefühl gab, in der vollkommen falschen Zeit gelandet zu sein. Für die Mitglieder von Abteracht mochte dies ein heiliger Zufluchtsort sein, auf Faren wirkte es eher wie der Rückzugsort einer Sekte – und das machte ihm nicht selten Angst. Natürlich wusste er inzwischen, dass es sich bei den Jägern um keine Sekte handelte, aber das machte es für ihn nicht unbedingt besser. Sein Gefühl ließ sich einfach nicht hereinlegen und bestand weiterhin darauf, dass es sich um das Hauptquartier einer gehirnwaschenden Sekte handelte und irgendwann der Tag käme, an dem er aufgefordert werde, sich einem Massen-Suizid anzuschließen. Aber das dauerte hoffentlich noch sehr, sehr lange. Früher mochten die Gänge von Abteracht stets mit Jägern gefüllt gewesen sein, an diesem Tag traf Faren aber kaum jemanden. Lediglich zwei der jungen Nachwuchs-Jäger liefen ihm über den Weg, grüßten ihn ein wenig schüchtern und verschwanden im nächsten Moment schon hinter der nächsten Ecke. Nicht alle Jäger waren so wie Kieran damals, aber inzwischen wusste er, dass sich viele zumindest so ähnlich verhielten – aber bei keinem anderen war es ihm jemals wieder derart interessant vorgekommen. Vor der Tür zu Cerises Büro hielt Faren wieder inne. Er räusperte sich, stellte sicher, dass auch seine Frisur wieder saß und klopfte schließlich. Eine unterkühlte Stimme bat ihn herein. Er erinnerte sich noch gut daran, wie nervös er damals gewesen war, als er sie das erste Mal gehört hatte. Es war eine solche, wie man sie hier erwartete und dennoch war man gleichzeitig nicht darauf gefasst, sie auch wirklich zu hören. Bis sie eben erklang. Faren öffnete die Tür, um einzutreten und schloss sie hinter sich dann auch direkt wieder, als fürchtete er, etwas anderes könne ebenfalls hereinhuschen, während er seinem Termin nachging. Im überraschend großräumigen Büro wurde er bereits von dem Besitzer der unterkühlten Stimme erwartet. Parthalan war ein strenger, aufrechter Mann, der jeden, den er traf, zu überragen schien und das lediglich, damit er auf jeden hinabsehen konnte. Jedenfalls wirkte der eisige Blick aus seinen blauen Augen immer so, als bedauere er, von Idioten umgeben zu sein. Das silberne Haar war außergewöhnlich, aber aufgrund seines strengen Gesichtsausdrucks, der wie eine Maske auf ihm lag, traute sich niemand so recht in die Nähe des Mannes, um mehr über diese Farbe oder den Mann dahinter zu erfahren. Unwillkürlich stellte Faren sich ebenfalls aufrecht hin. „Hallo, Parthalan. Cerise wollte mit mir sprechen, wurde mir mitgeteilt.“ „Das ist richtig, Griffin.“ Wenn man direkt vor ihm stand, wurde seine Stimme noch eisiger, sie klirrte regelrecht in Farens Ohren. „Ich nehme an, Seline hat dir auch übermittelt, worum es geht.“ Vermutlich wusste nur sie von diesem Termin, deswegen wunderte Faren sich nicht. „Hat sie. Ich bin seelisch vollkommen vorbereitet.“ Parthalan musterte ihn einen Moment prüfend, als versuche er ernsthaft, in die Tiefe seiner Seele zu schauen. Dabei blieb er allerdings erfolglos, weswegen er Faren dann – fast schon seufzend – weiterwinkte. Erleichtert huschte er an Parthalan vorbei, tiefer in das Büro hinein, das, je weiter man kam, vollgestellt war mit allerlei Bücherregalen, so dass es mehr einer Bibliothek ähnelte, als wirklich einem Büro. Scheinbar etliche Regale später, kam Faren endlich an einem Schreibtisch an. Dort saß eine Person, die wesentlich weniger einschüchternd war als Parthalan. Ihr rosa Haar, in das Kirschblüten eingeflochten waren, reichte ihr bis knapp über die Schultern, ihre roten Augen fixierten Faren, während er sich näherte. Alles in allem sah Cerise, trotz ihrer schweren schwarzen Uniform, aus, als wäre sie gerade einmal vierzehn, höchstens. Als Faren das erste Mal vor ihr gestanden war, hatte er nicht geglaubt, dass es sich bei ihr um die Anführerin handelte, aber inzwischen wusste er es natürlich besser. Sie war die Anführerin und sie war noch dazu eine übertrieben mütterliche Seele, selbst in diesem Moment, in dem sie scheinbar eigentlich mit Faren wütend sein wollte. Es gelang ihr allerdings nicht, das erleichterte Funkeln in ihren Augen zu verbergen, als er sich mit einer lockeren Begrüßung auf den Stuhl vor ihrem Tisch setzte. „Da bist du ja, Faren“, erwiderte sie, mit dem Versuch besonders kühl zu klingen. „Ja, hier bin ich. Ich hab gehört, es geht um meine Performance während der letzten Jagd.“ Ein knappes Nicken. „Richtig. Dir ist sicher selbst bewusst, dass du nicht dein Bestes gegeben hast.“ „Weil ich es mir leisten konnte. Der Dämon war super-langsam. Warum sollte ich mich da verausgaben?“ Auf diese Worte hin verdüsterte sich ihr Gesicht, als habe er da eben wirklich etwas sehr Unüberlegtes gesagt. Oder als erinnere sie sich an eine Situation, die einmal genau so geschehen und nicht glimpflich ausgegangen war. Sie erhob sich sogar von ihrem Stuhl, legte die Hände hinter ihrem Rücken zusammen und ging einige Schritte. Kurze, hastige Schritte, die nur noch mehr verrieten, wie unruhig sie war. In diesem Büro gab es keine Fenster, also konnte sie nicht an ein solches treten. Die einzigen Lichtquellen bildeten altertümlich aussehende Petroleum-Lampen, die in Wahrheit durch Magie betrieben wurden, weswegen sie auch wesentlich heller waren, als sie sein dürften. Schließlich blieb sie wieder stehen und stieß ein schweres Seufzen aus. „Faren, dir ist bewusst, dass es auch Gegner gibt, die dich nur hinters Licht führen? Die versuchen, dich in Sicherheit zu wiegen, damit sie dich in einem späteren Moment einfach überfallen können?“ „Meinst du, etwas würde mir den Kopf abbeißen?“ Jedenfalls war diese Szene, die er aus einer Serie kannte, das erste Szenario, das ihm einfallen wollte. Keine sehr angenehme Vorstellung, wie er selbst zugeben musste. Bislang war ihm das auch noch gar nicht in den Sinn gekommen. Für derart intelligent hätte er Dämonen eben nicht eingeschätzt. „Mami hat wohl auch nicht gedacht, dass etwas ihr mal den Kopf abbeißt.“ Damit bestätigte Cerise nicht nur seine Vermutung – sie teilte ihm auch gleichzeitig mit, dass sie die Serie auch kannte. Unter anderen Umständen hätte er sich nun begeistert mit ihr darüber unterhalten, aber da sie ihn noch immer derart streng ansah, wagte er das nicht. „Du musst verstehen“, sagte Cerise, „dass wir uns Sorgen um dich machen. Ich mache mir Sorgen um jeden einzelnen Jäger, selbst jene, die nicht von Geburt an bei uns waren, sondern sich freiwillig hierzu entscheiden, so wie du. Ich mag dieses Gefühl nicht, wie du dir sicherlich denken kannst.“ Das schlechte Gewissen kroch Farens Nacken hinauf, wie ein dunkles Insekt, und erzeugte einen Schauer auf seinem Rücken. Reumütig ließ er den Kopf hängen. Sie fuhr dennoch fort: „Wenn du uns weiterhin Anlass zur Sorge gibst, werde ich mich gezwungen sehen, dich wieder aus dem Dienst zu entlassen – jedenfalls dem aktiven Dienst. Möchtest du das?“ „Nein.“ „Dann hältst du dich ab sofort daran, Faren?“ Er nickte. „Versprochen. Ich werde ab sofort immer mein Bestes geben, statt einen Dämon zu unterschätzen.“ Und immer auf mysteriöse Personen hören, die ihn zu warnen versuchten, statt sie zu fesseln. Endlich lächelte Cerise wieder. „Gut, dann bin ich erleichtert.“ „Kann ich … dann wieder gehen?“ Es war keine lange Predigt gewesen, aber wenn sie von jemandem wie Cerise kam, wirkte sie direkt doppelt so hart, wie er feststellte. Deswegen wollte er eigentlich wieder nach draußen, um ein wenig frische Luft zu schnappen, zu rauchen und sich wieder zu beruhigen. „Vorher habe ich noch eine Frage: Geht es dir gut?“ „Natürlich“, antwortete er, ohne zu überlegen. „Warum sollte es mir nicht gut gehen?“ Sie stellte sich an ihren Tisch, so dass sie sich mit der Hüfte anlehnen konnte, dabei verschränkte sie nun die Arme vor ihrem Körper. „Du bist damals beigetreten, mit der Hoffnung, irgendwann Kieran zu finden. Was bislang nicht eingetreten ist. Das muss furchtbar deprimierend sein.“ Als Abwehrreaktion zuckte er mit den Schultern. „Es geht schon. Ich meine, man findet sich irgendwann mit Dingen ab, nicht wahr?“ Da Cerise ihn weiterhin skeptisch ansah, fügte er noch hinzu: „Außerdem lebe ich ja direkt bei einem Therapeuten, der kümmert sich schon um mich, wenn es mir nicht gut geht.“ Das überzeugte sie wohl, immerhin kannte sie Vincent auch. „In Ordnung, dann kannst du jetzt gehen. Aber melde dich bitte bei mir, wenn doch noch etwas eintreten sollte.“ Erleichtert stand er auf, salutierte ein wenig spöttisch und ging dann eilig davon, bevor ihr doch noch etwas einfiel. Dabei kam er an Parthalan vorbei, der an einem eigenen Tisch saß und Akten durchging und ihn gar nicht beachtete. Als Faren vor der Tür stand, atmete er tief durch – und zuckte zusammen, als er plötzlich eine Stimme neben sich hörte: „Hey, wie lief's?“ Er wandte sich zur Seite und lächelte, als er Seline erkannte. „Hey~. Ach, es lief ganz gut. Hast du hier draußen auf mich gewartet?“ „Habe ich.“ Sie erwiderte sein Lächeln. „Aber du bist ja doch in einem Stück wieder rausgekommen.“ „Auch Cerise kann nicht gegen meinen Charme bestehen~.“ Das brachte Seline zum Lachen. „Vermutlich kann das wirklich nur Parthalan.“ „Ach, den kriege ich auch noch klein, kein Problem.“ Immer noch lachend setzte sie sich mit ihm in Bewegung. Dabei war er sich nicht mal sicher, wo sie eigentlich hinwollte, aber er zumindest wollte direkt wieder nach Hause. Da er keine hier administrative Aufgabe hatte und auch kein Schüler mehr war, gab es für ihn nichts zu tun. Bei Seline sah es vermutlich anders aus, immerhin bekleidete sie seit dem großen Sturm eine hohe Position. Genau genommen trug sie die Verantwortung für die neuen Mitglieder und die Schüler, weswegen sie Faren angeworben hatte und immer noch so rührselig auf ihn achtete. Er wusste nicht, wie sie früher gewesen war, aber zumindest jetzt erschien ihm diese Position auch wie geschaffen für sie. „Wirst du beim nächsten Mal vorsichtiger sein?“, fragte sie unterwegs. „Ja. Es tut mir leid, dass ich euch Sorgen bereitet habe, das lag nicht in meiner Absicht.“ „Das glaube ich dir sogar.“ Sie legte eine Hand an ihre Brille. „Wer einmal eine Predigt von Cerise erhalten hat, möchte das nicht ein zweites Mal erleben.“ Also ging es wirklich nicht nur ihm so, das beruhigte ihn ein wenig. „Ich werde ihr keinen Anlass mehr dafür geben. Ab sofort achte ich besser darauf, wie ich kämpfe.“ Sonst verlor er am Ende wirklich noch den Kopf und das wollte er doch vermeiden. Zufrieden klopfte Seline ihm auf die Schulter. Doch bevor er sich darüber freuen konnte, meldete sich sein Handy, um ihm mitzuteilen, dass er eine neue Nachricht bekommen hatte. Da es diesmal nicht Seline sein konnte, zog er das Handy neugierig heraus – und lächelte unwillkürlich, als er die Nachricht lesen konnte, die diesmal wirklich von Ferris kam: Hey, Mann. Ich hab morgen Zeit, lass treffen, okay? =) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)