Warum erwachsen werden von Amunet ================================================================================ Kapitel 44: Kapitel 44 ---------------------- Wohlige Wärme war das erste, was Peter registrierte, als er allmählich erwachte. Er fühlte sich gut, matt und rundum zufrieden. Der Körper, an den er sich kuschelte, war groß, warm und gehörte zu dem Mann, dem er sich seit neustem verbunden fühlte. Er mochte die Nähe von James und er genoss sie, mit der gleichen Glückseligkeit, mit der er mit ihm geschlafen hatte. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, wenn er daran zurück dachte, was für Freuden ihn der Pirat in der Nacht gelehrt hatte. Trotz Hooks Verletzung hatten sie zwei Mal miteinander geschlafen, aber er hatte auch gezeigt bekommen, dass es andere Wege gab, um Erlösung zu finden. Sicherlich hatten sie das ein oder andere bereits miteinander geteilt, aber für Peter war jede dieser Begegnungen neuartig. Eine Hand streichelte zart über seine Schulter. Hooks Zärtlichkeit genießend, drängte er noch näher an diesen heran. „Du bist wach“, raunte Hook und drehte sich. Blinzelnd öffnete Peter seine Lider. „Ja.“ Ihre Blicke trafen sich. Peter versank in den Veilchenblauen Augen, es stand so viel Gefühl in ihnen, dass er beinahe darin ertrank. „Was für ein anschmiegsames Kätzchen, du doch sein kannst. Hätten wir das früher gewusst… Wie viel Zeit uns entgangen ist?“ „Vielleicht ist unsere Zeit jetzt erst gekommen?“ „Möglich…“, seufzte Hook, „doch was sollen wir jetzt tun? Du wirst wohl kaum an Bord meines Schiffes ziehen. Oder möchtest du ein Pirat werden?“ „Niemals!“, sagte Peter mit lauter, kräftiger Stimme und der altgedienten Verachtung darin, während er sich aus Hooks Umarmung aufrichtete. „Siehst du.“ „Komm mit mir! Komm zu den verlorenen Jungen!“ „Was soll ich bei Kindern? Sie würden mich fürchten. Außerdem… Das Krokodil jagt mich. Nur hier an Bord der Jolly Roger bin ich vor ihm sicher.“ Sie schwiegen sich an. Die Wahrheit überrollte sie mit all ihrer Unbarmherzigkeit. Peters Herz wurde umklammert von einem kalten Griff und er fühlte den Schmerz der Hoffnungslosigkeit. „Heißt das“, fragte er und musste gegen die Tränen kämpfen, die in seinem Inneren empor steigen wollten, „heißt das, das hier wird enden?“ James Hand legte sich auf seine Wange. „Hat es denn jemals begonnen?“ „Ich will nicht!“ „Was?“, wollte James sanft wissen. „Ich will nicht, dass das hier zu Ende geht. Ich will nicht darauf verzichten, bei dir zu liegen.“ Die Ehrlichkeit eines Kindes sprach aus ihm heraus. Ein Kind, das noch tief in Peters jugendlichem Körper steckte. „Du bist so unschuldig, so jung“, meinte James und küsste Peter zärtlich auf die Stirn. „Wie solltest du das alles verstehen? Du hast keine Erfahrungen mit der Liebe.“ „Liebe?“ Hooks Lächeln wurde nachsichtig, ehe er sprach: „Was, glaubst du, tun wir hier?“ „Wir… Du bringst mir die Leidenschaft des Körpers bei…“ „Nein“, lachte James auf. „Ich zeige dir, was es heißt, einen Menschen zu lieben. Ich habe dich mit meinem Körper geliebt, aber… ich liebe dich auch mit meinem Herzen.“ Peters Atmen stockte. Liebe? Hook liebte ihn? Wie konnte das sein? Sie hatten sich doch immer gehasst! Liebe? Aber war Liebe nicht das, was nur Erwachsene taten? Hooks Worte hallten in ihm wider. „Du wirst älter werden, erwachsen. Deine Stimme wird tiefer, dein Körper in die Höhe gehen. Du wirst Muskeln bekommen. Vielleicht wirst du dich sogar verlieben. Das ist der Lauf des Lebens. Erwachsene verlieben sich, heiraten, bekommen Kinder.“ Angst erfüllte ihn und Peter hielt die Nähe von James plötzlich nicht mehr aus. Er stand auf. Suchte mit wildem Blick nach seiner Kleidung. Es war an der Zeit, zu gehen. Vielleicht sogar ein Fehler, überhaupt zu kommen. „Was ist los?“, fragte James, stand ebenfalls auf. „Nichts“, entgegnete Peter unwirsch und schlüpfte in seine Hose, die er gefunden hatte. „Peter!“, knurrte der Kapitän und packte ihn am Arm. „Sieh mich gefälligst an!“ Nur widerwillig kam Peter dem Befehl nach. „Was ist los? Ich sagte, ich liebe dich und jetzt drehst du durch?“ „Ich… ich will das nicht.“ „Was? Dass ich dich liebe?“ Hook war offenkundig verdutzt. „Ja. Liebe, das bedeutet, dass ich erwachsen werde. Ein Mann. Ich will kein Mann sein!“ „Verstehe“, antworte der Pirat und ließ Peters Arm los. Peter zitterte. Der Tonfall in James Stimme verunsicherte ihn. Er hatte so traurig geklungen. Mit gemischten Gefühlen sah er zu, wie James sich auf die Bettkante setzte. Seine Hand fuhr durch das dunkle, lockige Haar. Als er Peter wieder ansah, entdeckte dieser, dass Hooks Augen feucht glänzten. Augenblicklich spürte Peter einen Kloß im Hals. „Du hast noch immer Angst davor, den letzten Schritt zu gehen“, sagte James leise. „Seit deiner Gefangenschaft bei mir bist du gewachsen. Von einem Kind bist du zu einem Jugendlichen geworden und nun, wo du an der Grenze zum Mann sein stehst, fürchtest du dich davor, den letzten Schritt zu gehen.“ „Ich wollte nie…“ „Ich weiß. Du bist Peter Pan, der ewige Junge. Wie könnte ich dir das nehmen?“ Hooks Worte standen zwischen ihnen. Ihre Blicke verbanden sich miteinander und während Schweigen den Raum erfüllte, sahen sie sich nur an. Peter versuchte, in Hooks Augen zu lesen, zu verstehen, was in dessen Kopf vonstattenging, doch alles, was Peter erkennen konnte, war Schmerz. Einen Herzschlag lang glaubte er, dass die Wunde aufgerissen war und James schmerzte, doch er begriff, dass dieser Schmerz tiefer in den Piraten eingedrungen war, als es ein Säbel jemals hätte tun können. „Bist du mir böse?“, fragte er, weil er kein neues, böses Blut zwischen ihnen wollte und weil er hoffte, den Schmerz in James irgendwie lindern zu können. „Nein.“ Erleichtert atmete Peter auf, doch das flaue Gefühl in seinem Magen blieb. „Nein, ich bin dir nicht böse, aber ich bin enttäuscht.“ „Von mir?“ „Nein“, sagte James und lachte bitter auf. „Von mir selbst. Davon, dass ich aus den Fehlern meiner Vergangenheit nicht gelernt habe. Samantha hatte es mir eindringlich gezeigt, dass ich nicht für die Liebe geschaffen bin. Weshalb musste ich mich dann also in dich verlieben?“ Was sollte er darauf antworten? Peter hatte keine Ahnung. Liebe war für ihn ein Mysterium. Etwas, das ihn ängstigte, denn nur Erwachsene kannten Liebe. Das Bedürfnis, James zu trösten, ihm zu sagen, dass er sich irrte und auch er es verdiente, geliebt zu werden, schnürte Peter die Kehle zu. Aber er konnte sich nicht dazu durchringen, etwas zu sagen. Jedes Wort, jeder Satz wäre lediglich eine leere Hülle gewesen, eine Floskel ohne Substanz, denn er begriff das alles nicht im Mindesten. „Lässt du mich gehen?“, fragte Peter. „Geh. Du bist längst kein Gefangener mehr an Bord meines Schiffes.“ „Du wirst mich nicht verfolgen? Nicht gegen mich und meine verlorenen Jungs kämpfen?“ „Nicht heute und auch nicht morgen“, entgegnete James und dann wurde sein Blick intensiv und hart. „Aber ich verspreche nicht, dass diese Waffenruhe ewig andauert. Solltet ihr uns auflauern, werden wir uns wehren. Solltet ihr mir im Weg stehen, werden wir euch töten. Ich versichere dir nur, dass nicht die Piraten es sein werden, welche euch zuerst angreifen. Es liegt also an dir, wie lange der Frieden zwischen uns währt.“ Die Großzügigkeit von Hooks Angebot ehrte Peter. Obwohl er dieses großzügige Geschenk von dem Kapitän bekam, stimmte etwas nicht. Erleichterung, dass er vor seinen Gefühlen und vor James Hook flüchten konnte, mischte sich mit dem schrecklichen Eindruck, einen großen Fehler zu begehen. Sein Fortgehen glich einer Flucht, dessen war er sich bewusst, aber nicht, weshalb ihn dieser Trieb so drängte. Was hatte James mit ihm getan? Weshalb schlug sein Herz so unruhig, so verzweifelt, dass ihm übel wurde? „Ich gehe“, sagte Peter, nachdem er James zunickte und wandte sich zum Fenster. Der Eindruck, einen Fehler zu machen, verstärkte sich, trotzdem öffnete er es weit. „Warte“, hielt Hook ihn auf und warf ihm sein Hemd zu. „Wir möchten doch nicht, dass du halbnackt zum Lager zurückkehrst. Was würden die verlorenen Jungen denken?“ Röte schlich sich auf Peters Wangen. Sicherlich würden die Jungen überhaupt nichts denken, doch Peter verstand diese Anzüglichkeit und ihm wurde erneut heiß, wenn er daran dachte, dass er noch vor kurzem das Bett mit Hook geteilt hatte. Es war an der Zeit, er musste gehen, bevor er sich vergaß. Er schwebte bereits im Fenster, als Hook nochmals sprach. „Eines noch – Was fühlst du für mich?“ Sein Herz stand still, für einen Moment nur und dann schlug es so heftig, dass ihm schwindlig wurde. „Ich…“, setzte er an, doch Hook unterbrach ihn. „Wenn du weißt, was es ist, dann komm wieder.“ „Und wenn ich es niemals weiß?“, wollte Peter wissen. „Wir sind in Nimmerland. Hier, wo Zeit keine Rolle spielt. Eines Tages wirst du es wissen, sofern du mich nicht vergisst, und dann komm zurück.“ Peter blieb stumm. Er schloss kurz seine Lider, ließ die Worte in sich einwirken und als er die Augen wieder öffnete, flog er von dannen. Mit Erleichterung in seinem Herzen, von Hook wegzukommen. Doch je näher er seinem Heim bei den verlorenen Jungen kam, umso drängender wurde die Frage in ihm, weshalb sein Herz dann so schmerzte. Fortsetzung folgt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)