Zeit zum Verlieben von Raitoki ================================================================================ Kapitel 10 - Zeit zum Proben ---------------------------- Die nächsten Tage und somit auch die letzten Tage der Ferien verbrachten wir in jenem Ferienhaus, weil wir beide wussten, dass wir noch früh genug ins Internat zurück mussten. Für mich war es die ideale Möglichkeit viel Zeit mit Conner zu verbringen und für ihn eine Gelegenheit seiner Exfreundin zumindest noch etwas länger aus dem Weg gehen zu können. Aber wie alles Schöne, ging auch diese Zeit viel zu schnell vorbei und deshalb saßen wir recht bald wieder im Klassenraum in der Schule und erwarteten die erste Stunde nach den Ferien. Wir waren beide guter Dinge und spaßten herum bis zu dem Zeitpunkt als Shina den Raum betrat. Conner bemühte sich sehr sie zu ignorieren, was ihm allerdings nicht so leicht fiel, da sie anscheinend großen Spaß daran hatte mit ihren Freundinnen über ihn zu lästern. Sie kicherten absichtlich extra laut und auch ihre Blicke in seine Richtung waren einfach zu offensichtlich. Eine Weile ließ ich mir das bieten, als sie aber gar nicht damit aufhören wollten, reichte es mir. Ich nickte Conner aufmunternd zu, stand auf und ging zu ihnen. Dabei legte ich den coolsten Gang hin, den ich drauf hatte und beugte mich zu den Mädels nach unten, einen Arm auf Shinas Tisch abstützend. Dann grinste ich: „Na Mädels? Wie waren die Ferien?“ und zwinkerte ihnen zu. Shinas Freundinnen wurden knallrot und fingen an in einem kreischend hohen Ton durcheinander zu quatschen. So qualvoll es war, ich hielt das aus und tat so, als würde es mich interessieren, was sie daher quietschten. Shina selbst fand das wohl gar nicht so toll, denn sie schaute mich mit schmollender und wütender Miene an. Als das Gekreische ein Ende gefunden hatte, konnte ich verstehen, dass sie auch etwas über meine Ferien hören wollten. Darauf hatte ich gewartet! „Ach naja Conner und ich waren in dem großen Ferienhaus meiner Eltern, so mit Pool und Sauna im Keller, ihr wisst schon… Naja und da haben wir dann Partys gefeiert, mit ein paar Poolbabes unseren Spaß gehabt und lauter solche Sachen… Was man in den Ferien halt so macht.“ erklärte ich mit absichtlich lockerer Stimme. „War jedenfalls echt lustig und actionreich, wenn ihr versteht was ich meine.“ fuhr ich selbstsicher grinsend fort. Dann sah ich, dass der Lehrer ins Zimmer kam. Ich zwinkerte den Mädels erneut zu, erhob mich und ging auf meinen Platz zurück. Ihre Blicke konnte ich ganz genau spüren, sie verfolgten mich, so neidisch wie sie waren. Danach vernahm ich nur noch Tuscheln. Anscheinend geriet Shina nun in Erklärungsnot, hatte sie ihren Freundinnen doch vorher verzapft, dass Conner ja niemals eine Frau abkriegen könnte und lauter solche Dinge. Shinas Todesblick, der mich traf, nachdem ich mich wieder gesetzt hatte, war für mich die reinste Genugtuung. Ich schaute grinsend Conner an, der angesichts der Szene schmunzeln musste. Er zeigte mit einem Daumen nach oben und schaute dann nach vorn, da der Lehrer den Unterricht begann. Die erste Stunde nach den Ferien war eine Literaturstunde. „Zum Gähnen, da kann ich ja gleich abschalten.“ dachte ich, aber das sollte sich schnell ändern. „Ich hab mir ein Projekt überlegt, denn schließlich ist in wenigen Wochen unser Schulfest. Wie ihr wisst, liebe ich Theaterstücke und deshalb wird unsere Klasse eines vorbereiten!“ erklärte der Lehrer. Alle horchten sofort auf und auch ich war mit einem Schlag wach. Ein Theaterstück? Das klang gut, denn ich mochte es zu Schauspielern, war es doch fast wie Modeln. „Ich habe mich bei der Vorbereitung für das Stück „Romeo und Julia“ von Shakespeare entschieden“ fuhr der Lehrer fort. Der Großteil der Klasse stöhnte genervt auf, sie hatten wohl auf ein anderes Stück gehofft. Ich war dagegen immer noch Feuer und Flamme, denn welches Stück wir spielten war mir egal. „So anfangen müssen wir allerdings mit der Rollenverteilung. Finden sich denn schon Freiwillige für die Hauptrollen?“ fragte der Lehrer in die Runde. Ich meldete mich augenblicklich: „Ich wär gern Romeo!!! Geht das???“. Der Lehrer war etwas überrascht von meiner übergroßen Motivation für diese Rolle, aber da sonst keiner der Kerle aus der Klasse sie wollte, nickte er zustimmend. Ich freute mir ein Loch in den Bauch und schaute gleich ganz stolz zu Conner hinüber. Der seufzte nur genervt, da er von Theaterspielen nicht so viel hielt und vor allem mochte er es nicht irgendwelche Hauptrollen spielen zu müssen. Ein bisschen lächelte er mich aber doch noch an, weil er vermutlich sah, wie sehr ich mich über die Rolle freute. Außerdem sah ich ihm gleichzeitig Erleichterung an, frei nach dem Motto „Gut, wenn er Romeo spielt, muss ich das wenigstens nicht tun!“. Die Wahl der Julia war dagegen nicht so einfach. Alle Mädels wollten sie gerne spielen, sodass der Lehrer erst ein Losverfahren einleiten musste. Alle, die gern die Julia spielen wollten, sollten ihren Namen in einen Topf werfen und diejenige, die gezogen würde, dürfte dann die Rolle spielen. Jetzt war ich gespannt darauf, welche von diesen Schabracken ich im Stück küssen müsste. Bei einigen wurde mir schon von der Vorstellung richtig übel. Das hatte ich nicht bedacht, als ich mich freiwillig als Romeo gemeldet hatte… Nun zog der Lehrer ein Los, aber es sollte keiner der Namen dabei heraus kommen, mit denen ich gerechnet hatte. Der Pauker schaute das Los an, machte ein seltsames Gesicht, schaute dann mich fragend an, anschließend wieder auf das Los und dann zu Conner. Seine Mimik war echt unverständlich, aber die Weiber der Klasse fingen in diesem Moment an zu kichern, allen voran Shina. Bevor ich aber überlegen konnte, was passiert war, sprach der Lehrer jenen Namen vom Los aus: „Conner! Ich wusste ja gar nicht, dass du gern schauspielerst… Und eigentlich wollte ich ein Mädchen als Julia…Hmmmm…“. Conner lief mit einem Mal ganz blass an und schaute den Lehrer entgeistert an. Aber sagen konnte er nichts, denn anscheinend war er zu überwältigt und verstand gar nicht, was gerade abging. Der Lehrer fuhr fort: „Ach was soll’s ich bin sehr offen für alternative Aufführungen, also hast du die Rolle!“. Der Lehrer freute sich und die Weiber kicherten nun nicht mehr, nein, sie lachten lauthals, während Conner immer noch stillschweigend und schockiert vor sich hin starrte. Jetzt verstand ich es, Shina hatte alle Mädchen, die die Julia spielen wollten, dazu angestiftet, auf ihre Zettel „Conner“ zu schreiben, damit er diese Rolle bekommen musste. „So ein Miststück!“ dachte ich mir, aber richtig wütend sein konnte ich nicht. Erst bekam ich die Rolle, die ich so gern spielen wollte und dann war meine Julia auch noch Conner. Was Besseres hätte mir nicht passieren können! Als die restlichen Rollen verteilt worden waren und alles zum Ablauf besprochen worden war, endete die Stunde. Conner saß immer noch völlig starr da und erst als ich ihm auf die Schulter fasste um ihn leicht zu schütteln, kam er zu sich. Er stand plötzlich auf und schrie „Fuck! Wie kommt ihr denn auf die Scheiße! Vergesst es!“ nach vorn, wo der Lehrer vor einigen Minuten noch stand. Nun waren wir aber die letzten im Klassenraum, das heißt, Conner brüllte die Luft an. Ich schaute ihn verdutzt an und er sah peinlich berührt zu mir. „Was zum…? Das hat der Pauker nicht ernst gemeint oder?“ fragte er mich ganz hysterisch und verstört. Ich musste etwas schmunzeln und erwiderte grinsend: „Sorry, aber anscheinend schon… Meine Julia.“. Conner fand das wohl gar nicht lustig, denn er wurde sofort knallrot. „Fuck! Wie kann das sein?! Ich schwöre, ich hab da keinen Zettel rein geworfen!“ zeterte er weiter. „Wer würde denn sowas...?“ plötzlich stockte er. „Oh nein… Dieses Flitchen!“ schrie er auf einmal und trat gegen eine Wand immer und immer wieder. Ich hielt ihn allerdings nach einigen Malen davon ab. „Wir werden es ihr schon noch heimzahlen, aber ändern können wir’s jetzt eh nicht. Also müssen wir zusammen proben! Schließlich will ich das durchziehen wie ein Profi!“ sagte ich. Er schaute mich erschrocken an: „Warte mal… Müssen Romeo und Julia sich nich‘ irgendwo mal knutschen?!“. Nun wurde er etwas grün um die Nase. Ich nickte schmunzelnd und signalisierte ihm mit der Hand, dass wir los mussten um zur nächsten Unterrichtsstunde zu gehen. Er schaute noch verstörter, senkte den Kopf und folgte mir. „Was meintest du damit, dass du das machen willst wie ein Profi… Ich mein, sollen wir uns da echt knutschen?!“ fragte er weinerlich. Ich empfand es als etwas kränkend, dass er es so schlimm fand mich küssen zu müssen, aber auf der anderen Seite wunderte es mich auch nicht. So machten wir uns auf den Weg zum nächsten Raum und die ganze Zeit wimmerte Conner mehr oder weniger herum wie unfair er das Ganze fand. Dieser Tag war allgemein echt anstrengend, denn ich hatte stets damit zu tun, ihn zu beruhigen, dass die Proben und das Stück bestimmt nicht so schlimm werden würden und dass es ja auch Filmküsse gäbe, wo man sich nicht richtig küssen müsste. Insgeheim wusste ich aber nicht, wie ich verhindern sollte, dass ich ihn küsste, denn ich glaubte nicht daran, dass ich mich in jener Szene zurückhalten könnte. Zumindest konnte ich beim Lehrer erwirken, dass Conner und ich die Szenen, die nur uns beide betrafen allein proben durften. Bei den Proben mit allen anderen mussten wir nur die Szenen durchspielen, bei denen wir mit den anderen interagieren mussten. Das heißt wir konnten alle Szenen zwischen Conner und mir in unserem Zimmer proben. Aber auch das darf man sich nicht so einfach vorstellen, wie es klingt. Gleich bei der ersten Probe, die ich mit ihm durchführen wollte und die rein gar nichts mit irgendeiner Kussszene zu tun haben sollte, tanzte Conner mit einem fetten Schal an. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, aber als wir dann begannen zu proben und er jeden Satz kaum verständlich in seinen Schal nuschelte und alles tat um bloß keinen Augenkontakt zu mir herzustellen, wurde mein Geduldsfaden dünner und dünner. Schon nach wenigen Minuten platzte mir der Kragen. Ich nahm verärgert meine Drehbuchzettel herunter und schaute ihn vorwurfsvoll an. „Verdammt Conner, jetzt gib dir doch mal etwas Mühe! Ich will das durchziehen und zwar richtig und nicht nur so halbseiden! Aber dafür musst du schon mitziehen!“ fuhr ich ihn an. Er schaute mich nur mit seinem gewohnten Schmoll-Ausdruck in den Augen an und nuschelte in seinen Schal: „Ja mach ich doch… Reg dich halt ab!“. Das war zu viel des Guten. Ich riss ihm den Schal vom Hals und legte ihn über meine Schranktür, sodass Conner nicht mehr an ihn heran kommen konnte. Er sprang mir buchstäblich hinterher und regte sich hysterisch auf: „Ey gib den zurück! Ich brauch den, weil ich … Halsschmerzen hab!“. Ich drehte mich verärgert zu ihm um und warf ihm einen bitterbösen Blick zu, der anscheinend Wirkung zeigte. Er machte einen Schritt zurück und gestand: „Okay, okay mir geht es gut. Aber es war nich‘ meine Idee diese blöde Rolle zu übernehmen, also nimm’s mir nicht übel, wenn ich streike!“. Er schaute eingeschnappt zur Seite. Ich seufzte tief, ging an Conner vorbei und zitierte: „Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist rau, zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn. (Romeo, Akt 1/Szene 4, Zeile 25ff.)“, Dann drehte ich mich zu dem verwundert schauenden Conner um und grinste. „Tja wie du siehst kann ich das schon jetzt richtig gut. Wenn du dich nicht ranhältst, wirst du alt aussehen bei den Proben… und bei der Aufführung erst!“ erklärte ich ihm mit sarkastischer Stimme und nahm absichtlich eine Art Denkerpose beim Laufen ein. „Na und wenn schon… Vielleicht kann ich ja krank machen. Was für ´ne Krankheit wär wohl glaubwürdig?“ fragte Conner, als würde er mit sich selbst reden. Ich hob eine Augenbraue an und schaute ihn urteilend an. „Das hast du eben laut gesagt. Du weißt schon, dass ich dir jetzt keine Krankheit mehr abnehmen werde.“ sagte ich lachend. Er schaute mich peinlich berührt an und wurde leicht rot. Dann schaute er kurz nach unten und wieder zu mir. „Ach fuck ey, wieso tust du mir das an?! Warum quälst du mich so? Womit hab ich das nur verdient?“ fragte er in einem übermäßig dramatischen Ton. Ich schmunzelte: „Deine Dramaqueen-Qualitäten solltest du lieber mal für das Theaterstück einsetzen. Jetzt dreh nicht am Rad und mach einfach mit, dann bin ich glücklich und in ein paar Wochen hast du es ja hinter dir.“. Er seufzte und schien sich geschlagen zu geben. „Vielleicht ist es Karma, weil ich letztens in der Hütte so fies zu dir war.“ winselte er vor sich hin. Erneut musste ich lachen und erwiderte: „Der Liebe leichte Schwingen trugen mich, kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren. (Romeo, 2/2, Zeile 66 ff.)“, wobei ich versuchte möglichst theatralisch zu wirken. Er winkte nur ab und meckerte: „Ja, ja ist ja gut jetzt! Ich geb‘ mir Mühe, okay?“. Ich muss zugeben, ab diesem Punkt hat er sich wirklich bemüht und die Proben fielen gleich um Einiges leichter. Was wir allerdings all die Wochen nie probten, war die Kussszene. Immer wenn ich andeuten wollte, dass wir die auch mal durch gespielt haben sollten, konnte Conner sich irgendwie heraus winden. Außerdem sagte er des Öfteren, dass wir die doch nicht üben müssten, sondern einfach improvisieren sollten. Ich war davon natürlich gar nicht begeistert, denn professionell ist etwas anderes. Am Abend vor der Aufführung wollten wir ein letztes Mal allein proben. Conner hatte sich jedoch den gesamten Tag schon extrem seltsam benommen. Er saß meist schweigend herum, antwortete nicht oder erst nach mehrmaligem Ansprechen und schien allgemein mit den Gedanken ganz weit weg zu sein. Ich fing schon an mir Sorgen um die Aufführung am nächsten Tag zu machen, weil ich ihm einfach nicht entlocken konnte, was sein Problem war. Natürlich ging ich fest davon aus, dass er Angst vor dem nächsten Tag hatte und sich vielleicht deshalb so den Kopf zerbrach. Als wir dann nach dem Unterricht in unserem gemeinsamen Zimmer ankamen und er immer noch völlig neben sich stand, musste ich mir ein Herz fassen und ihn irgendwie zum Reden bringen. Er saß gedankenverloren auf seinem Bett, also ging ich zu ihm hin und fasste ihm absichtlich etwas härter auf die Schulter, damit er überhaupt Notiz von mir nahm. Er schaute mich tatsächlich fragend an. „+Conner, du bist schon den ganzen Tag über komisch. Jetzt erzähl mir endlich mal, was mit dir los ist!“ forderte ich ihn etwas bestimmend auf. Anscheinend hatte ich endlich mal nicht nur den Anrufbeantworter erwischt, denn er war in die Realität zurückgekehrt. Er schüttelte etwas hektisch den Kopf und schaute mich wieder an. Dann druckste er einige Sekunden herum, weil er sich wohl nicht traute das anzusprechen, was gleich folgen sollte. „Sag mal… Kennst du jemanden, der schwul ist?“ fragte er plötzlich ganz frei heraus. Das war einer dieser Momente, in denen bei Animes ein seltsames polterndes Geräusch die Stille durchbricht. Aber in Wirklichkeit herrschte einfach nur peinliche Stille. Wir starrten uns an, Conner immer noch mit fragendem, ich wahrscheinlich mit eher verwirrtem Blick. Nach einigen Sekunden erlangte ich die Fassung wieder und rang mich dazu durch, etwas zu sagen: „Ähm…Nein? Sonst würdest du denjenigen ja unweigerlich auch kennen. Aber viel wichtiger ist: WARUM willst du überhaupt einen Schwulen kennenlernen?“. Ich klang schockiert und aus Conners Sicht kam es bestimmt so herüber, als wäre ich angeekelt. Eigentlich schockierte es mich aber nur, dass er vielleicht nach irgendwelchen schwulen Kerlen Ausschau hielt und mich dabei völlig außen vor ließ. Was kann denn schlimmer sein, als Conner mit einer Freundin? Conner mit einem Freund natürlich! Er wurde zunehmend röter und druckste erneut herum. Dann stammelte er: „Ach eigentlich will ich ja gar keinen kennenlernen. War nur so ´ne Frage… Ich würde einfach gern mal einen fragen, der bei sowas Erfahrung hat. Aber denk jetzt nicht, dass ich `ne Schwuchtel wäre oder so!“. Letzteres betonte er extra und schaute mich schon mit leichter Verzweiflung an. Ich konnte ihm leider schlecht sagen, was ich wirklich dachte, dass es für mich nichts Schöneres geben könnte, als dass er schwul würde. Ich seufzte und sagte: „Vielleicht sollten wir über sowas nochmal reden, wenn wir das Theaterstück hinter uns gebracht haben. Mein Kopf ist grad zu voll für andere Themen, weißt du?“. Irgendwie musste ich ihn ja ablenken, denn ich wusste nicht, wie ich mich sonst da raus winden sollte. Er schaute gerade aus und gab nur ein „Hm.“ von sich. Dann nickte er und stand auf. „Okay, dann sollten wir jetzt nochmal richtig proben, damit wir´s nicht verkacken!“ sagte er mit plötzlich ziemlich entschlossener Stimme. Ich war zutiefst erleichtert und hätte ihn in jenem Moment am liebsten umgeknutscht. Diese Probe verlief richtig gut. Die Textpassagen saßen bei uns beiden und Conner legte sogar richtige Hingabe in die Verse, die er von sich gab. Was die Kussszene angeht, hatte ich aber immer noch nicht ganz aufgegeben. Ich wusste, dass er sie nicht proben wollte, aber wenn ich einfach bei einer Szene anfangen würde, die vorangeht, vielleicht könnte ich ihm dann eine Falle stellen, so hoffte ich. Also fing ich an die Szene zu spielen, die vor dem Kuss kam und Conner machte nichtsahnend mit. Alles verlief reibungslos und so spielte ich einfach weiter. Auch, wenn wir die Kussszene noch nie geprobt hatten, den Text und den Ablauf kannten wir beide. Die Julia war tot, so dachte Romeo jedenfalls, also wollte er sie noch ein letztes Mal küssen, obschon er wusste, dass auch das ihr Leben nicht zurück bringen würde. Ich gab vor, dass Conner sich nur tot stellen brauchte und ich lediglich den reinen Text üben wollte, den ich zu sagen hatte, wenn die Julia tot vor mir lag. Er ahnte nichts von meinen Hintergedanken und legte sich bereitwillig auf sein Bett, damit ich den trauervollen Moment Romeos besser nachvollziehen konnte. Ich setzte mich auf einen Stuhl neben sein Bett und sprach meinen Text. Ohne dass Conner es mit geschlossenen Augen bemerkte, beugte ich mich dann über ihn. Gerade als er die Augen öffnete um die Szene abzubrechen schaute er genau in meine, die sich nur wenige Zentimeter über ihm befanden. Ich sah ihm tief in die Augen und er war so überrascht, dass er nicht einmal Worte fand um sich zu wehren. Mein Gesicht kam ihm näher und näher, denn ich hatte vor ihm zumindest einen Filmkuss zu geben um die Szene richtig zu Ende zu führen. Kurz bevor meine Lippen aber sein Gesicht berührten, kam er zu sich, schaute mich wütend an und sagte. „Was soll das denn, Schönling?! Die Szene ist längst zu Ende, mach dich runter von mir!“. Ich war etwas überrascht. Gerade als er mich von sich herunter drängen wollte, fasste ich allen Mut zusammen um ihm eine Lektion zu erteilen. Ich drückte ihn mit aller Kraft zurück auf’s Bett und hielt ihn an den Schultern fest. Dann schaute ich ihm entschlossen in die Augen und grinste. „Ziert sich das Prinzesschen, ja? Gut, ich kenne noch eine Alternative, Süße!“ sagte ich und fing an ihm einen dicken, fetten Knutschfleck auf den Hals zu drücken. Conner war so perplex, dass er still hielt und erst nach mehreren Sekunden anfing zu zappeln. Jedoch beendete ich erst mein Kunstwerk, bevor ich von ihm abließ. Dann schaute ich mir den Fleck an und sagte: „Na bitte, sieht doch gut aus!“ und grinste schelmisch. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie Conner danach ausrastete. „Bist du noch zu retten?! Morgen ist Aufführung und du Honk verpasst mir so ein Ding?!!! Fuck!!!“ schrie er und sprang wie Rumpelstielzchen auf und ab. Dann stellte er sich vor den Spiegel im Badezimmer und begutachtete mein Kunstwerk. „Fuck! Fuck! Fuck! Der ist viel zu groß! Wie soll ich den denn verdecken, mann?!“ tönte es kurze Zeit später aus jenem Zimmer. Ich kringelte mich bereits vor Lachen auf dem Boden und weinte schon fast. „Vielleicht mit viel Schminke? Gehobene Damen sollten wissen, wie sowas geht, werte Julia.“ sagte ich mit einem Augenzwinkern, als ich mich einigermaßen eingekriegt hatte. „Außerdem hast du einen Kragen an deinem Kostüm, soweit ich weiß. Mach also halblang, Misses Dramaqueen.“ fuhr ich fort und machte mich schon einmal fertig um schlafen zu gehen. Conner verbrachte noch einige Zeit im Bad um alle möglichen Mittelchen an dem Knutschfleck auszuprobieren, bis er schließlich aufgab und auch ins Bett ging. Aber selbst in der Horizontalen beschimpfte er mich weiter und meckerte bis in den Schlaf hinein, Ich hingegen kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus und freute mich jetzt regelrecht auf die Aufführung am nächsten Tag. Wie würde dann wohl die Kussszene verlaufen? Wer weiß… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)