Eragon V - Die Lehre der Jahrhunderte von Midnightwriter ================================================================================ Kapitel 1: Innerer Frieden -------------------------- Gedankenverloren saß Eragon im Sattel seiner Drachendame. Zwei Monde waren vergangen seitdem sie alles, was sie jemals gekannt oder geliebt hatten, zurück lassen mussten. Mittlerweile befanden sie sich im Osten Alagaesias, weit entfernt von der letzten bekannten Siedlung und doch zu nah, um die Hoffnung auf eine spätere Rückkehr aufzugeben. Die letzten beiden Wochen waren schwer gewesen. Mehr denn je plagte den jungen Reiter die Erinnerung an vergangene Zeiten. An die wenigen, friedvollen Tage, die er gemeinsam mit ihr verbracht hatte. Doch nun war es vorbei und mit dieser Gewissheit machte sich eine große Leere in ihm breit. Es musste so sein, in diesem Punkt war er sich fast sicher, doch der Preis für die Reise schien grausam. Insgeheim hatte er gehofft, sie würde ihre Entscheidung bei ihrem Volk zu verweilen noch einmal überdenken, doch nichts dergleichen war geschehen. Es mochte vielleicht absurd klingen, doch er hatte Angst. Angst davor, dass sie ihn nicht vermissen würde. "Kleiner, bitte hör auf dir darüber Gedanken zu machen. Natürlich vermisst sie dich, denn man hat ihr angesehen, dass sie dich genauso ungern zurücklassen wollte, wie du sie." "Das sagst du so leicht", meinte er und fügte mit einen Anflug von Verblüffung hinzu: "Woher weißt du das? Normalerweise lässt sie sich doch kaum etwas davon anmerken." Sie antwortete nicht direkt, sondern stieg stetig höher bis der Az Ragni nur noch eine glitzernde Linie war, die sich durch die schier endlose Gebirgslandschaft hindurchschlängelte und der Horizont in weißem Nebel verschwamm. "Firnen hat es mir erzählt, kurz bevor wir uns trennen mussten", fuhr sie fort. Er hielt es für wichtig, dass du es erfährst und ich denke er hat Recht", entgegnete sie und teilte eine ihrer unzähligen Erinnerungen mit ihm, in der ihr Nistpartner ihr die Geschichte erzählte. Eragon wurde warm ums Herz, während die letzten Gedanken der Erinnerung langsam verblassten. Nun konnte er sich sicher sein, dass sie ihn nicht einfach vergessen würde und diese Erkenntnis fiel ihm wie ein schwerer Stein vom Herzen. "Ich werde sie wiedersehen", schwor er sich und ließ seine Drachendame eine Welle der Dankbarkeit spüren. Sie ließ ihn die Aussicht einen Moment einen Moment lang genießen und glitt auf einem warmen Luftstrom dahin. "Hast du zufällig Lust auf....", begann sie, doch Eragon hatte ihr Vorhaben bereits durchschaut und bereitete sich auf das bevorstehende Manöver vor. Er zog alle Riemen seines Sattels nach und hielt sich an den dafür vorgesehenen Schlaufen des Sattels fest. "Na dann los", meinte Saphira spitz und ließ sich wie ein Stein vom Himmel fallen. Während das Wasser unter ihnen zusehends näher rückte, genossen die Beiden Seelenverwandten das Gefühl der Schwerelosigkeit, die Eragon schon so viele Male miterlebt hatte. Nun löste er entspannt die Arme und stand für einen Moment im Sattel auf, bis seine Begleiterin mit einem Mal ihre azurblauen Schwingen entfaltete und mit einem gewaltigen Ruck ihren Sturzflug abfing. Gemeinsam schossen sie über das kleine Schiff ihrer elfischen Begleiter hinweg und landeten kurz darauf in den Fluten, was eine beeindruckende Welle entstehen ließ, die das Schiff bedenklich zum Schwanken brachte. Während seiner Reise war im oft der Gedanke gekommen, dass alles hätte anders werden können. Sein Schicksal war vorbestimmt, das wusste er. Angela hatte es ihm prophezeit, als er damals mit seinem Vater nach Terim gekommen war, doch wer war sie eigentlich? Seit dem großen Krieg schätzte er sie als Freundin und Verbündete. Aber wäre er damals nicht nach Terim gekommen, hätte er nie sie vermutlich nie getriffen, hätte nicht gewusst, dass es seine Bestimmung sei, dieses Land für immer zu verlassen. Womöglich hätten...nein, er weigerte sich diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Sie hatten den Krieg gewonnen und mit diesem Sieg war auch der Friede wieder heimgekehrt. "Kleiner, belaste dich doch bitte nicht schon wieder mit Dingen, die du jetzt leider nicht mehr ändern kannst. Ihr Zweibeiner habt nun mal mehr Streitigkeiten, als jedes andere Volk. Selbst die Urgals zollen ihrem Anführer Respekt, wenn dieser seinen Mut und seine Stärke bewiesen hat." Er musste schmunzeln und verdrängte den finsteren Gedanken. Wie üblich hatte sie Recht. "Das mag zwar sein, aber so langsam frage ich mich wirklich, wer Angela überhaupt ist. Ich meine denk nur mal an all ihre Geheimnisse. Und je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass sie noch eine Menge mehr weiß, als das, was sie bisher preisgegeben hat. Saphira plichtete ihrem Reiter in stillem Einvernehmen bei und fügte noch hinzu:"Das werden wir wohl in nächster Zeit auch nicht erfahren". "Sieh mal, da vorne", meinte Saphira ungeduldig und schickte ihm ein Bild von einer Flussgabelung in einiger Entfernung. Am Ufer sah man schon von Weitem einen Baum, dessen Krone bis weit in den Abendhimmel reichte. Zwar war er nicht einmal annähernd so hoch wie die riesigen Schwarzkiefern in Du Weldenvarden, aber für menschliche Maßstäbe musste dieses Exemplar bereits mehrere hundert Jahre alt sein. "Setzt du mich bitte auf dem Boot ab", bat er seine Begleiterin und wurde kurz darauf vorsichtig von ihr an Deck gehoben, während sie weiterhin neben dem Boot schwamm und unentwegt die Komplimente der Elfen zu ihrer Kraft und Schönheit hinnahm. Eragon ging auf den Anführer seiner früheren Elfengarde zu und begann absichtlich mit den elfischen Begrüßungsriten, die ihm mittlerweile doch etwas lästig waren. "Ihr ehrt mich Schattentöter", mumerlte Bloedgharm noch bevor sein Gegenüberfortfahren konnte. "Ich bin euch zu großem Dank verplichtet, da ihr mir in nicht allzuweit enfernter Vergangenheit wohl mehrfach das Leben gerettet habt. Ich wüsste nicht, wie ich die Hürden des Krieges ohne eure dankenswerte Hilfe überwunden hätte." Noch bevor der Elf etwas entgegnen konnte fuhr er fort. "Saphira hat ein Stück Fluss abwärts eine Gabelung entdeckt. Wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich vorschlagen, dass wir dort unser Nachtlager aufschlagen, um uns auszuruhen und zu beraten, welchem der beiden Flussläufe zu folgen ist." "Selbstverständlich, Schattentöter", entgegnete er und zog sich dezent ein Stück zurück, als der Drachenreiter wieder in den Sattel stieg. "Wollen wir?", erkundigte er sich bei seiner herzensdame. "Wann immer du willst", erwiederte sie und stieß sich vom Grund des Flusses ab, bevor sie schließlich mit einigen mühelosen Flügelschlägen in den Himmel stieg und auf die Flussgabelung zuhielt. Wenige Minuten später prasselte ein kleines Lagerfeuer vor dem Baum, den er bereits aus der Ferne wahrgenommen hatte. Saphira hatte sich erschöpft hingelegt und war binnen Sekunden eingeschlafen, wobei es eigentlich noch nicht einmal Abend war, doch das viele Fliegen hatte offensichtlich Spuren hinterlassen. In den Ferne konnte er dank seiner geschärften Elfensicht bereits das kleine Schiff entdecken auf dem seine zehn Begleiter den Az Ragni entlangsegelten. Wie alle Kanus der Elfen schien auch dieses Schiff aus einem einzigen Stück Holz zu bestehen, sodass es deutlich leichter war, als man von einem Schiff dieser Größe denken würde. Zwei der Elfen waren vor seiner Abreise zu ihm gekommen und hatten darum gebeten sich verabschieden zu dürfen, hatten ihm jedoch versichert ein Auge auf die zukünftigen Reiter zu werfen und ihre Ausbildung zu unterstützen. Zumindest solange, wie sie im Reich der Elfen unterrichtet werden sollten. Leise erhob er sich und setzte sich wenig später vor den uralten Baum. Er strahlte eine gewisse Ruhe aus, die ihm half seine verstreuten Gedanken zu ordnen, bis es ihm gelang seinen Gesit zu öffnen und die Lebewesen in seiner Umgebung wahrzunehmen. Viele Dinge waren ihm in der letzten Zeit durch den Kopf gegangen, doch er fragte sich, ob es schon an der Zeit war, sich an einem Ort niederzulassen, wo er vermutlich den Rest seines Lebens verbringen würde. Zwei Stunden später saß er noch immer dort und lauschte dem Lied der Natur. Es gelang ihm nur sehr selten, so zur Ruhe zu kommen, dass er in der lage war, das Lied der Natur wahrzunehmen. Willentlich beschleunigte er seinen Herzschlag und sah sich um. Das Lagerfeuer war inzwischen fast niedergebrannt. Nur eine Hand voll Holzsplitter glimmte noch immer vor sich hin. Grade in dem Moment kamen auch die Elfen am Ufer an und befestigten das Boot mit den Eldunari durch hölzerne Anker in der Erde. Nach einem Moment kam Bloedhgarm auf ihn zu, und begann ungeachtet der Begrüßungsriten zu sprechen:"Schattentöter, wir sind auf dem Weg zu eurem Lager auf Spuren eines riesigen Drachens gestoßen. Ich muss euch zur Vorsicht raten, denn so groß wie dieses Exemplar sein muss, muss es von der alten Generation stammen." Er ließ seine Worte wirken und sah Eragon an, als würde er Befehle von ihm erwarten. Dieser zögerte zunächst und schickte sich danach an etwas zu sagen, doch soweit kam er nicht. Ein ohrenbetäubendes Brüllen durschnitt die Stille der Nacht und eine gewaltige Flammenzunge setzte den Baum in seim Rücken in Brand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)