Tender is the night von dinkycharlie ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Act 2.   Van kam sich etwas verloren vor. Vargas schien all diese Männer zu kennen und redete mit ihm aber kein Wort. Die Villa war völlig zerstört. Die Männer, die zu ihrer Rettung kamen hatten einige Handgranaten ins Haus geworfen. Es störte Van nicht. Er hing ohnehin nicht an dieser Villa, die mehr ein Gefängnis als ein zu Hause war. Immer stand er unter Beobachtung, raus durfte er nur in Begleitung und alleine war er nur in seinem Schlafzimmer in der Nacht. Er konnte nicht anders als sich in irgendeiner Art und Weise befreit zu fühlen. Der Mann, der Gaddes hieß, wies seine Männer an, das Haus zu räumen. Vargas folgte ihm, die leblose Hitomi in seinen Armen. Van blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen. Durch die Terrassentür im Erdgeschoss gingen sie durch den Garten. Die Männer von Gaddes halfen den wenigen Überlebenden von Vans Wachleuten. Durch das Tor in der Mauer betraten sie das kleine Waldstück, das hinter der Villa lag. Es war dunkel, einzig die Taschenlampen der Männer erhellten den kleinen Trampelpfad, der vor ihnen lag. Gaddes und ein anderer Mann blieben stehen, während die anderen weitergingen. „Kio, auf der anderen Seite der Straße steht noch Hitomis Maschine. Hol sie. Wir treffen uns im Quartier.“, befahl Gaddes. „Aye, Captain!“, antworte Kio und lief sofort los.   Nach einigen Minuten, hatten sie das Waldstück durchquert und erreichten eine Lichtung. Dort stand ein riesiges Hovership. Es sah schon ein wenig mitgenommen aus. Gaddes sprach zu Vargas gewandt: „Das haben wir vor einigen Jahren den Black Dragons in Freid abgenommen. Das hättest du sehen sollen. Hitomi hat einfach die Wachen abgelenkt, in dem sie ein wenig mit ihren Brüsten gewackelt hat und wir konnten sie einfach ausknocken.“, Gaddes lachte nervös. Vargas stimmte nicht mit ein: „Wir haben keine Zeit. Ich will, dass sie schnell behandelt wird.“ „Natürlich Vargas, komm.“ Das Hovership öffnete seine Ladeluke und durch diese betraten sie das Schiff. Während sie hinein gingen sagte Gaddes: „Unsere Zentrale ist nicht weit entfernt, dort haben wir einen Arzt.“ Vargas antwortete nicht, sondern trug das Mädchen einfach hinein. Vans Augen hafteten die ganze Zeit auf dem Krieger, der die junge Frau in seinen Armen dicht an seine Brust hielt.   Während ihres Fluges hielt Vargas sie immer noch in seinen Armen, den Blick starr auf ihr Gesicht gerichtet. Van, der den beiden auf der Brücke gegenüber saß, fragte sich, was für eine Verbindung die beiden hatten. In seiner ganzen Zeit mit Vargas konnte er sich nicht daran erinnern, dass er Van etwas von einem Mädchen erzählt hatte. Vargas schien das alles hier überhaupt nicht unbekannt vorzukommen. Van merkte wie sich der Zorn in ihm breit machte, weil er augenscheinlich der einzige war, der nicht wusste, was hier vor sich ging. Als Gaddes an Van vorbei ging, wurde er aus seinen Gedanken gerissen und sprach den augenscheinlichen Kommandeur an: „Wer seid ihr? Und was ist das hier alles?“                 „Wir? Wir sind die Abaharaki. Schon mal von uns gehört?“, er wartete Vans Antwort nicht ab, sondern fuhr fort, „Wir sind eine kleine Widerstandsgruppe und versuchen die Black Dragons aufzumischen. Das da“, er zeigte mit dem Finger auf die junge Frau in Vargas Armen, „das ist unsere Anführerin, Hitomi. Sie hat ihren Arsch für dich riskiert und ich habe keinen Schimmer warum. Ich hoffe für dich, dass sie das überlebt.“ Van konnte die Zuneigung in Gaddes Augen sehen, die er für Hitomi hegte. „Und wie versucht ihr die ‚Black Dragons‘ aufzumischen?“, fragte Van, um vom Thema abzulenken; er fühlte sich schlecht, wenn er zu ihr rüber sah. „Nun ja, die Black Dragons versuchen die Kriminellen von Pallas auf ihre Seite zu ziehen. Wir versuchen die Kriminellen, davon zu überzeugen, sich denen nicht anzuschließen. Gelingt es uns nicht, jagen wir sie in die Luft.“ Gaddes blickte wieder zu Hitomi: „Außerdem versuchen wir die Bevölkerung zu unterstützen. Sie haben kein Geld und nichts zu essen. Die Regierung schafft es nicht alle zu versorgen. Einige Distrikte sind bereits völlig von der übrigen Stadt abgeschnitten. Dort versuchen wir zu helfen.“ „Und deswegen brecht ihr gerne auch mal bei reichen Schnöseln ein.“, zitierte Van Hitomi. Gaddes sah Van ein wenig verwundert an, aber antwortete einfach: „Ja, so ungefähr. Achtung wir gehen in den Landeflug.“ Das Hovership befand sich am Rande der Stadt. Vor dem Ausgang der Kanalisation öffnete sich die Mauer und gleitete nach unten, sodass das Schiff in die finsteren Rohre fliegen konnte. Nach kurzer Zeit kamen sie in einem großen Raum im Untergrund an. Es sah aus wie ein Hangar. Durch die Ladeluke verließen die Männer das Schiff, ihnen voran ging Vargas. Unweit des Landeplatzes im Hangar, war ein Tisch aufgebaut. Es machte für Van den Anschein, dass dort wohl häufiger Verletzte versorgt wurden, da der Ort mit allem was ein Arzt brauchte, ausgestattet war. Vargas ging direkt auf den Tisch zu und legte Hitomi darauf ab. Als er sie absetzte, stöhnte sie heftig. Sie schien langsam wieder zu Bewusstsein zu kommen. Die Männer versammelten sich um den Tisch, auch Vargas blieb stehen und streichelte unbemerkt Hitomi über den nicht gebrochenen Arm.   „Lasst mich hier durch!“, schrie eine helle Frauenstimme. Durch Gaddes und einen anderen Mann hindurch quetschte sich eine junge Frau mit langen blonden Haaren. Van konnte es nicht fassen. Das war doch Milerna, die Tochter des Präsidenten Astons! Was hatte sie hier bei solch einer Untergrundgang zu suchen? „Los Jungs, macht ein wenig Platz, damit ich Hitomi versorgen kann. Erzählt mir was passiert ist.“, sprach Milerna. „Wir haben dieses Haus observiert. Dann ist Hitomi rein, meinte sie müsse die Leute warnen. Dann bin ich los Verstärkung holen und in der Zwischenzeit haben die Black Dragons sie so zugerichtet.“ Bei den letzten Worten zitterte Gaddes‘ Stimme. Milerna seufzte: „Nicht schon wieder. Heute sieht es aber besonders schlimm aus. Wieso hält sie keiner von euch mal zurück?! Ihr seid doch alle doppelt so groß und stark wie sie! Jeder weiß, wie Lebensmüde sie ist und ich muss sie am Ende zusammenflicken. Ihr könnt von Glück reden, dass ich so schnell kommen konnte.“ Weil Gaddes augenscheinlich nicht wusste, was er sagen sollte, wies er seine Männer an: „Los macht euch nützlich. Ihr, ihr ladet das Schiff aus. Und du, ihr besorgt den härtesten Schnapps, den wir haben. Hitomi wird ihn gleich brauchen. Ihr haltet sie gleich fest.“ Die Männer taten wie ihnen geheißen, während Milerna sich aufmachte, Hitomi zu versorgen.   Van machte große Augen, als Milerna ihr das letzte Stückchen Stoff vom Körper riss und Hitomi nur noch in ihrer Unterwäsche auf dem Behandlungstisch lag. Doch die Männer um sie herum, schienen sichtlich unbeeindruckt, vermutlich weil sie das häufiger erlebten, sofern Van Milernas Bemerkung richtig deutete. Langsam kam Hitomi zu Bewusstsein: „Mi.. Mi.. Milerna…?“                 „Shhhhh, sag nichts. Die haben dich zu Brei geschlagen.“, flüsterte Milerna. „Sorry, Gaddes. Ich musste sie doch hinhalten.“, Hitomi schluckte schwer. Gaddes schüttelte den Kopf: „Du verrücktes Biest, immer musst du dich in diese Gefahren stürzen. Ist dir egal, was aus uns wird?“ Hitomi schloss wieder die Augen, um sie gleich wieder schreiend aufzureißen, da Milerna ihre gebrochenen Rippen abtastete. „Du brauchst nicht zu schreien, es wird noch schlimmer, wenn ich mich gleich um deinen Arm kümmere. Wo ist der Schnapps? Bringt ihr ein Glas.“, rief Milerna. Kurze Zeit später kam bereits einer der Männer mit einer Flasche Rum. „Hier das ist Hitomis Liebster.“, versuchte er die Stimmung aufzuheitern. Sie gaben ihr das Glas voll Rum zu trinken. „Hier trink das Hitomi, du kennst das Prozedere. Gleich wirst du in einen geruhsamen Schlaf eindöseln.“, sprach Milerne während sie Hitomi die Strähnen aus dem Gesicht streichelte. Sie nahm Hitomi das Glas aus den Händen und warf Gaddes einen Blick zu. Dieser verstand sofort und auch Vargas und die anderen Männer wussten was zu tun war. Jeder packte Hitomi an ihren Gliedmaßen, um sie fest zu halten. Milerna nahm behutsam Hitomis Unterarm in ihre Hände. Van wollte nicht hinsehen, schaffte es aber nicht den Kopf abzuwenden. Dann durchströmte Hitomis markerschütternder Schrei den Hangar, als Milerna ihr den Unterarm zusammenrenkte. Hitomi schaffte es sich aus Schmerz ein wenig aufzubäumen brach dann aber wieder bewusstlos zusammen. „Danke Jungs.“, sagte Milerna, „ihr könnt gehen, ich flicke sie weiter zusammen und dann könnt ihr sie auf ihr Zimmer bringen.“ Es dauerte fast eine Stunde bis Milerna Hitomi komplett bandagiert und versorgt hatte. Van hatte sich aus Langeweile zu ihr gesetzt und schaute ihr dabei zu wie sie zum Schluss die Messerwunde an Hitomis Oberschenkel einwickelte. „Das wird sie für einige Tage außer Gefecht setzen, bis sie wieder richtig Laufen kann.“, murmelte Milerna. Van schaute Hitomi an. Sie hatte nun ein dunkles Veilchen unter dem Auge. Ihre Augen begannen zu zucken, als sie wieder aufwachte. Etwas benommen vom Alkohol sprach sie: „Ahh, mein kleiner Prinz. Hascht du mir etwa das Händchen gehalten?“ Sie kicherte. Van wusste nicht so recht was er sagen sollte, sondern starrte stattdessen in die Luft. Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf den Eingang zum Hanger, als mit quietschenden Reifen Kio mit Hitomis Motorrad auftauchte. Hinter ihm saß ein Mann. Er erkannte ihn erst, als er den Helm abnahm. Allen Shezar. Einer von Pallas‘ sogenanntem Militär. Van konnte ihn nicht ausstehen. Sofort stieg der große Mann mit dem langen, blonden Haar von der Maschine ab und ging mit großen Schritten zu dem Tisch auf dem Hitomi lag. Hitomi kicherte nur: „Oh, Oh jetzt krieg ich Ärger. Hihihi.“ Allen ließ sich davon nicht beirren, sondern nahm ihre gesunde Hand und sprach: „Hitomi, kannst du mir sagen was das sollte? Du kannst nicht einfach in irgendein x-beliebiges Haus einsteigen und dich mit den Black Dragons prügeln.“ Hitomis Blick wurde auf einmal ganz nüchtern und sie riss ihre Hand aus seinen Händen. Auch Gaddes und Vargas waren zum Geschehen dazu gestoßen, doch vermag es keiner auch nur ein Wort zu sagen. Die vielen Bandagen um ihren Oberkörper und ihr Bein machten es ihr schwierig, doch langsam setzte sie sich ächzend auf, um den Soldaten Allen in die Augen zu schauen. „Irgendein Haus?“, ächzte sie und fasst mit der gesunden Hand an ihre gebrochene Rippe, die ihr das Atmen wohl erschwerte. „Irgendein Haus, Allen? Wirklich? Wann dachtest du, wäre es an der Zeit mir zu erzählen, dass du weißt, wo sich das einzige noch lebende Mitglied der Familie Fanel aufhält?“, spuckte sie dem Soldaten entgegen. Ein Raunen ging durch den Hangar. Allen und Van rissen die Augen auf. Woher wusste sie? Das war unmöglich? Gaddes schritt ein: „Warte, warte Hitomi. Wer soll das sein und woher weißt du das?“ Mit der gesunden Hand zeigte Hitomi auf Van. „Darüber hab ich dich mit deinen Männern sprechen hören. Dass ihr ihn beschützen müsst. Nur wusste ich nicht, wer genau gemeint war. Bis ich selber dort war und den Beweis selber gesehen habe. Schaut euch die Kette an, die er unter seinem T-Shirt trägt. Daran hängt der Siegelring von Goau Fanel. Vor euch steht der rechtmäßige Thronerbe Fanelias Van Fanel.“ Ein weiteres Raunen ging durch die Gruppe. Allen sah Hitomi mit geöffnetem Mund an. Doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr sie bereits mit funkelnden Augen fort: „Und überhaupt. Ich habe mich nicht mit den Black Dragons geprügelt. Sie haben mich verprügelt. Weil du deinen Job nicht richtig gemacht hast, Allen. Ihr wusstet, wie wichtig Van für den Kampf gegen Zaibach ist und doch habt ihr versagt. Entweder seid ihr wirklich so dumm, wie ich glaube oder du hast einen Verräter in deinen eigenen Reihen.“ Hitomi kletterte von dem Tisch und humpelte schwankend in Richtung der Gänge, in denen sich wohl die Zimmer der Mitglieder befangen. Keiner wagte es ein Wort zu sagen. Als Hitomi an Vargas und Van vorbei ging, blieb sie stehen und schaut Van lange an. Sie griff nach seiner Kette und brachte den Ring seines Vaters zum Vorschein. Dann wanderte ihr Blick zu Vargas und Van glaubte Tränen in ihren großen, grünen Augen zu erkennen. Leise flüsterte sie: „… All die Jahre… ich hätte nie gedacht, dass du mich hintergehst Vargas.“ Sie ließ die Gruppe hinter sich stehen und humpelte alleine fort. Beklemmende Stille herrschte im Hangar. Vargas blickte zum Boden, die Hände zu Fäusten geballt. Van verstand nichts mehr. Er musste mit ihr reden. Ohne ein Wort zu sagen, drehte er sich um und lief ihr hinter her.   ***   Hitomi hatte große Schmerzen. Ihr Wutanfall hatte das Hämmern in ihrem Kopf nur verstärkt. Sie stand vor dem Schrank in ihrem Zimmer und zog ein T-Shirt heraus. Sie hatte Probleme es anzuziehen, so bandagiert wie sie war. Leise fluchte sie, als sie es nicht hinbekam, die Arme durch das Shirt zu stecken. Sie erschrak als hinter ihr eine Stimme fragte: „Soll ich dir helfen?“ Sie drehte sich um und erkannte Van in der Tür, der etwas verschämt zum Boden schaute. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie nicht wirklich bekleidet war. Sie trug nur noch ihre Shorts und ihr Oberkörper war mit Bandagen eingewickelt, die nur das nötigste versteckten. Sie blickte wieder zu dem Shirt in ihrer Hand und seufzte: „Hilfe, wäre jetzt wohl nicht schlecht.“ Van trat ins Zimmer hinein und stellte sich vor sie. Es war nicht besonders groß. In dem Zimmer standen nur ein Bett und einen Schrank. Sie hielt sich ohnehin nicht viel hier auf. Er nahm ihr das Shirt aus den Händen und zog es vorsichtig über ihre Arme. Sie schaute ihm dabei die ganze Zeit ins Gesicht, er versuchte sie nicht zu sehr anzustarren, doch das gelang ihm schwer. Anschließend zog er das Oberteil über ihren Kopf, sie machte sich lang um ihm dabei zu helfen. Als seine warmen Hände ihre Taille berührten, als er das Shirt herunter zog, machte sich sofort in ihr eine Wärme breit. Ihr Körper verlangte nach mehr Berührung, als sich seine Hände zurückzogen. Nach dem sie angezogen war, humpelte Hitomi hinüber zu ihrem Bett uns setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. Mit einem entschuldigenden Blick sah sie zu Van und dann zu ihren Boots. Er verstand und ging vor ihr in die Hocke, um sie aufzuschnüren. Als er an ihrem verletzten Bein den Schuh auszog, stöhnte sie. Van unterbrach sofort und entschuldigte sich. „Schon gut, zieh einfach, dann habe ich es hinter mir.“, ermutigte Hitomi ihn. Als sie fertig waren, ließ sich Hitomi erschöpft in ihre Kissen fallen. Van hockte noch immer vor ihrem Bett und sah sie mit seinen großen, Mahagoni farbenden Augen an. Seine Augen erinnerten sie an ihren Vater, sie musste unweigerlich lächeln. Sie seufzte: „Setz dich. Ich nehme an, du willst etwas von mir.“ Van wirkte leicht verwirrt, auf Grund ihrer Bemerkung. „Ich meine, du hast wohl Fragen an mich.“, korrigierte sie sich und schmunzelte nochmals. „Nun ja. Erstmal muss ich mich glaube ich bei dir bedanken, Hitomi.“, sagte Van ruhig. Hitomi bekam eine Gänsehaut als er ihren Namen aussprach. „Wärst du nicht gewesen, wäre ich jetzt eventuell tot.“ „Du brauchst dich nicht zu bedanken. Es ist mein Job, das zu erledigen, was dieses lausige Militär von Pallas nicht hinbekommt.“, antwortete Hitomi trocken. „Da wären wir schon bei meiner Frage, was habt ihr hier zu schaffen?“, Van schaute sie neugierig an. Hitomi hielt die Luft an. Normalerweise hielten sich die Abaharaki bedeckt, Außenstehende sollten bloß nicht zu viel wissen. Sie sah Van nachdenklich an. Würde er sich ihnen anschließen? Er war immerhin der rechtmäßige Herrscher Fanelias, früher oder später müsste sie es ihm erklären, vielleicht würde er sie unterstützen. „Wir, die Abaharaki, wir haben damals alle unsere Heimat verloren, als Fanelia angegriffen wurde.“ Sie ließ Van ein wenig Zeit dieser Information zu verdauen. Sie waren seine Untertanen, von denen er wohl nichts wusste. „Vargas brachte mich nach dem Angriff zu Gaddes und gemeinsam flohen wir mit den anderen Männern nach Pallas. Sie haben mich ausgebildet und seit einigen Jahren kämpfen wir gegen die Black Dragons, die nun den Weg ebnen wollen, dass das Zaibacher Imperium auch Asturia einnimmt. Allen, kennst du ja wahrscheinlich. Er gibt uns hin und wieder Tipps, wo wir einbrechen können, um Lebensmittel und Wertsachen für die Bevölkerung zu erbeuten. Sie haben nichts mehr. Die Regierung kann ihnen nicht helfen. Dafür sind wir da. Außerdem bieten wir den Waisenkindern hier Unterschlupf, da sie sonst wohlmöglich von den Black Dragons als Kindersoldaten missbraucht würden. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich in einem Stützpunkt der Armee ein Gespräch von Allen belauscht. Sie sprachen über die Villa, in der du wohntest und dass die Person, die dort lebt unbedingt vor den Black Dragons beschützt werden müsste. Also hab ich mich dazu entschieden, selbst nachzuschauen, worum es ging. Ich habe mit Gaddes deine Villa einige Tage observiert und überlegt wie man einsteigen könne, bis heute als mich mein Instinkt warnte, die Black Dragons würden auftauchen. Den Rest der Geschichte kennst du.“ „Und woher kennst du Vargas?“, fragte Van. Hitomi musste ein Lachen unterdrücken: „Vargas war ein Freund meines Vaters. Er rettete mich, als die Zaibacher meine Familie töteten. Nach dem er mich zu Gaddes brachte, habe ich nie wieder etwas von ihm gehört. Und weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass er mich einfach so im Stich lassen würde, dachte ich, er wäre tot. Nun ja, stattdessen hatte er wohl ein anderes Kind gehabt, auf das er aufpassen musste.“ Hitomi schalt sich, dass es so vorwurfsvoll klang, denn Van konnte bestimmt nichts dafür. Dennoch war ihre Enttäuschung über Vargas groß. „Und was ist jetzt euer Plan?“, überging Van Hitomis Bemerkung über Vargas. „Ich will den Drahtzieher finden. Ich will den Anführer des Zaibacher Imperiums töten. Aber bis wir das schaffen, müssen wir noch einiges herausfinden. Es ist nicht normal, wie viele Menschen sie in so kurzer Zeit rekrutieren konnten und außerdem haben sie Kräfte, die wir nicht erklären können. Um das zu schaffen, müssen wir erst einmal die Black Dragons zerschlagen. Sie sind die operative Einheit des Zaibacher Imperiums.“ Hitomi spürte, wie die Müdigkeit sie überkam. Ohne noch etwas zu sagen, fielen ihr die Augen zu und sie glitt in einen tiefen Schlaf. Sie merkte nicht mehr, wie Van ihr behutsam die Decke über den Körper legte und auf leisen Sohlen ihr Zimmer verließ.   ***   Allen blieb verwundert stehen, als er sah wie Van Fanel Hitomis Zimmer verließ und leise hinter sich die Tür schloss. Als er Allen bemerkte, blieb er wie angewurzelt stehen. Allen überkam seine Eifersucht: „Könnt ihr mir verraten, was ihr im Zimmer von Hitomi zu suchen hattet, Fanel?“ Van blickte ihn mit arroganten Augen an: „Ich habe mich bei meiner Lebensretterin bedankt, das ist alles Shezar. Und überhaupt bin ich euch keine Rechenschaft schuldig. Viel mehr könntet ihr mir erklären, woher die Black Dragons von meiner Existenz wussten.“ Allen schluckte, dem konnte er nichts entgegenbringen. Stattdessen ging er weiter und blieb vor Van, der sich noch immer vor Hitomis Zimmertür befand, stehen und flüsterte ihm in sein Ohr: „Hör zu Van. Du bist jetzt im Untergrund, hier zählt dein Titel oder dein Geld nichts. Bilde dir nichts darauf ein, dass sie dein Leben gerettet hat und lass ja die Finger von ihr, hast du mich verstanden?“ In der Hoffnung Van genügend eingeschüchtert zu haben, öffnete Allen die Tür zu Hitomis Zimmer und schloss diese direkt hinter sich wieder. Er setzte sich an Hitomis Bett und nahm ihre kalte Hand zwischen seine beiden Warmen. Sie war so klein und zierlich und dennoch prügelte sie sich andauernd mit diesen Verbrechern der Black Dragons. Allen wusste nicht was er noch tun sollte, um sie von ihnen fernzuhalten. Die Tipps, die er ihr gab, waren nur Ablenkung, um sie von den Orten der Stadt fernzuhalten in denen es wirklich zur Sache ging. Irgendwie schaffte Hitomi es immer wieder trotzdem dort aufzutauchen und sich in Gefahr zu bringen. Er wusste welch wichtige Arbeit sie für die Bevölkerung übernahm, doch konnte er es nicht ertragen, sie so zu sehen. Dilandau war förmlich besessen nach ihr und es würde nicht allzu lange dauern, bis er sie einfach einfangen und wer-weiß-wohin mitnehmen würde. Und jetzt hatte sie von Fanel erfahren, das würde ihre überheblichen Pläne, eine Rebellion anzuzetteln nur beflügeln. Verdammter Van, die Gallionsfigur des Widerstands. Das würde nach Hitomis Geschmack sein. Er musste die beiden voneinander fern halten.   *** Es vergingen einige Tage und Van bekam weder Hitomi noch Vargas zu Gesicht. Hitomi ruhte sich aus und Vargas ging Van wohl aus dem Weg. Van versuchte sich nützlich zu machen und half bei den Reparaturarbeiten. Ihm entging allerdings nicht, dass ihm die Abaharaki mit Respekt entgegentraten. Anstatt ihm Aufgaben zu geben, musste er sich selbst welche suchen. Nur Gaddes verhielt sich Van gegenüber normal. Er erzählte Van von den vielen Aktionen, die die Abaharaki durchgeführt hatten. Etliche Sabotageakte und Befreiungsaktionen von politischen Gefangenen, zum Beispiel Journalisten oder Schriftsteller. Van war nicht klar, wie schwerwiegend die Repressalien in Pallas waren. Die Regierung scheinbar nur repräsentativ agierend, während die Black Dragons das eigentliche Sagen hatten. Milerna Aston sah er einige Mal, die sich ab und zu um Hitomis Verletzungen kümmerte und ansonsten die übrigen Menschen im Hauptquartier ärztlich versorgte. Sie erzählte Van, dass sie Medizin studiert hatte, doch aus Sicherheitsgründen in keinem Krankenhaus arbeiten konnte. Mit Hilfe von Allens Männern schlich sie, ohne das Wissen ihres Vaters, in das Versteck der Abaharaki, um ihnen zu helfen. Manchmal, so glaubte Van, half sie ihnen wohl auch mit gefälschten Dokumenten, die das Siegel der Regierung trugen. Schließlich brauchten die im Untergrund lebenden Widerstandskämpfer gefälschte Ausweise, um sich in der Stadt bewegen zu können. Van bat Gaddes um einen solch gefälschten Ausweis. Gaddes hinterfragte seine Motive nicht, sondern bemerkte nur: „Das wird dich was kosten, Van-Boy!“, lachend versprach er Van, sich darum zu kümmern. Van konnte nicht anders, als Gaddes zu mögen. Er hatte etwas von einem großen Bruder, der immer einen lockeren Spruch auf der Zunge hatte, doch auf den man sich genauso gut verlassen konnte, wenn es ernst war. Vielleicht war das auch die Beziehung, die Hitomi und Gaddes zu einander hatten, eine geschwisterliche.   Van fragte am fünften Morgen nach seiner Ankunft, sie saßen gerade am Küchentisch: „Wie kommt es eigentlich, dass Hitomi hier die Anführerin ist. Nicht, dass ich was gegen Frauen hätte, aber sie ist noch so jung…“ -„25.“, unterbrach Gaddes ihn. „Wie bitte?“ -„Sie ist 25 Jahre alt. Warum sie unsere Anführerin ist? Ganz einfach. Diese ganze Untergrund-Geschichte und die Abaharaki sind auf ihrem Mist gewachsen. Wir haben früher in einer der Kohle-Mienen gearbeitet, nachdem Vargas sie zu uns brachte und wir nach Pallas flohen. Sie war glaube ich acht Jahre alt und schon damals ein Hitzkopf.“, Gaddes schmunzelte als er sichtlich in Erinnerungen schwelgte, „einige der Jungs von uns hier und ich haben in einer dieser Arbeiterbaracken gewohnt und sie bei uns versteckt. Haben ihr die Haare abgeschnitten, damit nicht jeder merkt, dass sie ein Mädchen ist. Nicht, dass sie sich so mädchenhaft verhalten hätte. Als sie älter wurde fing sie an die Dinge zu hinterfragen. Machte uns viel Ärger, weil sie anfing, die Aufseher zu beklauen. Mit sechzehn ist sie das erste Mal nachts ausgebüchst und wollte den Straßenkindern ihre Beute bringen. Da hat Allen sie geschnappt. Anstatt sie einzubuchten, hat er sich ihrer angenommen und sie heimlich trainiert.“ Bei der Erwähnung Allens zuckte Van unweigerlich zusammen. „Ich hab sie bei dir gelassen, damit du auf sie aufpasst und nicht damit sie zu einer Soldatin wird, Gaddes.“ Gaddes und Van blickten sich nach hinten um. Vargas hatte die Küche betreten. Das Gesicht versteinert, die Lippen fest zusammengepresst. „Wohhh, woohhh, halt die Luft an, alter Mann.“, lachte Gaddes Vargas an, „Es ist nicht gerade so gewesen, als hättest du mir eine Erziehungsanleitung für kleine Mädchen dagelassen. Ich war selber gerade Mal 18 Jahre alt und dass Allen sich um sie gekümmert hat, hielt sie von der Straße fern. Irgendwas musste man ja mit ihrer Energie machen.“ Vargas setzte sich zu Van und Gaddes an den Tisch. Van konnte seinen Unmut nicht für sich behalten: „Vargas, findest du nicht, du bist mir langsam eine Erklärung schuldig?“ Van verschränkte die Arme vor seiner Brust und wartete die Antwort ab. Vargas aber schüttete sich gemächlich Kaffee in einen der leeren Becher, die auf den Tisch standen. „Es gibt nicht zu erklären, Master Van. Ich habe mich früher um einige junge Menschen in Fanelia gekümmert, habe sie ausgebildet, so wie zum Beispiel Gaddes hier.“ „Und die Rettung eines kleinen fanelischen Mädchens ist nichts Außergewöhnliches?“, hinterfragte Van. „Nein.“, antwortete Vargas matt. Gaddes nahm einen großen Schluck aus seinem Becher, stellte ihn geräuschvoll ab, stand lachend auf und klopfte Vargas freundschaftlich auf die Schulter. „Kommt Master Van.“, äffte Gaddes Vargas mit tiefer Stimme nach, „ich will das Hovership schon mal beladen. Der nächste Einsatz lässt bestimmt nicht mehr lange auf sich warten.“ Sie schritten durch den langen Gang Richtung Hangar. Zu Vans und Gaddes Verwunderung stand Hitomi vor dem Hovership und beaufsichtigte bereits die Verladearbeiten. Sie hatte noch immer ein blaues Auge und ihr gebrochener Arm war geschient. Die schwarze enge Jeans, die sie trug, versteckte ihre Verletzung am Oberschenkel. Das graue T-Shirt mit weitem V-Ausschnitt wehte locker um ihre Figur, da sich der große Eingang zum Hangar öffnete. Alle Menschen blickten auf, als ein Motorrad auf den Lastenzug vor dem Eingangstor erschien. Langsam fuhr das Motorrad in den Hangar hinein und kam kurz vor Hitomi zum Stehen. Die Fahrerin nahm ihren Helm ab. Es war eine Katzenlady. Sie war nicht ganz so groß wie Hitomi, das konnte Van bereits erkennen , ihre pinken, fülligen Haare reichten ihr bis zur Schulter, die Katzenohren ragten hervor. Van hatte noch nie einen Katzenmenschen gesehen sondern nur von ihnen gehört. Erst jetzt bemerkte er, dass sich um die Taille der Katzenlady kleine Kinderarme schmiegten. Mit einem Satz sprang ein kleiner Junge vom Motorrad ab, warf seinen Helm ab und sprintete zu Hitomi. „Hitoomiiiiiii!“, er warf Hitomi fasst um, als er stürmisch die Arme um ihre Taille warf. Van vermutete, dass es eines der Waisenkinder sein musste. Ähnlich sah er der Frau, die er umarmte nicht. Er hatte goldblondes Haar und stechend blaue Augen, die sich mit Tränen füllten. Er war höchstens sieben Jahre alt.   ***   „Heeee Chid! Was ist denn los?“, versuchte Hitomi sich aus seiner Umarmung zu lösen. Sie hockte sich vor den kleinen Jungen, dabei durchfuhr sie ein widerlicher Schmerz. Die Verletzung am Bein und die gebrochenen Rippen würde sie noch einige Zeit spüren, doch wollte sie sich vor dem kleinen Jungen vor ihr nichts anmerken lassen. Das blaue Auge erschreckte ihn bestimmt genug. Liebevoll wischte sie ihm die Tränen aus dem Gesicht. Der kleine Chid schluchzte und wollte sich nicht beruhigen, stattdessen fiel er ihr um den Hals und drückte sein Gesicht an ihre Brust. Hitomi schlang ihre Arme um seinen kleinen Körper. Verärgert blickte sie zu der jungen Katzenlady vor ihr. „Merle, was ist hier los?“ Merle blickte sie entschuldigend an: „Sorry Hitomi, aber wollte dich unbedingt sehen. Als ich ihm sagte, wir können dich nicht besuchen, weil du krank wärst, ist er durchgedreht. Die anderen Kinder im Waisenhaus wurden auch schon unruhig, weil du so lange nicht mehr da warst.“ Hitomi seufzte als sie den vorwurfsvollen Unterton in Merles Stimme bemerkte. Es stimmte, durch die Observation und ihren ‚Unfall‘ mit den Black Dragons hatte sie die Waisenkinder vernachlässigt. So war sie sonst immer alle paar Tage in dem Versteck der Waisenkinder, um ein wenig mit ihnen zu spielen und ihre Freundin zu besuchen. Merle war bestimmt in großer Sorge gewesen. „Schon gut Merle. Es tut mir leid.“ Zu Chid gewandt sprach Hitomi: „Chid, mir geht es gut. Keine Angst. Ich bin nur doof hingefallen und hab mir ein wenig Wehgetan, siehst du?“, Hitomi zeigte ihm ihren gebrochenen Arm“, „So mein Schatz, du gehst jetzt in die Bibliothek und spielst ein wenig. Ich hab hier noch einiges zu erledigen und komme danach zu dir. Dann können wir dein Lieblingsbuch lesen, in Ordnung?“ Chid, der sich allmählich beruhigt hatte, nickte und lief in Richtung der Bibliothek. Sie mochte es nicht, wenn die Waisenkinder hier waren. Sie sollten nicht zu viel von dem in der Stadt tobenden Kampf miterleben. Das Versteck der Waisenkinder befand sich weit außerhalb der Stadt in einem bewaldeten Gebiet. Die Wolfsmenschen hatten den Abaharaki angeboten, die Kinder bei ihnen zu verstecken, als es zu viele wurden, um sie im Hauptquartier unterzubringen. Hitomi war dankbar dafür, denn die Wolfsmenschen wurden von den Black Dragons in Ruhe gelassen und die Kinder konnten sich dort einigermaßen frei bewegen.   Gaddes näherte sich den beiden Frauen. Er legte Merle freundschaftlich einen Arm und die Schulter und sprach: „Na Merle-Baby? Bist vorbei gekommen, um einen kleinen Kaffeeklatsch mit deiner besten Freundin abzuhalten?“ Merle rollte nur mit den Augen und befreite sich aus seiner Umarmung. Ihr Blick fiel auf Van. „Ist das ein neuer?“, verwundert, dass sie keine Antwort bekam, fragte sie weiter, „Was ist denn hier los?“ Hitomi wusste selbst nicht, wie sie alles erklären sollte. Noch bis vor kurzem wusste sie nichts von dem fanelischen Thronerben. Die Karten wurden neu gemischt. Das Massaker von Fanelia war noch heute, all die Jahre später, eine der finstersten Geschichten Gaias. Doch jetzt, wo Van Fanel aus dem nichts auftauchte, konnte Hitomi ihren Leuten und der Bevölkerung etwas geben, das sie mit ihrer ganzen Widerstandsarbeit bis jetzt nicht zu schaffen vermochte. Hoffnung. Sie erschrak, als sie merkte, wie sie den jungen Mann anstarrte und dieser ihren Blick erwiderte. Für einen Moment glaubte sie, in seinem Blick gefangen zu sein. Gaddes räusperte sich laut und riss Hitomi wieder aus ihren Gedanken. „Kommt lasst uns in die Kommandozentrale gehen. Ich habe einiges zu besprechen.“, versuchte Hitomi im gefassten Ton anzuweisen. Schnellen Schrittes ging sie voran. Ihr folgten einige der Männer, darunter auch Gaddes und auch Van und Merle gingen mit. Die Kommandozentrale befand sich im zweiten Geschoss des Hauptquartiers. Es hatte eine Glasfront von der aus man den Hangar gut überblicken konnte. Es standen einige Computer vor der Glasfront aufgereiht, an diesen saßen junge Männer mit Headsets auf. Hitomi drehte sich zu Van um, der dicht hinter ihr ging. „Das sind unsere Leute, die die Kanalisation im Blick haben, sowie die Ein- und Ausgänge in unser Quartier. Von hier aus hacken sie sich in die Systeme der Stadt, damit wir unbemerkt mit dem Hovership vorankommen.“ Van antwortete nichts und Hitomi glaubte nicht weiter auf das Thema eingehen zu müssen. Sie führte die Gruppe zu einem Konferenztisch im hinteren Teil der Zentrale. Auf dem Tisch waren Stadtpläne und Zeichnungen verteilt. Hitomi bedeutete den anderen Platz zu nehmen. Sie selbst nahm am Kopf des Tisches Platz, Gaddes ließ sich ihr gegenüber am anderen Ende des Tisches nieder. Interessiert stütze er seinen rechten Arm auf der Armlehne seines Stuhles ab und legte sein Kinn auf Hand ab. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen. Hitomi stutzte darüber, was Gaddes so amüsant fand, als Vargas an hier vorbei ging und sich auf einen Platz zu ihrer Linken setzte. Er sah sie mit argwöhnischen Augen an. Hitomi versuchte die Fassung zu bewahren und den tadelnden Gesichtsausdruck den Vargas ihr schenkte, zu ignorieren. „Da ich einige Tage außer Gefecht gesetzt war, konnten wir nicht wirklich die Ereignisse in der Villa besprechen. Van, es ist dir freigestellt hier bei uns zu bleiben oder deines Weges zu gehen. Allerdings glaube ich nicht, dass es für dich das Beste wäre, die Abaharaki zu verlassen. Die Black Dragons sind auf der Suche nach dir.“, sprach Hitomi. „Sie wissen aber nicht wie er aussieht.“, warf Vargas ein. Hitomi war für einen Augenblick verwirrt. „Wir haben ihn all die Jahre abgeschottet. Nicht einmal der Präsident weiß, dass das Master Van ist. Alles was die Regierung weiß, ist dass sich der rechtmäßige Thronerbe von Fanelia irgendwo in Asturia aufhält. Wir haben Master Van so gut abgeschottet, dass niemand ihn kennen dürfte.“, fuhr Vargas weiter fort, „es spricht also überhaupt nichts dagegen, eure kleine Gang zu verlassen und ein neues Versteck für Master Van zu finden.“ „Es reicht Vargas.“, schritt Van ein. So hatte Hitomi Van bis jetzt noch nicht sprechen hören. „Ich habe es satt mich vor irgendetwas oder irgendjemandem zu verstecken. Ich weiß noch nicht mal, was sie von mir wollen. Solange meine Identität unbekannt ist, kann ich mich ja wohl auch aufhalten, wo ich es für richtig halte. Nein, viel mehr will ich hier bleiben und mich den Abaharaki anschließen. Du brauchst mich nicht so anzusehen, Vargas. Ich habe mich die ganze Zeit aus Respekt deinem Willen gebeugt, aber damit ist Schluss. Du arbeitest für mich.“   Hitomi musste sich ein Lachen verkneifen. Es ging einfacher als gedacht. Vargas warf ihr einen tödlichen Blick zu und stand von Tisch auf. Er ging hinüber zur Glasfront und blickte über den Hangar. „Mitgliedsanträge werden von mir verwaltet!“, scherzte Gaddes und zwinkerte Hitomi und Van dabei zu. Hitomi versuchte Vargas zu ignorieren und fuhr fort. „Da sich unsere Ausgangssituation ein wenig verändert hat, sollten wir reagieren. Die Black Dragons führen etwas im Schilde, warum sonst waren sie auf der Suche nach Van? Das kann kein Zufall sein. Wir sollten dem nachgehen und ich habe weiß auch schon wo.“ Gaddes stöhnte und fasste sich an die Stirn: „Nein, Hitomi nicht schon wieder. Er will nicht mit uns reden.“ Hitomi lächelte und blickte in Vans Richtung: „Ich denke unter diesen Voraussetzungen wird er mit mir reden wollen. Ich werde Dryden Fassa suchen.“   ***   Gaddes starrte Hitomi an. „Könnt ihr uns mal alle allein lassen?“, knurrte Gaddes. Die Anwesenden erhoben sich und verließen den Raum schnell. Hitomi unterbrach das Treiben: „Das ist nicht notwendig.“ Auch die Männer an den Computern standen schnell auf, um den Raum zu verlassen. Nur Van und Vargas machten keine Anstalten den Raum zu verlassen. Gaddes versuchte sie zu ignorieren. Er hasste es von Vargas die ganze Zeit auf den Prüfstand gesetzt zu werden, was er bei Hitomi alles falsch gemacht haben soll. Seit Vargas nun bei ihnen war, hatte er Gaddes kritisch beäugt, zwischen durch einen Kommentar abgelassen und immer wieder nur den Kopf geschüttelt, wenn Hitomi ihren Kopf durchsetzte. Und sie war schon wieder dabei. Sie saß ruhig ihm Gegenüber und wartete ab. Es brachte ihn zur Weißglut.   „Das ist nicht wirklich dein Ernst Hitomi. Du willst also mal wieder losziehen, alles Stehen und Liegen lassen und diesen Verrückten suchen. Was für Wahnvorstellungen hast du dieses Mal. Kannst du es mir verraten?“, rief Gaddes. „Gaddes, er ist nicht verrückt und das weißt du. Er kennt sie alle. Wir können mit seiner Hilfe einen neuen Widerstand formieren. Du weißt nicht, wie viele noch im Untergrund agieren. Aber er wird uns zu ihnen führen und er kann mir helfen den Drahtzieher hinter den Black Dragons ausfindig zu machen.“, antwortete Hitomi ruhig. Gaddes sah in ihrem Blick, dass ihre Entscheidung schon lange feststand, doch wollte er nicht so kampflos aufgeben. Nicht vor Vargas, den er immer wieder aus den Augenwinkeln beobachtete. „Nicht schon wieder Hitomi. Du bringst dich in Unnötige Gefahr in der Stadt rumzulaufen und nach ihm zu suchen. Wenn er wollte, hätte er sicherlich schon den Kontakt zu uns hergestellt. Und überhaupt wie stellt du dir das alles vor? Schau dich doch an. Du kannst noch nicht mal richtig laufen.“ Gaddes schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich habe dich hier nicht um Erlaubnis gebeten, Gaddes. Ich wollte dich lediglich informieren.“ Gaddes kannte diesen Tonfall in ihrer Stimme nur zu Gut. Sie würde ihr Ding machen, so wie immer. „Du wirst das Kommando für die Zeit übernehmen. Die Arbeit geht weiter. Ihr fliegt die Distrikte ab und versorgt die Leute. Ich werde bevor ich in die Stadt fahre Chid zum Waisenhaus zurückbringen und Ruhm einen Besuch abstatten. Ich halte euch während meiner Abwesenheit auf dem Laufenden.“, schloss Hitomi ihre Ansage ab. Gaddes war zum Lachen zu Mute: „Hab ich das etwa richtig herausgehört? Du willst alleine losgehen? Bist du verrückt?“ Hitomi seufzte nur: „Nein, ich bin nicht verrückt. Ich glaube einfach, dass es nichts bringt, wenn wir irgendwo mit dem ganzen Clan aufschlagen und zu viel Aufsehen erregen. Ich denke, dass ich mehr Chancen habe mit Fassa zu reden, wenn ich alleine bin.“ Gaddes sah zur Seite, er konnte Hitomi nicht ansehen. Sie verstand wohl nicht, was es in ihm auslöste, wenn sie ihre Alleingänge startete. Wenn er nicht auf sie aufpassen konnte. Gaddes blickte verwundert auf, als Van sich zu Wort meldete: „Ich werde sie begleiten.“ Vargas drehte sich nun endlich zu ihnen um: „Wie bitte?“ Hitomi schalt sich ebenfalls ein: „Ja genau. Wie bitte?“ Van lehnte sich in seinen Stuhl zurück und ließ die Arme an den Seiten baumeln. „Ich möchte selber die Gelegenheit nutzen und etwas über die Black Dragons erfahren. Schließlich wollen sie ja etwas von mir.“ Van neigte den Kopf zu Gaddes und zwinkerte einmal kurz. Gaddes konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, auf Van war Verlass, somit hätte Hitomi wenigstens jemanden, der ihr half. „Das ist eine gute Idee Van“, sprach Gaddes schnell, bevor Hitomi protestieren konnte, „Ich denke es ist ein fairer Kompromiss, den du mir zugestehen kannst, dafür dass du mich mit der ganzen Abaharaki Arbeit allein lässt.“ Hitomi öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Gaddes fühlte sich wie der Sieger, dieses Gesprächs und stand auf. Als er sah, wie sich Vargas zu ihm umdrehte, bekam er es mit der Angst und ergriff die Flucht. Diese Standpauke wollte er sich nun wirklich nicht anhören. Sie ließen die beiden jungen Menschen in der Kommandozentrale zurück.   ***   Hitomi starrte ihn mit funkelnden Augen an. Es herrschte dicke Luft. Van konnte nicht anders, als ihren wütenden Gesichtsausdruck attraktiv zu finden und schenkte ihr sein schönstes Lächeln. Hitomi stemmte sich von ihrem Platz hoch und verließ schnellen Schrittes den Raum. Erst jetzt trauten sich, die Computerleute wieder herein und setzten ihre Arbeit fort. Van stöhnte und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Wieso hatte er das Gefühl, dass Gaddes hier sein einziger Verbündeter war?   Es nützte nichts, er stand auf und ging Hitomi nach. Sie war nicht besonders weit gekommen, vermutlich machte ihr die Verletzung mehr zu schaffen, als sie zu geben wollte. Auf der Treppe, die nach oben führte, holte er sie ein und griff nach ihrem schlanken, gesunden Arm. „Hitomi…“, sie drehte sich um und riss ihren Arm aus seiner Hand. „Was bildest du dir ein Van Fanel. Ich rette dir den Arsch und du mischst dich hier in Angelegenheiten ein, die dich nichts angehen.“ Van schnaubte: „So ist das also, ich dachte, du wolltest, dass ich bei euch bleibe. Wo ist also das Problem. Außerdem geht es Gaddes bestimmt viel besser damit, wenn du nicht alleine gehst. Schau dich doch an!“ Hitomi versuchte etwas zu entgegnen, doch sie verkniff es sich und drehte sich auf der Stufe wieder um, um weiterzugehen.  Erst jetzt bemerkte er, dass sie von den Männern, die das Hovership beluden, beobachtet wurden. Van zuckte mit den Schultern und verfolgte Hitomi weiter. Sie war auf dem Weg in die Bibliothek. Kurz nach ihr betrat er den Raum und war überwältigt. Er war riesig, die fünf Meter hohen Wände waren von Bücherregalen verdeckt. Die Bücher, die nicht in die Regale passten, stapelten sich auf dem Boden davor.   Van ging beeindruckt die Regale ab, am Ende eines Ganges sah er, wie sich Hitomi gerade Anstalten machte, um sich auf den Boden zu dem kleinen Chid zu setzen, der bereits dort auf sie wartete. Es war eine kleine Ecke mit einigen Kissen und einer Lampe. Van sprang an Hitomis Seite, um ihr zu helfen, doch sie zog ihren Arm nur weg. „Ich bin keine Invalide.“, bemerkte sie trocken. Van versuchte sich nicht provozieren zu lassen, sondern ließ sich zu den Beiden auf den Boden fallen. Der kleine Junge sah ihn mit strahlenden Augen an. Erst jetzt bemerkte Van, dass ihn der Junge an irgendjemanden erinnerte. „Wer bist du?“, fragte ihn Chid. Van überlegte kurz, wie er antworten sollte und entschied sich für die einfachste Methode: „Mein Name ist Van und ich bin ein Freund von Hitomi.“ Er wartete kurz ihre Reaktion ab, doch sie sah ihn nur durch ihre großen, grünen Augen an. Er sah ihr weiterhin in die Augen, als er fortfuhr: „Ich habe ihr mein Leben zu verdanken und hoffe es irgendwann wieder gut machen zu können.“ Erst jetzt brach Van den Blickkontakt ab und sah auf das Buch in Chids Händen. ‚Das Mädchen vom Mond der Illusionen‘, ein altes fanelisches Märchen. Van konnte sich noch vage erinnern, wie seine Mutter ihm früher daraus vorlas. Bevor die Traurigkeit ihn überkommen konnte, fragte er: „Das ist eine beeindruckende Bibliothek, Hitomi. Woher kommen diese Bücher?“ Über Hitomis Gesicht legte sich ein trauriger Schleier. „Viele dieser Bücher haben wir vor der Vernichtung durch die Zaibacher gerettet. Es sind zensierte Werke von Widerstandskämpfern. Die meisten Bücher haben wir aus Fanelia gebracht, aus meinem Elternhaus. Aus irgendeinem Grund sie sind keinem Feuer zum Opfer gefallen. Sie gehörten meinem Vater. Es ist das Einzige, das mir von ihm noch geblieben ist. Daher ist das hier mein Lieblingsort.“, sie atmete tief durch, „Und der von Chid, nicht wahr?“ Van hatte nicht erwartet, was er mit seiner Frage auslösen würde und versuchte die Stimmung aufzuhellen. „Darf ich dir vielleicht vorlesen, Chid? Das war früher meine Lieblingsgeschichte.“ Chid nickte eifrig und reichte Van das Buch. Van schlug das Buch auf der ersten Seite auf und begann zu lesen. Was er nicht merkte, war wie Hitomi, den Arm eng um Chid gelegt, die aufkommenden Tränen unterdrückte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)